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Leseprobe Lammfromm & widderspenstig Das tierische Bibel-Lesebuch 128 Seiten, 12,5 × 19,5 cm, gebunden, durchgehend farbig gestaltet, mit zahlreichen Illustrationen ISBN 9783746248097 Mehr Informationen finden Sie unter st-benno.de Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung von Text und Bildern, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen. © St. Benno Verlag GmbH, Leipzig 2016

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Leseprobe

Lammfromm & widderspenstig

Das tierische Bibel-Lesebuch

128 Seiten, 12,5 × 19,5 cm, gebunden, durchgehend farbig gestaltet, mit zahlreichen Illustrationen

ISBN 9783746248097

Mehr Informationen finden Sie unter st-benno.de

Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung von Text und Bildern, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen.

© St. Benno Verlag GmbH, Leipzig 2016

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Lammfromm widderspenstig Das tierische Bibel-Lesebuch

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Bibliografische Information der Deutschen National-bibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diesePublikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unterhttp://dnb.d-nb.de abrufbar.

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ISBN 978-3-7462-4809-7

© St. Benno Verlag GmbH, LeipzigZusammenstellung: Volker Bauch, LeipzigUmschlaggestaltung: Rungwerth Design, DüsseldorfGesamtherstellung: Kontext, Lemsel (A)

InhaltDas viel deutbare Schicksal: Adam, Eva und die Schlange 7

Bitte nicht drängeln: Noah und seine Passagiere 20

Das Geheimnis: der Esel ist kein dummes Tier 49

Die Kunst der Präzisionsarbeit: Kamele, Schafe und Co. 59

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Geständnis des Apfelwurms an der Polizeistation Himmelpforte im Jahre

3013 vor Christi

Ich, der Unterzeichnende, gebe hiermit zu Protokoll, dass ich in jenem Apfel saß, den die Schlange Frau Adam an-geblich empfohlen haben soll. Ich plädiere auf Freispruch für den Apfel, der nach offizieller Anklage an der größ-ten Katastrophe der Menschheit für schuldig befunden wurde. In meiner Funktion als umweltfreundlicher Wurm residierte ich zur fraglichen Zeit in besagter Frucht. Ich versichere an Eides statt, dass ich keinen bemerkens-werten Unterschied zwischen der sogenannten Frucht der Erkenntnis und allen vergleichbaren Obstsorten fest-stellen konnte, die ich während meines Aufenthaltes im Paradies gekostet habe. Es handelte sich zweifellos um einen Apfel wie jeder andere, vielleicht ein wenig glän-zender, in jedem Fall aber aus gängigem biologisch-dy-namischen Anbau.Nach meiner Einschätzung diente die Frucht der höchs-ten Stelle lediglich als Alibi, um die beiden herumlun-gernden Nudisten aus dem Garten Eden legal ausweisen zu können. Festzuhalten bleibt, dass hingegen meine Aufenthaltsbewilligung für das Paradies verlängert wur-de, obwohl auch ich von der Frucht der Erkenntnis ge-kostet hatte.

Ephraim Kishon

Womit Adam spielte

„Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“, so urteil-te schon ein paar Jahre vor dem Seelenkenner Freud je-mand anders (ohne Couch und ohne Honorar). Und sein Rezept lautet damals wie heute: Der Mensch braucht Betätigung, Beschäftigung; denn schließlich ist Müßig-gang aller Laster Anfang. Das wusste dieser hohe Herr sehr wohl. Fortgeschritten wie wir heute sind, haben wir natürlich einen wissenschaftlichen terminus technicus dafür. Wie heißt er doch gleich? Beschäftigungstherapie!Das wusste Gott, der Herr, schon lange und sprach deshalb: Heureka, ich hab‘s! Tiere müssen her, je mehr desto besser! Und Namen! Namen müssen erfunden werden, um diese lieben Viecher beim Namen zu nen-nen. „... und ganz wie der Mensch sie nennen würde, so sollten sie heißen.“ Adams Vollbeschäftigung war damit weitgehend gegeben, aber noch keineswegs erreicht. Ir-gendetwas fehlte noch. Was war es bloß? Bloß das Al-leinsein? Keine Sorge, Adam, der du aus „adamah“, dem „Erdboden“ stammst, gleich wird man dir eine ebenbür-tige Partnerin aus den Rippen schneiden. Dann hast du keinen Grund mehr, dich zu beklagen, jedenfalls diesen nicht; für andere solltest du dich selbst anklagen, denn „dem, der es so will, geschieht kein Unrecht“, wie es ein alter römischer Rechtsgrundsatz sagt. Doch noch hast du keinen Grund zum Klagen, denn Eva ist noch nicht von dieser Welt.Chefreporter Moses ist ihr aber schon auf der Spur. Seine

