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Lady Charlotte Blennerhassett (1843–1917)

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Page 1: Lady Charlotte Blennerhassett (1843–1917)

Laura Pachtner

Lady Charlotte Blennerhassett (1843–1917)Katholisch, kosmopolitisch, kämpferisch

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© 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525310977 — ISBN E-Book: 9783647310978

Laura Pachtner: Lady Charlotte Blennerhassett (1843–1917)

Page 3: Lady Charlotte Blennerhassett (1843–1917)

Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der

Bayerischen Akademie der Wissenschaften

Band 104

© 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525310977 — ISBN E-Book: 9783647310978

Laura Pachtner: Lady Charlotte Blennerhassett (1843–1917)

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Laura Pachtner

Lady Charlotte Blennerhassett (1843–1917)

Katholisch, kosmopolitisch, kämpferisch

Mit 5 Abbildungen

Vandenhoeck & Ruprecht

© 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525310977 — ISBN E-Book: 9783647310978

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Die Schriftenreihe wird herausgegeben vom Sekretär der Historischen Kommission:

Bernhard Löffler

Gedruckt mit Unterstützung der Franz Schnabel Stiftung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

© 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Umschlagabbildung: Charlotte Lady Blennerhassett (Photographie im Besitz von Mr. P. F. A. Denman, London)

Satz: textformart, Göttingen | www.text-form-art.de

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com

ISSN 2197-4721ISBN 978-3-647-31097-8

© 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525310977 — ISBN E-Book: 9783647310978

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Inhalt

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20Quellenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23Konzeption und Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31Begriffserläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

1. Eine adelige Kindheit und Jugend in Bayern 1843–1865 . . . . . . . . . 371.1 Adeliges Leben in Bayern in der ersten Hälfte des

19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371.1.1 Die Familien von Leyden und Seligmann-Eichthal . . . . . . 381.1.2 Charlotte von Leydens Kindheit:

Adelige Landidyille, Münchner Geselligkeit und erste Bildungserfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

1.2 Im Sacré-Coeur Blumenthal 1854–1858 . . . . . . . . . . . . . . . . 561.2.1 Frauenkongregationen und Klosterpensionate

für Mädchen im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . 571.2.2 Charlotte von Leyden im Sacré Coeur-Kloster

Blumenthal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601.3 Rückkehr eines jungen Mädchens 1858–1865 . . . . . . . . . . . . 69

1.3.1 Konventionen und Konflikte: 1858–1861 . . . . . . . . . . . 691.3.2 Intellektuelle Herausforderungen: 1859–1864 . . . . . . . . . 80

2. Charlotte von Leyden und Ignaz von Döllinger (1865–1869/70) . . . . 872.1 Vom ›Bannerträger des Ultramontanismus‹ zum

›liberalen Katholiken‹ – Ignaz von Döllinger 1865 . . . . . . . . . . 872.1.1 Ultramontanismus und liberaler Katholizismus . . . . . . . 882.1.2 Döllinger in der ersten Hälfte seines Lebens . . . . . . . . . . 94

2.2 Ignaz von Döllinger und Charlotte von Leyden: ›Döllinger mit Herz‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 992.2.1 Familienanschluss, gemeinsame Interessen und

intellektuelle Förderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1002.2.2 Kontroversen: Religiosität, Kirchenpolitik und Politik . . . . 1082.2.3 Persönliche Probleme: Heiratschancen vs.

Bildungsstreben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1162.2.4 Charlotte von Leyden und Döllinger – Fazit . . . . . . . . . . 124

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6 Inhalt

3. Entscheidungen 1869–1871 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1293.1 Paris 1869 – Begegnung mit den französischen liberalen

Katholiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1293.1.1 Im Vorfeld des Konzils: Kontroversen und Kontakte . . . . . 1303.1.2 Ralliement für das Konzil: Charlotte von Leydens

Scharnierfunktion nach Frankreich . . . . . . . . . . . . . . 1403.2 Der Konzilswinter 1869/70: Kirchliche und persönliche

Schicksalsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1453.2.1 Konzilsparteien und Konzilsöffentlichkeit: Die Minorität

der Infallibilitätsgegner und die Rolle der Laien . . . . . . . . 1453.2.2 Salons, Sehenswürdigkeiten und Schicksalsfragen . . . . . . 1483.2.3 Der Verlauf des Konzils aus Sicht Charlotte von Leydens . . 1573.2.4 Eine Neigungsentscheidung unter den Vorzeichen des

Konzils: Sir Rowland Blennerhassett . . . . . . . . . . . . . . 1623.3 Der deutsch-französische Krieg 1870/71 – Zwischen

Patriotismus, Kirchenpolitik und Freundschaft . . . . . . . . . . . 1723.3.1 Diplomatie und Intrigen – Casimir von Leyden, General

von der Tann und Bischof Dupanloup . . . . . . . . . . . . . 1733.3.2 Freunde im feindlichen Frankreich – Marquise Forbin

und Vicomte d’Aillières . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1763.4 Das Infallibilitätsdogma und die Exkommunikation Döllingers . . 184

3.4.1 Enttäuschte liberal-katholische Hoffnungen: Die Unterwerfung der Minoritätsbischöfe 1870/71 . . . . . . 185

3.4.2 »Die Catastrophe ist eingetreten«: Charlotte Blennerhassett und Döllingers öffentlicher Widerstand bis zu seiner Exkommunikation . . . . . . . . . 190

3.5 Fazit – Entscheidungen und Ergebnisse 1869–1871 . . . . . . . . . 197

4. Zwischen London und München – Charlotte Lady Blennerhassett 1871–1917 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2034.1 »Das Vaterland meines Mannes und meiner Kinder …« . . . . . . 204

4.1.1 Annäherung mit Hindernissen: Charlotte Blennerhassetts erste Jahre in England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204

4.1.2 Englische Bekanntschaften – liberale Prominenz . . . . . . . 2104.1.3 Familienleben und Familiensorgen . . . . . . . . . . . . . . . 217

4.2 »Das irische Problem«: Die Blennerhassetts und Irland . . . . . . . 2234.2.1 Der ›landlord‹ Sir Rowland Blennerhassett im irischen

Kontext der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts . . . . . . . 2234.2.2 Gegen Home Rule und Rome Rule: Sir Blennerhassetts

politische Karriere 1872–1880 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2294.2.3 Die Blennerhassetts, der land war und Gladstones Politik

1880–1885: enttäuschte Hoffnungen . . . . . . . . . . . . . . 240

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7Inhalt

4.2.4 Charlotte Blennerhassett und Irland: Gegen die Allianz von Revolution und Ultramontanismus . . . . . . . . . . . . 249

4.2.5 Kampf gegen Gladstone und Home Rule . . . . . . . . . . . . 2564.2.6 »Ich fürchte jetzt es geht ganz schlecht und es bleibt

Rld. nichts.« – Die wirtschaftliche Misere der Familie Leyden-Blennerhassett . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

4.3 Rückkehr nach München . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2754.3.1 Rückkehr nach München und familiäre Krise . . . . . . . . . 2764.3.2 »Mutterschaft und geistige Arbeit«: Familienleben

und Arbeitsroutine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2804.3.3 Alte und neue Netzwerke: Blennerhassetts Leben

in München . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2854.3.4 Charlotte Blennerhassett und die internationale

Diplomatengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2924.4 Schmerzhafte Veränderungen – Charlotte Blennerhassett

und England 1890–1914 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2994.4.1 Die Zukunft der Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2994.4.2 Misstrauen gegen Deutschland und Engländerhetze –

1890–1914 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3174.5 Die letzte Europäerin im Ersten Weltkrieg 1914–1917 . . . . . . . . 329

4.5.1 Der Ausbruch des Weltkriegs: »… habe ich nur mehr meinem deutschen Blut gehorcht …« . . . . . . . . . . . . . . 329

4.5.2 Die »Feindstaatenausländerin« . . . . . . . . . . . . . . . . . 3324.5.3 Blennerhassett und die katholische Kriegspublizistik . . . . 3384.5.4 »So war es doch nicht im Jahre 70?« Charlotte

Blennerhassett, Prinzessin Therese und der Erste Weltkrieg 3464.6 Fazit – Der Tod der letzten Europäerin . . . . . . . . . . . . . . . . 351

5. Die Autorin Charlotte Lady Blennerhassett . . . . . . . . . . . . . . . . 3575.1 Anfänge und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359

5.1.1 Selbstzensur als Ausgangspunkt: Frühe Studien und nicht verwirklichte Publikationsprojekte . . . . . . . . . . . . . . . 359

