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10 Lernen und Gedächtnis }ürgen Milde Der Mensch muss laufen und sprechen lernen und lernt zeitlebens aus seinen Erfahrungen mit der Umwelt. Lernen ist für uns ein selbstverständli- cher Vorgang, dessen Nützlichkeit außer Frage steht. Dahinter verbirgt sich eine herausragende Fähigkeit des Nervensystems, die es uns erlaubt, zusätzlich zu der im genetischen Code verschlüs- selten Information aufgrund von Erfahrungen Veränderungen unseres Verhaltens vorzunehmen . Lernen ist untrennbar verbunden mit dem Ge- dächtnis, wo das Gelernte gespeichert und sta- bilisiert wird, was dessen Anwendung zu einem späteren Zeitpunkt ermöglicht. Es ist leicht ein- zusehen, dass Lernen auch für Insekten eine we- sentliche Erweiterung der Überlebensfähigkeit bedeutet. Ein Rückblick in die Geschichte der Lernfor- schung zeigt, dass es ein langer Weg war, bis der Mensch den Tieren, und gar erst den Insekten, den Gebrauch "verwandter geistiger Kräfte" zugeste- hen mochte. Noch zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts standen sich Vertreter extremer Posi- tionen erbittert gegenüber. Die einen sahen In- sekten als belebte Maschinen an, denen kein plas- tisches Betätigungsvermögen zuzugestehen war, während die anderen in den Insekten die wunder- samsten Fähigkeiten und ein dem Menschen ver- gleichbares "Geistesleben" vermuteten. Deutliche Hinweise auf das Lernvermögen von Insekten wa- ren schon in Berichten früher Naturforscher ent- halten, wobei vor allem Beobachtungen an sozia- len Hymenopteren dominierten. So wusste man z.B., dass Bienen zu einem Futterplatz, an dem sie einmal Honig gefunden hatten, zurückkehrten, obwohl gar kein Honig mehr da war. War darüber hinaus ein derartiger Futterplatz beim ersten Be- such mit einem auffälligen Gegenstand markiert gewesen, so begannen die Bienen nach ihrer Rück- kehr ähnlich aussehende Objekte an benachbarten Plätzen mit Ausdauer auf mögliches Futter zu untersuchen. Dieses Verhalten bedurfte zumindest eines Gedächtnisses für Gegenstände und Örtlich- keiten. Als Fazit derartiger Studien schreibt Au- gust Forel im Jahr 1910: "Es kann unbedingt be- hauptet werden, dass Insekten imstande sind, Wahrnehmungen zu machen, zu lernen, sich zu erinnern , sowie ihre Erinnerungen zu assoziieren und zur Erreichung bestimmter Zwecke ... davon Gebrauch zu machen". 10.1 Futterdressuren bei Honigbienen Der experimentelle Beweis für Forels Aussage wurde in den Jahren 1912 und 1913 vom späteren Nobelpreisträger KarI von Frisch durch Versuche an der Honigbiene geliefert. Unbestritten war zu diesem Zeitpunkt, dass Bienen durch Futtergabe auf bestimmte Farben dressierbar waren. Unklar war jedoch , ob diesem Vermögen ein Farbensinn zugrunde lag oder die Farben nur anhand ihres farblosen Helligkeitswertes unterschieden worden waren. Wäre die Biene farbenblind , dürfte sie eine gegebene Farbe von einem bestimmten Grauton einer Helligkeitsskala von Weiß bis Schwarz nicht unterscheiden können . Zur Dressur (Abb. 10-1) verteilte Karl von Frisch ein farbiges (z. B. blaues) und diverse graue Papiere in beliebiger Anordnung auf einem Tisch. Auf jedes Blatt wurde ein Schäl- chen gestellt, jedoch nur auf der Farbe Blau war es mit Zuckerwasser gefüllt. ließen sich die Bienen hier nieder, so konnten sie zur Belohnung den süßen Trank saugen. Zur Vermeidung eines Orts- einflusses wurde die relative Lage der Papiere zu- einander zwischen den Fütterungen ständig ge- wechselt. Die Bienen sollten ja allein die Farbe zur Identifizierung des richtigen Futterschälchens he- ranziehen . Nach ausreichender Dressur erfolgte der Test (Abb. 10-1): Nun befand sich auch auf dem blauen Papier nur ein leeres Schälchen und alle Papiere waren zusätzlich mit einer Glasplatte abgedeckt, um etwa vorhandene Geruchsmarkie- rungen zu eliminieren. Die anfliegenden Bienen ließen sich suchend an dem Schälchen auf dem farbigen Papier nieder und es traten keinerlei Ver- wechslungen mit irgendeinem Grauton auf. Sie waren also offenbar nicht farbenblind, sondern konnten zumindest Blau als Farbe erkennen . Durch Versuche mit weiteren Farben konnte von Frisch schließlich das Farbensehen der Honigbiene

