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dmz 24/2012 | 19 POLITIK & WIRTSCHAFT Lebensmittelproduzenten im Fadenkreuz der Medien Podiumsdiskussion im Rahmen der Mitgliederversammlung der Landesvereinigung der Bayerischen Milchwirtschaft e.V. in Herrsching Immer wieder stehen Lebensmittel- produzenten im Fadenkreuz der Me- dien. Um über den richtigen Umgang mit der Presse und dem Internet zu dis- kutieren, hatte die Landesvereinigung der Bayerischen Milchwirtschaft an- lässlich ihrer diesjährigen Mitglieder- versammlung zu einer Podiumsdiskus- sion unter der Leitung von Werner Prill eingeladen. Vor Beginn der eigentlichen Diskus- sion gewährte der Moderator jedem Teilnehmer Gelegenheit zu einem kur- zen Statement. BR-Rundfunkmoderatorin Christi- ne Schneider von der »Unser Land«- Redaktion glaubt nicht, dass es an den Journalisten liegt, wenn die Lebensmittel- branche in den Medien oft schlecht weg- kommt. Sie kritisierte in diesem Zusammen- hang, dass Presseinformationen oft zu wenig Aussage hätten. Jutta Saumweber von der Verbraucherzentrale Bayern stellte fest: »Wir werden immer mehr gehört, wir sind in den Medien.« Als Anwältin der Verbraucher ver- stehe sie nicht, warum das Internet-Portal »Lebensmittelklarheit« von der Lebensmit- telindustrie so stark angegriffen werde, wo doch mehr als 30% der auf diesem Portal kri- tisierten Produkte anschließend von der Le- bensmittelindustrie geändert würden. Als weiteres Mitglied der Podiumsrunde konstatierte Rechtsanwalt Prof. Dr. Alfred Hagen Meyer: »Das Internet-Portal Lebens- mittelklarheit brauchen wir nicht!« Als vielfa- cher Buchautor, Talk-Show-Teilnehmer und Moderator von Wissenschaftssendungen im Fernsehen hat sich Lebensmittelchemiker Udo Pollmer seit vielen Jahren einen Namen gemacht und er stellt fest:«Die Zeit der Imagewerbung ist vorbei!« Der Präsident des Verbandes der Bayeri- schen Privaten Milchwirtschaft Robert Hof- meister gibt zu bedenken, dass die Lebens- mittelindustrie heute einer sehr vielfältigen Medienwelt gegenüberstehe. Die Nachrich- tenflut sei emotionaler und schneller gewor- den, wodurch viele Informationen einfach verlorengingen. Offene Kommunikation und Transparenz Könne es sein, dass die Molkereiindustrie nicht offen genug kommuniziere, fragt Wer- ner Prill. Am Interesse der Verbraucher man- gele es jedenfalls nicht, weiß Jutta Saumwe- ber zu berichten, aber das Wissen der Ver- braucher werde zu hoch eingeschätzt. Da gibt es ca. 50 000 Lebensmittelprodukte im Handel, merkte Meyer an, wie solle der Ver- braucher da noch durchblicken? Leider gelte bei den Medien der Leitgedanke: »Bad news are good news«, und Christine Schneider fügte hinzu, die Auswahl der Nachrichten würde sich heute vielfach am Zeitgeist orien- tieren. Von Seiten der Medien werde bemän- gelt, dass Interviewpartner aus der Lebens- mittelindustrie schwierig zu finden seien. Das sei nicht weiter verwunderlich, so Robert Hofmeister, hätten doch Lebensmittelprodu- zenten berechtigte Angst vor einem schlechten Image, nachdem sie in Interviews missverstanden worden sind. Nicht selten passiere es, so Meyer, dass Interviewpartner in TV- Sendungen regelrecht vorgeführt würden. Da helfe es nur, wenn man der Branche klar machte, dass man offen und ehrlich argumentieren müsse. Dann könne man auch auf Aufschriften wie »Ohne Zusatzstof- fe« etc. verzichten, so der Anwalt. Von der Verbraucherzentrale wird kritisiert, dass sich zwar eine Zuta- tenliste auf den Verpackungen be- fände, diese aber manchmal frag- würdig aufgemacht sei. Da verwun- dere es nicht, dass der Verbraucher vieles misstrauisch hinterfrage. Die Industrie habe es versäumt, so die Meinung von Udo Poll- mer, ein eigenes Internet-Portal mit vielen In- formationen für Verbraucher zu kreieren, das organisatorisch bei einer Behörde angesie- delt sein sollte, denn »auf dem Etikett kann man nicht erkennen, was in einem Lebens- mittel wirklich drin ist«. Dialogbereitschaft gebe es von Seiten der Verbraucher, so Saumweber, und sie regte an, die Türen der Molkereien für die Verbraucher zu öffnen und dadurch für mehr Transparenz zu sorgen. Das ist aber aus hygienischen Gründen meist nicht durchführbar. »Wir ha- ben eine andere Medienwelt als noch vor 10 Jahren«, so der Moderator, »YouTube, etc. haben die Medienwelt stark verändert.« Da- her müsse man sich der Kommunikationssy- steme der jungen Leute in geeigneter Spra- che bedienen und dort Informationen plat- zieren, rät Udo Pollmer der Lebensmittelin- dustrie. Und als Resümee der Diskussions- runde stellte er fest: »Alle machen es richtig, aber die Kommunikation lässt noch zu wün- schen übrig.« Susanne Behm Auf dem Podium v.l.n.r.: Jutta Saumweber, Verbraucherzentrale Bayern; BR-Rundfunkmoderatorin Christine Schneider; Rechtsanwalt Prof. Dr. Al- fred Hagen Meyer; Lebensmittelchemiker Udo Pollmer, Präsident des Ver- bandes der Bayerischen Privaten Milchwirtschaft Robert Hofmeister und Moderator Werner Prill. Foto: Susanne Behm PRESSE

