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5 Schwierige Situationen mit Kunden bewältigen 5.1 Ein Beispiel Ein Kunde benutzt die Bibliothek regelmäßig und fühlt sich richtig zuhause in den Räumlichkeiten. Er ist nach seiner Pensionierung sehr häufig im Haus und viele Mit- arbeiterinnen und Mitarbeiter kennen ihn. Er hat den Eindruck, dazu zu gehören und einen Sonderstatus zu haben. In seinem Berufsleben war er Richter. In der Stadt ist er bekannt. In seiner jetzt ausgedehnten Freizeit beschäftigt er sich mit Ahnenforschung. Das hat ihn immer interessiert, aber er hatte leider keine Zeit dazu. Fast täglich leiht er in der Bibliothek aus. Da ist es kein Wunder, wenn er mal den Überblick verliert. Schließlich sind ja auch die Mitarbeiterinnen vor Ort dazu da, ihn darüber zu infor- mieren, wie sein Kontostand ist. Dafür hatte er früher in seinem Büro sein Personal. So behandelt er auch gerne die Mitarbeiter in der Bibliothek. Heute kommt er an die Theke und gibt zwei Bücher zurück. Mit forscher Stimme, die keinen Wider- spruch duldet, sagt er: Kunde: So, das muss zurückgebucht werden! Mitarbeiterin: Tja, ich sehe gerade, da sind Gebühren auf Ihrem Konto. Die beiden Bücher hätten schon letzte Woche zurückgegeben werden müssen. Haben Sie denn unsere Erinnerungsmail nicht gelesen? Das kostet 10 Euro. Kunde: Das kann ja gar nicht sein. Jetzt schauen Sie doch mal richtig nach. Und eine Mail habe ich sicher nicht bekommen. Wahrscheinlich hat Ihr System da versagt. Jetzt stellen Sie sich mal nicht so an, ich bin ein guter Kunde Ihrer Bibliothek. Mitarbeiterin: Ja, das ist aber Ihr Pech, wenn Sie die Bücher überziehen. Ich bekomme 10 Euro von Ihnen, ansonsten muss ich Ihr Konto sperren. Dann können Sie gar nichts mehr ausleihen. Kunde: Das ist ja eine Unverschämtheit. Wissen Sie eigentlich mit wem Sie sprechen? Wenn Sie noch einen Funken Verstand haben, dann holen Sie sofort Ihre Vorgesetzte, ansonsten spreche ich direkt mit Ihrem Direktor. Der wird sich wundern, wie das Personal hier mit Kunden umgeht. 5.2 Der Hintergrund Menschen sind ja nicht einfach schwierig, sie werden manchmal schwierig. In einer Bibliothek, für die ich ein Seminar gegeben habe, bat man mich, das Seminar doch bitte „Wie mache ich mir meinen schwierigen Nutzer“ zu nennen. Das ist sehr selbst- kritisch und verteilt die Verantwortung für die schwierige Situation auch gleich auf beide Seiten. In unserem Fall hier schaukelt sich die Situation ebenfalls von beiden Seiten hoch. Bis gar nichts mehr geht, und die Sache in den Hintergrund tritt. 5.2.1 Ebenen der Kommunikation Paul Watzlawick spricht davon, dass Gespräche auf zwei Ebenen stattfinden, auf ei- ner sachlichen Ebene, in der es um die Inhalte der Interaktion geht, und auf einer Beziehungsebene, in der es darum geht, wie der Sender seine Mitteilung verstanden haben will, und wie er zum anderen steht. Kommunikation gelingt, wenn bei beiden Partnern eine Einigkeit über den In- haltsaspekt – Wir reden über die gleiche Sache – und den Beziehungsaspekt – zum Beispiel gegenseitige Akzeptanz der Rolle – herrscht. Zitat „Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsas- pekt, wobei Letzterer den Ersteren bestimmt.“ (Watzlawick u. a., Menschliche Kom- munikation, S. 56) Bereitgestellt von | De Gruyter / TCS Angemeldet | 212.87.45.97 Heruntergeladen am | 18.02.13 09:05

Leseprobe Erfolgreiche Kommunikation mit Kunden in der Bibliothek

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Das Buch bietet umfassende Hilfestellung für die verschiedensten Kommunikationssituationen zwischen Mitarbeitern und Kunden einer Bibliothek: Erstgespräch, Auskunftsinterview, Schulungs- und Konfliktsituationen, Beschwerden sowie Kundenorientierung. Jedes Kapitel beginnt mit einem konkreten Beispiel, an dem die Problematik der Situation analysiert wird. Zahlreiche Übungsaufgaben dienen dem Selbststudium. Tipps, Formulierungshilfen, Leitsätze und ein Gesprächsleitfaden machen das Buch zu einem einzigartigen Praxisratgeber für den bibliothekarischen Alltag.

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Page 1: Leseprobe Erfolgreiche Kommunikation mit Kunden in der Bibliothek

5 Schwierige Situationen mit Kunden bewältigen

5.1 Ein Beispiel

Ein Kunde benutzt die Bibliothek regelmäßig und fühlt sich richtig zuhause in den Räumlichkeiten. Er ist nach seiner Pensionierung sehr häufi g im Haus und viele Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter kennen ihn. Er hat den Eindruck, dazu zu gehören und einen Sonderstatus zu haben. In seinem Berufsleben war er Richter. In der Stadt ist er bekannt.

In seiner jetzt ausgedehnten Freizeit beschäftigt er sich mit Ahnenforschung. Das hat ihn immer interessiert, aber er hatte leider keine Zeit dazu. Fast täglich leiht er in der Bibliothek aus. Da ist es kein Wunder, wenn er mal den Überblick verliert. Schließlich sind ja auch die Mitarbeiterinnen vor Ort dazu da, ihn darüber zu infor-mieren, wie sein Kontostand ist. Dafür hatte er früher in seinem Büro sein Personal. So behandelt er auch gerne die Mitarbeiter in der Bibliothek.

Heute kommt er an die Theke und gibt zwei Bücher zurück. Mit forscher Stimme, die keinen Wider-spruch duldet, sagt er:

Kunde: So, das muss zurückgebucht werden!Mitarbeiterin: Tja, ich sehe gerade, da sind Gebühren auf Ihrem Konto. Die beiden Bücher hätten

schon letzte Woche zurückgegeben werden müssen. Haben Sie denn unsere Erinnerungsmail nicht gelesen? Das kostet 10 Euro.

Kunde: Das kann ja gar nicht sein. Jetzt schauen Sie doch mal richtig nach. Und eine Mail habe ich sicher nicht bekommen. Wahrscheinlich hat Ihr System da versagt. Jetzt stellen Sie sich mal nicht so an, ich bin ein guter Kunde Ihrer Bibliothek.

Mitarbeiterin: Ja, das ist aber Ihr Pech, wenn Sie die Bücher überziehen. Ich bekomme 10 Euro von Ihnen, ansonsten muss ich Ihr Konto sperren. Dann können Sie gar nichts mehr ausleihen.

Kunde: Das ist ja eine Unverschämtheit. Wissen Sie eigentlich mit wem Sie sprechen? Wenn Sie noch einen Funken Verstand haben, dann holen Sie sofort Ihre Vorgesetzte, ansonsten spreche ich direkt mit Ihrem Direktor. Der wird sich wundern, wie das Personal hier mit Kunden umgeht.

5.2 Der Hintergrund

Menschen sind ja nicht einfach schwierig, sie werden manchmal schwierig. In einer Bibliothek, für die ich ein Seminar gegeben habe, bat man mich, das Seminar doch bitte „Wie mache ich mir meinen schwierigen Nutzer“ zu nennen. Das ist sehr selbst-kritisch und verteilt die Verantwortung für die schwierige Situation auch gleich auf beide Seiten.

In unserem Fall hier schaukelt sich die Situation ebenfalls von beiden Seiten hoch. Bis gar nichts mehr geht, und die Sache in den Hintergrund tritt.

5.2.1 Ebenen der Kommunikation

Paul Watzlawick spricht davon, dass Gespräche auf zwei Ebenen stattfi nden, auf ei-ner sachlichen Ebene, in der es um die Inhalte der Interaktion geht, und auf einer Beziehungsebene, in der es darum geht, wie der Sender seine Mitteilung verstanden haben will, und wie er zum anderen steht.

Kommunikation gelingt, wenn bei beiden Partnern eine Einigkeit über den In-haltsaspekt – Wir reden über die gleiche Sache – und den Beziehungsaspekt – zum Beispiel gegenseitige Akzeptanz der Rolle – herrscht.

Zitat„Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsas-pekt, wobei Letzterer den Ersteren bestimmt.“ (Watzlawick u. a., Menschliche Kom-munikation, S. 56)

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70 Schwierige Situationen mit Kunden bewältigen

In unserem Beispiel ist die Sachebene, also die Tatsache, dass für bestimmte Bü-cher Gebühren angefallen sind, nur zu Beginn des Gesprächs wichtig. Im Folgenden läuft das Gespräch auf der Ebene der Beziehung.

Die Bemerkung „Haben Sie denn unsere Erinnerungsmail nicht gelesen!“ ver-steht der Kunde als Vorwurf und den kontert er mit „Jetzt schauen Sie doch mal richtig nach.“ Und „Jetzt stellen Sie sich mal nicht so an.“

Damit ist die Bahn frei für eine weitere Eskalation. Vorwürfe lässt keiner auf sich sitzen, und so geht das muntere Spiel „Wer sitzt am längeren Hebel“ weiter. Es folgen Drohungen von beiden Seiten.

