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LEIBNIZ: EIN AKTUELLER PHILOSOPH Werner Eisner Die Beiträge in diesem Band sollen das Arbeitsspektrum von Leibniz in seiner vollen Breite abdecken, von den Geisteswissenschaften über die Jurisprudenz, die Politik und die Sozialwissenschaften bis hin zu Mathematik, Logik und Technik. Im Folgenden soll in der Einführung, Kommentierung und z.T. auch Erweiterung der hier abgedruckten Vorträge zum einen deutlich werden, was für ein universaler Kopf Leibniz war, in wie vielen Facetten der damaligen Wissenschaften er sich bestens auskannte. Zum anderen möchte ich aber auch zeigen, dass uns der große Universalwissenschaftler nicht nur aus historischen Gründen angeht, sondern uns auch heute noch viel zu sagen hat, mithin ein aktueller Philosoph ist. 1. BIOGRAPHISCHES (HIRSCH), HISTORISCHES (HAUPTMEYER) Der bekannte Leibniz-Biograph Eike Christian Hirsch hat die Vorlesungsreihe mit Bemerkungen zur Biographie Leibniz’ eröffnet. 1 Es zeigt sich uns ein umtriebiges Universalgenie, das in zahlreichen wissenschaftlichen und diplomatisch-politischen Feldern zuhause war, ein Intellektueller, der eine der umfangreichsten und auch qua- litativ interessantesten Korrespondenzen mit fast allen damals bekannten Wissen- schaftlern geführt hat, ein wissenschaftlicher Organisator, der nach englischem und französischem Vorbild die „Societät der Wissenschaften“ (die spätere preußische Akademie der Wissenschaften) gegründet hat. Auf der anderen Seite begegnet uns ein einsamer Mensch, ohne Familie und enge Freunde, ein Workaholic, der zuletzt auch von seinem Dienstherrn (dem englischen König) ins Abseits geschoben und ohne Beteiligung des Hofes und ohne Anerkennung in Hannover beigesetzt wurde. Wie man sich diesen schon auf den ersten Blick widersprüchlichen Menschen vorzustellen hat, geht aus einer Selbstbeschreibung hervor, die er etwa im Alter von dreißig Jahren verfasst hat: Er ist hagerer, mittlerer Statur, hat ein blasses Gesicht, sehr oft kalte Hände, Füße, wie die Fin- ger seiner Hände nach Verhältnis der übrigen Teile seines Körpers zu lang und zu dünn sind, und keine Anlage zu Schweiß. Seine Stimme ist schwach und mehr fein und hell als stark, auch ist sie biegsam, aber nicht mannigfaltig genug. […] Er hatte von Kindheit an kein scharfes Gesicht […] Sein Hang zur Gesellschaft ist schwächer als derjenige, welcher ihn zum ein- samen Nachdenken und zur Lectüre treibt. Befindet er sich aber in Gesellschaft, so weiß er sie ziemlich angenehm zu unterhalten, findet aber seine Rechnung mehr bei scherzhaften und hei- teren Gesprächen als bei Spiel oder Zeitvertreiben, welche mit körperlicher Bewegung verbun- den sind. Er gerät zwar leicht in Hitze, sein Zorn ist aufbrausend, geht aber schnell vorüber. Man wird ihn nie weder ausschweifend fröhlich, noch traurig sehen. Schmerz und Freude emp- 1 Vgl. auch Hirsch (2000).

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Werner Eisner

Die. Beiträge. in. diesem. Band. sollen. das.arbeitsspektrum. von. leibniz. in. seiner.vollenBreiteabdecken,vondenGeisteswissenschaftenüberdieJurisprudenz,diePolitikunddieSozialwissenschaftenbishinzuMathematik,LogikundTechnik.ImFolgendensollinderEinführung,Kommentierungundz.T.auchErweiterungderhierabgedrucktenVorträgezumeinendeutlichwerden,wasfüreinuniversalerKopfLeibnizwar, inwie vielenFacetten der damaligenWissenschaften er sichbestens.auskannte..Zum.anderen.möchte.ich.aber.auch.zeigen,.dass.uns.der.große.UniversalwissenschaftlernichtnuraushistorischenGründenangeht,sondernunsauch.heute.noch.viel.zu.sagen.hat,.mithin.ein.aktueller.Philosoph.ist.

1..BIoGRaPhISChES.(hIRSCh),.hIStoRISChES.(haUPtMEyER)

Der.bekannte.leibniz-Biograph.Eike.Christian.hirsch.hat.die.Vorlesungsreihe.mit.Bemerkungen.zur.Biographie.leibniz’.eröffnet.1.Es.zeigt.sich.uns.ein.umtriebiges.Universalgenie,dasinzahlreichenwissenschaftlichenunddiplomatisch-politischenFeldernzuhausewar,einIntellektueller,dereinederumfangreichstenundauchqua-litativ. interessantesten.Korrespondenzen.mit. fast.allen.damals.bekannten.Wissen-schaftlerngeführthat,einwissenschaftlicherOrganisator,dernachenglischemundfranzösischem. Vorbild. die. „Societät. der. Wissenschaften“. (die. spätere. preußische.akademie.der.Wissenschaften).gegründet.hat..auf.der.anderen.Seite.begegnet.uns.ein.einsamer.Mensch,.ohne.Familie.und.enge.Freunde,.ein.Workaholic,.der.zuletzt.auch.von. seinem.Dienstherrn. (dem.englischen.König). ins.abseits.geschoben.und.ohneBeteiligungdesHofesundohneAnerkennunginHannoverbeigesetztwurde.

WiemansichdiesenschonaufdenerstenBlickwidersprüchlichenMenschenvorzustellenhat,gehtauseinerSelbstbeschreibunghervor,dieeretwaimAltervondreißigJahrenverfassthat:

Eristhagerer,mittlererStatur,hateinblassesGesicht,sehroftkalteHände,Füße,wiedieFin-ger.seiner.hände.nach.Verhältnis.der.übrigen.teile.seines.Körpers.zu.lang.und.zu.dünn.sind,.undkeineAnlagezuSchweiß.SeineStimmeistschwachundmehrfeinundhellalsstark,auchist. sie.biegsam,.aber.nicht.mannigfaltig.genug.. […].Er.hatte.von.Kindheit. an.kein. scharfes.Gesicht […]SeinHang zurGesellschaft ist schwächer als derjenige,welcher ihn zumein-samenNachdenkenundzurLectüretreibt.BefindetersichaberinGesellschaft,soweißersieziemlichangenehmzuunterhalten,findetaberseineRechnungmehrbeischerzhaftenundhei-terenGesprächenalsbeiSpieloderZeitvertreiben,welchemitkörperlicherBewegungverbun-densind.ErgerätzwarleichtinHitze,seinZornistaufbrausend,gehtaberschnellvorüber.Manwirdihnniewederausschweifendfröhlich,nochtraurigsehen.SchmerzundFreudeemp-

1. .Vgl..auch.hirsch.(2000)..

