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Hans Helmut Kornhuber / Lüder Deecke Wille und Gehirn EDITION SIRIUS ————————————— Bielefeld und Basel 2009 Leseprobe

Leseprobe - EDITION SIRIUS · men, und nach Homer, Hesiod und den sieben Weisen entwi- ckelte sich um 500 v. Chr. in Ionien auf dem Boden undog- matischer Naturverehrung Naturforschung

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Hans Helmut Kornhuber / Lüder Deecke

Wille und Gehirn

EDITION SIRIUS—————————————

Bielefeld und Basel2009

Leseprobe

Umschlaggestaltung unter Verwendung einer Fotografie von Hans Haessig (Basel).

2., überarbeitete Auflage

© EDITION SIRIUS Bielefeld und Basel 2009im AISTHESIS VERLAGPostfach 10 04 27, D-33504 BielefeldBläsiring 136, CH-4057 BaselSatz: Germano Wallmann, www.geisterwort.deDruck: docupoint GmbH, MagdeburgAlle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-89528-628-5www.edition-sirius.dewww.aisthesis.de

Bibliographische Information Der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation inder Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographischeDaten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Haben wir Willensfreiheit? Dies ist eine hochbrisante Fra-ge, die zur Zeit in den verschiedensten Disziplinen von derNeurobiologie über die Psychologie und Philosophie bishin zur Jurisprudenz überaus kontrovers diskutiert wird.

Die international renommierten Neurobiologen Hans H.Kornhuber und Lüder Deecke brachten 1964/65 mit ihrerEntdeckung des Bereitschaftspotentials das Thema Willeüberhaupt erst wieder in die wissenschaftliche Diskussionzurück. Mit diesem Buch legen sie den multidisziplinär fun-dierten Versuch vor, eine neurobiologisch, psychologischund philosophisch-kulturtheoretisch begründete Freiheits-theorie mit einer Willenstheorie der „vernünftigen Selbst-führung“ zu verbinden.

Auf profunder Kenntnisgrundlage ‚transversal‘ argumen-tierend, stellen sie sich dezidiert gegen die den Willens-Dis-kurs der letzten Jahre prägenden reduktionistischen Posi-tionen, die eine völlige Determiniertheit, also Unfreiheit desWillens behaupten.

Der Wille des Menschen, so die Autoren, ist eben keineAutomatik der Hirnphysiologie, sondern entsteht kulturellgeprägt durch Lernen, eigene Initiative und Besinnung aufsich selbst. Im Willen und seiner Wirkung auf das Denkenund Handeln sind Kreativität und Freiheit begründet.

Hans Helmut Kornhuber, Dr. med. Dr. h.c., geb. 1928, istProf. em. für Neurologie der Universität Ulm.

Lüder Deecke, Dr. med. Dr. h.c., geb. 1938, ist Prof. em.für Neurologie der Universität Wien.

Inhalt

Vorwort ............................................................................... 7

Vorwort zur 2. Auflage ..................................................... 9

Wille und Gehirn ............................................................... 10

Zusammenfassung ............................................................ 111

Literatur ............................................................................... 116

Sachregister ......................................................................... 144

Personenregister ................................................................ 154

Vorwort

Der Begriff des Willens und verwandte Begriffe wie Selbst-kontrolle, Intention usw. verschwanden zwischen 1945und 1965 vollständig aus der psychologischen Literatur.Auch die Neurophysiologie untersuchte den Menschen bis1965 als ein passives System: Man gab sensorische Reizeund leitete die dadurch evozierten Hirnpotentiale ab. DieAutoren dieses Buches haben seit 1964 nach Zeichen vonaktivem Willen im Gehirn gesucht, sie fanden das Bereit-schaftspotential und weiter die Frontalhirnaktivität beiLernanstrengung und das Delegieren von Aufgaben anandere Hirnteile. Diese Entdeckungen, die auf großes In-teresse in der Wissenschaft und Philosophie stießen, ga-ben Psychologen wieder Mut, Willen zu untersuchen; dieZahl von Veröffentlichungen darüber stieg wieder an, undam Ende des zwanzigsten Jahrhunderts wiesen Pädagogenund Juristen auf die Bedeutung der Willensbildung für dieErziehung und den Zusammenhalt in der Gesellschafthin, u.a. für die Ausbildungs- und Teamfähigkeit und dieKriminal-Prävention.

In dieser Situation besserer Einsicht meldeten sichjüngst jedoch Stimmen aus der Neurobiologie, die Wil-lensunfähigkeit und Nichtverantwortlichkeit des Men-schen behaupteten, und erstaunlicherweise griffen einigesensationsbedürftige Medien diese Behauptungen auf. Daswar die Herausforderung, dieses Buch zu schreiben; denndiese Stimmen irren, ihre Argumente sind unhaltbar. In derTat brauchen wir nicht weniger, sondern mehr Verantwor-tungsbewusstsein, wenn wir die vor uns liegenden Aufga-ben lösen wollen.

Unsere Entdeckungen waren kein Zufall, wir haben nachKorrelationen des Willens im Gehirn gesucht. Der älterevon uns (HHK) kannte aus Erfahrung in langer Kriegsge-fangenschaft die Bedeutung von Freiheit und Willen; erhatte darüber geschrieben und seit 1961 Vorlesungen ge-

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halten, durch die auch Lüder Deecke (LD) zu dem Themakam. Anders als seine Lehrer Karl Jaspers und Kurt Schneider,die zwar beide an Willensfreiheit glaubten, sie aber, alsKantianer, für unerkennbar hielten, sah HHK, dass dieseFreiheit natürliche Grundlagen hat und man folglich Men-schen helfen kann, freier zu werden – wenigstens hinsicht-lich der Voraussetzungen vernünftiger Willensfähigkeit.Wir helfen z.B. durch Arznei zur Befreiung von Depres-sion und Wahn; wir verhüten wenn nötig Schwachsinn(Cretinismus) durch Schilddrüsenhormon bei Neugebore-nen. Wir vermeiden Schlaganfälle mit Lähmung, Sprachver-lust und Demenz durch Behandlung von Bluthochdruck,und wir fördern die Freiheitsfähigkeit durch Bildung undsittliche Erziehung.

Die experimentellen Grundlagen dieses Buches wurdenvon uns beiden erarbeitet, seit LD 1964 Doktorand beiHHK in Freiburg und später sein Assistent und Oberarzt inUlm wurde, schließlich Professor in Wien. Der Autor desvorliegenden Textes ist HHK.

