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Ländlicher Tourismus im Alentejo (Portugal) und sein Beitrag zur Regionalentwicklung Freie Wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des akademischen Grades „Diplom-Geograph“ an der Philosophischen Fakultät III (Geschichte, Gesellschaft und Geographie) der Universität Regensburg vorgelegt von Johannes Gschwendtner Juli 2007 Betreuer: Prof. Dr. T. Breuer

Ländlicher Tourismus im Alentejo (Portugal) und sein Beitrag zur … · 2018. 6. 16. · Ländlicher Tourismus im Alentejo (Portugal) und sein Beitrag zur Regionalentwicklung Freie

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  • Ländlicher Tourismus im Alentejo (Portugal)

    und sein Beitrag zur Regionalentwicklung

    Freie Wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des

    akademischen Grades

    „Diplom-Geograph“

    an der

    Philosophischen Fakultät III

    (Geschichte, Gesellschaft und Geographie)

    der Universität Regensburg

    vorgelegt von

    Johannes Gschwendtner

    Juli 2007

    Betreuer: Prof. Dr. T. Breuer

  • 2

    Vorwort

    Das Thema zu dieser Diplomarbeit hat sich aus eigenem Interesse ergeben. Als ich im

    Sommer 2004 zum ersten Mal die Region Alentejo in Portugal besuchte, war ich sofort von

    ihr fasziniert. Angesichts der reizvollen Landschaft, der unerschlossenen Küste mit

    kilometerlangen Stränden, der großen Zahl an kulturellen Sehenswürdigkeiten und der vielen

    kleinen, interessanten Dörfer, wunderte es mich sehr, dass man - abgesehen von der

    Regionshauptstadt Évora - nur wenigen Touristen begegnete. So entwickelte sich auch mein

    Interesse für den portugiesischen Tourismus. Im Rahmen eines universitären Hauptseminars

    mit dem Thema „Landeskunde Portugal“, das Herr Professor Breuer im Sommersemester

    2005 anbot, konnte ich mich in meiner Seminararbeit zum Thema „Regionale Verteilung und

    Struktur des Fremdenverkehrs in Portugal“ intensiv mit dem portugiesischen Tourismus

    beschäftigen. Bei der Literaturrecherche stieß ich auch auf das touristische Marktsegment

    „Tourismus im ländlichen Raum“, dessen Unterkünfte mir schon bei meinem ersten

    Aufenthalt im Alentejo positiv aufgefallen waren. Bei einem Praktikum bei einer Tourismus-

    Consulting Firma in Lissabon im Sommer 2005 hatte ich die Möglichkeit, bei einem großen

    Projekt für das nationale Tourismusinstitut mitzuarbeiten und erhielt dadurch genaue

    Einblicke in die portugiesische Tourismuspolitik und –strategie. Die mangelnde Einbettung

    des Alentejo und des Segments „Tourismus im ländlichen Raum“ in die nationale

    Tourismusplanung trugen auch dazu bei, dass ich mich intensiver mit dem Thema

    auseinandersetzte und es schließlich zum Gegenstand meiner Diplomarbeit machte.

    Regensburg, den 19. Juli 2007 Johannes Gschwendtner

  • Inhaltsverzeichnis

    3

    I. INHALTSVERZEICHNIS

    I. Inhaltsverzeichnis .............................................................................................................3

    II. Abbildungsverzeichnis ....................................................................................................5

    III. Tabellenverzeichnis ........................................................................................................7

    IV. Abkürzungsverzeichnis..................................................................................................8

    V. Verzeichnis portugiesischer Begriffe ...........................................................................10

    VI. INHALT...........................................................................................................................11

    1. Fragestellung..............................................................................................................11

    1.1 Zielsetzung der Untersuchung ................................................................................11

    1.2 Abgrenzung des Untersuchungsgebietes ...............................................................12

    1.3 Aufbau der Arbeit....................................................................................................15

    2. Methodisches Vorgehen ............................................................................................18

    2.1 Quellen ...................................................................................................................18

    2.2 Untersuchungsmethode..........................................................................................18

    2.3 Befragungsmethode ...............................................................................................21

    2.4 Befragungsgebiet....................................................................................................24

    2.5 Methodenkritik ........................................................................................................26

    3. Ländlicher Tourismus ................................................................................................27

    3.1 Terminologische Abgrenzung .................................................................................27

    3.2 Merkmale und Struktur des Ländlichen Tourismus .................................................30

    3.3 Erfolgsfaktoren des Ländlichen Tourismus .............................................................32

    3.4 Ländlicher Tourismus als Entwicklungsstrategie für ländliche Räume.....................35

    4. Das Alentejo: Strukturschwache, ländliche Region mit touristischem Potenzial ..41

    4.1 Einführung ..............................................................................................................41

    4.2 Ursprüngliches touristisches Angebot .....................................................................43

    4.2.1 Natürliche Ressourcen.....................................................................................43

    4.2.2 Kulturelle Ressourcen......................................................................................45

    4.3 Wirtschaftliche und soziale Situation.......................................................................48

    4.3.1 Sozioökonomische Faktoren............................................................................48

    4.3.2 Landwirtschaft..................................................................................................52

    4.4 Zusammenfassung .................................................................................................55

  • Inhaltsverzeichnis

    4

    5. Rahmenbedingungen der regionalen Entwicklung im Alentejo ..............................58

    5.1 Konzept der eigenständigen Regionalentwicklung ..................................................58

    5.2 Rolle des Ländlichen Tourismus in der Regionalpolitik der Europäischen Union.....60

    5.3 Regionalentwicklungsprogramme im Alentejo.........................................................63

    6. Tourismus in Portugal................................................................................................68

    6.1 Struktur und regionale Verteilung des Tourismus in Portugal..................................68

    6.2 Tourismuspolitik......................................................................................................71

    6.2.1 Organisationsstruktur .......................................................................................71

    6.2.2 Tourismusstrategie in der Vergangenheit.........................................................73

    6.2.3 „Plano Estratégico Nacional do Turismo“ (PENT) ............................................75

    6.3 Wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus in Portugal ............................................79

    7. „Turismo no Espaço Rural“ (TER) ............................................................................80

    7.1 Konzept des TER in Portugal und seine historische Entwicklung............................80

    7.2 Institutionelle Rahmenbedingungen und nationale Förderinstrumente ....................84

    7.3 Quantitative Analyse von Angebot und Nachfrage..................................................90

    7.4 Turismo no Espaço Rural (TER) im Alentejo...........................................................98

    7.4.1 Anfänge und Kennzeichen des Tourismus im Alentejo.....................................98

    7.4.2 Merkmale des TER im Alentejo......................................................................101

    7.4.3 Rolle der beteiligten touristischen Akteure .....................................................110

    7.4.4 Stärken-Schwächen-Chancen-Risiken-Analyse (SWOT-Analyse) .................116

    7.4.5 Zusammenfassung ........................................................................................118

    8. Beitrag des Ländlichen Tourismus zur regionalen Entwicklung des Alentejo ....120

    8.1 Beurteilung des TER aus Sicht der Experten und Unterkunftsbetreiber ................120

    8.2 Wirtschaftliche Effekte ..........................................................................................122

    8.2.1 Einkommenseffekte .......................................................................................122

    8.2.2 Beschäftigungseffekte....................................................................................128

    8.2.3 Wirkungen auf die Landwirtschaft ..................................................................130

    8.3 Soziale und sonstige Effekte.................................................................................133

    8.4 Synthese der Ergebnisse......................................................................................135

    9. Handlungsempfehlungen.........................................................................................140

    VII. Literaturverzeichnis ...................................................................................................149

    VIII. Dokumentationsanhang (auf CD-Rom)

  • Abbildungsverzeichnis

    5

    II. Abbildungsverzeichnis

    Abbildung 1: Räumliche Abgrenzung des Alentejo .........................................................14

    Abbildung 2: Lage der befragten Beherbergungsbetriebe...............................................25

    Abbildung 3: Übersichtskarte Portugal............................................................................41

    Abbildung 4: Das Alentejo ..............................................................................................42

    Abbildung 5: Bevölkerungsentwicklung im Alentejo 1981-2001 ......................................49

    Abbildung 6: Wirtschaftliche Entwicklung des Alentejo 1988-2002 .................................50

    Abbildung 7: Bruttowertschöpfung nach Wirtschaftssektoren 2001.................................51

    Abbildung 8: Entwicklung der biologischen Landwirtschaft im Alentejo 1994-2005.........54

    Abbildung 9: Übernachtungen in der Hotellerie nach Herkunft 1993-2006......................68

    Abbildung 10: Übernachtungen in der Hotellerie im Jahresverlauf 2006...........................69

    Abbildung 11: Durchschnittliche Aufenthaltsdauer 1991-2003 ..........................................69

    Abbildung 12: Übernachtungen nach Unterkunftsarten 2005............................................70

    Abbildung 13: Werbemittel pro Marktsegment 2006 .........................................................75

    Abbildung 14: Entwicklung der staatlichen Förderung des TER........................................90

    Abbildung 15: Entwicklung des touristischen Angebots des TER 1990-2006....................91

    Abbildung 16: Anteile der Unterkunftsarten des TER 2006 ...............................................92

    Abbildung 17: Übernachtungen in Unterkünften des TER 1988-2006...............................93

    Abbildung 18: Übernachtungen nach Herkunft der Gäste im Jahresverlauf 2006 .............93

    Abbildung 19: Bettenauslastung in Unterkünften des TER 1991-2006..............................94

    Abbildung 20: Anzahl der Unterkünfte des TER in Portugal nach Distrikten .....................96

    Abbildung 21: Nachfrageentwicklung in der Hotellerie im Alentejo 1996-2005..................99

    Abbildung 22: Zahl der Beherbergungsbetriebe im Alentejo 1999-2006 .........................102

  • Abbildungsverzeichnis

    6

    Abbildung 23: TER: Übernachtungen im Jahresverlauf im Alentejo 2006 .......................102

    Abbildung 24: TER: Übernachtungen im Alentejo 1999-2006 .........................................103

    Abbildung 25: Zeitraum der Betriebseröffnung................................................................105

    Abbildung 26: Mitglieder von ARPTA..............................................................................113

    Abbildung 27: Stärken-Schwächen-Chancen-Risiken-Analyse .......................................116

    Abbildung 28: Probleme des TER aus Sicht der Experten ..............................................120

    Abbildung 29: Probleme des TER aus Sicht der Unterkunftsbetreiber ............................120

    Abbildung 30: Wie trägt der TER zur regionalen Entwicklung bei? .................................121

    Abbildung 31: Wo haben Sie das Mobiliar für die Unterkunft gekauft?............................128

    Abbildung 32: Zahl der Angestellten ...............................................................................128

    Abbildung 33: Herkunft der Beschäftigten.......................................................................129

    Abbildung 34: Herkunft der Facharbeitskräfte.................................................................130

    Abbildung 35: Synthese der Ergebnisse.........................................................................139

  • Tabellenverzeichnis

    7

    III. Tabellenverzeichnis

    Tabelle 1: Zahl und Art der befragten Beherbergungsbetriebe........................................23

    Tabelle 2: Verteilung der befragten Unterkünfte und der Unterkünfte insgesamt auf die

    einzelnen Distrikte des Alentejo.......................................................................................24

    Tabelle 3: Entwicklung der Bodennutzung im Alentejo ...................................................53

    Tabelle 4: Vergleich der NUTS II-Regionen nach touristischen Kennziffern der

    Hotellerie ..........................................................................................................................70

    Tabelle 5: Jahresbudget für Auslandsmarketing ............................................................75