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Story mit näheren, pikanten Einzelheiten (Adams Narko-se, der RippenEingriff) finden Sie in seinem Bestseller Pentateuch, auf Deutsch „ Fünfrollenbuch“, die bekann-ten fünf Bücher Mosis.Von diesem hervorragenden Journalisten wissen wir auch, wie Adam, dieser „erdverbundene“, reagiert: „... endlich Gebein von meinem Gebein und Fleisch von meinem Fleisch. Sie soll Männin heißen, denn vom Mann ist sie genommen.“Das waren noch Zeiten, finden Sie nicht auch: Die Eman(n)zipation war noch in weiter Ferne, denn Adam und Eva waren noch Mann und Frau, sprich, ein Herz und eine Seele; Trennung oder gar Scheidung, Dissens von Fühlen und Denken, gab es noch nicht. Schließlich erschuf Gott den Menschen, „als Mann und Weib er-schuf er ihn“.Auf dass alles seine Ordnung hat, darauf legt der oberste Ordnungshüter größten Wert, wird die eheliche Ordnung eingeführt, innerhalb deren alles in Ordnung; für Ord-nungswidrigkeiten ist er nicht verantwortlich, genauso wenig wie der Verkehrspolizist für Verkehrsunfälle. Dies sollte man bedenken, wenn man auf den obersten Ord-nungshüter schimpft.Wer sich für Mode interessiert, dem sei von hier aus zugerufen, dass die paradiesische Mode, „la mode par(ad)-isienne“, die damals a la mode, Brautkleid, Schleier, Cut und Zylinder nicht kennt, denn „der Mensch und sein Weib waren nackt und schämten sich nicht“.Ein Schamgefühl steigt in Ihnen hoch? Sie sollten sich wirklich schämen! Es zeigt, wie tief Sie gesunken. Von Unschuld kann keine Rede mehr sein. Schamrot verkrie-

chen wir uns hinter dem Vorhang unserer Scham, um weiteren Unverschämtheiten aus dem Wege zu gehen. Das Einzige, was uns bleibt, ist ein verschämter Seufzer: „O tempora, o mores!“

Inge Starck

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Die Erschaffung des Menschen (kleine Ergänzung zur Schöpfungsgeschichte)

Als Gott das Maultier erschuf, sagte er zu ihm: „Du bist ein Maultier, du wirst jeden Tag von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang arbeiten und schwere Lasten auf dei-nem Rücken tragen. Du wirst Gras fressen und wenig Verstand haben, dafür aber fünfzig Jahre alt werden.“ Das Maultier antwortete: „Auf diese Art und Weise fünf-zig Jahre zu leben, ist zu viel. Bitte, gib mir nur zwanzig Jahre.“ Und es geschah so. Als Nächstes erschuf Gott den Hund und sagte zu ihm: „Du wirst voller Aufmerksamkeit über die Wohnstätten der Menschen wachen und ihr bester Genosse sein. Du wirst die Reste von seinem Tisch fressen und fünfund-zwanzig Jahre alt werden.“ Der Hund antwortete: „Herr, fünfundzwanzig Jahre lang auf diese Art und Weise als Hund zu leben, ist zu viel. Bitte, gib mir nicht mehr als zehn Jahre.“ Und es geschah so. Als Nächstes erschuf Gott den Affen und sagte zu ihm: „Du bist ein Affe. Du wirst dich von Baum zu Baum schwingen und wie ein Idiot handeln. Du wirst sehr ko-misch sein und zwanzig Jahre leben.“ Der Affe antwortete: „Herr, zwanzig Jahre als der Clown der Welt zu leben, ist zu viel. Bitte, Herr, gib mir nicht mehr als zehn Jahre.“ Und es geschah so.

Als Letztes erschuf Gott den Menschen und sagte zu ihm: „Du bist der Mensch, das einzige vernünftige We-sen, das über die Erde geht. Du wirst deinen Verstand benutzen, um die Herrschaft über alle Lebewesen auf Er-den zu bekommen. Du wirst die Erde beherrschen und zwanzig Jahre leben.“Und der Mensch antwortete: „Herr, Mensch zu sein für nur zwanzig Jahre ist zu wenig. Bitte, Herr, gib mir die dreißig Jahre, die das Maultier ausschlug, die fünfzehn Jahre, die der Hund nicht wollte, und die zehn Jahre, die der Affe zurückwies.“ Und es geschah so. Und Gott ließ den Menschen zwanzig Jahre als Mensch leben, dann heiratete er und lebte dreißig Jahre wie ein Maultier, arbeitete und trug schwere Lasten. Dann be-kam er Kinder und lebte fünfzehn Jahre wie ein Hund, bewachte das Haus und aß die Überreste, wenn die Kin-der die Speisekammer geplündert hatten. Dann, in hohem Alter, lebte er zehn Jahre wie ein Affe, handelte wie ein Idiot und belustigte die Enkelkinder.

Arno Backhaus

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Verwaltung

Nach vielen Jahren sah Gott wieder einmal auf die Erde. Die Menschen waren verdorben und gewalttätig und er beschloss, sie zu vertilgen, genauso wie er es vor langer, langer Zeit schon einmal getan hatte.

Er sprach zu Noah: „Noah, bau mir noch einmal eine Arche aus Zedernholz so wie damals: 300 Ellen lang, 50 Ellen breit und 30 Ellen hoch. Ich will eine zweite Sint-flut über die Erde bringen. Die Menschen haben nichts dazugelernt. Du aber gehe mit deiner Frau, deinen Söh-nen und deren Frauen in die Arche und nimm von allen Tieren zwei mit, je ein Männchen und ein Weibchen. In sechs Monaten werde ich den großen Regen schicken.“

Noah stöhnte auf; musste das denn schon wieder sein? Wieder 40 Tage Regen und 150 unbequeme Tage auf dem Wasser mit all den lästigen Tieren an Bord und ohne Fernsehen. Aber Noah war gehorsam und versprach, alles genau so zu tun, wie Gott ihm aufgetragen hatte. Nach sechs Monaten zogen dunkle Wolken auf und es begann zu regnen. Noah saß in seinem Vorgarten und weinte, denn da war keine Arche. „Noah“, rief der Herr. „Noah, wo ist die Arche?“