Übrigens getrennt voneinander befragt, würde wahrscheinlich jeder sagen, dass er nur auf den anderen reagiert habe. Angefangen habe natürlich der andere, es war der Tonfall oder die Wortwahl oder die Körpersprache.

Watzlawick nennt dieses Phänomen Interdependenz. Gelingende Kommunikati-on fi ndet dann statt, wenn beide Partner Ursache und Wirkung einer Kommunikation gleich bewerten. Die Kommunikation misslingt, wenn beide Partner an unterschiedli-chen Stellen der Kommunikation die Ursache für das Missverstehen deuten. Jeder be-hält für sich die Deutungshoheit, und es kommt zu gegenseitigen Beschuldigungen: „Der andere hat angefangen!“

5.2.2 Vier Reaktionsmöglichkeiten

Dass der erste Satz des Kunden die Mitarbeiterin schon sauer werden lässt, ist daher ein Schlüssel für das Misslingen des Gesprächs. Um zu verstehen, was hier genau vor sich geht, ziehen wir Friedemann Schulz von Thun zu Rate.

Nach Schulz von Thun umfasst jede Äußerung gleichzeitig einen Sach-, Appell-, Beziehungs- und Selbstkundgabe-Aspekt. Der Hörer kann die Botschaft „vierohrig“ empfangen, das heißt, er erhält in jeder Äußerung Antworten auf folgende Fragen:– Sach-Ohr: Worum geht es meinem Gegenüber in der Sache?– Appell-Ohr: Was soll ich (oder eine andere Partei) denken, fühlen, tun auf

Grund seiner Mitteilung?– Beziehungs-Ohr: Wie redet der eigentlich mit mir (bzw. einer anderen Partei)?

Wen glaubt er vor sich zu haben? Wie steht er zu mir?– Selbstkundgabe-Ohr: Was ist das für einer? Was ist mit ihm?

Abbildung: Die vier Ohren des Empfängers (Schulz von Thun, 1981, S. 45)

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Der Hintergrund 71

Der erste Satz des Kunden, der mit zwei Büchern an die Rückgabetheke kommt, kann sich dann folgendermaßen aufschlüsseln:

„So, das muss zurückgebucht werden!“

Wenn der Kunde außerdem heute nicht zum ersten Mal da war, dann kennt die Mitar-beiterin ihn schon, hat vielleicht schon schlechte Erfahrungen mit ihm gemacht und reagiert prompt, indem sie die Botschaft im Beziehungsohr aufnimmt. Also kommt die Rache für die ungebührliche Anrede schnell. Sie denkt vielleicht: „Wenn Sie mit mir wie mit einer Bediensteten sprechen, dann bestrafe ich Sie gleich mit den Gebüh-ren. Das ist meine Macht.“

Wir sind in einem Machtspiel. Mal sehen, wer am längeren Hebel sitzt.Was kaum einer glaubt: Sie haben die Wahl, die Gesprächssituationen zu steu-

ern, sie also eskalieren zu lassen oder zu klären. Die Frage ist, ob Sie in der Situation die Einsicht und die Handlungsfähigkeit haben, außerdem noch die verschiedenen Botschaften zu hören, so dass Sie sich nicht nur von Ihren Gefühlen hinreißen lassen. Dazu braucht es etwas innere Distanz.

Wenn wir dem Gedanken folgen, dass man in dieser Situation eine Wahl hat, dann können wir uns die verschiedenen Antwortmöglichkeiten auf den verschiede-nen Ebenen der Kommunikation ansehen. Schulz von Thun schlägt verschiedene Handlungsmöglichkeiten vor:

Auf der Sachseite können Sie sich fragen: Sind die angeführten Sachverhalte– wahr? – dann in der Sache nachfragen oder anzweifeln– relevant für die Sache? – dann relativieren– hinlänglich, ausreichend für die Sache? – dann eingrenzen

Auf der Beziehungsseite können Sie handeln, indem Sie:– zurückgeben („Was du kannst, kann ich auch!“)– erkennen, dass es sich jetzt um eine Störung auf der Beziehungsebene handelt

(Warnsignal!)– zuerst die Störung beheben (Manchmal reicht es schon zu sagen, dass es nicht

persönlich gemeint war), dann inhaltlich weitersprechen

Auf der Selbstkundgabeseite können Sie handeln, indem Sie:– die Selbstkundgabe des anderen akzeptierend und verstehend zurückspiegeln– die Selbstkundgabe des anderen hören und später darauf eingehen– die Selbstkundgabe des anderen körpersprachlich kommentieren (Nicken,

Minirückmeldung Ah ja …)

TippIn einer schwierigen Situation kann man sich darüber klar werden, dass man die Wahl hat zu eskalieren oder zu deeskalieren.

TippDen anderen verstehen heißt nicht zustimmen!

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72 Schwierige Situationen mit Kunden bewältigen

Auf der Appellseite können Sie handeln, indem Sie:– Ein nein auf der Sachebene mit einem ja auf der Beziehungsebene verbinden:

„Ich stimme nicht mit Ihnen überein, aber ich akzeptiere, wertschätze Sie.“

Die Botschaft des anderen läuft beim Empfänger also durch einen vierfachen Filter. Die Interpretation hängt nun sowohl von seiner Erfahrung mit dem Menschen und seiner bisherigen Beziehung ab, wie auch von seiner eigenen Vorliebe, Gestimmtheit oder Empfi ndlichkeit.

Auf den Satz „Das müssen Sie jetzt zurückbuchen!“ hat die Mitarbeiterin also ver-schiedene Möglichkeiten zu reagieren. Und genau das ist mit dem berühmten Satz ge-meint „Der Empfänger macht die Botschaft!“ Im Volksmund heißt es übrigens „Man hört, was man hören will.“

Sie kann sowohl deeskalierend wie auch eskalierend reagieren, egal wie der Kunde seinen Satz nun gemeint hat. Die Entscheidung für eine Eskalation kann für jemanden in einer bestimmten Situation übrigens auch ganz richtig sein. Möglicher-weise möchte ich meinem Ärger in all seiner Kraft Ausdruck geben.

Die freie Auswahl des Empfängers beinhaltet auch ein Risiko, wenn der Empfän-ger überwiegend auf einem Ohr hört. Das kann dann zur Folge haben, dass egal, was man jemandem sagt, er sich zum Beispiel immer angegriff en oder ausschließlich in-formiert fühlt.

Es braucht also alle vier Ohren, um in Gesprächen von Situation zu Situation zu entscheiden, wie man reagiert.

5.2.3 Der Teufelskreis in der Kommunikation

Wir haben in unserem Beispielgespräch bereits festgestellt, dass jeder nach dem Ge-spräch vom anderen sagen wird, dass der andere angefangen habe, und dass man eigentlich nur reagiert habe. Das nennt man einen Teufelskreis der Kommunikation. Wie verläuft dieser Kreislauf?1. Die Mitarbeiterin fühlt sich vom Kunden abschätzend behandelt. Er befi ehlt ihr,

wo er sie doch eigentlich bitten müsste. In Ihrer Rolle fühlt sie sich nicht ernstgenommen und ist gekränkt.

2. Darum verhält sie sich entsprechend unfreundlich und abweisend. Um das Machtgefälle wieder herzustellen, versucht sie den Nutzer ins Unrecht zu setzen „Haben Sie denn unsere Erinnerungs-E-Mail nicht gelesen?“ Damit hat sie ihn bei einem Fehler erwischt.

3. Der Kunde fühlt sich zurechtgewiesen und schlägt nun seinerseits zurück. „Jetzt stellen Sie sich mal nicht so an.“ Und er stellt die Machtbalance wieder her, indem er sich als guten Kunden bezeichnet.

4. Das kann sie wiederum nicht auf sich sitzen lassen …

Die Eskalation geht weiter, und jeder sieht sich gezwungen, die einmal angenomme-ne Rolle auch weiter zu verfolgen. Keiner glaubt mehr, aussteigen zu können. Es ent-stehen Situationen, von denen man später sagt: „Ich weiß nicht, wie ich mich dazu habe hinreißen lassen.“

Die wichtigste Frage ist jetzt: Wie kann man den Teufelskreis beenden? Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Hoheit über die eigene Handlungsfähigkeit wie-der zu erlangen.

Zitat„Der Empfänger hat prinzipiell die freie Auswahl, auf welche Seite der Nachricht er reagieren will.“(Schulz von Thun, Miteinander reden 1, S. 45)

Zitat„Die ausgewogene ‚Vierohrigkeit‘ sollte zur kommunikations-psychologischen Grundausrüstung des Empfängers gehören.“(Schulz von Thun, Miteinander reden 1, S. 46)

TippErkenntnis schafft Distanz! Dabei hilft ein veränderter Blickwinkel.

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Was lässt manche Menschen schwierig werden? 73

Was kann die Mitarbeiterin tun:1. Sie kommt zu der Erkenntnis: Nicht der andere ist so, sondern das Ganze ist

Folge einer Beziehungsdynamik, an der ich teil habe. Damit erkennt sie auch ihre Beteiligung an der Situation und erlangt ihre Handlungsfähigkeit wieder.