    Tabelle 6: Fördermittel für Unterkünfte des TER 2000-2006...........................................89

    Tabelle 7: TER: Vergleich der NUTS II-Regionen nach touristischen Kennziffern...........97

    Tabelle 8: Vergleich der Unterkunftsarten des TER in Portugal ......................................97

    Tabelle 9: Der TER und die Hotellerie im Alentejo im Vergleich....................................101

    Tabelle 10: TER: Zahl und Art der Unterkünfte und Betten im Alentejo nach NUTS III-

    Regionen........................................................................................................................103

  • Abkürzungsverzeichnis

    8

    IV. Abkürzungsverzeichnis

    Deutsche Abkürzungen

    BIP Bruttoinlandsprodukt

    EAGFL Europäische Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft

    EFRE Europäischer Fonds für regionale Entwicklung

    ELER Europäischen Landwirtschaftsfonds für die ländliche Entwicklung

    ESF Europäischer Sozialfonds

    FIAF Finanzinstrument für die Ausrichtung der Fischerei

    GAP Gemeinsame Agrarpolitik

    LAG Lokale Aktionsgruppe

    LN Landwirtschaftliche Nutzfläche

    Portugiesische Abkürzungen

    TER Turismo no Espaço Rural

    TH Turismo de Habitação

    TR Turismo Rural

    AG Agro-Turismo

    TA Turismo de Aldeia

    CC Casas de Campo

    HR Hotel Rural

    ADI Associação de Defesa dos Interesses de Monsaraz

    ADRAL Agência de Desenvolvimento Regional do Alentejo

    ARPTA Agência Regional da Promoção Turística do Alentejo

    ARTA Associação Regional de Turismo do Alentejo

    ASAE Autoridade de Segurança Alimentar e Económica

    ATA Associacao de Turismo de Aldeia

    BTT Bicicletas Todo o Terreno (Mountainbikes)

    CENTER Central Nacional de Turismo no Espaço Rural

    CCDRA Comissão de Coordenação e Desenvolvimento Regional do Alentejo

    DGDR Direcção-Geral de Desenvolvimento Regional

    DGT Direcção Geral do Turismo

    DRE Direcção Regional do Ministério da Economia

    ENATUR Empresa Nacional de Turismo

    ICEP Instituto das empresas para os mercados externos

    IFT Instituto de Financiamento e Apoio ao Turismo

    INE Instituto Nacional de Estatística

  • Abkürzungsverzeichnis

    9

    ITP Instituto de Turismo de Portugal

    PAC Politica Agricola Comunitaria

    PDM Plano Director Municipal

    PENT Plano Estratégico Nacional do Turismo

    PIN Projectos de Interesse Nacional

    PITER Programas Integrados Turísticos Estruturantes e de Base Regional

    PME Pequenas e Micro-Empresas

    POE Programa Operacional de Economia

    PORA Programa Operacional Regional do Alentejo

    PRIME Programa de Incentivos à Modernização da Economia

    PRIVETUR Associação Portuguesa de Turismo no Espaço Rural

    PROT Plano Regional de Ordenamento do Território do Alentejo

    QREN Quadro de Referencia de Estrategia Nacional

    RT Região de Turismo

    SIME Sistema de Incentivos à Modernização Empresarial

    SIPIE Sistema de Incentivos a Pequenas Iniciativas Empresariais

    SIR Sistema de Incentivos Regionais

    SIVETUR Sistema de Incentivos a Produtos Turísticos de Vocação Estratégica

    TOC Taxa de Ocupação Cama (Bettenauslastung)

    TURIHAB Associaçao de Turismo de Habitação

    Sonstige Abkürzungen

    LEADER Liaison entre Actions de Développement de l´Économie Rurale

    NUTS Nomenclature des Unités Territoriales Statistiques

  • Verzeichnis portugiesischer Begriffe

    10

    V. Verzeichnis portugiesischer Begriffe

    Antas Hünengräber, Dolmen

    Alentejo Central Zentralalentejo

    Alentejo Litoral Küstenalentejo

    Alto Alentejo Hochalentejo

    Área Protegida Schutzgebiet

    Azulejos Mosaike aus zumeist quadratischen, überwiegend blau

    bemalten und glasifizierten Keramikfliesen

    Baixo Alentejo Niederalentejo

    Câmara Municipal Kreisregierung

    Casas Antigas Adelsresidenzen, -paläste

    Casas Rústicas Rustikale, alte Anwesen mit regionaltypischer Architektur

    Eno-turismo Gesamtheit der Dienstleistungen, die in Verbindung mit

    Wein stehen und Touristen entgeltlich erbracht werden

    Herdade Gutshof, Landgut; meist Mittelpunkt und Wohnsitz eines

    großflächigen landwirtschaftlichen Besitzes

    Incentivos a fundo perdido Fördermittel, die nicht zurückgezahlt werden müssen;

    diese werden in der Arbeit als Zuschüsse bezeichnet

    Junta de Freguesia Kommunalverwaltung

    Monte 1. Gutshof eines Latifundiums, 2. Anhöhe, auf der der

    Gutshof liegt

    Parque Natural Naturpark

    Pousada Privat geführte (früher: staatlich geführte) qualitativ

    hochwertige Hotelbetriebe von hohem historischen und

    architektonischen Wert

    Quadro Comunitário de Apoio Gemeinschaftliches Förderkonzept (der EU)

    Quinta Landgut

    Rede Europeia de Turismo de Aldeia Europäisches Netzwerk “Dorftourismus”

    Reserva Natural Naturschutzgebiet

    Rota dos Sabores Strasse der Geschmäcker

    Rota dos Vinhos Weinstrasse

    „Sol e Mar“ „Sonne und Meer“; steht für den typischen Küsten- und

    Badetourismus

    Touring Cultural e Paisagístico Landschafts- und Kultur(rund)reisen

    Turismo de Natureza Naturtourismus

    Turismo no Espaço Rural Tourismus im ländlichen Raum

  • 1. Fragestellung

    11

    VI. INHALT

    1. Fragestellung

    1.1 Zielsetzung der Untersuchung

    Der ländliche Raum und der Tourismus sind seit langem feste Bestandteile der

    geographischen Forschung. Da sich die Geographie als integrative Raumwissenschaft

    versteht, die die Vernetzung von Mensch und Umwelt, von Wirtschaft, Gesellschaft und

    Natur und die Raumwirksamkeit dieser Wechselwirkungen erforscht, ist gerade die

    Geographie prädestiniert, den Tourismus im ländlichen Raum hinsichtlich seiner

    raumrelevanten Auswirkungen zu untersuchen (vgl. BOESCH, 1989, S. 220). Die verstärkte

    Mitwirkung der Geographie im Bereich der Regionalplanung gründet sich auf ihrem multi-

    und interdisziplinären Forschungsansatz und ihrer integrativen Sichtweise, die für eine

    erfolgreiche regionale Planung und Entwicklung unentbehrlich ist. Gerade im ländlichen

    Raum, der durch vielschichtige und komplexe Prozesse und Systemzusammenhänge

    gekennzeichnet und in jüngster Zeit von vielfältigen Wandlungsprozessen geprägt ist, kann

    die Geographie auch auf operativer Ebene einen wichtigen Beitrag leisten. An der

    geographischen Relevanz des Themas dieser Diplomarbeit besteht daher kein Zweifel,

    vielmehr verbindet die Frage nach dem Beitrag des Ländlichen Tourismus zur regionalen

    Entwicklung mehrere geographische Forschungsgegenstände, den ländlichen Raum, den

    Tourismus und die Regionalplanung.

    In der wissenschaftlichen Literatur zum Thema „Ländlicher Tourismus“ stößt man immer

    wieder auf die These, Ländlicher Tourismus könne einen wichtigen Beitrag zur regionalen

    Entwicklung leisten, die kriselnde Landwirtschaft könne durch ihn ein wichtiges

    Zusatzeinkommen erwirtschaften und es ergäben sich eine Vielzahl von positiven Effekten

    für die lokale Bevölkerung. Empirische Untersuchungen, die diese Thesen überprüfen, gibt

    es jedoch wenige. Die wenigen portugiesischen Studien zu diesem Thema sind entweder auf

    den Norden Portugals beschränkt und/oder, wie im Falle dreier universitärer

    Abschlussarbeiten an der Universität Évora, behandeln nur am Rande den Beitrag des

    Ländlichen Tourismus zur lokalen oder regionalen Entwicklung.

    Die unzureichende wissenschaftliche Beschäftigung mit der Thematik in Portugal war ein

    Grund für mich, das Thema in meiner Diplomarbeit zu behandeln. Außerdem ist mit der

    Untersuchung die Hoffnung verbunden, dass dem Ländlichen Tourismus in Portugal und im

    Alentejo bei einem positiven Ergebnis von staatlicher und behördlicher Seite ein größerer

    Stellenwert beigemessen wird als dies bisher der Fall ist. Das Ziel der Untersuchung ist nicht

    nur herauszufinden, ob und welchen Beitrag der Ländliche Tourismus im Alentejo zur

    Regionalentwicklung leistet. Mit der Arbeit soll auch geklärt werden, welche Erfolgsfaktoren

    den Ländlichen Tourismus im Alentejo determinieren, unter welchen Voraussetzungen die

  • 1. Fragestellung

    12

    positiven Effekte, die vom Ländlichen Tourismus ausgehen können, auf lokaler und

    regionaler Ebene wirksam werden und welche Einflussfaktoren den Ländlichen Tourismus im

    Alentejo als regionalen Entwicklungsmotor fördern bzw. behindern. Darauf aufbauend sollen

    für die beteiligten touristischen Akteure Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, die

    ihnen als zukünftige Entscheidungsgrundlage dienen sollen.

    Gegenstand der Untersuchung sind die Beherbergungsbetriebe des Ländlichen Tourismus,

    die in Portugal als „Turismo no Espaço Rural“ (= TER) bezeichnet werden. Abgesehen von

    der Einbeziehung einer nicht-klassifizierten Unterkunft in die Untersuchung, werden nur die

    Unterkünfte betrachtet, die von der Generaldirektion des Tourismus in Lissabon (= Direcção

    Geral do Turismo, DGT) offiziell als TER klassifiziert worden sind. Ihr Beitrag zur regionalen

    Entwicklung des Alentejo wird auf Basis der Theorie der eigenständigen

    Regionalentwicklung überprüft. Es soll geklärt werden, ob und in welchen Bereichen die

    untersuchten Unterkünfte und deren Gäste zu einer qualitativen Verbesserung der

    Wirtschaftsstruktur und Lebensbedingungen beitragen, indem sie endogene Potenziale der

    Region nutzen und aktivieren.

    1.2 Abgrenzung des Untersuchungsgebietes

    Die Gründe, warum das Alentejo als Untersuchungsregion ausgewählt wurde, sind vielfältig.

    Das Alentejo gehört nach wie vor zu den ärmsten und strukturschwächsten Regionen

    Europas. Die Region ist durch Abwanderung und Überalterung gekennzeichnet und die

    Landwirtschaft steckt seit langem in einer schweren Krise. Maßnahmen und Strategien zur

    regionalen Entwicklung sind hier besonders dringend nötig, außerdem kann man davon

    ausgehen, dass der Erfolg von Entwicklungsstrategien, wie zum Beispiel des Ländlichen

    Tourismus, im Alentejo besser verifiziert werden kann als in einer Region, die schon einen

    hohen Entwicklungsstand aufweist. Auf der anderen Seite birgt die Rückständigkeit des

    Alentejo Vorteile in sich. Die Ruhe, Naturbelassenheit und „Echtheit“ der ländlichen Region

    sind sehr gute Voraussetzungen, um dort Ländlichen Tourismus erfolgreich zu gestalten.