Lehrbuch der Entomologie || Lernen und Gedächtnis

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Page 1: Lehrbuch der Entomologie || Lernen und Gedächtnis

10 Lernen und Gedächtnis

}ürgen Milde

Der Mensch muss laufen und sprechen lernen undlernt zeitlebens aus seinen Erfahrungen mit derUmwelt. Lernen ist für uns ein selbstverständli­cher Vorgang, dessen Nützlichkeit außer Fragesteht . Dahinter verbirgt sich eine herausragendeFähigkeit des Nervensystems, die es uns erlaubt,zusätzlich zu der im genetischen Code verschlüs­selten Information aufgrund von ErfahrungenVeränderungen unseres Verhaltens vorzunehmen .Lernen ist untrennbar verbunden mit dem Ge­dächtnis, wo das Gelernte gespeichert und sta­bilisiert wird, was dessen Anwendung zu einemspäteren Zeitpunkt ermöglicht. Es ist leicht ein­zusehen, dass Lernen auch für Insekten eine we­sentliche Erweiterung der Überlebensfähigkeitbedeutet.

Ein Rückblick in die Geschichte der Lernfor­schung zeigt, dass es ein langer Weg war, bis derMensch den Tieren, und gar erst den Insekten, denGebrauch "verwandter geistiger Kräfte" zugeste­hen mochte. Noch zu Beginn des zwanzigstenJahrhunderts standen sich Vertreter extremer Posi­tionen erbittert gegenüber. Die einen sahen In­sekten als belebte Maschinen an, denen kein plas­tisches Betätigungsvermögen zuzugestehen war,während die anderen in den Insekten die wunder­samsten Fähigkeiten und ein dem Menschen ver­gleichbares "Geistesleben" vermuteten. DeutlicheHinweise auf das Lernvermögen von Insekten wa­ren schon in Berichten früher Naturforscher ent­halten , wobei vor allem Beobachtungen an sozia­len Hymenopteren dominierten. So wusste manz.B., dass Bienen zu einem Futterplatz, an dem sieeinmal Honig gefunden hatten, zurückkehrten,obwohl gar kein Honig mehr da war. War darüberhinaus ein derartiger Futterplatz beim ersten Be­such mit einem auffälligen Gegenstand markiertgewesen, so begannen die Bienen nach ihrer Rück­kehr ähnlich aussehende Objekte an benachbartenPlätzen mit Ausdauer auf mögliches Futter zuuntersuchen. Dieses Verhalten bedurfte zumindesteines Gedächtnisses für Gegenstände und Örtlich­keiten. Als Fazit derartiger Studien schreibt Au­gust Forel im Jahr 1910: "Es kann unbedingt be­hauptet werden, dass Insekten imstande sind,Wahrnehmungen zu machen , zu lernen, sich zuerinnern , sowie ihre Erinnerungen zu assoziieren

und zur Erreichung bestimmter Zwecke ... davonGebrauch zu machen".

10.1 Futterdressuren beiHonigbienen

Der experimentelle Beweis für Forels Aussagewurde in den Jahren 1912 und 1913 vom späterenNobelpreisträger KarI von Frisch durch Versuchean der Honigbiene geliefert. Unbestritten war zudiesem Zeitpunkt, dass Bienen durch Futtergabeauf bestimmte Farben dressierbar waren. Unklarwar jedoch , ob diesem Vermögen ein Farbensinnzugrunde lag oder die Farben nur anhand ihresfarblosen Helligkeitswertes unterschieden wordenwaren.

Wäre die Biene farbenblind , dürfte sie einegegebene Farbe von einem bestimmten Grautoneiner Helligkeitsskala von Weiß bis Schwarz nichtunterscheiden können . Zur Dressur (Abb. 10-1)verteilte Karl von Frisch ein farbiges (z.B. blaues)und diverse graue Papiere in beliebiger Anordnungauf einem Tisch. Auf jedes Blatt wurde ein Schäl­chen gestellt, jedoch nur auf der Farbe Blau war esmit Zuckerwasser gefüllt. ließen sich die Bienenhier nieder, so konnten sie zur Belohnung densüßen Trank saugen. Zur Vermeidung eines Orts­einflusses wurde die relative Lage der Papiere zu­einander zwischen den Fütterungen ständig ge­wechselt. Die Bienen sollten ja allein die Farbe zurIdentifizierung des richtigen Futterschälchens he­ranziehen . Nach ausreichender Dressur erfolgteder Test (Abb. 10-1): Nun befand sich auch aufdem blauen Papier nur ein leeres Schälchen undalle Papiere waren zusätzlich mit einer Glasplatteabgedeckt, um etwa vorhandene Geruchsmarkie­rungen zu eliminieren. Die anfliegenden Bienenließen sich suchend an dem Schälchen auf demfarbigen Papier nieder und es traten keinerlei Ver­wechslungen mit irgendeinem Grauton auf. Siewaren also offenbar nicht farbenblind, sondernkonnten zumindest Blau als Farbe erkennen .Durch Versuche mit weiteren Farben konnte vonFrisch schließlich das Farbensehen der Honigbiene