Wir gedenken bei dieser Gelegenheit mit Dank des gro-ßen Neuropsychologen des Willens, Karl Kleist, der großenPsychopathologen Karl Jaspers und Kurt Schneider, der genialenKybernetiker Erich von Holst und Karl Steinbuch, des kreati-ven Erfinders des Gegentaktverstärkers und Konstrukteursdes EEG-Gerätes, Jan Friedrich Tönnies, des hervorragendenFreiburger Neurologen, Richard Jung, unserer Freunde, dergroßen Neurophysiologen John C. Eccles, Otto Creutzfeldt,Vernon B. Mountcastle, Ainsly Iggo und des Psychotherapeu-ten Viktor E. Frankl sowie unserer Mitarbeiter Peter Scheid,John M. Fredrickson, Peter Potthoff, Hans-Peter Richter, DorisBechinger, Jürgen Aschoff, Bastian Conrad, Wolfgang Becker, Jin-Soo Kim, Bernhard Widder, Claus W. Wallesch, Berta Grözinger,Ottomar Hoehne, Katsuhiko Iwase, Tamio Kamei, Rumyana Kriste-va, Rosl Riebler, Jürgen Kriebel, Anselm, Johannes und MalteKornhuber, Michael und Wilfried Lang, Herbert Schreiber, KlausPeter Westphal, Reinhart Jürgens, Volker Diekmann, Karl A.Renner, Paul Jürgen Hülser, Alexandra von Kirchbach-Henneberg,

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Erich Mauch, Bernhard Kleiser, Frank Uhl sowie Susanne Asen-baum, Christoph Baumgartner, Roland Beisteiner, Jürgen Boschert,Ross Cunnington, Douglas Cheyne, Rong Qing Cui, Walter Endl,Marion Engel, Markus Erdler, Willibald Gerschlager, Georg Gol-denberg, Mary Lee Huckabee, Wolfgang Lalouschek, Gerald Lin-dinger, Dagmar Mayer, Ewald Moser, Bernd Oldenkott, Ivo Podre-ka, Alexandra Rutschmann, Josef Spatt, Arnold Starr, Jiri Vrba,Peter Walla, Hal Weinberg, Gerald Wiest und Christian Win-dischberger.

Ulm und Wien, im Juni 2007

Hans Helmut KornhuberLüder Deecke

Vorwort zur 2. Auflage

Nachdem „Wille und Gehirn“ auf eine erfreulich große Re-sonanz gestoßen ist, legen wir das Buch nun in einer zwei-ten, überarbeiteten Auflage vor, in der neueste internatio-nale Forschungsergebnisse Berücksichtigung finden.

Ulm und Wien, im Juni 2009

Hans Helmut KornhuberLüder Deecke

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Wille und Gehirn

Immer neue Kriege, Atombomben, Völkermord, fast tau-send Milliarden Dollar jährliche Rüstungsausgaben, Seuchenwie Aids, Klimawandel, Vernichtung der Wälder, Korrup-tion, jährlich Millionen verhungerter Kinder, und anderer-seits Kultur, Kunst, Recht, immenses Wissen, Barmherzig-keit, Heilung durch Forschung: Wille ist ein ungeheuresThema. Er vor allem macht, was für Menschen wir sind. DerMenschenwille ist das Schicksal der Erde geworden. Unddoch wurde der Wille sekretiert und wird noch immer klein-geredet. Die menschliche Freiheit ist das größte Problem derPhilosophie, das Zentrum der Freiheit aber ist der Wille:Wenn wir etwa erblinden oder die Sprache verlieren, so kön-nen wir diesen Schlag wenigstens teilweise ausgleichen, solan-ge unser Wille intakt ist. Vor allem aber: ohne Willen keinesittliche Handlung. Wegen der Freiheit verneinen viele denWillen. Das Problem ist aber durch Forschung angehbar.

Wenn man nach Grundlagen von Willen im Gehirnsucht, braucht man einen Begriff, ein Verständnis vonWillen. Verwirrt vom Freudismus hat man heute gewöhn-lich keinen klaren Begriff vom Willen mehr, allenfalls einenfalschen, der mit Trieb, Sturheit, Arroganz oder gar Gewaltassoziiert ist, dies ist ein subhumaner Begriff. Wille ist ver-nünftige Selbstführung des Menschen, ist Denken undVerhalten aus der Persönlichkeit, vor allem ihrem Kern,dem Selbst, und aus verantwortlicher Verbindung mit an-deren Menschen, denn der Mensch ist ein Kulturwesen. Erist trotz biologischer Zugehörigkeit zur Tierwelt ein einzig-artiges Wesen, mit Kreativität, mit Langzeitplänen, mitlangfristiger Verantwortung, zu innovativer Problemlösungfähig, er ist Schöpfer der Kulturen, deren hohe Dokumenteuns seit etwa 40 000 Jahren (Höhlenmalerei, Tierskulpturenusw.) überliefert sind.

Die Kulturen sind selbstverständlich nicht einfach auto-matische Folgen der Gehirnevolution, sondern Früchte lan-

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ger Zusammenarbeit von Menschen. Kulturen schaffenneue Systeme, die das Leben noch nicht kannte, und Wis-sen von der Welt und vom Menschen. Sie schaffen auchneue Weisen der Vererbung von erworbenen Eigenschaf-ten durch Sprachen, Bilder und Schriften, und sie steigerndie Kreativität des Lebens gewaltig (etwa zählbar an derRate wichtiger Innovationen, siehe z.B. Lenski 1970).

Die Anfänge des Willens liegen vor der Kultur, ver-mutlich im sozialen Jagen (Campbell 1970), bei dem jedesIndividuum von der Zuverlässigkeit der andern abhängt,das also die Auslese von Selbstdisziplin fördert, einer Ei-genschaft, die Affen nicht im gleichen Maß wie Menschenhaben. Aber die beginnende Kultur, mit Hilfe der Spra-che, hat die Entwicklung offenbar vorangetrieben. Kulturund Wille haben sich gegenseitig angeregt und geprägt,denn Kultur ist disziplinierte Zusammenarbeit, beruhtalso unter anderem auf Willen. Max Weber schrieb: Kulturberuht auf Wertentscheidungen; wir sind Kulturmen-schen, weil wir mit Willen begabt sind, der Welt einenSinn zu geben.

Wille ist eine komplexe, umfassende Hirnfunktion; einenger Begriff verfehlt große Teile. Umfassende Begriffe wieBewusstsein, Intelligenz, Wille sind durchaus nicht leer; wirbrauchen sie trotz ihrer vielen Aspekte. Vor dem Ent-schluss stehen, schon getrieben vom Wollen, Überlegungenund vielleicht innere Kämpfe und Einsicht; nach der Pla-nung und dem Entschluss gibt es – trotz Delegation vonvielen Einzelheiten an übergelernte und wieder unbewusstgewordene Unterprogramme – zielstrebige Wachsamkeit,Sorgfalt, Gründlichkeit, Korrekturen, Vollendungswillenund neue Pläne: das alles gehört zum Willen. Die entschei-dende Hürde ist der Entschluss. Entschlusskraft vor allemgehört zum Willen, aber auch das Durchhalten ist wichtig.Vor alledem steht schon die Weltoffenheit, das aktive Su-chen, Wahrnehmen, Überlegen und Denken, die vielfälti-gen geistigen Interessen, die schon bei Kleinkindern mitdem Sammeln von Blättern und Muscheln beginnen.

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Es gibt begabte Menschen, die doch nichts Besonderesleisten. Wille ist etwas anderes als Intelligenz, er zeigt sichin Eigeninitiative und Durchhalten. – In der Sprache desGeneralstabs heißt, wofür Wille zuständig ist, Strategie.Der Stratege darf nicht unkundig in der Deckung bleibennoch in der Herde mitlaufen, sondern er muss selbst ver-antwortlich planen. Dazu muss er Lage und Mittel kennen.Vor allem muss er das Wesentliche sehen und die Entschei-dung unter wenigen Alternativen suchen. Bei aller Kühn-heit des Denkens aber muss er sorgfältig realistisch bleiben.– In der Sprache der Wirtschaft ist Wille Management.Ein Manager muss übergeordnete Zusammenhänge erken-nen, sinnvolle Ziele setzen, planen und organisieren kön-nen, vor allem aber führen. Die Ökonomen sprechen vonmanagement by objectives, management by delegation usw.All das tut der Wille auch.