2. Sie gibt der Situation einen anderen Rahmen, das nennt man Reframing. Der Begriff Reframing stammt aus der systemischen Familientherapie nach Virginia Satir. Er beschreibt die Möglichkeit, eine Situation umzudeuten. Man steigt aus seinem gewohnten Deutungsrahmen aus. So kann die Mitarbeiterin das Verhal-ten des Kunden aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Die Aggressivität deutet sie zum Beispiel weniger als Angriff gegen sich, sondern als Suche nach Aufmerksamkeit. Er braucht für seine Anliegen und seine für ihn ganz besonde-re Situation Beachtung und Aufmerksamkeit.

3. Sie steigt bewusst aus dem Teufelskreis aus. Auf die Aussage „Ich bin ein guter Kunde …“ könnte Sie eine Beziehungsbotschaft setzen: „Das stimmt, wir kennen uns ja auch schon eine Weile, ich schau mal nach …“

Das ist übrigens auch eine Anerkennung seines Bedürfnisses, beachtet und geachtet zu sein.

4. Beide erkennen, dass sie sich in einer Sackgasse befi nden. Sie führen nun ein Meta-Gespräch: Beide sprechen über den gemeinsamen Teufelskreis in diesem Gespräch.

Aus dem Teufelskreis der Kommunikation kann man also durch einen bewussten Pro-zess aussteigen.

5.3 Was lässt manche Menschen schwierig werden?5.3.1 Ein Beispiel

Stellen Sie sich folgende Situation vor:

Es ist Freitagmorgen. Sie wollen nur mal eben beim Bürgerservice Ihrer Stadt Ihren bestellten Personalausweis abholen. Anschließend müssen Sie zur Arbeit. Sie stellen sich in der Schlange hinter dem Diskretionsstreifen an. Es sind noch vier Personen vor Ihnen. Sie müssen in ein paar Minuten zur Arbeit, haben schon ein unangenehmes Gespräch mit der Nachbarin hinter sich und brauchen den Personalausweis heute dringend, da sie am Montag in den Urlaub fahren wollen … und zwar früh. Wenn Sie das heute nicht schaff en, gibt es Ärger … mit Ihrem Chef, wenn Sie zu spät kommen, mit Ihrem Mann, wegen des Urlaubs … Das alles geht Ihnen durch den Kopf. Und vor Ihnen am Schalter ist eine ältere Dame, die viele Fragen und off ensichtlich viel Zeit hat. Als sie dann endlich an der Reihe sind, fahren Sie die Ihrer Meinung nach viel zu langsam arbeitende Mitarbei-terin an:

„Na endlich, ich brauche meinen Personalausweis.“

Was ich damit sagen will: Wir werden alle manchmal schwierig. Dann ist es hilfreich, die Person und ihr Verhalten voneinander zu trennen. Es sind also Verhaltensweisen, die andere manchmal als schwierig erleben. Übrigens ist dieses Erleben ebenso sub-jektiv. Es kann sein, dass die Kollegin neben Ihnen das Verhalten eines Kunden ganz gelassen als etwas schrullig, aber nicht weiter störend bewertet. Sie dagegen bringt die Nörgelei auf die Palme.

Die Entscheidung, eine Situation oder einen Menschen als schwierig wahrzuneh-men, hängt also ab von:1. Ihrer eigenen Stimmung: Wie ist Ihre Tagesform? Was ist heute schon vor-

gefallen?

Zitat„Die Dinge unter einem neuen Gesichtspunkt sehen, anders betrachten, von einer anderen Warte aus betrachten, das ist Reframing.“(Krusche, Der Frosch auf der Butter, S. 184)

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2. Ihrer Betrachtungsweise der Situation: Welche Verhaltensweisen halten Sie für schwierig? Wie sind Ihre Normen und Werte? Darf man sich über vermeintlich Ungerechtes aufregen?

3. Der Situation in der Umgebung: Was geschieht um Sie herum, ist es hektisch oder ruhig? Gibt es Zuschauer, oder sind Sie alleine mit dem Kunden?

4. Ihre eigene Verarbeitungsform solchen Verhaltens: Verdrängen oder akzeptieren Sie es als Teil des eigenen Verhaltens.

Zwei Denkmuster erweisen sich hierbei als vorherrschend:Ich bin wie du. Und das Verhalten, das ich bei dir sehe, ärgert mich an mir. Ich leugne es ab,

und deshalb macht es mich aggressiv, wenn ich es bei anderen sehe.

Ich bin nicht wie du. Sei doch normal, so wie ich!Ich halte meine eigenen Werte, Gefühle, Wahrnehmungen und Normen für normal. Andere halte ich deshalb für nicht akzeptabel.

5.3.2 Menschliche Bedürfnisse und Aggressionen

Menschen verarbeiten Frustrationserlebnisse sehr unterschiedlich. Und es kommt in der Bibliothek meist dann zu konfl iktträchtigen Situationen, wenn das Bedürfnis ei-nes Kunden nicht gestillt wird, er also frustriert wird. Insofern können Sie sich auch als derjenige verstehen, der dem Kunden im Weg steht. Sie hindern ihn aus seiner Sicht zum Beispiel daran:– zu seinem Buch zu kommen– einen ruhigen Arbeitsplatz zu fi nden– seine Masterarbeit erfolgreich zu beenden– die CD auszuleihen– das Telefonat jetzt zu führen

Das Nicht-Erfüllen von Bedürfnissen kann Aggressionen erzeugen. Für manche ist es ein Grund, eine Situation als Konfl ikt zu erleben.

Ich habe die verschiedenen menschlichen Bedürfnisse, angelehnt an Maslows Bedürfnispyramide (Maslow, Motivation und Persönlichkeit, 1977) hier aufgelistet. Man kann sich gut vorstellen, wie sich die Grundbedürfnisse aus diesem Modell auch auf die Bedürfnisse von Kunden in der Bibliothek übertragen lassen.

Zitatfrei nach GlaslDer andere:– denkt, nimmt wahr– fühlt– willanders als ich, und dadurch fühle ich mich in meinem Handeln oder Fühlen beeinträchtigt.(Glasl, Selbsthilfe in Konflikten, S. 24)

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Was lässt manche Menschen schwierig werden? 75

Menschliche Bedürfnisse, Motivation und Aggressionen liegen nah beieinander. Wer-den Bedürfnisse nicht erfüllt, so kann das zu Frustration und bei manchen Menschen zu Aggressionen führen. Die Verarbeitung von Frustrationserlebnissen führt aber nicht zwangsläufi g zu Aggressionen. Manche Menschen ziehen sich stattdessen ge-knickt zurück, andere suchen aktiv nach einer neuen Lösung.

Um Frustrationserlebnisse und die Verärgerung von Kunden zu verringern, er-greift man in vielen Bibliotheken verschiedene Maßnahmen. Es geht also darum, die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden soweit es möglich ist, zu erfüllen.

5.3.3 Wie wir den Konflikt betrachten – Verschiedene Konfliktebenen

Manche Menschen werden auch deshalb schwierig, weil sie die Ebenen, auf denen ein Konfl ikt sich abspielt, vermischen. Ein erster Schritt für die Bewältigung von Kon-fl iktsituationen ist es, sie richtig einordnen zu können. Auch diese kognitive Fähigkeit schaff t Distanz und erhöht die Handlungsfähigkeit.

Konfl ikte lassen sich auf den folgenden drei Ebenen beobachten:Intrapsychische Konfl ikte: Konfl ikte im Inneren der Person Interpsychische Konfl ikte: Konfl ikte mit anderen Extrapsychische Konfl ikte: Konfl ikte mit der Umwelt, mit Institutionen

Beispiele zu den einzelnen Konfl iktebenen:1. Konfl ikte mit mirIch muss mich zwischen zwei Zielen entscheiden, die ich für gleich wertvoll halte.

Beispiel: Ein Angestellter mit guten Karriereaussichten in der Firma erhält ein attraktives Angebot von der Konkurrenz.Oder ich muss mich zwischen zwei gleich schlechten Lösungen entscheiden.

Beispiel: Ein Mitarbeiter wird mit einer Terminarbeit nicht fertig. Der Vorgesetzte muss ihn entweder zur Rede stellen, was er scheut, oder die Arbeit am Wochenende selbst zu Ende bringen, was ihm auch nicht behagt.

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2. Konfl ikte mit anderen Der andere stellt für mich eine Beeinträchtigung dar, da ich ihn mit mir unvereinbar im Denken, Vorstellen, Wahrnehmen oder Fühlen oder Wollen erlebe.

Beispiele: Der andere erledigt eine Arbeit überhaupt nicht so, wie ich es für richtig halte.Der andere erlebt eine Situation völlig anders, als ich sie erlebe.Ich fühle mich vom anderen nicht so gemocht, wie ich es mir wünsche.

Zentral ist, dass einer von beiden die Unvereinbarkeit als Schaden oder Kränkung für sich erlebt. Alles andere sind lösbare Probleme, keine Konfl ikte.

3. Konfl ikte mit der Außenwelt (z. B. Organisationen)Die Bedingungen, die die Außenwelt, wie zum Beispiel eine Firma stellt, sind unver-einbar mit meinen Anschauungen. Der Unmut richtet sich dann gegen eine Institu-tion und nicht zwangsläufi g gegen die dort arbeitenden Personen. Solche Konfl ikte erlebt zum Beispiel jemand, der mit pazifi stischer Einstellung in einem Unternehmen arbeitet, das Waff en herstellt. Oder jemand, der Kunde einer Versicherung ist, die die Beiträge ohne erkennbaren Nutzen für den Kunden erhöht.

