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35 Kurzüberblick Den heutigen Markt- und Kundenanforderungen an Lieferbereitschaft und Individualität der Produkte wird zunehmend mit einer verstärkten Zusammen- arbeit und Vernetzung der Wertschöpfungsprozesse intern wie auch zwischen Unter- nehmen begegnet. Die Verflechtung von Warenströmen der an den Planungs- und Bewirtschaftungsprozessen logistischer Systeme beteiligten Partner erfordert dabei eine ständige Weiterentwicklung der logistischen Prozesse [1]. Produktions- und Kom- munikationsprozesse müssen zwischen einer Vielzahl von Netzwerkpartnern wie auch innerbetrieblichen Funktionen koordiniert und kundenorientiert miteinander verbun- den werden. Eine effiziente Abwicklung logistischer Prozesse in Netzwerken ist somit heute ein Schlüsselfaktor für den Erfolg der kollektiven Leistungserstellung [2]. Die umfassende Beschreibung, Analyse und Gestaltung der logistischen Systeme bildet dafür die Grundlage [3]. Diese Aufgabe des Netzwerkmanagements, das im Kontext des Logistikmanagement auch als Supply-Chain-Management (SCM) bezeichnet wird, beschreibt die Art und Auslegung der Struktur des Logistiknetzwerks, in welches das Unternehmen eingebettet ist [4, 5]. Diese wird als Netzwerkkonfiguration bezeichnet. Das unternehmenseigene Netzwerk muss erfasst, abgegrenzt und die Beziehungen zu den Netzen der Lieferanten, Kunden und Logistikdienstleister im Hinblick auf Leis- tungspotenziale und Kostenstrukturen bewertet und gestaltet werden. Ziel dieses Kapi- tels ist es, diese Handlungsfelder der Konfiguration logistischer Netzwerke zu erläutern und zu verdeutlichen, wie und nach welchen Zielen und Prinzipien ein logistisches Netzwerk aufgebaut und bewertet werden kann. Anhand einer Typologisierung beob- achtbarer Netzwerkformen werden die dargestellten Grundlagen in den praktischen Zusammenhang gesetzt. 2 Konfiguration logistischer Netzwerke Volker Stich, Jerome Quick und Stefan Cuber V. Stich () · J. Quick · S. Cuber 52062 Aachen, Deutschland E-Mail: [email protected] J. Quick E-Mail: [email protected] S. Cuber E-Mail: [email protected] G. Schuh, V. Stich (Hrsg.), Logistikmanagement, DOI 10.1007/978-3-642-28992-7_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

Logistikmanagement || Konfiguration logistischer Netzwerk

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Kurzüberblick  Den heutigen Markt- und Kundenanforderungen an Lieferbereitschaft und Individualität der Produkte wird zunehmend mit einer verstärkten Zusammen-arbeit und Vernetzung der Wertschöpfungsprozesse intern wie auch zwischen Unter-nehmen begegnet. Die Verflechtung von Warenströmen der an den Planungs- und Bewirtschaftungsprozessen logistischer Systeme beteiligten Partner erfordert dabei eine ständige Weiterentwicklung der logistischen Prozesse [1]. Produktions- und Kom-munikationsprozesse müssen zwischen einer Vielzahl von Netzwerkpartnern wie auch innerbetrieblichen Funktionen koordiniert und kundenorientiert miteinander verbun-den werden. Eine effiziente Abwicklung logistischer Prozesse in Netzwerken ist somit heute ein Schlüsselfaktor für den Erfolg der kollektiven Leistungserstellung [2]. Die umfassende Beschreibung, Analyse und Gestaltung der logistischen Systeme bildet dafür die Grundlage [3]. Diese Aufgabe des Netzwerkmanagements, das im Kontext des Logistikmanagement auch als Supply-Chain-Management (SCM) bezeichnet wird, beschreibt die Art und Auslegung der Struktur des Logistiknetzwerks, in welches das Unternehmen eingebettet ist [4, 5]. Diese wird als Netzwerkkonfiguration bezeichnet. Das unternehmenseigene Netzwerk muss erfasst, abgegrenzt und die Beziehungen zu den Netzen der Lieferanten, Kunden und Logistikdienstleister im Hinblick auf Leis-tungspotenziale und Kostenstrukturen bewertet und gestaltet werden. Ziel dieses Kapi-tels ist es, diese Handlungsfelder der Konfiguration logistischer Netzwerke zu erläutern und zu verdeutlichen, wie und nach welchen Zielen und Prinzipien ein logistisches Netzwerk aufgebaut und bewertet werden kann. Anhand einer Typologisierung beob-achtbarer Netzwerkformen werden die dargestellten Grundlagen in den praktischen Zusammenhang gesetzt.

2Konfiguration logistischer Netzwerke

Volker Stich, Jerome Quick und Stefan Cuber

V. Stich () · J. Quick · S. Cuber52062 Aachen, DeutschlandE-Mail: [email protected]

J. QuickE-Mail: [email protected]

S. CuberE-Mail: [email protected]

G. Schuh, V. Stich (Hrsg.), Logistikmanagement, DOI 10.1007/978-3-642-28992-7_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

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2.1 Grundlagen der Konfiguration logistischer Netzwerke

2.1.1 Definitionen

Die Konfiguration logistischer Netzwerke ist Bestandteil des strategischen Logistikma-nagements und umfasst somit Entscheidungen, mit denen Unternehmen über einen län-geren Zeitraum die Strukturen ihres Logistiknetzwerks hinsichtlich der räumlichen An-ordnung und kapazitativen Auslegung von Produktions- und Logistikstandorten festlegen [6–9]. Die Notwendigkeit der langfristigen Sichtweise ist insbesondere auf die Länge des Amortisationszeitraums von den durch Konfigurationsentscheidungen verbundenen In-vestitionen zurückzuführen. Dessen Länge steht in hoher Abhängigkeit zu der Dynamik des Wettbewerbs und der Unternehmensumwelt [9].

Die Optimierungsbestrebungen des logistisches Netzwerks müssen dabei vor dem Hintergrund der beschriebenen Herausforderungen sinnvollerweise über den klassischen Ansatz der isolierten Teilnehmerbetrachtung hinausgehen und aus der Perspektive des Supply-Chain-Managements im Sinne der übergreifenden Koordination im Gesamtsystem beleuchtet werden [10].

Moderne Logistiksysteme basieren auf dem Konzept von Flüssen in einem Netzwerk [10]. Das Modell des Netzwerks spielt zur Abbildung der Grundstruktur von Logistiksys-temen und darauf aufbauenden Gestaltungsüberlegungen somit eine zentrale Rolle. Das Netzwerk entspricht dem Anspruch der Logistik, eine schnittstellen- und unternehmens-übergreifende Perspektive einzunehmen und es erfordert die Kooperation der Beteiligten in Wertschöpfungssystemen [11] (Abb. 2.1).

Grafisch lässt sich ein Logistiknetzwerk als Geflecht von Quelle-Senke-Beziehungen darstellen, in dem Transport-, Umschlags- und Lagerprozesse sowie die damit verbunde-nen Informationsprozesse abgewickelt werden. Die Knoten des Netzwerks repräsentie-ren dabei Kapazitäten oder Kompetenzen, also Ressourcen zur Ausführung direkt oder indirekt wertschöpfender Prozesse. Dieses Ressourcennetzwerk wird von Material- und Produktflüssen durchlaufen, die durch Informations- und Datenströme ausgelöst, gesteu-ert und kontrolliert werden. Je nach Betrachtungsebene kann dieses Ressourcennetzwerk komplexe logistische Gesamtsysteme mit beschaffungs- und absatzseitigen Lieferpunkten oder auch unternehmensinterne Fertigungssegmente oder Materiallager repräsentieren [4]. Jedes Unternehmen und jeder Wertschöpfungsverbund ist somit prinzipiell als Logistik-netzwerk darstellbar [10].

Entsprechend diesem recht weitgefassten Grundverständnis wird der Begriff des logis-tischen Netzwerks in der Literatur bislang recht unterschiedlich verwendet. So stellt die Logistikkette zwischen Beschaffungs- und Absatzmarkt eines Unternehmens ein produk-tionslogistisches Netzwerk dar, in dem die Fertigungsstandorte und -segmente die Knoten des Netzwerks bilden.

Eine weitere Begriffsdefinition zielt auf die Beziehungen zwischen Logistikdienst-leistungsunternehmen in sogenannten Logistikservice-Netzwerken. In diesen Netzwerken stellt die Logistik, bzw. die Koordination der logistischen Dienstleistungen, die Primär-

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funktion dar. Die Logistikdienstleister werden dabei als Partner zur Entwicklung und Um-setzung meist komplexer, logistischer Leistungssysteme verstanden und explizit für die Organisation und Abwicklung dieser Funktion in das Wertschöpfungsnetzwerk der Kun-den eingebunden.

Meist werden unter logistischen Netzwerken jedoch solche verstanden, die durch die unternehmensübergreifende Entwicklung, Beschaffung oder Produktion von Gütern und den damit zusammenhängenden logistischen Prozessen entstehen. Der Kern liegt hier in der Organisation eines effizienten und durchgängigen Wertschöpfungsprozesses. Arbeits-teilig an verschiedenen Orten und von verschiedenen Unternehmen erbrachte Leistungen müssen aufeinander abgestimmt werden. Die Logistik nimmt damit eine Sekundärfunk-tion zur Unterstützung der Produktion ein. Dabei kommt ihr allerdings durch ihre integra-tive, funktionsübergreifende Prozesssichtweise eine entscheidende Rolle zu. Die Logistik bildet das verknüpfende Element zwischen den einzelnen auf Unternehmensebene ablau-fenden Produktionsprozessen und beeinflusst in ihrer Ausgestaltung somit das gesamte Netzwerk [7].

Aus dieser Perspektive gibt die zugrundeliegende Produktionsfunktion eines Wert-schöpfungsnetzwerks einen gewissen Handlungsrahmen für die Logistikfunktion vor. So stellen beispielsweise die Variantenanzahl oder das zugrundeliegende Fertigungs-prinzip wesentliche Einflussfaktoren im Rahmen der Konfiguration des Logistiknetz-werkes dar.

Abb. 2.1   Globales Logistiknetzwerk

2� Konfiguration�logistischer�Netzwerke

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Gleichzeitig kann aber auch die Gestaltung von logistischen Prozessen bzw. die Imple-mentierung logistischer Lösungskonzepte zu einer Anpassung innerhalb der Produktions-funktion führen. So können logistische Optimierungsbestrebungen zur Kostensenkung z. B. Grundlage einer Reduktion der Variantenvielfalt sein.

Die Beschreibung und Gestaltung von logistischen Netzwerkformen hängt somit eng mit der Ausprägung und den Charakteristika des Produktionsnetzwerkes im Ganzen zu-sammen und kann letztlich nur in direkter Beziehung zu diesem erfolgen.

Trotz der intensiven Diskussion, die die Thematik der Netzwerkbildung in Manage-mentforschung und Praxis in den letzten Jahren erfahren hat, existiert bislang noch keine allgemein anerkannte Definition von Netzwerken. Ebenso verhält es sich hinsichtlich einer Theorie, die ein umfassendes Verständnis der Zusammenhänge zu Entstehung und Funk-tionsweise von Netzwerken bietet [7, 12].

Die auf Coase zurückgehende und von Williamson [13] unter organisationstheoreti-schen Gesichtspunkten entscheidend weiterentwickelte Transaktionskostentheorie erlaubt es jedoch, die Grundzusammenhänge darzustellen. Williamson geht von zwei grundsätz-lich verschiedenen Steuerungsprinzipien aus – dem Markt mit dem Preis als zentralem Ko-ordinationsmechanismus auf der einen und der Weisung innerhalb der Hierarchie auf der anderen Seite. Später reagiert er auf die Entstehung von Unternehmensnetzwerken, die er als hybride Koordinationsform zwischen diesen beiden Extrempolen einordnet [14, 15]. In diesem Rahmen analysiert die Transaktionskostentheorie die Umstände, unter denen eine Eigenherstellung einem Fremdbezug am Markt vorzuziehen ist bzw. vice versa und wann hybride Steuerungsformen eingesetzt werden sollten [16].