5.1.2 Unterstützer, Ressourcen und wirtschaftliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366

5.2 Durchbruch: Madame de Staël und die Folgen . . . . . . . . . . . . 3745.2.1 Das Hauptwerk: Voraussetzungen und Hintergründe . . . . 3745.2.2 ›Frau von Staël‹: Darstellung und wissenschaftliche

Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3795.2.3 Blennerhassetts politisch-historische Deutung der

Revolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3875.2.4 Die Rezeption: Rezensionen und Wirkungsgeschichte . . . . 3985.2.5 Das Nachfolgeprojekt: ›Talleyrand. Eine Studie‹ . . . . . . . . 407

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8 Inhalt

5.3 Etabliert: Die Essayistin und historische Autorin Blennerhassett . . 4105.3.1 Charlotte Blennerhassett und Julius Rodenbergs

›Deutsche Rundschau‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4105.3.2 Die Essayistin: Publikationsorte und Strategien . . . . . . . . 4215.3.3 ›Frauenleben‹ – Blennerhassett als populäre

historische Autorin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4265.3.4 Die Historikerin der Restauration: ›Weltgeschichte

in Karakterbildern‹ (1903) und ›The Cambridge Modern History‹ (1907/09) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432

5.3.5 Wissenschaftlicher Anspruch vs. konfessionelle Tendenz: Blennerhassetts Werke über Maria Stuart und Madame de Maintenon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441

5.4 Die Autorin Blennerhassett: Wahrnehmung, Anspruch und Frauenbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4475.4.1 Der Blick von außen: Blennerhassett und die

zeitgenössische Gelehrtenwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4475.4.2 »… und doch nicht zu den Historikern gerechnet werde?!«

Blennerhassetts Selbstverständnis . . . . . . . . . . . . . . . 4585.4.3 »Was Frauen vermögen«: Blennerhassetts Frauenbild . . . . 4695.4.4 Blennerhassett und andere geistig arbeitende Frauen:

Vorbild, Hilfestellung, geteilte Erfahrungen? . . . . . . . . . 4785.5 Fazit – Die Autorin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488

6. Die Trümmer des liberalen Katholizismus: Charlotte Blennerhassett zwischen Kulturkampf und Modernismuskrise . . . . . . . . . . . . . . 4956.1 Religion und Politik – »… zwischen zwei Mühlsteine zugleich …« 497

6.1.1 Gegen das drohende Schisma: Blennerhassett und der Altkatholizismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497

6.1.2 Blennerhassett und der politische Katholizismus der Kulturkampfzeit: »… ein geistiger Bankrott auf religiösem und auf politischem Gebiet.« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506

6.1.3 Eine innerkirchliche Schicksalsgemeinschaft: Blennerhassett und Kraus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521

6.1.4 Zwischen Hoffnung, Enttäuschung und Arrangement . . . . 5336.1.5 »European Culture Wars« – Blennerhassett und die

europäische Dimension der Kulturkämpfe . . . . . . . . . . . 5446.2 Glaube, Geschichte und Moral: Blennerhassett, Acton und

Döllinger (1879–1890) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5536.2.1 Der Konflikt: Auslöser, Hintergründe und Konsequenzen . . 5546.2.2 »And now we come to the key of the Professor’s mind«:

Blennerhassett und Acton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5646.2.3 Selbstzensur, Toleranz und Verfolgung: Blennerhassetts

Werk und die Auseinandersetzung mit Actons Ideen . . . . 570

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9Inhalt

6.3 Nachfolge: Charlotte Blennerhassett, die Modernismuskrise und die junge Generation (ca. 1893–1914/17) . . . . . . . . . . . . . . . 5816.3.1 Blennerhassett, der Reformkatholizismus und

die (anti-)modernistische Herausforderung . . . . . . . . . . 5846.3.2 Die Autorin Blennerhassett in der Modernismuskrise:

Katholische Geschichtsschreibung, die ›Newman‹-Studie 1904 und Carl Muths ›Hochland‹ . . . . . . . . . . . . . . . . 592

6.3.3 In Memoriam Döllinger, Kraus, Acton – Blennerhassetts Deutungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . 607

6.3.4 Die große alte Dame des liberalen Katholizismus und die nächste Generation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615

6.4 Fazit – Die Trümmer des liberalen Katholizismus . . . . . . . . . . 629

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635

Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 659

Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 661

Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 663Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 663Gedruckte Quellen und Nachschlagewerke . . . . . . . . . . . . . . . . 665Zitierte Publikationen Charlotte Blennerhassetts (nach Erscheinungsjahr bzw. alphabetisch nach Titel) . . . . . . . . . . 673Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 678Online-Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 709

Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 711

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Laura Pachtner: Lady Charlotte Blennerhassett (1843–1917)

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Einleitung

»Es herrscht ein allgemeines und nicht unberechtigtes Vorurtheil gegen die bio-graphische Schilderung einer Frau durch eine andere« – mit diesen Worten gab der Kirchenhistoriker Franz Xaver Kraus 1889 in seiner Rezension über Char-lotte Blennerhassetts Biographie der Madame de Staël zunächst einem zeitgenös-sischen Vorurteil Raum, um es dann aber in Bezug auf das opus magnum seiner Freundin und Vertrauten vollständig zurückzuweisen.1 Fast ebenso vollständig ist mittlerweile auch in der zeitgenössischen deutschen Geschichtswissenschaft der Vorbehalt gegenüber biographisch angelegter historischer Forschung ver-schwunden. Ausgehend von berechtigten methodischen Bedenken gegenüber teleologisch konstruierten und von den komplexen historischen Kontexten los-gelösten Biographien so genannter ›großer Männer‹ der Geschichte hatten kri-tische Theoretiker wie z. B. Pierre Bourdieu das biographische Genre an sich abqualifiziert.2 Der Pendelschlag hin zu strukturgeschichtlichen Ansätzen ver-deckte dabei, dass auch im 19. und frühen 20. Jahrhunderts das Bewusstsein für die theoretischen und methodischen Besonderheiten und Herausforderungen biographischen Arbeitens, wie umfassende historische Kontextualisierung und das Hinterfragen vermeintlicher teleologischer Gewissheiten eines Lebenswegs, vorhanden war, so z. B. bei Wilhelm Dilthey.3

Nichtsdestotrotz waren die kritischen Anregungen aus struktur-, sozial- und selbst psychohistorischen Ansätzen sowie der Transfer literaturtheoretischer Herangehensweisen fruchtbar und führten zu einem Wiederaufschwung der Biographik.4 Der Vorwurf einer unreflektierten Theorieferne kann der Biogra-phik wohl kaum mehr gemacht werden, im Gegenteil werden anspruchsvolle biographietheoretische Postulate wie etwa die Sichtbarmachung der Konstruk-tion durch Techniken wie Montage oder den gewollten Bruch der Chronologie

1 Kraus, Frau von Staël, S. 463.2 Vgl. zur Kritik an der Biographie zusammenfassend Bödeker, Biographie, S. 12–19; Szöllösi-

Janze, Lebens-Geschichte, S. 18 ff., 30 f.; Kraus, Geschichte als Lebensgeschichte, S. 321–325; Winstel, Buch zum Leben, S. 11; Winstel weist treffend darauf hin, dass gerade im angel-sächsischen Sprachraum Biographien keiner absoluten Verdammung verfallen waren: »Dort sah man, dass nicht das Genre darüber entscheidet, ob eine historische Untersuchung aus-reichend differenziert oder im Gegenteil Komplexität zertrümmert, ob sie gut oder schlecht gemacht ist – sondern dass die inhaltliche und darstellerische Güte schlicht vom Autor ab-hängt, wie bei jedem anderen Werk auch.«

3 Vgl. Kraus, Geschichte als Lebensgeschichte, S. 320, 326 ff.; Fetz, Leben der Biographie, S. 8 f., 25.

4 Vgl. aktuell zusammenfassend zu Kritik und Wiederaufleben der historischen Biographik Pyta, Geschichtswissenschaft, S. 331–338; vgl. weiter Fetz, Leben der Biographie, S. 26–29; Bödeker, Biographie, S. 11 f., 14 f., 19–31. Zu allerdings kontroversen psychohistorischen An-sätzen vgl. Röckelein, Biographie.