Noah blickte zum Himmel und sprach: „Herr, sei mir gnädig.“ Gott fragte abermals: „Wo ist die Arche, Noah?“

Da trocknete Noah seine Tränen und sprach: „Herr, was hast du mir angetan? Als Erstes beantragte ich beim Landkreis eine Baugenehmigung. Die dachten zuerst, ich wollte einen extravaganten Schafstall bauen. Die ka-men mit der ausgefallenen Bauform nicht zurecht, denn an einen Schiffbau wollten sie nicht glauben. Auch deine Maßangaben stifteten Verwirrung, weil niemand mehr weiß, wie lang eine Elle ist. Also musste mein Archi-tekt einen neuen Plan entwerfen. Die Baugenehmigung wurde mir zunächst abgelehnt, weil eine Werft in einem Wohngebiet unzulässig sei. Nachdem ich dann endlich ein passendes Gewerbe-grundstück gefunden hatte, gab es nur noch Probleme. Im Moment geht es z. B. um die Frage, ob die Arche feuerhemmende Türen, eine Sprinkleranlage und einen Löschwassertank benötigt. Auf meinen Hinweis, ich hät-te im Ernstfall rundherum genug Löschwasser, glaubten die Beamten, ich wollte mich über sie lustig machen. Als ich ihnen erklärte, das Wasser käme noch in großen Mengen, und zwar viel mehr, als ich zum Löschen benö-tigte, brachte mir das den Besuch eines Arztes vom Lan-deskrankenhaus ein. Er wollte von mir wissen, was ein Schiffbau auf dem Trockenen, fernab von jedem Gewäs-ser, solle. Die Bezirksregierung teilte mir daraufhin tele-fonisch mit, ich könnte ja gern ein Schiff bauen, müss-te aber selbst zusehen, wie es zum nächsten größeren Fluss käme. Mit dem Bau eines Sperrwerks könnte ich nicht rechnen, nachdem der Ministerpräsident zurück-getreten sei. Dann rief mich noch ein anderer Beamter dieser Behörde an, der mir erklärte, sie seien inzwischen

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ein kundenorientiertes Dienstleistungsunternehmen und darum wolle er mich darauf hinweisen, dass ich bei der EU in Brüssel eine Werftbeihilfe beantragen könne; aller-dings müsste der Antrag achtfach in den drei Amtsspra-chen eingereicht werden. Inzwischen ist beim Verwaltungsgericht ein vorläufiges Rechtsschutzverfahren meines Nachbarn anhängig, der einen Großhandel für Tierfutter betreibt. Der hält das Vorhaben für einen großen Werbegag – mein Schiffbau sei nur darauf angelegt, ihm Kunden abspenstig zu ma-chen. Ich habe ihm schon zweimal erklärt, dass ich gar nichts verkaufen wolle. Er hört mir gar nicht zu und das Verwaltungsgericht hat offenbar auch viel Zeit. Die Suche nach dem Zedernholz habe ich eingestellt.

Libanesische Zedern dürfen nicht mehr eingeführt werden. Als ich deshalb hier im Wald Bauholz beschaffen wollte, wurde mir das Fällen von Bäumen – unter Hinweis auf das Landeswaldgesetz – verweigert. Dies schädige den Na-turhaushalt und das Klima. Außerdem sollte ich erst eine Ersatzaufforstung nachweisen. Mein Einwand, in Kürze werde es gar keine Natur mehr geben und das Pflanzen von Bäumen an anderer Stelle sei deshalb völlig sinnlos, brachte mir den zweiten Besuch des Arztes vom Landes-krankenhaus ein.

Die angeheuerten Zimmerleute versprachen mir schließ-lich, für das notwendige Holz selbst zu sorgen. Sie wählten jedoch erst einmal einen Betriebsrat. Der wollte mit mir zu-nächst einen Tarifvertrag für den Holzschiffbau auf dem fla-chen Lande ohne Wasserkontakt aushandeln. Weil wir uns

aber nicht einig wurden, kam es zu einer Urabstimmung und zum Streik. „Herr, weißt du eigentlich, was Handwer-ker heute verlangen? Wie soll ich denn das bezahlen?“

Weil die Zeit drängte, fing ich schon einmal an, Tiere ein-zusammeln. Am Anfang ging das noch ganz gut, vor allem die beiden Ameisen sind noch immer wohlauf. Aber seit ich zwei Tiger und zwei Schafe von der Notwendigkeit ihres gemeinsamen und friedlichen Aufenthaltes bei mir über-zeugt hatte, meldete sich der örtliche Tierschutzverein und rügte die artwidrige Haltung. Und mein Nachbar klagt auch schon wieder, weil er auch die Eröffnung eines Zoos für ge-schäftsschädigend hält. Herr, ist dir eigentlich klar, dass ich auch nach der Europäischen Tierschutztransportverord-nung eine Genehmigung brauche? Ich bin schon auf Seite 22 des Formulars und grüble im Moment darüber, was ich als Transportziel angeben soll. Und wusstest du, dass z. B. geweihtragende Tiere während der Brunftzeit überhaupt nicht transportiert werden dürfen? Und die Hirsche sind ständig am Schnackseln, wie Fürstin Gloria sagen würde, und auch der gemeine Elch und Ochse denken an nichts anderes, besonders die südlicheren!

Übrigens, wo hast du eigentlich die Callipepia calkonica –du weißt schon, die Schopfwachteln, und den Lethamus Discolor versteckt? Den Schwalbensittich habe ich bisher auch nicht finden können.