    Darüber hinaus verfügt das Alentejo über ein attraktives und vielfältiges ursprüngliches

    Angebot. In diesem Zusammenhang spielt auch die Tatsache eine Rolle, dass der

    Tourismus im Alentejo noch wenig entwickelt ist und eine noch kurze Geschichte hat. Das

    bedeutet, dass die touristische Zukunft noch relativ gut beeinflussbar ist, wenngleich vor

    kurzem von staatlicher Seite die ersten bedeutenden Weichen gestellt worden sind. Im

    Hinblick auf die geplanten touristischen Großprojekte am Alqueva-Staudamm und an der

    Alentejoküste, die ihrer Art nach voraussichtlich nicht dem Ländlichen Tourismus

    zuzurechnen sind und deren Folgen für den Ländlichen Tourismus in der Region noch nicht

  • 1. Fragestellung

    13

    abzuschätzen sind, macht es gerade zum jetzigen Zeitpunkt Sinn, den Nutzen des

    Ländlichen Tourismus für die Region zu überprüfen. Ein positives Ergebnis der

    Untersuchung könnte theoretisch die Wertschätzung des ländlichen Tourismus erhöhen und

    so beispielsweise einen rücksichtslosen Infrastrukturausbau oder ein einseitiges Marketing

    zugunsten der Großprojekte verhindern bzw. abschwächen.

    Die räumliche Abgrenzung des Alentejo bereitet im Rahmen dieser Arbeit grundsätzlich

    Schwierigkeiten, weil die administrative Einteilung des Alentejo nicht mit der statistischen

    Gebietseinteilung auf Basis der NUTS-Ebenen der europäischen Union übereinstimmt. Hinzu

    kommt, dass das Alentejo als touristische Destination und seine einzelnen

    Tourismusregionen weder mit den NUTS-Regionen noch mit den administrativen Einheiten

    gleichzusetzen sind.

    Nach administrativen Gesichtspunkten besteht das Alentejo aus den Distrikten Portalegre,

    Évora, Beja und dem südlichen Teil des Distrikts Setúbal. Der nördliche Teil des Distrikts

    Setúbal gehört zur Region Lissabon. Auf der Ebene der NUTS-Regionen bestand die NUTS

    II-Region Alentejo bis 2002 aus vier NUTS III-Regionen (Alto Alentejo, Alentejo Central,

    Baixo Alentejo, Alentejo Litoral). Im Jahre 2002 wurde die NUTS II-Region Alentejo um die

    NUTS III-Region „Lezíria do Tejo“ erweitert (vgl. Abb. 1, S. 14). Diese gehört zum Distrikt

    Santarém und wird nach naturräumlicher und historischer Einteilung dem Ribatejo

    zugerechnet. Damit besteht das Alentejo nun aus fünf NUTS III-Regionen (Alto Alentejo,

    Alentejo Central, Baixo Alentejo, Alentejo Litoral und Lezíria do Tejo), die sich auf fünf

    Distrikte erstrecken (Portalegre, Évora, Beja und Teile von Setúbal und Santarém). Im

    Rahmen dieser Arbeit wird die neue Teilregion Lezíria do Tejo jedoch, so weit es geht, nicht

    berücksichtigt, weil sie erstens weder naturräumlich noch historisch Teil des Alentejo ist.

    Zweitens, was noch wichtiger ist, schließt die touristische Vermarktung des Alentejo die

    Region nicht mit ein. Lezíria do Tejo gehört zur Tourismusregion Ribatejo und diese

    wiederum ist Teil der übergeordneten Tourismusregion Centro. Die Tourismusregion

    Alentejo hat die gleiche Ausdehnung wie die NUTS II-Region Alentejo, wie sie bis 2002

    existierte. Sie besteht aus vier Tourismusregionen, die bis auf eine Ausnahme mit den

    Distrikten des Alentejo übereinstimmen (Tourismusregion São Mamede = Distrikt Portalegre,

    Tourismusregion Évora = Distrikt Évora, Tourismusregion Costa Azul = Distrikt Setúbal). Die

    Tourismusregion Planície Dourada korrespondiert mit dem Distrikt Beja, aber der größte

    Landkreis des Distrikts Beja, Odemira, ist nicht Teil dieser und auch keiner der sonstigen

    Tourismusregionen des Alentejo. Odemira gehört aber trotzdem zur übergeordneten

    Tourismusregion Alentejo. Die Distrikte und NUTS III-Regionen des Alentejo unterscheiden

    sich in folgenden Punkten: Die Distrikte Portalegre und Évora unterscheiden sich lediglich

    bei zwei Landkreisen von den entsprechenden NUTS III-Regionen Alto Alentejo und Alentejo

    Central.

  • 1. Fragestellung

    14

    Abbildung 1: Räumliche Abgrenzung des Alentejo, eigene Darstellung

  • 1. Fragestellung

    15

    Der Landkreis Sousel gehört auf NUTS-Ebene zum Alentejo Central, während er auf

    administrativer Ebene zum Distrikt Portalegre gerechnet wird. Umgekehrt ist der Landkreis

    Mora auf NUTS-Ebene Teil des Alto Alentejo, gehört aber zum Distrikt Évora. Der Distrikt

    Beja entspricht mit Ausnahme des Landkreises Odemira der NUTS III-Region Baixo

    Alentejo, denn Odemira ist in die NUTS III-Region Alentejo Litoral eingeschlossen, die neben

    Odemira den südlichen Teil des Distrikts Setúbals umfasst. Die Größe des

    Untersuchungsgebietes in dieser Arbeit ist identisch mit der Tourismusregion Alentejo, mit

    der NUTS II-Region Alentejo ohne die neue NUTS III-Region Lezíria do Tejo und mit den

    Distrikten Beja, Évora, Portalegre und dem südlichen Teil des Distrikts Setúbal (vgl. Abb. 1,

    S. 14).

    Aus definitorischer Sicht gibt es im Alentejo sowohl Städte („cidades“) als auch überwiegend

    städtische Räume (Áreas Predominantemente Urbanas“). Nach dem Artikel 13 des Gesetzes

    11/82 vom 2. Juni 1982 wird in Portugal ein Ort als Stadt bezeichnet, wenn er mehr als 8000

    Einwohner hat und bestimmte zentralörtliche Funktionen erfüllt. Nach dieser Definition haben

    nicht nur die Distrikthauptstädte Portalegre (Stand 2001: 15.668 Einwohner), Évora (Stand

    2001: 44.627 Einwohner) und Beja (Stand 2001: 23.353 Einwohner), sondern einige weitere

    Orte im Alentejo den Status einer Stadt. Außerdem existieren eine Vielzahl von „Freguesias“

    (dt. Bezeichnung: Gemeindebezirk). Sie stellen die kleinste administrative Einheit in Portugal

    dar, die laut Definition des nationalen statistischen Instituts nicht als überwiegend ländliche

    Räume gelten, weil sie eine Einwohnerzahl von 2000 oder eine Bevölkerungsdichte von 100

    E/km² übersteigen. Dennoch werden in dieser Arbeit diese Gemeindebezirke und die Städte

    in den Untersuchungsraum mit eingeschlossen und somit bildet das ganze Alentejo den

    Untersuchungsgegenstand. Der Grund dafür ist, dass auch jene Gemeindebezirke, die per

    Definition nicht als überwiegend ländliche Räume gelten, einen ländlichen Charakter

    aufweisen und dort auch Unterkünfte des Typs „Turismo no Espaço Rural“ liegen, die der

    Hauptgegenstand der Untersuchung sind. In den Städten findet man ebenso ländliche

    Unterkünfte, außerdem sind die Städte, allen voran Évora, beliebte Ausflugsziele ländlicher

    Touristen und der Besichtigungs- und Kulturtourismus stellt ein bedeutendes

    Angebotssegment des touristischen Produkts Ländlicher Tourismus dar.

    1.3 Aufbau der Arbeit

    Zu Beginn der Arbeit wird zunächst erläutert, wie das Thema zustande gekommen ist, wie es

    sich in die geographische Forschung einpasst und was das Ziel der Untersuchung darstellt.

    Im Anschluss daran wird das Untersuchungsgebiet abgegrenzt und anhand von Karten

    illustriert. Die Erklärung der Methodik der Untersuchung bildet die Basis für das Verständnis

  • 1. Fragestellung

    16

    der Arbeit und wird daher bereits komplett in Kapitel 2 abgehandelt. Im dritten Kapitel folgen

    die theoretischen Grundlagen zum touristischen Produkt Ländlicher Tourismus, wobei ein

    besonderes Augenmerk auf die terminologische Abgrenzung des Begriffs gelegt wurde.

    Neben der Erklärung seiner typischen Merkmale und dem Versuch einer Typisierung

    ländlicher Touristen auf Basis der vorhandenen Literatur, wird der Erläuterung der

    Erfolgsfaktoren des Ländlichen Tourismus eine besondere Bedeutung beigemessen. Die

    Frage, welche Faktoren einen erfolgreichen Ländlichen Tourismus determinieren und

    welchen Herausforderungen sich speziell die ländlichen Unterkünfte, die den Kern der

    Untersuchung darstellen, stellen müssen, wird ebenso geklärt. Diese theoretischen

    Erkenntnisse können später mit den empirischen Ergebnissen der Untersuchung verglichen

    werden. Ebenso verhält es sich mit der umfassenden Abhandlung der möglichen regionalen

    Effekte des Ländlichen Tourismus. Sie bilden zusammen mit der Beschreibung der Faktoren,

    die über die Art und Höhe des Beitrags des Ländlichen Tourismus zur regionalen

    Entwicklung mitentscheiden, das theoretische Fundament für die empirischen Ergebnisse.

    Im vierten Kapitel wird das Untersuchungsgebiet vorgestellt. Seine Ausführlichkeit rechtfertigt

    sich durch die Besonderheit des Alentejo hinsichtlich seiner natürlichen und kulturellen

    Ressourcen, die für den Ländlichen Tourismus von entscheidender Bedeutung sind, und

    seiner speziellen ökonomischen und soziodemographischen Ausgangsbedingungen. Dabei

    wurde darauf geachtet, dass in erster Linie diejenigen Merkmale herausgearbeitet wurden,

    die für das Thema der Arbeit notwendig sind. Die Behandlung der Landwirtschaft als eigenen

    Unterpunkt gründet sich auf der engen Verbindung der Landwirtschaft zum Ländlichen

    Tourismus. Das fünfte Kapitel beginnt mit der Vorstellung des Konzepts der eigenständigen

    Regionalentwicklung. Dieses Konzept wird deshalb hervorgehoben, weil seine Leitideen im

    LEADER-Programm der EU Anwendung finden, das auch im Alentejo die regionale

    Entwicklung fördert und in dem der Ländliche Tourismus eine wichtige Rolle spielt.

    Außerdem sind Merkmale des Konzepts auch Bestandteil der portugiesischen

    Regionalentwicklungspolitik und speziell im Alentejo stellt es ein wichtiges Instrument zur

    Regionalentwicklung dar. Da das Alentejo in besonderem Maße von EU-Subventionen

    abhängig ist, macht es Sinn, die Finanzierungsinstrumente der EU vorzustellen und deren

    Verbindung zum Ländlichen Tourismus aufzuzeigen. Die Gemeinschaftsinitiative LEADER

    wird wegen ihrer Bedeutung für den Ländlichen Tourismus besonders hervorgehoben. Das

    Kapitel endet mit einer Übersicht über einige Regionalentwicklungsprogramme im Alentejo,

    dem bisherigen Stellenwert des Ländlichen Tourismus in der Regionalentwicklung des

    Alentejo und der Vorgehensweise der Regionalentwicklungsbehörden und –verbänden des

    Alentejo, des portugiesischen Staates und der EU in der Regionalentwicklung des Alentejo.