Die Benutzungsordnung mit ihren Regelungen, wie zum Beispiel der Säumnis-entgelte, stellt für einige Benutzer ein Hindernis dar, und die Bibliothek wird zum Gegner.

Wichtig ist, die Konfl iktebenen zu unterscheiden und entsprechend zu entschei-den, wo sie zu bearbeiten sind. Manche Menschen, die über sich selber verärgert sind, übertragen dann anklagend ihren Ärger auf die vermeintlich schuldige Person.

Beispiel: Für die Tatsache, dass jemand Säumnisgebühren zahlen muss, macht er die zuständige Mitarbeiterin verantwortlich oder das Bibliothekssystem oder un-lesbare Schilder. So können sich Konfl ikte zwischen den unterschiedlichen Ebenen bewegen.

TippEs schafft Distanz zu verstehen, auf welcher Ebene sich der Konflikt bewegt: wirklich zwischen zwei Personen, im Inneren der einen Person oder gegenüber der Organisation, wie zum Beispiel der Benutzungsordnung.

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Das Dilemma der guten Mitarbeiterin 77

So kann es für den Kunden aussehen: Weil Sie nicht bereit sind, ein Buch über das mögliche Maß zu verlängern, kann

er nicht weiter arbeiten und bekommt Probleme beim Abschluss seiner Masterarbeit. Er macht dabei Folgendes:

1. Er bringt das Problem, – Regelung der Bibliothek – also ein extrapsychisches Problem auf die persönliche Ebene zwischen Ihnen beiden.

2. Er macht Sie zur Täterin und klammert sich selbst als Handelnden aus.3. Er unterstellt möglicherweise, dass Sie das ausschließlich bei ihm so machen

und eskaliert damit die Situation. (Absichtsunterstellung)

Im Gespräch wird man sicher nicht immer so viel Umsicht haben, solche distanz-schaff enden Gedanken zu denken. Das klappt manchmal erst im Nachhinein. Aber in den meisten Fällen ist schon der Gedanke rettend, dass man nicht wirklich persönlich gemeint ist. Einzige Ausnahme, wenn Sie selber zu Verschärfung der Situation beige-tragen haben, dann „Hand aufs Herz“, sind Sie selber Teil des Konfl iktes!

Konfl ikte können sich aus der Konfusion zwischen Sach- und Beziehungsebene entwickeln. So kann eine Situation, die sich gerade noch auf ein Sachproblem bezog, plötzlich völlig „aus dem Ruder laufen“ und sich nur noch auf der Beziehungsebene bewegen. Da geht es nur noch darum, Recht zu behalten oder das Gesicht zu wahren. Watzlawick (Watzlawick, Menschliche Kommunikation, S. 83) zitiert eine wunderbare Geschichte aus Alice im Wunderland, die es auf den Punkt bringt.

„Ich verstehe nicht, was Sie mit ‚Glocke‘ meinen“, sagte Alice.Goggenmoggel lächelte verächtlich. „Wie solltest du auch – ich muss es dir doch zuerst sagen. Ich meinte: ‚Wenn das kein einmalig schlagender Beweis ist!‘„Aber ‚Glocke‘ heißt doch gar nicht ein ‚einmalig schlagender Beweis‘“, wandte Alice ein.„Wenn ich ein Wort gebrauche“, sagte Goggenmoggel in recht hochmütigem Ton, „dann heißt es ge-nau, was ich für richtig halte – nicht mehr und nicht weniger.“„Es fragt sich nur“, sagte Alice, „ob man Wörter einfach anders heißen lassen kann.“„Es fragt sich nur“, sagte Goggenmoggel, „wer der Stärkere ist, weiter nichts.“

5.4 Das Dilemma der guten Mitarbeiterin

Die Mitarbeiterin in der Bibliothek, die sich gerne kundenorientiert verhalten möch-te, hat in den kritischen Situationen mit Kunden ein echtes Problem. Sie steckt in einem Rollenkonfl ikt. Einerseits ist sie in der Rolle als repräsentative Vertreterin der Bibliothek. Hier geht es ihr darum, gemeinsame Verhaltensstandards zum Umgang mit Kunden umzusetzen, wie Freundlichkeit, Zugewandtheit oder Serviceorientie-rung. Andererseits ist sie in der Rolle derjenigen, die die Regelungen der Bibliothek

TippDenken Sie in der Situation:„Ich bin nicht gemeint. Den Ärger würde jetzt jeder Kollege abbekommen.“

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78 Schwierige Situationen mit Kunden bewältigen

umsetzen muss, die den Kunden nicht immer gefallen. So muss sie sie auff ordern, Jacken und Taschen draußen zu lassen oder nicht mit dem Handy zu telefonie-ren. Das allein ist schon ein Dilemma, sie muss Grenzen der Dienstleistung formu-lieren.

Von diesem Spagat berichten viele Teilnehmerinnen in meinen Seminaren. Ihre konkrete Frage dabei lautet:

Wie kann ich Regelungen umsetzen und gleichzeitig kundenorientiert sein?Wie kann ich freundlich Grenzen setzen?Das klappt in unproblematischen Situationen mit Kunden gut. Schwierig wird es,

wenn Kunden Regelungen nicht akzeptieren oder unangenehm werden. Dann erlebt die Mitarbeiterin verschiedene Formen von Druck:1. Sie will den Anforderungen der verschiedenen Interessen gerecht werden,

denen der Bibliothek und denen des Kunden.2. Sie will gelassen, freundlich und souverän wirken.3. Sie will das Anliegen zügig, aber genau bearbeiten.4. Sie hat noch einen eigenen Anspruch an die Richtigkeit ihrer Auskunft.

Angesichts dieses Drucks fragen viele Seminarteilnehmer auch danach, ob sie sich denn alles gefallen lassen müssen. Die Frage hat oft den Hintergrund, dass unter dem Begriff „Kundenorientierung“ fälschlich verstanden wird, der Kunde könne sich al-les, die Mitarbeiter gar nichts erlauben.

Also muss ich mir alles gefallen lassen?

Nein, Sie haben das Recht:– das Gespräch zu beenden– auf den unangemessenen Tonfall des anderen hinzuweisen– jemanden zur Hilfe zu holen– im Notfall von Ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen

Das alles sollten Sie natürlich situationsangemessen tun. „Nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen.“ Das heißt, jeder hat seine eigene Toleranzgrenze. Die sollten Sie aber beachten, da Sie ansonsten nicht weiterhin selbstbewusst und freundlich mit Kunden umgehen können.

5.5 Die Entschärfung der Situation

Am besten ist es, wenn die Situation gar nicht erst eskaliert, wenn man sie schon frühzeitig durch sein eigenes Verhalten deeskalieren kann. Das ist besonders erstre-benswert in Situationen, in denen Sie einerseits Grenzen setzen müssen und gleich-zeitig serviceorientiert bleiben wollen.

Ein Kunde steht vor Ihnen und hätte gerne etwas, das Sie ihm nicht anbieten, ge-statten, gewähren können. Das ärgert den Kunden. Was können Sie in einer solchen Situation maximal erreichen:1. Der Kunde bleibt ruhig.2. Der Kunde akzeptiert die Situation.3. Der Kunde ist zwar nicht glücklich über die Lösung, ist aber sehr zufrieden mit

Ihrem Verhalten.4. Er geht mit der für ihn zweitbesten Lösung.5. Er geht mit einer von Ihnen vorgeschlagenen neuen Lösung für sein

Problem.

Zitat„In der Gesprächssituation muss der Mitarbeiter den eigenen Intra-rollenkonflikt bewältigen (…).“(Becker, Kollegiales Feedback, S. 348)

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Formulierungstipps – kleines Glossar der hilfreichen Worte 79

Ein Lösungsansatz zur Entspannung der Situation:

Übung: Grenzen setzen und serviceorientiert bleiben1. Überlegen Sie sich ein Beispiel: Was müssen sie als Mitarbeiterin ablehnen: Ein Buch aus dem Präsenzbestand ausleihen, Kopien für den Kunden machen, Ausleihen ohne Ausweis …..2. Üben Sie folgende innere Haltung

– Der Kunde ist richtig, egal wie unmöglich mir sein Ansinnen erscheint. In seiner eigenen Logik ist sein Anspruch völlig schlüssig.

– Ich bin richtig, mit meinem Wissen, mit dem was ich auch nicht weiß, und dass ich jetzt hier sitze.

3. Üben Sie Ihr Verhalten:– Ich bin freundlich entwaff nend.– Ich versetze mich selbst in eine konstruktive vorschlagende Haltung.– Ich versuche mich in den Kunden hineinzuversetzen, sein Anliegen zu verstehen und an

einer Lösung zu arbeiten.– Ich bemühe mich, die Denkrichtung des Kunden zu ändern hin zu „Was geht“ anstatt „Was

geht nicht.“4. Trainieren Sie Ihre Sprache:

– Anbieten und vorschlagen – Positiv formulieren– Aktiv formulieren

Die Formulierungsvorschläge fi nden Sie in der folgenden Liste.

Es schleichen sich im Alltag viele Redewendungen ein, die, ohne dass wir es merken, für den anderen unfreundlich, formal oder bevormundend wirken.

