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20 bestbanking 189 • 2012 banking s Stärkster Stress für alle Betroffenen Die Erfahrung von Tod ist für jeden Angehörigen eine starke emo- tionale Erfahrung und Belastung. Experten sprechen vom stärks- ten Stress, der einem Menschen widerfahren kann. Dieser Stress spiegelt sich nach dem Tod des Kunden auch in der Kundenbe- ratung von Banken wider. Sehr oft fühlt sich der Berater in der Beratungssituation hilflos, gehemmt und unbehaglich. Betreuung ohne emotionale Verbindung Abwicklungstechnische oder finanzielle Fragen sind die eine Seite der Herausforderung. Der persönliche Kontakt mit trau- ernden Angehörigen ist die andere Seite und gilt in dem Fall als die größte Herausforderung für den Banker. Empathie, wertschätzende Kommunikation und Authentizität sind der Schlüssel, um das Vertrauen der Angehörigen zu gewinnen. Die Antwort der trauernden Angehörigen? Dank und Loyalität. Trauernde Angehörige spüren instinktiv, wenn ihnen an Stelle echter Einfühlung nur ein Mitgefühl vorgegaukelt wird. Kleine, pietätsfremde Fehltritte und kommunikative Unstimmigkeiten können problemlos gut verlaufende Beratungen torpedieren. Sehen wir uns die demografische Entwicklung an, wissen wir, dass es in den nächsten 20 Jahren zu einer massiven Überal- terung der Gesellschaft kommt. Auf der Produktseite halten Banken umfangreiche Lösungen für ihre Kunden bereit, um die Auswirkungen der Demografie zu mildern. „Welche Auswir- kung hat die demografische Entwicklung auf unseren Kunden- stamm, auf unsere Berater und auf unser jährliches Ergebnis?“ ist eine der wichtigen Fragen von Bankvorständen. Die Statistik zeigt, dass wir bereits heute in einer alternden Gesellschaft le- ben und 17,65 % der Bevölkerung älter als 65 Jahre sind. Bei alteingesessenen Banken spricht man von einem Anteil der über 60-jährigen von bis zu 35%. Dadurch, dass die geburtenstarken Darauf war Helmut W. gar nicht vorbereitet. „Mein Mann ist vor zwei Tagen gestorben“ sagte die ältere dunkel gekleidete Frau, als Sie unangemeldet im Private Banking vor ihm steht. „Ach, Du liebe Zeit, was soll ich jetzt tun?“ war der erste Gedanke von Helmut W., in der Bank zuständig für die Beratung von vermögenden Kunden. Ein erstes „Herzliches Beileid“ stammelnd, bietet er der älteren Frau einen Sitzplatz an. Entgegen seinen Gepflogenheiten sorgt er selber für die Getränke. Das verschafft ihm ein erstes Atem holen. So viel wusste er: Bloß jetzt nichts falsch machen. Den Fehler hatten schon einige Kollegen gemacht und danach viele langjährig betreute Kunden, Angehörige und große Summen an Einlagen verloren. Liquiditätssicherung nach dem Tod des Kunden s n Wenn Bankern die richtigen Worte fehlen Zum Autor: Ulrich Welzel Banker, Unternehmensberater, Fachbuchautor, Trainer, Hospizbegleiter. Unternehmer bei ih- ren Herausforderungen aktiv zu begleiten hat er sich auf die Fahnen geschrieben. Er gründe- te BRAIN|ACTIVE® Unternehmerberatung im Jahr 2009 in München als unabhängiges Beratungsunternehmen. Seit 1987 im Vertrieb tätig, davon fast 20 Jahre als Banker in der Be- treuung gehobener Privatkunden. Er hat die Lösung „Wertschätzender Um- gang mit trauernden Angehörigen” entwi- ckelt, nachdem er in einem Trauerfall keine Hilfe von seinen Führungskräften bekam. Mit seinem Team betreut er international Banken und Unternehmen im Umgang mit Trauer und Verlust im Unternehmen. In Banken gibt er Hilfestellung bei der Implementierung des Generationenmanagements. s

