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MMW-Fortschr. Med. Originalien III/2013 (155. Jg.), M. A. Überall, G. H. H. Müller-Schwefe, Buprenorphinpflaster 87 MMW-Fortschritte der Medizin Originalien Nr. III/2013 (155. Jg.), S. 87–96 S chmerzen sind gerade bei älteren Menschen ein weitverbreitetes Problem [11] und bergen bei un- zureichender Therapie ein erhebliches Potenzial zur Einschränkung von Le- bensfreude, -qualität sowie der Teilhabe Betroffener an den Aktivitäten des all- täglichen Lebens [4]. Unverändert stellt gerade die Behandlung älterer Patienten mit chronischen Schmerzen in der kli- nischen Praxis eine Herausforderung dar, da altersbedingte physiologische Verän- derungen die Pharmakologie der Analge- tika beeinflussen können; Multimorbidi- tät und die damit verbundene Einnahme mehrerer Arzneimittel erhöhen zudem das Risiko für Medikamentenwechsel- wirkungen [28]. Für Patienten mit mäßig starken chro- nischen Schmerzen, die mit Nichtopioid- analgetika nicht ausreichend behandelt werden können, steht seit geraumer Zeit ein niedrig dosiertes, transdermales Bu- prenorphinpflaster zur Verfügung, das nicht nur aufgrund seines siebentägigen Applikationsrhythmus durch eine hohe Compliance charakterisiert ist, sondern sich auch noch durch zahlreiche andere pharmakologische Besonderheiten aus- zeichnet, die auch für eine längerfristige Anwendung gerade bei älteren Menschen vorteilhaft sind. So kam z. B. nach einem Review der relevanten Literatur eine mul- tidisziplinäre Expertengruppe zu dem Schluss, dass sich Buprenorphin in der klinischen Praxis ohne Ceiling-Effekt Hintergrund: 6-Monatsanalyse nicht- interventionell erhobener Beobach- tungsdaten zur Wirksamkeit einer Lang- zeittherapie mit niedrig dosiertem 7-Ta- ge-Buprenorphinpflaster bei älteren Patienten mit chronischen Schmerzen. Methode: Auswertung der von 321 Schmerzpatienten (Alter 72,4 ± 13,8 Jahre; 67,3% Frauen; 85,4% Schmerzen des Muskel-Skelett-Systems; mittlere Schmerzintensität 6,1 ± 1,2, bei 90% ≥ 5 NRS 11 ) in deutschen Arztpraxen unter Verwendung standardisierter Selbstauskunftsinstrumente (Deut- scher Schmerzfragebogen/Deutsches Schmerztagebuch) dokumentierten Angaben zu Schmerzintensität, schmerzbedingten Einschränkungen des alltäglichen Lebens und Lebens- qualität. Ergebnisse: Nach Ersteinstellung auf 5-/10-µg/h 7-Tage-Buprenorphin- pflaster (89,7/10,3%) lag die Erhal- tungstherapie nach sechs Monaten in 57,1/39,1/3,8% stabil bei 5/10/20 µg/h. Hierunter sank die mittlere Schmerzin- tensität absolut um 5,1 ± 1,0 auf 1,0 ± 1,0 NRS 11 (83,5%). Die schmerzbedingten Beeinträchtigungen nahmen um 86,0%, die globale Schmerzlast nahm um 87,9% ab, und es zeigte sich eine fast vollständige Normalisierung der schmerzspezifisch beeinträchtigten Le- bensqualität (97,3%). Schlussfolgerungen: Die Schmerzthe- rapie älterer Menschen mit dem niedrig dosierten 7-Tage-Buprenorphinpflas- ter führt bei hoher Dosisstabilität zu einer raschen, starken und langfristig anhaltenden Schmerzlinderung sowie wesentlichen Verbesserungen von Teil- habe am täglichen Leben und Lebens- qualität. Schlüsselwörter: Schmerztherapie – Lebensqualität – Niedrig dosiertes 7-Ta- ge Buprenorphinpflaster – Chronische Schmerzen – Ältere Patienten ZUSAMMENFASSUNG Eingereicht am 05.08.2013 – Revision akzeptiert am 16.09.2013 (Deckeneffekt) in Bezug auf die analge- tische Wirksamkeit eindeutig wie ein rei- ner µ-Opioidagonist verhält, aber einen Ceiling-Effekt in Bezug auf die respirato- rische Depression aufweist, was bei Mo- notherapie die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer klinisch signifikanten Langzeitbehandlung chronischer Schmerzen mit niedrig dosiertem 7-Tage- transdermalem-Buprenorphinpflaster Beobachtungsdaten bei älteren Patienten zu Schmerzintensität und Lebensqualität Von M. A. Überall, G. H. H. Müller-Schwefe Priv.-Doz. Dr. med. Michael A. Überall, Institut für Neurowissenschaften, Algesiologie & Pädiatrie, Nürnberg; Dr. med. Gerhard H. H. Müller-Schwefe, DSG Schmerz- und Palliativzentrum Göppingen Norspan®, Grünenthal GmbH, Aachen The supplement this article is part of is not sponsored by the industry.

Langzeitbehandlung chronischer Schmerzen mit niedrig dosiertem 7-Tagetransdermalem-Buprenorphinpflaster

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MMW-Fortschr. Med. Originalien III/2013 (155. Jg.), M. A. Überall, G. H. H. Müller-Schwefe, Buprenorphinpflaster� 87

MMW-Fortschritte der Medizin Originalien Nr. III/2013 (155. Jg.), S. 87–96

Schmerzen sind gerade bei älteren Menschen ein weitverbreitetes Problem [11] und bergen bei un-

zureichender Therapie ein erhebliches Potenzial zur Einschränkung von Le-bensfreude, -qualität sowie der Teilhabe Betroffener an den Aktivitäten des all-täglichen Lebens [4]. Unverändert stellt gerade die Behandlung älterer Patienten mit chronischen Schmerzen in der kli-nischen Praxis eine Herausforderung dar, da altersbedingte physiologische Verän-derungen die Pharmakologie der Analge-tika beeinflussen können; Multimorbidi-tät und die damit verbundene Einnahme mehrerer Arzneimittel erhöhen zudem das Risiko für Medikamentenwechsel-wirkungen [28]. Für Patienten mit mäßig starken chro-nischen Schmerzen, die mit Nichtopioid- analgetika nicht ausreichend behandelt werden können, steht seit geraumer Zeit ein niedrig dosiertes, transdermales Bu-prenorphinpflaster zur Verfügung, das nicht nur aufgrund seines siebentägigen Applikationsrhythmus durch eine hohe Compliance charakterisiert ist, sondern sich auch noch durch zahlreiche andere pharmakologische Besonderheiten aus-

zeichnet, die auch für eine längerfristige Anwendung gerade bei älteren Menschen vorteilhaft sind. So kam z. B. nach einem Review der relevanten Literatur eine mul-tidisziplinäre Expertengruppe zu dem Schluss, dass sich Buprenorphin in der klinischen Praxis ohne Ceiling-Effekt