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274 10 Lernen und Gedächtnis

Dressur

oo

o Farblafel

o

~ Schälchen mit Zuckerwasser

Test

Abb. '0-': Dressurversuch zum Farbensehen der Honigbiene. Aufsicht aufden Versuchstisch, aufdem verschiedene Tafelnmit Grautönen sowie eine Farbtafel ausgelegt und mit Glasschälchen versehen sind. Nur während der Dressur enthält das aufderFarbtafel stehende Schälchen Zuckerwasser. Nach erfolgreicher Dressur suchen dieBienen imTest bevorzugt aufder Farbtafel nachFutter. Sie können somit die Farbe von allen Grautönen unterscheiden und haben zudem gelernt, sie als Signal für Futter zuassoziieren. (Nach v. Frisch 1914)

nicht nur nachweisen sondern auch dessen Be­schaffenheit charakteris ieren. In die Literatur gingdiese Studie als erster Nachweis eines Farbensinnsbei Invertebraten ein, wobei die bemerkenswerteLernleistung der Biene nicht die gebührende Auf­merksamkeit fand und eher im Hintergrund blieb.Immerhin hatten sich die Tiere einer gelerntenFarbe sicher erinnert und diese als Signal fürFutter assoziiert. Erst in der Folgezeit wurdedurch weitere Arbeiten Karl von Frischs und sei­ner wissenschaftlichen Nachfahren unübersehbar,wie außerordentlich schnell und gut Bienen trai­nierbar waren. Diese Lernfähigkeit ermöglichte es,das erstaunliche Repertoire ihrer Sinnesleistungenin einzigartiger Weisezu erforschen. So weiß manheute z.B, dass sich Bienen anhand des Magnetfel­des der Erde und des Musters des polarisiertenHimmelslichtes orientieren können (s. 9.5), einenZeitsinn besitzen und mittels einer Tanzsprachesoziale Kommunikation betreiben.

Mit der Methode der Farbdressur wurde aberauch das Lernvermögenselbst detailliert erforscht.So ist der Zeitraum, in dem eine Biene die Farbemit dem Futter assoziieren kann , auf ein Fenstervon wenigen Sekunden unmittelbar vor der Lan­dung am Futterplatz begrenzt. Nach der Lan­dung, beim Saugen des Honigwassers sowie beimAbflug, wird das Farbsignal nicht mehr gelernt.Bienen lernen zwar sehr schnell, doch ist die Ge­schwindigkeit mit der gelernt wird durchaus nichtfür alle Farben gleich. Die Farbe Violett lernen diemeisten Bienen schon nach einmaligem Besuch

des Futterplatzes mit anschließender Belohnung,wohingegen für den gleichen Lernerfolg bei Blau­grün fünf Anflüge erforderlich sind. Bereits nachwenigen Belohnungen bleibt ein gelerntes Farb­signal wochenlang im Gedächtnis einer Biene ge­speichert. Bienen lernen Farben somit nicht nurschnell sondern auch dauerhaft.Die weitere Untersuchung des Sehvermögens durchFarbdressuren ergab zudem erstaunliche Parallelen zwi­schen der Farbwahrnehmung der Honigbiene und derdes Menschen . Farbkontraste bewirken bei Honigbienenund Menschen ähnliche Illusionen , sodass vergleichbareProzesse der Signalverarbeitung in beiden Sehsystemenvermutet werden können .

10.2 Kategorien vonLernvorgängen

Nach der heutigen Lernterminologie gehört die inKarl von Frischs klassischen Versuchen einge­setzte Dressurmethode zu den operanten Kondi­tionierungen und die untersuchte Lernform zumassoziativen Lernen. Im Gegensatz zu den ein­fachsten, nicht assoziativen Lernformen wie Habi­tuation und Sensitivierung, bei denen die Antwortauf einen wiederholten Reiz entweder vermindertoder gesteigert wird, lernt der Organismus bei denkomplexeren assoziativen Lernformen durch einenKonditionierung genannten Vorgang die Beziehung

Page 3: Lehrbuch der Entomologie || Lernen und Gedächtnis

10.2 Kategorien von Lernvorgängen 275

Zucker ­wasser

Ausgangssituation

. ....• ". t . ".. . ~ ... .. o· • •... t l o.

c.••• f' ..··9, ..Duft > ~[t~

Kondition ierung IVerstärkung I Test

UnkonditionierterReflex Kein Reflex Reizpaarung Belohnung

KonditionierterReflex

Abb. 10-2: Klassische Konditionierung des Rüsselreflexes auf einen Duftreiz. Kommt ein Tropfen Zuckerwasser mit derAntenne in Berührung, streckt die Biene den Saugrüssel heraus (Rüssel reflex). Ein Duftreiz bleibt ohne Wirkung. Bei derKonditionierung werden Zuckerwasser und Duft gepaart, und anschließend darfdas TIer zur Belohnung Zuckerwasser saugen. DieBiene zeigt daraufhin allein aufden Duft einen Rüsselreflex. Sie hatgelernt, den Duft- mit dem Zuckerwasserreiz zu assoziieren.