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findeternurmäßig.DasLachenveränderthäufigerseineMiene,alsesseineinnerenTheileerschüttert“.(Finster./.v.d..heuvel.2005,.S..20).

Man.kann.sich.vorstellen,.dass.ihn.diese.Eigenschaften.nicht.unbedingt.zum.diplo-matischenDienstqualifizierten,wosicheinDenkermitEckenundKantenbeidenhohen.adligen.herrschaften.nicht.gerade.beliebt.machte..Exemplarisch.möchte.ich.hiereinediplomatischeMissionerwähnen,diezeigt,wieweitreichendundweit-denkendLeibnizschoninjungenJahrenauchaufdiesemGebietwirkte,obgleichdieMissionerfolgloswar:

Es.handelt.sich.um.das.so.genannte.„Consilium.aegypticum“,.ein.Plan,.den.Leibniz imDienste desKurfürsten vonMainz entwickelt hatte, umFrankreichsExpansionsdrangvonEuropaweghinzuÄgyptenzulenken.Napoleonhatspäterdiesen.Plan.gelobt,.er.hatte.selbst.ein.ähnliches.Projekt.verfolgt.und.nach.der.Be-setzung.hannovers.1803.von.den.Vorstellungen.des.Gelehrten.erfahren.2.Bemer-kenswertandiesenÜberlegungensindz.B.dieVorteile,dieLeibnizeinemmariti-menKanalzwischendemMittelmeerunddemRotenMeerzuschrieb,demspäterenSuez-Kanal. (napoleon.Bonaparte.hatte.auch.hier.ähnliche.Vorstellungen,.er. ließ.sogar. den. Ingenieur. lepère. 1798. Vermessungen. durchführen).. Bezeichnend. ist.aberauch,dassausdemgenialenPlannichtswurde,LudwigXIV.ließsichnichtdaraufein,LeibnizwurdenichteinmaldieGelegenheitgegeben,ihmdenPlanzuerläutern.(vgl..hirsch.2000,.S..19.ff).

WieesumdieRollederWissenschaftinjenerZeitbestelltwar,lässtsichan-hand. einer. anderen. Geschichte. um. leibniz. gut. demonstrieren.. Bekanntermaßen.wurdeLeibnizdurchseinenenglischenKollegenIsaacNewtonineinenunerfreu-lichenPrioritätsstreitverwickelt, der ineinemPlagiatsvorwurfgegenüberLeibnizgipfelte,dieserhättedurchSchriftenNewtonsdieentscheidendenInformationenfürdieEntwicklungderInfinitesimalrechnungerhaltenunddiesesdannalseigeneEnt-wicklung ausgegeben. Eine „unabhängige“Kommission derRoyal  Society  hat. in.diesemSinnegegenLeibniz entschieden.ErstMitte des 20. Jahrhunderts konntezweifelsfreigeklärtwerden–wieauchHerbertBregerinseinemBeitraghervorhebt–,dassLeibnizvölligunschuldigwarundhiereinedergarnichtsoseltenenwissen-schaftlichenParallelentwicklungenstattgefundenhat.3.nun.zur.eigentlichen.Pointe:.Dem.arbeitgeber.unseres.Philosophen,.dem.nach.london.übergesiedelten.Kurfürs-tenGeorgLudwig (nun durchErbfolge der englischeKönigGeorg I.)war es zuohren.gekommen,.dass.sein.in.hannover.zurück.gebliebener.angestellter.des.Plagi-atsbeschuldigtwordenwar.ObwohlderKönigLeibniznichtgeradewohlgesonnenwar(ersollteinHannoverdieWelfengeschichtezuEndebringenunddurftenichtmitnachLondonübersiedeln),bestellteernundochNewtonzusich,umgenauereAufklärung zu erlangen.Anstatt aber nun dieVorwürfe zuwiederholen bzw. zubegründen,spielteNewtondieSacheherunter,esgingelediglichumdiePrioritätderEntdeckungunderwärenuneinmaldererstegewesen,Leibniz’eigenständige

2 DassNapoleonnachLeibniz’Plänenverfahrenwar,wiebisweilenzulesenist,gehörtaller-dings.ins.Reich.der.legenden.

3. 1949.konnteJosephEhrenfriedHofmanndiegegenLeibnizvorgebrachtenargumente.detail-liertwiderlegen,vgl.Hofmann(1949).

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LeistungbeiderEntwicklungderDifferential-undIntegralrechnungspracherihmnichtab.NatürlichwardasHeuchelei,denndaLeibnizvonsichausgarnichtdiePrioritätNewtonsbei derEntwicklungangezweifelt hatte, hätte sichderStreit inNichts aufgelöst.GanzoffensichtlichwarNewtondasRisikozuhoch,gegenüberseinemKönig(deralsnichtgeradeauskömmlichgalt)unbewieseneBehauptungenin.die.Welt.zu.stellen,.ohne.diese.hinreichend.belegen.zu.können..trotzdem.ging.die.DiffamierungskampagnegegenLeibnizweiterundEnglandhatsichdadurchüberJahrehinausvomkontinentalenmathematischenFortschrittabgekoppelt.

noch.ein.Wort.zum.historiker.leibniz..leibniz.hat.ja.jahrelang.an.der.Welfen-geschichte. gearbeitet. und. dies. durchaus. zum. nutzen. seines. landesherrn,. dem. er.historischeArgumentationenfürdenAnspruchaufdieKurwürdeandieHandgab.aber.Carl-hans.hauptmeyer.hebt.in.seinem.text.in.diesem.Band.hervor,.dass.leib-nizzwardiepraktischeAnwendunggeschichtswissenschaftlicherErgebnisseviel-fachrealisierte,dasseraberkeineswegsGeschichtealsLegitimationswissenschaftmissbrauchte,sondernimGegenteilquellenkritischeReflexionundObjektivitätinsZentrum.seiner.historischen.Forschungen.stellte..Er.kann.daher.mit.Fug.und.Recht.alseinVorläufer,jagenialerAntizipatorderwissenschaftlichenIdealedesHistoris-musim19.Jahrhundertgelten,dereineRevolutionimSinneeinesParadigmenwech-sels in derGeschichtswissenschaft darstellte.4 Bei Leibniz finden sich in diesemKontext.z..t..auch.schon.ganz.modern.anmutende.sozial-.und.kulturhistorische.Skiz-zen,etwaüberdiemittelalterlicheAgrarverfassungoderdenUrsprungdesRitter-tums.FolgendeEinschätzungfürdieGeschichtswissenschaftdes19.Jahrhundertsgilt–cum grano salis –schonfürvieleArbeitendeshannoverschenGelehrten:

„DieGeisteswissenschaften…wurdenim19.JahrhundertdurchdieErkenntnisvonGeschicht-lichkeit,oderallgemeiner:vonderErkenntnisderBeeinflussungdereigenenSichtdurchdiejeweiligehistorischeundkulturelleSituierungumgekrempelt.DasbedeuteteinsbesonderedieEinsicht,dassdieVergangenheitvielfachvielverschiedenervonderGegenwartunddamitvielfremderwaralsbislangangenommen,unddasandereKulturenganzanderswarenalsdieei-gene,.ohne.aber.einfach.in.ihrem.niveau.tiefer.zu.stehen..[…].Und.die.bisherigen.historiogra-phischen.Bemühungen.mussten.sich.sagen.lassen,.dass.sie.präsentistisch,.also.geprägt.von.der.jeweiligenGegenwart waren, so dass sie der Eigenart ihres historischenGegenstandes garnichtgerechtwerdenkonnten“(Hoyningen-Huene2001,S.2).