Hintergrund: 6-Monatsanalyse nicht-interventionell erhobener Beobach-tungsdaten zur Wirksamkeit einer Lang-zeittherapie mit niedrig dosiertem 7-Ta-ge-Buprenorphinpflaster bei älteren Patienten mit chronischen Schmerzen.Methode: Auswertung der von 321 Schmerzpatienten (Alter 72,4 ± 13,8 Jahre; 67,3% Frauen; 85,4% Schmerzen des Muskel-Skelett-Systems; mittlere Schmerzintensität 6,1 ± 1,2, bei 90% ≥  5 NRS11) in deutschen Arztpraxen unter Verwendung standardisierter Selbstauskunftsinstrumente (Deut-scher Schmerzfragebogen/Deutsches Schmerztagebuch) dokumentierten Angaben zu Schmerzintensität , schmerzbedingten Einschränkungen des alltäglichen Lebens und Lebens-qualität.Ergebnisse: Nach Ersteinstellung auf 5-/10-µg/h 7-Tage-Buprenorphin-pflaster (89,7/10,3%) lag die Erhal-tungstherapie nach sechs Monaten in

57,1/39,1/3,8% stabil bei 5/10/20 µg/h. Hierunter sank die mittlere Schmerzin-tensität absolut um 5,1 ± 1,0 auf 1,0 ± 1,0 NRS11 (83,5%). Die schmerzbedingten Beeinträchtigungen nahmen um 86,0%, die globale Schmerzlast nahm um 87,9% ab, und es zeigte sich eine fast vollständige Normalisierung der schmerzspezifisch beeinträchtigten Le-bensqualität (97,3%).Schlussfolgerungen: Die Schmerzthe-rapie älterer Menschen mit dem niedrig dosierten 7-Tage-Buprenorphinpflas- ter führt bei hoher Dosisstabilität zu einer raschen, starken und langfristig anhaltenden Schmerzlinderung sowie wesentlichen Verbesserungen von Teil-habe am täglichen Leben und Lebens-qualität.

Schlüsselwörter: Schmerztherapie – Lebensqualität – Niedrig dosiertes 7-Ta-ge Buprenorphinpflaster – Chronische Schmerzen – Ältere Patienten

Z U S A M M E N F A S S U N G

Eingereicht am 05.08.2013 – Revision akzeptiert am 16.09.2013

(Deckeneffekt) in Bezug auf die analge-tische Wirksamkeit eindeutig wie ein rei-ner µ-Opioidagonist verhält, aber einen Ceiling-Effekt in Bezug auf die respirato-rische Depression aufweist, was bei Mo-notherapie die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer klinisch signifikanten

Langzeitbehandlung chronischer Schmerzen mit niedrig dosiertem 7-Tage-

transdermalem-BuprenorphinpflasterBeobachtungsdaten bei älteren Patienten zu Schmerzintensität und Lebensqualität

Von M. A . Überal l , G . H . H. Mül ler-Schwefe

Priv.-Doz. Dr. med. Michael A. Überall, Institut für Neurowissenschaften, Algesiologie & Pädiatrie, Nürnberg; Dr. med. Gerhard H. H. Müller-Schwefe, DSG Schmerz- und Palliativzentrum GöppingenNorspan®, Grünenthal GmbH, AachenThe supplement this article is part of is not sponsored by the industry.

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respiratorischen Depression reduziert [19]. Aufgrund der langsamen Disso-ziation von den µ-Opioidrezeptoren und einer sukzessiven Abnahme der Buprenorphin-Plasmakonzentrationen ist die analgetische Wirkzeit relativ lang, und körperliche Entzugserschei-nungen nach Absetzen des Buprenor-phinpflasters kommen nur gelegentlich vor [20]. Im Gegensatz zu den meisten Wirkstoffen bindet Buprenorphin an α- und β-Globuline [16]. Dies sollte sich theoretisch positiv auf die Medika-mentenwechselwirkung auswirken. Da Buprenorphin hauptsächlich biliär und durch enterohepatische Rezirkulation eliminiert wird, wird die Ausscheidung auch nicht durch – im Alter häufig auf-tretende – Nierenfunktionsstörungen beeinträchtigt [16]. Im Gegensatz zu anderen potenten Opioiden treten im therapeutischen Dosisbereich auch keine immunosuppressiven Effekte auf [16]. Die gute Wirksamkeit und Ver-träglichkeit des niedrig dosierten Bup-renorphinpflasters bei der Behandlung chronischer Schmerzen konnte in meh-reren randomisierten Studien [20, 24] und in Anwendungsbeobachtungen im klinischen Alltag [22, 23, 27] gezeigt wer-den. Die Schmerztherapie sollte neben der Reduktion der Schmerzen auch eine allgemeine Verbesserung aller schmerz-bedingten Aspekte des täglichen Lebens und der Lebensqualität berücksichtigen [17]. Es ist daher wichtig, neben der Er-fassung von Schmerzparametern auch die schmerzbedingten Einschränkungen des alltäglichen Lebens und die Lebens-qualität der Patienten zu evaluieren. In der vorliegenden Studie wurden deshalb im Besonderen diese Aspekte bei der Langzeitbehandlung älterer Patienten mit dem 7-Tage-Buprenorphinpflaster untersucht.

METHODE

Mit der vorliegenden, nichtinterventio-nellen Beobachtungsuntersuchung wur-de die Wirksamkeit des niedrig dosierten

Zeitraum vorlagen (Positivselektion). Dies traf in den ersten 15 Wochen auf 321 Patienten und in Woche 24 auf 312 Patienten zu (Woche 16 = 320 Patienten, 17 = 319, 18 = 318, 19 = 317, 20/21 = 315, 22 = 314, 23 = 312 Patienten). Mit dem Deutschen Schmerzfragebogen (DSF) und dem Deutschen Schmerz-tagebuch (DST) wurden die von zwei deutschen schmerztherapeutischen Fachgesellschaften (d. h. der DGS und der Deutschen Schmerzgesellschaft) als Dokumentationsstandard empfohlenen Selbstauskunftsfragebogen verwendet. Ihr Einsatz erfolgte vor Behandlungs-beginn (DSF) bzw. therapiebegleitend (DST) über einen Beobachtungszeit-raum von bis zu sechs Monaten. Neben Informationen zu demographischen Aspekten Betroffener und dem Chro-nifizierungsgrad der jeweils zugrunde liegenden Schmerzerkrankung unter Be-zugnahme auf das Mainzer Stadienmo-dell (Mainz Pain Staging System, MPSS [9]), umfassen die beiden Fragebögen im wesentlichen folgende psychome-trischen Testskalen: • die bekannte 11-Punkte Schmerzskala

(NRS11) zur Dokumentation von ge-ringster, durchschnittlicher und maxi-maler Schmerzintensität im 24-Stun-den-Tagesverlauf [6];

• den Marburger Fragebogen zum habi-tuellen Wohlbefinden (MFHW [2]) zur Erfassung des emotionalen Wohlbefin-dens;

• die deutsche Version der Hospital Anxi-ety und Depression Skala (HADS [12]) zur Evaluation komorbider Störungen bzgl. Angst und Depressivität;

• den modified pain disability index (mPDI [25]) zur Quantifizierung schmerzbedingter Beeinträchtigung bzgl. der Teilhabe an den Aktivitäten des alltäglichen Lebens;

• einen Fragebogen zur spezifischen Er-fassung schmerzbedingter Beeinträch-tigungen der Lebensqualität (quality of life impairment by pain inventory, QLIP [17, 30]), sowie