zwischen Ereignissen (Reizen, eigenen Aktivitäten)in der Umwelt. Zwei experimentelle Methodendominieren die Analyse des assoziativen Lernens:die "operante" und die "klassische Konditionie­rung" . Die operante Konditionierung führt zur As­soziation einer von vielen spontanen Verhaltens­weisen mit seiner Konsequenz (Strafe, Beloh­nung), die durch eine spezifische Reizsituation si­gnalisiert wird . Dabei muss das Tier nach demPrinzip "Versuch und Irrtum" herausfinden, wel­che Verhaltensreaktion erfolgreich ist. Die Me­thode der operanten Konditionierung wurde vonEdward Thorndyke (1898) eingeführt und ist be­sonders durch die von dem amerikanischen Psy­chologen B. F. Skinner entwickelte "Box" bekanntgeworden. In einem typischen Beispiel lernt eineRatte in der "Skinner-Box", bei Autleuchten einesLichts eine Taste zu drücken, woraufhin als Beloh­nung etwas Futter freigegeben wird.

Die klassische Konditionierung geht auf Experi­mente zurück, die der Physiologe Iwan Pawlow inder Mitte der zwanziger Jahre auf der Basis einesSpeicheltlussretlexes an Hunden durchführte.Während bei der operanten Konditionierung einebestimmte Verhaltensaktion mit einem Reiz asso­ziiert wird, erfolgt bei der klassischen Konditionie­rung eine Assoziation zwischen zwei Sinnesreizen,wobei . das Verhalten im Prinzip unverändertbleibt. Abb. 10-2 illustriert die Grundzüge des Ab­laufs einer klassischen Konditionierung am Beispieleiner Honigbiene. Ausgangspunkt ist hier ein Rüs­selreflex: Kommen Geschmacksrezeptoren derAntenne mit Zuckerwasser in Berührung, so wirdder Saugrüssel in Erwartung einer Futterquelle

herausgestreckt. In der Natur ist dieses Verhaltenz. 8. dann zu beobachten, wenn die Biene mitvorgestreckten Antennen auf der Suche nach Nek­tar in eine Blüte eindringt. Eine weitere Gelegen­heit zur Beobachtung bieten durchnässte Bienen,wie man sie hin und wieder nach überraschendenRegenschauern finden kann. Sie lassen sich miteinem in Honig getauchten Zahnstocher wiederaufpäppeln, wobei man den Rüsselretlex und dasimposante Saugverhalten verfolgen kann. In derLernterminologie wird ein derartiger Reflex alsunkonditioniert (unbedingt) bezeichnet, das Zu­ckerwasser als unkonditionierter Reiz. Bietet derExperimentator der Biene einen Duft an, so er­folgt kein Rüsselretlex, man spricht von einemneutralen Reiz. Bei der Konditionierung wird nunwährend eines neutralen Duftreizes durch Gabevon Zuckerwasser der Retlex ausgelöst, d. h. beideReize werden miteinander gepaart. Wird das Tieranschließend durch eine kurzzeitige Fütterung be­lohnt, so lernt es schnell, das Duftsignal mit derBedeutung "Futter" zu assoziieren. Nach erfolg­reicher Konditionierung bewirkt nun die alleinigePräsentation des Dufts ein retlexartiges Ausstre­cken des Rüssels. Diese Verhaltensantwort wird alskonditionierter Reflex, der Duft als konditionierterReiz bezeichnet. Die Anzahl der Konditionierun­gen, die für einen Lernerfolg nötig sind, geben einMaß für die Lernfähigkeit des Versuchstieres.

Inzwischen ist es auch bei diversen Mottengelungen, derartige Konditionierungen durchzu­führen und somit tieferen Einblick in deren Erken­nung und Unterscheidung von Düften zu gewin­nen .