2..thEoloGISChES.(SChMIDt-BIGGEMann),PhIloSoPhISChES.(BUSChE)

ZuLebzeitenvonLeibnizistwenigveröffentlichtworden,eineAusnahmebildetdie.„theodizee“5,.eine.Schrift.zur.Rechtfertigung.Gottes,.die.der.Philosoph.aus.den.Gesprächen.mit.der.hannoverschen.Prinzessin.Sophie.Charlotte,.die.nach.Berlin.geheiratet hatteund späterpreußischeKönigingewordenwar, entwickelt hatte.6.

4. Vgl..Babin.und.van.den.heuvel.(2004).� TheodizeeisteinvonLeibnizausdemgriechischengeprägtesKunstwort,austheos.„Gott“.und.

dike.„Gerechtigkeit“..vgl..leibniz:.Theodizee.� DieAtmosphärederGesprächezwischenSophieCharlotteundLeibnizwirdsehrschöneinge-

fangen.in.dem.Roman.von.Renate.Feyl.(2006).

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Hierfindetsichu.a.dieThese,dassdiebestehendeWeltdievollkommenstesei,daGott.bei. ihrer.Erschaffung.einen.zureichenden.Grund.gehabt.haben.muss,.genau.dieseMöglichkeitzuwählen,unddasmusstenachLagederDingedersein,diebeste.Welt.zu.schaffen..Im.hintergrund.dieser.auffassung.steht.also.ein.Rationalis-mus,.Gott.erscheint.als.Inkarnation.des.Vernünftigen,.Willkür.ist.ihm.fremd..Wie.Wilhelm.Schmidt-Biggemann.in.seinem.Beitrag.deutlich.macht,. ist.dies. für.eine.rationaleTheologieoptimal,es ist jedochzweifelhaft,obdamitdasChristentummitseinerDogmatikvernunftgemäßinterpretiertwerdenkann.DassLeibniznichtzudenDogmatikernzählt,sonderneintoleranterGeistwieseinBewundererLes-sing war, zeigt sich auch darin, dass er erheblicheAnstrengungen zur Reunion(Wiedervereinigung.der.christlichen.Kirchen).unternahm.

Der.aufklärer.Voltaire.allerdings.fühlte.sich.durch.diesen. ihm.ganz.fremden.optimismus. der. theodizee. (den. er. als. Euphemismus. empfand). genötigt,. einen.Spottroman.zu.verfassen,.um.leibniz’.auffassung.lächerlich.zu.machen:.Candide.oderderGlaubeandiebestederWelten.AmEndedesRomanswirdderHeldCan-dide. von. Professor. Pangloß,7. einem. Vertreter. der. leibnizschen.auffassung. der.„besten.aller.Welten“,.über.den.Sinn.der.Dinge.aufgeklärt:.

„AlleBegebenheitenindieserbestenallermöglichenWeltensteheninnotwendigerVerkettungmit.einander,.denn:wärenSienichtwegenFräuleinKunigundens.schöner.augen.mit.derben.FußtrittenausdemschönstenallerSchlössergejagt,wärenSienichtvonderInquisitioneinge-kerkertworden,hättenSienichtAmerika zuFußedurchwandert,demFreiherrnnichteinentüchtigen.Stoß.mit.dem.Degen.versetzt,.nicht.alle.ihre.lama‘s.aus.dem.guten.lande.Eldorado eingebüßt, sowürden Sie hier jetzt nicht eingemachte Zitronenschale und Pistazien essen“(Voltaire:.Candide,.S..175).

Was.Voltaire.hier.verspottet,.ist.in.der.tat.ein.zentrales.Element.der.leibnizschen.argumentation:.die.Vernetzung.der.Welt,.die.den.negativen.Erscheinungen,.die.uns.isoliert. ausschließlich. als. schlecht. erscheinen,. einen. positiven. Sinn. zukommen.lässt.LeibnizunterschiedetdreiSortendesÜbels:1)DasmetaphysischeÜbel;esresultiert ausder notwendigenUnvollkommenheit derGeschöpfeGottes; 2) dasphysischeÜbel,dasistdasLeidmitseinerFunktionalsStrafeoderAbschreckung;schließlich3)dasmoralischeÜbel,esfolgtausderFreiheitdesMenschen,sittlichoder.unsittlich.zu.entscheiden.(der.Mensch.ist.der.beste.aller.Menschen,.keine.Ma-schine,.auch.das.Böse.muss.zu.seinen.optionen.zählen)..

WennwirvondemtheologischenRahmenabsehen8,.bleibt.von.diesen.ausfüh-rungen.jenseits.eines.naiven.optimismus.und.Euphemismus.der.holistische.aspekt.der.Vernetzung.(man.könnte.auch.sagen:.der.Systemgedanke).und.der.aspekt.der.verborgenen.Sinnhaftigkeit..Den.letzteren.Punkt.hat.C..F..von.Weizsäcker.vorsich-tig.anvisiert:

7. Von.griechisch:.pan.„alles,.umfassend“.und.glossa„Zunge,Sprache“,alsoetwa„Allesspre-cher“.

8. Immanuel.Kant.hat.leibniz’.theodizee,.die.gleichsam.Gott.als.die.Inkarnation.der.Rationalität.siehtunddeswegenauchrationalbetrachtenkann,alseineÜberforderungdesWissenschaftli-chenkritisiert.SelbstbestimmungundnotwendigesHandelnnachdemWillenGotteskönnenwirnichtzusammendenken;vgl.Kant(1791).