Etwas Führungsanaloges gibt es aber schon in der unbe-wussten Natur; im Leben wirken so viele Gene mit, dassFührung notwendig ist. Die Genetiker sprechen von Hie-rarchie in der Genregulation und von Meister-Kontroll-genen. Es gibt da auch Stabilisierung von bewährten Ver-fahren – analog zur Ausdauer des Willens – z.B. durchVerdoppelung von Genen, sodass, wenn in einem eine Mu-tation auftritt, die mögliche Verbesserungen erkunden kann(aber meist zur Verschlechterung der Funktion führt), dasDuplikat noch das Funktionieren aufrechterhält. Und esgibt ein Analogon zur Kommunikation der Menschen: denhorizontalen Gentransfer von einem Organismus zum an-dern, der die biologische Evolution ähnlich beschleunigthat wie die Sprache die kulturelle.

Die schriftliche Tradition der geistigen Interessen be-ginnt in Europa mit Hesiod; er forderte Wahrheit – einnoch immer unterschätzter Impuls: Nicht vom Wider-stand gegen Wahrheit gehindert, vermochte der Forscher-geist in unseren Tagen sogar zu erkennen, dass wir in ei-nem Kosmos leben, der zum großen Teil aus unsichtbarerMaterie besteht; durch Willen zum Wissen ist seit den al-

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ten Hellenen die Menschheit vorangekommen, – aber wieschwer war es, gegen Augenschein und Dogmen anzuge-hen, etwa das heliozentrische Weltbild durchzusetzen; undam schwersten, gegen das Wunschdenken der meisten: z.B.behaupten einige Propagandisten noch immer, Alkoholnütze der Gesundheit, und das wird gerne geglaubt.

Lange vor Hesiod gab es schon die Höhlenmalerei unddie Felszeichnungen, es gab Megalithkulturen, die Astrono-mie trieben, den Ackerbau und die Hochkulturen mit vielenErfindungen und Künsten, mit Religion, Recht, Technik,Schrift. Es gab Zarathustra, Gilgamesch und einen Gott, dersein eigenes Auge opferte, um der Wahrheit näher zu kom-men, und nach Homer, Hesiod und den sieben Weisen entwi-ckelte sich um 500 v. Chr. in Ionien auf dem Boden undog-matischer Naturverehrung Naturforschung und Ethik.Am Ende dieser Entwicklung des Altertums, im Hellenis-mus, ist uns als Summe des abendländischen Denkens derBegriff Humanität überliefert (bei Seneca und Cicero, aufPanaitios gegründet), der das meint, was den Menschenzum Menschen macht, und der heute die Grundlage derdeutschen Verfassung ist. Sucht man im antiken Denken,was das Wesentliche daran ist, so findet man Sophrosy-ne, einen Begriff, der oft mit Besonnenheit übersetztwird, wörtlich aber Gesundwilligkeit meint. Diels übersetztihn in einem berühmten Fragment (Nr. 208) des Demokrit(der vielleicht der umfassendste Geist des Altertums war):„Des Vaters Selbstbeherrschung ist für die Kinder diegrößte Vermahnung“; Selbstbeherrschung also, ein Wil-lensbegriff, aber nicht Wille roh, sondern mit Ethos; einanderer Wille ist keiner. Es gibt auch ein Tätigkeitswort zuSophrosyne: sophronein. Heraklit sagte (Fragm. 112): „Soph-ronein ist die wichtigste Tugend.“ Schon die sieben Weisendachten über den Willen nach, auch ihre Losung war Soph-rosyne. An den Tempel von Delphi wurde geschrieben: Er-kenne dich selbst.

Ohne Selbstkritik keine Vernunft, also auch kein Wille.Xenophanes, der Vater der Erkenntniskritik, lebte selbstkriti-

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sches, innovatives, konstruktives Denken vor. „Keineswegshaben die Götter von Anfang an alles den Sterblichen auf-gezeigt“, sagte er, „sondern mit der Zeit finden sie suchendBesseres“ (Fragment 18, Diels). Das große Vorbild unterden sieben Weisen war Solon, der Vater der Athener Demo-kratie, der es verschmäht hatte, Ordnung durch Gewalt zuschaffen, der auf Einsicht und Recht vertraute und damitErfolg hatte – der einzige, den Platon als großen Staatsmanngelten ließ. Heraklit sagte: Das Volk muss für das Gesetzkämpfen wie für die Mauer. Und: Not tut, dem Gemeinsa-men zu folgen. Heraklit, der Entdecker der Natur (die janichts Selbstverständliches ist sondern sich selbst organisie-rendes Werden, getrieben von Energie, Heraklits kosmi-schem „Feuer“), der auch den Begriff Logos prägte, der beiihm beides meint, das Naturgesetz und die Fähigkeit desMenschen, ihm erkennend näher zu kommen, wurde vonder Stoa als Altmeister der Ethik verehrt. Er hatte u.a. denHedonismus als ein für den Menschen charakteristischesRisiko erkannt.

Menschliches Wollen ist vernünftiges, wohlbegründe-tes Wollen, so lehrten es Heraklit, Demokrit, Sokrates, Platon,Aristoteles (De anima) und die Stoa (Diog.Laert. VII 1). DieVerinnerlichung des Ethos, die der entscheidende Punktin der Vertiefung des Willens war, wurde nicht erst von So-krates geleistet, sondern sie begann spätestens mit den „sie-ben Weisen“; und Heraklit und Demokrit, die nicht nur Na-turforscher waren, haben die wesentlichen Schritte getan.Demokrit schrieb z.B.: „Gutsein ist noch nicht Nicht-Fre-veln, sondern es nicht einmal wollen“ (Fragm. 62). „Nied-riges sollst du, auch wenn du allein bist, weder sprechennoch tun. Lerne aber weit mehr als vor andern dich vordir selber schämen“ (Fragen 244) und „Vor sich selbstmuss sich vor allem schämen, wer Schamloses tut“ (Fragm.84). Diese Scham im verinnerlichten (nichtgeschlechtli-chen) Sinne entspricht einer Verinnerlichung des Ehrge-fühls zur Ehrenhaftigkeit auch bei den Germanen und Rö-mern. Honestum ist das sittlich Gute im Lateinischen, im

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Englischen honesty (dazu Reiner 1949). Schon Platon sahaber, dass Wille mehrere Komponenten hat, neben Überle-gung auch Antrieb.