• einen Fragebogen zur Quantifizierung der phänomenologischen Ausprägung

7-Tage-transdermalen-Buprenorphin-pflasters bei älteren Patienten mit chro-nischen Schmerzen über einen Zeitraum von sechs Monaten untersucht. Grundla-ge der Auswertung waren die über stan-dardisierte Selbstauskunftsinstrumente (d. h. Deutscher Schmerzfragebogen bzw. Deutsches Schmerztagebuch [5]) seitens Betroffener gemachten Angaben, die von ausgewählten schmerzmedizinischen Zentren zwischen Januar und Novem-ber 2010 im Rahmen der Qualitätssiche-rungvereinbarung zur schmerztherapeu-tischen Versorgung chronisch schmerz-kranker Patienten gem. § 135 Abs. 2 SGB V erhoben und unter Wahrung da-tenschutzrechtlicher Belange der Deut-schen Gesellschaft für Schmerztherapie (DGS) sowie der Deutschen Schmerzliga (DSL) auf Nachfrage in anonymisierter Form zu Verfügung gestellt wurden.Jegliche Maßnahmen der Dokumenta- tion und Behandlung erfolgten unabhän-gig von dieser Post-hoc-Analyse und auf der Grundlage der jeweiligen Behand-lungsindikation. Die Entscheidung zur Behandlung mit dem Buprenorphin-pflaster lag im alleinigen Ermessen des behandelnden Arztes. Alle Patienten ga-ben ihr schriftliches Einverständnis zur Datenübermittlung und anonymisierten Auswertung.

Datenerhebung

Dokumentationsinstrumente, Datener-hebung, Datenformat, Datenauswertung und Patientenkollektiv wurden im Me-thodikteil einer bereits veröffentlichten 12-Wochen-Auswertung [27] ausführ-lich beschrieben. In diese Auswertung gingen die Daten von erwachsenen Pa-tienten mit nichttumorbedingten chro-nischen Schmerzen ein, die erstmalig mit dem Buprenorphinpflaster thera-piert wurden und in der Lage waren, die Selbstauskunftsfragebögen selbstständig zu beantworten. Die erlaubte wöchent-liche Höchstdosis waren zwei 20-µg/h-Pflaster. Es wurden in dieser Post-hoc-Analyse nur Patienten berücksichtigt, für die wöchentliche Selbstauskunfts-fragebögen über einen sechsmonatigen

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Langzeitbehandlung chronischer Schmerzen mit niedrig dosiertem 7-Tage-Buprenorphinpflaster

neuropathieverdächtiger klinischer Schmerzsymptome [7].

Outcome-Parameter

Schwerpunkte dieser Post-hoc-Analyse von praxisnah erhobenen Längsschnitt-daten zur Nachhaltigkeit des analge-tischen Effekts des niedrig dosierten 7-Tage-Buprenorphinpflasters über sechs Monate lagen auf der Evaluation der abso-luten und relativen Änderungen bzgl. • der geringsten, mittleren und größten

Schmerzintensität im 24-Stunden-Tagesverlauf sowie dem sich daraus ableitenden Tagesmittelwert (des sog. Schmerzindex),

• der schmerzbedingten Beeinträchti-gung der Teilhabe Betroffener an den Aktivitäten des alltäglichen Lebens,

• dem allgemeinen Wohlbefinden und • dem Ausmaß schmerzspezifischer Ein-

schränkungen der Lebensqualität. Zusätzlich wurde – als per se nicht in den Dokumentationsunterlagen niederge-legter Faktor – die allgemeine Schmerz-last (der sog. Burden-of-Pain-Index) als Summenwert der drei 24-Stunden-Schmerzintensitätswerte, des mPDI-Summenscores und des reziproken QLIP-Summenscores berechnet, der als Gesamtmaß nicht nur die mit einer Schmerzerkrankung einhergehenden Beschwerden und Einschränkungen quantifiziert, sondern auch das durch therapeutische Interventionen erzielte Ausmaß der Beschwerdelinderung.

Statistische Auswertung

Die Auswertung der Daten erfolgte nach Eingang aller Dokumentationsunter-lagen unter Verwendung des Analyse-programms SPSS, Version 11.5.1. (SPSS Inc., Chicago, USA). Alle Datenbögen wurden auf Vollständigkeit, Konsistenz und Plausibilität überprüft und die elek-tronisch erfassten Daten in pseudonymi-sierten Datenbanken gespeichert. Daten wurden “as observed” mit ausschließlich deskriptiven statistischen Verfahren ausgewertet; eine Imputation fehlender Werte erfolgte ebenso wenig wie konfir-matorische Analysen zur biometrischen

Signifikanz der ggf. dokumentierten Än-derungen.

ERGEBNISSE

Die vorliegene Auswertung basiert auf den Angaben von 321 vorwiegend älteren Patienten (im Mittel: 72,4 ± 13,8 Jahre; An-teil über 70/80/90 Jahre: 57,6/31,8/9,3%; 67,3% Frauen), von denen nach sechs Monaten noch immer 312 Patienten (97,2%) mit dem Buprenorphinpflaster behandelt wurden (Drop-Out-Rate: 2,8%). Tabelle 1 fasst die wesentlichen demographischen und schmerzmedizi-nisch relevanten Charakteristika des Pa-tientenkollektivs zusammen. Mit 85,4% gab die Mehrzahl der Patienten als Ur-sache ihrer Schmerzen Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems (M00–M99) an; die häufigsten Beschwerden waren mit 56,7% Krankheiten der Wirbelsäule und des Rückens (M40–M54), gefolgt von

Arthropathien (M00–M25) mit 22,7% und Krankheiten des Nervensystems (G50–G59). Dementsprechend notierten 55,5% der Betroffenen als Hauptmanifes- tationsort ihrer Schmerzen den Bereich von Kreuz/Rücken, 25,9% der Extremi-täten und 6,9% von Rumpf/Becken. Ins-gesamt 60,4% aller Patienten notierten zum Zeitpunkt der Erstdokumentation bereits eine Erkrankungsdauer von mehr als einem Jahr, mit 33,6% ein Drittel von mehr als drei Jahren. Mit 24,9% bzw. 24,6% wurde bei jeweils einem Viertel der Patienten das zugrunde liegende Chroni-fizierungsstadium als akut bzw. manifest chronisch berechnet, bei etwas mehr als der Hälfte der Patienten (50,5%) als sub-akut. Die Mehrheit der Patienten klassifizierte ihre Beschwerden als Dauerschmer-zen mit leichten (58,3%) oder starken Schwankungen (39,3%). Phänotypisch entsprach das Beschwerdebild bei einem

Tab. 1: Demographische Charakteristika des Patientenkollektivs (n = 321)

Geschlecht Frauen

Männer

216 (67,3%)

105 (32,7%)

Alter (Jahre) 72,4 ± 13,8

Body Mass Index (kg/m2) 28,3 ± 6,1

Schmerzerkrankung (ICD-10) M40–M54: Krankheiten der Wirbelsäule und des Rückens

M00–M25: Arthropathien

G50–G59: Krankheiten von Nerven, Nervenwurzeln und Nervenplexus

M60–M79: Krankheiten der Weichteilgewebe

G60–G64: Polyneuropathien und sonstige Krankheiten des peripheren Nervensystems

Andere

182 (56,7%)

73 (22,7%)

23 (7,2%)

16 (5,0%)

6 (1,9%)

21 (6,5%)

Chronifizierungsstadium I, chronifizierungsgefährdet

II, chronifiziert

III, deutlich chronifiziert

80 (24,9%)

162 (50,5%)

79 (24,6%)