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12 Einleitung

angewandt, die allerdings nicht in jedem Fall sinnvoll umsetzbar sind.5 Leichter handhabbare Neuansätze wie Sammelbiographien im Bereich der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, so z. B. der Geschichte der Arbeiterbewegung bis hin zur biographisch basierten Frauen- und Geschlechterforschung haben der Biogra-phie in den letzten 30 Jahren ihren Platz im Kanon der wissenschaftlichen Ge-schichtsschreibung zurückerobert.6 Selbst die vielgescholtenen ›großen Männer‹ sind so ausgehend von den großen Biographien z. B. Christian Maiers zu Julius Caesar und Lothar Galls zu Bismarck wieder ins Zentrum biographischer Be-trachtung gerückt und haben eine Renaissance der politischen Biographie ein-geleitet.7 Besondere Bedeutung hat die Biographik in den letzten Jahren auch für die Wissenschaftsgeschichte (wieder) gewonnen, wo eben nicht mehr einsame große Geister und ihr Werk, sondern an den zeitgenössischen Kontext und wis-senschaftlichen Diskurs angebundene Individuen und Gruppen im Mittelpunkt stehen.8

Hinter dieser Entwicklung steht letztlich die Erkenntnis, dass die Geschichts-wissenschaft die historische Wissenschaft vom Menschen darstellt und damit methodisch reflektiertes biographisches Arbeiten einen für viele Forschungs-fragen ungemein fruchtbaren historischen Zugriff darstellen kann.9 So scheint eine biographische Studie kaum mehr der Rechtfertigung zu bedürfen, so lange das schwer definierbare Kriterium der Biographiewürdigkeit erfüllt ist: Einer-seits kann die Exzeptionalität einer Person, ihre herausragende Individualität und besondere Leistung zur Begründung herangezogen werden, andererseits aber die Exemplarität einer Person, ihr idealtypischer und repräsentativer Le-bensweg für eine bestimmte Gruppierung. Tatsächlich liegt die Biographiewür-digkeit zwischen diesen Polen, denn erst vor einem typischen Hintergrund und durch historische Kontextualisierung kommen Besonderheiten zum Tragen, kann die Individualität einer Person als außergewöhnlich definiert werden.10 Die größte Chance der biographischen Perspektive liegt dabei in der Möglich-keit, in einer multiperspektivischen und die Fachgrenzen überschreitenden Herangehensweise die Schnittpunkte verschiedener historischer Entwicklungen und damit die Komplexität vergangener Realitäten darzustellen.11 Hierfür sind

5 Vgl. Runge, S. 121.6 Vgl. zu Kollektivbiographien Schweiger, Konstituierung, S. 317–352; zur Frauenbiographik

bzw. Feministischen Biographie vgl. konzis Pyta, Geschichtswissenschaft, S. 328; vgl. weiter Zimmermann, Frauenbiographikforschung, S. 17–32.

7 Vgl. Kraus, Geschichte als Lebensgeschichte, S. 318.8 Vgl. Szöllösi-Janze, Lebens-Geschichte, S. 21.9 Vgl. zusammenfassend Winstel, Buch zum Leben, S. 12, 14–21: Szöllösi-Janze, Lebens-

Geschichte, S. 21. Nach Bödeker ließe sich der biographische Zugriff als »eine Spielart der Mikro-Historie interpretieren«, Bödeker, Biographie, S. 17.

10 Vgl. dazu auch Schweiger, Biographiewürdigkeit, S. 32–36. 11 Vgl. Winstel, Buch zum Leben, S. 19; Pyta, Geschichtswissenschaft, S. 332 f.; Szöllösi-Janze,

Lebens-Geschichte, S. 21.

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13Einleitung

eben nicht zwingend große Gestalten der Geschichte nötig, unter Umständen verstellen sie durch ihre Ausnahmsschicksale sogar den Blick. Genau hier liegt das besondere Potential der »Figuren der zweiten Reihe« und der heute verges-senen »Größen des Tages«.12

Eben eine solche Größe des Tages war unzweifelhaft Charlotte Lady Blen-nerhassett, geborene Gräfin von Leyden (1843–1917). Die in München geborene Frau mit dem »englischen Namen, deutschen Geist und gallischen Esprit«13 war um die Jahrhundertwende eine der bekanntesten deutschen Autorinnen, die sich mit historischen Biographien und Essays einen Namen gemacht hatte und dafür 1898 als zweite Frau die Ehrendoktorwürde der Ludwig-Maximi-lians-Universität erhalten hatte. Als Schülerin des Kirchenhistorikers Ignaz von Döllinger (1799–1890) gehörte sie zu dem überschaubaren Kreis der Vertreter des in Deutschland schwach ausgeprägten liberalen bzw. anti-ultramontanen Katholizismus. Sowohl durch adelige Geburt und Heirat mit dem anglo-iri-schen Landbesitzer und liberalen Politiker Sir Rowland Blennerhassett als auch durch die internationalen Netzwerke liberaler katholischer Persönlichkeiten war Charlotte Blennerhassett Teil einer kosmopolitischen, transnational agierenden europäischen Elite. Nach der Heirat 1870 verbrachte Charlotte Blennerhassett die meiste Zeit zwischen London und München via Paris pendelnd, bevor sie mit den Kindern Mitte der 1880er aus wirtschaftlichen Gründen nach München zurückkehrte und sich in den Jahren bis 1900 als gesuchte und international anerkannte historische Autorin etablierte. Der Erste Weltkrieg trennte sie von ihrer im Großraum des Britischen Empires lebenden Familie und machte sie als Engländerin durch Heirat zur feindlichen Ausländerin in der eigenen Heimat.

Forschungsstand

Blickt man auf Blennerhassetts Umfeld, finden sich gleich mehrere Persönlich-keiten, die in der historischen Forschung großes Interesse gefunden haben und auch zum Gegenstand biographischer Studien wurden. Zunächst ihr Mentor Ignaz von Döllinger, einer der bedeutendsten und umstrittensten katholischen Gelehrten des 19. Jahrhunderts, der aufgrund seiner Ablehnung des Infallibilitäts-dogmas 1871 exkommuniziert wurde und als geistiger Begründer der altkatholi-schen Kirche gilt. War die biographische und kirchenhistorische Auseinander-setzung mit Döllinger nach seinem Tod und noch bis weit in das 20. Jahrhundert hinein deshalb durchaus polemisch geprägt, so hat das II. Vatikanum einen neuen Blickwinkel auch katholischer Wissenschaftler auf Döllingers Leben und

12 Winstel, Buch zum Leben, S. 20.13 Schrörs, Chateaubriand, Sp. 203. Diese Charakterisierung war nicht als Kompliment ge-

meint, sondern sollte den als ausländisch empfundenen Schreibstil Blennerhassetts erklären.

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Werk ermöglicht.14 Auch Döllingers Meisterschüler und zeitweise sehr nahe stehende Freund Blennerhassetts, der britische Historiker Lord John Acton (1834–1902), gehört zu den vielbeachteten Persönlichkeiten der Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts, der immer wieder Gegenstand von Publikationen, teils mit biographischem Schwerpunkt, geworden ist.15 Dasselbe gilt für den Frei-burger Kirchenhistoriker Franz Xaver Kraus (1840–1901), der seit der Edition seiner Tagebücher 1957 im Zusammenhang mit der Erforschung der Kultur-kämpfe als reger kirchenpolitischer Akteur und Publizist vielfach Beachtung ge-funden hat.16 Charlotte Blennerhassetts vertraute Freundin Prinzessin Therese von Bayern (1852–1921) schließlich ist jüngst nach Jahrzehnten des Vergessens wiederentdeckt worden und Gegenstand einer umfassenden Biographie gewor-den.17 Die bayerische Prinzessin, die sich als Forschungsreisende einen Namen gemacht hat, ist das erste und bis heute einzige Ehrenmitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und wurde ein Jahr vor ihrer Freundin Charlotte als erste Frau mit der Ehrendoktorwürde der Ludwig-Maximilians-Universität ausgezeichnet.

Repräsentieren Döllinger, Acton und Kraus gewissermaßen ein Spannungs-feld in Charlotte Blennerhassetts Leben, die Auseinandersetzungen um Ultra-montanismus und sogenannten liberalen Katholizismus und eine kritische katholische Wissenschaft, so kann Prinzessin Therese als Symbol für die zeit-genössische Frage nach weiblicher Bildung und der Anerkennung von Frauen in der Wissenschaft stehen, der sich Charlotte Blennerhassett selbst in ihrer Jugend und später als Autorin stellte. Tatsächlich sind es diese beiden histori-schen Spannungsfelder, bei deren Erforschung man bis dato auf Charlotte Blen-nerhassett aufmerksam geworden ist und die Interesse für diese Persönlichkeit geweckt haben.