Auf dieser Grundlage aufbauend hat die Definition von Unternehmensnetzwerken und der netzwerktheoretische Ansatz nach Sydow mittlerweile hohe Akzeptanz erlangt. Auch Sydow verortet Unternehmensnetzwerke als intermediäre Organisationsform zwischen Markt und Hierarchie, in der die Elemente der hierarchischen wie auch der marktlichen Koordination und Kontrolle kombiniert werden [16, 17, 18]. So können Transaktionen in bestimmten Situationen zu niedrigeren Kosten abgewickelt werden, als dies in reinen Markt- bzw. Hierarchiekonstellationen möglich wäre [7].

Die einzelnen Netzwerkakteure konzentrieren sich dabei auf einen bestimmten Teil-prozess der Leistungserstellung, entsprechend ihren Ressourcen bzw. Kernkompetenzen. Durch die Integration einzelner Unternehmen in ein System sollen so gleichzeitig Spe-zialisierungsvorteile und Netzeffekte in Form von Synergien realisiert werden. Ziel ist es, [17] die Kosteneffizienz und Flexibilität und damit auch die Wettbewerbsfähigkeit al-ler Teilnehmer zu steigern. Dabei zeichnen sich Netzwerke nach Sydow durch komplex-reziproke, eher kooperative denn kompetitive und relativ stabile Beziehungen zwischen Unternehmen aus, die rechtlich selbständig, wirtschaftlich jedoch zumeist voneinander abhängig sind [17].

Eine wichtige Komponente in diesem Zusammenhang ist der beabsichtigte Zeitrahmen der Zusammenarbeit. Eine einzelne Transaktion, wie beispielsweise eine einzelne Bestel-lung, ist ein Nullsummenspiel: „each dollar gained by the supplier is a dollar lost by the buyer” [19]. Diese Perspektive verschiebt sich erst, wenn auf lange Sicht der Erfolg des Zulieferers mit dem Erfolg des Kunden verknüpft ist. Dabei ist ein Nutzen- und Risiko-ausgleich zwischen den Beteiligten sicherzustellen. Nur wenn eine Win-win-Situation er-reicht wird, kann ein Netzwerk seine Erfolgspotenziale entfalten und längerfristig Bestand

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haben. Insofern ist ein Netzwerk immer auch von einer latenten Auflösungstendenz ge-kennzeichnet.

Unternehmensnetzwerke sind also das Ergebnis einer speziellen Form der Koopera-tion im Sinne zwischenbetrieblicher Zusammenarbeit. Im Folgenden wird daher auch der Begriff der Netzwerkpartner verwendet. Entscheidend ist, dass die positiven Netzeffek-te nicht durch die erhöhte Komplexität und den Koordinationsaufwand der zusätzlichen Schnittstellen an den Unternehmensgrenzen überkompensiert werden.

Um die schnittstellenbedingten Transaktionskosten in Netzwerken zu reduzieren, kön-nen verschiedene Instrumente und Mechanismen eingesetzt werden. Vertrauensbildende Maßnahmen im Rahmen des Aufbaus langfristiger Partnerschaften tragen dazu ebenso bei wie eine gemeinsame, übergreifende Prozessoptimierung und die Installation gemein-samer IT-Systeme [19]. Insbesondere moderne Informations- und Kommunikationssyste-me, die es ermöglichen, große Informationsmengen zu geringen Kosten auszutauschen, haben eine umfassende, unternehmensübergreifende Zusammenarbeit erst wirtschaftlich realisierbar gemacht. Sie sind wesentlicher Treiber im Rahmen der Entstehung und Ent-wicklung einer Netzwerkorganisation der Wertschöpfung, insbesondere im Hinblick auf die Bewältigung der hohen Koordinationsanforderungen.

Die Identifikation und Beschreibung allgemeingültiger Koordinationsprobleme ist Schwerpunkt der Koordinationstheorie. Diese interpretiert Vernetzung als Koordination in Netzwerken, also das Management von Abhängigkeiten [3]. So lässt beispielsweise erst die bereichsübergreifende, logistische Gestaltung von Distributions-, Produktions- und Bereitstellungsprozessen eine Just-in-Time-Produktion wirtschaftlich werden. In der iso-lierten Betrachtung des Beschaffungsbereichs zeigt diese nur in Grenzfällen eine Vorteil-haftigkeit gegenüber einer Beschaffung in größeren Losen [20].

Ziel der Koordinationstheorie ist die Bereitstellung entsprechender Lösungsmechanis-men zum Management der „Flüsse“ von Gütern und Informationen, den Koordinations-leistungen. Die Logistik kann dabei als die für die Koordination verantwortliche Leis-tungseinheit verstanden werden. Sie sorgt dafür, dass sich die richtige Ressource zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort befindet [3]. Grundlage und Teilbereich der koordi-nativen Steuerung ist entsprechend die Auslegung bzw. Konfiguration des Netzwerks. Die Abstimmung der Abhängigkeiten zwischen Transportwegen und Lagerlokalisierung und den damit verbunden Kosten ist beispielsweise ein logistisches Koordinationsproblem, das im Rahmen der Netzwerkkonfiguration adressiert wird. Letztlich verbindet die Koordina-tionstheorie somit die Netzwerksicht mit der Prozesssicht. Sie unterstützt die Netzwerk-gestaltung durch die Formulierung von Leitlinien zur prozessorientierten Beschreibung logistischer Netzwerke.

Ein Werkzeug zur Modellierung logistischer Netzwerke stellen graphentheoretische Modelle dar, die Logistiksysteme in ihrer räumlichen und zeitlichen Struktur in sogenann-ten Graphen abbilden. Graphen sind dabei durch eine Menge an definierten Knoten und diese Knoten verbindende Kanten oder Pfeile gekennzeichnet. Kanten beschreiben dabei ungerichtete, Pfeile gerichtete Verbindungen zweier Knoten. Zwischen den Knoten erfol-gen Objektflüsse, die in den Knoten verzweigen oder zusammenlaufen [10]. Sowohl Kno-ten als auch Kanten und Pfeile unterliegen dabei bestimmten Kapazitätsbeschränkungen. Auf Basis dieser Modellstruktur liefert die Graphentheorie eine Reihe leistungsfähiger quantitativer Analysemethoden für logistische Fragestellungen (Abb. 2.2).

2� Konfiguration�logistischer�Netzwerke

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Die Graphentheorie klassifiziert, analysiert und quantifiziert die Strukturen und Ver-knüpfungen von Netzwerken. Für den praktischen Gebrauch in der Logistik lassen sich aus den Methoden und Ergebnissen der Graphentheorie und den Grenzleistungs- und Stau-gesetzen allgemeine Regeln für die Auswahl und Verknüpfung von Transportelementen sowie Verfahren zur Gestaltung von Transportnetzen herleiten.

Aus dieser Perspektive kann ein logistisches Netzwerk auch als ein geordnetes Sys-tem von hierarchisch und geografisch angeordneten, im Hinblick auf ein Leistungsziel komplementären Ressourcenknoten verstanden werden, die durch Kanten und Pfeile bzw. Flüsse verbunden werden. Aufgabe des Systems ist es, in einem Leistungsverbund Quel-len, also beispielsweise Produktionsstätten oder Lager, bedarfsgerecht und wirtschaftlich mit Senken, den jeweiligen Abnehmern bzw. Kunden, zu verbinden [22]. Die Knoten bzw. Quellen und Senken des Systems repräsentieren entsprechend die Lieferanten, Produk-tionsstätten, Lager, Umschlagspunkte oder Kunden eines logistischen Netzwerkes. Die Kanten und Pfeile verkörpern die Transportrelationen und bilden somit prozessuale Eigen-schaften in Form von Entfernungen, Kosten und Zeitverbräuchen ab.

Um die Konfiguration eines solchen Systems, beispielsweise hinsichtlich der Stand-ortallokation von Produktionsstätten oder der Kapazitätsdimensionierung von Transport-relationen wie auch der Auswahl und Bewertung logistischer Konzepte zur Steuerung der Flüsse, auszulegen, ist eine strukturierte Beschreibung des Netzwerks, eine weitgehende Transparenz der Abläufe und Kosten und eine umfassende, integrative Sicht auf das Netz-werk notwendig [3].

2.1.2 Einordnung der Konfiguration logistischer Netzwerke

Die Konfiguration logistischer Netzwerke ist als Teilaufgabe des Supply-Chain-Manage-ments zu betrachten. Eine genaue Einordnung und Beschreibung dieser Aufgabe lässt sich anhand der Supply-Chain-Planning-Matrix, aber auch dem Aachener PPS-Modell [23] vornehmen.

Die Supply-Chain-Planning-Matrix [24] (Abb. 2.3) gliedert die Planungsaufgaben in-nerhalb eines Unternehmens nach den beiden Dimensionen „Planungshorizont“ und „Sup-

Abb. 2.2   Das Graphenmodell und seine Elemente [21]

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ply-Chain-Prozess“. In Bezug auf den Planungshorizont wird zwischen Aufgaben mit lang-, mittel- und kurzfristigem Planungshorizont unterschieden. Die Prozessdimension umfasst die Teilprozesse der Beschaffung, Produktion und Distribution und des Absatzes. Die Konfiguration logistischer Netzwerke lässt sich aufgrund ihres langfristigen Charak-ters und der Auswirkung auf die Struktur des gesamten logistischen Netzwerks der Aufga-be der strategischen Netzwerkplanung zuordnen. Im Rahmen des Aachener PPS-Modells [23] wird die strategische Netzwerkplanung bedeutungsgleich als Netzwerkauslegung definiert.

Im Rahmen der strategischen Netzwerkplanung werden Entscheidungen über die Gestaltungselemente des logistischen Netzwerks getroffen. Diese betreffen sowohl die Kapazitäts- als auch die Standortplanung im Netzwerk. Zu den Zielen der strategischen Netzwerkplanung gehören dabei einerseits die Reduzierung der Gesamtkosten für die Ein-richtung, den Betrieb oder die Schließung von Standorten, für den Aufbau von Kapazitäten sowie für den Transport der Güter zwischen den Standorten im logistischen Netzwerk. Andererseits sollten logistische Netzwerke darauf ausgerichtet sein, die Maximierung der Differenz von Erlösen und Kosten im Planungszeitraum zu ermöglichen. Durch die Fest-legung der Struktur des logistischen Netzwerks stellen die Standorte und Kapazitäten im Netzwerk feste Planungsgrößen für die untergeordneten Planungsaufgaben (Produktions-programmplanung, Absatzplanung) dar. Allerdings können größere, von der Absatzpla-nung prognostizierte Nachfrageänderungen eine Rekonfiguration des logistischen Netz-werks und somit eine Anpassung der Netzwerkplanung erfordern [25].

2.1.3 Aufgaben und Ziele

Mit dem Ziel einer allgemeinen Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit versuchen Unter-nehmen durch eine Konfiguration ihres logistischen Netzwerks eine effektive logistische Infrastruktur zu schaffen und demnach u. a. Entscheidungen darüber zu fällen,

Abb. 2.3   Supply-Chain-Planning-Matrix [24]

Strategische Netzwerkplanung

Produktionsprogrammplanung

Material-bedarfs-planung Produktions-

steuerungTransport-planung

Absatz-planung

Verfügbarkeits-planung

Distributions-planung

Produktions-planung

Absatz

langfristig

mittelfristig

kurzfristig

DistributionProduktionBeschaffung

2� Konfiguration�logistischer�Netzwerke

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• welche Produkte an welchen Standorten herzustellen sind sowie zu welchen Zeitpunk-ten und an welchen Orten neue Standorte einzurichten sind,

• welchen Standorten welche logistischen Aufgaben zuzuordnen sind,• zwischen welchen Standorten welche Verbindungen für die Beschaffung, Produktion

und Distribution von Rohstoffen, Zwischen- und Fertigprodukten verwirklicht sowie über wie viele logistische Stufen diese Verbindungen realisiert werden und

• inwiefern ein bestehendes logistisches Netzwerk rekonfiguriert werden soll, um neue Märkte zu erschließen und neue wettbewerbsfähige Produkte herzustellen [4, 8, 26, 27, 28].