Dir ist natürlich auch bewusst. dass ich die 43 Vorschriften der Binnenmarkttierschutzverordnung bei dem Transport der Kaninchen strikt beachten muss. Meine Rechtsanwälte

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prüfen gerade, ob diese Vorschriften auch für Hasen gelten.

Übrigens: Wenn du es einrichten könntest, die Arche als fremdflaggiges Schiff zu deklarieren, das sich nur im Be-reich des deutschen Küstenmeeres aufhält, bekäme ich die Genehmigung viel einfacher. Du könntest dich doch auch einmal für mich bemühen. Ein Umweltschützer von Green-peace erklärte mir, dass ich Gülle, Jauche, Exkremente und Stallmist nicht im Wasser entsorgen darf. Wie stellst du dir das eigentlich vor? Damals ging es doch auch!

Vor zwei Wochen hat sich das Oberkommando der Marine bei mir gemeldet und von mir eine Karte der künftig über-fluteten Gebiete erbeten. Ich habe ihnen einen blau ange-malten Globus geschickt. Und vor zehn Tagen erschien die Steuerfahndung; die haben den Verdacht, ich bereite meine Steuerflucht vor. Ich komme so nicht weiter, Herr, ich bin verzweifelt! Soll ich nicht doch lieber meinen Rechtsanwalt mit auf die Arche nehmen?“

Noah fing wieder an zu weinen. Da hörte der Regen auf, der Himmel klärte auf und die Sonne schien wieder. Und es zeigte sich ein wunderschöner Regenbogen. Noah blickte auf und lächelte. „Herr, du wirst die Erde doch nicht zer-stören?“

Da sprach der Herr: „Darum sorge ich .mich nicht mehr, das schafft schon eure Verwaltung!“

Arno Backhaus

Schlussfolgerung

Bei der Abschlussprüfung in Theologie fragt der Dozent, was der Engel bei der Vertreibung aus dem Paradies zu Eva gesagt hätte, falls er etwas gesagt hat. Die Studentin ist nicht verlegen: „Auf dem Bauch sollst du kriechen und Staub wischen dein Leben lang!“

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massen herabstürzen zu sehen!“ Im nächsten Augenblick zuckte ein Gedankenblitz durch meinen Kopf und ich sag-te zu mir: „Wäre es aber nicht noch viel wundervoller zu sehen, wie sie aufwärtsstürzen?“ – und ich wollte mich gerade totlachen, als die Natur in Tod und Krieg versank und ich um mein Leben rannte. „Na also“, sagte sie tri-umphierend, „da haben wir es ja. Die Schlange erwähnte genau diesen Witz und bezeichnete ihn als – die erste Pflaume, und die sei schon so alt wie die Schöpfung selbst.“ Also, ich bin schuld! Wäre ich doch nicht so wit-zig! Hätte ich doch nicht so eine glänzende Idee gehabt!

Überliefert

Der unfolgsame Esel

Es war einmal ein sehr unfolgsamer kleiner Esel. Er lieb-te es geradezu, unfolgsam zu sein. Wenn ihm etwas auf den Rücken geladen wurde, dann warf er es ab, und er rannte den Leuten nach und versuchte, sie zu beißen. Sein Herr konnte nichts mit ihm anfangen, und so ver-kaufte er ihn an einen anderen Herrn, und dieser Herr konnte auch nichts mit ihm anfangen und verkaufte ihn ebenfalls, und schließlich wurde er für ein paar Pfennige einem schrecklich alten Mann gegeben, der alte, abgear-beitete Esel kaufte und sie durch Schinderei und schlim-me Behandlung umbrachte. Aber der unfolgsame Esel jagte den alten Mann und biss ihn und rannte dann mit fliegenden Hufen davon. Er wollte sich nicht wieder ein-fangen lassen, deshalb schloss er sich einer Menschen-menge an, die ihres Weges zog.„Unter all den vielen Menschen wird niemand wissen, wo ich hingehöre“, dachte sich der Esel.Die Menschen zogen alle nach der Stadt Bethlehem, und als sie dort ankamen, gingen sie in einen großen Khan voller Menschen und Tiere.Der kleine Esel aber schlüpfte in einen hübschen kleinen Stall, in dem schon ein Ochse und ein Kamel standen. Das Kamel war sehr hochmütig wie alle Kamele, denn die Kamele glauben, nur sie allein wüssten den hundertsten und geheimen Namen Gottes. Das Kamel war zu stolz, um mit dem Esel zu sprechen. Deshalb begann der klei-ne Esel zu prahlen. Er prahlte furchtbar gerne.

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„Ich bin ein ganz außergewöhnlicher Esel“, sagte er. „Ich kann sowohl in die Zukunft als auch in die Vergangenheit sehen.“„Wie soll das denn gehen?“, brummte der Ochse.„Na ja, einfach genauso, wie ich vorwärts- und rückwärts-laufen kann. Meine Urur-siebenunddreißigmal-Urgroß-mutter war die sprechende Eselin des Propheten Bileam und hatte mit eigenen Augen den Engel des Herrn ge-sehen.“Aber der Ochse kaute ungerührt weiter, und das Kamel blieb weiter hochmütig.Bald darauf kamen ein Mann und eine Frau herein, und es gab eine Menge Aufregung, aber der Esel fand rasch heraus, dass es da gar nichts zum Aufregen gab außer einer Frau, die ein Kind kriegte, und das passiert schließ-lich jeden Tag. Und nachdem das Kind geboren war, lie-fen Hirten herbei und machten ein großes Getue um das Kind – aber Hirten sind eben einfältige Leute.Aber dann erschienen Männer in reicher Kleidung.„VIPs“, zischte das Kamel.„Was ist das?“, fragte der Esel.„Hochwichtige Leute, die Geschenke bringen“, sagte das Kamel.Der Esel dachte, die Geschenke seien vielleicht etwas Gu-tes zum Essen, und als es dunkel wurde, schnupperte er daran herum. Aber das erste Geschenk war gelb und hart und ohne Geschmack, das zweite brachte den Esel zum Niesen, und als er am dritten leckte, schmeckte es ekelhaft und bitter.„Was für blödsinnige Geschenke“, brummte der Esel ent-täuscht. Aber als er so neben der Krippe stand, streckte