Aus dieser Zeit stammt auch der wunderbare Mythosder Entscheidung zum Guten, der Mythos von Heraklesam Scheidewege, den Xenophon erzählt. In ihm taucht dieVersuchung durch den Hedonismus auf, die Indienstnah-me der Kreativität durch niedere Triebe. Einen ähnlichenMythos berichten die Evangelien von Jesus, und bei dieserGelegenheit fällt das Wort: Der Mensch lebt nicht vomBrot allein. Voller Geschichten vom Willen und seinemWerden sind auch die Sagas und Epen, die Tragiker, dieMärchen der Brüder Grimm und die Berichte von Bergstei-gern und Arktisexpeditionen. An den Willen zur Wahrheitin den tiefsten Dichtungen der Menschheit ist zu erinnern,an Ödipus und Hamlet. Ohne besonnenen Willen keinVertrauen, auch kein Selbstvertrauen. Sittliche Gemein-schaft lebt vom guten Willen.

Der Wille ist der Beweger im ganzen Reich der See-le, auch im Denken, sagte Duns Scotus, der tiefste Denkerdes Mittelalters (wie zuvor schon Anselm von Canterbury).Duns stand auf den Schultern großer franziskanischerDenker vor ihm seit Bonaventura: Walter von Brügge, JohannesPeckham und vor allem Petrus Johannis Olivi, die gegen denDeterminismus des islamisch missverstandenen Aristotelesangingen. Ihre Argumente waren nicht nur wie späterüblich ethische und erkenntnistheoretische, sondern sie be-riefen sich auch auf die psychologische Erfahrung von Ge-fühlen der Verantwortlichkeit, der Befreiung, der Selbstkri-tik, Scham usw. Olivi nennt den Willen einen König imReich der Seele (Stadter 1971); zu erklären ist, gegen ein mo-dernes Missverständnis: ein Regierender mit Verantwor-tung – vor anderen, vor sich selbst und für Olivi vor allemvor Gott. Auch die Vernunft gründet im Willen, sagte Olivi.Mit Verstand allein wären wir wie Tiere (summa quest. sup.sent.). Auf franziskanischen Einfluss geht später auch dieFreiheitsweisheit des Erasmus von Rotterdam zurück (De libe-

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ro arbitrio, gegen Luthers Determinismus). Auch ThomasAquinas hat die Macht des Willens anerkannt: „Voluntasvult intellectum intelligere“ (Sum. theol. I).

Pico della Mirandola in der Renaissance sah (anschließendan des Nikolaus von Kues’ Erkenntnis vom Schöpferischenim Menschen) die Macht des Willens wie die eines gestal-tenden Künstlers: „Durch Deinen Willen“ so lässt er Gottzu Adam sagen „in dessen Hand ich dich gegeben habe,wirst du deine Natur abgrenzen,… Wir haben dich ge-macht, damit du dich nach deinem eigenen Urteil gestaltest.Du kannst degenerieren in tierische Tiefe, du kannst aberauch aufsteigen in göttliche Höhen nach eigener Entschei-dung.“ Descartes (Princ. Philos. I) schrieb: Es gibt auch in-nere Willenshandlungen, z.B. Zweifeln, Verneinen und Be-haupten.

Wille ist praktische Vernunft oder das Vermögen, nachPrinzipien zu handeln, lehrte Immanuel Kant, der größteDenker der Aufklärung, der im guten Willen das sah, wasman ohne Einschränkung gut nennen könne. Kant sah denWillen kreativ wie die Franziskaner und Pico: „Die Freiheitist ein schöpferisches Vermögen“ notierte er (Nr. 7196 imNachlass Bd. 19 der Akademie-Ausgabe), und: „Die wich-tigste Bemerkung, die der Mensch an sich selbst macht,ist, dass er durch die Natur bestimmt sei, selbst Urheberseiner … eigenen Neigungen und Fertigkeiten zu sein“(Nr. 7199). Kant sah aber auch, dass es Böswilligkeit gibt.Fichte meinte, von seinem Streben hänge es ab, was für einMensch jeder ist; Wollen sei die Wurzel des Ich und der ei-gentliche Charakter der Vernunft. Hegel lehrte (Philos. desRechts), dass Wille handeln und sich seine Freiheit erarbei-ten muss; Recht, Moral, gelebte Sittlichkeit, Gesellschaft,Staat sah er als Realisierungsgestalten des freien Willens.Schelling sagte: Wollen ist Ursein; der Wille sei die eigentli-che Substanz des Menschen. Nietzsche schrieb: ich schätzeMenschen nach ihrem Willen. Jaspers betonte (Psychologieder Weltanschauungen) den Willen zur Echtheit und späterin „Von der Wahrheit“ die grundlegende Bedeutung des

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Wahrheitswillens. Wie Jaspers dachte auch Albert Schweitzer;er schrieb im Vorwort zur sechsten Auflage seiner „Ge-schichte der Leben Jesu-Forschung“ 1950 in Lambarene,„Unbeirrbare Wahrhaftigkeit gehört zum Wesen echter Re-ligiosität.“ Auch Gerechtigkeit als Fairness nach Rawls(J. Philos. 1957) geht natürlich nicht ohne Willen.

Den weltgeschichtlich vielleicht wirksamsten Lehrer desWillens aber hatte der Ferne Osten. Ihm verdanken Chinaund Japan ihre Effizienz. Den Willen betonte Kungtse ähn-lich wie die Stoa, die Franziskaner und Kant. Er lehrteSelbstdisziplin, Wahrhaftigkeit, Tätigkeit, Ausdauer, Güte,gebändigte Kraft des Charakters, die von selbst auf dieUmgebung wirke. Solche Selbsterziehung, meinte er (ähn-lich wie Platon im siebenten Brief), schaffe Harmonie ohneGewalt. „Den Streitkräften eines großen Staates kann derBefehlshaber dahingerafft werden“, sagte er, „aber selbsteinem einfachen Mann aus dem Volk kann man nicht sei-nen Willen nehmen“ (Lun-yü IX, 25). Eine ähnliche Wir-kung hatte im Nahen Osten zuvor Zarathustra auf die Bil-dung des Willens: das Wort und der Handschlag einesParsen gilt noch heute mehr als der Schwur eines andern.Im Laufe der Geistesgeschichte ist der Wille und seineFreiheit wiederholt entdeckt worden. Weder die Humanitasder Stoa, noch die Caritas der Franziskaner, noch die Dis-ziplin der Japaner, noch das „Wage selbst zu denken“ derAufklärung sind ohne Willen denkbar.

Es gab auch eine andere, dem Willen als Eigenmächtig-keit des Menschen skeptisch gegenüberstehende Tradition,die von der apokalyptisch-(eschatologisch-)determinis-tischen Richtung der spätjüdischen Tradition ausgehendim Christentum mit Paulus begann und über Luther („Deservo arbitrio“) bis in die Gegenwart reicht. Sie gründetesich auf Erlebnisse des Versagens, und sie verwies aufübernatürliche Gnade. Augustin zweifelte, wie unter einemallmächtigen Gott Willensfreiheit noch denkbar sei; ermachte gewundene Vorschläge, um Verantwortlichkeit vonMenschen zu retten, ohne die Allmacht Gottes zu mindern.

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Nach Kant entdeckte aber auch die protestantische Theolo-gie den Willen wieder. Bei Kierkegaard steht die Entschei-dung im Mittelpunkt, auch Echtheit; seine Helden warendie willensstarken Vorsokratiker und Sokrates. Auch AlbertSchweitzer, ebenso groß als Philosoph wie als Theologe, warein rationaler Willensphilosoph („Aus meinem Leben undDenken“); er schätzte die Stoa hoch („Kultur und Ethik“).