Die diesen Aufgaben übergeordneten Zielsetzung, die Unternehmen mit einer Konfigu-ration ihrer logistischen Netzwerke verfolgen, lassen sich allgemein in taktisch-operative und strategische Ziele unterscheiden (Abb. 2.4).

Die taktisch-operativen Ziele einer Konfiguration logistischer Netzwerke umfassen die Gewährleistung effizienter Abläufe und Problemlösungsroutinen und lassen sich in die zwei Kategorien der Service- und Kostenziele unterteilen [4, 29].

Die für die Konfiguration logistischer Netzwerke relevanten Serviceziele setzen sich aus der Zielsetzung hinsichtlich der Beeinflussung von Lieferzeit, Lieferzuverlässigkeit, Lieferungsbereitschaft und Lieferflexibilität zusammen [29]. Die Lieferzeit bezeichnet die Zeitspanne zwischen der Ausstellung des Auftrags durch den Kunden und den Eingang der Ware in dessen Lagern und beinhaltet die Zeiten für die logistische Tätigkeit des Liefe-ranten und des Kunden. Kürzere Lieferzeiten führen dabei zu niedrigeren Lagerbeständen bei dem Kunden und demnach zu einer kurzfristigeren Disposition. Der Begriff der Liefer-zuverlässigkeit ist Ausdruck für die Wahrscheinlichkeit, mit der die Lieferzeit eingehalten wird, und hängt zum einen von der Zuverlässigkeit des Arbeitsablaufs und zum anderen von der Lieferbereitschaft des Lieferanten ab. Eine hohe Lieferzuverlässigkeit ermöglicht niedrigere Lagerbestände beim Kunden und reduziert Störungen im Betriebsablauf. Die Lieferungsbeschaffenheit gibt Aufschluss über die Qualität der Lieferung und somit über die Liefergenauigkeit sowie den Zustand der gelieferten Ware. Das Ziel der Lieferflexi-bilität besteht darin, auf besondere Bedürfnisse des Kunden einzugehen und hängt von den Auftrags- sowie Liefermodalitäten und von den Kundeninformationen ab. Die Auf-tragsmodalitäten beinhalten dabei die Auftragsgröße, die Abnahmemenge, den Zeitpunkt der Auftragserteilung und die Art der Auftragserstellung und Auftragsübermittlung. Eine

Abb. 2.4   Ziele der Konfiguration logistischer Netzwerke

Ziele der Konfiguration logistischer Netzwerke

taktisch-operative strategische

Serviceziele Kostenziele Erzielung nachhaltiger

Wettbewerbs-vorteile

wettbewerbsbezogene, langfristige

Zukunftssicherung des Unternehmens

Ziele der Konfiguration logistischer Netzwerke

taktisch-operative strategische

Serviceziele Kostenziele Erzielung nachhaltiger

Wettbewerbs-vorteile

wettbewerbsbezogene, langfristige

Zukunftssicherung des Unternehmens

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zunehmende Varianz dieser Größen ist dabei mit höheren Logistikkosten für die Lieferan-ten verbunden. Die Liefermodalitäten haben Auswirkungen auf den Güterfluss und durch sie werden u. a. die Art der Verpackung, die zu benutzende Transportvariante und die Möglichkeit der Lieferung auf Abruf festgelegt. Der dritte Teilbereich der Lieferflexibilität umfasst Kundeninformationen über die Liefermöglichkeiten, den Stand der Abfertigung des Auftrags, vorauszusehende Lieferverzögerungen und die Behandlung von Beschwer-den über mangelnde Auslieferung und nimmt somit Bezug auf den Informationsfluss von Seiten der Lieferanten.

Die Kostenziele der Konfiguration logistischer Netzwerke setzen sich aus den Trans-port-, Lager-, Bestands- und Prozesskosten, darunter insbesondere den Auftragsabwick-lungskosten, zusammen. Dabei unterliegen die einzelnen Kostenziele einer Vielzahl von Kostenkonflikten, die dadurch zum Ausdruck kommen, dass z. B. niedrigere Lagerbe-standskosten zu höheren Transport- und Produktionskosten führen. Vor diesem Hinter-grund wird bei der Konfiguration logistischer Netzwerke die Betrachtung der relevanten Gesamt- oder Totalkosten gefordert [29, 30]. Demnach müssen Unternehmen bei ihren Entscheidungen hinsichtlich der Konfiguration ihrer logistischen Netzwerke die unter-schiedlichen relevanten Kostenfaktoren entsprechend aufeinander abstimmen und auf eine Senkung ihrer Gesamtkosten abzielen [30].

Eine effektive Konfiguration logistischer Netzwerke erfordert eine Ausrichtung an-hand der aus den Unternehmenszielen hervorgehenden relevanten Logistik- und Service-zielen. Den dabei entstehenden Zusammenhang zwischen Unternehmenszielen wie ein hoher Umsatz und Gewinn und dem logistischen Ziel eines hohen Serviceniveaus zeigt Abb. 2.5. Hiernach wird bei steigendem Serviceniveau ein progressiver Kostenanstieg ver-zeichnet. Erfolgt eine Verbesserung eines bereits hohen Serviceniveaus um weitere wenige

Abb. 2.5   Wechselwirkungen zwischen Serviceniveau, Umsatzerlöse, Kosten und Gewinnbeitrag [29]

Umsatzerlöse/Kosten/Gewinnbeitrag

93 95 100Serviceniveau in %

Umsatzerlöse

Kosten

GewinnbeitragGewinnbeitrag

2� Konfiguration�logistischer�Netzwerke

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Prozente, so ist das wiederum mit einem weit überproportionalen Kostenanstieg verbun-den. Im Vergleich dazu ist die positive Wirkung auf die Umsatzentwicklung nur noch stark unterproportional [29].1

Daher ist es im Rahmen der Konfiguration des logistischen Netzwerks erforderlich, diese Wechselwirkungen zwischen den Unternehmenszielen und logistischen Zielgrößen zu berücksichtigen. Sofern keine besonderen Anforderungen beispielsweise an das logis-tische Ziel eines hohen Serviceniveaus gestellt werden, kann das Serviceniveau als ab-hängige Variable des Gewinnbeitrags betrachtet werden. Wird davon ausgegangen, dass ab einem bestimmten Serviceniveau keine signifikante Steigerung der Umsatzerlöse mehr zu erwarten ist und stattdessen die Bestandkosten aufgrund der positiven Korrelation von Sicherheitsbeständen und Serviceniveau exponentiell ansteigen werden, so ist das Service-niveau anzustreben, welches die größte Differenz von Umsatzerlösen und Kosten ermög-licht.

Strategische Ziele bestehen in der wettbewerbsbezogenen, langfristigen Zukunftssi-cherung des Unternehmens und dem Aufbau nachhaltiger Wettbewerbsvorteile [32] und lassen sich z. B. durch die Strategie des „Global Footprints“ realisieren [33]. Zu den stra-tegischen Zielen gehören somit sowohl Fragen der Veränderung der Unternehmensstruktur als auch die Entscheidung über die Anzahl und Lokalisierung der logistischen Partner und die logistischen Verbindungen zwischen diesen.

Durch die Entwicklung der Märkte Ostasiens und Osteuropas und durch den Rück-gang bestehender Transferbarrieren (z. B. Zölle) sind neue wesentliche Abnehmer- und Ressourcenmärkte entstanden. In Verbindung mit der sinkenden Attraktivität westeuro-päischer Märkte aufgrund u. a. hoher Faktorkosten im internationalen Vergleich führen diese Veränderungen zu einer zunehmenden Internationalisierung der Geschäftstätigkeit produzierender Unternehmen [33]. Die Aufstellung der logistischen Netzwerke in einem weltweiten Netzwerk, der sogenannte „Global Footprint“, muss Fragestellungen wie:

• welche Aufgaben des logistischen Netzwerks gelten in dem betrachteten Unternehmen als Kernkompetenz und müssen demnach gesondert berücksichtigt werden, und

• welches sind die optimalen Standorte für diese Wertschöpfungsstufen unter den Ge-sichtspunkten der Qualität, Verfügbarkeit sowie der Kosten

berücksichtigen [34].Vor diesem Hintergrund besteht der Kerngedanke des „Global Footprints“ darin, Ab-

schnitte eines logistischen Netzwerks zu dezentralisieren und sie anschließend mit Fokus auf einen großmöglichen Marktzugang und eine Ausnutzung der Kosteneffizienz in vor-teilhafte Umweltsphären zu integrieren. Dabei ist es insbesondere für die Unternehmen von Bedeutung sowohl absatz- als auch ressourcenmarktseitig optimale Umweltsphären zu identifizieren und auszuwählen [33]. Der darauf aufbauende heuristische Ansatz des „Global-Footprint-Designs“ [35] zielt darauf ab, die Güte der strategischen Netzwerkpla-nung zu bewerten und dieses Netzwerk dahingehend zu gestalten, dass es bestmöglich dem gegenwärtigen und zukünftigen Wettbewerbsumfeld angepasst ist.

1 Zur Wirkung des Lieferservices auf den Markterfolg bzw. Umsatz eines Unternehmens sei an dieser Stelle auf [31] verwiesen.

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2.1.4 Herausforderungen

Bezüglich der Konfiguration können verschiedene Perspektiven bzw. deren Ausprägungen betrachtet werden (Abb. 2.6), die – je nach Entscheidung – verschiedene Herausforde-rungen bei der Netzwerkkonfiguration berücksichtigen. Somit wird zum einen zwischen der Neukonfiguration und der Rekonfiguration bereits bestehender logistischer Netzwer-ke unterschieden. Bezüglich der Gestaltungsobjekte kann zudem die Konfiguration von Strukturelementen oder Ressourcen im Netzwerk betrachtet werden. Eine dritte Möglich-keit besteht schließlich hinsichtlich der zeitlichen Perspektive in der Differenzierung zwi-schen einer statischen und dynamischen Konfiguration.

2.1.4.1 Neu- und Rekonfiguration

Allgemein werden bei einer Neukonfiguration Entscheidungen hinsichtlich des Ordnungs-rahmens, in dem die Akteure eines einzurichtenden logistischen Netzwerks agieren, fest-gelegt. In diesem Zusammenhang wird entschieden, welche Struktur das Logistiknetzwerk aufweisen soll und welche logistischen Prozesse an welchen Standorten durchzuführen sind. Ebenso steht im Fokus der Neukonfiguration die Auswahl der in das logistische Netzwerk zu integrierenden Logistikdienstleister und Lieferanten sowie die Festlegung ihrer langfristig zu erbringenden Leistungen [8]. Vor diesem Hintergrund gehört der Auf-bau eines neuen, bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestehenden logistischen Netzwerks zu einer Neukonfiguration. An optimalen Standorten werden neue Standorte aufgebaut, die frei von den Restriktionen bestehender Standorte sind.

Das im Rahmen der Neukonfiguration entstandene logistische Netzwerk verändert sich aufgrund der sich im Zeitverlauf verändernden endogenen oder exogenen Rahmenbedin-gungen [36]. Vor dem Hintergrund eines zunehmenden Wettbewerbsdruckes und unter Annahme der Dynamik logistischer Netzwerke führen somit mehrere Faktoren, wie z. B. das Auftreten alternativer Netzwerkpartner, welche die Anforderungen des Unternehmens qualitativ besser und kostengünstiger erfüllen, zu Rekonfigurationen bereits bestehender

Abb. 2.6 Übersicht über Ausprägungen von Konfigurationsentscheidungen

Perspektiven der Konfiguration logistischer Netzwerke

statische Konfiguration dynamische Konfiguration

Strukturkonfiguration Ressourcenkonfiguration

Neukonfiguration Rekonfiguration

Perspektiven der Konfiguration logistischer Netzwerke

statische Konfiguration dynamische Konfiguration

Strukturkonfiguration Ressourcenkonfiguration

Neukonfiguration Rekonfiguration

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logistischer Netzwerke. Unter dem Begriff der Umfeldveränderungen lassen sich u. a. Konjunkturveränderungen, Service- und Kostenkriterien sowie eine veränderte Gesetz-gebung zusammenfassen. Veränderungen der Wettbewerbsstruktur beinhalten eine Ver-änderung bei den Wettbewerbern oder die Bildung neuer Kooperationen.