Page 4: Lehrbuch der Entomologie || Lernen und Gedächtnis

276 10 lernen und Gedächtnis

10.3 Duftlernen beiHonigbienen

Im Laufe ihres Lebens verrichten Arbeitsbienenaltersabhängig alle zur Erhaltung des Volkes nöti­gen Tätigkeiten. Als Stockbienen (Jungbienen) be­ginnen sie mit Innenarbeiten (Putzen, Brutpflege,Wabenbau), gefolgt von einer Phase als Wäch­terinnen am Flugloch, um schließlich bis zu ihremLebensende als Sammlerinnen tätig zu sein. Inner­halb dieser Lebensabschnitte scheint auch dasLernvermögen unterschiedlich ausgeprägt zu sein.Erst.wenn die Jungbienen ein Alter von 6-7 Tagenerreicht haben, gelingt die olfaktorische Kondi­tionierung des Rüsselreflexes . Diese Zeitspanne~ässt sich experimentell auf drei Tage verkürzen,mdem man die frisch geschlüpften Bienen mitJuvenilhormon behandelt. In Abb. 10-4 wurde derRüsselreflex von Sammel- und Wächterbienen ein­unddesselben Volkes auf zwei Düfte konditioniert.Zunächst fällt auf, dass der mäßig attraktive DuftOrangenblüte im Vergleich zur Abb. 10-3 jetzt vonden Sammlerinnen viel besser gelernt wird .Gründe könnten im Zeitpunkt des Versuches lie­gen: Er erfolgte im Sommer während einer mehr­tägigen, kühlen Regenperiode, die die Sammeltä­tigkeit der Bienen erheblich beeinträchtigt hatte.Die Motivation, profitable Nahrungsquellen zufinden , war somit außerordentlich hoch. Auch dieWächterbienen können auf den Orangenduft kon­ditioniert werden. Sie erreichen ein den Samm­lerinnen vergleichbares Lernniveau jedoch erstnach fünf Konditionierungen. Der zweite Testduftist Isoarnylacetat, eine wirksame Komponente ei­nes Pheromons, das beim Abwehrverhalten derBiene freigesetzt wird und Stockgenossinnen alar­miert. Erstaunlicherweise vermögen Sammlerin­nen selbst diese Substanz im Rüsselreflextest nochmit "Futter" zu assoziieren und lernen sie soschnell wie Wächterinnen den Orangenduft(Abb. 10-4). Hingegen war keine der Wächterin ­nen auf dieses Alarmpheromon zu konditionierenwodurch die Abwehrbereitschaft der Fluglochwa~chen gesichert bleibt. Die Bedeutung des Phero­mons während der Duftdressur wurde offenbar jenach Prädisposition der Bienen unterschiedlichinterpretiert.

dieser Versuchsreihe erweisen sich die Futtersignale Anisund Bittermandel gegenüber einem Orangenblütenduftals attraktiver. Jegliche Blütendüfte werden in ihrer At­traktivität noch von einem .Königinnenduft" übertrof­fen (ortho -Acetoaminophenon, eine Substanz aus denAusscheidungen der Königin), der von nahezu allen Bie­nen gelernt wird und die hohe Bedeutung der Königin imBienenstaat unterstreicht.

61 2 3 4 5

Anzahl der Konditionierungen

----....- .---'

)1.//)V

//I _ Königinnenduft-O-Anis

)f _ Bittermandel-0- Orangenblüle

oo

20

100

~ 80

~CD 60

~c:: 40

~

Untersucht man mit klassischen Konditionierun­gen des Rüsselreflexes das Duftlernen der Ho­nigbienen detaillierter, so lässt sich die Vielfalt desPhänomens " Lernen" charakterisieren. Bereitsnach nur einer einzigen Konditionierung hat dieMehrzahl der Bienen einen attraktiven Duft (z. B.einen Blütenduft) gelernt (vgl. Abb. 10-3). Aller­dings gibt es, wie unter uns Menschen, auch beiden Bienen gute und schlechte Lerner. So weisenBienen verschiedener Rassen durchaus unter­schiedliche Lerndispositionen auf, die genetischvorprogrammiert sind . Zusätzlich beeinflussenphysiologische Zustände sowie Umweltfaktorendie Lernleistung einer Biene. Bienen, deren Ho­nigmagen bereits gefüllt ist, sind schwerer zu kon­ditionieren. Ähnliches gilt für Bienen , die ausge­flogen sind, Wasser zur Kühlung der Waben zuholen , wenn man sie an der Wasserstelle abfangtund in ein Lernexperiment verbringt. Natürlich istauch die Qualität des Futters von Bedeutung undwird von den Bienen bewertet. In Zeiten, in denendie Natur ein reichhaltiges, hochwertiges Nah­rungsangebot bereithält (z. B. während der Lin­denbl üte), sind Dressurexperimente selbst mithoch konzentrierten Zuckerwasserbelohnungenschwierig , wohingegen in Mangelzeiten auch Fut­tergefäße mit relativ dünnen Zuckerlösungen gernangeflogen werden.

Wie Farben in den Freiflugdressuren werden auch ver­schiedene Düfte im Rüsselreflexversuch durchaus nichtgleich gut gelernt. In Abb. 10-3 wurden Sammlerinneneines Volkes im späten Frühjahr getestet, zu einer Zeit,wo die Natur reichhaltig Bienennahrung anbiete t. In

Abb. 10-3: Lernkurven von Sammelbienen für Düfte(Rüsselreflexkonditionierung). Die lernrate beschreibt die~ro~entzahl der B!enen einer Testgruppe, die erfolgreich kondi ­noruert worden sind. Bei allen Testdüften haben die meistenBienen, b.ereits nach einer Konditionierung gelernt; weitereKon?I,t'?nlerungen bewirken nur noch geringe Steigerungen undstabilisieren den lernerfolg auf hohem Niveau. Der "Königin­nenduft" wird gegenüber allen Blütendüften besser gelernt.