Viele haben sich ein unnötiges vorauseilendes oder entschuldigendes Bedauern in Stimme und Sprache angewöhnt, wenn Sie jemanden über seine Mahngebühren informieren. „Leider sehe ich auf Ihrem Konto 10 Euro Mahngebühren.“

5.6 Formulierungstipps – kleines Glossar der hilfreichen Worte

Formulierungen, die ……anregen: …aufregen:

Anbieten– Sie können …– Versuchen Sie doch mal Folgendes …– Wie wäre es, wenn …– Probieren Sie …– Ich schlage Ihnen vor …– Ich biete Ihnen an …– Ich helfe Ihnen dabei.– Ich zeige Ihnen …– Schauen Sie mal …– Ich komme mit Ihnen ans Regal.

Verbieten– Sie dürfen nicht …– Sie müssen …– Es ist verboten …– Es ist Ihnen untersagt …– Das geht nicht!– Das müssen Sie alleine machen.– Da könnte ja jeder kommen.– Das war noch nie anders.

Positive Formulierungen– Wir haben hier …– Was wir tun können, …– Möglich ist …– Unsere Öff nungszeiten sind von …bis …– Wir fi nden einen Weg.– Das bekommen wir schon hin.

Negative Formulierungen– Leider haben wir …– Sie können nur …– Nein, leider …– Das geht nicht …– Unsere Öff nungszeiten sind leider begrenzt …

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80 Schwierige Situationen mit Kunden bewältigen

Die Denkrichtung ändern– Sie haben eine andere Möglichkeit ….– Eine Alternative zu der Zeitschrift ist ….– Stattdessen könnten wir Folgendes

versuchen …– Sie können stattdessen …– Wir haben übrigens …– Ich schlage Ihnen vor …

Tipps für die Zukunft – Beim nächsten Mal …– Es gibt übrigens bei uns …, dann passiert

Ihnen das nicht mehr …– Ich habe einen Tipp für Sie …– Damit Ihnen das nicht noch einmal

passiert, können Sie …

Die Denkrichtung beibehalten– Eine Alternative gibt es nicht …– Ich kann Ihnen da nicht helfen …– Anders geht es leider nicht.– Nein!

Belehren– Haben Sie denn nicht gelesen …?– Sie müssten doch eigentlich wissen …– Sie haben doch die Benutzungsordnung un-

terschrieben, dann müssten Sie doch wissen, dass …

– Da müssen Sie eben eher kommen.– Sie sind doch schon länger hier, und wissen

immer noch nicht …

Bürokratische Formulierungen– Dafür bin ich nicht zuständig.– Laut Benutzungsordnung …– Da müsste ich Sie an die Information verwei-

sen.

Einige Worte haben es in sich, wenn man sie zu häufi g oder zu entschuldigend und unentschlos-sen verwendet:…Leider … eigentlich … nur.Ebenfalls heikel sind Ironie und Zynismus.Die Ironie kann noch gut funktionieren, wenn der andere Humor hat. Bei Zynismus muss man sicher seine eigene Haltung überprüfen.

5.7 Kommunikative Basics für schwierige Situationen

5.7.1 So tun als ob

Eine Änderung der äußeren Haltung bewirkt auch eine Änderung der inneren Hal-tung. Das ist das Prinzip, das uns Brecht mit seinem Satz nahe bringt. Sie können das für sich nutzen, indem Sie zum Beispiel den Einfl uss Ihrer äußeren Haltung auf Ihr Innenleben erspüren.

Übung:Lehnen Sie sich lesend zurück!Was bewirkt das in Ihrem Inneren? Aktivität? Entspannte Passivität?

Setzen Sie sich mit dem Buch auf die Stuhlkante, richten Sie sich auf, heben Sie den Kopf!Was bewirkt diese Haltung in Ihrem Inneren? Passivität, Aufmerksamkeit?

Zitat„Wenn die Füße höher liegen als das Gesäß, ist die Rede eine ande-re, und die Art der Rede ändert den Gedanken.“ (Bertolt Brecht, zitiert in Ritter, Das gestische Prinzip, S. 49)

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Kommunikative Basics für schwierige Situationen 81

Und jetzt stellen Sie sich diese Möglichkeit auch in einer schwierigen Situation mit ei-nem Kunden vor, der Sie in Ihrer Rolle vielleicht versucht klein zu machen. Richten Sie sich auf, straff en Sie die Schultern und tun Sie so, als wären Sie sicher. Wenn sie diese Haltung einnehmen, kann sie sich auch nach innen übertragen und sie bewirkt beim Gegenüber, dass er Sie als sicher erlebt. Dies kann ein positiver Kreislauf werden.

Wir können also die Möglichkeit nutzen, durch eine Veränderung der Körperhal-tung sowohl nach innen wie nach außen zu wirken.

5.7.2 Distanz wahren

Im Umgang mit Kunden gibt es eine Zauberformel, die lautet „Distanz wahren“. Und obwohl oder gerade weil Sie Distanz wahren, können Sie freundlich, zugewandt und ab und zu auch mitfühlend sein. Das ist kein Widerspruch. Im Gegenteil, erst wenn Sie die richtige Mischung aus Nähe und Distanz gefunden haben, können Sie locker und freundlich sein.

Und an schlechten Tagen rettet Sie eine professionelle Distanz auch einfach mal durch den Tag.

Wie stellt man Distanz her?Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Distanz oder Nähe zu einem Gesprächspart-

ner herzustellen. Die erste Möglichkeit, die uns einfällt, wenn wir Distanz zu jeman-dem herstellen wollen, ist, den räumlichen Abstand zu ihm zu vergrößern. Aber das ist nur eine Möglichkeit von vielen. Christa Heilmann (Körpersprache, S. 89 ff .) teilt die Distanzbereiche in den verbalen, den paraverbalen und den extraverbalen Bereich ein.

1. Die verbale EbeneSie können jemanden bitten, etwas Abstand zu halten. Das erfordert als erstes die Wahrnehmung, dass die Abstandsituation für Sie nicht passend oder unangenehm ist. Zum anderen erfordert es den Mut, die Bitte auszusprechen, da Sie vielleicht die Beziehung nicht durch eine „Zurückweisung“ belasten möchten. Hier kommt es wie fast immer auf den Ton und die Formulierung an:

„Seien Sie so gut und gehen ein Stück zurück, vielen Dank.“ „Bitte halten Sie etwas Abstand, danke.“

TippSo tun als ob, macht sicher!

TippStellen Sie Distanz her:Durch das, was Sie sagen – verbalWie Sie es körpersprachlich ausdrücken – extraverbalWie Sie es stimmlich und sprecherisch sagen – paraverbal

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82 Schwierige Situationen mit Kunden bewältigen

2. Die extraverbale EbeneSie können die räumliche Distanz zum Gesprächspartner verändern. Das können Sie durch eine Bewegung im Raum schaff en, wie zum Beispiel einen Schritt nach hinten oder eine Höhenveränderung. Sie richten sich auf oder beugen sich über den Computer.

Aber auch kleine Veränderungen der Körpersprache können Distanz herstellen. Da reicht es zum Beispiel den Kopf zu drehen oder den Winkel zwischen sich und dem Gesprächspartner zu verändern. Die tatsächliche Entfernung bleibt bestehen, aber die subjektive Distanzwahrnehmung verändert sich.

Auch mit Hilfe der Gestik können wir Distanz oder Nähe regulieren. Die ausge-streckte Hand stellt Nähe her, die man wieder verringert, wenn die Hand zurückge-nommen wird.

Und schließlich geben wir auch durch die Mimik Distanzsignale. Man stelle sich nur die gehobenen Augenbrauen vor. Hier geht es weniger um räumliche als vielmehr um emotionale Distanzierung. Kleine Bewegungen der Augenbrauen oder der Mund-winkel können dies schon bewirken.

Wahrscheinlich kennt auch jeder das Phänomen des „eisigen“ Gesichtsaus-drucks. Hier friert tatsächlich etwas ein, nämlich der Kontakt. Auch dies kann dem anderen sagen: „Bleiben Sie auf Abstand!“

Dass Blicke töten können, hat vielleicht jeder schon einmal erlebt, also ist auch der Blickkontakt eine Möglichkeit, Distanz oder Nähe zu regulieren. Den Blick abwen-den kann dem anderen einen Distanzwunsch signalisieren.

3. Die paraverbale EbeneAuch über Lautstärke, Tonhöhe, Sprechtempo, Tonfall oder Artikulation können Sie Distanzsignale aussenden. So wie die Mimik Unnahbarkeit ausstrahlen kann, so kön-nen Sie das auch durch Ihren Tonfall bewirken.

Versuchen Sie es: Legen Sie Wärme und Zugewandtheit in Ihre Stimme oder im Gegensatz dazu, all Ihre Eisigkeit.

Aber auch durch extreme Lautstärke können Sie jemanden auf Abstand halten.

Übung:Verteidigen Sie Ihren Distanzraum, wenn es nötig ist.

Verbal:Wie kann Ihr Satz lauten, mit dem Sie jemanden um Distanz bitten?

Extraverbal:Üben Sie in Ihrer Arbeitssituation körpersprachliche Signale der Distanzierung. Stellen Sie sich vor, Sie stehen mit jemandem am Regal und zeigen ihm die gesuchten Bücher. Testen Sie den Abstand und den Winkel, in dem es für Sie angenehm ist, zu der Person zu stehen.