In der Praxis kann eine Rekonfiguration bestehender logistischer Netzwerke durch eine Vielzahl von Aktivitäten realisiert werden. In diesem Zusammenhang kann sich ein Unter-nehmen dazu entscheiden, vor- und nachgelagerte Stufen in seiner logistischen Kette zu integrieren. Ebenso stehen Entscheidungen hinsichtlich eines Ausbaus des Geschäftsfeldes und einer geographischen Ausweitung der Unternehmensaktivitäten aus [37]. Die Rekon-figuration kann sich dabei entweder auf das bestehende Netzwerk ausdehnen oder nur einen Teil dieses Netzwerks betreffen. Liegt die Umgestaltung eines Teilbereiches eines bestehenden logistischen Netzwerks vor, so können sich die Gestaltungsaktivitäten auf einzelne Verbindungen, Standorte oder auf einzelne Produkte beschränken [8].

2.1.4.2 Struktur- und Ressourcenkonfiguration

Das Ziel einer Strukturkonfiguration besteht in der Veränderung der Struktur des Unter-nehmens und umfasst somit neben der Entscheidung über die Auswahl von neuen Standor-ten sowie der Anzahl und Lokalisierung der in das logistische Netzwerk zu integrierenden Lieferanten und Logistikdienstleister auch die Entscheidung über die potenziellen logis-tischen Verbindungen (Transportrelationen, logistische Kooperationskonzepte) zwischen diesen. Die Frage, welche Produkte an welchen Standorten herzustellen sind, kann eben-falls dem Bereich der Strukturkonfiguration zugeordnet werden. Somit kann u. a. dann die Rede von einer Strukturkonfiguration sein, wenn sich ein Unternehmen aus Kosten-gründen dazu entschließt, die Produktion eines existierenden Produktes an einen neuen Standort zu verlagern.

Die Ressourcenkonfiguration beeinflusst das generelle logistische Leistungspotenzial. Somit bestimmt sie die von Seiten der logistischen Partner langfristig zu erbringenden Leistungen. Veränderungspotenzial im Hinblick auf die Ressourcenkonfiguration weisen vorzuhaltende Produktions-, Lager-, Umschlag-, Kommissionier- und Transportkapazitä-ten sowie die einzusetzenden Prozesstechnologien auf [8]. Eine Ressourcenkonfiguration liegt beispielsweise dann vor, wenn sich ein Unternehmen dazu entschließt, seine Lager-kapazität an einem Distributionsstandort zu erhöhen.

2.1.4.3 Statische und dynamische Konfiguration

Unter einer statischen Konfiguration wird die einmalige Konfiguration verstanden, die zu einer optimalen Netzwerkstruktur und zu einer Auswahl an Netzwerkpartnern führt. Diese Form der Konfiguration geht von einer vollständigen Kenntnis eines fixen zukünftigen Entwicklungsszenarios (z. B. Umfeld-, Markt-, Produktentwicklungen) aus und lässt den zeitlichen Faktor der Entwicklungsdynamik von Unternehmen und Netzwerkstrukturen,

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also die Berücksichtigung einer möglichen zukünftigen Weiterentwicklung der Unter-nehmensumwelt außer Betracht. Bei einer dynamischen Konfiguration hingegen werden mögliche kurzfristige und langfristige Entwicklungen der Unternehmensumwelt berück-sichtigt. Hierbei wird davon ausgegangen, dass im Zeitverlauf mehrere Rekonfigurationen der logistischen Netzwerke notwendig sein werden, damit das Unternehmen seine Wett-bewerbsposition beibehalten oder sogar stärken kann. In diesem Zusammenhang können Unternehmen kaum Erwartungswerte für die jeweils nachfolgenden Entwicklungsstufen bilden und sind demnach gezwungen, Anpassungen an unerwartete Ereignisse auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Hierbei ist es wichtig, mögliche alternative Entwick-lungen der Unternehmensumwelt in Sinne von Szenarien vorzudenken [38]. Notwendige Voraussetzung für eine dynamische Konfiguration ist daher zum einen ein hohes Maß an Flexibilität und zum anderen die Anpassungsfähigkeit des bestehenden logistischen Netz-werks. Dabei soll das Netzwerk die Fähigkeit besitzen, Risiken abzuwägen und unvorge-sehene Potenziale auszuschöpfen [8].

2.2 Gestaltung logistischer Netzwerke

Im Zuge des unternehmerischen Entscheidungsprozesses zur Gestaltung des logistischen Netzwerks gilt es zu berücksichtigen, dass eine Konfigurationsentscheidung in langfristi-ger Sicht das Leistungspotenzial und die Kostenstruktur des Logistiknetzwerks determi-niert.

Bei der Gestaltung eines logistischen Netzwerks werden unter Berücksichtigung der Logistikkosten strategische und somit längerfristige Entscheidungen in Hinblick auf die zukünftige logistische Struktur von Unternehmen bzw. Unternehmensbereichen getroffen. Eine zukünftige Entscheidung zur Rekonfiguration, beispielsweise zur Erweiterung des bestehenden Logistiknetzwerkes um zusätzliche Logistikkapazitäten, ist somit entschei-dend von der initialen Netzwerkkonfiguration abhängig [8]. Primäre Zielsetzung bei der Netzwerkgestaltung ist es, dass die anzustrebende Konfiguration des logistischen Netz-werks nachweislich zu einer Steigerung des Unternehmenswertes beiträgt [22]. Im Gestal-tungsprozess sind daher verschiedene Prinzipien zu beachten, die unter Betrachtung des Produktportfolios, des Marktumfelds und Kundenverhaltens sowie der verfolgten Wett-bewerbsstrategie, eine Vorlage zur zielgerichteten Gestaltung repräsentieren.

2.2.1 Auslöser für Konfigurationsentscheidungen

Die Auslöser für den Prozess der Konfiguration eines logistischen Netzwerks lassen sich nach taktisch-operativen und strategischen Faktoren unterscheiden [39]. Auf taktisch-operativer Ebene werden Elemente wie die Kosten oder die Leistung eines logistischen Netzwerks und auf strategischer Ebene eigen- und fremdbestimmte Faktoren betrachtet (Abb. 2.7).

2� Konfiguration�logistischer�Netzwerke

Page 14: Logistikmanagement || Konfiguration logistischer Netzwerk

48

Dabei sind bei einer Neu- oder Rekonfiguration logistischer Netzwerke nur nachhaltige Struktureffekte zu berücksichtigen. Ein kurzfristiger Kostenanstieg bzw. eine kurzfristig nicht dem Standard entsprechende Lieferqualität haben demnach keine Auswirkungen auf die Entscheidung zur Schließung, Verlagerung oder Neueröffnung von Standorten [39].

Unter den relevanten Kostenarten, die bei der Konfiguration logistischer Netzwerke betrachtet werden, lassen sich u. a. Bestands- und Transportkosten sowie lokale Grund-stücks- und Arbeitskosten zusammenfassen. Ebenfalls hierzu gehören Kosten für die Schließung obsoleter Standorte (z. B. für die Sanierung kontaminierter Grundstücke) und zollrechtliche Steuern und Subventionen [22, 39, 40].

Die Leistungsfaktoren eines logistischen Netzwerks umfassen die Informationsbereit-schaft von Seiten der einzelnen Akteure, die Termintreue und die Lieferfähigkeit. Weitere leistungsrelevante Auslöser für Konfigurationsentscheidungen sind die benötigte Liefer-zeit, die Lieferqualität sowie die Lieferflexibilität [39, 41].

Strategische Faktoren sind entweder eigen- oder fremdbestimmt. Somit erfolgt die Bestimmung entweder über das eigene Unternehmen oder durch die Kunden, Lieferan-ten und/oder Wettbewerber. Eigenbestimmte strategische Faktoren können u. a. in einer Unternehmensfusion, einer geänderten Wettbewerbsstrategie, der Anwendung neuer Tech-nologien in der Produktion oder der Auswahl neuer logistischer Dienstleister bestehen. Zu den fremdbestimmten strategischen Faktoren gehören hingegen Veränderungen der ver-wendbaren Infrastruktur, neue, veränderte Anforderungen an die Distribution, ein verän-dertes Verhalten der Wettbewerber und Kunden oder eine Verschiebung regionaler Nach-frageschwerpunkte [39, 42].

Die Faktoren, die eine Konfiguration logistischer Netzwerke auslösen, sind aufgrund der ebenfalls stetigen Veränderung im globalen Umfeld zudem unter zeitdynamischen As-pekten zu betrachten. Je nach Wettbewerbssituation und je nach der genauen Zielsetzung

Abb. 2.7   Auslöser für Konfigurationsentscheidungen [39]

taktisch-operative Faktoren

strategischeFaktoren

− B estandskosten− T ransportkosten− Zölle /S teuern− loka le G rundstücks-

& A rbe itskosten− K osten zur

S ch ließung obso le ter S tandorte

Kosten

− L ie ferze it− T erm in treue− L ie ferfäh igke it− L ie ferqua litä t− L ie ferflex ib ilitä t− In fo rm ationsbere it-

schaft

Leistung eigenbestimmt

− U nternehm ens-fus ion

− G eänderte W ettbe-w erbsstra teg ie

− A nw endung neuer/anderer T echno log ien in der P roduk tion

− A usw ah l neuer log is tischer D iens tle is te r

fremdbestimmt

- V eränderung der verw endbaren Infra -s truk tur

- neue/veränderte A nforderungen an d ie D is tr ibu tion

- V erha lten der W ettbew erber und K unden

- V ersch iebungreg iona ler N achfra -geschw erpunk te

Auslöser für Konfigurationsentscheidungen

taktisch-operative Faktoren

strategischeFaktoren

taktisch-operative Faktoren

strategischeFaktoren

−−− Zö− -

Kosten

−−−− t−− -

Leistung eigenbestimmt

− -

− G e -

fremdbestimmt

--

-

-

--

−−− Zö− -

Kosten

−−− Zö− -

Kosten

−−−− t−− -

Leistung

−−−−−− -

Leistung eigenbestimmt

− -

− -

eigenbestimmt

− -

− -

fremdbestimmt

--

-

-

--

fremdbestimmt

--

-

-

--

Auslöser für Konfigurationsentscheidungen

V.�Stich�et�al.

2

Page 15: Logistikmanagement || Konfiguration logistischer Netzwerk

49

eines Unternehmens werden somit die Auslöser, die eine Konfiguration logistischer Netz-werke tragen, unterschiedlich gewichtet.

2.2.2 Gestaltungsprinzipien logistischer Netzwerke

Die Gestaltung logistischer Netzwerke bestimmt die physische Konfiguration des logis-tischen Netzwerkes eines Unternehmens [43]. Je nach Gestaltungsvorgaben, z. B. einer Anpassung an die vom Unternehmensbereich verfolgte Wettbewerbsstrategie oder beson-deren Markt- und Kundencharakteristika [44], sind im Rahmen der Gestaltung logistischer Netzwerke verschiedene Prinzipien zu beachten, die grundlegende Auswirkungen auf die anzustrebende Netzwerkstruktur haben [22] (Abb. 2.8).

2.2.2.1 Reaktionsfähige vs. kosteneffiziente logistische Netzwerke

Je nach Phase im Produktlebenszyklus und der Unsicherheit des Nachfrageverhaltens nach den im logistischen Netzwerk hergestellten und distribuierten Produkten, ist es sinnvoll, eher eine hohe Reaktionsfähigkeit oder Kosteneffizienz des logistischen Netzwerks bei der Gestaltung der Netzwerkstruktur anzustreben [44], (Abb. 2.9).