Erkrankungsdauer < 1 Jahr

≥ 1–3 Jahre

> 3 Jahre

127 (39,6%)

86 (26,8%)

108 (33,6%)

Angaben sind Mittelwerte ± Standardabweichung oder Anteil Patienten (%); ICD = Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme

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Langzeitbehandlung chronischer Schmerzen mit niedrig dosiertem 7-Tage-Buprenorphinpflaster

Drittel aller Patienten (36,8%) einem eher neuropathischen Schmerztyp, bei 23,1% einem eher nozizeptiven Schmerz-typ und bei den restlichen 40,2% einem sog. gemischten Bild (mixed-pain). Die im 24-Stunden-Tagesverlauf mittlere Schmerzintensität wurde seitens der Pa-tienten zu Beginn des Evaluationszeit-punktes mit 6,13 ± 1,15 auf der NRS11 angegeben, die maximale Schmerzinten-sität mit 8,89 ± 1,06.Zum Zeitpunkt der Erstdokumentation erhielten alle Patienten eine medikamen-töse Schmerztherapie, entweder als Mo-notherapie (60,7%) mit Nichtopioiden (35,8%) oder niedrigpotenten WHO-Stufe-II-Opioiden (24,9%), oder in Form

einer Zweifachkombination (39,7%) be-stehend aus Nichtopioiden und Stufe-II-Opioiden (28,7%), Nichtopioiden und Koanalgetika (4,4%) oder Stufe-II-Opi-oidanalgetika und Koanalgetika (6,2%). Am häufigsten kamen die Wirkstoffe Tra-madol (36,4%), Diclofenac (23,7%), Tili-din/Naloxon (23,4%), Ibuprofen (19,6%), Metamizol (9,7%), Flupirtin (6,2%), Ce-lecoxib (3,4%) und Amitriptylin (3,4%) zum Einsatz.Trotz dieser Therapien dokumentierte etwas mehr als ein Drittel der befragten Patienten (35,8%) mit mPDI-Werten >  31 starke schmerzbedingte Beein-trächtigungen der Teilhabe an den Akti-vitäten des (all)täglichen Lebens, 84,1%

schmerzbedingte Schlafstörungen, 86,9% schmerzbedingte Einschränkungen ih-rer Tätigkeiten und Bedürfnisse, 94,1% entsprechende Stimmungsbeeinträch-tigungen, 57,6% bzw. 35,8% auffällige Depressivitäts- bzw. Angstwerte sowie 66,0% starke schmerzbedingte Ein-schränkungen ihrer Lebensqualität (Tab. 2). Dementsprechend lag auch die allge-meine Schmerzlast zu diesem Zeitpunkt bei 66,16 ± 19,07 (95%-Konfidenzinter-vall [KI]: 64,07–68,25).

Buprenorphindosierung im Studienverlauf

Die Therapieeinstellung erfolgte bei der weitaus überwiegenden Mehrzahl der

Tab. 2: Befunde zu Beginn sowie am Ende der Längsschnittbeobachtung (nach 24 Wochen)

Beobachtungsbeginn (n = 321)

Beobachtungsende (n = 312)

Schmerzintensität (NRS11)Geringste 24-Stunden-Tagesschmerzintensität

Mittlere 24-Stunden-Tagesschmerzintensität

Größte 24-Stunden-Tagesschmerzintensität

2,16 ± 1,13 (2,04–2,28)

6,13 ± 1,15 (6,00–6,26)

8,89 ± 1,06 (8,77–9,01)

0,37 ± 0,48 (0,32–0,42)

1,01 ± 0,86 (0,92–1,10)

2,01 ± 0,96 (1,90–2,12)

Schmerzbedingte Beeinträchtigungen (NRS11)Häusliche und familiäre Aktivitäten (mPDI-1)

Freizeit und Erholung (mPDI-2)

Soziale Unternehmungen (mPDI-3)

Haus- und Berufsarbeit (mPDI-4)

Selbstständigkeit in Körperpflege und Alltag (mPDI-5)

mPDI Summenwert

Anteil Patienten mit auffälligen Punktwerten

5,54 ± 1,65 (5,36–5,72)

5,78 ± 1,32 (5,64–5,92)

5,99 ± 1,40 (5,84–6,14)

5,97 ± 1,66 (5,79–6,15)

3,81 ± 1,46 (3,65–3,97)

27,09 ± 7,37 (26,28–27,90)

115 (35,8%)

1,13 ± 0,84 (1,04–1,22)

0,65 ± 0,69 (0,57–0,73)

0,82 ± 0,71 (0,74–0,90)

0,59 ± 0,68 (0,52–0,66)

0,60 ± 0,74 (0,52–0,68)

3,79 ± 3,43 (3,41–4,17)

0 (0,0%)

Lebensqualität (QLIP)Summenwert

Anteil Patienten mit auffälligen Punktwerten

18,11 ± 8,63 (17,17–19,05)

212 (66,0%)

39,17 ± 1,38 (39,02–39,32)

0 (0,0%)

Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS)Angst (HADS-A-Summenscore) Anteil Patienten mit auffälligen Punktwerten

Depressivität (HADS-D-Summenscore) Anteil Patienten mit auffälligen Punktwerten

6,27 ± 2,16 (6,03–6,51) 115 (35,8%)

7,93 ± 2,13 (7,70–8,16) 185 (57,6%)

2,54 ± 1,40 (2,39–2,69) 0 (0,0%)

3,28 ± 1,49 (3,12–3,44) 0 (0,0%)

Angaben sind Mittelwerte ± Standardabweichung (95%-Vertrauensbereich) oder Anteil Patienten (%); Schmerzstärke-Skala von 0 = kein Schmerz bis 10 = stärkster vorstellbarer Schmerz; QLIP = Fragebogen zur Erfassung der schmerzbedingten Beeinträchtigung der Lebensqualität (Summenscore 0 = völlige Beeinträchtigung bis 40 = keine Beeinträchtigung; ≤ 20=auffällig); HADS = Hospital Anxiety and Depression Skala (Summenscore 1–7 = unauffällig, 8–10 = grenzwertig, 11–21 = auffällig); mPDI = modifizierter Index bzgl. schmerzbedingter Beeinträchtigung des alltäglichen Lebens (Einzelscore 0 = keine Beeinträchtigung bis 10 = völlige Beeinträchtigung; Summenscore 0 = keine Beeinträchtigung bis 50 = völlige Beeinträchtigung; Summenscore > 31 = auffällig)

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Langzeitbehandlung chronischer Schmerzen mit niedrig dosiertem 7-Tage-Buprenorphinpflaster

Patienten (n = 288; 89,7%) mit dem 5-µg/h-Pflaster, bei den restlichen 10,3% Pati-enten mit dem 10-µg/h-Pflaster. Über die sechsmonatige Beobachtungszeit zeigten sich im Mittel nur geringe Änderungen der Tagesdosis: einer mäßigen Steigerung von zunächst rechnerisch 5,51 ± 1,52 µg/h zu Behandlungsbeginn auf 7,5 ± 3,4 µg/h am Ende der zwölften Woche folgte bis zum Ende der Beobachtungszeit bei Wo-che 24 ein geringer Rückgang auf 7,3 ± 3,6 µg/h. Zum Ende der Beobachtungs-untersuchung erhielten 178 Patienten (57,1% von 312 Patienten mit verfüg-baren Daten für Woche 24) das 5-µg/h-Buprenorphinpflaster, 122 (39,1%) das 10-µg/h-Pflaster und nur zwölf Patienten (3,8%) das 20-µg/h-Pflaster.