Die moderne Willensfeindschaft hingegen kommt auseinem theologisch missverstandenen Naturbegriff. Na-tur, so meinte Spinoza, schließe Freiheit aus; das war bei denEntdeckern der Natur, den alten Hellenen, anders: sie er-kannten unbefangen Freiheit an. Das Verschwinden derWillensfreiheit bei Spinoza wird deutlich, wenn man ihnmit seinen Vordenkern vergleicht, mit Descartes, Bruno undCusanus. Spinozas Naturbegriff stammte, wie schon Hegelsah (Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie), inWahrheit aus der Theologie (und zwar, so ist zu ergänzen,aus ihrer apokalyptisch-deterministischen Richtung). Diesertheologisch inspirierte totaldeterministische Naturbegriffhatte damals auch unter Physikern Anhänger, z.B. in SirIsaac Newton, der ein Buch über die Apokalypse schrieb, das1733 veröffentlicht wurde. Nicht nur ein abstrakter Den-ker, der in der biblisch-theologischen Tradition aufgewach-sen war und, wenn er sich auch später von ihr distanzierte,doch wenig Naturkenntnis hatte wie Spinoza, sondern auchein großer Naturforscher wie Newton dachte damals theolo-gisch-totaldeterministisch. Die modernen Anhänger diesesverengten Naturbegriffs, z.B. Freud und seine heutigen Epi-gonen, haben das nicht verstanden. Der Zusammenhangvon Determinismus und Apokalyptik ist in der biblischenTheologie angelegt (siehe z.B. das Stichwort Apokalyptikim Handbuch „Die Bibel und ihre Welt“, herausgegebenvon G. Cornfeld, Tel Aviv). Schon bei Jesaja wurden apo-kalyptische Einschübe gemacht. Bei Ezechiel gibt es vieleapokalyptische Stellen. Vor allem ist das Daniel-Buch apo-kalyptisch, und der Einfluss dieses Denkens mit seiner un-ausweichlichen Endzeiterwartung auf das Neue Testament

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ist spätestens seit Albert Schweitzer klar (Geschichte der Le-ben Jesu-Forschung). Auch der Marxismus ist, wie Karl Lö-with herausgearbeitet hat, apokalyptisch. Nicolai Hartmannhat klargemacht (Teleologisches Denken), dass der theolo-gische Determinismus der härteste ist. Ein allmächtigerGott, der etwas will, setzt sein Ziel durch. Der natürlicheKausalzusammenhang, der übrigens (mehr als Hartmannahnte) auch mit Zufall durchmischt ist, ist offen für höhereDetermination aus vernünftigem Willen. Wenn man Luthersberühmte Schrift über den unfreien Willen liest, merktman, dass Hartmann recht sah. Johan Huizinga schrieb: FürLuther war „jede menschliche Mitwirkung am Heil eineSchändung an Gottes Ruhm.“

Wille aber ist seit der Antike mit Freiheit assoziiert,wenn auch Freiheit nicht aus Willen allein kommt. Selbst-disziplin entsteht nicht ohne eigene Anstrengung, ohne wil-lentliches Lernen und Üben. Positive Freiheit im SinneKants (Freiheit zu… im Sinne Nietzsches) ist nicht wider dieNatur, sondern im Gegenteil eine Folge der Natur im le-benden menschlichen Gehirn mit seiner Zusammenarbeit,seinen Metaanalysen, mit seinen vielfachen parallelen undübergeordneten Systemen der adaptiven Informationsver-arbeitung mit Selbstbesinnung, Verstehen von anderenMenschen, kreativem Denken, Planen und Entscheidenund mit Ordnungsmöglichkeiten vom Gipfel her bis in diePeripherie. Wirkliche Freiheit ist Fähigkeit, ist Tugend imantiken Sinne; sie ist immer relativ: ein Nüchterner ist freierals ein Betrunkener, ein Erwachsener freier als ein Klein-kind, ein Mensch freier als ein Affe, aber auch ein Affe frei-er als ein Wurm (Kornhuber 1984). Ein Mensch ist weit mehrals ein sprechender Affe. Ein Affe hat keine Langzeitpla-nung, keine Kreativität, keine Verantwortlichkeit (außer füreigene Junge), keine Vernunft und folglich nur Vorstufenvon Willen.

Heute wird auch Selbstorganisation gegen Willen undFreiheit angeführt. Selbstorganisation von Verbindungenim Gehirn aber schließt Führung nicht aus. Die Führung

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im Gehirn ist großenteils phylogenetisch entstanden, zumTeil ist sie auch von der Kultur und Erziehung geprägt,schließlich aber auch von der Persönlichkeit von Kindheitan selbst erarbeitet. Der Kausalzusammenhang der Triebewird vom Finalstreben des Willens überformt, so NicolaiHartmann, der übrigens im Gegensatz zu gewissen Gegnernkein Ideologe war, sondern ein selbst als Astronom aktiverWissenschaftler; er wurde von großen Biologen und Ner-venärzten seiner Zeit als der wichtigste Denker der Gegen-wart angesehen. An der Willensfreiheit halten auch Natur-philosophen unserer Tage fest, die alle keine Spiritisten,sondern Naturwissenschaftler sind, z.B. Mario Bunge, DonaldM. MacKay, Daniel Dennett und G.H. von Wright, u.a. aus er-kenntnistheoretischen Gründen.

Diese positive Freiheit, eine komplexe Fähigkeit unse-res Gehirns und der Zusammenarbeit von Menschen, istauch die wichtigste Grundlage der Freiheit von Hunger,Unrecht usw., die wir gewöhnlich mit (wirtschaftlicher, po-litischer, rechtlicher ) Freiheit meinen („negativer“ Frei-heit im Sinne Kants, Freiheit von … im Sinne Nietzsches„Zarathustra: Vom Wege des Schaffenden“) und heute oftirrig für die ganze Freiheit halten; denn alle diese Freiheitenberuhen auf menschlichen Kulturleistungen.

Für unsere Freiheit, die kein gesicherter Zustand, son-dern ein dynamischer Prozess ist, müssen und könnenwir etwas tun: wir können z.B. schlafen, wenn wir zu müdesind, einen guten Gedanken hervorzubringen, wir suchenInformation, wenn wir nicht wissen, wir meiden Drogen,um uns gegen Sucht zu schützen, wir behandeln uns mit ei-nem Antidepressivum, wenn wir an Depression erkranken,wir erziehen unsere Kinder, denn wir wünschen sie tüchtigund rechtschaffen, und wir halten uns durch Tätigkeit inÜbung. Auch wirtschaftliche Leistung und die Schaffungvon Arbeitsplätzen haben etwas mit Willen zu tun.