Das Ziel einer reaktionsfähigen Netzwerkstruktur ist es, möglichst schnell auf Nach-frageänderungen reagieren zu können. Insbesondere in den frühen Phasen des Produkt-lebenszyklus ist noch mit einer hohen Unsicherheit bezüglich des Nachfrageverhaltens zu rechnen, so dass sich zur Erreichung einer hohen Reaktionsfähigkeit beispielsweise das Vorhalten bzw. die Planung von Bestands- und Kapazitätspuffern im Netzwerk empfiehlt. Eine weitere Zielsetzung ist die Reduzierung der Durchlaufzeiten im Netzwerk, selbst wenn die Logistikkosten hierdurch signifikant über höhere Sicherheitsbestände erhöht werden.

Ist hingegen mit einer relativen Stabilität der Kundennachfrage zu rechnen, so steht eine Optimierung der Logistikkosten im Vordergrund der Netzwerkgestaltung. Typische

Abb. 2.8   Gestaltungsprinzipien logistischer Netzwerke

Gestaltungsprinzipien logistischer Netzwerke

„push“ „pull“

zentral dezentral

reaktionsfähig kosteneffizient

Gestaltungsprinzipien logistischer Netzwerke

„push“ „pull“„push“ „pull“

zentral dezentralzentral dezentral

reaktionsfähig kosteneffizientreaktionsfähig kosteneffizient

2� Konfiguration�logistischer�Netzwerke

Page 16: Logistikmanagement || Konfiguration logistischer Netzwerk

50

Maßnahmen zur Reduzierung der Logistikkosten und damit der Selbstkosten der Produk-te sind im Rahmen der Netzwerkgestaltung die Auswahl und Planung kostenoptimaler Standorte und derer Kapazitäten im Netzwerk.

2.2.2.2 Zentrale vs. dezentrale Netzwerkstruktur

Bei der Gestaltung von Distributionsnetzwerken spielt insbesondere die Fragestellung eine Rolle, ob die Distribution zentral oder dezentral erfolgen soll (Abb. 2.10).

Abb. 2.9   Reaktionsfähigkeit und Kosteneffizienz logisti-scher Netzwerke

Reaktionsfähigkeit

hoch

niedrig

hochniedrigKosteneffizienz

Abb. 2.10   Zentrale und dezentrale Distributionsstrukturen

dezentrale, zweistufige Distributionsstrukturzentrale Distributionsstruktur

Zentrallager

Regionallager

Kundenstandort

Legende

V.�Stich�et�al.

2

Page 17: Logistikmanagement || Konfiguration logistischer Netzwerk

51

Der Grad der Zentralisierung eines Distributionsnetzwerks wird hierbei durch die An-zahl der Distributionsstufen und der zugeordneten Lagerstandorte im Netzwerk bestimmt [45]. Je nach der Anzahl der Distributionsstufen im Netzwerk kann zwischen einer ein-stufigen und einer mehrstufigen Distribution unterschieden werden. Bei einer einstufigen Distribution wird die Versorgung der dem logistischen Netzwerk zugehörigen Kunden-standorte von einem zentralen Lager durchgeführt. Bei einer mehrstufigen Distribution hingegen existieren unterhalb des Zentrallagers weitere, den Kundenstandorten überge-ordnete Regionallager [45]. Eine Distribution über eine Lagerstufe, d. h. über Zentralläger, bietet ökonomische Vorteile der Kostendegression durch Bündelungseffekte [22]. Wenige größere Lagerstandorte im Netzwerk ermöglichen die Bündelung von Bestellungen und somit das Zusammenfassen zu größeren Bestell- und Transportmengen. Aufgrund des höheren Lagerdurchsatzes und der besseren Planbarkeit der Lagerabgänge (aggregierte Prognosen gelten durch „Risk-Pooling“-Effekte als genauer als disaggregierte), lassen sich niedrigere Sicherheitsbestände in einem zentral gestalteten Netzwerk realisieren. Des Wei-teren ergeben sich Kostenvorteile im Bereich der fixen Standortkosten.

Demgegenüber stehen die Nachteile höherer Transportkosten sowie längerer Liefer- und Reaktionszeiten. Eine dezentrale mehrstufige Netzwerkstruktur mit mehreren regio-nalen Standorten verkürzt die Transport- und Absatzwege zu den Kundenstandorten, da jeder Standort lediglich die Kunden in der ihm zugewiesenen Region beliefert. Die dezen-trale Netzwerkstruktur erlaubt so die Reduzierung von Transportkosten. Je nach kalkulier-ten Transport- und Lagerkostensätzen sowie der vom Unternehmen verfolgten Zielsetzung hinsichtlich der Gestaltung logistischer Netzwerke, gilt es somit bei der Konfiguration logistischer Netzwerke, den optimalen Zentralisierungs- bzw. Dezentralisierungsgrad im logistischen Netzwerk zu ermitteln.

Dieser optimale Zentralisierungs- bzw. Dezentralisierungsgrad im logistischen Netz-werk lässt sich unter Betrachtung der Kostenarten der Transport- sowie Lager- und Be-standskosten in Abhängigkeit von der vorliegenden Distributionsstruktur berechnen. Da-bei besteht ein Zielkonflikt zwischen den Transportkosten einerseits und den Lager- und Bestandskosten andererseits. Demnach führt eine Senkung der Transportkosten zu einer Zunahme der Lager- und Bestandskosten und umgekehrt. Je dezentraler die Netzwerk-struktur gestaltet wird, umso geringer fallen die Transportkosten der Auslieferung an die einzelnen Kundenstandorte aus. Andererseits steigen mit einer Zunahme der Lagerstand-orte die Lager- und Bestandskosten. Für jedes Lager fallen sprungfixe Lagerkosten an. Da der Lagerdurchsatz pro Lager mit steigender Zahl der Regionallager sinkt, steigen die Lagerkosten pro Lagereinheit aufgrund von Skaleneffekten progressiv. Das Optimum an Zentralität bzw. Dezentralität wird im Minimum der Summe beider Kurven, demnach im Minimum der Gesamtkosten, erreicht (Abb. 2.11).

2.2.2.3 Push- vs. pullorientierte Netzwerkgestaltung

Um kurze Durchlaufzeiten und Reaktionszeiten auf Kundenbedarfe und -aufträge zu er-möglichen, sind im Rahmen der Gestaltung logistischer Netzwerke die verschiedene Ser-viceaspekte der Logistik zu beachten. Kundenaufträge sollen möglichst schnell innerhalb

2� Konfiguration�logistischer�Netzwerke

Page 18: Logistikmanagement || Konfiguration logistischer Netzwerk

52

der gewünschten Lieferzeit vollständig und den gestellten Qualitätsansprüchen entspre-chend erfüllt werden [22]. Das logistische Netzwerk ist daher so zu gestalten, dass, unter Berücksichtigung der Kosteneffizienz, möglichst kurze Durchlauf- und Lieferzeiten im Netzwerk ermöglicht werden. Dieses Ziel ist beispielsweise durch die Implementierung hieran ausgerichteter logistischer Kooperationskonzepte wie Just-in-Time oder Just-in-Se-quence zu erreichen.

Im Idealfall sind die bestellten Produkte bereits vor dem Eingang des Kundenauftrags in ausreichender Menge und in geographischer Nähe zum Bedarfsort verfügbar. Um die resultierenden Bestandskosten im Netzwerk dennoch auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau zu halten, ist es Ziel der Netzwerkgestaltung, einen Ausgleich zwischen plan-/bzw. prognosebasierten („Push“-Prinzip) und auftragsgetriebenen Aktivitäten („Pull“-Prinzip) zu finden. Dieser Ausgleich wird durch das Setzen des Kundenentkopplungspunktes (auch als Kundenauftragsentkopplungspunkt oder englisch „Order-Penetration-Point“ bezeich-net) im Netzwerk erreicht.

Vor dem Kundenentkopplungspunkt gilt das „Push“-Prinzip, d. h. Bestände im Netz-werk werden auf Basis von Bedarfs- bzw. Absatzprognosen kundenanonym angelegt und den einzelnen Standorten zugeordnet. Ab dem Kundenentkopplungspunkt gilt das „Pull“-Prinzip. Die weitere Wertschöpfung im Netzwerk, beispielsweise die Generierung bzw. Montage von kundenspezifischen Produktvarianten, wird erst durch einen vorliegenden Kundenauftrag veranlasst (Abb. 2.12).

Je nach Lage des Kundenentkopplungspunktes im Wertschöpfungsprozess wird zwi-schen den logistischen Prozesskategorien Make-to-Stock, Assemble-to-Order, Make-to-Order und Engineer-to-Order unterschieden [46–49]. Eine Verlegung des Kundenent-kopplungspunktes innerhalb des Wertschöpfungsprozesses näher in Richtung des Kunden wird als Postponement bezeichnet [45]. Ziel des Postponements ist es, die Variantenbil-dung auf den spätmöglichsten Wertschöpfungsprozess zu legen, um Marktrisiken und Be-standskosten zu reduzieren.

Abb. 2.11   Optimum an Zentralität bzw. Dezentralität in Abhängigkeit der Höhe der Kostenarten und der Anzahl der Distributionsstufen

Lager- und Bestandskosten

Anzahl der Distributionsstufen

Kosten

Gesamtkosten

Transportkosten

Optimum an Zentralität bzw.Dezentralität

-

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2

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53

Werden Endprodukte auf Basis von Bedarfsprognosen gefertigt, montiert und in den Auslieferungslägern vorgehalten, so liegt ein Make-to-Stock-Wertschöpfungsprozess im Logistiknetzwerk vor. Der Kundenentkopplungspunkt befindet sich zwischen der End-montage und der durch vorliegende Kundenaufträge initiierten Distribution. Anwendung finden Make-to-Stock-Prozesse überwiegend bei kurzlebigen, geringwertigen Konsum-gütern [sog. „Fast-Moving-Consumer-Goods“ (FMCG)] und Konsumgütern mit relativ geringer oder keiner Variantenvielfalt. Konsumenten fordern für diese Produkte meist eine schnelle oder gar unmittelbare Verfügbarkeit, sodass kurze Auftragsdurchlaufzeiten durch die Bevorratung der Endprodukte gewährleistet sein müssen.

Besteht ein Endprodukt aus mehreren Varianten, die auf dem Markt angeboten werden, so ist es die Zielsetzung bei der Netzwerkgestaltung, die Bildung der Produktvarianten und damit den Kundenentkopplungspunkt erst mit dem Prozess der Endmontage vorzu-nehmen. In einen solchen Fall liegt ein Assemble-to-Order-Prozess vor. Die einzelnen Pro-duktmodule und -komponenten werden kundenanonym beschafft und gefertigt, allerdings

Abb. 2.12   Verschiedene Lagen des Kundenentkopplungspunktes im Wertschöpfungsprozess

Entwicklung Beschaffung Montage DistributionFertigung

Engineer-to-Order:

Kundenentkopplungspunkt

Auf tragsdurchlaufzeitauftragsspezifisch

„pull“

Entwicklung Beschaffung Montage DistributionFertigung

Make-to-Order:

prognosebasiert„push“

auftragsspezifisch„pull“

Kundenentkopplungspunkt

Auf tragsdurchlaufzeit

Entwicklung Beschaffung Montage DistributionFertigung

Assemble-to-Order:

prognosebasiert„push“

auftragsspezifisch„pull“

Auftragsdurchlaufzeit

Kundenentkopplungspunkt

Entwicklung Beschaffung Montage DistributionFertigung

Make-to-Stock:

prognosebasiert„push“

Kundenentkopplungspunkt

DLZ

„pull“

2� Konfiguration�logistischer�Netzwerke

Page 20: Logistikmanagement || Konfiguration logistischer Netzwerk

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erfolgt das Zusammenfügen zum Endprodukt erst nach dem Eintreffen eines Kundenauf-trags. In Abgrenzung zu einem Make-to-Stock-Prozess ermöglicht ein Assemble-to-Order-Prozess die Realisierung geringer Bestands- und Transportkosten zu Lasten einer längeren Auftragsdurchlaufzeit.