Analgetische Wirksamkeit

Unter dieser Therapie mit Buprenorphin zeigte sich bzgl. aller drei 24-Stunden-Tagesschmerzbereiche (d. h. geringster, mittlerer und maximaler 24-Stunden-Schmerzintensität) bis zum Ende der 24-wöchigen Beobachtungsdauer ein deutlicher Rückgang der ursprünglichen Schmerzintensitätswerte (Abb. 1). So sank der Mittelwert der im Tagesverlauf geringsten 24-Stunden-Schmerzintensi-tät um 1,79 (82,9%) von zunächst 2,16 ± 1,13 auf 0,37 ± 0,48; der der mittleren 24-Stunden-Schmerzintensität um 5,12 (83,5%) von 6,13 ± 1,15 auf 1,01 ± 0,86 und der der maximalen 24-Stunden-Schmerzintensität um 6,88 (77,4%) von 8,89 ± 1,06 auf 2,01 ± 0,96. Bereits im Verlauf der zweiten Behand-lungswoche war in allen drei Intensitäts-dimensionen eine mindestens 30%ige Schmerzlinderung nachweisbar; eine 50%ige Linderung zeigte sich für die geringste Schmerzintensität am Ende der zweiten Behandlungswoche, für die beiden anderen Intensitätsdimensionen am Übergang zwischen der dritten und vierten Behandlungswoche. In allen drei Kategorien zeigte sich eine kontinuierlich zunehmende Verbesserung bis zum Ende der zwöften Behandlungswoche sowie eine nachhaltige Konsolidierung des er-reichten niedrigen Schmerzniveaus bis

zum Ende der Verlaufsdokumentation in der 24. Woche.

Emotionales und seelisches Wohl-befinden

Einhergehend mit der oben genannten Schmerzlinderung zeigte sich bei den teilnehmenden Patienten ein deutlicher Rückgang der Ausprägung affektiv-emotionaler und seelischer Beeinträch-tigungen. So sank der HADS-A-Wert für schmerzbedingte Angststörungen von initial 6,27 ± 2,16 auf 2,54 ± 1,40, der HADS-D-Wert als Marker für schmerz-bedingte Depressionen von zunächst 7,93 ± 2,13 auf 3,28 ± 1,49. Lag der An-teil an Patienten mit grenzwertigen und/oder auffälligen HADS-Werten für Angst bzw. Depression anfangs bei 35,8% bzw. 57,6%, so normalisierten sich die diesbe-züglichen schmerzbedingten Probleme unter der Therapie mit Buprenorphin bei allen Patienten ab der fünften bzw. sie-benten Behandlungswoche (Tab. 2).

Schmerzbedingte Beeinträchtigung von Alltagsaktivitäten und Lebens-qualität

Insgesamt resultierte aus der sechsmona-tigen Buprenorphintherapie für die Pa-

tienten eine deutliche Verbesserung der Teilhabe an den Aktivitäten des täglichen Lebens in allen fünf Bereichen des mPDI (Abb. 2). So hatten zum Beobachtungs-ende die schmerzbedingten Einschrän-kungen häuslicher und familiärer Akti- vitäten (mPDI-1) um 79,6% abgenom-men (von 5,54 ± 1,65 auf 1,13 ± 0,84), und die Werte bzgl. Freizeit und Erholung (mPDI-2) waren um 88,8% (von 5,78 ± 1,32 auf 0,65 ± 0,69), bzgl. sozialer Un-ternehmungen (mPDI-3) um 86,3% (von 5,99 ± 1,40 auf 0,82 ± 0,71), bzgl. Haus-/Berufstätigkeit (mPDI-4) um 90,1% (von 5,97 ± 1,66 auf 0,59 ± 0,68) und bzgl. Selbstständigkeit in Körperpflege und All-tagsverrichtungen (mPDI-5) um 84,3% (von 3,81 ± 1,46 auf 0,60 ± 0,74) zurück-gegangen. Dabei zeigten sich maximale Änderungen bereits in den ersten zwei Behandlungswochen und – analog zum Rückgang der 24-Stunden-Schmerzin-tensitäten – kontinuierlich zunehmende Verbesserungen in den ersten zwölf Be-handlungswochen, bei nachfolgend kon-stanten Werten bis zum Ende der 24. Be- obachtungswoche.Parallel zum Rückgang schmerzbe-dingter Beeinträchtigungen im Alltag zeigte sich unter der Behandlung mit dem

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Behandlungsbeginn nach 24 Wochen

Abb 1: Änderungen der geringsten, mittleren und größten Schmerzintensitäten im Tagesver-lauf während der sechsmonatigen Buprenorphinbehandlung (Schmerzstärke-Skala von 0 = kein Schmerz bis 10 = stärkster vorstellbarer Schmerz; Anzahl Patienten zu Beginn der Studie n = 321, nach 24 Wochen n = 312).

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Langzeitbehandlung chronischer Schmerzen mit niedrig dosiertem 7-Tage-Buprenorphinpflaster

7-Tage-Buprenorphinpflaster innerhalb des sechsmonatigen Therapiezeitraums auch eine deutliche Verbesserung der schmerzbedingten Einschränkungen der Lebensqualität. So normalisierte sich nicht nur das allgemeine Wohlbefinden der Patienten (QLIP-1) um 85,5% von zunächst 6,06 ± 1,07 (95%-KI: 5,94–6,18) auf 0,88 ± 0,78 (95%-KI: 0,79–0,97) am Ende von Woche 24, sondern auch die nächtliche Schlafdauer und das Ausmaß schmerzbedingter Einschränkungen Be-troffener bzgl. ihrer Tätigkeiten und Be-dürfnisse bzw. ihrer Stimmung. Lag der Anteil an Patienten mit entsprechenden Auffälligkeiten vor Beginn der Therapie mit Buprenorphin noch bei 27,4% bzw. 86,9% bzw. 90,0%, so dokumentierte am Ende der sechsmonatigen Behandlungs-dauer kein einziger Patient mehr entspre-chende Einschränkungen in den genann-ten Bereichen. Darüber hinaus beschrie-ben in der abschließenden Dokumenta-tion mit 66,0% zwei Drittel aller Betrof-fenen ihre Fähigkeit die zugrunde liegen-den Schmerzen lindern zu vermögen mit „sehr stark“, während in der Eingangsdo-kumentation (d. h. vor Beginn der The-rapie mit Buprenorphin) 52,3% die ent-

sprechende Frage mit „ein wenig“ oder „gar nicht“ beantwortet hatten. Sons- tige von Patienten vor Therapiebeginn dokumentierte Befindlichkeitsstörungen des täglichen Lebens (QLIP-7) umfassten Schlafstörungen (84,1% der Patienten), Niedergeschlagenheit (33,6%), Müdig-keit (32,7%), Lustlosigkeit (27,4%), Ma-genbeschwerden (27,1%), Konzentrati-onsstörungen (11,2%), Appetitlosigkeit (6,9%) und Übelkeit (2,8%) und wurden am Ende der sechsmonatigen Buprenor-phintherapie mit Ausnahme von Schlaf-störungen (n = 4 Patienten, 1,2%) nicht mehr berichtet. Summa summarum stieg der QLIP-Summenwert von 18,11 ± 8,63 Punkten vor Beginn der Buprenorphin-behandlung auf 39,17 ± 1,38 am Ende von Woche 24 an, entsprechend einer Ver-besserung um 97,3%. Die diesbezüglich deutlichsten Behandlungseffekte zeigten sich in den ersten vier Wochen, waren bis zum Ende der zehnten Woche nahezu vollständig abgeschlossen und blieben über den weiteren Behandlungszeitraum konstant (Abb. 3). Der Anteil der Pati-enten mit schwerwiegenden Lebensqua-litätseinschränkungen (QLIP-Summen-score 0–20) sank innerhalb der ersten