Liquiditätssicherung nach dem Tod des kunden 189

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Stärkster Stress für alle Betroffenen

Die Erfahrung von Tod ist für jeden Angehörigen eine starke emo-tionale Erfahrung und Belastung. Experten sprechen vom stärks-ten Stress, der einem Menschen widerfahren kann. Dieser Stress spiegelt sich nach dem Tod des Kunden auch in der Kundenbe-ratung von Banken wider. Sehr oft fühlt sich der Berater in der Beratungssituation hilflos, gehemmt und unbehaglich.

Betreuung ohne emotionale Verbindung

Abwicklungstechnische oder finanzielle Fragen sind die eine Seite der Herausforderung. Der persönliche Kontakt mit trau-ernden Angehörigen ist die andere Seite und gilt in dem Fall als die größte Herausforderung für den Banker. Empathie, wertschätzende Kommunikation und Authentizität sind der Schlüssel, um das Vertrauen der Angehörigen zu gewinnen. Die Antwort der trauernden Angehörigen? Dank und Loyalität. Trauernde Angehörige spüren instinktiv, wenn ihnen an Stelle echter Einfühlung nur ein Mitgefühl vorgegaukelt wird. Kleine, pietätsfremde Fehltritte und kommunikative Unstimmigkeiten können problemlos gut verlaufende Beratungen torpedieren. Sehen wir uns die demografische Entwicklung an, wissen wir, dass es in den nächsten 20 Jahren zu einer massiven Überal-terung der Gesellschaft kommt. Auf der Produktseite halten Banken umfangreiche Lösungen für ihre Kunden bereit, um die Auswirkungen der Demografie zu mildern. „Welche Auswir-kung hat die demografische Entwicklung auf unseren Kunden-stamm, auf unsere Berater und auf unser jährliches Ergebnis?“ ist eine der wichtigen Fragen von Bankvorständen. Die Statistik zeigt, dass wir bereits heute in einer alternden Gesellschaft le-ben und 17,65 % der Bevölkerung älter als 65 Jahre sind. Bei alteingesessenen Banken spricht man von einem Anteil der über 60-jährigen von bis zu 35%. Dadurch, dass die geburtenstarken

Darauf war Helmut W. gar nicht vorbereitet. „Mein Mann ist vor zwei Tagen gestorben“ sagte die ältere dunkel gekleidete Frau,

als Sie unangemeldet im Private Banking vor ihm steht. „Ach, Du liebe Zeit, was soll ich jetzt tun?“ war der erste Gedanke von

Helmut W., in der Bank zuständig für die Beratung von vermögenden Kunden. Ein erstes „Herzliches Beileid“ stammelnd, bietet

er der älteren Frau einen Sitzplatz an. Entgegen seinen Gepflogenheiten sorgt er selber für die Getränke. Das verschafft ihm ein

erstes Atem holen. So viel wusste er: Bloß jetzt nichts falsch machen. Den Fehler hatten schon einige Kollegen gemacht und

danach viele langjährig betreute Kunden, Angehörige und große Summen an Einlagen verloren.

Liquiditätssicherung nach dem Tod des Kunden

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n Wenn Bankern die richtigen Worte fehlen

Zum Autor: Ulrich Welzel Banker, Unternehmensberater, Fachbuchautor, Trainer, Hospizbegleiter. Unternehmer bei ih-ren Herausforderungen aktiv zu begleiten hat er sich auf die Fahnen geschrieben. Er gründe-te BRAIN|ACTIVE® Unternehmerberatung im Jahr 2009 in München als unabhängiges Beratungsunternehmen. Seit 1987 im Vertrieb tätig, davon fast 20 Jahre als Banker in der Be-treuung gehobener Privatkunden. Er hat die Lösung „Wertschätzender Um-gang mit trauernden Angehörigen” entwi-ckelt, nachdem er in einem Trauerfall keine Hilfe von seinen Führungskräften bekam. Mit seinem Team betreut er international Banken und Unternehmen im Umgang mit Trauer und Verlust im Unternehmen. In Banken gibt er Hilfestellung bei der Implementierung des Generationenmanagements.