    Im Kapitel 6 wird kurz auf die Struktur des portugiesischen Tourismus eingegangen, um den

    Stellenwert des Ländlichen Tourismus gegenüber dem Tourismus in Portugal insgesamt

  • 1. Fragestellung

    17

    richtig einordnen zu können. Darauf aufbauend folgt eine Zusammenfassung der

    portugiesischen Tourismuspolitik in der Vergangenheit und den aktuellen Tourismusplänen,

    bei denen vor allem die Bedeutung der Pläne für das Alentejo und den Ländlichen Tourismus

    herausgestellt werden. Das Kapitel endet mit einer kurzen Darstellung der wirtschaftlichen

    Bedeutung des Tourismus in Portugal. Das Kapitel 7 stellt zunächst sämtliche relevanten

    Informationen zum „Turismo no Espaço Rural“ in Portugal dar. Seine historische

    Entwicklung, die gesetzlichen Rahmenbedingungen und Regelungen, die für die Arbeit von

    Bedeutung sind und die Definition des TER und der einzelnen Unterkunftsarten bilden die

    Grundlage. Es werden die für den TER zuständigen Behörden und deren Aufgaben sowie

    der Lizenzierungsprozess der Unterkünfte in seinen Grundzügen und den damit

    verbundenen Schwierigkeiten erläutert. Anschließend wird detailliert auf die staatlichen

    Finanzierungsinstrumente und Förderprogramme in den letzten 20 Jahren eingegangen, weil

    diese einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung des TER in Portugal hatten. Vor der

    Analyse des Ländlichen Tourismus im Alentejo steht eine quantitative Analyse von Angebot

    und Nachfrage des TER auf nationaler Ebene, die auch die regionale Verteilung, soweit

    möglich, berücksichtigt. Die Untersuchung des TER im Alentejo beginnt mit einem kurzen

    geschichtlichen Abriss des Tourismus im Alentejo und dem Vergleich der Entwicklung der

    Hotellerie und des TER. Den Kern dieses Abschnitts bildet die umfassende Abhandlung der

    Merkmale des TER im Alentejo, seine besonderen Kennzeichen, die beteiligten touristischen

    Akteure und Erfolgsfaktoren des TER, die auch hinsichtlich der Regionalentwicklung von

    Bedeutung sind. Die Faktoren, die das Erfolgspotential des TER beeinflussen, werden in

    einer Stärken-Schwächen-Chancen-Risiken-Analyse dargestellt und die gewonnenen

    Erkenntnisse aus dem ganzen Kapitel werden abschließend hinsichtlich ihres Einflusses auf

    die regionale Entwicklung bewertet. Kapitel 8 beginnt mit einer Übersicht, wie die befragten

    Experten und Unterkunftsbetreiber den TER im Alentejo beurteilen. Im Anschluss folgen die

    Ergebnisse der Befragung der Beherbergungsbetriebe bezüglich ihres Beitrags zur

    Regionalentwicklung. Diese sollen zeigen, welche Effekte vom TER ausgehen und in

    welchen Bereichen er einen positiven Beitrag zu einer regionalen Entwicklung leisten kann.

    Die Bewertung der Ergebnisse wird darlegen, ob und unter welchen Voraussetzungen es

    sich lohnt, auf den Ländlichen Tourismus als wirksames Regionalentwicklungsinstrument im

    Alentejo zu setzen. Das letzte Kapitel enthält Handlungsempfehlungen für die beteiligten

    touristischen Akteure. Auf der Grundlage der Untersuchungsergebnisse werden für die

    jeweiligen Akteure realistische Handlungsmuster ausgearbeitet, die bei einer konsequenten

    Umsetzung dazu beitragen können, dass der Ländliche Tourismus im Alentejo erfolgreicher

    wird und so sein Potenzial als Entwicklungsstrategie für das Alentejo besser ausschöpfen

    kann.

  • 2. Methodisches Vorgehen

    18

    2. Methodisches Vorgehen

    2.1 Quellen

    Der Inhalt der Arbeit setzt sich aus drei verschiedenen Quellen zusammen. Die Erkenntnisse

    der Kapitel 3 bis 5 wurden in erster Linie durch Auswertung von Sekundärliteratur

    gewonnen. Die Literaturrecherche zu dem Thema vollzog sich sowohl in Deutschland als

    auch in Portugal, dort vor allem im Dokumentationszentrum der Generaldirektion des

    Tourismus in Lissabon (Centro de Documentação da Direcção Geral do Turismo) und an der

    Universität Évora. Die ausgewerteten sekundärstatistischen Daten in den Kapiteln 4 bis 7

    stammen überwiegend vom nationalen statistischen Institut, von verschiedenen

    portugiesischen Regionalentwicklungsbehörden, Tourismusinstituten und -verbänden und

    Berichten der Europäischen Union. Die Ergebnisse des Kapitels 7 und 8 beruhen

    überwiegend auf eigenen qualitativen Primärerhebungen, die im Untersuchungsgebiet im

    Zeitraum vom 30. Oktober 2006 bis 20. Dezember 2006 durchgeführt wurden. Die relevanten

    Aussagen aus den geführten Expertengesprächen finden sich in den Kapiteln 4 bis 9 wieder.

    2.2 Untersuchungsmethode

    Vor der Vorstellung und Begründung der gewählten Untersuchungsmethode wird erklärt, wie

    und aus welchen Gründen die gewählte Untersuchungsmethode zustande gekommen ist

    beziehungsweise warum andere (quantitative) Untersuchungsmethoden nicht in Frage

    gekommen sind.

    Mit der Erfassung der wirtschaftlichen Wirkungen, die vom Fremdenverkehr auf regionaler

    Ebene ausgehen, sind einige Schwierigkeiten verbunden. Die Bedeutung eines

    Wirtschaftssektors schlägt sich in seinem Beitrag zum Volkseinkommen bzw. der

    Wertschöpfung nieder (vgl. EISENSTEIN, 1995, S. 81; zitiert nach KASPAR 1986, S. 126).

    Die Wertschöpfung, die dem Nettosozialprodukt zu Faktorkosten entspricht, setzt die

    Kenntnis der Kostenstrukturen in den Wirtschaftszweigen, die Umsätze aus dem Tourismus

    erwirtschaften, voraus (vgl. KOCH, 1986, S. 12). Diese Kostenstrukturen bzw. die Höhe der

    Wertschöpfungsquote in den einzelnen Betriebsarten kann regional sehr unterschiedlich

    ausfallen und für das Alentejo gibt es dazu keine genauen Angaben. Diese könnten unter

    Vorbehalt auch geschätzt werden, aber das größere Problem liegt bei der Bestimmung der

    fremdenverkehrsbedingten Umsätze, die die Basis für die Berechnung der Wertschöpfung

    darstellen. Die touristische Nachfrage bewirkt Umsätze in einer Vielzahl von Betrieben

    unterschiedlicher Wirtschaftszweige, die abgesehen von den Beherbergungsbetrieben aber

  • 2. Methodisches Vorgehen

    19

    nur einen Teil ihrer Umsätze aus dem Fremdenverkehr erzielen. Da die Umsätze, die auf

    touristische Nachfrage zurückgehen, in der Statistik nicht getrennt erfasst werden, ist es

    auch nicht möglich, das monetäre Volumen der Fremdenverkehrsumsätze angebotsseitig

    auszuweisen (vgl. KOCH, 1986, S. 12). Daher werden die Umsätze aus dem Tourismus über

    die Nachfrageseite ermittelt, für die die Höhe der Tagesausgaben der Touristen differenziert

    nach Ausgabenbereichen erhoben werden und quantitative Daten zum Nachfrageumfang

    (Zahl der Übernachtungen, Zahl der Tagesausflüge) hinzugezogen werden müssen. In

    Portugal gibt es ganz wenige Untersuchungen zur Ausgabenstruktur im Tourismus und

    speziell die Reiseausgaben ländlicher Touristen waren noch nie Gegenstand einer größeren

    Befragung. Eine eigene Primärerhebung der Reiseausgaben ländlicher Touristen im Alentejo

    war aus zeitlichen und finanziellen Gründen und wegen mangelnder institutioneller

    Unterstützung auf portugiesischer Seite unmöglich. Grundsätzlich scheitert die

    Quantifizierung der wirtschaftlichen Effekte des Ländlichen Tourismus auch an der

    Schwierigkeit der Abgrenzung des Ländlichen Tourismus und seiner vielfältigen

    Erscheinungsformen. Das mag auch einer der Gründe sein, warum bisher keine größeren

    Versuche unternommen worden sind, die wirtschaftlichen Effekte des Ländlichen Tourismus

    in Portugal zu quantifizieren. Somit können im Rahmen dieser Arbeit keine quantitativen

    Aussagen zu Einkommens- und Wertschöpfungseffekten, die vom Ländlichen Tourismus im

    Alentejo ausgehen, getroffen werden. Generell lässt die schlechte Datengrundlage zum

    Ländlichen Tourismus im Alentejo überhaupt keine gesicherten Rückschlüsse auf seine

    wirtschaftlichen Wirkungen zu. Aus genannten Gründen schied eine quantitative Erfassung

    der wirtschaftlichen Effekte des Ländlichen Tourismus als Untersuchungsmethode aus. Die

    gewählte Untersuchungsmethode zielt nur am Rande darauf, wirtschaftliche Effekte des

    Ländlichen Tourismus zu erfassen. Vielmehr soll gezeigt werden, in welchen Bereichen der

    Ländliche Tourismus zu einer Verbesserung der Lebensverhältnisse der ländlichen

    Bevölkerung beiträgt und endogene Potenziale freisetzt.

    Als Untersuchungsmethode wurde die Befragung der Unterkunftsbetreiber von ländlichen

    Unterkünften im Alentejo gewählt. Die Beherbergungsbetriebe des Ländlichen Tourismus

    sind die einzigen Betriebe, die eindeutig und ausschließlich dem Ländlichen Tourismus

    zuzurechnen sind. In allen anderen touristischen Betrieben oder Einrichtungen, die vom

    Tourismus profitieren, vermischen sich Ländlicher Tourismus und andere Tourismusformen.

    Das gilt unter anderem für Freizeitunternehmen, Souvenirläden oder kulturelle Einrichtungen.

    Ländlicher Tourismus umfasst zwar viel mehr als die ländlichen Beherbergungsbetriebe,

    doch sie sind das Kernstück des touristischen Angebots und sie bilden eine Art

    Verknüpfungsstelle verschiedener Angebotselemente des Ländlichen Tourismus und von

    Bereichen, die mit Ländlichen Tourismus in Verbindung stehen. Dazu gehören

    Freizeitunternehmen, Produzenten regionaler Produkte, die Landwirtschaft, die Gastronomie,

  • 2. Methodisches Vorgehen

    20

    das Baugewerbe, Reisebüros und -veranstalter, Tourismusverbände und andere. Mit der

    Befragung der Betreiber von ländlichen Unterkünften wird das Ziel verfolgt, so viele Aspekte

    des Ländlichen Tourismus wie möglich zu erfassen und festzustellen, auf welche Bereiche

    der Ländliche Tourismus Einfluss nimmt und umgekehrt. So sollen durch die Analyse der

    Befragung Erkenntnisse gewonnen werden, die zeigen, ob und in welchen Bereichen die

    Unterkünfte des TER zu einer regionalen Entwicklung im Alentejo beitragen und welche

    Einflussfaktoren diesen Beitrag mindern oder verstärken. Die gerade im Alentejo bedeutende

    Frage, ob der Ländliche Tourismus eine wichtige Alternative bzw. Nebenerwerbsquelle für

    die Landwirtschaft bietet, lässt sich ohnehin nur durch die Befragung von Landwirten, die

    Agro-Tourismus betreiben, überprüfen. Je nach Kenntnisstand der Unterkunftsbetreiber kann

    auch davon ausgegangen werden, Informationen über die Gäste in ländlichen Unterkünften

    zu erhalten. Durch die Befragung der Beherbergungsbetriebe des Ländlichen Tourismus

    bleiben die Tagesausflüge in den ländlichen Raum des Alentejo und deren Effekte

    unberücksichtigt.