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„DieErkenntnisverändertdenMenschen.SelbstdiekleinenÜbeldesAlltags tragenwir jaleichter,wennwirihreNotwendigkeiteinsehen[…]AndieStelledesreinTatsächlichenundinseineTatsächlichkeitunverständlichenÜbelstritteingrößererZusammenhang,eineNotwen-digkeit,einSinn.ÄhnlicheserlebtwohlderPhilosophimSinnevonLeibniz,wennerdieWeltimGanzenbetrachtet.NichtmehrdieMassedeseinzelnentatsächlichenÜbelsistderGegen-standseinesBewusstseins,sondernderSinndesGanzen“(Weizsäcker1999,S.142).9

EswäreübrigenseinMissverständniszuglauben,derhierzutagetretendeSystem-gedankewürdedieAuffassungimplizieren,dieWeltseinichtmehrverbesserungs-fähig(wiediesjaVoltairetat),vorallemwirdnämlichmitderRedevonderbestenaller.Welten. ausgedrückt,. dass. diese.Welt. das. Potential. zur.Vollkommenheit. hat.(perfectio.durch.perfectibilitas).

EbensowiedieTheodizee.mit.ihrer.Rede.von.der.besten.aller.Welten.ist.auch.dieMonadologie,dasKernstückderLeibnizschenPhilosophiesehrgewöhnungs-bedürftig.. Monaden. sind. für. leibniz. die. eigentlichen.atome. des. Daseins,. aller-dingssindsienichtmateriell, sondernsoetwaswie immateriellegeistigeKraft-zentren,diebeidenMenschenauchmitdemBegriff„Seele“ausgedrücktwerden.Sie.sind.nicht.gleich,.sondern.autonome.individuelle.Substanzen,.die.ohne.ausdeh-nungsind–und„fensterlos“(Leibniz),ohnemiteinanderwechselzuwirken.DieseSeelenatomehabenihrEntwicklungsprinzipinsichselbst,das,waswiralsäußer-licheWechselwirkungwahrnehmen,istnichtsalseinevonAnfangan(vonGott)vorgenommene. Feinabstimmung. der. Monaden,. die. leibniz. auch. „prästabilierte.Harmonie“nennt.EsistähnlichwieineinemTheaterstück,dieauftretendenDia-logewurdenvonvornhereinvomRegisseurfestgelegt.

Besonders die Fensterlosigkeit derMonaden ist angesichts derEntwicklungderNaturwissenschaften,besondersderPhysik,nurschwerzuschlucken,auchdasVerhältnisderMonadenzurMaterie,daskeineWirkmechanismenkennt,wirftFra-gen auf. Ohne auf die verwickelten philosophie- und ideengeschichtlichen Ein-flüssedieserZeiteinzugehen(wieesHubertusBuscheinseinemBeitragindiesemBand.mit.einer.interessanten.Interpretation.über.„die.theorie.der.allesbeseelenden.Lichtmaterie namens „Äther“ tut), muss aber berücksichtigt werden, dass zwarleibniz.den.Dualismus.Descartes’.(res cogitans –res extensa)überwindenwollte,abernachwievordessendamalsallgemeingeteiltemGrundsatzanhing,dasssichMaterieundGeistgegenseitignichtbeeinflussen.Darüberhinausistfestzuhalten,dass der Individualismus hier nicht so extrem ist, wie es zunächst auszusehenscheint.DenndieMonaden sind in einBeziehungsgeflecht eingewoben,dasdieganzeWeltumfasst.DieseEigenschaftwirdvonLeibniztreffendmitderMetapherdes „Spiegels“ ausgedrückt (wobei gleichzeitig klarwird, dass die körperlichenDingedurchausinWechselwirkungzueinanderstehen):

„UnddawegenderErfülltheitderWeltallesverknüpftistundjederKörperaufjedenanderenKörperjenachEntfernungmehroderwenigerstarkeinwirktundvonihmdurchGegenwir-kungbetroffenwirkt,sofolgtdaraus,dassjedeMonadeeinlebendigerSpiegelodermitinnerer

9. Von.Weizsäcker.betont.auch,.dass.der.Gedankengang.der.theodizee.eine.analogie.zu.den.Ex-tremalprinzipienderPhysikdarstellt(einBeispielwäredasFermatschePrinzipdeskürzestenLichtwegs,wonach dieStrecke vomAnfangs- zumEndpunkt von einemLichtstrahl in derkürzestenmöglichenZeitzurückgelegtwird).

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haltung.ausgestattet.ist,.dass.sie.das.Weltall.gemäß.ihrem.Gesichtspunkt.darstellt.und.ebenso.geregeltistwiedasAllselbst“(Leibniz19��,S.417).

Die.aktualität.dieses.ansatzes.liegt.neben.diesem.holistischen.Vernetzungsaspekt.auchimEntwicklungsgedanken,denndieEntwicklungsdynamikjederMonadeistin. ihr. selbst. angelegt..Wenn. also. auch. der. allumfassende. theologisch. unterlegte.RationalismusbeiLeibnizheutesichernichtmehrübernommenwerdenkann,sosind.doch. in.diesem. imposanten.Gedankengebäude.Prinzipien.eingebaut,.die. für.uns.heute.zentral.sind.

ImÜbrigenistauchfestzuhalten,dassunseremoderneVorstellungelementarerteilchen.sich.erheblich.von.dem.früheren.atomismus,.von.dem.sich.leibniz.ab-hebt, unterscheidet. Die heutigeQuantentheorie kennt etwa die Eigenschaft der„Verschränkung“(einAusdruckdesPhysikersErwinSchrödinger)vonTeilchen,eineinnereVerbundenheitohnephysikalischeWechselwirkung,dieschoneinwe-nig.an.leibniz’.Vorstellungen.erinnert.10

LeibnizDenkweisewird sehr deutlich, wennman seineAuseinandersetzungmiteinemderHauptvertreterdesEmpirismusbetrachtet,mitJohnLocke.InseinemWerk.Neue Abhandlungen über den menschlichen Verstand. ist.leibniz.detailliert.auf.dessen.Schrift.An Essay Concerning Human Understanding.eingegangen.(mit.gleicher.Gliederung)..Wie.Marcel.Weber.im.Einzelnen.herausgearbeitet.hat,.bedient.sichLeibnizbeiseinerAuseinandersetzunghäufigBegriffendeseigenenSystems,die.locke.aber.nicht.teilen.konnte.11Erwirktdannalsonichtsehrüberzeugend(dasbetrifft etwadieGebiete„DenkvermögenderMaterie“und„unbewusstementaleVorgänge“)..auf.dem.Feld.„eingeborene.Ideen“.argumentiert.leibniz.aber.plausibel..hier.geht.es.um.lockes.these,.es.gäbe.keine.eingeborenen.Ideen,.der.Verstand.sei.bei.Geburt.eine.tabula rasa,.Ideen,.Gedanken,.Wahrheiten.sind.einzig.und.allein.auf.die Sinneswahrnehmungen zurückzuführen. Leibniz Hauptkritik besteht in derFrage,wiederVerstanddennzunotwendigenWahrheitenkäme,wieetwazugeo-metrischenLehrsätzen.DasichNotwendigkeitnicht sinnlicherfahren lässt,mussderVerstandselbstdienotwendigenWahrheitenhervorbringen.DieSinnespieleninsofern.bei.der.Entdeckung.dieser.Wahrheiten.eine.Rolle,.als.sie.den.Geist.darauf.aufmerksammachen und auch einenAuswahlprozess beeinflussen. Der Verstandselbst.ist.dafür.nicht.ausreichend..Weber.fasst.das.Vorgehen.von.leibniz.zusammen:

„DieseganzeIdeeeinesZusammenwirkensvonVerstandundSinnenbeiderEntdeckungnot-wendigerWahrheitenbedientsichaberoffenkundigdergewöhnlichen,kausal-interaktionisti-schenRedeweise,gemässderesEinwirkungenderSinneaufdieSeelegibt.Wiebereitser-wähntistdieseigentlichinLeibnizensneuemSystemgarnichtmöglich;dieSeelenmonadenentwickelnsichganznachMaßgabeihrereigenenGesetzeohneirgendwelcheEinwirkungenvonaußen.WaswiralsSinneseindrückewahrnehmensindinWahrheitgewisse(verworrene)Perzeptionen,.die.die.Seele.aus.sich.selbst.hervorbringt,.die.aber.durch.die.prästabilierte.har-monie.mit.Ereignissen,.die.außerhalb.der.Seelenmonade.liegen.koordiniert.sind..leibniz.er-reichthieralsozweierlei:ErstensgibtereinArgumentgegenLockes„tabularasa“-Thesean,dasvonseinemneuenSystemkeinenGebrauchmacht.ZweitenslöstLeibnizabergleichzeitigden.Scheinauf,dassgewisseabstrakteBegriffeunterEinwirkungderSinnegebildetwerden.Für.die.Widerlegung.der.lockeschen.these.ist.nur.das.erste.dieser.beiden.argumente.relevant,.

10. Vgl..dazu:.Zeilinger.(2003).11. Vgl..Weber.(2005).

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undes istwichtig,dassLeibnizhierkeinePrämissenausseinemneuenSystemverwendet.Dennwürdeerdiestun,sowürdedieKritikanLockeaufeinbloßesBehauptenseineseigenenSystemshinauslaufen.DerStandpunktwechselistalsoeinnotwendigerBestandteilvonLeib-nizensArgumentation,undnichtetwaeinbloßrhetorischerZug…“(Weber200�,S.207f.).

3.JURISTISCHES(SCHNEIDER),POLITISCHES(WERnStEDt),.SoZIalES.(KnoBloCh)

leibniz.hat.in.verschiedenen.gesellschaftlichen.Feldern.hervorragendes.geleistet,.wasandieserStellenurangedeutetwerdenkann.SohatHans-PeterSchneiderinseinem.in.diesem.Band.abgedruckten.Vortrag.leibniz’.innovative.Vorstöße.für.das.Rechtswesenerläutert.SeinezahlreichenArbeitenbetrafendieStaatstheorieebensowiepraktischeFallstudien,schließlichwarerauchalsRichterundRechtsgutachtertätig. Sein Zielwar eine aufVernunftprinzipien begründeteRechtswissenschaft,also.auch.hier.das.Primat.der.Rationalität.

SeinepolitischenAktivitätensindähnlichausgerichtet.Erwirkte–wieRolfWernstedtinseinemBeitragherausgearbeitethat–alsPolitikberater,derallerdingshäufigmit seinengut durchdachtenVorschlägen (vonderMedizinbis zurWirt-schaftsgeographie)insLeerelief,warerdochaufdasWohlwollenseinesArbeitge-bersoderandererWürdenträgerangewiesen.Erhatdabeiwohldie Irrationalitätseiner. politischen.adressaten. und. überhaupt. des. politischen. Feldes. unterschätzt.(auchheutepassiertdiesBeraternmitvernünftigenVorschlägenoft),wahrschein-lichauchdieInteressenlagenhäufigfalscheingeschätzt,schließlichwarenFürstenundEntscheidungsträgerdurchausnichtaufdasGemeinwohlverpflichtet,dasfürleibniz.eine.so.große.Rolle.spielte.

DiesegesellschaftlicheVerantwortungdrücktesichauchinseinenweiterfüh-rendenArbeitenzumVersicherungswesenaus,wieEberhardKnoblochinseinemVortrag. gezeigt. hat.. Bei. leibniz’. interessanten. und. innovativen. Maßnahmen. für.dasVersicherungswesenistwenigerüberraschend,dassdergenialeMathematiker,der sich auchmit angewandterMathematik auskannte, die z.T. zuUngerechtig-keiten. führenden.und. falschen.Methoden.zur.Zins-.und.Rentenberechung.durch-schauteundzuverbessernwusste.Sehrungewöhnlichaberwar füreinenhohenBeamtenseinwirklichesInteresseamWohldesVolkes,amGemeinwohl.Davonzeugt.sein.1678.gemachter.Vorschlag.zur.Schaffung.von.assekurations-Kassen.ge-genalleZufälledesLebens.ÄhnlichforderterineinerDenkschriftvon1�80dieEinrichtung. von. Versicherungsanstalten. in. Deutschland. nach. dem. Vorbild. der.hamburger.Feuerkasse.

4..MathEMatISChES.(BREGER),.loGISChES(SChloBInSKI),.tEChnISChES.(StEIn)

LeibnizwarmitNewtonderBegründer der Infinitesimalrechnung–unddaswarmathematisch.sicher.seine.hauptleistung,.denn.hier.hat.er.eine.neue.Forschungsrich-tungbegründet,diefürdieWeiterentwicklungderMathematik(aberauchzahlreicher

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16 leibniz:.Ein.aktueller.Philosoph

AnwendungenetwainderPhysik)konstitutivwar.HerbertBregerberichtetinseinemBeitrag. in.diesem.Band.über.die.Schritte.und.Irrtümer.dieser.großen.Entdeckung..Weniger.bekannt.ist,.dass.leibniz.auch.gleichsam.der.Pate.der.modernen.logik.und.Mathematikdes20.JahrhundertswarundvonMathematikern,LogikernundPhilo-sophenwieBertrandRussell,KurtGödelundHermannWeylaußerordentlichge-schätztwurde.Siebekannten,vieleAnregungendurchLeibnizerhaltenzuhaben.

NehmenwiralsBeispielKurtGödel.Leibnizhatteversucht,sprachlicheAus-drückeinAlgorithmenumzuwandeln,umsieberechenbarzumachen.Dabeiginger,wie Peter Schlobinski in seinemBeitrag zeigt, vonBegriffsbäumen aus, dieKonkretionvonBegriffenwirddurchdieMultiplikationmitPrimzahlenerreicht.WahristeineAussagedann,wennihrezahlenmäßigeEntsprechungohneRestteil-bar. ist. (teilbarkeitskriterium).. Diese.theorie. der. „charakteristischen. Zahlen“. ist.nurinAnsätzenentwickeltworden,hataberdengroßenVorteil,logischeSchluss-folgerungen. und. verschiedene.abstraktionsebenen. gleichermaßen. durch. Zahlen-werte(überPrimzahlzerlegung)ausdrückenzukönnen.