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Jahrgänge in ein Alter kommen, in dem Sterblichkeit wahr-scheinlicher wird, verändern sich Lebensformen, Umgangsfor-men wie auch Beratungsprozesse in Banken. Daraus leiten sich Konsequenzen ab. Banken und Ihre Berater müssen sich darauf einstellen, dass in den nächsten 15 - 20 Jahren bis zu 35% Ihrer Kunden versterben.

Über 50-jährige besitzen bis zu 80% der Bankeinlagen

Da die Kundengruppe der über 50-jährigen heute bis zu 80% der Bankeinlagen besitzt, lohnt es sich, die Beratungsprozesse schon heute an diese Situation anzupassen. Zukünftig werden Bankbe-rater vermehrt mit trauernden Angehörigen zu tun haben. Eine sich seit Jahren ändernde Alterspyramide verlangt eine an den Marktrealitäten orientierte Lösung. Obwohl jedes Jahr durch-schnittlich 77.000 Menschen in Österreich versterben , wird das Thema Sterben, Tod und Trauer in unserer Gesellschaft oftmals aus Unsicherheit tabuisiert. Unter allen Grenzerfahrungen gilt der Tod als die existenziellste Erfahrung.

Dramatischer Kundenverlust

Die Erfahrungen zeigen, dass nur wenige Banken, diese für sie überlebenswichtigen Zahlen ermitteln, auswerten und die richti-gen Maßnahmen einleiten. Um sich ein erstes Bild zu machen, ist es sinnvoll, eine Altersstrukturanalyse des Kundenstamms (für jedes Geburtsjahr) zu erstellen. Mit dem Wissen um sehr hohe (natürliche) Kundenverluste liegt die Aufgabe der Bankverant-wortlichen klar auf der Hand: Sicherung der Bankeinlagen über den Tod des Kunden hinaus.

280 Milliarden Euro vererbtes Vermögen

Bis zum Jahr 2020 rechnet man in Österreich mit einem vererb-ten Vermögen von ca. 280 Milliarden Euro. Jährlich bedeutet das geschätzte 35 Mrd. Euro an vererbtem Vermögen, davon 11,9 Milliarden € an Geldvermögen. Da es sich nur um Schätzungen handelt, arbeitet die Österreichische Nationalbank (OeNB) derzeit an einer aussagekräftigen Studie. Genaue Zahlen sollen im Sep-tember 2012 veröffentlicht werden. In einer Erhebung von Immo-bilienvermögen in privaten Haushalten analysierte die OeNB zwei Drittel des Gesamtvermögensbestands in Immobilien. Ein Drittel des vererbten Vermögens liegt zum größten Teil auf sofort liqui-dierbaren Einlagen bei Banken und Versicherungen.

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n Fünf Schritte zum erfolgreichen Umgang mit trauernden Angehörigen

1. Altersstrukturanalyse im Kundenstamm durchführen

2. Vermögenszuordnung nach Altersgruppen

3. Marketing und Produktauswahl auf das jeweilige Kundensegment abstimmen

4. Ausreichend ältere Banker (über Alter 50) ausbilden

5. Banker fit für den Umgang mit trauernden Angehörigen machen.

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Vermögen wandert ab

Seit Jahren beobachten Experten ein Phänomen in den Banken: Nach dem Tod des Erblassers werden oft bis zu 75% des liqui-den Vermögens auf eine andere Bank transferiert und langjährige Bankverbindungen beendet. Warum ist das so?