sechs Therapiewochen von 66% auf Null. Aufgrund der Verbesserungen in Schmerzintensität sowie in Beeinträch-tigungen des täglichen Lebens und der Lebensqualität reduzierte sich die allge-meine Schmerzlast (Burden-of-Pain-In-dex) der Patienten ebenfalls deutlich von 66,16 ± 19,07 (95%-KI: 64,07–68,25) vor Therapiebeginn auf 8,01 ± 6,71 (95%-KI: 7,28–8,74) nach 24 Behandlungswochen (entsprechend einem relativen Rückgang der Schmerzlast um 87,9%; Abb. 4). Auch bezüglich dieses Parameters zeigte sich in den ersten zwei bis drei Behandlungswo-chen die stärkste Dynamik der Beschwer-deänderungen, bis zur zwölften Behand-lungswoche waren bereits 99% der im gesamten Beobachtungszeitraum doku-mentierten Maximaleffekte nachweisbar.

DISKUSSION

In der vorliegenden nichtinterventio-nellen Langzeitevaluation einer sechs-monatigen Behandlung chronischer Schmerzen älterer Menschen mit dem niedrig dosierten 7-Tage-transdermalen-Buprenorphinpflaster zeigte sich – un-ter Praxisbedingungen – nicht nur eine wirksame Schmerzreduktion, sondern insbesondere auch eine bedeutsame Verbesserung der Teilhabe Betroffener an den Aktivitäten des alltäglichen Le-bens und der Lebensqualität. Durch die Buprenorphinbehandlung konnte die allgemeine Schmerzlast – bei insgesamt hoher Dosisstabilität – erfreulich rasch, klinisch relevant und nachhaltig gelin-dert sowie den Patienten eine Behand-lungsperspektive geboten werden, die durch die analgetische Vorbehandlung mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR), sonstigen Nichtopioiden und niedrigpotenten Opioidanalgetika so zu-vor nicht zu erreichen war.Für Schmerzpatienten ist nicht allein die Reduktion der Schmerzintensität entscheidend, sondern auch die Verbes-serung von schmerzbedingten Alltags-beeinträchtigungen und die Wiederher-stellung der persönlichen Autonomie, die oft schmerzbedingt verloren geht. Die

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Abb 2: Verlauf der schmerzbedingten Beeinträchtigung der fünf Dimensionen des modifi-zierten Index zur schmerzbedingten Beeinträchtigung des alltäglichen Lebens (mPDI) unter Buprenorphintherapie (Bewertungsskala NRS11 von 0 = keine Beeinträchtigung bis 10 = völlige Beeinträchtigung; ein Summenwert von > 31 wird als auffällig angesehen; mPDI-1 = häusliche und familiäre Aktivitäten; mPDI-2 = Freizeit und Erholung; mPDI-3 = soziale Unternehmungen; mPDI-4 = Hausarbeit und Berufstätigkeit; mPDI-5 = Selbstständigkeit in Körperpflege und All-tagsverrichtungen; Anzahl Patienten zu Beginn der Studie [A] n = 321, nach 24 Wochen n = 312).

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Langzeitbehandlung chronischer Schmerzen mit niedrig dosiertem 7-Tage-Buprenorphinpflaster

Freiheit, häuslichen und familiären Akti-vitäten sowie sozialen Unternehmungen nachgehen zu können und insbesondere auch bezüglich Körperpflege und All-tagsverrichtungen selbstständig bzw. unabhängig zu sein, wurde von befragten Patienten mit chronischen Schmerzen als bedeutsameres Behandlungsziel erachtet als eine vollständige Schmerzlinderung [17]. Entsprechend ist für chronische Schmerzpatienten das Ausmaß ihrer Unabhängigkeit, Selbstständigkeit und Autonomie bzgl. der Selbsteinschätzung ihrer Lebensqualität ein entscheidender Faktor [17]. Dies zeigte sich insbeson-dere auch in dieser Langzeitbeobach-tung, bei der der unter Buprenorphin eindrucksvoll dokumentierte Rückgang schmerzbedingter Einschränkungen bzgl. der Teilhabe an den Aktivitäten des alltäglichen Lebens (um 86% nach sechs Monaten) und der damit korre-lierenden Schmerzlast (um knapp 88%) zu einer fast vollständigen Rückbildung schmerzbedingter Beeinträchtigungen der Lebensqualität führte. Parallel hier-zu dokumentierten die Betroffenen un-ter der Therapie mit dem transdermalen Opioidsystem im Längsschnittverlauf einen Rückgang von üblicherweise als unerwünschte Arzneimittelwirkungen klassifizierten Beschwerden, die im vor-liegenden Fall im Wesentlichen Folge einer ineffektiven, aber – insbesondere bei Älteren – nebenwirkungsträchtigen medikamentösen Schmerztherapie mit NSAR, anderen Nichtopioiden, niedrig-potenten Stufe-II-Opioiden und Koanal-getika waren, welche unter Buprenorphin erfolgreich ausgeschlichen werden konn-ten.Trotz dieser eindrucksvollen Befunde bzgl. der analgetischen Wirkung einer be-dürfnisorientierten Pharmakotherapie werden gerade ältere Schmerzpatienten oft unzureichend [4] und nicht selten mit (viel) zu vielen nicht wirksamen, aber nebenwirkungsträchtigen Arzneistoffen behandelt. Einer der Gründe hierfür ist wahrscheinlich die durch das prozedu-rale Vergütungssystem in Deutschland bedingte unzureichende Kommunika-

tion zwischen Arzt und Patient, bei der der Vollzug einer Maßnahme höher ver-gütet wird als die ihr notwendigerweise vorangehende Gesprächsleistung. Letz-tere ist jedoch nicht nur therapeutensei-tig (z. B. für die richtige Weichenstellung bzgl. differenzialdiagnostischer Über-legungen), sondern insbesondere auch patientenseitig (z. B. für das Verständ-nis von chronischen Schmerzen, ihren Auswirkungen und der Sinnhaftigkeit bestimmter nicht-medikamentöser The-rapiemaßnahmen, etc.) entscheidend – und somit Grundlage jeder schmerzme-dizinischen Fürsorge [18].Obwohl hoch potente Opioidanalgetika für viele Patienten eine (und nicht selten die einzig) wirksame medikamentöse Möglichkeit zur Linderung mittlerer bis starker chronischer Schmerzen darstel-len, wird ihre Verschreibung unverändert durch Vorbehalte und Unkenntnis seitens der Betroffenen und Ärzte limitiert [29]. Die resultierende weit verbreitete „Opio-phobie“ (d. h. die Nichtanwendung von Opioiden aufgrund einer Überschätzung der mit ihrem Einsatz verbundenen Ri-siken [3]) erklärt somit nicht nur die Hin-tergründe einer in vielen Fällen unverän-dert nachweisbaren Unterversorgung mit stark wirksamen Opioidanalgetika, son-dern auch die Persistenz unzureichend