Kann keine Prognose bezüglich der voraussichtlichen Kundenbedarfe für ein Produkt oder eine Variante erstellt werden, so empfiehlt sich eine Gestaltung des Wertschöpfungs-prozesses nach dem Make-to-Order-Prinzip. Bei einem Make-to-Order-Prozess werden die Produkte erst nach Vorliegen eines Kundenauftrags gefertigt, montiert und an den Kun-den geliefert. Lediglich das Vormaterial und einzelne Produktkomponenten werden auf Basis einer Bedarfsprognose beschafft bzw. vorproduziert. Die Folgen sind ein vermin-dertes Marktrisiko und niedrige Bestandskosten, jedoch verbunden mit deutlich längeren Auftragsdurchlaufzeiten.

Produkte, die kundenspezifisch entwickelt, gefertigt und montiert werden (beispiels-weise Sondermaschinen, Schiffe etc.), können im logistischen Netzwerk nicht bevorratet werden. Der Wertschöpfungsprozess wird für solche Produkte nach dem Engineer-to-Or-der-Prinzip gestaltet. Ein Engineer-to-Order-Prozess erlaubt daher prognosebasierte Ak-tivitäten nur noch in Bezug auf die Reservierung von Kapazitäten und die Bestellung von Vormaterialien mit langen Lieferzeiten.

Je nach vorliegender Prozesskategorie im logistischen Netzwerk sind somit die Zielset-zungen der jeweiligen Wertschöpfungsprozesse, nach denen das logistische Netzwerk im Speziellen gestaltet wird, vor und hinter dem Entkopplungspunkt unterschiedlich ausge-richtet. Nach dem Kundenentkopplungspunkt steht die Agilität der Lieferkette im Vorder-grund. Die Zielsetzung liegt primär in der Erfüllung der geforderten Spezifikationen der von einzelnen Kunden beauftragten Variante unter Einhaltung der zugesagten Lieferzeit bzw. einer möglichst kurzen Auftragsdurchlaufzeit und gegebenenfalls einer flexiblen Re-aktionsfähigkeit in Bezug auf nachträgliche Änderungswünsche. Die Auslastung der Be-triebsmittel und die Reduzierung der Bestandskosten haben hier eine geringere Bedeutung [50]. Vor dem Kundenentkopplungspunkt stehen hingegen die Reduzierung der Bestände, die Erhöhung der Kosteneffizienz der Prozesse sowie eine optimale Kapazitätsauslastung im Fokus der Netzwerkgestaltung.

2.2.3 Typen logistischer Netzwerke

In den Erscheinungsformen von Wertschöpfungs- und von den diese durchdringenden Lo-gistiknetzwerken in der Realität können empirische Regelmäßigkeiten und inhaltliche Zu-sammenhänge festgestellt werden. Auf Basis der skizzierten Prinzipien der Gestaltung im Rahmen der Planung und Steuerung der Material- und Informationsflüsse in Wertschöp-fungsnetzwerken, den Kernelementen des Logistikmanagements, lassen sich verschiedene Typen bzw. Konfigurationen unterscheiden [51]. Dabei müssen, wie bereits einleitend be-schrieben, die logistischen Stellgrößen beeinflussende produkt- und fertigungstechnische Eigenschaften, wie auch wettbewerbliche und strukturelle Marktgegebenheiten und Aus-prägungen der Netzwerkbeziehungen in die Betrachtung einbezogen werden.

Die im Folgenden gewählte Typologie basiert auf empirischen Forschungsarbeiten des Forschungsinstituts für Rationalisierung (FIR), bei der im Rahmen einer systematischen

V.�Stich�et�al.

2

Page 21: Logistikmanagement || Konfiguration logistischer Netzwerk

55

Strukturierung und Beschreibung von Wertschöpfungsnetzwerken folgende Typen identi-fiziert werden konnten [51]:

2.2.3.1 Projektnetzwerk

Kennzeichnend für den Typ „Projektnetzwerk“ ist die Produktion nach dem „Engineer-to-Order“-Prinzip. Die Erzeugnisse sind mehrteilig mit komplexer Struktur und werden kun-denspezifisch entwickelt und produziert. Der Einfluss des Kunden auf die Konstruktion und Produktion ist vergleichsweise hoch. Entweder geben Kunden die Produktspezifika-tionen selbst vor (bzw. entwickeln sie zusammen mit dem Produzenten) oder sie wählen aus einem individuellen Variantenportfolio. Durch die hohen Entwicklungskosten ist eine häufige Neuauflage meist nicht sinnvoll.

Die Zusammenarbeit der Netzwerkpartner ist temporär und auftragsbezogen, jedoch sind die Geschäftsbeziehungen der Netzwerkpartner untereinander durchaus langfristig angelegt. Die Netzwerkpartner sind in der Regel kleine Unternehmen mit verhältnismäßig kleiner Lieferanten- und Kundenbasis. Durch die enge Kooperation bei der Konstruktion ergibt sich eine intensive Zusammenarbeit, die je nach Häufigkeit und Dauer sehr vertraut sein kann. Vorherrschende Koordinationsformen mit Lieferanten und Kunden sind dabei einerseits die persönliche Kommunikation, anderseits jedoch auch Marktmechanismen, z. B. in Form von Ausschreibungen, wodurch es in der Regel bei einer formalen Zusam-menarbeit bleibt (Abb. 2.13).

Abb. 2.13   Projektnetzwerk

2� Konfiguration�logistischer�Netzwerke

Page 22: Logistikmanagement || Konfiguration logistischer Netzwerk

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Die Art der Zusammenarbeit macht einen Wechsel des Kooperationspartners kompli-ziert und kostspielig, da die Kommunikationskanäle erneut aufgebaut werden müssen. Da jeder Auftrag nach der Abwicklung vollständig erledigt ist, ist die Substituierbarkeit der Kooperationspartner technisch jedoch jederzeit möglich.

Charakteristisch ist auch die oft geographisch begrenzte Ausdehnung des Netzwerks, insbesondere beschaffungsseitig. Lokal und regional verteilte Lieferanten machen einen Großteil der Lieferantenbasis aus. Unternehmen im Netzwerk des Typs „Projektnetzwerk“ sind oft eigenständig und gehören selten einer Firmengruppe oder einem Konzern an. Auf-grund einer geringen Konzentration sowohl der Lieferanten- als auch der Kundenbasis bei gleichzeitig ausgewogenem Verhältnis der Unternehmensgrößen der einzelnen Netzwerk-partner kann das Netzwerk als polyzentrisch bzw. heterarchisch bezeichnet werden [51]. Unternehmen aus der Branche des Maschinenbaus befinden sich vornehmlich in Netz-werken dieses Typs.

2.2.3.2 Hierarchisch-stabile Kette

Der zweite Typ, „Hierarchisch-stabile Kette“, wird insbesondere dadurch bestimmt, dass die Beziehungen unter den Netzwerkpartnern besonders „eingespielt“, stabil und lang-fristig angelegt sind. Diese intensivere Zusammenarbeit erstreckt sich dabei nicht nur auf die Betriebsphase des Netzwerkes, z. B. in der Auftragsabwicklung (Fertigungs- und Lo-gistikpartnerschaft), sondern auch auf die frühen Phasen im Produktlebenszyklus, z. B. die gemeinsame Produktentwicklung (Entwicklungspartnerschaft). Die Zusammenarbeit kann daher auf Basis von festen Plänen erfolgen, die bei Bedarf nach Absprache modifiziert werden. Die Kommunikationswege sind kurz und eingespielt, wodurch nur eine geringe Substituierbarkeit gegeben ist, da ein Wechsel der Kooperationspartner mit Kosten ver-bunden wäre.

Dabei sind die vorherrschenden Formen der Koordination der Marktmechanismus, z. B. die Ausschreibung für mittel- bis langfristige Aufträge, und genaue Verfahrensrichtli-nien, die die Abwicklungsprozesse an den Unternehmensschnittstellen beschreiben sowie Kennzahlen festlegen, mit denen die Güte der Zielerreichung gemessen werden kann, z. B. Qualitätskriterien oder Kennzahlen zur Messung der logistischen Leistungsfähigkeit. Das Netzwerk wird oft als dominiert empfunden. Diese Einschätzung ist vor allem bei Unter-nehmen beobachtbar, die verhältnismäßig weit vom Absatzmarkt entfernt sind. Dies deutet darauf hin, dass ein Netzwerkpartner eine zentrale und dominierende Rolle im Netzwerk einnimmt, meist mit direktem Zugang zum Absatzmarkt. In der Regel nimmt diese Posi-tion der OEM (Original Equipment Manufacturer) ein (Abb. 2.14).

Die Beschaffungsstruktur des Produktionsnetzwerkes zeichnet sich durch eine mittlere bis hohe Konzentration der Lieferantenbasis aus. Beschaffungskonzepte wie „Modular Sourcing“, d. h. die Beschaffung ganzer Baugruppen oder Systemkomponenten, werden vermehrt angewendet. Die Organisation der Beschaffungs- und Distributionskanäle ba-siert auf fortschrittlichen Planungs- und Steuerungsverfahren bzw. zeitbasierten Logis-tikkonzepten, beispielsweise „Just-in-Time“, „Kanban“ oder „Quick Response“. Dabei spielen Rahmenaufträge in der Beschaffung eine große Rolle.

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Page 23: Logistikmanagement || Konfiguration logistischer Netzwerk

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Die Produkte dieses Netzwerktyps sind mehrteilig mit komplexer oder auch einfacher Struktur. Dabei werden meist kundenspezifische Varianten oder Standardvarianten eines determinierten Produkttyps produziert. Produktionskonzepte des „Make-to-Orders“ oder „Assemble-to-Orders“ in der Klein- oder auch Großserienfertigung kommen zum Einsatz. Meist erfolgt in regelmäßigen, mittelfristigen Abständen (sechs Monate bis drei Jahre) eine Neuauflage der Produktkonstruktion.

Die Unternehmensgrößen im Typ „Hierarchisch-stabile Kette“ fallen etwas größer aus als im ersten Typ, ebenso ist die Produktion geographisch breiter verteilt. Vorherrschende Branchen sind die Automobil(zuliefer-) und die Konsumgüterindustrie.

2.2.3.3 Hybridfertigungsnetzwerk

Das „Hybridfertigungsnetzwerk“ zeichnet sich im Wesentlichen durch Prozessfertigungs- („Continous Batch/Process“) und Lagerfertigungsstrukturen (“Make-to-Stock“) aus. Die Erzeugnisse sind in der Regel geringteilige Standarderzeugnisse, Kundenänderungsein-flüsse sind unbedeutend. Es dominieren Erzeugnisse, die in verhältnismäßig großen Zeit-abständen neu aufgelegt werden (drei bis neun Jahre oder mehr), d. h. das Produktions-netzwerk ist eher „langsam drehend“ [51, 52] (Abb. 2.15).

Die Bedarfsermittlung ist vorrangig erwartungs- und verbrauchsorientiert auf der Komponentenebene. Periodische Planungen kennzeichnen die Planung und Steuerung mit Kunden und Lieferanten. Die Beziehungen der Netzwerkpartner untereinander sind lang-fristig angelegt, weisen jedoch eine weniger eng verzahnte Zusammenarbeit wie im Typ “Hierarchisch-stabile Kette“ auf. Auch wenn ein Lieferantenwechsel technisch jederzeit möglich und nicht mit hohen Kosten verbunden ist, bleibt die Zusammenarbeit meist kon-stant. Koordiniert wird in der Regel über Produktionsprogramme.

Unternehmen aus der Prozess- bzw. Hybridfertigung, z. B. aus der Papierindustrie, der chemisch-pharmazeutischen Industrie, aber auch der Elektrotechnik und Metallerzeugung und -bearbeitung gehören dem Typ “Hybridfertigungsnetzwerk“ an.