Paraverbal:Üben Sie an einem Beispielsatz verschiedene eindeutige Stimmungen:„Kommen Sie bitte mit, ich zeige Ihnen das Buch am Regal.“freundlich – warm und mit Melodiestreng – viel Sprechspannung, scharfe Stimmegelangweilt – wenig Sprechspannung, geleierter Tonfall

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5.7.3 Die Flucht nach vorn antreten

Anstatt zu versuchen, den Schein zu wahren, gehen Sie in die Off enheits-Off ensive. Wenn der Kunde merkt, dass Sie unsicher sind, geben Sie es zu. Seien Sie entwaff -nend ehrlich.

Es ist ein Zeichen von Sicherheit, Unsicherheit zugeben zu können. Meist stößt es auf Verständnis und Bewunderung oder zumindest Verwunderung.

Auf die provokante Äußerung: „Na, habe ich Sie jetzt verunsichert?“ könnte Ihre Antwort sein: „Ja tatsächlich, ich bin ja noch nicht so lange dabei, und Ihr Verhalten verunsichert mich.“

Es gibt einen wichtigen Einwand gegen dieses Verhalten. Man fürchtet, dass der-jenige, der die Schwäche des anderen entdeckt hat, ihn das noch mehr spüren lässt und ihn noch weiter „fertig macht“. Wahrscheinlich gibt es wirklich einige wenige Menschen, die genau das tun. Hier gilt es, das nötige Gespür zu entwickeln, wann genau man auf keinen Fall eine Schwäche zugeben sollte.

5.7.4 Verlierer und Schein-Sieger

In einem meiner Seminare sagte jemand: „Klar beleidige ich den, schließlich will ich gewinnen und nicht verlieren.“

Wir stellten uns die Frage, was denn genau der Gewinn sein könnte, und was man von diesem Gewinn haben könnte. Der Gewinn könnte der Erhalt der eigenen Selbst-achtung sein oder auch die Selbsteinschätzung „Ich bin stärker, besser, mächtiger als der andere.“ Also auf den ersten Blick ein durchaus erstrebenswerter Gewinn.

Natürlich gibt es für die meisten Menschen einen Haken an der Geschichte. Der Haken ist die Frage nach den Folgen für mich, für uns beide, für die Sache. Oft bleibt ein eher schales Gefühl zurück.

Außerdem haben solche „Siege“ die Tendenz, weitere Gefechte nach sich zu zie-hen. Dass der andere verloren hat, wird er Ihnen nicht verzeihen und sich eine Re-vanche ausdenken.

Übung: Wenn Sie in einem Gespräch den Eindruck haben, das Gefecht gewonnen zu haben, fragen Sie sich anschließend: Wie fühlte ich mich eine Stunde nach dem Gespräch?

5.7.5 Eigene Irrtümer vermeiden

Kommunikativer Irrtum Nummer 1: Der andere hat die gleichen Infos wie ichStellen Sie sich vor, Sie schreiben einer Freundin eine Mail, in der Sie sie zu einem

Treff en einladen. Leider hat der Mailserver der Freundin ein Problem, und Sie erhält die Nachricht nicht. Nachdem sie sich lange nicht gemeldet hat, gehen Sie davon aus, dass sie kein Interesse an dem Treff en hat. Sie prüfen, welche Anzeichen für den Bruch der Freundschaft es vorher schon gegeben hat, und natürlich fi nden Sie auch welche. Als Sie sich das nächste Mal zufällig treff en, bleiben Sie zunächst reserviert.

Wie kann das in der Bibliothek aussehen? Ein einfaches Beispiel:An den Türen hängen seit einigen Tagen Aushänge über eine einmalige frühere

Schließungszeit der Bibliothek. Als ein Kunde vor Ihnen steht und kurz vor Schluss noch eine ausführliche Beratung wünscht, gehen Sie davon aus, dass er doch genau weiß, dass Sie heute früher schließen.

TippVerunsicherung zugeben, kann eine Stärke sein.

TippÄndern Sie die eigene Denk-richtung, der andere ist vielleicht nur ein Schein-Sieger.

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84 Schwierige Situationen mit Kunden bewältigen

Übung:Prüfen Sie innerlich erst einmal, ob alle Bedingungen für Ihre Annahme stimmen und klären Sie bes-ser einmal mehr als einmal zu wenig: „Sie haben es vielleicht nicht gesehen, aber wir schließen heute wegen einer Betriebsversammlung früher …“

Kommunikativer Irrtum Nummer 2: Es gibt nur eine WahrheitInteressanterweise gehen wir in einer Situation davon aus, dass sie völlig ein-

deutig war, nämlich so, wie wir sie erlebt haben. Dass Wahrheit relativ ist, wissen wir eigentlich, dennoch hält sich hartnäckig der Eindruck von Eindeutigkeit. Ganz beson-ders in emotional aufgeladenen Situationen geht jede der Parteien von der eigenen Deutungshoheit aus. In der Auswertung vieler Rollenspielgespräche zeigt sich immer wieder, dass beide Parteien die Situation und besonders die eigene Beteiligung an der Situation sehr unterschiedlich beschreiben. Es gibt also mehr als eine Wahrheit in der Situation.

Übung:Bitten Sie eine beobachtende Kollegin nach einem schwierigen Gespräch mit einem Kunden mal um ihre Beschreibung der Situation. Was hat sie gesehen und gehört? Und was haben Sie als Beteiligte gesehen und gehört?

Kommunikativer Irrtum Nummer 3: Die selbsterfüllende ProphezeiungMit der selbsterfüllenden Prophezeiung erzeugen wir durch unser Verhalten im-

mer wieder die Reaktion, die wir erwarten. Glauben wir zum Beispiel fest daran, dass uns keiner mag, so erleben wir im Verhalten der anderen Menschen immer wieder Ablehnung, also eine Bestätigung unserer Überzeugung. Diese Wirkung erzeugen wir selbst, indem wir uns möglicherweise selber ablehnend, misstrauisch und unfreund-lich verhalten. Wir zwingen gewissermaßen dem anderen die Verhaltensweise auf, die wir erwarten.

Ist man davon überzeugt, dass man sich nicht durchsetzen kann, dann verhält man sich möglicherweise unsicher, zögerlich und matt. Kein Wunder also, dass der andere sich nicht überzeugen lässt.

Übung:Kennen Sie solche „Selbsterfüllenden Prophezeiungen“? Wenn ja, dann achten Sie mal darauf, wie Sie dadurch das Verhalten anderer steuern.

5.8 Fallbeispiele

5.8.1 Typologie nach Fritz Riemann

Um menschliches Verhalten etwas besser verstehen zu können, haben Psychologen Modelle entwickelt, mit denen sie menschliches Verhalten einer Typologie zuordnen. Eine bekannte Typologie ist die von Fritz Riemann. Er hat sie in seinem Buch Grund-formen der Angst näher beschrieben.

Fritz Riemann geht davon aus, dass jeder Mensch von Grundimpulsen bewegt wird. Er glaubt, dass es sich dabei um individuelle Bewältigungsmuster handelt, mit denen Menschen auf ihre Umwelt reagieren.

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Fallbeispiele 85

Angst tritt immer dann auf, wenn wir einer Situation nicht oder noch nicht ge-wachsen sind. Alles Neue und Unbekannte kann neben der Neugier auf dieses Un-bekannte und der Lust am Abenteuer auch Angst verursachen. Damit ist jeder Ent-wicklungsschritt, den wir machen, immer wieder mit Angst verbunden. Wenn wir sie überwunden haben, machen wir die entsprechenden Entwicklungsschritte und reifen daran. Das Modell unterscheidet die Gegensatzpole Nähe und Distanz sowie Dauer und Wechsel. Diese Pole sind in unterschiedlicher Ausprägung bei jedem Men-schen vorhanden. Von Ihnen hängt es ab, wie wir auf Anforderungen in der Welt re-agieren.

Hilfreich an solchen Modellen ist, dass wir diesen Typen in uns selbst oder auch bei anderen Menschen begegnen. Das Modell hilft dabei, eigene Grundimpulse und Motive sowie das Verhalten anderer Menschen besser zu verstehen. In Anlehnung an Riemann kann man folgende Typen erkennen:

Typ 1: Die verstandesorientierte PersönlichkeitStreben nach Distanz und Angst vor Hingabe

Stärken Sachlichkeit, Logik, Vernunft , scharfe Beobachtungsgabe, Kritikfähigkeit, Selbständigkeit

Schwächen Misstrauen, Kontaktarmut, Unsicherheit in emotionalen Situationen, fehlen-de Einschätzung von Emotionen anderer, selber wenig emotional, kühl

Kampfmittel Zynismus, Distanz

Vermeidung Nähe, Gefühle, Hingabe

Problem im Umgang Verunsichert andere durch Unzugänglichkeit und aggressive Argumentation

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86 Schwierige Situationen mit Kunden bewältigen

Typ 2: Die gefühlsorientierte PersönlichkeitStreben nach Nähe und Angst vor Verlusten

Stärken Einfühlsamkeit, Verständnis, Geduld, Zuwendungsbereitschaft , Bereitschaft zu verzeihen, Wärme

Schwächen Konfliktscheu, Duldungshaltung, Angst vor dem Alleinsein, wenig Selbständigkeit

Kampfmittel Emotionale Erpressung, moralische Überlegenheit

Vermeidung Trennung, Eigenständigkeit

Problem im Umgang Verunsichert andere durch hohe Emotionalität, setzt andere emotional unter Druck, erzeugt Mitleid

Typ 3: Die ordnungsorientierte PersönlichkeitStreben nach Dauer und Angst vor dem Risiko