Schon die Verleihung der Ehrendoktorwürde 1898 erregte zeitgenössisch gro-ßes Interesse. Der Publizist Ernst Heilborn verfasste in der Zeitschrift ›Die Frau‹ ein mit Informationen von Blennerhassett unterfüttertes kurzes biographisches Porträt.18 1913 plante der junge Kirchenhistoriker Georg Pfeilschifter, ange-regt von Blennerhassetts langjährigem Freund und Redakteur der ›Deutschen

14 Ein merklicher Aufschwung auf Basis früherer Bemühungen einer Neubewertung ist vor allem seit Döllingers 200. Geburtstag 1990 bzw. seinem 100. Todestag 1999 zu konstatieren. Vgl. für die ältere Betrachtung Döllingers exemplarisch Brandmüller, Döllinger. Für den gewandelten Blickwinkel grundlegend Neuner, Döllinger; Bischof, Theologie; weiter u. a. Neuner, Stationen; Denzler, Geschichtlichkeit; Fuhrmann, Döllinger; Stein, Mitglied.

15 Vgl. z. B. aktuell Böhr, Glaube; grundlegend die maßgebliche Biographie von Hill, Acton; Chadwick, Acton; Himmelfarb, Acton; weiter aus der älteren Literatur u. a. Schuettinger, Ac-ton; Noack, Katholizität; ders., Geschichtswissenschaft.

16 Vgl. Kraus, Tagebücher; aus den zahlreichen Publikationen Schiels über Kraus u. a. Schiel, Spannungsfeld; ders., Liberal und integral; vgl. die jüngste Literatur: Graf, Katholik; Topho-fen, Kraus.

17 Bussmann, Leben.18 Heilborn, Lady Blennerhassett.

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Rundschau‹, Julius Rodenberg, trotz der zögerlichen Haltung Blennerhassetts eine biographische Studie seiner »verehrten mütterlichen Freundin«.19 Als letzte Überlebende der sogenannten liberalen Katholiken, die im großen Konflikt des I. Vatikanums unterlegen waren, gewann ihre Lebensgeschichte vor dem Hinter-grund der seit der Jahrhundertwende in der katholischen Kirche aufgebrochenen sogenannten Modernismuskrise an Bedeutung. Der Erste Weltkrieg und der Tod Charlotte Blennerhassetts im Februar 1917 beendeten zunächst Pfeilschifters Be-mühungen. Sein in den 1920er Jahren von Karl Muth angeregter erneuter Ver-such, eine Biographie Blennerhassetts zu verfassen, scheiterte am Widerstand ihrer Kinder, besonders der Tochter Marie Carola Lady Galway, die später den schriftlichen Nachlass Blennerhassetts, der bis dahin von Karl Muth aufbewahrt wurde, nach Cambridge in die Universitätsbibliothek bringen ließ.20

So waren es zunächst vor allem Nachrufe in Zeitungen und Zeitschriften, die ihr Bild für die Nachwelt bestimmten. Von besonderer Bedeutung sind hier die Nachrufe der Germanistin Bertha Badt21 in der ›Neuen Berliner Presse‹ und von Alfred Dumaine in ›Le Correspondant‹, da sie durch Titel und Inhalt die wohlklingende Bezeichnung Charlotte Blennerhassetts als ›letzter Europäerin‹ im Ersten Weltkrieg prägten.22 Gerade der vierzigseitige Nachruf Dumaines, der Blennerhassett um 1900 als französischer Gesandter in München persönlich kennen- und schätzen gelernt hatte, fungierte lange als fast alleinige Quelle von biographischen Informationen zu Blennerhassett. Viele Irrtümer zu Blenner-hassetts Lebensweg, die Eingang in die Literatur gefunden haben, haben ihren Ursprung in Dumaines Darstellung.23

Die historische Forschung beschäftigte sich erst nach dem Zweiten Welt-krieg eingehender mit Charlotte Blennerhassett. 1955 legte Edith Schuhmann in Mainz eine 120 Seiten umfassende Dissertation zu Blennerhassett als Historike-

19 Vgl. zu dieser Anrede Blennerhassetts durch Pfeilschifter CUL, MS Add 7586/52, Briefe deutscher Freunde, Georg Pfeilschifter an ChBl, Freiburg i. Br. 20.2.1908 und 13.12.1909; zum Biographieprojekt vgl. GSA Weimar, NL Rodenberg, 81/XXIV,1,8, Rodenberg an ChBl, Berlin 1.11.1913, 5.12.1913; 81/I,5,2, ChBl an Rodenberg, Freiburg 1.12.1913, Pfeilschifter an Rodenberg, Freiburg 22.11.1913.

20 Vgl. BSB München, NL Muth, Ana 390 II. A, Blennerhassett William, WBl an Muth, London 29.12.1929.

21 Zu Bertha Badt, die 1909 als eine der ersten Frauen in Preußen mit einer Arbeit über Annette von Droste-Hülshoff promovierte, vgl. Hahn, Badt-Strauss.

22 Vgl. Badt, Europäerin; Dumaine, Blennerhassett; Dumaine veröffentlichte seinen Nachruf erneut 1925 in einem Sammelwerk, vgl. Dumaine, Choses d’Allemagne.

23 So z. B. die falsche Annahme, die erst 14jährige Charlotte v. Leyden habe bereits 1857 einen Briefwechsel mit Bischof Dupanloup von Orléans begonnen, was tatsächlich erst 10 Jahre später geschah, oder dass sie im Sacré Coeur von Paris erzogen worden sei, wo sie Gräfin Menthon und Marquise Forbin-d’Oppède kennengelernt habe. Tatsächlich besuchte sie das Sacré Coeur-Pensionat Blumenthal nahe Aachen und lernte die genannten, um einiges äl-teren Damen erst 1869 kennen. So folgt u. a. Stephan Lösch in seiner Studie über die Bezie-hungen Döllingers zu Frankreich Dumaines Informationen zu Blennerhassett, vgl. Lösch, Döllinger, S. 255–258.

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rin und Essayistin vor, die allerdings ungedruckt blieb.24 Der Hauptmangel der Arbeit liegt darin, dass Schuhmann auf einer schmalen Quellenbasis arbeiten musste und sich nur auf Blennerhassetts Werke, die bereits genannten Nachrufe, den Briefwechsel Rodenberg-Blennerhassett, die Briefe Blennerhassetts an Franz Xaver Kraus sowie einige wenige edierte Briefe Actons an Blennerhassett stützen konnte. Der Nachlass Blennerhassetts und damit der Briefwechsel mit Döllinger war Schuhmann nicht zugänglich, ebensowenig der Nachlass Prinzessin There-ses von Bayern, der den Briefwechsel mit ihrer Freundin Charlotte Blennerhass-ett enthält. So konnte Schuhmann viele Aspekte von Blennerhassetts Leben und Werk nur oberflächlich streifen. Vor allem zu Kindheit, Jugend und Bildungs-jahren ist die Arbeit wegen des fehlenden Nachlass-Materials und des Döllin-ger-Briefwechsels defizitär. Aber auch Blennerhassetts kirchliche und politische Haltung bleibt weitgehend ausgespart, insbesondere für die Zeit nach 1900.

Im Rahmen der Erforschung der Geschichte des liberalen Katholizismus und der Neubewertung des I. Vatikanischen Konzils zur Zeit des II. Vatikanischen Konzils wurde insbesondere die Kirchengeschichtsschreibung auf Charlotte Blennerhassett aufmerksam, denn gerade die aristokratisch-elitären Kreise des französischen liberalen Katholizismus waren maßgeblich durch weibliche Mit-glieder bestimmt, die auch publizistisch hervortraten. So wurden 1963 und 1981 durch René Aubert und Jean-Rémy Palanque der Briefwechsel Blennerhassetts mit ihrer Freundin, der liberalen Katholikin und Autorin Marquise Roselyne Forbin-d’Oppède, veröffentlicht und Blennerhassett in verschiedenen Publi-kationen, unter anderem von Viktor Conzemius, in diesem Kontext verortet.25 Thomas Loome beschäftigte sich 1976 bzw. 1979 in seinen Studien über das Scheitern des liberalen Katholizismus am Rande auch mit Charlotte Blenner-hassett, ebenso 1983 bzw. 1984 Christoph Weber in seinen Studien über Kirchen-geschichte und Selbstzensur sowie über Franz Xaver Kraus.26

Viktor Conzemius schließlich ist die Edition des Briefwechsels Ignaz Döl-lingers und Charlotte Blennerhassetts zu verdanken, die auf die dreibändige Edition der Briefe Döllinger-Acton folgte und durch den die wissenschaftliche Beschäftigung mit beiden Briefpartnern auf eine neue Grundlage gestellt wurde. Conzemius stellte dem 1981 erschienenen vorzüglich edierten Briefwechsel un-ter selektiver Benutzung des Nachlasses von Charlotte Blennerhassett eine bio-graphische Einführung voran, die jedoch, entsprechend dem Zeitrahmen des Briefwechsels, ihren Schwerpunkt auf den Jahren 1865–1886 hat und ebenfalls wichtige Aspekte ausklammert.27 Auch die weiteren Publikationen Conzemius’ über Charlotte Blennerhassett aus den 1980er Jahren, so der umfangreiche Artikel

24 Schuhmann, Blennerhassett.25 Vgl. Aubert, Lettres, S. 82–135; Palanque, Catholique libérale; Conzemius, foyers, S.15–51;

ders., Katholizismus in England, S. 173–196.26 Vgl. Loome, Trümmer, S. 197–214; ders.: Liberal Catholicism; Weber, Katholizismus; ders.:

Kirchengeschichte.27 Vgl. Conzemius, Briefwechsel Bd. IV, Einleitung.