    Neben der Befragung der Unterkunftsbetreiber wurden auch Expertengespräche geführt. Um

    den Ländlichen Tourismus aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, wurden die

    Gesprächspartner aus unterschiedlichen Bereichen, die mit Ländlichem Tourismus zu tun

    haben, ausgewählt. Durch die Expertengespräche sollten zum einen nützliche

    Hintergrundinformationen gewonnen werden, die auf anderem Wege nicht zugänglich

    gewesen wären. Zum anderen wurde damit das Ziel verfolgt, die Sichtweise der

    Beherbergungsbetreiber um weitere Aspekte zu ergänzen, um ein möglichst realistisches,

    aktuelles und heterogenes Meinungsbild des Ländlichen Tourismus im Alentejo zu erhalten.

    Die Meinung der befragten Akteure zum Beitrag des Ländlichen Tourismus zur regionalen

    Entwicklung des Alentejo spielt für das Ziel der Arbeit eine wichtige Rolle. Aus den Aussagen

    lassen sich qualitative Schlüsse ziehen und mit ihnen können die empirischen Ergebnisse

    der Befragung der Beherbergungsbetreiber ergänzt und überprüft beziehungsweise

    abgeglichen werden.

    Um die Arbeitsweise der Unterkünfte und ihr touristisches Angebot besser einschätzen zu

    können, übernachtete ich während des Erhebungszeitraums in insgesamt sieben

    verschiedenen Unterkünften des TER, mit deren Betreibern auch Interviews geführt wurden

    (Monte das Galhanas, Casas de Telheiro, Quinta da Talha, Casa de Viana, Casa do Terreiro

    do Poço, Herdade da Corte Ligeira Velha, Herdade das Sesmarias dos Nobres).

  • 2. Methodisches Vorgehen

    21

    2.3 Befragungsmethode

    Alle Expertengespräche und die Befragung der Beherbergungsbetreiber fanden in der Form

    einer mündlichen Befragung (Interview) statt. Für den Ablauf der Gespräche wurde sowohl

    die Form des „teilstrukturierten“ als auch des „wenig strukturierten“ Interviews gewählt.

    In einigen Gesprächen war es notwendig, die Art der Fragen dem Gesprächspartner

    anzupassen oder ihm den Verlauf des Gesprächs zu überlassen. Gründe dafür waren der

    Wissensstand des Gesprächspartners beziehungsweise seine Auskunftsbereitschaft. Da der

    Interviewer in diesem Fall eine eher passive Rolle einnimmt, bezeichnet man diese Form der

    Befragung als „wenig strukturierte Interviewsituation“ (vgl. SCHNELL/HILL/ESSER, 1989, S.

    329).

    In den meisten Fällen handelte es sich bei der Befragung um eine „teilstrukturierte

    Interviewsituation“. Vorbereitete und vorformulierte Fragen auf Basis eines

    Gesprächsleitfadens dienten zur Strukturierung der Gespräche („Leitfadengespräch“). Dabei

    musste die Abfolge der Fragen je nach Gesprächsverlauf und Gesprächspartner individuell

    festgelegt werden. Abhängig von der Auskunftsbereitschaft und dem Wissenstand des

    Interviewten variierte der Umfang der Fragen, wobei darauf geachtet wurde, dass einige

    Schlüsselfragen in jedem Interview beantwortet wurden. Bei erhöhter Auskunftsbereitschaft

    des Gesprächspartners wurden auch zusätzliche Fragen gestellt, die nicht Teil des

    vorbereiteten Gesprächsleitfadens waren.

    Die Form des teilstrukturierten Interviews auf Basis eines Gesprächsleitfadens kam aus

    mehreren Gründen zum Einsatz. Durch die offene Gesprächsführung und die erweiterten

    Antwortspielräume besteht die Möglichkeit, genauere Einblicke in die Hintergründe der

    angesprochenen Thematik zu bekommen und persönliche Erfahrungen des Befragten

    mitzuerfassen. Außerdem kann der Befragte neue Aspekte ansprechen, die dem Interviewer

    bis dahin unbekannt waren und der dadurch zusätzliche Informationen gewinnen kann.

    Gerade bei Untersuchungsgegenständen, die noch wenig erforscht sind, wie es bei diesem

    Thema der Fall ist, spielt dieser Gesichtspunkt eine wichtige Rolle. Die angewandte Form

    der Befragung ließ erwarten, dass die Auskunftsbereitschaft und Aufmerksamkeit der

    Befragten höher ist als bei einer standardisierten Befragung, da so eine ungezwungenere

    Gesprächsatmosphäre simuliert wird.

    Gegenüber dem standardisierten Interview ergeben sich auch eine Reihe von Nachteilen

    dieser Befragungsform. Aufgrund des geringen Standardisierungsgrades wird das

    Leitfadengespräch für den Interviewer zu einem „Prozess permanenter spontaner

    Operationalisierung“ (vgl. SCHNELL/HILL/ESSER, 1989, S. 391; zitiert nach: HOPF, 1978,

    S. 111) und stellt dadurch höhere Anforderungen an den Interviewer. Infolgedessen

    bestehen stärkere Interviewereinflüsse und die Datenqualität hängt von der Qualität des

  • 2. Methodisches Vorgehen

    22

    Interviewers ab. Es werden höhere Anforderungen an die Bereitschaft der Befragten zur

    Mitarbeit und an ihre sprachliche und soziale Kompetenz gestellt. Es bedarf eines höheren

    Zeitaufwands, die Vergleichbarkeit der Ergebnisse ist geringer und die Auswertbarkeit damit

    schwieriger (vgl. SCHNELL/HILL/ESSER, 1989, S. 391 f.).

    Insgesamt wurden 14 Expertengespräche geführt, 13 davon in Portugal und ein Interview

    kam auf der Internationalen Tourismusbörse (ITB) in Berlin zustande. Bei zwei

    Expertengesprächen wurden Gedächtnisprotokolle angefertigt (E 6 und E 10), die restlichen

    12 wurden mit einem Diktiergerät aufgezeichnet und anschließend transkribiert.

    Von den 25 Interviews mit Betreibern von Unterkünften des Typs „Tourismus im ländlichen

    Raum“ (Turismo no Espaço Rural, abgekürzt TER) wurde ein Interview durch Notizen

    während der Befragung, die anderen 24 durch das Diktiergerät protokolliert. Die Methode der

    Dokumentation der Leitfadengespräche durch Tonbandaufzeichnungen gewährleistete

    einerseits, dass der Interviewer dem Befragten seine volle Aufmerksamkeit schenken konnte

    und andererseits, dass dadurch eine ungezwungene Gesprächsatmosphäre zustande kam.

    Nur ein Befragter, dessen Unterkunft nicht lizenziert war, lehnte die Tonbandaufzeichnung

    ab. Die Transkription der aufgezeichneten Interviews erfolgte direkt vom Portugiesischen ins

    Deutsche.

    Die Kontaktierung der Unterkünfte erfolgte sowohl per Email als auch telefonisch und einige

    Interviews fanden ohne vorherige Vereinbarung durch spontanen Besuch der Betriebe statt.

    Die Auswahl der kontaktierten Unterkunftsbetreiber vollzog sich nach dem Zufallsprinzip,

    wobei das Zustandekommen der Befragungen letztlich von der Bereitschaft der

    Unterkunftsbetreiber abhing. Die Grundgesamtheit bildeten alle lizenzierten Unterkünfte des

    Typs „Turismo no Espaço Rural“ im gesamten Alentejo zum Zeitpunkt der Befragung. Das

    Interview mit dem Betreiber einer nicht-lizenzierten Unterkunft wird nicht zur

    Grundgesamtheit gezählt und ist damit nicht Teil der Stichprobe, sondern wird gesondert

    behandelt. Trotzdem beläuft sich der Umfang der Stichprobe auf 25 Unterkünfte, weil ein

    Befragter für zwei unterschiedliche Unterkünfte verantwortlich war und damit durch eine

    Befragung über zwei Unterkünfte Erkenntnisse gewonnen werden konnten. Die

    zufallsgesteuerte Auswahl der Elemente der Stichprobe erfolgte mithilfe des „Guia Oficial

    2006: Turismo no Espaço Rural“ des DGT, in dem alle Unterkünfte des TER, die bis Juli

    2005 lizenziert wurden, enthalten sind und anhand einer Unterkunftsliste des CCDRA, die

    alle lizenzierten und geöffneten Unterkünfte des TER im Alentejo bis Ende 2006 wiedergibt.

    Von den Unterkünften des Typs „Tourismus im ländlichen Raum“ gibt es sechs verschiedene

    Unterarten, die alle im Alentejo präsent sind. Daher wurde versucht, mindestens eine

    Befragung in jeder der sechs Unterkunftsarten durchzuführen und zusätzlich sollte der Anteil

    jeder befragten Unterkunftsart an allen befragten Unterkünften ungefähr dem Anteil der

    jeweiligen Unterkunftsart an allen ländlichen Unterkünften im Alentejo entsprechen. Aus

  • 2. Methodisches Vorgehen

    23

    diesem Grund richteten sich im Verlauf des Befragungszeitraums die kontaktierten

    Unterkünfte nach den jeweiligen Arten. Aus jeder der Teilgesamtheiten wurde dann jeweils

    eine einfache Zufallsstichprobe gezogen. Dabei handelte es sich bezüglich der

    Unterkunftsarten um eine disproportional geschichtete Auswahl, die sich jedoch an den

    Anteilswerten der Grundgesamtheit orientierte. Die 25 befragten Beherbergungsbetriebe, die

    als TER klassifiziert und lizenziert sind, stellen 14 % der Grundgesamtheit dar. 44 % der

    befragten Betriebe sind Unterkünfte des Typs Turismo Rural (TR), die auch in der

    Grundgesamtheit den größten Anteil an allen Unterkunftsarten haben. Die Verteilung der

    Unterkunftsarten in der Stichprobe entspricht in etwa deren realer Verteilung in der

    Grundgesamtheit. Eine streng proportional geschichtete Auswahl war aus technischen und

    methodischen Gründen nicht möglich. Auf das Ergebnis der Arbeit hat das jedoch keinen

    Einfluss.