Stärken Genauigkeit, Stabilität, Ausdauer, Pflichtgefühl, Ordnungssinn, Ehrgeiz, zielstrebig und planvoll

Schwächen Zwanghaft igkeit, Übervorsicht, Uneinsichtigkeit, Eigensinn, autoritäres Verhalten

Kampfmittel Formalismus, Macht

Vermeidung Unruhe, Veränderung, Chaos, Risiko, Unvorhersehbares

Problem im Umgang Verunsichert andere durch Machtgehabe und Überkorrektheit

Typ 4: Die veränderungsorientierte PersönlichkeitStreben nach Wechsel und Angst vor dem Endgültigen, den Begrenzungen

Stärken Risikofreude, Spontaneität, Unternehmungslust, Aufgeschlossenheit, Kontaktfreude

Schwächen Selbstbezogenheit, Unzuverlässigkeit, Verletzlichkeit, wenig Ausdauer

Kampfmittel Szenen machen, flammende Entrüstung, Verallgemeinerungen

Vermeidung Ordnung, Dauer, Bindung, Verpflichtung

Problem im Umgang Verunsichert andere durch Lautstärke, schwer einschätzbare Dramatisie-rung der Situation und impulsive Aggressivität

Vielleicht haben Sie auch die eine oder andere Eigenschaft bei sich selber wieder ent-deckt? Es gibt schwache oder auch starke Tendenzen dieser Eigenschaften. Außerdem treten sie nicht in Reinform auf, sondern in einer Mischung. Riemann betont, dass jeder Mensch grundsätzlich über alle vier Grundimpulse verfügt.

Zitat„Wir haben prinzipiell immer vier Möglichkeiten, auf eine Lebens-situation zu antworten; zu jeder mitmenschlichen Beziehung, zu jeder Aufgabe oder Forderung können wir uns auf vielerlei Arten einstellen: Wir können uns er-kennend von ihr distanzieren oder uns mit ihr liebend identifi zieren; wir können sie wie ein Gesetz auf uns nehmen oder sie unseren Wünschen gemäß umzuwandeln versuchen.“(Riemann, Grundformen, S. 202–203)

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Fallbeispiele 87

Übung:Welche Tendenzen entdecken Sie bei sich?

Welche Tendenzen fi nden Sie bei anderen Menschen schwierig?

Bei den folgenden Beispielen bitte ich Sie zu berücksichtigen, dass Sie jeweils nur Tendenzen der beschriebenen Persönlichkeitstypen haben. Häufi g treten verschiede-ne dieser Eigenschaften gemeinsam auf. Man kann meist von einer vorherrschenden Eigenschaft sprechen. Es hilft oft, etwas über die hinter den Verhaltensweisen liegen-den Beweggründe zu wissen und zu verstehen, dass hinter bestimmten Verhaltens-weisen auch Grundstrukturen der Persönlichkeit liegen. Wichtig ist es, nicht grund-sätzlich davon auszugehen, dass alle Menschen so denken und fühlen müssten, wie man selbst.

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88 Schwierige Situationen mit Kunden bewältigen

5.8.2 Fünf Fälle und Handlungsmöglichkeiten

Frau Peters: Eine nörgelnde KundinTendenz: Gefühlsorientierte Persönlichkeit

Eine Kundin hat Sie schon von Weitem erspäht. Zielgerichtet kommt sie auf die Theke zu. Während sie kommt, seufzt sie hörbar und verdreht die Augen. Als sie dann bei Ihnen ist, lässt sie die Schul-tern resigniert hängen und sagt vorwurfsvoll:„Es ist mal wieder so weit, der Kopierer geht nicht mehr. Wie immer bei mir. Und nicht nur das, an al-len Arbeitsplätzen zieht es, und an jeder Ecke klingelt ein Handy. Das können Sie doch nicht wollen, dass ich mir hier was hole. Nehmen Sie mir das nicht übel, aber wie soll das denn gehen? Sagen Sie Ihren Lesern doch mal, dass das hier nicht gestattet ist. Ich will Sie ja nicht wegen dieser Kleinigkei-ten belästigen, aber darunter leide ich wirklich. Übrigens auch die Tastaturen, die sind unzumutbar. Ich weiß nicht wie die anderen Leser das machen, aber ich mag die kaum anfassen …“

Merkmal/Verhalten

Körperhaltung Wenig Körperspannung, die Arme vor dem Körper locker verschränkt, den Kopf etwas schief gelegt

Nähe/Distanz Sie kommt Ihnen nahe, so als wolle Sie Ihnen das jetzt im Vertrauen sagen

Mimik/Gestik Stirn gerunzelt, Mundwinkel heruntergezogen

Blickkontakt Eher fahrig, sie lässt den Blick über alles schweifen … vielleicht sieht sie dabei noch andere Missstände

Stimme Nörgeliger, vorwurfsvoller Tonfall, eher „quäkig“

Mögliche Bedürfnisse Sucht Nähe und Aufmerksamkeit und fürchtet sich vor Ablehnung.

ReaktionsmöglichkeitenTun– Verständnissignale senden, Aufmerksamkeit schenken– Konkrete Antworten geben – sich aber kurz fassen– Immer wieder auf das konkrete bearbeitbare Anliegen zurückführen– Konkret nachfragen: was genau, wo genau, wie genau?

Lassen– Sich nicht in die negative Stimmung hineinziehen lassen– Beleidigt reagieren– Sich nicht entschuldigen oder rechtfertigen– Keine weiteren Themenfelder anschneiden– Nicht jede Frage beantworten

Herr Karlson: Ein aggressiver KundeTendenz: Verstandesorientierte Persönlichkeit

Ein Kunde kommt schnellen Schrittes auf die Theke zu, sein Gesicht ist leicht gerötet. Noch kurz bevor er bei Ihnen angekommen ist. Sagt er mit sehr lauter Stimme:„Das kann doch wohl nicht wahr sein, hier sitzt ja tatsächlich mal jemand. Es ist ja unfassbar, wie hier mit Kunden umgegangen wird. Ohne mich vorher zu benachrichtigen, soll ich auf einmal 50 Euro Gebühren bezahlen. Sagen Sie mal ticken Sie hier nicht mehr richtig? Schon mal was von Service gehört? Ich buchstabiere es Ihnen gerne S E R V I C E, Service. Und jetzt gucken Sie sofort in Ihrem blöden Computer nach, was da passiert ist.“Während des Sprechens beugt er sich zu Ihnen rüber.

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Fallbeispiele 89

Merkmal/Verhalten

Körperhaltung VorgebeugtHohe Körperspannung

Nähe/Distanz Überschreitet bewusst den Distanzraum

Mimik/Gestik Zeigegestik auf den anderen, fuchtelt mit den Fingern

Blickkontakt Direkter AugenkontaktAnstarren

Stimme /Sprechen Kräft ige Stimme, wird lauterSchnelles Sprechtempo

Mögliche Bedürfnisse Sucht keinen persönlichen Kontakt, „gemocht werden“ ist ihm nicht wichtig.

ReaktionsmöglichkeitenTun– Antworten Sie inhaltlich.– Überhören Sie Worte wie „ticken Sie hier nicht richtig“.– Fragen Sie konkret nach dem Vorfall,

recherchieren Sie und informieren Sie gleichzeitig über das, was Sie tun.– Nehmen Sie den Blickkontakt auf, straff en Sie sich innerlich.– Bitten Sie dann um etwas Abstand, aber zeigen Sie ihm, was Sie fi nden.

Lassen– Erwarten Sie kein Verständnis von ihm.– Fühlen Sie sich nicht angegriff en.– Zahlen Sie es ihm auf keinen Fall verbal heim.Notfalls auf den Ton aufmerksam machen, möglicherweise merkt er nicht, wie sehr er sich im Ton vergreift . Er ist ziemlich unsensibel, was andere Menschen angeht.„Jetzt vergreifen Sie sich im Ton. Ich helfe Ihnen gerne weiter, wenn Sie höflich bleiben, vielen Dank.“

Herr Müller: Der besserwisserische KundeTendenz: Ordnungsorientierte Persönlichkeit

Eine Schülergruppe wartet in der Eingangshalle darauf, dass die Schulung losgeht. Es ist unruhig und etwas laut.

Da kommt Herr Müller, ein pensionierter Lehrer, auf den Auskunft sarbeitsplatz zu. Man kennt sich bereits. Die Brille auf die Nase schiebend nähert er sich Ihnen mit freundlich nachsichtigem Ge-sichtsausdruck und sagt:„Das muss ich Ihnen aber doch mal sagen, wenn Sie die Schüler da vorne im Vorraum sammeln, dann kriegen Sie da nie Ruhe rein. Ich kenne das, ich habe jahrelange Erfahrungen in dem Bereich und es ist ja so, dass immer da, wo es bereits laut ist, es noch lauter wird. Das müssten Sie doch eigentlich wissen. Also ich würde das ja ganz anders machen … es braucht da ganz klare Regeln …“

Merkmal/Verhalten

Körperhaltung Kopf leicht schief gelegt

Nähe/Distanz Hält Distanz, achtet darauf, dass auch andere ihn sehen können

Mimik/Gestik Lächelt routiniert, geübte sprechbegleitende Gestik,hebt ab und zu den Zeigefi nger

Blickkontakt Intensiver Blickkontakt

Stimme Beruhigend suggestiver Klang

Mögliche Bedürfnisse/Ängste

Er braucht Ordnung und Struktur, Chaos ist ihm ein Gräuel

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90 Schwierige Situationen mit Kunden bewältigen

ReaktionsmöglichkeitenTun– Würdigen Sie ausdrücklich seine gute Beobachtung.– Grenzen Sie dennoch ab, wie Sie es handhaben.– Schlagen Sie ihm konkret vor, wo er Verbesserungsvorschläge anbringen kann.– Fragen Sie nach seinem Anliegen, es hat ja einen Grund, dass er gekommen ist.– Straff en Sie innerlich die Schultern.– Bleiben Sie höflich und bestimmt.