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›Bildungsjahre einer liberalen Katholikin‹, gehen im Prinzip nicht über diese Einführung hinaus.28 Wie bereits Schuhmann konnte Conzemius ebenfalls we-der den Briefwechsel Blennerhassetts mit Franz Xaver Kraus noch den mit Prin-zessin Therese einbeziehen, was seine zweifellos grundlegenden Vorarbeiten zu Blennerhassett doch beschränkt.

Doch hat Conzemius’ Edition das Interesse und das Bewusstsein für die Bedeutung Charlotte Blennerhassetts neu geweckt. 1988 verfasste Patricia McCarron am theologischen Department der University of Berkeley eine bio-graphische Studie über Charlotte Blennerhassett mit dem Titel ›A woman of cou-rage and action‹, die jedoch ebenfalls wie Schuhmanns Studie ungedruckt blieb und fast keine Rezeption gefunden hat.29 Zwar benutzte McCarron den Nachlass Blennerhassett in Cambridge, doch lassen Zitate und Zitierweise sowie selektive, wenn nicht erratische Auswahl darauf schließen, dass ihre paläographischen als auch ihre Deutschkenntnisse keine umfassende Auswertung der vorhande-nen Überlieferung zuließen. Wichtige weitere Quellenbestände wie erstmals die Briefe Blennerhassetts an den Kirchenhistoriker Albert Ehrhard finden sich bei McCarron, doch hat sie beispielsweise den Nachlass Prinzessin Thereses trotz seiner Nennung im Quellenverzeichnis nach Ausweis des Bayerischen Haupt-staatsarchivs nicht benutzen können.30 Der Schwerpunkt von McCarrons Arbeit liegt auf der religiösen Entwicklung Blennerhassetts und ihrem Selbstverständ-nis als Frau und Wissenschaftlerin. Gerade für diesen Bereich liefert sie wichtige Erkenntnisse und Ansatzpunkte, andererseits jedoch lässt sie eine gesellschaft-liche und geistesgeschichtliche Kontextualisierung weitgehend vermissen.

Neuere Beiträge zu Charlotte Blennerhassett greifen wiederum lediglich Einzelaspekte aus Blennerhassetts Leben auf. So erschienen 1997 ein Artikel von Hiltrud Häntzschel zu den ersten Ehrenpromotionen von Frauen an der Ludwig-Maximilians-Universität und in den Jahren 2001 und 2002 zwei Artikel der Literaturhistorikerin Eva Chrambach sowie ihr Beitrag über Blennerhassett für das Biographisch-Bibliographische Kirchenlexikon.31 In diesen kurzen neu-eren Publikationen, die nur auf Basis der oben genannten Literatur und ohne Quellenrückgriff verfasst sind, wird Blennerhassett in erster Linie aus dem Blick-winkel weiblicher Bildungs- und Emanzipationsbestrebungen betrachtet, jedoch ohne in den Ergebnissen über Conzemius hinauszugehen. Dies gilt auch für die neuesten Publikationen zu Blennerhassett, wie den Artikel der altkatho lischen Kirchenhistorikerin Angela Berlis über Charlotte Blennerhassett in einem 2010 erschienenen Handbuch über deutsche Historikerinnen sowie jüngst ein populä-

28 Conzemius, Bildungsjahre; ders.: Kosmopolitin. 29 McCarron, Woman.30 Nach Information der Abteilung III Geheimes Hausarchiv des Bayerischen Hauptstaats-

archivs war der Nachlass Therese zum für McCarrons Arbeit fraglichen Zeitpunkt nicht zugänglich. McCarron führt den Bestand auf, zitiert aber kein einziges Dokument daraus, was dafür spricht, dass sie ihn tatsächlich nicht benutzen konnte.

31 Häntzschel, Ehrenpromotionen; Chrambach, Charlotte Blennerhassett; dies., Johanna von Orléans; dies., Verstand.

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rer Kurzbeitrag der Germanistin Adelheid Schmidt-Thomé.32 In diesem Kon-text ist auch der Beitrag Nicole Cadènes in einem französischen Sammelband zu Historikerinnen zu nennen, in der Charlotte Blennerhassett am Beginn einer Traditionsreihe weiblicher Staël-Forscherinnen verortet wird.33 Angela Berlis hat des Weiteren einen Fokus auf Blennerhassetts geistig-theologische Position als Überlebende aus der Zeit des I. Vatikanums gelegt, der an Loome anknüpft.34

Die hier gezeigten Schwerpunkte – der liberale Katholizismus auf der einen, Frauen im publizistischen und wissenschaftlichen Betrieb der Zeit auf der an-deren Seite  – wären alleine schon relevante historische Forschungsbereiche, für die Charlotte Blennerhassett einen Fokus bietet und die eine biographische Studie über die bereits geleisteten Vorarbeiten hinaus und auf vollständiger Quellenbasis als Desiderat erscheinen lassen. Für den aktuellen Forschungskon-text sind die seit einiger Zeit neu aufblühenden Forschungen zum Verhältnis der Konfessionen in Deutschland im 19. Jahrhundert unter dem Schlagwort Kon-fessionalismus35 und zur mittlerweile transnational begriffenen Auseinander-setzung zwischen Staat und Kirche bzw. Liberalismus und Religion unter dem Schlagwort der ›European Culture Wars‹36 zu nennen. Gerade Frauen im Rah-men der religiösen Entwicklungstendenzen des 19. Jahrhunderts sind unter ge-schlechter- wie kulturgeschichtlicher Perspektive ganz neu hervorgetreten und dies über das umstrittene Schlagwort Feminisierung der Religion hinaus.37 Auch die seit einigen Jahren maßgeblich durch die Öffnung der Archive der Glaubens-kongregation der katholischen Kirche belebte kirchengeschichtliche Forschung zur sogenannten Modernismuskrise zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist hier von Bedeutung.38 In diesem Zusammenhang wurde die Rolle elitärer, teils adelig und

32 Berlis, Blennerhassett; Schmidt-Thomé, Münchnerinnen, hier S. 33–42.33 Cadène, Historienne.34 Berlis, In meiner stillen Klause bin ich ein Rebell. Zu beachten ist, dass das Zitat Blenner-

hassetts im Titel aus einem Brief an Albert Ehrhard richtig lautet »In meiner stillen Klause bin ich kein Rebell«, wie es im Text des Aufsatzes dann auch korrekt wiedergegeben ist und in einer späteren erweiterten Fassung ebenso, vgl. Berlis, In my modest cell I am not a rebel. Vgl. Abtei Scheyern, NL Ehrhard, ChBl an Ehrhard, München 24.5.1906.

35 Vgl. Horstmann, Konfession; Blaschke, Konfessionen; Haupt, Nation; vgl. zur Kritik am Konfessionalisierungsparadigma Kraus, Krisenjahr, S. 465 ff.; teils gehen die neueren For-schungen wenig über das bereits in den 1980ern geleistete hinaus, zu nennen sind hier u. a. Langner, Katholizismus, nationaler Gedanke und Europa; Rauscher, Katholizismus; Loth, Deutscher Katholizismus.

36 Vgl. grundlegend Clark, Kulturkampf; zuvor bereits Becker, Kulturkampf, S. 422–446; zu diesem Komplex unter der Perspektive eines transnationalen Antiklerikalismus vgl. jetzt Dittrich, Antiklerikalismus; Blaschke, Anti-Catholicism; Borutta, Antikatholizismus.