das Neugeborene seine kleine Hand aus, fasste ein Ohr des Esels und hielt es fest, wie kleine Kinder das tun.Da passierte etwas ganz Merkwürdiges: Der Esel hatte auf einmal keine Lust mehr, unfolgsam zu sein. Zum ers-ten Mal in seinem Leben wollte er brav sein. Und er woll-te dem Kind ein Geschenk machen, aber er hatte nichts zu verschenken. Das Kind schien sein Ohr zu mögen, aber das Ohr war ein Teil von ihm. Da hatte er eine merk-würdige Idee: Vielleicht konnte er sich selbst dem Kind schenken?Kurz darauf kam Josef mit einem hochgewachsenen Fremdling herein. Der Fremde sprach eindringlich auf Josef ein, und als der Esel die beiden anstarrte, traute er kaum seinen Augen! Der Fremde schien sich aufzulösen, und an seiner Stelle stand ein Engel des Herrn, eine gol-dene Gestalt mit Flügeln. Aber gleich darauf verwandelte sich der Engel in einen Mann zurück.„Du liebe Zeit, ich sehe Gespenster“, sagte der Esel zu sich. „Das muss von all dem Heu kommen, das ich ge-fressen habe.“Josef sprach mit Maria. „Wir müssen das Kind nehmen und fliehen. Es ist keine Zeit zu verlieren.“Sein Blick fiel auf den Esel. „Wir nehmen den Esel hier und lassen das Geld für seinen Besitzer zurück. So ge-winnen wir Zeit.“Und so zogen sie auf die Straße, die von Betlehem weg-führte. Aber als sie an eine enge Stelle kamen, versperr-te ihnen ein Engel des Herrn mit einem flammenden Schwert den Weg, und der Esel, der ihn als Einziger sah, wandte sich seitwärts und begann, den Hügel hinaufzu-klettern. Josef versuchte, ihn auf die Straße zurückzuzer-

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ren, aber Maria sagte: „Lass ihn. Denk an den Propheten Bileam.“Denn hatte nicht Bileams Eselin ihren Herrn vor dem Verderben errettet, weil sie störrisch ihren eigenen Weg einschlug? Und gerade als sie im Schutz einiger Oliven-bäume angelangt waren, kamen mit gezogenen Schwer-tern die Soldaten des Königs Herodes die Straße herun-tergesprengt.„Genau wie bei meiner Urgroßmutter“, sagte der Esel, äußerst zufrieden mit sich. „Nimmt mich nur wunder, ob ich nun auch in die Zukunft sehen kann.“Er blinzelte mit den Augen – und sah ein verschwomme-nes Bild: einen Esel, der in eine Grube gefallen war, und einen Mann, der half, ihn herauszuziehen …„Na so was, das ist ja mein Herr als erwachsener Mann“, sagte der Esel. Dann sah er ein anderes Bild: denselben Mann, der auf einem Esel in eine Stadt ritt … „Natür-lich“, sagte der Esel. „Er wird zum König gekrönt!“ Aber die Krone schien nicht aus Gold, sondern aus Dornen zu sein. Der Esel liebte zwar Dornen und Disteln, aber für eine Krone erschienen sie ihm doch unpassend. Und dann war da noch etwas auf einem Schwamm, bitter wie die Myrrhe, an der er im Stall geschnuppert hatte …Und der kleine Esel wusste plötzlich, dass er nicht mehr in die Zukunft sehen wollte. Er wollte nur in den Tag hinein leben, seinen kleinen Herrn lieben und von ihm geliebt werden und ihn und seine Mutter sicher nach Ägypten tragen.

Agatha Christie

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Das harte Holz von Betlehem

Gestern sagte eine Frau zu mir: „Predigen Sie doch bit-te zu Weihnachten einmal darüber, dass es noch gute Menschen gibt!“ Das ist eine merkwürdige Bitte zu einer Weihnachtspredigt! Oder nicht? Sind gute Menschen Mangelware geworden? Es gibt heute unbestritten stapel-weise kluge Menschen, gut ausgebildete Leute, gerissene Typen. Aber gute Menschen sind in unseren heutigen Le-benssystemen irgendwie nicht vorgesehen. Oder hat je-mand von Ihnen im Internet ein Stellenangebot gesehen, in dem ein guter Mensch für die Leitungsfunktion eines Konzerns gesucht wird? Hier kommt natürlich die Frage: Was ist ein guter Mensch? Das ist sehr schwer zu definie-ren. Vielleicht geht es mit einem Beispiel. Prinzessin Dia-na war eine außerordentlich sozial engagierte Frau. Das ist bewundernswert. Teresa von Kalkutta hat sich bis zum Letzten hingegeben. Da versagt alles Lob und jeder Kom-mentar. Soziales Engagement und Hingabe bis zum Letz-ten sind eben nicht miteinander zu vergleichen. Wenn wir den Ort suchen, wo nicht ein Mensch, sondern Gott diese Hingabe bis zum Letzten ins Spiel bringt, dann ist das Bet-lehem. Da hat für uns greifbar die Hingabe begonnen, die sich im Kreuz vollenden wird. Die Engel haben die Hirten nicht nach Betlehem dirigiert, weil dort junge Leute neue Reformpläne für die Bewältigung der Weltkrise erarbeiten sollten. Die Hirten sind zur Krippe geeilt, weil dort etwas zu finden war, das es auf den Marktplätzen unserer Akti-vitäten und in den Chefetagen von Politik und Wirtschaft