Lebensmittelproduzenten im Fadenkreuz der Medien

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Podiumsdiskussion im Rahmen der Mitgliederversammlung der Landesvereinigung der Bayerischen Milchwirtschaft e.V. in Herrsching

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dmz 24/2012 | 19

POLITIK & WIRTSCHAFT

Lebensmittelproduzenten im Fadenkreuz der MedienPodiumsdiskussion im Rahmen der Mitgliederversammlung der

Landesvereinigung der Bayerischen Milchwirtschaft e.V. in Herrsching

Immer wieder stehen Lebensmittel-produzenten im Fadenkreuz der Me-dien. Um über den richtigen Umgangmit der Presse und dem Internet zu dis-kutieren, hatte die Landesvereinigungder Bayerischen Milchwirtschaft an-lässlich ihrer diesjährigen Mitglieder-versammlung zu einer Podiumsdiskus-sion unter der Leitung von Werner Prilleingeladen.

Vor Beginn der eigentlichen Diskus-sion gewährte der Moderator jedemTeilnehmer Gelegenheit zu einem kur-zen Statement.

BR-Rundfunkmoderatorin Christi-ne Schneider von der »Unser Land«-Redaktion glaubt nicht, dass es an denJournalisten liegt, wenn die Lebensmittel-branche in den Medien oft schlecht weg-kommt. Sie kritisierte in diesem Zusammen-hang, dass Presseinformationen oft zu wenigAussage hätten. Jutta Saumweber von derVerbraucherzentrale Bayern stellte fest: »Wirwerden immer mehr gehört, wir sind in denMedien.« Als Anwältin der Verbraucher ver-stehe sie nicht, warum das Internet-Portal»Lebensmittelklarheit« von der Lebensmit-telindustrie so stark angegriffen werde, wodoch mehr als 30% der auf diesem Portal kri-tisierten Produkte anschließend von der Le-bensmittelindustrie geändert würden.