37 Vgl. u. a. Wolf, Heiligkeit; Priesching, Mörl; zum Schlagwort Feminisierung der Religion vgl. u. a. Busch, Feminisierung; vgl. zum Komplex einer geschlechtergeschichtlich gebrochenen Kirchengeschichte anregend Gause, Geschlecht.

38 Vgl. Wolf, Antimodernismus;

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weiblich geprägter Netzwerke, wie bereits früher für den liberalen Katholizismus des 19. Jahrhunderts, zumindest ansatzweise untersucht.39

Auch für den zweiten Schwerpunkt bisheriger Studien zu Blennerhassett, ihr Wirken als historische Autorin und Essayistin, gehen aktuelle Forschungen über die traditionelle Bildungsgeschichte von Mädchen und Frauen sowie die affir-mativ betriebene Frauenbiographik von Protagonistinnen der Frauenbewegung oder außergewöhnlichen Vorläufergestalten hinaus. Studien zu den Arbeitsbe-dingungen und publizistischen Möglichkeiten historisch arbeitender Frauen zu Zeiten, in denen sie keinen Zugang zu formaler höherer, geschweige denn akade-mischer Bildung hatten sowie zu den ersten akademischen Historikerinnen sind in den letzten Jahren auch in der deutschen Forschung vermehrt entstanden und ermöglichen nun eine fundierte Einordnung Blennerhassetts. Schwerpunkte waren hier z. B. die Taktiken, mit denen Frauen sich innerhalb einer zunehmend professionalisierten und damit Nicht-Akademiker ausschließenden Wissen-schaftsszene zu behaupten suchen, sei es durch persönliche Netzwerke oder die Wahl bestimmter Nischengenres und -themen.40

Nimmt man den Anspruch eines multiperspektivischen biographischen Zu-griffs ernst, so müssen von diesen beiden großen und bisher berechtigterweise beachteten Komplexen ausgehend weitere Aspekte in den Blick genommen werden. Sowohl Blennerhassetts liberalkatholische Haltung wie ihr Wirken als Autorin sind untrennbar verwoben mit spezifischen historischen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Umständen, kurz ihrer sich entwickelnden individuellen Lebensrealität. Die bayerische Adelige, die einen anglo-irischen Gutsbesitzer ehelichte, später aus wirtschaftlichen Gründen nach München zu-rückkehren musste, mit Publikationen auf wissenschaftlicher Basis ein Einkom-men generierte und sich zuletzt während des Ersten Weltkriegs als feindliche Ausländerin im eigenen Land wiederfand – hier bieten sich in einer individuel-len Kombination vielversprechende Zugriffsmöglichkeiten auf gesellschaftliche und politische Entwicklungen von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ers-ten Weltkrieg.

Als erstes wären die ebenfalls seit einiger Zeit florierenden gesellschafts-geschichtlichen Forschungen zum Adel und zum Elitenwandel zu nennen, wo vermehrt auch adelige Frauen in den Blick genommen werden.41 Hier stellen sich

39 Vgl. Arnold, Katholische Milieus; ders., Frauen.40 Vgl. u. a. Hoffmann, Arbeitswelten; Kümper, Historikerinnen; Hacker, Frauen; Berger, His-

torikerinnen; Paletschek, Geschichte; Epple, Geschichtsschreibung.41 Ausgehend von der Studie von Heinz Reif zum westfälischen Adel 1979 hat die Adelsfor-

schung seit den 1990er Jahren merklich an Aufschwung gewonnen, insbesondere unter dem Blickwinkel des Elitenwandels, der Adel, alte und neue Eliten in Beziehung setzt, so in der von Reif herausgegebenen Reihe ›Elitenwandel in der Moderne‹; vgl. Reif, Westfälischer Adel. Ein Klassiker der Adelsforschung ist Heinz Gollwitzers Werk über die Standesherren, vgl. Gollwitzer, Standesherren; vgl. weiter aus der mittlerweile vielfältigen Literatur: Conze, Adel; Lieven, Abschied; Fehrenbach, Adel; Wehler, Adel; speziell zu adeligen Frauen vgl. Ku-brova, Leben; Wienfort, Gesellschaftsdamen; Reynolds, Women; Diemel, Frauen.

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z. B. Fragen nach früher Bildung und Sozialisation Charlotte Blennerhassetts im bayerischen Adel in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts oder nach der Basis und der Wirksamkeit elitärer und transnationaler Netzwerke. Die Bewahrung von gesellschaftlichem Status und Einfluss und vor allem die Sicherung einer standesgemäßen Existenz, kurz das prägnante Schlagwort vom ›Oben bleiben‹, gewinnt gerade für die anglo-irisch-deutsche Familie Leyden-Blennerhassett an Bedeutung.42 Durch den Aufschwung der irischen Nationalbewegung, den Kampf um Home Rule und durch Transformationen im politischen System Großbritanniens sah sich gerade die anglo-irische Oberschicht vor besondere – auch wirtschaftliche – Herausforderungen gestellt. Der transnationale Charak-ter der Familie Leyden-Blennerhassett führt noch auf ein weiteres Feld, nämlich die seit den 1890ern verstärkten nationalen Antagonismen, deren Hintergründe und Auswirkungen auch in transnationaler Perspektive verstärkt in den Blick genommen werden, ebenso wie transnationale Familien.43 Mit dem Ersten Welt-krieg als tragischem Schlusspunkt stellt sich u. a. die Frage, wie dies die Lebens-realität Blennerhassetts und ihrer Familie beeinflusste, aber auch, wie sie diese Entwicklungen wahrnahm und auf veränderte Gegebenheiten reagierte.

Fragestellung

Politik-, Religions- und Geistesgeschichte, Wissenschaftsgeschichte aus ge-schlechtergeschichtlicher Perspektive, Elitenwandel vor europäischem Hinter-grund – hier verspricht der biographische Blick einen vielseitigen Zugriff, der eine Annäherung an historische Interdependenzen, Gleichzeitigkeiten und Un-gleichzeitigkeiten möglich macht. Um dies anhand der Biographie Blenner-hassetts leisten zu können, müssen verschiedene Aspekte entweder erstmals und ganz neu oder unter veränderter Fragestellung in den Blick genommen und an die bisherigen Ergebnisse angeknüpft werden.

Welche Fragen wären nun an eine Biographie Charlotte Blennerhassetts zu stellen, welche wurden noch nicht gestellt, welche gestellt aber nicht beantwor-tet? Der bisherige Schwerpunkt der Forschung liegt wie gezeigt auf ihrer Bezie-hung zu Döllinger sowie ihrer Publikationstätigkeit und der daraus folgenden Ehrendoktorwürde. Dies ist einerseits durch die Arbeiten Victor Conzemius’ und das große Interesse für Persönlichkeiten wie Döllinger und Acton im wei-teren Rahmen des liberalen Katholizismus zu erklären, andererseits durch die klassische Konzentration der Frauen- bzw. Geschlechtergeschichte auf die Bil-dungsgeschichte von Frauen. Hier wurden besonders die Vorläuferinnen und Vorkämpferinnen für Bildung und Emanzipation beachtet, eine Position, die

42 Vgl. hierzu Braun, Bemerkungen.43 Vgl. u. a. Conrad, Kaiserreich; Brechtken, Scharnierzeit; speziell zu transnationalen Familien

vgl. Derix, Familien; Johnson, Families; Buettner, Families.

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auch Charlotte Blennerhassett zugesprochen wurde, ohne dass Näheres über Blennerhassetts eigene Haltung Haltung zu Mädchenbildung, Frauenarbeit oder insgesamt der weiblichen Emanzipation bekannt gewesen wäre. Die geistigen und gesellschaftlichen Hintergründe des Denkens wie der Lebensrealität sowohl der liberalen Katholikin als auch der Historikerin und Essayistin Charlotte Blen-nerhassett liegen noch weitestgehend im Dunkeln.

Für die Kindheit und Jugend Blennerhassetts wäre hier der Hintergrund ihrer Herkunft aus dem bayerischen Adel, ihre Sozialisation und ihre frühe Bildung vor der Begegnung mit Döllinger zu untersuchen. Wie ist die Familie der Grafen von Leyden im Spektrum des bayerischen Adels des 19. Jahrhunderts zu ver orten und wie verhielt sich diese Familie angesichts des schleichenden, aber bereits spürbaren Statusverlusts der alten adeligen Eliten? Anders gewendet ließe sich fragen, inwiefern die bayerisch-adelige Herkunft, der Bildungshintergrund und spezifische Kulturpraktiken als potentielle Dispositionen für spätere Entwick-lungen verstanden werden können, ohne hier eine teleologische Notwendigkeit zu konstruieren.