Abb. 2.14   Hierarchisch-stabile Kette

2� Konfiguration�logistischer�Netzwerke

Page 24: Logistikmanagement || Konfiguration logistischer Netzwerk

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2.2.4 Prozess der Gestaltung logistischer Netzwerke

Ausgangsbasis für den Prozess zur Gestaltung eines logistischen Netzwerks (Abb. 2.16) ist das Vorliegen von Gestaltungsalternativen. Zur Generierung dieser möglichen Alter-nativen [32] müssen sowohl die Entwicklungen der Unternehmensumwelt im Planungs-horizont als auch die verfolgte Wettbewerbsstrategie des Unternehmens adäquat berück-sichtigt werden. Sofern es sich nicht um eine Neukonfiguration des Netzwerks handelt, ist zudem die vorhandene Netzwerkstruktur in den Schritt der Generierung von Gestaltungs-alternativen einzubeziehen.

Zur Abbildung der Entwicklung der Unternehmensumwelt wird eine Szenario-Analyse angewandt. Die Szenario-Analyse ist eine Planungstechnik, die auf der Grundlage eines langfristigen Planungshorizontes und einer nur beschränkt vorhersehbaren Zukunft mögli-che Entwicklungspfade eines Betrachtungsgegenstandes bei unterschiedlichen Annahmen beschreibt [9]. Dabei beschränkt sich die Szenario-Analyse nicht auf die Erstellung nur eines Szenarios, sondern betrachtet eine Bandbreite möglicher Zukunftsentwicklungen und erfasst neben quantitativen Größen und Einflüssen auch qualitative Sachverhalte. Zu den erstellten Szenarien gehören in der Regel neben dem zu erwartenden Trendszenario auch ein optimistisches („Best-Case“-Szenario) und ein pessimistisches Szenario („Worst-Case“-Szenario) [38].

Für jede der generierten Gestaltungsalternativen wird unter Betrachtung der Szenarien für die Entwicklung der Unternehmensumwelt im nachfolgenden Schritt eine Bewertung

Abb. 2.15   Hybridfertigungs-netzwerk

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Page 25: Logistikmanagement || Konfiguration logistischer Netzwerk

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hinsichtlich der logistischen Zielgrößen vorgenommen. Je nach Bewertungsmethode kön-nen hierbei sowohl quantitative als auch qualitative Größen berücksichtigt werden. Zur Bewertung von Standortalternativen ist zudem eine vorherige Identifikation der kritischen Standortfaktoren, deren Erfüllungsgrade weitere Zielgrößen darstellen, erforderlich.

Im dritten Schritt des Gestaltungsprozesses werden die bewerteten Gestaltungsalterna-tiven anhand der entwickelten Zielgrößen sowie der Übereinstimmung mit der gewählten Wettbewerbsstrategie miteinander verglichen. Sollen in den Vergleich auch sog. „Best-Practices“ einfließen, so kann der Vergleich um ein „Benchmarking“ mit Netzwerkkonfi-gurationen von konkurrierenden Unternehmen ergänzt werden.

Abschließend wird im vierten Schritt darüber entschieden, welche der generierten und bewerteten Alternativen nicht weiter im Entscheidungsprozess betrachtet werden sollen. Ist eine Eingrenzung auf eine optimale Gestaltungsalternative im Prozessschritt nicht ab-sehbar, so kann die Bewertung um weitere Zielgrößen und alternative Szenarien erweitert werden. Auch modifizierte Gestaltungsalternativen können in die Betrachtung aufgenom-men werden. Der Gestaltungsprozess logistischer Netzwerke ist somit als iterativer Pro-zess zu betrachten.

2.3 Bewertung logistischer Netzwerke

Die Bewertung logistischer Netzwerke im Rahmen des Gestaltungsprozesses erfolgt auf der Basis von quantitativen und qualitativen Messgrößen. Aus strategischer Sicht ist in diesem Zusammenhang insbesondere die erzielte Übereinstimmung mit der Kapazitäts- und Standortstrategie zu betrachten. Für die Bewertung einzelner Standorte werden Stand-ortfaktoren herangezogen, die entweder qualitativer oder quantitativer Natur sein können.

Abb. 2.16   Schritte im Gestal-tungsprozess logistischer Netzwerke [32]

Alternativengenerieren

Alternativenbewerten

Alternativenvergleichen

Alternativeauswählen

Szenarien

Wettbewerbsstrategie

Vorhandene Netzwerkstruktur

Logistische Zielgrößen

(quantitative & qualitative Ziele)

Standortfaktoren

2� Konfiguration�logistischer�Netzwerke

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Letztere werden für die quantitative Bewertung eines Logistiknetzwerks herangezo-gen. Ein umfassendes und flexibel erweiterbares Modell zur quantitativen Bewertung eines Logistiknetzwerks stellt das sog. Warehouse-Location-Problem dar. Qualitative Standortfaktoren können hingegen im Rahmen von heuristischen Bewertungsverfahren berücksichtigt werden.

2.3.1 Kapazitäts- und Standortstrategien

Die Strukturentscheidungen bezüglich der langfristigen Kapazität und der genutzten Standorte im logistischen Netzwerk sind Bestandteil der gewählten Kapazitäts- und Stand-ortstrategie [32].

Die Aufgabe der Kapazitätsstrategie ist es, das Leistungsvermögen eines logistischen Netzwerks entsprechend den strategischen Zielen eines Unternehmens festzulegen [53]. Entscheidungen hinsichtlich der Kapazität werden diesbezüglich auf Basis langfristiger Prognosen der voraussichtlichen Netzwerkbedarfe und Szenarien bezüglich der Umwelt-entwicklung getroffen.

Die Kapazitätsstrategien können dabei in die folgenden Strategietypen unterteilt wer-den (Abb. 2.17):

Die Innovationsstrategien verfolgen das Ziel, die Anpassung an eine gesteigerte prog-nostizierte Nachfrage durch eine Erhöhung der Kapazitäten im logistischen Netzwerk zu erreichen. Dieses Ziel kann durch eine Vergrößerung des Kapazitätsquerschnitts (additive Kapazitätserweiterung) erreicht werden, indem gleichartige Potenzialeinheiten (z. B. zu-sätzliche Lagerstandorte im Netzwerk) hinzugefügt werden. Wird hingegen die Kapazität im Netzwerk sowohl durch eine Vergrößerung des Kapazitätsquerschnitts als auch durch die Verwendung innovativerer Potenzialeinheiten (z. B. leistungsfähigere Distributions-systeme) erzielt, liegt eine synergetische Kapazitätserweiterung vor.

Eine Konzentrationsstrategie ist zu verfolgen, wenn langfristig geringere Kapazitäts-bedarfe erwartet werden. Ein Kapazitätsabbau im Netzwerk kann hierbei entweder mit oder ohne eine Verminderung der Belegschaft im Unternehmen erfolgen.

Die langfristige Entwicklung betrieblicher Standorte ist Bestandteil der gewählten Standortstrategie [54]. Standortstrategien lassen sich in Expansions-, Konzentrations- und Kontraktionsstrategien unterscheiden [53] (Abb. 2.18).

Expansionsstrategien werden verfolgt, wenn mit einem langfristen Zuwachs des Be-darfes an Logistik- oder Produktionskapazitäten zu rechnen ist. Soll hierbei eine Verände-rung der Standortstruktur berücksichtigt werden, spricht man entweder von einer räumli-

Abb. 2.17   Kapazitätsstrategien nach Zäpfel [53]

Kapazitätsstrategien

Innovations-strategien

Konzentrations-strategien

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chen Verdichtung, wenn neue Standorte im gleichen geographischen Raum der bisherigen Standorte eröffnet werden, oder von einer räumlichen Diversifizierung. In diesem Fall erfolgt eine Ausdehnung des geographischen Raums, z. B. durch die Erschließung neuer Absatz- oder Faktormärkte. Bleibt jedoch die Standortstruktur im Rahmen einer Expan-sionsstrategie unverändert, werden die Kapazitäten an den vorhandenen Standorten erwei-tert. Dieser Fall wird auch als „On-Site-Expansion-Strategie“ bezeichnet.

Im Gegensatz zu den Expansionsstrategien wird bei einer Konzentrationsstrategie nicht von einem gesteigerten Kapazitätsbedarf ausgegangen. Vielmehr ist es das strategische Ziel, die standortbedingten Kosten langfristig zu reduzieren. Dieses Ziel kann durch eine Standortkonzentration einerseits mit Stilllegung von unrentablen Standorten sowie der Auf-teilung der Tätigkeiten auf die restlichen Standorte, andererseits durch eine unveränderte Standortstruktur erreicht werden. In diesem Fall erfolgt eine kosteneffizientere Allokation von Produktion und logistischen Aufgaben auf die Standorte im logistischen Netzwerk.

Bei der Wahl einer Kontraktionsstrategie wird zukünftig von einem geringeren Kapazi-tätsbedarf ausgegangen. Kapazitäten an den Standorten im Netzwerk werden somit teilwei-se stillgelegt, jedoch erfolgen bei der Kontraktionsstrategie weder eine Reallokation von Tätigkeiten noch eine Veränderung der Standortstruktur (On-Site-Contraction-Strategie).

2.3.2 Standortfaktoren

Standortfaktoren werden als standortspezifische Einflussgrößen bezeichnet, die den lang-fristigen Erfolg eines Unternehmens beeinflussen [25]. Der jeweilige Einfluss der Stand-ortfaktoren auf den Erfolg bzw. die Zielgrößen eines Unternehmens wird im Rahmen der Standortbewertung ermittelt. Die Ergebnisse der Standortbewertung liefern somit die Ent-scheidungsgrundlage zur ökonomischen Auswahl von Standorten. Die Kenntnis bezüglich der relevanten Standortfaktoren gilt hierzu als Voraussetzung. Gerade hierbei zeigt sich im Besonderen durch die steigende Zahl an Standortrückverlagerungen, dass die strategische Bedeutung von der Auswahl der bei der Bewertung betrachteten Standortfaktoren noch nicht genügend erfasst wird [55].

Herausforderungen ergeben sich bei der Auswahl relevanter Standortfaktoren durch die Schwierigkeit derer Messbarkeit [54]. Im Allgemeinen wird in Bezug auf die Messbar-keit von Standortfaktoren zwischen quantitativen und qualitativen Standortfaktoren unter-schieden [25, 55]. Quantitative Standortfaktoren sind Einflussgrößen, deren Beitrag zu den Unternehmenszielen direkt gemessen werden kann. Hierbei handelt es sich überwiegend um standortspezifische Kostenarten (Abb. 2.19). Bei qualitativen Standortfaktoren lässt sich der Einfluss nicht direkt messen, sondern lediglich subjektiv von den Planungs- und Entschei-

Abb. 2.18   Standortstrategien nach Zäpfel [53]

Standortstrategien

Expansionsstrategien Konzentrationsstrategien Kontraktionsstrategien

2� Konfiguration�logistischer�Netzwerke

Page 28: Logistikmanagement || Konfiguration logistischer Netzwerk

62

dungsträgern abschätzen und mithilfe von heuristischen Bewertungsverfahren bewerten. Eine Übersicht qualitativer und quantitativer Standortfaktoren zeigt Abb. 2.19.

Im Zuge der zunehmenden Internationalisierung der Standortauswahl ergeben sich zu-sätzliche Anforderungen an die Systematisierung von Standortfaktoren [55]. So vernach-lässigt beispielsweise die Beschränkung auf Umfeldfaktoren, d. h. auf den Ist-Zustand der Standortalternativen, die Möglichkeit des Unternehmens, die Leistungsfähigkeit der Standorte z. B. über Modernisierungsaktivitäten aktiv zu gestalten. Des Weiteren wird der Aspekt des Integrationsbedarfs an funktionierenden Netzwerken für den Standorterfolg bislang nicht berücksichtigt. Die BESTAND-Standortfaktorensystematik [55] (Abb. 2.20) ergänzt die gängigen Kategorien „Produktionsfaktoren“ und „Marktfaktoren“ daher um die Integration von Leistungsindikatoren (Kategorie „Performancefaktoren“) sowie um die Querschnittsperspektive „Netzwerkbedarf.“ Die neue Kategorie „Performancefak-toren“ umfasst standortspezifische Leistungsindikatoren, die als bedeutend für die Gene-rierung von Wettbewerbsvorteilen angesehen werden und somit oftmals Zielfaktoren für vorgesehene Verbesserungsinitiativen von Unternehmen darstellen. So wird beispielswei-se eine Differenzierungsstrategie2 durch die Zielfaktoren „hohe Produktqualität“, „hohe Prozessgüte“ oder „kurze Durchlaufzeiten“ unterstützt und auf die Anforderungen an den Standort übertragen. Die Querschnittsperspektive „Netzwerkbedarf“ beinhaltet die an den betrachteten Standorten bereits genutzten lokalen Kooperationen und Netzwerke. Diese Netzwerkperspektive ermöglicht es Unternehmen, einerseits bestehende Netzwerkpoten-ziale zu identifizieren und andererseits den Aufwand abzuschätzen, mit dem die Netzwer-ke am potenziellen Standort in der geforderten Qualität aufzubauen sind.