DieserGedankengangnunliegtauchdemberühmtenGödelschenBeweiszu-grunde,mit demGödel die notwendigeUnvollständigkeit formalerSystemege-zeigthat:EsgibtinjedemformalenSystem(einesgewissenUmfangs)Sätze,diezwarwahrsind,derenWahrheitabernichtmitdenMittelndesSystemsbewiesenwerdenkann.12.Gödel.betrachtete.einen.Satz.„Der Satz mit der Nummer x ist nicht ableitbar“undkonntezeigen,dassdieserSatz–zahlenmäßigcodiert–fürxeinge-setztwerdenkann.Wennerwahrist,isteralsonichtableitbar,damitistdasSystemunvollständig..Wenn.er.falsch.ist,. ist.er.aber.ableitbar,.d..h..das.System.generiert.einenfalschenSatz.Ergo:DasSystemistentwederunvollständigoderfalsch.Derentscheidende. Punkt. bei. diesem.ansatz. ist. die. Formalisierung. der. sprachlichen.aussagen.verschiedener.Ebenen.in.einem.Formalsystem..Wenn.dies.durch.Zahlen.geschieht,. spricht. man. auch. von. „Gödelisierung“.. Dabei. kann. man. Buchstaben.normalenZahlenzuordnen(a=1,b=2etc.)DieseZahlenwerdenjetztalsPotenzenderfortlaufendenPrimzahlen2,3,�,7etc.verwendet(sohatetwadasbanvierterStelle.den.Wert.72.)DieeinzelnenPotenzwertewerdenmultipliziert,undmaner-hältdie„Gödelnummer“,AufdieseWeisekönnenauchlangwierigeTextinformati-onen, ja auchausführlicheBeweiseund logischeSchlussfolgerungendurcheineeinzigeZahlausgedrücktwerden(ebensowiedenBuchstabenkannnatürlichauchlogischenSymboleneinZahlenwertzugeordnetwerden).MansiehthierklardenEinflussderLeibnizschenÜberlegungenzur„Universalsprache“.

DieaufLeibnizaufbauendeGödelscheFormalisierungzeigtübrigensweitrei-chendeÄhnlichkeitenmitspäterenProgrammiersprachenwieLisp.Wennmanbe-denkt, dass derLeibniz-BewundererGödelmit demKonstrukteur programmier-barer Computer John vonNeumann befreundet war (beide haben lange Zeit inPrinceton gearbeitet), sind indirekte Einflüsse der LeibnizschenGedankengängeaufdieEntwicklungmodernerComputernichtauszuschließen,jedenfallsgiltLeib-niz.zu.Recht.aufgrund.seiner.Pionierarbeiten.im.logischen.Bereich.als.ein.Vorläufer.

12 Vgl.:Gödel(1931)GödelhatmitdiesemBeweisauchLeibniz’Ziel,eineSprachezuentwik-keln,inderWahrheitberechenbarwird,denBodenentzogen.

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der.heutigen.Informatiker.13.Dies.gilt.allerdings.nur.eingeschränkt. für.einen.ver-wandtenBereich,nämlichdieheutigeKI-Forschung(KünstlicheIntelligenz).Zu-nächstkönntemanallerdingsmeinen,LeibnizseiwegenseinerVisionderUniver-salsprache,.die.die.Berechenbarkeit.von.Problemen.und.Streitpunkten.erlaubt,.ge-radezu.ein.prädestinierter.früher.Protagonist.dieser.Forschungsrichtung.

Umdieszurelativieren,schauenwirunszunächsteinenderprominentestenKri-tikerderKI-Forschungan:JohnSearle.DieserhatsicheindannberühmtgewordenesBeispielausgedacht,umdieMöglichkeitvondenkendenComputernzuwiderlegen:das.chinesische.Zimmer.14.In.dem.Zimmer.sitzt.ein.Mensch,.der.des.Chinesischen.nichtmächtigist,vonaußenwirdihmdurcheinenSpalteinZettelhineingereicht,voll.von.chinesischen.Schriftzeichen.(z..B..Fragen)..Mit.hilfe.eines.umfangreichen.RegelwerksordnetdiesePersongewissenZeichenaufdemZettelandereausseinenZuordnungstabellenzuundschreibtdieseauf(dazubrauchterwederChinesischzukönnen,nochmusserüberhauptwissen,dassdieZeichenchinesischeSprachzeichensind)..Den.neuen.Zettel.gibt.er.durch.den.Spalt.nach.draußen..Da.z..B..den.chine-sischen Fragen jetzt sinnvolleAntworten folgen (die der Bewohner des Zimmersdurch die Zuordnungen des Regelwerks erzeugt hat), ist ein draußen befindlicherMensch.der.ansicht,.im.Zimmer.befände.sich.eine.des.Chinesischen.kundige.Per-son..Searles.Pointe:.Da.der.Computer.ebenfalls.nichts.als.mechanische.Zuordnungen.produziert,kannhierniemalssoetwaswieBewusstseinoderVerständniserzeugtwerden,dieaberkonstitutivfürmenschlicheIntelligenzsind.15Kritisiertwirdhierder„Turing-Test“,dereinerMaschineIntelligenzeinräumt,wennsiebeieinerschrift-lichen.Kommunikation.nicht.von.einem.Menschen.zu.unterscheiden.sei.16

Es. ist. hochinteressant,. dass. sich.die.Struktur.dieser.argumentation.auch.bei.Leibnizwiederfindenlässt,undzwarinseinemberühmten„Mühlengleichnis“ausder.Monadologie:

„Manmußübrigenszugestehen,dassdiePerzeptionundwasvonihrabhängtdurchmecha-nischeGründe,d.h.durchFigurenundBewegungen,unerklärbarist.Angenommen,esgäbeeine.Maschine,.deren.Struktur.zu.denken,.zu.fühlen.und.Perzeptionen.zu.haben.erlaubte,.so.könnte. man. sich. diese. derart. proportional. vergrößert. vorstellen,. dass. man. in. sie. eintreten.könntewieineineMühle.Diesvorausgesetzt,würdeman,indemmansievoninnenbesichtigt,nurTeilefinden,diesichgegenseitigstoßen,undniemalsetwas,daseinePerzeptionerklärenkönnte..also.muß.man.danach. in.der.einfachen.Substanz.und.nicht. im.Zusammengesetzten.oder.in.einer.Maschine.suchen..Es.gibt.zudem.überhaupt.nur.Perzeptionen.und.deren.Verände-

13 DasallerdingswenigerwegenderErfindungdesDual-Systems,fürdaserzunächst–außermetaphysischenAnalogien–wenigVerwendunghatte.Wäreesihmallerdingsgelungen,seineauf.dem.Dual-System.basierende.Rechenmaschine.zu.bauen.(das.Projekt.scheiterte.an.der.da-mals.unzureichenden.technik),.hätte.sich.das.vielleicht.auch.noch.geändert..