Die bereits gut erforschte Förderung Charlotte von Leydens durch Döllinger muss dahingehend hinterfragt werden, wie sich die junge Frau gegenüber Döl-linger positionierte, wie sich die Entwicklung ihrer eigenen religiösen bzw. kir-chenpolitischen Haltung darstellt und welche anderen Einflüsse gegeben waren. Vor dem Hintergrund der persönlich schwierigen Lebensphase 1865–1870, in der Charlotte von Leyden familiären wie gesellschaftlichen Ansprüchen gleich doppelt nicht zu genügen schien, waren doch sowohl gescheiterte Heirats projekte wie ihre unter Döllingers Ägide fortgeführten Studien problematisch, stellt sich die Frage, welche Handlungsspielräume Charlotte von Leyden hier gewin-nen konnte und wie diese mit späteren Entwicklungen in Beziehung zu setzen sind.

Der Aufenthalt Charlotte von Leydens in Frankreich im Vorfeld des Kon-zils und dann während des Konzils in Rom ist geprägt von ihrer Einbindung in das elitäre transnationale Mikromilieu des liberalen Katholizismus, doch auf welcher Basis vollzog sich diese Einbindung? Welche Position konnte sie in den entsprechenden gelehrten und adelig geprägten Netzwerken einnehmen – und warum? Welche Bedeutung hat hier die Heirat mit Sir Rowland Blennerhassett aus persönlich-familiärer Perspektive, aber auch in Hinblick auf die Weiter-entwicklung dieser Netzwerke? Hier sind auch die politischen und kirchlichen Erschütterungen durch die weltgeschichtlichen Ereignisse des deutsch-franzö-sischen Kriegs und der Reichsgründung sowie die Dogmatisierung der päpst-lichen Infallibilität und ihren Folgen in Bezug zu Charlotte Leyden-Blennerhass-etts Biographie zu berücksichtigen.

Mit Heirat und Familiengründung erweitert sich der biographische Horizont Charlotte Leyden-Blennerhassetts nach Großbritannien, ein Faktor, der noch ihre letzten Lebensjahre während des Weltkriegs bestimmen sollte. In welches Verhältnis trat sie zum Herkunftsland ihres Mannes, wie entwickelte sich dieses Verhältnis insbesondere seit den 1890ern und wie gestaltete sich die jahrzehnte-

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lange transnationale Lebensrealität zwischen London und München? Konkret ist hier nach den politischen und gesellschaftlichen Hintergründen des wirtschaft-lichen Existenzkampfs der Familie zu fragen, nach der Wahrnehmung und Re-aktion des Ehepaars Blennerhassetts auf diese Herausforderungen und nicht zuletzt nach den Strategien, die im Interesse der Statusbewahrung der Fami-lie verfolgt wurden. Die Hintergründe der Rückkehr Charlotte Blenerhassetts nach München und ihre Bedeutung sowohl für die Zukunft der Familie wie für Blennerhassetts Etablierung als Autorin sind hier ebenso relevant wie die Weiter entwicklung ihrer persönlichen Netzwerke. Mit dem Ersten Weltkrieg schließlich stellt sich die Frage, wie die feindliche Ausländerin durch Heirat und europaweit vernetzte prominente Autorin mit der Kriegssituation umzu-gehen suchte.

Blennerhassetts Wirken als Autorin muss über den traditionellen Fokus einer Biographin großer Frauen hinaus an die zeitgegebenen Bedingungen weiblichen Forschens, Schreibens und Publizierens angebunden werden. Auf welcher Basis war es ihr überhaupt möglich, fundierte historische Biographien und Essays zu verfassen und prominent zu veröffentlichen? Warum wandte sie sich welchen Themen zu und was wollte sie dadurch vermitteln? Welche Genres bediente sie und wie stehen diese mit den verschiedenen Publikationsformaten, aber auch ihrem Selbstverständnis als Autorin in Zusammenhang? Als erfolgreiche weib-liche, katholische Autorin mit wissenschaftlichem Anspruch nahm sie in der zeitgenössischen publizistischen und akademischen Sphäre eine Sonderstellung ein, die nicht zuletzt durch die Ehrendoktorwürde augenfällig wurde. Doch wie ist diese Sonderstellung im größeren zeitgenössischen Rahmen der so genannten Frauenfrage zu sehen und, bisher noch fast unbeachtet, wie sah Blennerhassett dies selbst? Hier ist insbesondere eine Verknüpfung mit der transnationalen Lebensrealität, dem lebenslangen kulturvermittelnden Wirken Blennerhassetts und ihrer religiösen wie weltanschaulichen Haltung vonnöten.

Charlotte Blennerhassett als prominente Vertreterin eines europäischen li-beralen Katholizismus in der Zeit nach dem I. Vatikanum eröffnet verschie-dene Frageperspektiven, die insbesondere für Erkenntnisse zur transnationalen Dimension, aber auch zu den inneren Bruchlinien des liberalen Katholizismus vielversprechend erscheinen. Wie bewertete Blennerhassett die deutschen Kul-turkämpfe auf der Basis ihrer Vorstellungen über das Verhältnis von Staat, Gesellschaft und Kirche? Welche Rolle spielten hier die europaweiten Kultur-kampfphänomene, mit denen Blennerhassett persönlich wie über ihre Bezie-hungen in verschiedene Länder konfrontiert war? Welche eigenen Handlungs-spielräume nutzte sie, um publizistisch und kirchenpolitisch aktiv zu werden? Wie reagierte sie auf die Veränderungen durch das Pontifikat Leos XIII. und welche Tendenzen schienen ihr maßgeblich? Ein wichtiger Hintergrund ist dabei ihre enge Freundschaft mit F. X. Kraus und ihre Rolle für sein Engagement und nicht zuletzt der Ausbau ihrer über katholische Kreise hinausreichenden Netz-werke. Eine besondere Frage ist die nach Blennerhassetts Positionierung in dem geistesgeschichtlich bedeutsamen Konflikt zwischen Acton und Döllinger, in

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dem sich der Schüler von seinem verehrten Lehrer emanzipierte und seine Va-riante der sogenannten ›Whig interpretation of history‹ entwickelte.44 Hier ist nicht nur nach dem Einfluss dieses Konflikts und konkret der Ansichten Actons auf Blennerhassetts historische Studien und Publikationen, sondern auch nach Blennerhassetts Bedeutung für Actons geistige Auseinandersetzung mit Döllin-gers Leben und Werk nach dessen Tod 1890 zu fragen. Vor dem Hintergrund der seit der Jahrhundertwende neu aufbrechenden Konflikte um die sogenannte katholische Inferiorität, um Reformkatholizismus und sogenannten Modernis-mus gewinnt Charlotte Blennerhassett als eine der wenigen Überlebenden aus der Zeit der Konflikte um das I. Vatikanum besondere Bedeutung. Wie inter-pretierte sie diese erneuten Verwerfungen, wie handelte sie publizistisch und welche Rolle konnte sie für die junge Generation katholischer Publizisten und Gelehrter spielen? Blennerhassetts sich wandelndes Verständnis der Defizite des zeitgenössischen ultramontanen wie des liberalen Katholizismus, ihr eigener Beitrag und ihre Vorstellungen über den Weg der katholischen Kirche in die Zukunft soll so über vierzig Jahre hinweg angebunden an politische, geistige wie gesellschaft liche Entwicklungen und aus verschiedenen Perspektiven nach-gezeichnet werden.

Quellenlage

Im Fall von Charlotte Blennerhassett erscheint der multiperspektivische biogra-phische Zugriff deswegen besonders erfolgversprechend, weil die Quellenlage mit persönlichem Nachlass, umfangreichen gedruckten und ungedruckten Kor-respondenzen, zahlreichen Publikationen Blennerhassetts sowie wichtiger Be-zugspersonen sehr günstig ist.45 Doch eine umfassende Untersuchung des Nach-lasses Blennerhassetts im Manuscripts Department der Universitäts bibliothek Cambridge fehlte bisher und stellt neben der Heranziehung verstreuter Korre-spondenzen und fast des gesamten publizistischen Werks Blennerhassetts die wesentliche neue Quellenbasis der vorliegenden Arbeit dar.