wirksamer, jedoch nebenwirkungs-trächtiger Schmerztherapien mit Nicht- opioiden. Auch die hier beobachteten Patienten erhielten als Vortherapie nur Schmerzmittel der WHO-Stufen I oder II in Mono- oder Kombinationstherapie, obwohl fast alle (98%) mindestens mode-rate Dauerschmerzen angaben, 60% der Betroffenen bereits seit mehr als einem Jahr unter diesen Schmerzen litten und im Mittel jeder befragte Patient über zwei (manche über bis zu acht!) sonstige thera-piebedingte Beschwerden klagte. Obwohl die kausale Korrelation der beschrie-benen Beschwerden mit der jeweiligen medikamentösen Basistherapie im Ein-zelfall schwierig erscheint, lassen aktu-elle Beschreibungen der unerwünschten Arzneimittelwirkungen von Nichtopi-oidanalgetika deren Anwendung für die Langzeitbehandlung von Menschen mit chronischen Schmerzen als ungeeignet erscheinen [13, 21, 26]. Deswegen, wie auch aufgrund ihrer – auch in dieser Eva-luation eindrücklich nachgewiesenen – unzureichenden analgetischen Wir-kung wird deshalb insbesondere für die Behandlung älterer Patienten empfohlen, entzündungshemmende Analgetika „sel-ten, mit größter Vorsicht und nur bei spe-ziell ausgewählten Personen“ einzuset-zen und bei Patienten mit moderaten bis

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Abb 3: Änderungen der schmerzbedingten Lebensqualität unter Buprenorphintherapie. Fra-gebogen zur Erfassung der schmerzbedingten Beeinträchtigung der Lebensqualität (QLIP); Summenscore mit 0 bis 40 Punkten (0 = maximale Beeinträchtigung, 40 = keine Beeinträchti-gung). Anzahl Patienten zu Beginn der Studie (A) n = 321; nach 24 Wochen n = 312.

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Langzeitbehandlung chronischer Schmerzen mit niedrig dosiertem 7-Tage-Buprenorphinpflaster

starken Schmerzen, schmerzbedingten körperlichen Beeinträchtigungen und/oder verminderter Lebensqualität eine Opioidbehandlung in Betracht zu ziehen [1].Umgekehrt muss jedoch auch jeder Ein-satz stark wirksamer Analgetika vom Opioidtyp kontinuierlich bzgl. seines Nutzen-Risiko-Profils im individuellen Einzelfall überprüft und hinsichtlich sei-ner Sinnhaftigkeit hinterfragt werden. Nicht bei jedem Patienten wird durch Opioide eine zufriedenstellende Analge-sie erzielt, nicht bei jedem Patienten ste-hen die opioidbedingten unerwünschten Arzneimittelwirkungen in einem ak-zeptabeln Verhältnis zum Ausmaß des therapeutisch erwünschten Effekts. Eine diesbezüglich fehlende kritische Hin-terfragung der Effizienz des Einsatzes von Stufe-III-Opioiden mag Ursache einer zunehmend beklagten Fehl- bzw. Überversorgung mit solchen Wirk-stoffen sein, sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass unverändert ein nicht unerheblicher Anteil an Menschen mit chronischen nicht tumorbedingten Schmerzen in Deutschland diesbezüglich unterversorgt ist.Vor diesem Hintergrund beschreiben die vorliegenden Langzeitdaten von Pa-

tienten, die auf die Behandlung mit dem buprenorphinhaltigen, niedrig dosierten 7-Tage-Pflaster offensichtlich sehr gut bis gut angesprochen haben (und deren ein-drückliches Ansprechen auf die Behand-lung vor diesem Hintergrund sicherlich als Ergebnis einer Positivselektion rela-tiviert werden müssen und nicht bedin-gungslos auf jeden älteren Schmerzpati-enten übertragen werden können), wohl am ehesten das, was im Idealfall durch eine rationale Opioidtherapie im Alltag chronischer Schmerzpatienten errreicht werden kann.Trotz dieser methodischen Einschrän-kung sind die beschriebenen Ergebnisse – nicht nur bzgl. des Ausmaßes ihrer an-algetischen Wirksamkeit und der damit einhergehenden Linderung schmerzbe-dingter Beeinträchtigungen körperlicher und seelischer Natur, sondern insbe-sondere auch hinsichtlich ihrer Konse-quenzen bzgl. sog. unerwünschter Ef-fekte (durch die Schmerzerkrankung per se, wie auch die zum Einsatz gebrachten Schmerztherapien) – alltagsrelevant und wegweisend. So ist bekannt, dass das Auftreten von Nebenwirkungen bei der Behandlung mit den üblichen Stufe-II-Opioiden nicht nur zu einer verminder-ten Therapietreue [29], sondern in vielen

Fällen auch zu einem vorzeitigen The-rapieabbruch beitragen kann [15], was wiederum Ausmaß und Nachhaltigkeit positiver Effekte entsprechender Thera-pien kritisch beschränkt. Gerade dies-bezüglich erwies sich jedoch das niedrig dosierte 7-Tage-Buprenorphinpflaster in der vorliegenden Auswertung als er-freuliche Alternative, nahm doch unter seinem Einsatz die Häufigkeit der übli-cherweise als opioidtypisch erachteten, jedoch offensichtlich per se nicht opioid- spezifischen unerwünschten Effekte im Bereich des Gastrointestinaltrakts und des zentralen Nervensystems im Ver-gleich zum Zustand vor Behandlungsbe-ginn ab! Hintergrund hierfür ist nicht nur das – vor allem im Vergleich zu anderen Stufe-III-Opioiden – günstige Verträg-lichkeitsprofil des niedrig dosierten Bu-prenorphinpflasters, sondern vor allem auch die diesbezüglich relativ schlechte Verträglichkeit der (noch dazu unzurei-chend analgetisch wirksamen) indivi-duellen Vortherapie mit Nichtopioiden, niedrig potenten Opioidanalgetika und Koanalgetika. Die vorliegenden Daten bestätigen damit indirekt auch die Ergeb-nisse einer Studie mit vorwiegend älteren Arthrosepatienten (Durchschnittsalter 80 Jahre), die für drei Monate mit einem höher dosierten Buprenorphinpflas- ter therapiert wurden und bei denen nachgewiesen werden konnte, dass die kognitiven Fähigkeiten der Patienten nicht durch die Buprenorphintherapie beeinträchtigt wurden [10]. Ein – ins-besondere für ältere und geriatrische Patienten – außerordentlich wichtiges Ergebnis, welches vor dem Hintergrund des zu beobachtenden demographischen Wandels, der zunehmenden Zahl de-menter Krankheitsverläufe und den Be-obachtungen einer Studie von Husebo et al. (und dem dort vollzogenen Nach-weis der signifikanten Reduktion agita-tiver Verhaltensstörungen geriatrischer Pflegeheimpatienten mit moderater bis schwerer Demenz durch eine standardi-sierte Schmerzbehandlung – u. a. auch mit Buprenorphinpflaster [14]) zuneh-mend an Bedeutung gewinnt.

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Abb 4: Änderung der allgemeinen Schmerzlast (Burden-of-Pain) während des Beobachtungs-zeitraums. Dieser Index wird als Summenwert der drei 24-Stunden-Schmerzintensitätswerte (geringste, mittlere, größte Intensität), des mPDI-Summenscores und des reziproken QLIP-Summenscores berechnet. Anzahl Patienten zu Beginn der Studie (A) n = 321, nach 24 Wochen n = 312.