Max Scheler (1928) sah die Freiheit vor allem in der Mög-lichkeit zum Ablehnen von Verlockungen, im Neinsagen-können: der Mensch als Asket des Lebens. Diese Konzen-

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tration ist aber weniger als die Hälfte der Freiheit. EineWurst vom Tisch nicht zu fressen, das kann schon einHund lernen, aber ein Mensch kann sich selbst dazu erzie-hen, und er kann tiefer über die Natur denken, sich selbstZiele setzen und Probleme lösen, kurz er ist kreativ. Wernoch, wie einer von uns, die Zeit ohne Antibiotika, Antide-pressiva und Mittel gegen Schizophrenie oder Bluthoch-druck erlebt hat, weiß, wie groß der Gewinn an Freiheitdurch diese Arzneien ist, – alle Ergebnisse willentlicher For-schung. Csikszentmihalyi (1997), der die Bedingungen vonKreativität untersucht hat, stieß immer wieder auf den Wil-len als Beweger von Lebensläufen, aber gemäß der ameri-kanischen Tradition seit dem zweiten Weltkrieg und viel-leicht auch mit klugem understatement vermeidet er dasWort, er nennt ihn psychische Energie, Selbstkontrolle,Konzentration, Erkenntnisstreben, Disziplin, Aufmerksam-keit, Ausdauer. Charlotte Bühler, die ebenfalls viele Lebens-läufe durchforscht hat, spricht von Selbstbestimmung.

Bei Tieren gibt es Vorstufen dieser Freiheit. W.R. Hess,der den Nobelpreis für seine Entdeckung der cerebralenGrundlagen der Triebe erhielt, konnte z.B. eine Katzedurch elektrischen Reiz im Hypothalamus so hungrig ma-chen, dass sie ein Kabel benagte, was eine Katze norma-lerweise nie tut: Zwang durch Hunger, ein Zeichen ver-minderter Freiheit. Unsere Willensfreiheit ist u.a. voneinem ausgeglichenen Antriebssystem und von intaktercortikaler Kontrolle abhängig (die z.B. durch Drogen be-einträchtigt wird). Wir sind verantwortlich dafür, in die-sem Sinne Vorsorge zu treffen, also z.B. vor einer Auto-fahrt keinen Alkohol zu trinken. Unser Recht erwartetvon uns auch, dass wir Zustände verminderter Freiheit er-kennen und einem Berauschten nicht das Führen unseresFahrzeugs überlassen. Auch eine Katze hat gewisse Frei-heitsgrade in ihrem Verhalten, und sie erhält sich dieseFreiheit u.a. dadurch, dass sie rechtzeitig auf Mäusejagdgeht. Unsere menschliche Freiheit aber geht weit über dieeiner Katze hinaus; wir sind z.B. fähig, auch unter Fernzie-

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len zu wählen und unser Motivrepertoire durch eigene Ak-tivität zu erweitern.

Freiheit ist immer im Werden und abhängig von An-strengung, und sie ist gefährdet. Aber sie ist nicht nurWerden, sondern auch Sein, denn das erworbene Können,Wissen und die Selbstprägung des Charakters gehören zuihren Grundlagen. Dies ist eine natürliche Sicht der Frei-heit. Wer Freiheit in einen Geist jenseits des Gehirnswünscht, muss sich fragen, woher dieser Geist Informa-tionen nimmt, wie er (gegen die Naturgesetze) auf das Ge-hirn wirkt, und welche Ziele er in einer Welt ohne natürli-che Ordnung haben kann.

Freiheit ist nicht identisch mit Allesalleinekönnen, mitTotalautarkie. Kein Lebewesen ist ganz autark, jedes brauchtWasser und Energie, die von außen kommt, letztlich für diemeisten von der Sonne. Ein Hungriger kann seinen Ener-giebedarf nicht durch bloßen Willen ersetzen. Zur Freiheitgehören beim Menschen aber von Anfang an auch Werk-zeuge und das Feuer – und später Heilkräuter, Operatio-nen, Arzneien usw.: es sind Mittel zur Freiheit, vom kreati-ven Willen durch Zusammenarbeit geschaffen, auch solche,die dem Gehirn helfen gegen Wahn, Depression, Angst,Zwang, Pädophilie usw. Positive Freiheit ist Fähigkeit underöffnet Möglichkeit. Man kann etwas dafür tun, seine Frei-heit zu erweitern; Wille veranlasst und führt Kreativität.Schon ein Problem ernst zu nehmen, die Herausforderunganzunehmen, Einsicht zu bilden und gegebenenfalls sichzusammenzutun oder sich helfen zu lassen, gehört zur Frei-heit. In Deutschland ist zum Beispiel eine Deformation inder Bevölkerungspyramide entstanden, weil man die He-rausforderung durch den Geburtenschwund seit 1968 nichternst nahm und den Generationenvertrag missachtete(Kornhuber 1978); jetzt hat man Probleme mit Sozialsyste-men, die auf Umlage beruhen, als Folge eines seit dreißigJahren anhaltenden Versagens.

Der natürlich-vernünftige Willensbegriff der antikenund neuzeitlichen Aufklärung, der etwas mit innerer Frei-

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heit und schöpferischer Kraft des Menschen zu tun hat, lei-tete auch die Psychiatrie im 19. Jahrhundert. „Seelenge-sundheit ist derjenige Seelenzustand, worin die Wirkungendes freien Willens ungehindert ausgeübt werden können“,schrieb Maimon, mit Hinweis auf Sokrates und die Stoiker alsPsychotherapeuten (in Moritz, 1792). Matthey (1816) gabeine Systematik der Willensstörungen bis hin zu Impuls-handlungen, Kleptomanie usw. Heinroth führte in seinemLehrbuch der Störungen des Seelenlebens (1818) die Willen-losigkeit oder Aboulia ein, mit und ohne Depression. Leubu-scher zählte 1847 in seinem Artikel „Über Abulie“ zahlreicheStörungen des Willens auf. Jaspers, der erste große Psychopa-thologe des 20. Jahrhunderts, wies auf Bewusstsein vonZiel, Mitteln und Folgen als Charakteristika des Willens hin(Allgemeine Psychopathologie). Kurt Schneider (KlinischePsychopathologie) sagte: Wille ist die Möglichkeit, sich zwi-schen verschiedenen Strebungen zu entscheiden.

Die geisteswissenschaftliche Psychologie verbandden Willen mit den Werten (Wilhelm Dilthey) und untersuch-te den Konflikt und die Rangordnung der Werte in dergeistigen Entwicklung (Spranger). Zur Klärung des Wil-lensbegriffs in der Psychologie trug auch die Diskussionum das Selbst seit William James bei. Auch dieser Begriff,der schon bei Leibniz, Kant, Fichte und Kierkegaard wichtigwar, stammt aus der antiken Philosophie (Platon, Plotin), ermeint den Kernbereich der Persönlichkeit. Der eigentlicheWille geht vom Selbst aus (Lindworski, 1923). Dass dasKonzept des Selbst, das aus der philosophischen Selbstbe-sinnung stammt, hirnphysiologische Grundlagen hat, zeigtdas Phänomen der „alien hand“, die Bewegungen macht,welche vom Patienten als fremd erlebt werden (Goldberg &Bloom 1990).

Die experimentelle Psychologie begann professionellmit Wundt, der das erste psychologische Laboratorium grün-dete und vor allem ein Willenspsychologe war. Auch er un-terschied den Willen als Wählenden von den Trieben. Inder experimentellen Tradition ist vor allem Narziss Ach zu

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nennen, der die Methode der systematischen Introspektionmit der Messung von Reaktionszeiten verband. Dabei stießer unter anderem auf den Willensaufwand für Hemmung,die nötig ist, um zuvor gelernte Antworten zu überwinden.Ach wies aber auch auf unbewusste Komponenten des Wil-lens infolge Automatisierung hin. „Auf keinem Gebiet derPsychologie herrscht größere Verwirrung als auf dem Ge-biet des Willens“ schrieb Ach 1910. Kurt Lewin (1926) undRohracher (1932) führten weitere Methoden ein; Rohracheruntersuchte zum Beispiel Personen, die ihren Hunger wil-lentlich unterdrückten.