    Tabelle 1: Zahl und Art der befragten Beherbergungsbetriebe

    TER 2006 TH TR AG CC TA HR TER

    SP¹ Ges SP¹ Ges SP¹ Ges SP¹ Ges SP¹ Ges SP¹ Ges SP¹ Ges SP¹ Ges

    Alentejo 2 19 11 61 7 50 3 40 1 2 1 7 25 179

    ¹ Stichprobe

    Quelle: eigene Erhebungen, CCDRA: Turismo no Espaço Rural, eigene Darstellung

    Die vier Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit Teilerhebungen auf die

    Grundgesamtheit verallgemeinert werden dürfen, sind bei der vorher beschriebenen

    Stichprobenkonstruktion gegeben (vgl. KROMREY, 1994, S. 196). Die Stichprobe ist ein

    „verkleinertes Abbild“ einer angebbaren Grundgesamtheit, die Elemente der Stichprobe sind

    definiert, die Grundgesamtheit ist empirisch definierbar und stimmt mit der Erhebungs-

    Grundgesamtheit überein, es ist nachvollziehbar, wie die Stichprobe zustande gekommen ist

    und die Stichprobe ist repräsentativ (vgl. KROMREY, 1994, S. 196 f.).

    Die Aufzeichnung aller geführten Interviews befindet sich im Dokumentationsanhang auf CD-

    Rom, die der Diplomarbeit beiliegt. Außerdem enthält der Anhang eine Übersichtsliste der

    Expertengespräche nach Bereichen und eine Auflistung der befragten

    Beherbergungsbetriebe. Bei Bezugnahme auf die geführten Interviews im fortlaufenden Text

    wird auf diese folgendermaßen verwiesen. B steht für Interviews mit

    Beherbergungsbetreibern, E für Expertengespräche. Alle Gespräche und Fragen sind

    chronologisch durchnummeriert. Beispielsweise bedeutet der Verweis im Text (vgl. B 17: 3),

    dass auf das Interview 17 mit einem Beherbergungsbetreiber Bezug genommen und dabei

    auf seine Antwort zu Frage 3 verwiesen wird. Der Dokumentationsanhang beinhaltet zudem

    den Gesprächsleitfaden für die Befragung der Beherbergungsbetreiber auf Deutsch und

    Portugiesisch.

  • 2. Methodisches Vorgehen

    24

    2.4 Befragungsgebiet

    Hinsichtlich des Befragungsgebiets wurde eine räumliche Eingrenzung vorgenommen.

    Aufgrund der Größe des Untersuchungsgebiets und der begrenzten zeitlichen und

    finanziellen Voraussetzungen war es nicht möglich, eine gleichmäßige Anzahl von

    Befragungen in allen Teilregionen des Alentejo durchzuführen. Da in der Tourismusregion

    Évora beziehungsweise dem Distrikt Évora die meisten ländlichen Unterkünfte liegen, der

    Tourismus in dieser Region am höchsten entwickelt ist und so auch der Touristenmagnet

    Évora in die Überlegungen miteinbezogen werden konnte, wurde ein Großteil der Interviews

    in dieser Region realisiert (18 von 25). Vier befragte Unterkünfte gehörten zur

    Tourismusregion São Mamede, die flächenmäßig dem Distrikt Portalegre entspricht. Zwei

    Interviews fanden in der Tourismusregion Planície Dourada (Distrikt Beja ohne den

    Landkreis Odemira) statt und ein Interview wurde in der Tourismusregion Costa Azul (Distrikt

    Setúbal) geführt. Trotz der Dominanz der Befragungen im Distrikt Évora entspricht die Zahl

    der Befragungen in den einzelnen Distrikten zumindest tendenziell der realen Verteilung der

    Unterkünfte. Hinsichtlich der Distrikte und Tourismusregionen des Alentejo liegt also eine

    disproportional geschichtete Auswahl vor, die sich an den Anteilswerten in der

    Grundgesamtheit orientiert.

    Tabelle 2: Verteilung der befragten Unterkünfte und der Unterkünfte insgesamt auf die

    einzelnen Distrikte des Alentejo

    Distrikte Évora Portalegre Beja Setúbal Anteil der Unterkünfte 41 % 31 % 17 % 11 % Anteil der Befragungen 72 % 16 % 8 % 4 %

    Quelle: eigene Erhebungen, CCDRA: Turismo no Espaço Rural, eigene Darstellung

    Die geographische Lage der befragten Unterkünfte lässt sich der Abbildung 2 auf Seite 25

    entnehmen.

  • 2. Methodisches Vorgehen

    25

    Abbildung 2: Lage der befragten Beherbergungsbetriebe, eigene Darstellung

  • 2. Methodisches Vorgehen

    26

    2.5 Methodenkritik

    Bei Untersuchungen im Ausland besteht generell das Problem einer sprachlichen Barriere.

    Manche Antworten konnten wegen mangelndem Verständnis nicht mehr transkribiert werden

    und wurden weggelassen. In einem Fall wurde während der Transkription die

    Tonbandaufnahme beschädigt und ein Teil des Interviews ging verloren. Aussagen der

    Befragten, die mit dem Thema der Untersuchung nichts zu tun hatten, wurden nicht

    transkribiert. Eine der größten Schwierigkeiten bei der Befragung war das Vertrauen des

    Interviewpartners zu gewinnen und eine ungezwungene Gesprächsatmosphäre zu schaffen

    und gleichzeitig den eigenen wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht zu werden. Die

    Bewohner des Alentejo stehen behördlichen, wissenschaftlichen oder staatlichen

    Untersuchungen, die sie selbst betreffen, grundsätzlich misstrauisch und ablehnend

    gegenüber. Haben sie einmal Vertrauen gefasst, sind sie äußerst redefreudig, weichen aber

    mitunter auch schnell vom eigentlichen Thema ab. Die besondere Herausforderung für den

    Interviewer bestand darin, den Gesprächsverlauf so zu lenken, dass die für ihn wichtigen

    Fragen beantwortet wurden, ohne den Interviewpartner oft zu unterbrechen oder zu

    bevormunden. In der Regel verliefen die Interviews zufrieden stellend, in wenigen Fällen

    konnten nicht immer alle für wichtig erachteten Fragen gestellt oder von den Befragten

    hinreichend beantwortet werden.

    Bezüglich der Auswahl und des Umfangs der Stichprobe ergaben sich einige Probleme.

    Sowohl die Kontaktaufnahme als auch die Terminvereinbarung erwies sich als schwierig.

    Keine Antworten auf Email-Anfragen und mangelnde telefonische Erreichbarkeit waren die

    Regel und einige Interviews kamen nicht zustande, weil kein geeigneter Termin gefunden

    werden konnte. Daher war es nicht möglich, eine streng proportional geschichtete Stichprobe

    nach Unterkunftsarten auszuwählen. Hinsichtlich der Stichprobenauswahl kamen

    eingeschränkte finanzielle und zeitliche Spielräume hinzu, die neben den zuvor genannten

    Gründen auch den Stichprobenumfang limitierten.

    Da die Bereitschaft der Befragten für die Auswahl der Stichprobe entscheidend war, kann die

    These nicht grundsätzlich von der Hand gewiesen werden, dass sich eher Betreiber von

    Unterkünften zu einem Interview zur Verfügung stellten, die besser und erfolgreicher arbeiten

    als der Durchschnitt. Gegen diese These spricht jedoch, dass auch Interviews mit

    Beherbergungsbetreibern stattfanden, die ihren Betrieb nicht besonders gut und

    professionell leiteten.

  • 3. Ländlicher Tourismus

    27

    3. Ländlicher Tourismus

    3.1 Terminologische Abgrenzung

    In der Literatur zum Thema „Ländlicher Tourismus“ beziehungsweise „Tourismus im

    ländlichen Raum“ existiert eine Vielzahl von verschiedenen Definitionsversuchen. Trotz

    seiner wachsenden Bedeutung als touristisches Segment und politisches Instrument zur

    Regionalentwicklung gibt es erstaunlicherweise keine allgemein akzeptierte Definition von

    Ländlichem Tourismus (vgl. SHARPLEY/SHARPLEY, 1997, S. 5). Allgemeingültige

    Charakteristiken, wie bestimmte Aktivitäten oder Räume, die den ländlichen Tourismus von

    anderen Tourismusformen klar abgrenzen würden, sucht man vergebens. Die Schwierigkeit,

    ländlichen Tourismus zu definieren, beginnt schon beim Begriff Tourismus, für den es

    ebenfalls keine einheitliche Definition gibt. Uneinigkeit besteht vor allem in der Frage, wie

    eng beziehungsweise weit der Begriff Tourismus bezüglich der Parameter Reisedauer,

    Entfernung und Motivation gefasst werden sollte. Engere Tourismusbegriffe zählen

    beispielsweise nur die mehrtägige Urlaubsreise zum Tourismus, während bei einer weiteren

    Definition der Tourismus alle Erscheinungen umfasst, die mit dem Verlassen des

    gewöhnlichen Aufenthaltsortes und dem Aufenthalt am anderen Ort verbunden sind (vgl.

    FREYER, 2001, S. 2 f.).

    Auf europäischer Ebene wurde zum Zwecke der Erhebung statistischer Daten von der EU-

    Kommission folgende Definition von Tourismus festgelegt:

    „Tourismus ist die Tätigkeit von Personen, die zu Orten außerhalb ihrer gewohnten

    Umgebung reisen und sich dort höchstens ein Jahr lang zu Urlaubs-, geschäftlichen oder

    anderen Zwecken aufhalten.“

    Diese deckt sich weitgehend mit der Definition der Welttourismusorganisation und soll für die

    weiteren Ausführungen als Arbeitsdefinition dienen.

    Vor dem Versuch einer Definition von ländlichem Tourismus müssen erst noch die Begriffe

    „ländlich“ und „ländlicher Raum“ abgegrenzt werden. Auch hier fehlt eine einheitliche

    internationale Definition. In den meisten Fällen wird der ländliche Raum entweder räumlich

    zum städtischen Raum abgegrenzt oder es werden die spezifischen Eigenmerkmale des

    ländlichen Raumes als Kriterien zur Abgrenzung herangezogen (vgl. HENKEL, 1999, S. 29).

    An dieser Stelle soll vorerst eine Negativdefinition zur Abgrenzung des ländlichen Raumes

    ausreichen, so wie es auch gegenwärtig viele Staaten handhaben.

    „Die ländlichen Gebiete erstrecken sich auf Gebiete außerhalb der Verdichtungsräume und

    ihrer Randbereiche sowie auf Gebiete außerhalb sonstiger verdichteter Räume.“

    (Bundesraumordnungsprogramm 1975, S. 5; zitiert nach: HENKEL, 1999, S. 30)

  • 3. Ländlicher Tourismus

    28

    Als Unterscheidungskriterien von ländlichen und städtischen Räumen werden in der Regel

    die Bevölkerungsdichte und die Siedlungsgröße herangezogen, deren Schwellenwerte sich

    von Land zu Land teilweise erheblich unterscheiden.

    Eine allgemeine Abgrenzung nach den Charakteristiken des ländlichen Raumes ist aufgrund

    der rapiden und einschneidenden Wandlungsprozesse des ländlichen Raumes der letzten

    Jahrzehnte und den großen regionalen Unterschieden nicht zweckmäßig. Es macht aber

    deutlich, dass sich dadurch auch Schwierigkeiten bei dem Versuch einer allgemeingültigen

    Definition von Ländlichem Tourismus ergeben.

    Bisher wurden nur wenige wissenschaftliche Versuche unternommen, eine geeignete

    Definition für Ländlichen Tourismus zu finden. Aufgrund der enormen Bandbreite von

    Bedeutungen und Inhalten, die mit Ländlichem Tourismus in Verbindung gebracht werden,

    ist es unwahrscheinlich, eine einzige, zufrieden stellende Antwort auf die Frage zu finden,

    was Ländlicher Tourismus ist (vgl. SHARPLEY/SHARPLEY, 1997, S. 5).