14. Vgl..Searle.(1980).15 DiesesBeispielhateinebisheuteanhaltendeumfangreicheKontroverseausgelöst.Derschwer-

wiegendsteEinwandstelltm.E.dieExistenzdesRegelwerksinFrage,indergleichsamdiegesamte.Intelligenz.der.Prozedur.enthalten.ist..Die.grundsätzliche.Kritik.Searles.am.reduktio-nistischen.Programm.tangiert.das.freilich.nicht.

16 EineironischeKritikdieserAnsichtstammtvonJosephWeizenbaum,derAnfangder19�0erJahreein simpelgestricktesProgrammvorführte,daseinenTherapeutenderRogers-Schulesimulierte.ManchePsychologenwolltensoetwasunbedingtfürihrePraxishaben.

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rungen.in.einer.einfachen.Substanz..Und.daraus.allein.können.die.inneren.tätigkeiten.der.ein-fachen.Substanzen.bestehen.“.(leibniz,.Monadologie:.§17,.S..19).

Dasisteineanti-reduktionistischeArgumentation,dieÄhnlichkeitmitderSearlesaufweist.UnterPerzeptionverstehtLeibnizdeninnerenZustandderMonade,diesinnlicheVorstellungoderEmpfindung(dasüberdenZustandnachdenkendeBe-wusstsein ist dann dieApperzeption). Der Kern derArgumentation gleicht derSearles:.Die.denkende.Maschine.lässt.sich.durch.die.reine.Mechanik.in.ihrem.Inne-rennichterklären,dawirhiernurqualitativandereStossvorgängefinden,ausde-nenniemalssoetwaswieEmpfindung,Wahrnehmung,Bewusstsein,Denkener-klärtwerdenkann.

InseinerRede„ÜberdieGrenzendesNaturerkennens“(1872)hatteübrigensderberühmteMedizinerEmilDuBois-ReymondunterausdrücklichemHinweisaufdasLeibnizscheMühlengleichnisebenfallsdieReduktiondesBewusstseinsaufme-chanische.Vorgänge.abgelehnt.und.u..a..damit.den.berühmten.„Ignorabimusstreit“.ausgelöst.17

LeibnizwarimÜbrigenbeileibekeinpraxisfernerGelehrterimElfenbeinturm,wiemanvielleichtdenkenkönnte,wennmanseineimmensentheoretischenLeis-tungenbestaunt.VieleseinerAktivitätensindnämlich–nachdemMottotheoria cum praxi(angewandteTheorie)–praktischerNatur,erhatinzahlreichengesell-schaftlichen.und.technischen.Feldern.Verbesserungsvorschläge.gemacht.und.man-ches.auch.zu.realisieren.versucht.(hydraulische.Pressen,.Uhren,.chemische.Experi-mentemit Phosphor etc.).Viel Zeit hat er imHarzerBergbau verbracht,wo erWindmühlenzumAntriebvonPumpenzurEntwässerungbauenließ.DiesesPro-jektscheiterteanvielenDingen,aneinigenkonzeptionellenSchwächen,antech-nischenUmsetzungsschwierigkeitenundanderBlockadederansässigenFachleute.Amweitesten hat er eswohlmit seinenRechenmaschinen gebracht,wieErwinSteininseinemBeitragindiesemBanddetailliertschildert,diezwarzuLebzeitennieganzrichtigfunktionierthaben,dieFeinmechanikwardamalsnurunzureichendentwickelt,heutelaufendieNachbautenabereinwandfrei.

5..lEIBnIZ.alS.PhySIKER

Leibnizhat–waswenigbekanntistundauchindenfolgendenBeiträgenindiesemBandnichtangesprochenwird–auchentscheidendeImpulsefürdieEntwicklungderPhysikgegeben(vonderInfinitesimalrechnungeinmalganzabgesehen).Erhatmit.den.anhängern.Descartes’.um.den.richtigen.Begriff.der.physikalischen.Größe.„Kraft“gestritten.DiesewarenderMeinung,dasMaßderKraft,daseinbewegterKörper.beim.aufprall.auf.einen.anderen.ausübt,.sei.durch.das.Produkt.aus.Masse.undGeschwindigkeit (mv)gegeben,währendLeibniz–ausgehendvomGalilei-

17. Vgl..Du.Bois-Reymond.(1912a,.1912b)..Du.Bois-Reymond.hatte.die.thesen.aufgestellt,.dass.sichdasWesenvonMaterieundKraftunddasmenschlicheBewusstseineinervollständigenwissenschaftlichenErklärungentzögen.DieAuseinandersetzungumdieseBehauptungisterstkürzlich in einem Sammelband wieder aufgegriffen worden, vgl. Bayertz, Gerhard undJaeschke(2007).

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19Werner.Eisner

schenFallgesetz–vonderGrößemv2ausging.InbeidenPositionenwirdderEr-haltungssatz. (Konstanz.der.Summe.aller.Kräfte).angenommen.. In.einem.Gedan-kenexperiment. konnte. leibniz. zeigen,. dass. der. Erhaltungssatz. nach. der.Descartes’schenRechnungbeimfreienFallnichtgeltenwürde(seineFormelaberdieGleichheitvontoterundlebendigerKraftoder–wiewirheutesagen–potenti-eller.und.kinetischer.Energie.erfüllt)..Erst.der.große.Mathematiker.und.aufklärer.d’alembert.hat.1743.diesen.Streit,.der.nicht.ohne.gegenseitige.Missverständnisse.vondenAnhängernDescartes’undLeibniz’ ausgefochtenwurde,beendet.Nachd’alembert,.der.bei.seiner.analyse.eher.von.dem.durch.empirische.Daten.gestütz-tenStandpunktvonLeibnizausgegangenwar,erweistsichdieGrößemv2.als.Maß.fürdieEntfernung,dieeingeradlinigbewegterKörperdurchdiehemmendeKraftnoch.zurück.legen.kann,.also.als.dessen.kinetische.Energie.18.Von.der.Größe.mv.dagegen.(dem.heutigen.Impuls).ist.die.Zeit.abhängig,.bis.er.zur.Ruhe.kommt.19.

DieswarnichtnureinereinphysikalischeKontroverse.Leibnizsah,dassDes-cartes’Kraftbegriff eine Folge seines Substanzbegriffswar, der lediglich in derAusdehnung bestand,während bei ihm dieKraft etwas denKörpern Inhärentesdarstellt.

NichtganzzuUnrecht,aberauchnichtganzrichtigwirdLeibnizbisweilenzumVorläufer.von.albert.Einstein.stilisiert,.da.er.ebenfalls.die.Relativität.von.Raum.und.Zeitbehauptethabe.DieseEinschätzungbeziehtsichaufeinenBriefwechsel,denLeibnizwenigeJahrevorseinemTodmitSamuelClarkeführte,einemVertrautenNewtons(vgl.Schüller,1998).DieKorrespondenzwardurchVermittlungvonKron-prinzessinCarolinezustandegekommen,dieauchdieBriefeweiterleitete.