Page 5: Lehrbuch der Entomologie || Lernen und Gedächtnis

10.4 Physiologie und zelluläre Grundlagen 277

-0 Pheromon W 0

100

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C1l«i

50 I...cQ; 25....J

0

Abb. 10-4: Vergleich des Duftlern­vermögens von Stockbienen undSammelbienen eines Volkes. Wäch­terinnen (W) lernen den Blütenduft(Orange) schlechter als 5ammlerinnen(5). Während die 5ammlerinnen sogareinen Bestandteil des Alarmpheromons(Isoamylacetat) noch mit Zuckerwasser(Futter) assoziieren können, gelingt esnicht, auch nur eine der Wächterinnenaufdiesen Duft zu konditionieren.

10.4 Physiologie undzelluläre Grundlagen

Das Rüsselreflexpräparat ist für die Lernfor­schung in zweierlei Hinsicht herausragend: Zumeinen haben die meisten Bienen bereits nach einerKonditionierung gelernt, sodass die Analyse derDynamik, des Zeitverlaufes von Lern- und Ge­dächtnisvorgängen ermöglicht wird. Zum anderenlernen die Tiere selbst dann noch, wenn sie inRöhrchen so festgehalten werden , dass neurophy­siologische Methoden zur Untersuchung desLernverhaltens eingesetzt werden können. Da­durch ist es möglich geworden, wesentliche Teileder neuronalen Schaltkreise des Duftlernens imBienengehirn zu lokalisieren: Zunächst werdenbeim Auslösen des Rüsselreflexes Zuckerrezepto­ren auf der Antenne erregt, deren Signale schließ­lich bis in das Unterschlundganglion gelangen, wodie Motoneuronen lokalisiert sind, die den Rüsselbewegen. Die Duftinformation läuft von den Re­zeptoren der Antenne in die Antennalloben ein,und wird dann über Interneuronen der Antenne­Cerebral-Trakte in die Pilzkörper und das lateraleProtocerebrum geleitet (vgl. 8.5.2.1). Die nötigeVerbindung vom Zucker- zum Duftreiz stellen of­fenbar Neuronen im Unterschlundganglion her,die auf Zuckerwasserreize antworten und ebenfallsin den Antennalloben, dem lateralen Protocere­brum und den Kelchen der Pilzkörper verzweigen.Wird im Experiment ein Dressurduft mit einerelektrischen Erregung dieser Neuronen gepaart, solernen die Bienen diesen Duft, obwohl kein Zu­ckerreiz präsentiert wurde und auch kein Rüsselre­flex erfolgte. Darüber hinaus wurde ein extrinsi­sches Pilzkörperneuron identifiziert, dessen Ak­tivität durch Duftkonditionierung des Rüsselre­flexes spezifisch verändert wird . Diese zellulärenAnalysen weisen übereinstimmend daraufhin, dass

die Pilzkörper nicht nur ein Ort der Verarbeitungolfaktorischer Information, sondern auch amDuftlernen beteiligt sind. Dieser Befund wirddurch Versuche an Taufliegen gestützt, bei denendie Ausschaltung der Pilzkörper zum Verlust desassoziativen Duftlernens führt.

Mit dem Ende eines Lernakts sind die Vor­gänge im Nervensystem keineswegs abgeschlossen.Jetzt erfolgt die Einspeicherung des Gelernten, dieAusbildung des Gedächtnisses, das bei allen Lebe­wesen mindestens eine kurzlebige, instabile (Kurz­zeitgedächtnis) und eine langlebige, stabile Form(Langzeitgedächtnis) aufweist. Dabei ist das Kurz­zeitgedächtnis durch Eingriffe wie Elektroschocks,Kühlung oder Betäubung löschbar, wie man esauch bei der retrograden Amnesie menschlicherUnfallopfer beobachten kann. Auch bei mithilfedes Rüsselreflexes duftkonditionierten Bienen lässtsich das Gedächtnis durch gezielte Kühlung imBereich der Antennalloben und Pilzkörper unter­drücken, allerdings nur innerhalb von wenigenMinuten nach dem Lernakt. Danach ist das Ge­dächtnis stabilisiert und nicht mehr zu manipu­lieren.

Die elementaren zellulären Grundlagen von Ler­nen und Gedächtnis liegen in der Veränderung derEffektivität synaptischer Verbindungen innerhalbder neuronalen Schaltkreise. In den meisten Fällenwird die Aktivität molekularer Kaskaden, die dieausgeschüttete Transmittermenge kontrollieren,durch kurzfristige Modifikation beteiligter Pro­teine verändert. Bei Langzeiteffekten kann esdurch spezifische Genaktivierung nicht nur zurSynthese neuer, effektiverer Proteine, sondernauch zur Veränderung der Gesamtzahl synapti­scher Kontakte kommen.