Die E-Mail einer Bestatterin (an den Autor) bringt es auf den Punkt:„Gerade waren Angehörige bei mir, die sich bitterlich über die Bank be-schwert haben, bei der sie seit 50 Jahren Kunden sind. Verkehrter Ton - kein Einfühlungsvermögen. Die Angehörigen werden die Bank wech-seln.“

Das ist die Kundenreaktion wenn Berater nicht angemessen auf die Bedürfnisse von trauernden Angehörigen eingehen. Bereits 36 Stunden nach dem Tod des Kunden, der noch nicht beerdigt ist(!), ist klar, dass die Spareinlagen spätestens in einem halben Jahr nicht mehr bei dieser Bank liegen.

50 Jahre Kundenbeziehung (im ländlichen Bereich, wo sich jeder kennt) werden in 50 Sekunden elemeniert.

Aus vielen Interviews mit ehemals trauernden Bankkunden wissen wir, dass sie sich sehr oft emotional falsch oder gar nicht angespro-chen fühlen. Erfahrung zeigen, dass 95% der Banker gar keinen Kontakt mit den trauenden Angehörigen aufnehmen. Wird Kon-takt aufgenommen und es kommt zum Beratungsgespräch, erleben Trauerende immer wieder, dass Banker nach einem floskelhaften „Herzliches Beileid“ viel zu schnell zur Tagesordnung übergehen. Fragt man bei Bankern nach, kommt sehr oft die Aussage: „Ich weiß gar nicht, was ich mit den Angehörigen reden soll!“

Trauernde Angehörige hören oft folgende Aussagen von ihren Beratern: „Kopf hoch, das wird schon wieder.“, „Sie sind stark. Sie schaffen werden das schaffen.“ „Ich weiß wie Sie sich fühlen.“.

All die Aussagen spiegeln eines wider: Die Unsicherheit des Be-raters. Das Ergebnis: Der trauernde Angehörige fühlt sich nicht

aufgehoben und nicht wertgeschätzt. In der Folge bedeutet das für Banken einen vorsichtig geschätzten Mittelabfluss von 10 - 12 Mrd. Euro. Für eine kleine Bank können das Mittelabflüsse im 1-stelligen Millionen-Bereich bedeuten. Bei mittleren und gro-ßen Banken reden wir schnell von 2-stelligen Millionensummen. Jährlich!!! Spricht man mit Führungskräften, werden die Zahlen bestätigt und oftmals nach oben korrigiert. Jedem Vorstand ist auf Grund der genannten Zahlen klar, welche Auswirkungen die alar-mierenden und gewaltigen Mittelabflüsse auf das Bankergebnis haben. Neben der Suche nach Antworten auf die aktuellen He-rausforderungen wie Regulierung, Vertrauensverlust und weniger Ertrag fehlen der Branche Antworten wie das Vertrauen der Kun-den wiedergewonnen werden soll. Es erscheint also nur sinnvoll, das Banken sich dem Thema Liquiditätssicherung nach Trauerfäl-len und wertschätzenden Umgang mit Trauernden zu widmen.

Von der Beratung zur Begleitung

Wer als Berater in seinem Leben noch nicht mit dem Tod konfron-tiert war, sollte versuchen, sich in diesen schwersten aller mensch-lichen Augenblicke hinein zu fühlen.Für den Banker gilt es, den Spagat zwischen Berater und Beglei-ter professionell zu gestalten. Neben der Beachtung der Etikette gilt es, die Aspekte der verbalen und nonverbalen Kommunikation ganz besonders zu berücksichtigen.Die selbstverständlichsten Fragen sind oft nicht einfach zu beant-worten:• Wie gehe ich am besten auf einen trauernden Angehörigen zu? • Wie kondoliere ich richtig?• Wie viel Anteilnahme ist in einem Bankgespräch angebracht,

ohne gefühlskalt oder überheblich zu wirken?• Wie spricht man mit einem Menschen der einen geliebten

Menschen verloren hat?

Kommunikativer Drahtseilakt und praktische Vor-gehensweise

Wenn es der Bank gelingt ihre Berater und Führungskräfte für den Umgang mit trauernden Angehörigen zu sensibilisieren, ist ein rie-siger Schritt getan, um Mittelabflüsse zu verringern, langfristig die Erträge zu sichern und die Angehörigen als Kunden zu binden. y

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