Als weiteres Mitglied der Podiumsrundekonstatierte Rechtsanwalt Prof. Dr. AlfredHagen Meyer: »Das Internet-Portal Lebens-mittelklarheit brauchen wir nicht!« Als vielfa-cher Buchautor, Talk-Show-Teilnehmer undModerator von Wissenschaftssendungen imFernsehen hat sich LebensmittelchemikerUdo Pollmer seit vielen Jahren einen Namengemacht und er stellt fest:«Die Zeit derImagewerbung ist vorbei!«

Der Präsident des Verbandes der Bayeri-schen Privaten Milchwirtschaft Robert Hof-meister gibt zu bedenken, dass die Lebens-

mittelindustrie heute einer sehr vielfältigenMedienwelt gegenüberstehe. Die Nachrich-tenflut sei emotionaler und schneller gewor-den, wodurch viele Informationen einfachverlorengingen.

Offene Kommunikation und Transparenz

Könne es sein, dass die Molkereiindustrienicht offen genug kommuniziere, fragt Wer-ner Prill. Am Interesse der Verbraucher man-gele es jedenfalls nicht, weiß Jutta Saumwe-ber zu berichten, aber das Wissen der Ver-braucher werde zu hoch eingeschätzt. Dagibt es ca. 50 000 Lebensmittelprodukte imHandel, merkte Meyer an, wie solle der Ver-braucher da noch durchblicken? Leider geltebei den Medien der Leitgedanke: »Bad newsare good news«, und Christine Schneiderfügte hinzu, die Auswahl der Nachrichtenwürde sich heute vielfach am Zeitgeist orien-tieren. Von Seiten der Medien werde bemän-gelt, dass Interviewpartner aus der Lebens-mittelindustrie schwierig zu finden seien. Dassei nicht weiter verwunderlich, so RobertHofmeister, hätten doch Lebensmittelprodu-

zenten berechtigte Angst vor einemschlechten Image, nachdem sie inInterviews missverstanden wordensind. Nicht selten passiere es, soMeyer, dass Interviewpartner in TV-Sendungen regelrecht vorgeführtwürden. Da helfe es nur, wenn mander Branche klar machte, dass manoffen und ehrlich argumentierenmüsse. Dann könne man auch aufAufschriften wie »Ohne Zusatzstof-fe« etc. verzichten, so der Anwalt.Von der Verbraucherzentrale wirdkritisiert, dass sich zwar eine Zuta-tenliste auf den Verpackungen be-fände, diese aber manchmal frag-würdig aufgemacht sei. Da verwun-

dere es nicht, dass der Verbraucher vielesmisstrauisch hinterfrage. Die Industrie habees versäumt, so die Meinung von Udo Poll-mer, ein eigenes Internet-Portal mit vielen In-formationen für Verbraucher zu kreieren, dasorganisatorisch bei einer Behörde angesie-delt sein sollte, denn »auf dem Etikett kannman nicht erkennen, was in einem Lebens-mittel wirklich drin ist«.

Dialogbereitschaft gebe es von Seiten derVerbraucher, so Saumweber, und sie regte an,die Türen der Molkereien für die Verbraucherzu öffnen und dadurch für mehr Transparenzzu sorgen. Das ist aber aus hygienischenGründen meist nicht durchführbar. »Wir ha-ben eine andere Medienwelt als noch vor 10Jahren«, so der Moderator, »YouTube, etc.haben die Medienwelt stark verändert.« Da-her müsse man sich der Kommunikationssy-steme der jungen Leute in geeigneter Spra-che bedienen und dort Informationen plat-zieren, rät Udo Pollmer der Lebensmittelin-dustrie. Und als Resümee der Diskussions-runde stellte er fest: »Alle machen es richtig,aber die Kommunikation lässt noch zu wün-schen übrig.«

Susanne Behm

Auf dem Podium v.l.n.r.: Jutta Saumweber, Verbraucherzentrale Bayern;BR-Rundfunkmoderatorin Christine Schneider; Rechtsanwalt Prof. Dr. Al-fred Hagen Meyer; Lebensmittelchemiker Udo Pollmer, Präsident des Ver-bandes der Bayerischen Privaten Milchwirtschaft Robert Hofmeister undModerator Werner Prill. Foto: Susanne Behm

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