    Neben den oben beschriebenen uneinheitlichen Begriffsbestimmungen von „Tourismus“ und

    „Ländlicher Raum“ sind die wichtigsten Gründe, warum es so schwierig ist, Ländlichen

    Tourismus exakt zu definieren. Zusammengefasst betrifft dies die folgenden Punkte:

    1. Nicht alle Arten von Tourismus, die sich im ländlichen Raum abspielen, sind ihrer

    Form nach „ländlich“. Das gilt unter anderem für viele Feriendörfer und –komplexe,

    Themen- und Vergnügungsparks, Center Parcs und große Hotelressorts.

    2. Der ländliche Raum bietet eine unüberschaubare Menge an touristischen Erholungs-,

    Unterhaltungs- und Sportangeboten. Beispielhaft seien an der Stelle nur einige

    herausgegriffen: Wandern, motorisierte Touren, Angeln, Kanufahrten,

    Heißluftballonfahrten, Golf, Klettern, Jagd, usw.

    3. Ländlicher Tourismus bezieht sich nicht nur auf Ferien auf dem Bauernhof, sondern

    schließt viele weitere touristische Marktsegmente mit ein, zum Beispiel Natur- und

    Ökotourismus, Gesundheitstourismus, Kulturtourismus, Studienreisen, „Heritage

    tourism“ und noch weitere speziellere Marktsegmente.

    4. Ebenso vielfältig wie das touristische Angebot sind auch die Ansprüche, Motivationen

    und Typen von ländlichen Touristen. Viele Besucher des ländlichen Raums sehen

    jedoch als wesentlichen Bestandteil von Ländlichem Tourismus: Ruhe, Erholung,

    eine nicht-städtische Umgebung und persönlichen Kontakt mit Mensch und Natur

    (vgl. QUAN-BAFFOUR, 2003, S. 14).

    5. In verschiedenen Regionen haben sich unterschiedliche Formen von Beherbergungs-

    betrieben des Ländlichen Tourismus entwickelt. Während in vielen ländlichen

    Regionen Deutschlands und Österreichs der „Urlaub auf dem Bauernhof“ eine

    bedeutende Rolle spielt, ist in den ländlichen Regionen der USA und Kanadas diese

    Form des Tourismus weniger verbreitet bzw. es haben sich dort auch andere Arten

  • 3. Ländlicher Tourismus

    29

    etabliert wie ländliche Campingplätze oder der „Aboriginal tourism“. Im ländlichen

    Raum Frankreichs ist beispielsweise das Landhaus (gîte) ohne Verpflegung eine

    wichtige Komponente der touristischen Suprastruktur. (vgl. LANE, 1994, S. 9)

    Aus genannten Gründen kann eine einzige, allgemeingültige Definition dem komplexen

    Konzept des Ländlichem Tourismus nicht gerecht werden. Dennoch soll im Rahmen dieser

    Arbeit eine Definition als Grundlage dienen, wenn von Ländlichem Tourismus im

    Allgemeinen gesprochen wird. Diese stammt von Sharpley, ist sehr allgemein und einfach

    und deckt sich mit der Definition des Ländlichen Tourismus der EU.

    „Rural tourism is tourism that occurs in rural areas.“

    (SHARPLEY/SHARPLEY, 1997, S. 20)

    “Ländlicher Tourismus ist Tourismus, der im ländlichen Raum stattfindet.” (eigene

    Übersetzung)

    Der Begriff Ländlicher Tourismus wird häufig fälschlicherweise mit Bezeichnungen wie

    Bauernhoftourismus (oder „Urlaub auf dem Bauernhof“), Agro-Tourismus, Grüner Tourismus

    oder Ökotourismus gleichgesetzt. Diese einzelnen touristischen Segmente sind alle ein mehr

    oder weniger wichtiger Teil des Konzepts Ländlicher Tourismus. Sie sind spezielle

    Unterarten von Ländlichem Tourismus und finden im ländlichen Raum statt. Ländlicher

    Tourismus deckt aber weit mehr ab als jedes einzelne dieser Segmente. Daher können diese

    Begriffe nicht synonym mit Ländlichem Tourismus verwendet werden. Nach Sharpley und

    Sharpley (SHARPLEY/SHARPLEY, 1997, S. 9) bezeichnen diese Begriffe folgendes:

    Bauernhoftourismus bezieht sich auf alle touristischen Formen, die in direkter Verbindung

    mit dem Bauernhof stehen (Übernachtung, Bildungsbesuche, Verkauf von Produkten,...).

    Agro-Tourismus wird zwar in manchen Ländern genauso definiert wie Sharpley Ländlichen

    Tourismus definiert, aber häufiger umfasst Agro-Tourismus solche touristische Produkte, die

    in direkter Verbindung mit einer agrarischen Umgebung, agrarischen Produkten oder

    agrarisch motivierten Aufenthalten stehen. Agro-Tourismus ist also direkt mit Landwirtschaft

    verbunden. Bauernhoftourismus ist deshalb ein Element des Agro-Tourismus, aber Agro-

    Tourismus stellt ein breiteres Konzept dar, das auch Feste, Museen, Handwerksshows und

    andere kulturelle Veranstaltungen mit einschließt.

    Grüner Tourismus beschreibt gewöhnlich Tourismusformen, die als umweltfreundlich gelten

    und im Gegensatz zum traditionellen Massentourismus stehen, auch wenn sich der Begriff in

    manchen Ländern speziell auf Tourismus im ländlichen Raum, also Tourismus in „grünen“

    Gebieten bezieht. Oft auch als „alternativer“, „verantwortungsvoller“, „sanfter“ oder „neuer“

    Tourismus bezeichnet, versucht Grüner Tourismus ein symbiotisches und ausgeglichenes

    Verhältnis zwischen der physischen und sozialen Umwelt zu schaffen. Die wachsende Sorge

    über die negativen Effekte des Massentourismus hat zu Forderungen einer nachhaltigeren

  • 3. Ländlicher Tourismus

    30

    Tourismusentwicklung geführt. Dieser Ansatz ist auch für ländlichen Tourismus angesichts

    der Fragilität des Naturraums vieler ländlicher Gebiete von besonderer Bedeutung.

    Ökotourismus ist eine Form des Naturtourismus, der sich aktiv für den Erhalt der Umwelt

    einsetzt, direkt den lokalen Gemeinschaften und deren Kultur zugute kommen soll und den

    Touristen eine positive, lehrreiche Erfahrung vermitteln will. Es ist im Prinzip eine Form des

    alternativen, nachhaltigen Tourismus, für die aber eine ländliche Umgebung unabdinglich ist.

    Das impliziert aber nicht, dass jede Form des ländlichen Tourismus gleichzeitig auch

    Ökotourismus ist.

    3.2 Merkmale und Struktur des Ländlichen Tourismus

    Aufbauend auf der sehr allgemeinen Definition von Sharpley, soll der Ländliche Tourismus in

    Europa auf der Grundlage seiner spezifischen Merkmale näher charakterisiert werden. Es

    bleibt zu betonen, dass die folgende Merkmalsbeschreibung ein Idealbild des Ländlichen

    Tourismus darstellt, das in Wirklichkeit in all seinen Ausprägungen nur selten anzutreffen ist.

    Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zu anderen Tourismusformen stellt der ländliche

    Charakter dar. Ländlicher Tourismus sollte die Merkmale widerspiegeln und betonen, die

    eine Region als ländlich auszeichnen. Dazu gehören geringe Siedlungsgrößen und eine

    niedrige Bevölkerungsdichte, eine landwirtschaftlich geprägte Wirtschaftsstruktur, ein

    naturnahes Landschaftsbild und traditionelle Sozialstrukturen (vgl. SHARPLEY/SHARPLEY,

    1997, S. 18). Daraus ergeben sich die Kernelemente des touristischen Angebots des

    Ländlichen Tourismus. Ländlicher Tourismus findet im ländlichen Raum in einer attraktiven

    Landschaft und intakter Natur statt. Der Besucher erhält in einer persönlichen Atmosphäre

    einen Einblick in die Traditionen und Lebensweise der ländlichen Bevölkerung und kann,

    soweit möglich, auch aktiv daran teilnehmen. Authentizität spielt dabei eine entscheidende

    Rolle. Diese wird den Touristen durch gelebte ländliche Kultur der lokalen Bevölkerung

    vermittelt, sei es in Form von traditionellen Festen und Umzügen, die Herstellung regionaler

    Produkte, regionaltypische Gastronomie oder traditionell betriebene Landwirtschaft. Auch bei

    der Beherbergungsleistung kommt der ländliche Charakter zum Ausdruck. Schon

    bestehende Gebäude werden zu touristischen Betrieben umfunktioniert. Bei den

    Umbaumaßnahmen sollen regionstypische Bauweisen erhalten bleiben und vorzugsweise

    Baumaterialien aus der Region Verwendung finden. Die Unterkünfte bieten in der Regel eine

    geringe Bettenkapazität, sie werden gewöhnlich von Ortsansässigen in Form von

    Familienbetrieben geleitet und es soll den Gästen eine persönliche und familiäre Atmosphäre

    geboten werden. Die angebotenen touristischen Aktivitäten korrespondieren mit der

    ländlichen Umgebung und der ländlichen Lebensweise, wie beispielsweise Ausflüge in die

  • 3. Ländlicher Tourismus

    31

    Natur, Reiten, Wandern, das Erlernen traditioneller Handwerkstechniken oder der Besuch

    kultureller Sehenswürdigkeiten. Nachhaltigkeit, ein verantwortungsbewusster Umgang mit

    den natürlichen und kulturellen Ressourcen, die Einbindung der lokalen Bevölkerung und

    eine behutsame, ihrer ländlichen Umgebung angepasste touristische Entwicklung gelten als

    die zentralen Leitbilder des Ländlichen Tourismus.

    Struktur des Ländlichen Tourismus:

    Auch wenn die Entwicklung des Ländlichen Tourismus in Europa in der zweiten Hälfte des

    18. Jahrhunderts seinen Anfang nahm, verzeichnete diese Tourismusform erst in der ersten

    Hälfte des 20. Jahrhunderts ein größeres Wachstum. Vor allem der ursprünglich ländliche

    Bevölkerungsteil, der in die Städte abgewandert war und in seiner freien Zeit in seine

    ländliche Heimat zurückkehrte, um dort seinen Urlaub zu verbringen, trug zu diesem

    Wachstum bei (vgl. SHARPLEY/SHARPLEY, 1997, S. 52). Zu der Zeit waren es

    überwiegend weniger wohlhabende Familien, die ihren Urlaub jedes Jahr in der gleichen

    Destination verbrachten, wenig Geld ausgaben und kaum Interesse für das Angebot an

    zusätzlichen Dienstleistungen zeigten (vgl. PERALES, 2002, S. 1102). Mit der gestiegenen

    Nachfrage seit 1945 stiegen auch die Zahl der verschiedenen Typen von ländlichen Ferien

    und das Angebot an zusätzlichen Freizeitangeboten im ländlichen Raum. Aber erst seit den

    80er Jahren und verstärkt seit den 90er Jahren ändert beziehungsweise diversifiziert sich die

    Nachfragestruktur des Ländlichen Tourismus (ebd., S. 1103). Ein neuer, moderner Typ des

    ländlichen Touristen gewinnt mehr und mehr an Bedeutung. Er gehört der mittleren oder

    oberen sozialen Schicht an, ist zwischen 25 und 45 Jahre alt, hat eine erhöhte Kaufkraft, ein

    hohes Bildungsniveau und lebt in der Stadt (ebd.). Dieser moderne Typ will seiner

    städtischen Lebensumgebung entfliehen und sucht auf dem Land Ruhe, Erholung, eine

    saubere Landschaft und den Kontakt mit der Natur. Er sucht die ländliche Idylle als

    Gegenwelt zum modernen, städtischen Leben. Für seine höheren Qualitätsansprüche ist er

    auch bereit, mehr Geld auszugeben als der traditionelle ländliche Tourist. Neben dem

    Erholungsaspekt hat ein Teil dieser ländlichen Touristen auch ein gesteigertes Interesse an

    der Kultur und dem Leben im ländlichen Raum. Sie sind kulturell gebildet und nutzen

    kulturelle Angebote. Sie suchen den persönlichen Kontakt mit der einheimischen

    Bevölkerung und legen Wert auf ein authentisches ländliches Leben, in das sie sich in der

    Regel zu integrieren versuchen. Dieser neue Nachfragertyp wird deshalb hervorgehoben,

    weil er auch im Ländlichen Tourismus in Portugal eine wichtige Rolle spielt.