Lassen– Lassen Sie sich nicht in die Schülerrolle drängen.– Streiten Sie nicht. (Er ist meist sehr geübt.)– Diskutieren Sie nicht.– Werden Sie auf keinen Fall „zickig“, das würde bedeuten, dass Sie sich angegriff en fühlen.

Herr Prof. Dr. Fred: Der arrogante KundeTendenz: Veränderungsorientierte Persönlichkeit

Ein Kunde kommt auf die Theke zu. Er ist großgewachsen und ein eleganter Mantel umweht ihn. Während er auf Sie zukommt, klingelt sein Smartphone, das er sogleich aus der Tasche zieht. Vor Ihnen stehend, nimmt er das Gespräch an. Beendet es dann aber recht schnell mit einigen hastigen „Ja jas“ und sagt zu Ihnen:

„So, ich komme ja nicht oft in die Bibliothek, normalerweise erledigen meine Hilfskräft e das. Naja, Sie wollen also, dass ich Bücher zurückgebe, die ich bereits seit vielen Jahren in meinem Büro habe. Das sind ja praktisch meine, ich habe schließlich die Anschaff ungsvorschläge gemacht. Vielleicht haben Sie ja übersehen, mit wem Sie es hier zu tun haben. Es geht auf gar keinen Fall, dass ich diese Bücher zurückgebe. Hier geht es schließlich um meine Arbeit für den Fachbereich und damit für das Image der gesamten Universität. Sie wollen doch sicher nicht, dass ich mit dieser Bagatelle den Leiter der Bibliothek behellige, oder?“

Merkmal/Verhalten

Körperhaltung AufgerichtetKopf leicht angehobenFester Stand

Nähe/Distanz Bleibt auf Distanz

Mimik/Gestik Ausholende GestikTheatralische Mimik, aufgerissene Augen

Blickkontakt Blick abschätzig von obenOder der Blick schweift über Sie hinweg

Stimme Beherrscht, sachlich, herablassend

Mögliche Bedürfnisse Wünscht sich die Aufmerksamkeit aller, will in seiner Bedeutung wahrgenommen werden.

ReaktionsmöglichkeitenTun– Lassen Sie ihm seinen Auft ritt.– Akzeptieren Sie die etwas theatralische Art.– Setzen Sie aber trotzdem Grenzen (hier die Bibliotheksregeln).– Bleiben Sie bei der Sache, reden Sie kurz und klar.– Bleiben Sie hartnäckig und bieten Sie gegebenenfalls ein Gespräch mit Ihrer Vorgesetzten an.– Kompetenzsignale setzen („Sie wissen, wovon Sie reden!“).

Lassen– Relativieren Sie sein Anliegen nicht.– Ärgern Sie sich nicht über seinen Auft ritt.– Machen Sie sich nicht lustig über ihn.– Seien Sie auf keinen Fall unterwürfi g.

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Deeskalationsstrategien – wenn es ganz schwierig wird 91

Frau Meier, eine sehr redselige KundinTendenz: Gefühlsorientierte Persönlichkeit

Eine kleine rundliche Frau kommt auf die Theke zu und schaut Sie schon von weitem freundlich an. Man sieht ihr an, dass sie schon die Worte auf den Lippen hat, und es kaum abwarten kann, bei Ihnen zu sein. Schon zwei Meter vor der Theke beginnt sie:„Hach, wie gut, dass Sie heute da sind. Sie helfen mir immer so freundlich. Heute habe ich eine ganz besondere Bitte. Sie wissen doch, dass ich mich so für Kochrezepte interessiere. Und Sie haben ja auch wirklich so tolle Kochbücher hier. Jetzt hat mir aber mein Neff e erzählt, dass man die tollsten Rezepte ja doch nur im Internet fi ndet. Ja und deswegen bin ich hier. Ich suche nämlich was Besonderes für meinen Geburtstag. Am Montag, wissen Sie, ja ein Runder, also was Besonderes. Und da will ich mal eine polnische Suppe kochen. Meine Eltern waren nämlich aus Polen … Und Sie können mir sicher zeigen, wie man das Internet bedient, nicht wahr, damit ich …“.

Merkmal/Verhalten

Körperhaltung Mittlere Körperspannung

Nähe/Distanz Würde am liebsten zu Ihnen rüber kommen, sucht den Körperkon-takt, tätschelt Ihre Hand

Mimik/Gestik Viel Gestik, bewegt die Hände immer wieder zu ihrem Gesicht, faltet sie zusammen, rollt die Augen, lacht, schneller mimischer Wechsel von aufgeregt zu besorgt, zu begeistert …

Blickkontakt Wechselnder Blickkontakt, lässt Sie aber nicht lange aus den Augen

Stimme Lebhaft , viel MelodieSchnelles Sprechtempo

Mögliche Bedürfnisse/Ängste Will von Ihnen gemocht werden und fühlt sich selbst hilflos.

ReaktionsmöglichkeitenTun– Wenn Sie wollen, lassen Sie sich auf einen „Schwatz“ ein.– Wenn nicht: Bedanken Sie sich für das Lob und kommen dann zur Sache.– Wenn Sie keine Zeit haben: Geben Sie ihr einen Tipp, wo sie noch suchen kann, dann verschieben

Sie die Beratung auf später.– Beenden Sie das Gespräch mit dem Hinweis auf andere Kunden oder auf andere Tätigkeiten.

Unterbrechen Sie den Redeschwall nachdem Sie das Anliegen verstanden haben.– Beenden Sie das Gespräch eindeutig.

Lassen– Warten Sie nicht einfach ab.– Geben Sie keine weiteren Zuhörsignale, wenn Sie nicht mehr zuhören wollen.

5.9 Deeskalationsstrategien – wenn es ganz schwierig wird

Wenn eine Situation eskaliert, wenn Sie nicht mehr wissen, was Sie tun sollen, wenn der andere Drohungen ausspricht, dann ist das Heil oft nicht mehr im Gespräch zu su-chen. Dann ist es wichtig, sich über die eigenen Handlungsgrenzen im Klaren zu sein. – Sobald es zu Tätlichkeiten kommt, sind andere Spielregeln gefragt (Schulungen

durch die Polizei).– Bei Verhaltensauff älligkeiten, die sich im pathologischen Bereich bewegen, ist

Vorsicht geboten und bei Wiederholungen ist eine Schulung „Umgang mit psychisch auff älligen Menschen“ angeraten.

– Wenn es zu gefährlichen Situationen für einzelne Mitarbeiter im Abenddienst kommt, sind andere Maßnahmen gefragt, wie ein Notfallknopf, die direkte Leitung zum Hausmeisterdienst, zum Sicherheitsdienst oder zur Polizei.

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Page 24: Leseprobe Erfolgreiche Kommunikation mit Kunden in der Bibliothek

92 Schwierige Situationen mit Kunden bewältigen

Im Umgang mit sehr aggressiven Menschen ist Vorsicht geboten. Es ist schwierig ein-zuschätzen, wann jemand handgreifl ich wird. Deshalb folgende Tipps:

Was Sie am besten …

… lassen sollten: … tun können:

– Beschwichtigen: Das vermittelt den Eindruck, Sie würden das Problem nicht ernst nehmen.

– Berühren: Das geht überhaupt nicht, der aggressive Mensch steht bereits unter Hochspannung, eine Berührung verschärft seine Lage, er fühlt sich nicht ernst genommen.

– Lachen: Verstärkt eher die Aggressionen.– Provozieren: Verschärft die Lage.

– Ruhig bleiben.– Höflich distanziert bleiben.– Abstand halten.– Hilfe holen.– Ablenken – Sitzplatz anbieten

(aus dem Konzept bringen).– Ortsveränderung.– Sich selbst anders positionieren.– Manchmal gelingt es,

mit strenger Stimme Einhalt zu gewähren.

Notfalls gilt es immer, Abstand zu halten, die Situation zu verlassen und eine deut-liche Grenze zu setzen. Dazu gehört auch der streng ausgesprochene Satz: „So jetzt reicht es! Verlassen Sie sofort die Bibliothek!“

5.10 Vertiefung

Zur Vertiefung des Themas schlage ich Ihnen vor, folgende Fragen zu beantworten.

Welcher Persönlichkeitstyp (Riemann-Typen) ist für Sie eine echte Herausforderung und welche Tipps helfen Ihnen weiter?

Überlegen Sie, welche der fünf kommunikativen Basics (Kapitel 5.7.) Sie umsetzen könnten? Stellen Sie sich eine konkrete Situation aus der Vergangenheit vor, in der es gepasst hätte.

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Page 25: Leseprobe Erfolgreiche Kommunikation mit Kunden in der Bibliothek

Deeskalationsstrategien – wenn es ganz schwierig wird 93

Was müssen wir in unserer Bibliothek tun, um bedrohliche Situationen zu verhindern?

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