selten gibt: die Güte. Der gute Gott schickt uns nicht einen Supermanager zur Weltproblemlösung, sondern seinen guten Sohn. Die Bibel sagt: „Erschienen ist uns die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes.“ Manchmal gehen Menschen durch unsere Gemeinden, durch unsere Städte und auch durch unsere Wirtschaft und Politik, denen man anmerkt, dass sie von der Krippe kommen. Es sind Frau-en, Männer und auch Kinder, denen man den Herzschlag der Herzlichkeit anmerkt. Es sind die, deren Güte stärker ist als alle Verdrehtheit und Hinterhältigkeit. Sie kommen von Betlehem. Die Bibel sagt, dass Jesus Christus in einer Krippe lag. Das ist schon sehr ungewöhnlich, zumindest für unsere Brei-tengrade mit ihrer medizinischen Vollversorgung. Gott wird Mensch. Er beginnt sein Menschsein nicht in einer Spezialluxus-entbindungsklinik, sondern in einer sehr armseligen Ecke der Weltgeschichte. Eine Krippe ist nach Aussagen meines griechischen Wörterbuchs ein „ausgehöhlter hölzerner Trog mit Fächern, worin den Pferden und dem Rindvieh das Futter vorgesetzt wird“. Wenn Gott Mensch wird, findet er nicht einmal Aufnahme in einem UNO-Notauf-nahmelager. Wir finden ihn bei den Ochsen und Eseln. Nun kommt eine Überraschung: das griechische Wort für Krippe hat noch eine zweite Bedeutung. Es kann nämlich auch Kugellager heißen, also eine schalenförmige Aus-höhlung von Hartholz, in der sich eine Kugel bewegt. Was hat Jesus mit einem Kugellager zu tun? Wir wissen, wie wichtig diese technischen Hilfsmittel für die Bewegungs-abläufe sind. Ich habe einen Eisenbahnwaggon brennen sehen, weil sich bei einer Achse das Kugellager festgefres-

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sen hatte. Wenn das Kugellager nicht die Reibungsenergie auffängt, dreht sich nichts mehr. Ich habe den Eindruck, dass sich in unseren Tagen zu viel in der Weltgeschichte heißläuft. Es ist zu spüren, wie sich in der Familie, im Be-trieb, in der Wirtschaft, in der Politik und in der Kirche viel zu viel aneinander reibt und in Hitze kommt. Wir merken, wie sich gut gemeinte und gut geplante Bemühungen um Hilfe festfressen und wie sich plötzlich nichts mehr dreht. Lassen Sie mich einmal von diesem Wort Krippe oder Ku-gellager ausgehen. Wenn sich die Welt heißläuft, könnte es ja auch daran liegen, dass wir Jesus aus den Prozessen und Bewegungen dieser Welt heraus getan haben. Wenn sich die Welt mit ihren Bemühungen festfrisst, könnte es ja auch sein, dass wir die Kugellager leer geräumt haben. Dann dreht sich freilich nichts mehr. Jesus Christus ist in die Krippe gekommen, nicht um Sand im Getriebe der Welt zu sein. Er will, dass die Weltgeschichte läuft, dass sie rund läuft. Er will, dass aus der Weltgeschichte Heils-geschichte wird. Jedes Jahr mache ich mich in der letzten Adventswoche an die Arbeit, um die Krippe aus der Hintersakristei hervor-zuholen. Es ist eine große Krippe. Sie passt nicht in einen Schuhkarton oder in eine Schublade. Das ist gut so, denn der Mensch, dieser schreckliche Praktiker, möchte zu ger-ne die großen Geheimnisse Gottes auf Schuhkartonfor-mat zusammenpressen und in Schubladen verschließen. Er lässt sich nicht gerne von Großem und Herrlichem stö-ren. Aber Gottes Liebe will uns aus unserer Kellerbaratmo-sphäre und unserem Speisekammerdenken herausholen.Darum gibt es den Stall von Betlehem. Und so mache ich mich ans Werk und räume im alten Seitengang unse-