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Langzeitbehandlung chronischer Schmerzen mit niedrig dosiertem 7-Tage-Buprenorphinpflaster

Inwiefern die in dieser Längsschnittbe-obachtung eindrücklich dokumentierte überraschend niedrige Drop-Out-Rate von 2,8% (insgesamt beendeten von den 321 Patienten, für die auswertbare Unter-lagen vorlagen, nur neun die Behandlung vor dem sechsten Monat) Ausdruck der bereits erwähnten Positivselektion ist, kann letztlich nicht exakt benannt wer-den. Fakt ist, dass das niedrig dosierte Buprenorphinpflaster auf der Grund-lage der vorliegenden Daten – und bei nachgewiesener analgetischer Wirksam-keit – als nebenwirkungsarme und gut verträgliche Therapiealternative zu den traditionell üblicherweise eingesetzten oral-enteralen niedrig potenten Opioid- analgetika anzusehen ist – ein Ergeb-nis, welches auch durch die Studie von Gallagher et al. bestätigt wird, bei der britische Patienten unter Buprenorphin nach sechs bzw. zwölf Monaten sehr viel seltener ihre Behandlung vorzeitig been-deten als unter Tramadol oder Dihydro-codein [8].Gerade für die kontinuierlich wachsende Zahl älterer Patienten mit chronischen, häufig nicht tumorbedingten Schmer-zen, zahlreichen Begleiterkrankungen, Begleittherapien, multiplen Kontraindi-kationen für alternative Analgetika und Koanalgetika sowie Schluckstörungen und/oder enteralen Resorptionsproble-men bietet sich somit das niedrig dosier-te transdermale Buprenorphinpflaster aufgrund seiner pharmakologischen Vorteile, seiner guten Verträglichkeit und dem langen (siebentägigen) Ap-plikationsintervall an. Eine konstante Wirkstofffreisetzung, gleichmäßige Plasmaspiegel (ohne regelmäßig wieder-kehrende Spitzenwerte) und damit eine gleichmäßige Analgesie, einfache Hand-habung, Reduktion der Tablettenlast und dementsprechend hohe Compliance-werte bieten nicht nur ideale Vorausset-zungen für eine gute Akzeptanz durch Betroffene und Angehörige, sondern auch gute Perspektiven für eine effiziente (d. h. wirksame, verträgliche und pati-entenfreundliche) Therapie von – auch multimorbiden – Patienten jeden Alters.

Aufgrund der methodischen Besonder-heiten dieser nichtinterventionell erho-benen Längsschnittdaten müssen die vorgenannten Auswertungsergebnisse dahingehend relativiert werden, als sie auf Angaben beruhen, die ohne beglei-tende Kontrollgruppe und im Rahmen der üblichen Standardverfahrensweisen in der schmerztherpeutischen Praxis all-tagsnah erhoben wurden. Andererseits belegt diese Längsschnittevaluation der von älteren Schmerzpatienten unter All-tagsbedingungen in der schmerzthera-peutischen Praxis und unter Verwendung standardisierter Selbstauskunftsfra-gebögen dokumentierten Verlaufsdaten eindrücklich das Potenzial derartiger Routinemaßnahmen für die Bewertung des praktischen Nutzens pharmakothe-rapeutischer Maßnahmen und liefert so-mit wichtige Daten für die Versorgungs-forschung sowie zur Verbesserung einer qualitätsgesicherten Langzeittherapie.

Fazit für die Praxis

Der Einsatz des niedrig dosierten 7-Tage-Buprenorphinpflasters führt bei älteren Patienten mit therapieschwierigen nicht tumorbedingten Schmerzen bei hoher Dosisstabilität und hoher Anwendungs-sicherheit zu einer klinisch relevanten und nachhaltig effektiven Schmerzlin-derung, relevanten Verbesserungen der Selbstständigkeit im Alltag und einer entsprechenden Normalisierung der schmerzbedingt beeinträchtigten Le-bensqualität.

Long-term treatment of chronic pain with low-dose 7-day buprenorphine transdermal patch. Observa-tional data from elderly patients of pain relief and quality of life

Background: Six-months analysis of non-interventi-onally collected observation data of effectiveness of long-term treatment with low-dose 7-day buprenor-phine transdermal patch in elderly patients with chro-nic pain.

Methods: Analysis of data regarding pain intensity, pain-related impairments of daily life and quality of life documented by 321 pain patients in German pri-mary care (age 72.4 ± 13.8 years; 67.3% female; mus-culoskeletal pain 85.4%; mean pain intensity 6.1 ± 1.2, for 90% ≥ 5 NRS11) using standardised self-report in-struments (German Pain Questionnaire/German Pain Diary).

Results: After initiation with 5/10 µg/h buprenor-phine (89.7%/10.3%), treatment was maintained in 57.1/39.1/3.8% patients with stable doses of 5/10/20 µg/h after 6 months. The average pain inten-sity decreased by 5.1 ± 1.0 (absolute) to 1.0 ± 1.0 NRS11 (83.5%), pain-related impairments and burden of pain were reduced by 86.0% and 87.9%, respectively, and pain-related quality of life improved by 97.3% to nearly normal values.

Conclusions: Pain treatment of elderly persons with 7-day low-dose transdermal buprenorphine patch on a stable dose regimen resulted in fast, effective and sustained pain relief accompanied by marked impro-vements in daily life participation and quality of life.

Keywords: Pain treatment – Quality of life – Low-dose 7-day transdermal buprenorphine patch – Chronic pain – Elderly patients

Danksagung

Die Autoren möchten sich bei allen Patienten für ih-re Teilnahme bedanken. Außerdem danken sie Elke Grosselindemann und Birgit Brett für die redaktionelle Bearbeitung des Manuskripts. Alle Kosten im Zusam-menhang mit der Erstellung des vorliegenden Manu-skripts wurden von der Grünenthal GmbH, Aachen übernommen.

Interessenkonflikt

Diese Studie wurde im Auftrag der Deutschen Schmerzliga und der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie vom Institut für Qualitätssicherung in Schmerztherapie & Palliativmedizin und vom In-stitut für Neurowissenschaften, Algesiologie & Pä-diatrie erstellt. Der auf diesen Daten beruhende bio-metrische Bericht wurde von der Grünenthal GmbH, Aachen erworben.

Michael A. Überall hat in den letzten zwölf Monaten die Firmen Almirall, Bene-Arzneimittel, Grünenthal, Jans-sen-Cilag, Mundipharma, Nycomed, Pfizer, Pharm- Allergan, ProStrakan, Servier und TEVA beraten und hierfür sowie für Vortragsaktivitäten entsprechende Aufwendungsentschädigungen erhalten. Gerhard H. H. Müller-Schwefe erhielt entsprechende Berater- oder Vortragshonorare von den Firmen Cephalon, Grünenthal, Janssen-Cilag, Mundipharma, Pfizer, PharmAllergan und TEVA.

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Langzeitbehandlung chronischer Schmerzen mit niedrig dosiertem 7-Tage-Buprenorphinpflaster

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Für die Verfasser: PD Dr. med. Michael A. Überall Theodorstraße 1 D-90489 Nürnberg Tel: +49 911 - 50 68 202 Fax: +49 911 - 50 68 203 E-Mail: [email protected]