Abb. 1: Bereitschaftspotential (BP), abgeleitet von der Kopfhautvor willentlichen raschen Beugebewegungen des rechten Zeige-fingers nach der Methode der Rückwärtsanalyse. Es wurden

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8 Experimente mit derselben Versuchsperson (B.L.) an verschie-denen Tagen mit bis zu 1000 Bewegungen pro Experiment gemit-telt. Obere drei Kurven: Unipolare Ableitungen mit den Ohren,zusammengeschaltet, als Referenz: L prec = links präzentral, C3;R prec = rechts präzentral, C4; Mid-par = mittparietal, Pz. Un-terste Kurve: L/R prec = links gegen rechts präzentral (bipolar,Differenz des BP im linken präzentralen Handareal C3 minusdem BP in C4). Das Bereitschaftspotential startet etwa 1¼ secvor dem Bewegungsbeginn, es ist bilateral – in seiner frühen Pha-se (BP1) sogar bilateral-symmetrisch – und hat sein Maximumüber der Mittellinie (Supplementäre Motorische Area, SMA). Abca. ½ sec vor dem Bewegungsbeginn startet die späte BP-Kom-ponente (BP2). Sie ist steiler und wird nun contralateral größer alsipsilateral. Etwa 90 msec vor dem Bewegungsbeginn startet diePrämotorische Positivierung. Das Motorpotential (Start 60 msecvor Bewegungsbeginn) ist nur in der bipolaren Ableitung zu er-kennen; es findet sich unilateral über der linken präzentralenHandarea als Ausdruck der dort aktivierten Pyramidenzellen desmotorischen Cortex. 0 sec (vertikale Linie) = erste im Elektro-myogramm (EMG) registrierbare Muskelaktivität. [Nach Deecke,Grözinger, Kornhuber 1976]

Die tiefere Ursache für die Verwirrung, von der Achschrieb, war die Entdeckung von Wallace und Darwin, dassder Menschengeist ein Ergebnis der Evolution ist. Mit denAffen gehörte der Mensch nun zu den Primaten. EinseitigeFolgerungen daraus für das Willensproblem wurden u.a. inden USA mit Behaviorismus und Freudismus gezogen.John B. Watson warf in seinem behavioristischen Manifest1913 nicht nur den Willen, sondern auch das Bewusstseinals Gegenstand der Psychologie über Bord. Sein Programmwar begrenzt durch die Begriffe Reiz, Reaktion und Anpas-sung. Auf dem vom Behaviorismus vorbereiteten Feld hat-te der Freudismus leichtes Spiel; er verneinte den Willenund betrachtete das Ich als eine schwache Instanz zwischenden Trieben und dem Über-Ich; Freiheit schloss er aus.Der Glaube an die freudistischen Dogmen (z.B. den „ana-len Charakter“, der nach 1968 sogar zum obligatorischen

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Prüfungsstoff deutscher Medizinstudenten avancierte) undder Gebrauch der brutalisierten Sprache (z.B. „Objektbe-ziehungen“) hat inzwischen nachgelassen, aber Freud giltnoch immer als „Entdecker des Unbewussten“ und solcherVorgänge wie Verdrängung und Sublimation – mit Un-recht. Schon Ebbinghaus sagte: „Was an diesen Theorien neuist, ist nicht wahr, und was wahr ist, ist nicht neu.“ Das Un-bewusste war schon der Antike bekannt, auch Thomas vonAquin, erst recht Leibniz und der Romantik, voran Carus.Dann kam ein ehrgeiziger junger Kopf, der mit brillantemStil viel Verwirrung hinterließ. Arthur Schopenhauer. Beiihm gibt es in Wahrheit weder Willen noch Freiheit, aber ermachte, ohne dies anzuzeigen, eine folgenreiche Umbenen-nung: er nannte Trieb um in „Willen“, und dieser umge-fälschte Trieb ist bei ihm das, was die ganze Welt be-herrscht, etwa wie bei Heraklit das Feuer. Wille ist abertatsächlich etwas anderes als Trieb. Triebe sind primitiveRegelungen, etwa für die Aufrechterhaltung der Energiezu-fuhr durch Hunger. Triebe hat die Natur schon den Fi-schen gegeben, die noch keinen Neocortex (Großhirnrin-de) besitzen: sie haben Ursachen in Genen und im vitalenBedarf des Organismus. Wille hingegen ist eine viel höherecortikale Funktion, voll entwickelt erst beim Menschen; erhat wohlerwogene Gründe sein Berater ist Vernunft, er be-rücksichtigt Werte und kulturelle Ziele, obwohl er auchRücksicht auf vitalen Bedarf nimmt. Schopenhauer (1819)lokalisierte den Focus dessen, was er Willen nannte, nichtins Gehirn sondern in die Genitalien; darin folgten ihm dieFreudisten. Auf Schopenhauer und Carus gestützt, schriebEduard von Hartmann seine mehrbändige „Philosophie desUnbewussten“, die 1868 erschien und großen Einfluss ge-wann. Freud hat auch nicht behauptet, das Unbewusste ent-deckt zu haben (Zimmer 1986). Und was die Psychodynamikangeht, hat Freud, ohne dies zuzugeben, die wesentlichenEinsichten von Nietzsche übernommen; man vergleiche dieListe der psychologischen Entdeckungen Nietzsches, die Jas-pers (1936) gibt. Die Ursache der Freud ’schen Wesensände-

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rung vom Wissenschaftler zum Spekulanten mit hedonisti-scher Ideologie in den neunziger Jahren des neunzehntenJahrhunderts (die auch von seinem Biographen Ernest Joneseingeräumt wird), bestand in seiner Kokainabhängigkeit(Eysenck 1985). Von dieser Zeit an setzte er, statt auf Ent-wicklung von Forschungsmethoden zur Prüfung von Hy-pothesen, auf Propaganda.

Die Doktrin von Freud wirkte seit dem Ende des2. Weltkriegs nicht nur in USA, sondern verstärkt auch inEuropa und brachte die Erforschung des Willens bis 1965vollständig zum Erliegen, wie Heckhausen (1987) anhand derNennungen in den Psychological Abstracts nachgewiesenhat. Wille und verwandte Begriffe verschwanden ausdem Thesaurus der Schlüsselbegriffe der American Psycho-logical Association. Freudismus wurde damals zu einerWeltanschauung. Der Begriff Freudomarxismus wurde fürdie Lehren der „Frankfurter Schule“ gebraucht; derenHaupt Max Horkheimer sich hatte „analysieren“ lassen. Ber-rios & Gili (1995) beklagen das Verschwinden des Wil-lensbegriffs auch in der Psychiatrie und weisen auf seineUnentbehrlichkeit für das Verständnis vieler psychopatho-logischer Phänomene hin. Tatsächlich war der Begriff Willezur Verständigung so unentbehrlich, dass nun Ersatzbegrif-fe gebraucht wurden, z.B. attention, sogar working memo-ry. Im DSM III der amerikanischen Psychiater kehrt diewillensschwache Persönlichkeit wieder als dependente Per-sönlichkeitsstörung. Von Neuropsychologen wird jetzt oftder Willensersatzbegriff executitive functions gebraucht,nur ein halber Schritt zurück zum Willen, denn executeheißt vollziehen, ausführen, aber der Wille führt nicht nuraus, sondern er führt; das Führende ist für diese Denkrich-tung entweder das Triebsystem oder (bei Kognitionspsy-chologen) der Intellekt.