rer Kirche alles weg, was so im Laufe des Jahres vor den Krippenstall gestapelt worden ist: Baumaterial, Plakate, Podeste, alte Lampen, Ofenkacheln, Kanthölzer und Bret-ter. So ist das. Immer sind wir vom Weihnachtsfest be-geistert. Und immer fangen wir wenige Tage nach Weih-nachten wieder an, das wunderbare Geschehen mit Maria und Josef und dem Kind in der Krippe zuzubauen. Immer wieder sind wir sehr schnell dabei, die scheinbar so wich-tigen und unverzichtbaren Bauelemente unseres Lebens vor die Krippe zu stapeln. Immer wieder versperrte ich mit meinem Wohlstandsmüll den Zugang zu Betlehem und zu der Krippe. Und dann verliert man aus den Au-gen und dem Gedächtnis, dass über Betlehem ein Stern geleuchtet hat und dass Engel bei den Hirten gesungen haben. Auch vorgestern war die Arbeit mühsam, den Stall aus der hintersten Ecke hervorzuholen. Es kostete Kraft, die Hindernisse wegzuräumen. Ich sah etwas eingestaubt und ramponiert aus, als der Stall endlich wieder bereit war, Ochs und Esel und das Kind zu beherbergen. Gott stellt uns sein Weihnachtsfest nicht wie eine Theateraufführung vor die Nase. Ein bisschen eigenes Tun und Zupacken und Mitdenken und Schwitzen gehört dazu. Fernsehweihnach-ten ist nicht Betlehemweihnachten. Jetzt steht der Stall an seinem Ort, aber das Jesuskind ist noch nicht in der Krip-pe. Es kommt erst in der Heiligen Nacht. Und wenn alle Besucher der Kirche sich über die leere Krippe beklagen: Wir haben alles vorbereitet, so gut wir konnten. Aber Je-sus kommt nicht, wann es der Umsatz des Weihnachts-geschäftes will, sondern wenn die Zeit des Heils erfüllt ist. Die Arbeit beim Aufbau unserer Krippe in der Kirche ist fast beendet. Manches lässt sich leicht an seinen Ort brin-

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gen, manches macht Schwierigkeiten. Wo stelle ich den Hirten mit seinem Schaf hin, damit er nicht am sechsten Januar dem König die Sicht auf das Kind in der Krippe ver-stellt? Es ist eine Begabung von uns, einander im Weg zu stehen und einander auf die Zehen zu treten. Das sollte wenigstens an der Krippe anders sein.Seit Neuestem gehört ein Hund zu unserer Krippe. Er stammt vom Weihnachtsmarkt auf dem Alex. Dieses Tier kommt neben das Hirtenfeuer. Wir sind kein exklusiver Klub. Es ist nicht gut, wenn wir alteingesessenen Gemein-demitglieder die Krippe so blockieren, dass Neulinge kei-ne Chance mehr haben. Natürlich merken manche, die an unsere Krippe kommen, dass der Schäferhund nicht zum ursprünglichen Bestand gehört. Das macht nichts. Jeder, der dazukommt, hat das Recht sich so mitzubringen, wie er ist. Das ist ja auch gar nicht anders möglich und sinn-voll. Vor einiger Zeit hat uns eine Nachbargemeinde ein Kamel zu unserer Krippe geschenkt. Da hat man so seine Probleme beim Aufbauen. Dieses Kamel beansprucht so viel Platz für sich, wie Kamele das so zu tun pflegen. Die-ser Platz fehlt aber den anderen. Irgendwie wird sich das an der Krippe schon einrichten. Den Ochsen unserer Krippe hat uns ein Restaurator nach-machen müssen. Irgendwie ist der Ochse des Original-bestands unserer über hundertjährigen Krippe abhanden gekommen. Auch das gehört zum Leben einer Pfarrge-meinde und zum Leben der Kirche. Nicht alle, die einmal an der Krippe gestanden haben, bleiben auch dort. Leben-dige Menschen, die Jesus in der Krippe alleine lassen, sind nicht zu reproduzieren oder durch Kopien zu ersetzen. Nun kommt mein Spezialhirte an die Reihe. Der verliert

jedes Jahr seinen Daumen. Den braucht er aber, um den Hirtenstab zu halten. Also muss ich jedes Jahr auch gleich eine Tube Alleskleber bereithalten und den Daumen wie-der ankleben. Dann wird die Klebestelle mit Filzstift nach-gemalt, damit sie nicht auffällt. Da haben wir es: Jedes Jahr stehe ich an der Krippe und verspreche Jesus, anders zu werden. Und im nächsten Jahr stehe ich wieder vor der Krippe mit denselben Brüchen in meinem Leben, mit den-selben Unmöglichkeiten meiner Existenz, mit denselben Schwachstellen meines Glaubens, mit denselben Sünden. Und Jesus hält das aus. Er schickt mich nicht weg, son-dern sagt: Komm her! Bei der ersten Weihnacht gab es weder Feier noch Empfangskomitee. Es standen weder Christbäume in der Gegend der Krippe, noch roch es nach Weihrauch wie in den Kirchen zur Mitternachtsmesse. Wo-nach roch es eigentlich? Was hat Jesus gerochen, als er das erste Mal in seinem Leben bei uns die Welt zu erschnup-pern begann? Die Welt ist gut mit der Nase zu erkunden. Der Berliner Fernsehturm hat einen ganz anderen Geruch als die Berliner U-Bahn. Das KDW riecht anders als das Pergamonmuseum. Jesus hat natürlich alle diese Gerüche nicht wahrgenommen. Er roch etwas ganz anderes, näm-lich Stall und Tier. Ich habe in meiner Kindheit Schafe und Ziegen gehütet. Von Parfüm ist da keine Rede. Es riecht nicht gut in der Welt, in die der Gottessohn kommt. Es ist dicke Luft in der Welt, in die uns Gott seinen Sohn sendet, damals wie heute. Wir haben Jesus nicht mit Rosenduft empfangen und noch nicht einmal mit dem kräftigen Ge-ruch einer gut zubereiteten Mahlzeit. Es roch im Stall eben nach Stall, und das ist der Geruch von Schweiß, von einem kokelnden Feuer, von Tierausdünstungen und der Nässe