Page 6: Lehrbuch der Entomologie || Lernen und Gedächtnis

278 10 Lernen und Gedächtnis

10.5 Neurogenetik

Abb. 10-5: Abnahme des Duft-Gedächtnisses normaler(Wildtyp) und mutierter Taufliegen (Drosophila) , die klas­sisch konditioniert wurden. Die Raten beider Lernmutantenbeginnen auf erheblich vermindertem Niveau und fallen anfäng­lich steiler ab. Bereits nach 7 Stunden hat die dunce-Mutanteden Lerninhalt komplett vergessen. (Nach Tully 1987)

Auch Taufliegen bewältigen eine Reihe von Auf­gaben, die assoziatives Lernen voraussetzen.Durch den Einsatz molekularbiologischer und ge­netischer Methoden bieten sich bei Drosophila ein­zigartige Einblicke in basale Mechanismen desLernens. Eine Standardmethode bedient sich einesFluchtreßexes, mit dem Farbsignale oder auchDüfte klassisch konditioniert werden können. Eintypisches Beispiel für Duftlernen: Eine Gruppevon hundert Individuen befindet sich in einer Ver­suchskammer, deren Boden elektrifiziert werdenkann . Kurze Elektroschocks lösen reflexartig dasFluchtverhalten aus (unkonditionierter Reflex).Während einer Trainingsphase wird abwechselndein Duftreiz zusammen mit einem Elektroschockoder ein zweiter Duft ohne Strafe präsentiert.Nachdem die Tiere in ein T-förmiges Rohr ver­bracht wurden, erfolgt der Test, in dem die Tierezwischen beiden Düften wählen können. Nacherfolgreicher Konditionierung haben die meistenFliegen gelernt, den mit der Strafe gepaarten Duftzu meiden. Durch Variation des Zeitfensters zwi­schen Training und Test, lässt sich feststellen, wielange der Lernerfolg anhält bzw. wie schnell dasGedächtnis abnimmt.

Das Versuchstier Drosophila, dessen kompletteDNA-Sequenz bekannt ist, bietet unter Anwen­dung derartiger Versuche die Chance, die Neu­rogenetik des Lernens zu untersuchen. Die beizellulären Analysen des Lernens bisher identifi­zierten Proteine sind genetisch codiert. Besäßen sieeine lernspezifische Funktion, sollte sich Lernendurch Mutation entsprechender Gene beeinflussenlassen. Tatsächlich ist es gelungen, aus der Viel­zahl erzeugter Drosophila-Mutanten Stämme zuisolieren, die Lerndefizite aufweisen (Abb. 10-5).Diese Tiere mit reduziertem Duftlernvermögen

10.6 Orientierungsverhaltenim Flug

Ein besonders raffiniertes, assoziatives Lernpräpa­rat basiert auf operanter Konditionierung undbedient sich des Orientierungsverhalten von Dro­sophila im Flug. Eine dorsal an einem dünnenDraht befestigte Fliege wird in eine zylindrischeArena verbracht, die die visuelle Umwelt darstellt .Versucht das fliegende Tier eine Drehung zu voll­führen, so werden die auf den Draht ausgeübtenDrehmomente gemessen und daraus die Bildver­schiebung berechnet, die im Freiflug aus dem glei­chen Manöver resultieren würde. Durch einenMotor wird das visuelle Panorama dann um denentsprechenden Winkel gedreht, sodass die Fliegeden Eindruck gewinnt, sie könnte ihre Orientie­rung wie im Freiflug kontrollieren. Zusätzlichkann die Fliege durch einen Hitzereiz auf dasAbdomen bestraft werden, wenn sie Flugrichtun­gen relativ zu einem bestimmten Muster der Arenaeinschlägt und wird so schnell dazu gebracht, einegewünschte Richtung einzuhalten (Abb. 10-6).Man kann das Tier aber auch genauso gut daraufkonditionieren, ein bestimmtes Drehmoment zuproduzieren, um eine Strafe zu vermeiden.

Auch ohne Anwendung des Strafreizes liefertdieser Flugsimulator bereits erstaunliche Erkennt­nisse über Lernvermögen und visuelles Verhaltenvon Taufliegen: Weist die Arena als Muster alleineinen vertikalen, schwarzen Streifen auf, so ver­sucht das Tier diesen Streifen anzufliegen, bzw. imfrontalen Sehfeld zu halten. Dreht der Experi­mentator die Trommel mit dem Streifen z. B. nachrechts, erzeugt das Tier ein Drehmoment in diegleiche Richtung, um den Streifen wieder zurückin die Ausgangsposition zu bringen. In einem Fol­geexperiment wurde dann das Vorzeichen derRichtungskopplung zwischen Drehmoment und