Der Nachlass Charlotte Blennerhassetts im Manuscripts Department der Universitätsbibliothek Cambridge stellt also die wichtigste Quellengrundlage für die vorliegende Arbeit dar. Sein nicht unproblematischer Ordnungs- und Erschlie ßungszustand erschwerte eine systematische Auswertung allerdings beträchtlich. Zwar wurde der Nachlass zum Teil noch und insbesondere im Be-

44 Vgl. Butterfield, Interpretation.45 Warum der Nachlass Blennerhassett abgesehen von den auf Acton und Döllinger bezüg-

lichen Elementen so wenig Aufmerksamkeit gefunden hat, ist unklar. Deutsche Forscher wurden wohl durch die geographische Entfernung abgehalten, englischsprachige Wissen-schaftler eventuell durch unzulängliche Sprachkenntnisse von dem hauptsächlich deutsch-sprachigen Nachlass abgeschreckt.

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reich der Korrespondenzen von Blennerhassett selbst geordnet. Sämtliche zum Zeitpunkt ihres Todes noch ungeordneten schriftlichen Hinterlassenschaften wurden dagegen ohne systematische Sortierung einfach zusammengepackt. Zu-nächst in München verwahrt, kam der acht Kisten mit rund vier Regalmetern umfassende Nachlass 1952 nach Cambridge. Dort existiert zwar eine handge-schriebene Liste des Bestandes aus diesem Jahr, die allerdings von einem Be-arbeiter mit offensichtlich unzulänglichen Deutschkenntnissen erstellt wurde und daher nur bedingt hilfreich ist.46 Im Folgenden sollen die wichtigsten und für die Biographie Blennerhassetts aufschlussreichsten Teilbestände des Nach-lasses vorgestellt werden.

Der größte Teil des Nachlasses besteht aus Korrespondenzen mit Familie, Freunden und weiteren Briefpartnern, z. B. Wissenschaftlern, Persönlichkei-ten aus Politik und Gesellschaft sowie Verlegern.47 Dementsprechend finden sich Briefe aus allen Lebensphasen Charlotte Blennerhassetts seit der Zeit ihres Pensionatsaufenthalts 1854–1858 bis kurz vor ihrem Tod 1917. In der Mehrzahl handelt es sich um Briefe an Blennerhassett, teils konnte sie oder ihre Kinder beim Tod von Briefpartnern auch ihre Briefe an diese zurückbekommen und es ergeben sich Korrespondenzen.48 Gerade für die Jugend Blennerhassetts, aber auch für das Ausmaß ihrer internationalen Vernetzung in Gelehrten-, Di-plomaten-, Politiker- und Adelskreisen bieten die Briefe bzw. Briefwechsel eine neue feste Quellenbasis, die fast den gesamten Zeitraum ihres Lebens abdeckt. Hier findet sich die Korrespondenz mit Acton, Briefe bedeutender französischer libe raler Katholiken, Briefe britischer Gelehrter und Politiker wie W. H. Lecky, Briefe deutscher Freunde wie der Schriftstellerin Wilhelmine von Hillern und viele weitere mehr. Teils überrascht die Aufbewahrung mancher Briefe und Schriftstücke durch Blennerhassett, doch gerade diese Briefe werfen interessante Schlaglichter auf Aspekte ihres Lebens und ihres Werks, die sonst nicht erkenn-bar wären, so zum Beispiel die populäre Rezeption ihrer Staël-Biographie.49 Zu-

46 CUL, MS Add 7486, Handlist.47 CUL, MS Add 7486/49, Briefe Freundinnen und Lehrerinnen, 50-1 bis 50-8 Familienbriefe.

Der Bestand 7486/52 besteht aus insgesamt 27 Umschlägen mit von Charlotte Blenner hassett geordneten Briefen, die mit individuellen Namen oder allgemeinen Bezeichnungen, u. a. ›Verschiedene Briefe Damen‹, von ihr selbst gekennzeichnet wurden.

48 So wurden 15 Schreiben Blennerhassetts an Lujo Brentano von dessen Nachkommen nach seinem Tod 1931 an Blennerhassetts Tochter zurückgegeben, von Brentano an Blennerhass-ett sind dagegen nur 2 Briefe erhalten. Vgl. CUL, MS Add 7486/52, Brentano, hier die Briefe Blennerhassetts an Brentano; zur Rückgabe der Briefe vgl. Aufschrift auf dem Umschlag des Bestandes. CUL, MS Add 7486/52, Briefe deutscher Freunde, darin Brentano an Blenner-hassett 6. März 1893 u. 20. Januar 1905. Dieser umfangreiche Bestand ist alphabetisch ge-ordnet und von Blennerhassett mit der Bezeichnung versehen ›Briefe deutscher Freunde (die keine Korrespondenz führten)‹. Ob damit gemeint ist, dass sie mit diesen Persönlichkeiten nur sporadisch korrespondierte, oder ob diese keine Korrespondenzsammlung unter-hielten, in die nach dem Tod Briefe an Blennerhassett zurückgefordert wurden, erscheint unklar.

49 CUL, MS Add 7486/52, Briefe über mein Buch ›Frau von Staël‹.

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letzt bietet die Korrespondenz mit Rowland Blennerhassett, die jedoch nur bis ins Jahr 1900 und auch zuvor unvollständig überliefert ist, in Kombination mit anderen Familienbriefen einen Einblick in das persönliche Verhältnis der Ehe-leute wie auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie, was eine fundierte Annäherung an die Frage nach dem Hintergrund der Aufgabe des gemeinsamen Wohnsitzes und Trennung der Familie seit 1883 erlaubt.50 Für die Familienver-hältnisse sind einige weitere Korrespondenzen überraschend ergiebig, so zum Beispiel die Briefe des britischen Diplomaten und Politikers Sir Robert Morier an Blennerhassett, der ihr als vertrauter Freund angesichts der schwierigen wirt-schaftlichen Verhältnisse der Familie in den 1880ern und 1890ern mit Rat und Tat zur Seite stand.51

Briefe als Momentaufnahmen, Selbstporträt und Mittel der kommunikativen Konstruktion von Beziehungen wie des Transfers von Wissen sind vor dem Hin-tergrund verschiedenster geistiger und literarischer historischer Hintergründe von der Antike bis zur Gegenwart als Quellen fruchtbar gemacht worden.52 Der Wert des umfangreichen und über Jahrzehnte sich erstreckenden Bestands von Briefen als Quelle für die biographische Darstellung Blennerhassetts ist denn auch außerordentlich. Zwar ist hier der Aspekt von Selbstdarstellung und An-passung an die jeweiligen Adressaten kritisch zu beachten. Ebenso ist mit einer teils bewussten Nichtüberlieferung zu rechnen, hat Blennerhassett ihre Korre-spondenzen ja selbst geordnet und dabei teils mit Anmerkungen versehen. Aber gerade der Abgleich von Briefen an bzw. von verschiedenen Adressaten und im Idealfall die Existenz von Briefwechseln, wie im Fall von Blennerhassett, ermög-lichen einen Abgleich und Ausgleich von Tendenzen. Für die Biographie Blen-nerhassetts erfüllen die Briefe an sie bzw. von ihr und besonders die teils über Jahrzehnte reichenden Briefwechsel dementsprechend wichtige Funktionen. Ganz grundlegend werden Fakten so greifbar, z. B. zu Daten und Aufenthalts-orten. Hintergründe bestimmter Geschehnisse, Handlungen und Motivationen können zumindest in ihrer Darstellung durch Blennerhassett bzw. ihrer Korre-spondenten analysiert werden. Zusätzlich können Briefe als Momentaufnahme den Abgleich mit anderen persönlichen Dokumenten ermöglichen.

Dies ist auch für einen weiteren wichtigen Bestand des Nachlasses von Bedeu-tung, nämlich die in mehreren Entwurfsversionen vorliegenden Manuskripte ihrer eigenen Autobiographie bzw. ihrer Memoiren.53 Selbstzeugnisse, wie eben Briefe oder auch Tagebücher, besonders aber autobiographische Texte in ver-schiedenen Formen und Traditionslinien sind unter dem Aspekt der Selbstkon-

50 CUL, MS Add 7486/50-4, RBl an ChBl, 50-5 ChBl an RBl.51 CUL, MS Add 7486/52, Sir Robert Morier. Blennerhassetts Briefe an Morier befinden sich

im Archiv von Balliol College, Oxford, Morier Papers. 52 Vgl. u. a. aus der neueren deutschsprachigen Literatur in Auswahl Schnurmann, Brücken;

Antenhofer, Briefe; Krausse, Brief; Dietzsch, Grenzen; Hämmerle, Briefkulturen.53 CUL, MS Add 7486/22. Dieser Bestand wird in der Liste als ›Diary‹ bezeichnet. Zur mittler-

weile weitgehend verwischten Unterscheidung zwischen Memoiren und Autobiographie vgl. Niggl, Theorie, S. 4; Brechtken, Einleitung, S. 18 f.

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