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auf den alten Balken. Wir würden unsere Nase nicht frei-willig in so etwas hineinstecken. Wir würden uns die Nase zuhalten, wenn es nicht gut riecht. Sagen wir es kräftiger und deutlicher: wenn es stinkt. Wir würden den schlechten Geruch mit einem Deodorant vertreiben oder zumindest überlagern. Jesus sortiert die Welt nicht nach angenehmen und unangenehmen Gerüchen. Jesus hält sich nicht die Nase zu vor dem Gestank, den die Menschheitsgeschich-te verströmt. Der Mensch gewordene Gottessohn ist da, wo es qualmt. Er tut das, weil er uns riechen kann. Wir bekommen von ihm nicht den Befehl, schleunigst zu ver-duften. Später in seinem Leben wird Jesus Christus dann mit dem Geruch des Todes konfrontiert werden, als sein Freund Lazarus schon drei Tage im Grabe liegt. Man wird Jesus vor diesem Todesgeruch warnen: Herr, er riecht schon. Aber der Herr wird auch mit diesem Extremgeruch fertig. Wo Jesus ist, hat man wieder Luft zum Atmen und Duft zum Schnuppern. Wir dürfen uns auf den Duft von Weihnachten freuen. Er ist die Ankündigung der nicht zu fassenden Tatsache, dass die ganze Welt einmal Duft sein wird. Wir werden dann uns alle riechen können.Es ist vier Tage vor Weihnachten, und die Frauen und Män-ner bei den Herden von Betlehem wissen noch nicht, dass sie zu Jesus gehen sollen. Es ist dunkle Nacht über den kargen Weiden von Betlehem, und keiner spürt, dass die dunkle Nacht strahlend hell unter dem Glanz der Engel sein wird. Vier Tage vor Weihnachten ahnen weder Ochs noch Esel noch Schafbock noch Ziege, dass der Gottes-sohn kommt. Der Stall ist da, aber keiner kann vermuten, dass er in vier Tagen zum berühmtesten Stall der Weltge-schichte wird. Die Szene des Beginns der Erlösung der Welt

ist aufgebaut. Das große Spiel der Liebe Gottes zu uns kann beginnen. Doch Mensch und Tier und Baum und Stein sind ahnungslos. Und auch die religiös zuständigen Spezialis-ten, als da sind Priester und Propheten, merken nichts. So ist das. Gott geht auf uns zu, weil er uns aus unseren Egois-men und Sinnlosigkeiten herausholen will. Aber in uns regt sich nicht die leiseste Ahnung, dass es einen Gott geben könne, der sich total an uns verschenkt. Gott wird uns in vier Tagen mit den Augen seines Sohnes Jesus Christus an-schauen. Aber unsere Augen kleben an den Bildschirmen der Fernseher und an den Mattscheiben der Computer. Wir ahnen nichts und wollen nichts ahnen. Wir spüren nicht und wollen nichts spüren. Die Krippendarstellungen in den Schaufenstern bringen nicht mehr zum Nachdenken. Die ersten von ihnen habe ich schon Ende Oktober gesehen. Das macht nicht froh. Doch sollten wir nicht zu pessimis-tisch sein. Gott hat es geschafft, mit der Geburt seines Soh-nes die Hirten aus ihrer Ahnungslosigkeit herauszuholen. Er hat es geschafft, in Betlehem die Szene der alltäglichen Vergesslichkeiten und Beschäftigtheiten aufzubrechen, und zwar ohne Vorankündigung und Vorwarnung. So einfach aus dem Stand. Gott kommt, wenn keiner mit ihm rech-net. Gott kommt, wenn ich gerade mit etwas total anderem, etwas ganz und gar nicht Religiösem, etwas geradezu Ne-bensächlichem beschäftigt bin. Ich werde keine Zeit mehr haben, mir die Haare zu kämmen, mir ein Gebetbuch zu suchen, mir einen Platz der Stille zu sichern. Wenn es die Schafe und die Ochsen und die Esel gemerkt haben, werde ich es auch merken. Er wird da sein.

Klaus Weyers

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InhaltsverzeichnisDas viel deutbare Schicksal: Adam, Eva und die Schlange 7

Ephraim Kishon: Geständnis des Apfelwurms 8Inge Starck: Womit Adam spielte 9Arno Backhaus: Die Erschaffung des Menschen 12Arno Backhaus: Verwaltung 14Schlussfolgerung 19

Bitte nicht drängeln: Noah und seine Passagiere 20

Feiertage 21Klaus Weyers: Die ungleichen Paare 22Gerd-Heinz Mohr: Die Arche Noah 29Warum die Arche nicht rechtzeitig fertig wurde 34Klaus Weyers: Was aus der Arche fliegt 36Andreas Martin: Karneval auf der Arche 43Transportproblem 48

Das Geheimnis: der Esel ist kein dummes Tier 49

Der Esel 50Andreas Knapp: Rede des Esels von Bethlehem an das Jesuskind 51Karl Heinrich Waggerl: Der störrische Esel und die süße Distel 55

Die Kunst der Präzisionsarbeit: Kamele, Schafe und Co 59

Klaus Weyers: Das Kamel im Nadelöhr 60Rudolf Otto Wiemer: Die Katze von Bethlehem 67Hans Orths: Weihnachten der Tiere 73Jules Supervielle: Besuch der Tiere 75Werner Tiki Küstenmacher: Auf dem Weg zur Wollmilchsau 97Arno Backhaus: Tiere in der Bibel 102Der Wolf an der Krippe 104Mark Twain: Aus Adams Tagebuch 106Agatha Christie: Der unfolgsame Esel 111Klaus Weyers: Das harte Holz von Betlehem 116