haben Defekte, die den Metabolismus biochemi­scher Signalketten (second messenger-Kaskaden)im Bereich neuronaler KontaktsteIlen (Synapsen)beeinträchtigen . Interessanterweise wird sowohldas dunce als auch das rutabaga-Gen bevorzugt inNeuronen der Pilzkörper exprimiert - ein weitererHinweis auf die Verbindung zwischen diesemHirnbereich und dem Duftlernen. Andere Lern­mutanten weisen strukturelle Defekte in Hirnberei­chen wie den Pilzkörpern auf. Durch Isolationdieser "Lerngene" bei Fliegen, bietet sich dieMöglichkeit, für das Lernen wichtige biochemi­sche Substanzen und Mechanismen zu identifizie­ren, die auch in anderen Tierstämmen für Lern­und Gedächtnisprozesse zuständig sein könnten .

82 4 6Zeit nach dem Training [h)

~ I-WildtyP ~~rutabaga

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Page 7: Lehrbuch der Entomologie || Lernen und Gedächtnis

10.6 Orientierungsverhalten im Flug 279

__~~!9!:Jsteuerung

Abb. 10-6: Operante Konditionie­rung von Drosophila im Flugsimu­lator (Drehmomentkompensator). Dasvon der gehalterten Fliege erzeugteDrehmoment wird gemessen und diedaraus im Freiflug resultierende Bildver­schiebung im Rechner kalkuliert. Durcheinen Motor wird dieArena dann in dieerrechnete Position gedreht. Das Tiergewinnt dadurch den Eindruck, wie imFreiflug mit seinen Steuermanövern diePosition im Raum kontrollieren zu kön­nen. Im dargestellten Konditionierungs­experiment öffnet sich der Verschluss ei­ner Hitzereizapparatur, sobald sich einesder vier Muster im frontalen Quadran­ten des Sehfeldes der Fliege befindet.Durch diesen Strafreiz lernt das Tier einDrehmoment zu produzieren und damiteinen Kurs einzuschlagen, der diese Si­tuation vermeidet. Die Kriterien der vonder Fliege zu erfüllenden Bedingungenunterliegen der Willkür der Experimen­tatoren. (Nach Wolf und Heisenberg1991)

ElektrischerVerschluss -

Arena mit4 Mustern

Versch luss-/ -- -steüe;Ung--

,/// Dreh-, moment-

messung

oRechner

Musterbewegung umgekehrt . Versuchte die Fliegenun, wie üblich, durch ein gleichgerichtetes Dreh­moment das Muster zu stabilisieren, so ent­schwand es noch weiter aus dem Sehfeld. DurchAusprobieren lernten die Tiere innerhalb wenigerMinuten ein Drehmoment in die Gegenrichtungzu produzieren, womit es ihnen wieder gelang, denStreifen im frontalen Sehfeld zu fixieren.

Insekten können somit selbst basale, reflexar­tige Verhaltensweisen durch Lernen verändernund darüberhinaus bewältigt ihr Lernvermögensogar Aufgaben, die unter natürlichen Bedingun­gen gar nicht auftreten. In Übereinstimmung mitVersuchen an Wanderheuschrecken zeigt sich, dassdie Aktivität des genetisch vorprogrammierten,neuronalen Netzwerkes zur Flugsteuerung nichtnur durch Sinnesinformation an die aktuellen Er­fordernisse angepasst wird, sondern in hohemMaße auch durch gelernte Erfahrungen. Dadurchwird es den Tieren möglich, auf unvorhersehbareEreignisse, wie die Beschädigung eines Flügels,flexibel zu reagieren und ein optimales Flugver­halten für die neue Situation zu entwickeln.

Für Insekten wie für uns Menschen gilt, dassLernen unverzichtbar für das Überleben in derUmwelt ist. Wie die Lernforschung zeigt, ist dasLernvermögen der Insekten gut entwickelt undvielfältig. Die Ergebnisse weisen sogar daraufhin,dass Lernen und Gedächtnis von Invertebraten bishin zu den Säugetieren mit ähnlichen, basalen

Mechanismen arbeitet. Da Insekten neurobiologi­schen Analysen leichter zugänglich sind, besitzensie vor allem für die Erforschung der Physiologiedieser Lernvorgänge einen gesteigerten Stellen­wert. Trotz der Unterschiedlichkeit des Nerven­systems von Mensch und Insekt laufen auf zellu­lärer Ebene offenbar vergleichbare Prozesse ab.Die spezifischen Lernfähigkeiten des Menschenscheinen somit nicht an besonderen Mechanismenseiner Nervenzellen zu liegen, sondern sind eherAusdruck unterschiedlich komplexer neuronalerNetzwerke.

Literatur

Dudai, Y. (1989): The neurobiology of memory. OxfordUniversity Press

Forel, A. (1910): Das Sinnesleben der Insekten . ErnstReinhardt, München

v. Frisch, K. (1914/15): Der Farbensinn und Formensinnder Bienen. Zoo\. Jb. (Physio\.) 35: 1-188

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