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Abb. 2: In diesem Experiment mussten die Versuchspersonen ei-nen auf einem Bildschirm wandernden Lichtpunkt mit einem Stiftin der rechten Hand nachfahren, wobei die Exaktheit des Nach-fahrens auf den Bildschirm rückgekoppelt wurde. Es wurden bei14 Studenten in zufälliger Folge drei verschiedene Versuchstypengemacht mit jeweils 96 Versuchen: erstens einfaches Nachfahren,zweitens umgekehrtes Nachfahren (wobei die Bewegungen derHand sowohl in horizontaler als auch vertikaler Komponente mit-1 multipliziert auf den Bildschirm zurückgekoppelt wurden) unddrittens ein Kontrollversuch, in dem die Versuchspersonen nur

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das Reizprogramm auslösten und beobachteten, ohne nachzu-fahren. Beim ersten Versuchstyp fand keine Verminderung desFehlers beim Nachfahren statt, beim zweiten hingegen (mit um-gekehrtem Nachfahren) eine hochsignifikante Besserung der Leis-tung mit Lerneffekt vom Anfang bis zum Ende der einzelnenVersuche. Dieser Lerneffekt (Fehlerreduktion bei Handlungsaus-führung) wurde mit der cortikalen DC-Spannung korreliert. Wieman sieht, fanden sich hohe und signifikante Korrelationen nurüber dem Stirnhirn (frontolateral und frontomedial). Die Willens-anstrengung, möglichst exakt nachzufahren und aus den Fehlernzu lernen wird also begleitet von zusätzlicher Erregung allein derFrontalhirnrinde. Die Fläche der Kreise entspricht dem Be-stimmtheitsmaß d [= r²], r = Korrelationskoeffizient [Nach Lang,Lang, Kornhuber, Deecke, Kornhuber 1983]

Nach dem Verschwinden des Willens aus der Psychologieging der Neuanfang der Willensforschung von derNeurologie aus: In der Situation von 1964, in der amMenschen als passivem Objekt nur die sensorisch evozier-ten Hirnpotentiale untersucht wurden, suchten die Autorendieser Schrift Zeichen von eigenaktivem Willen. Sie entwi-ckelten dazu die Methode der Rückwärtsanalyse und fan-den ein Hirnpotential, das willentlichen Bewegungen (imGegensatz zu passiven) vorausgeht: das Bereitschafts-potential (Kornhuber & Deecke 1964, 1965) (Abb. 1). Es istein etwa eine Sekunde vor einer willentlichen Bewegung(etwa des Zeigefingers) beginnendes, langsam ansteigendes,oberflächen-negatives Hirnpotential, das von der fronto-medialen „motorischen Supplementärarea“ (SMA) hervorge-bracht wird und zehn- bis hundertmal kleiner ist als derspontane Alpharhythmus des EEG, also nur durch Mittel-bildung über viele gleichförmige Bewegungen sichtbarwird. Der deutsche Begriff wurde in die angloamerikani-sche Wissenschaftssprache übernommen (Jahanshahi &Hallet 2003) Man kann durch bipolare Ableitung auch dassummierte Aktionspotential der Pyramidenzellen des moto-rischen Kortex über der Handregion, die die Impulssalveüber die Pyramidenbahn feuern, ableiten, das noch viel klei-

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ner ist; es beginnt etwa 60 Millisekunden vor dem Start derelektrischen Erregung im Beugemuskel am Unterarm, die dierasche Bewegung des Zeigefingers einleitet; dieses raschekleine Potential der cortikalen Pyramidenzellen (siehe untereSpur in Abb. 1) wurde Motorpotential genannt (Deecke,Scheid & Kornhuber 1969). Bevor der motorische Cortex feu-ert, durchläuft die willentlich initiierte Erregung die Stamm-ganglien (Kornhuber 1974), die mithelfen bei der Organisationder selbstinitiierten Bewegung. Bei Erkrankungen derStammganglien (z.B. Parkinsonsyndrom) ist die spontaneBewegung erschwert, obgleich keine Lähmung besteht, unddas Bereitschaftspotential vermindert.

Die Analysemethode für das Bereitschaftspotential warein entscheidender Fortschritt, sie ermöglichte die Unter-suchung von willentlicher Aktivität des Gehirns. Wendetman sie auf das Lernen mit Willensanstrengung an, sofindet man nicht nur die SMA, sondern die ganze Kon-vexität des frontalen Cortex stark aktiviert (Lang et al.1983) (Abb. 2), und diese Aktivität korreliert mit demLernerfolg. Wird in einem motorischen Lernversuch mitNachfahren der rechten Hand auf einen bewegten Reiz daskorrekte Folgen erschwert durch Überlagerung einer (voneinem Funktionsgenerator hervorgebrachten und zumRückführungssignal der Handbewegung addierten) langsa-men Sinuswelle, die durch Lernen zu kompensieren ist, sozeigt sich eine Lateralisierung der Potentialzunahme auf dierechte Hemisphäre mit Maximum über dem frontalen Cor-tex (W. Lang et al. 1986) (Abb. 3). Hingegen zeigt sich beiangestrengtem verbal-assoziativen Lernen der größte Po-tentialzuwachs über dem linken frontalen Cortex (M. Langet al. 1989) (Abb. 4).

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Abb. 3: In diesem Experiment wurde die horizontale Kompo-nente des auf den Bildschirm rückgekoppelten Feedback-Signalsder Nachfahrbewegung von einer langsamen Sinuswelle über-lagert (Halbperiode 4,5 sec, 20 cm), was zu einer einseitigenVerzerrung nach rechts führte, die durch Lernen kompensiertwerden musste. Entsprechend der Willensanstrengung des Kom-pensierens zeigt sich hier eine Lateralisierung der lernkorrelier-ten Aktivitätszunahme erneut über der Frontalhirnrinde, aberdiesmal über der rechten Hemisphäre. [Nach Lang, Lang, Kornhu-ber, Kornhuber 1986]

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Abb. 4: Die weißen Balken [mit doppeltem Standarderror, 2 SE]stellen Differenzen dar und zwar jeweils die Differenz der cortika-len Erregung zwischen einer visuellen verbalen assoziativen Lern-aufgabe minus einer Kontrollaufgabe ohne Lernen. Man beachte,dass die lernbedingte Willensanstrengung Extraaktivitäten erzeugtund dass diese − entsprechend der verbalen Natur der assoziati-ven Lernaufgabe − über der linken Hemisphäre und dort fronto-zentral lokalisiert sind (p<0,01) [Nach Lang, Lang, Uhl & Kornhu-ber (1989)]

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