    Trotz des Fehlens von verlässlichen Statistiken zur Nachfragestruktur des ländlichen

    Tourismus lassen sich einige allgemeine Charakteristiken der Nachfrage erkennen.

    Inländische Tagesbesuche haben den weitaus größten Anteil am Nachfrageaufkommen und

    ein relativ geringer Teil der Bevölkerung stellt eine große Mehrheit der Besucher des

    ländlichen Raums. Die meisten Besucher reisen mit dem Auto an und nehmen eher

  • 3. Ländlicher Tourismus

    32

    informelle, spontane Aktivitäten wahr. Der geplante Besuch von Sehenswürdigkeiten ist nur

    für einen relativ geringen Teil an den gesamten Ausflügen in den ländlichen Raum

    verantwortlich. Hauptmotivation für eine Reise aufs Land ist für viele Touristen das Erleben

    einer authentischen ländlichen Umgebung, spezielle Unternehmungen im ländlichen Raum

    sind, relativ gesehen, weniger ausschlaggebend (vgl. SHARPLEY/SHARPLEY, 1997, S. 65).

    Ländlicher Tourismus ist eher auf kleinere Gruppen ausgerichtet. Die Aufenthaltsdauer ist

    kurz, findet normalerweise außerhalb der Hauptsaison statt und es werden Ziele nahe am

    Heimatort bevorzugt (vgl. MENDES LEAL, 2001, S. 9). Weitere Aussagen zur Struktur des

    Ländlichen Tourismus können aufgrund der schlechten Datenlage, die sich aus dem schon

    behandelten terminologischen Definitionsproblem ergibt, nicht getroffen werden. Zudem

    hängt die Struktur des Ländlichen Tourismus wesentlich von der jeweiligen Gestalt des

    Natur- und Kulturraums und seinen sonstigen regionalen Besonderheiten ab.

    3.3 Erfolgsfaktoren des Ländlichen Tourismus

    Aufgrund der enormen Vielfalt von ländlichen Regionen und der sich daraus ergebenden

    großen Bandbreite von Angebots- und Nachfragemustern kann es kein allgemeines

    Erfolgsmodell für Ländlichen Tourismus geben.

    Jede Region muss ihre eigenen Ausgangsbedingungen und Voraussetzungen betrachten,

    unter denen sie ländlichen Tourismus anbieten kann (vgl. HAHNE, 2000, S.123).

    Ansatzpunkt ist die Nutzung des endogenen touristischen Potentials. Die Einbeziehung des

    landschaftlichen Charakters der Region, ihrer Kultur, Geschichte und Bewohner ist daher

    eine essentielle Voraussetzung für eine dauerhafte und tragfähige Tourismusentwicklung im

    ländlichen Raum (vgl. HAART/STEINECKE, 1995, S.19).

    Haart und Steinecke haben die Erfolgsfaktoren des Ländlichen Tourismus auf sieben Punkte

    zusammengefasst:

    • das regionaltypische Unterkunfts- und Gaststättengewerbe

    • die Kulturlandschaft

    • der Dorfcharakter

    • die touristische Infrastruktur

    • die Tourismusorganisation

    • der Markt und das Produkt

    • das persönliche Engagement und das öffentliche Tourismusbewusstsein

  • 3. Ländlicher Tourismus

    33

    Der Suprastruktur kommt gerade beim Ländlichen Tourismus eine zentrale Bedeutung zu, da

    der ländliche Raum zumeist ein Ausstattungsdefizit hinsichtlich der sonstigen touristischen

    Infrastruktur und natürlicher Attraktionen aufweist. Daher haben Unterkunft und Verpflegung

    einen entscheidenden Einfluss auf die Urlaubszufriedenheit der Gäste (vgl.

    HAART/STEINECKE, 1995, S. 21). Die Kulturlandschaft und der Naturraum bilden das

    natürliche Potential des Ländlichen Tourismus und sind für viele Touristen das

    entscheidende Kriterium dafür, in den ländlichen Raum zu reisen. Deren Erhalt und Pflege

    sind daher für einen erfolgreichen Ländlichen Tourismus unverzichtbar. Ein attraktives

    dörfliches Ortsbild, das die traditionelle dörfliche Kultur und Architektur widerspiegelt, sowie

    ein authentisches Dorfleben tragen zur Produktprofilierung des Ländlichen Tourismus bei

    und werden so den Ansprüchen der urbanen Touristen gerecht, für die der Dorfcharakter

    eine wichtige Rolle spielt.

    Auch die mangelnde infrastrukturelle Ausstattung ländlicher Räume stellt einen limitierenden

    Faktor für den Ländlichen Tourismus dar. Im Bereich der touristischen Infrastruktur fehlt es

    häufig an zusätzlichen Freizeitangeboten, touristischer Beschilderung und touristischen

    Informationsstellen. Nicht wenige ländliche Regionen weisen auch eine unzureichende

    infrastrukturelle Grundausstattung hinsichtlich gesundheitlicher Versorgung, Verkehrswege,

    Kommunikationssysteme, sauberem Wasser und Elektrizität auf (vgl. QUAN-BAFFOUR,

    2003, S. 28). Bei der Beseitigung dieser infrastrukturellen Mängel stoßen ländliche Räume

    auf unüberwindliche Finanzierungs- und Auslastungsprobleme. Bei der Verkehrsinfrastruktur

    kommt hinzu, dass der Ausbau der Verkehrswege häufig im Konflikt mit den Belangen des

    Umweltschutzes steht, der eine wichtige Säule des Ländlichen Tourismus darstellt.

    Besondere Herausforderungen ergeben sich für die Organisation und Vermarktung des

    Ländlichen Tourismus. Unzureichende touristische Ausbildung, mangelnde

    Kooperationsbereitschaft, eine relativ geringe Marktkenntnis und eingeschränkte finanzielle

    Möglichkeiten kennzeichnen viele touristische Anbieter im ländlichen Raum. Die lokalen und

    regionalen Tourismusorganisationen sind mit dem Ausgleich dieser strukturellen Mängel aus

    personellen und finanziellen Gründen oft überfordert (vgl. HAART/STEINECKE, 1995, S. 24).

    Durch den geringen Handlungsspielraum der einzelnen touristischen Akteure spielt die

    Zusammenarbeit und gemeinsame Vermarktung als Region eine entscheidende Rolle. Die

    Einbindung von regionalen Kooperationspartnern und die Schaffung von lokalen Netzwerken

    erleichtert die Vermarktung der Region und schafft Synergieeffekte.

    Regionale Profilbildung mit spezifischen regionalen Angeboten, mit denen sich die Region im

    touristischen Wettbewerb von anderen Regionen abhebt, ist ein weiteres Erfolgskriterium für

    Ländlichen Tourismus (vgl. HAHNE, 2000, S. 130). Ein klares Produktprofil muss entwickelt

    werden, Qualitätsstandards sind einzuführen, um ein einheitliches Auftreten auf dem

    touristischen Markt zu gewährleisten. Die touristischen Produkte müssen sich aber auch an

  • 3. Ländlicher Tourismus

    34

    den verschiedenen und sich ändernden Nachfragemustern orientieren. Akzeptanz und aktive

    Teilnahme der ländlichen Bevölkerung an der touristischen Entwicklung, ein gestärktes

    touristisches Bewusstsein bei lokalen und regionalen Entscheidungsträgern und die

    Unterstützung von und Zusammenarbeit mit anderen Wirtschafts- und

    Gesellschaftsbereichen (z.B. Wirtschafts- und Regionalpolitik, Raumordnung, Landwirtschaft,

    Bildungswesen, usw.) sind weitere wichtige Komponenten für einen nachhaltigen Erfolg des

    Ländlichen Tourismus.

    Da der Gegenstand der Untersuchung die ländlichen Beherbergungsbetriebe sind und nicht

    der gesamte Ländliche Tourismus, sollen diese hinsichtlich ihrer Erfolgsfaktoren gesondert

    betrachtet werden. Die Literaturanalyse soll zeigen, welche Faktoren speziell den Erfolg von

    ländlichen Unterkünften determinieren bzw. welche Schwierigkeiten die Betreiber solcher

    Unterkünfte haben. Diese theoretischen Erkenntnisse können dann mit den empirischen

    Ergebnissen der Untersuchung verglichen und gegebenenfalls ergänzt werden. Dabei

    werden in der Literatur nur die Aussagen berücksichtigt, die sich auf solche ländliche

    Unterkünfte beziehen, die eine ähnliche Struktur aufweisen wie die in der Arbeit

    untersuchten Betriebe (Bauernhöfe und privat geführte Betriebe mit einer geringen

    Bettenzahl).

    • Die Entwicklung und der Betrieb einer ländlichen Unterkunft erfordert eine

    bedeutende Investition, die entweder die Mittel der Eigentümer übersteigt oder größer

    ist als die zu erwartenden Einnahmen (vgl. SHARPLEY, 2002, S. 235).

    • Die Einnahmen aus dem touristischen Betrieb sind oft geringer als erwartet. Viele

    Studien legen nahe, dass der Ländliche Tourismus keine hohen Einkünfte generiert.

    In vielen Fällen sind die Einnahmen nicht einmal ausreichend um die

    Anfangsinvestitionen zu decken (ebd., S. 242).

    • Die Qualität der Produkte und des Services müssen den Wünschen und Erwartungen

    der Touristen entsprechen (ebd., S. 235).

    • Ländliche Tourismusbetriebe verfügen normalerweise weder über die Fähigkeiten

    noch über die finanziellen Mittel, um ein effektives Marketing zu betreiben (ebd.).

    • Die Unterschiedlichkeit und räumliche Zerstreutheit der Unterkünfte erschweren die

    Entwicklung von koordinativen Strukturen; oft besteht auch eine mangelnde

    Bereitschaft, zusammenzuarbeiten (vgl. HALL/ROBERTS/MITCHELL, 2003, S.230)

    • Die meisten Betriebe des Agro-Tourismus haben eine sehr geringe Auslastungsquote

    (vgl. SHARPLEY, 2002, S. 240).

    • Unternehmen des Ländlichen Tourismus sind von hoher Saisonalität betroffen (vgl.

    QUAN-BAFFOUR, 2003, S. 30).

  • 3. Ländlicher Tourismus

    35

    • Die Quantität und Qualität von Arbeitskräften in ländlichen Regionen ist ein globales

    Problem. Die lokale Bevölkerung hat oft wenig Erfahrung im Dienstleistungssektor

    und eine negative Grundhaltung hinsichtlich der Tätigkeiten im tertiären Sektor ist

    weit verbreitet (vgl. PAGE/GETZ, 1997, S. 25).

    • Die kleinen Unternehmen des Ländlichen Tourismus haben oft einen begrenzten

    Zugang zu öffentlichen Fördermitteln von Kreditinstitut