IndemBriefwechselgingesz.B.umdieFrage,obGott,nachdemerdieWeltgeschaffenhatte,nunnocherneutinsieeingreife,wieNewtonangesichtseinigerProblemederAnwendungseinerGravitationstheorieannahm.NachdemsichindernachfolgendenZeitdieNaturwissenschaftenimmermehrvonderTheologieeman-zipierten,.hat.leibniz.hier.sicher.auf.lange.Sicht.Recht.behalten.

Ein.zentraler.Streitpunkt.behandelt. eben.den.Charakter.von.Raum.und.Zeit..HierwarNewton–undClarkeverteidigtdieseZuschreibung–vonderAbsolutheitvon. Raum. und. Zeit. ausgegangen.. leibniz. hingegen. argumentiert. (in. heutigem.Sinn)fastpositivistisch,wennerschreibt:

„Hieraufantworteich,dieBewegungistzwarunabhängigvonihrerBeobachtung,abernichtvonihrerBeobachtbarkeit.EineBewegunggibtesnurdort,woeseinebeobachtbareVerände-rung.gibt..Wenn.es.keine.beobachtbare.Veränderung.gibt,.so.gibt.es.überhaupt.keine.Verände-rung.[…]Ichsagekeineswegs,daßdieMaterieundderRaumeinunddieselbeSachesind;ichsagelediglich,daßeskeinerleiRaumgibt,woeskeinerleiMateriegibt;unddaßderRaumfürsich.selbst.durchaus.keine.absolute.Wirklichkeit.hat..Der.Raum.und.die.Materie.unterscheiden.sichwiedieZeitunddieBewegung.DieseDingesind,wenngleichvoneinanderverschieden,dochnichtvoneinanderzutrennen“(Schüller1998,S.�2;S.�2).

18. leibniz.dachte.in.Proportionen,.deshalb.fehlt.hier.der.Faktor.½.19 D’AlemberterklärtedieÄnderungsratebeschleunigterBewegungenzumrichtigenKraftmaß,

durch. Integration.über.den.Weg.ergibt. sich.das.leibnizsche.Kraftmaß. (kinetische.Energie),.durch. Integration. über. die. Zeit. das. Cartesische. Kraftmaß. (Impuls).Vgl.. hierzu:. Stammel.(1982).

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Diese.moderne.argumentation.ähnelt.in.der.tat.der.Einsteins,.der.ja.zunächst.eben-fallsdavonausgegangenwar,waswirklichbeobachtetwird.FürLeibnizsindRaumundZeitrelationaleOrdnungsprinzipien,aberkeineontologischenEntitäten(wiebei Newton). Das begründet Leibniz aber auch theologisch (Schwierigkeit denStellenwertdesRaumesinBezugaufdieUnendlichkeitdesSchöpfersanzugeben).ZudemwirdbeiihmderBegriffderGleichzeitigkeitnichtproblematisiert(andersbei.Einstein)..Für.Einstein.hat.der.Raum.natürlich.auch.nicht.nur.eine.gedankliche.ordnungsfunktion,.sondern.reale.physikalische.Eigenschaften.

LetztlichistLeibnizmitseinerArgumentationnichtdurchgedrungen,weilihmder.empirische.hintergrund,.den.Einstein.später.durch.aufgekommene.anomalien.in.Bezug.auf.den.Charakter.des.lichtes.besaß,.nicht.zur.Verfügung.stand.20.hinzu.kommt,dassNewtonmitseinemberühmtenEimerexperimentdenabsolutenRaumals. Bezugssystem. der. Zentrifugalkräfte. (als. Beschleunigungskräfte). plausibel.machte,wasLeibniznichtwiderlegenkonnte.21

Zusammenfassend.kann.man.auch.für.die.physikalischen.Forschungen.konsta-tieren,dassbeiLeibnizimmerwiedermoderne,weiterführendeAnsätzevorhandensind,denenabergewissermaßenderBoden fehlt, aufdemsiegedeihenkönnen.DennochhatmanchesaufUmwegendanndochauchspätereProtagonistenbeein-flusst(fürdieRelativitätvonRaumundZeitkanndiesjedochnichtnachgewiesenwerden).SounzusammenhängendseinevielfältigenBeiträgeauchaussehenmö-gen,.organisierendes.Zentrum.seiner.aktivitäten.ist.ein.allumfassender,.theologisch.inspirierter. Rationalismus,. ein. unerschütterliches. Vertrauen. in. die. Vernunft,. der.letztlich.auch.Fürsten.und.Kirchen.sich.beugen.müssen..So.kann.man.leibniz.zu.RechtalseinenFrühaufklärerbezeichnen(dassklassischeAufklärerwieLessingihn.sehr.schätzten,.passt.dazu)..Seit.Kant.sind.uns.aber.die.Grenzen.des.Rationalis-musimmerklarergeworden,sodasseinetheologischfundierteEinheitderVernunftheutekeinZielmehrseinkann.AbereineinheitlicheswissenschaftlichesWeltbild,dasdievonLeibniz sohervorgehobeneVernetzungallerwissenschaftlichenundanderen.lebensbereiche.berücksichtigt,.ist.sicher.ein.akzeptables.Ziel.unserer.Be-strebungen.LeibnizerweistsichalsoalseinaktuellerPhilosoph,vondemwirauchheute.noch.viel.lernen.können.

20 Esgelangim19.Jahrhundertnicht,dasvermuteteTrägermediumdesLichtsalsWelle–denÄther–durchnochsoausgeklügelteExperimentenachzuweisen.ZudembotendieMaxwell-schenGleichungen,diedasLichtalselektromagnetischeWellebeschrieben,keinenHinweisauf.ein.solches.trägermedium.

21. Wenn.man.einen.Eimer.mit.Wasser.rotieren.lässt,.rotiert.das.Wasser.nach.einer.Weile.mit,.stellt.mandenEimernunruhig,rotiertdasWasserweiterundwölbtsichandenRanddesEimers.DiesistnachNewtonderBeweisfürdenabsolutenRaum,dadasWassernurnochdenleerenRaum.als.Bezugspunkt.der.Beschleunigung.haben.kann,.der.Eimer.fällt.ja.jetzt.aus..Ernst.Mach.erklärtespäterdiesesPhänomendurchdenEinflussderübrigenMateriedesUniversumsaufdas.Wasser.(Machsches.Prinzip)..Einstein.hat.dem.Machschen.Prinzip.heuristische.Bedeutung.zugesprochen, auch wenn es in derAllgemeinen Relativitätstheorie nur unter bestimmtenRandbedingungen.gilt.

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21Werner.Eisner

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