2 Die Differenzierungsstrategie ist neben der Strategie der Kostenführerschaft und der Konzentra-tionsstrategie eine der drei generischen Wettbewerbsstrategien nach Porter [56].

Abb. 2.19   Systematisierung von Standortfaktoren nach Hansmann [25]

− Grundstück (Lage, Form, Beschaf fenheit und Bebauungsvorschrif ten)

− Verkehrslage (Verbindung zum Güterverkehrsnetz)

− Arbeitskräf tebeschaf fung (Bevölkerungsstruktur, Ausbildungsniveau)

− Transportsektor (Logistikdienstleister, Nähe zu Flug- und Seehäfen)

− Absatzbereich (Branchengoodwill, Kaufkraf t, Konkurrenz)

− Investitions- und Finanzierungsbereich (Finanzdienstleister, Anlagen- und Maschinenbauunternehmen)

− Inf rastruktur des Standorts (Wohnraum, Gesundheits-, Bildungs-und Kultureinrichtungen, landschaf tliche Lage)

Standortfaktoren

qualitativ quantitativ

− Transportkosten der Produkte vom Standort zu den Absatzmärkten

− Grundstückskosten (inkl. Erschließungskosten)

− Kosten der Errichtung von Gebäuden− Personalkosten− Beschaf fungskosten der Materialien− Standortabhängige

Finanzierungskosten− Regionale Förderungsmaßnahmen der

öf fentlichen Hand− Grund- und Gewerbesteuer

(Hebesätze)− Gewinnsteuern− Regionale Dif ferenzierung der

Absatzpreise

V.�Stich�et�al.

2

Page 29: Logistikmanagement || Konfiguration logistischer Netzwerk

63

2.3.3 Quantitative Bewertungsverfahren

2.3.3.1 Kontinuierliche Bewertungsverfahren

Im Rahmen der Bewertung von potenziellen Standortalternativen wird zwischen heuris-tischen3 und quantitativen Bewertungsverfahren unterschieden (Abb. 2.21). Heuristische Bewertungsverfahren evaluieren sowohl quantitative als auch qualitative Standortfakto-ren, während quantitative Bewertungsmethoden lediglich quantitative Standortfaktoren berücksichtigen [58].

Die quantitativen Standortbewertungsverfahren lassen sich wiederum in kontinuier-liche und diskrete Bewertungsverfahren unterteilen. Kontinuierliche Bewertungsmodelle gehen von einer unbegrenzten und homogenen Ebene – der euklidischen Ebene – aus, in der in jedem beliebigen Punkt ein zulässiger Standort existiert [26]. Die Bestimmung der Distanzen zwischen den jeweiligen Standorten erfolgt anhand der euklidischen Distanz (Abb. 2.22) und entspricht der kürzesten Distanz in der Ebene.

Die kontinuierlichen Bewertungsverfahren dienen aufgrund der Prämisse, dass jeder Punkt in der Ebene einen zulässigen Standort darstellt, lediglich der ersten Annäherung bei

3 Unter einer Heuristik versteht man, „…eine Vorgehensweise oder einen Algorithmus, mit der durch ein systematisches Vorgehen eine möglichst gute Lösung gefunden wird, wobei die Opti-malität jedoch meist nicht erreicht wird und in der Regel nicht beweisbar ist.“ [57].

Abb. 2.20   Die BESTAND-Standortfaktorensystematik nach Kinkel [55]

Marktfaktoren

qualitativ quantitativ

Produktionsfaktoren(Input)

Performancefaktoren(Output)

− Produktions-faktorqualität

− Politische / rechtliche Standort-faktoren

− Inf rastruktur− Geospezif ik− Soziokultur

qualitativ quantitativ qualitativ quantitativ

− Produktions-faktorkosten

− Produktions-faktor-verfügbarkeit

− Abgaben und Incentives

− Auf lagen und Verfahren

− Gesamtwirt-schaf tlicheIndikatoren

− Markt-attraktivität

− Konkurrenz-situation

− Absatz-potenzial

− Handels-hemmnisse

− Innovations-fähigkeit

− Flexibilität bei der Produkt-anpassung

− Produkt-qualität

− Produktivität/ Herstell-kosten

− Prozessgüte− Durchlauf-

zeiten

Netzwerkbedarf

Bedarf an Kooperationen und Netzwerken am jeweiligen Standort (in den Bereichen Produktion, Beschaffung, Marketing/Vertrieb, Service, F&E, Qualifikation, Standortentwicklung)Unausgeschöpfte Potentiale vorhandener Netzwerke Kosten für den Netzwerkaufbau

2� Konfiguration�logistischer�Netzwerke

Page 30: Logistikmanagement || Konfiguration logistischer Netzwerk

64

der Bewertung von Standorten. Der Ansatz geht auf Jacob Steiner (1796–1863) und Alfred Weber (1868–1958) zurück und wird als Steiner-Weber-Ansatz bezeichnet [25, 58]. Der Steiner-Weber-Ansatz verfolgt die Zielsetzung, einen Produktions- oder Logistikstand-ort mit minimalen Transportkosten innerhalb des logistischen Netzwerkes zu bestimmen (Abb. 2.23).

Diese Zielsetzung kann daher wie folgt mathematisch formuliert werden:

mit den Modellvariablen:

x, y: gesuchte Koordinaten des zu bestimmenden Standorts S in der euklidischen Ebene

und den Modellparametern:

xi, yi: Koordinaten der Bedarfsstandorte Ni in der euklidischen Ebenec: konstanter Transportkostensatz pro Entfernungs- und Bedarfs- einheitbi: Bedarfsmengen an den Standorten Ni

F (x, y) = c ·n∑

i=1

bi · 2√

(x − xi)2 + (y − yi)2 ⇒ min!

Abb. 2.21   Übersicht Standortbewertungsverfahren

Standortbewertungsverfahren

Qualitative und quantitativeStandortfaktoren

QuantitativeStandortfaktoren

− Heuristische Bewertungsverfahren

− Kontinuierliche Bewertungsverfahren

− Diskrete Bewertungsverfahren

Abb. 2.22   Berechnung der Distanz zwischen zwei Standorten (S und N) in der euklidischen Ebene

d

S

x

y

dx = Nx - Sx

dy = Ny - Sy

2y2xd + =d d

N

V.�Stich�et�al.

2

Page 31: Logistikmanagement || Konfiguration logistischer Netzwerk

65

Die Koordinaten x, y des gesuchten transportkostenminimalen Standorts S ergeben sich durch Auflösung der partiellen Ableitungen der Zielfunktion F( x, y) nach x und y.

Für die resultierenden nichtlinearen Gleichungen existiert jedoch keine geschlossene ana-lytische Lösung zur Auflösung der gesuchten Koordinaten x und y. Daher lassen sich die Koordinaten x und y lediglich numerisch, d. h. durch Näherungsverfahren, bestimmen [27, 54]. Hierzu zählen beispielsweise das Schwerpunktverfahren oder das Iterationsverfahren von Miehle [25, 58].

Der Steiner-Weber-Ansatz dient aufgrund der Prämissen lediglich zur ersten Orientie-rung bei der Suche optimaler Standorte. Insbesondere die aufgeführten Modellannahmen spiegeln die Schwachpunkte des Ansatzes wider:

• Es wird nur der transportkostenoptimale Standort bestimmt. Weitere standortspezifi-sche Kostenarten werden nicht berücksichtigt. Somit ist eine Anwendung nur bei Fra-gestellungen sinnvoll, welche Transportkosten als wesentliche Kostenart vorweisen (z. B. bei der Suche nach Standorten in Distributionsnetzwerken),

• die Annahme eines konstanten Transportkostensatzes widerspricht den Erkenntnissen aus der Praxis, dass Transportkostensätze nicht für alle Transportrelationen und Trans-portmodi gleich sind [27],

• reale geographische Gegebenheiten (Verkehrsnetze, topologische Faktoren, Gewer-beflächen und Standortkosten) widerlegen die Annahme einer homogenen und unbe-grenzten Fläche.

∂F (x, y)

∂x=

∂x

(c ·

n∑

i=1

bi · 2√

(x − xi)2 + (y − yi)2

)!= 0

∂F (x, y)

∂y=

∂y

(c ·

n∑

i=1

bi · 2√

(x − xi)2 + (y − yi)2

)!= 0

Abb. 2.23   Grafische Darstellung des Steiner-Weber-Ansatzes

S

N2 N3

N4

N5

N1

b2b3

b4

b5

b1

d1

d2 d3

d4

d5

x

y

2� Konfiguration�logistischer�Netzwerke

Page 32: Logistikmanagement || Konfiguration logistischer Netzwerk

66

2.3.3.2 Diskrete Bewertungsmodelle – Warehouse-Location-Probleme

Im Unterschied zu den kontinuierlichen Bewertungsverfahren steht bei diskreten Be-wertungsmodellen eine begrenzte (diskrete) Anzahl potenzieller, zulässiger Standorte zur Verfügung [26], aus der, je nach Problemstellung, der optimale Standort oder die optimalen Standorte ausgewählt werden. Ist die Anzahl der potenziellen Standorte be-reits bestimmt und ist nun zu entscheiden, welcher Standort oder welche Standorte gewählt werden sollen, um welche Kundenbedarfe von welchem Standort zu erfül-len, bietet sich die Modellierung als Warehouse-Location-Problem (WLP) an [27, 59] (Abb. 2.24).

Warehouse-Location-Probleme berücksichtigen bei der Modellierung und Bewer-tung sowohl durch Transportaktivitäten verursachte Kosten als auch standortspezifische Kostenarten (z. B. Kosten für den Betrieb und die Errichtung von Produktionsstätten und Lagerstandorten). Sie gleichen somit die Schwachpunkte des Steiner-Weber-Ansat-zes aus. Differenzierungskriterien der Warehouse-Location-Probleme sind die Berück-sichtigung von Kapazitätsrestriktionen, die Anzahl der betrachteten Transportstufen im Netzwerk sowie die Möglichkeit der Betrachtung mehrerer Zeitperioden und Produkte im Modell.

Das unkapazitierte einstufige Warehouse-Locations-Problem

Abbildung 2.25 zeigt die Struktur eines unkapazitierten einstufigen Warehouse-Locati-ons-Problems (das sogenannte „Simple-Plant-Location-Problem“). Ziel des Verfahrens ist es, zu ermitteln, welche Standorte im Netzwerk errichtet werden und welche Bedarfs-standorte N1 bis Nm mit den jeweiligen Bedarfen bj unter der Bedingung der vollständigen Bedarfsbefriedigung einem Standort kostenminimal zugeordnet werden. Zur Auswahl ste-

Abb. 2.24   Systematisierung von Warehouse-Location-Problemen

Systematisierung von Warehouse-Location-Problemen

statisch(Modellierung einer Betrachtungsperiode)

dynamisch(Modellierung mehrerer Betrachtungs-

perioden sowie deren Interdependenzen)

einstufig(Modellierung einer Transportstufe)

mehrstufig(Modellierung mehrerer Transportstufen)

unkapazitiert(ohne Berücksichtigung von Kapazitäten

an den Standorten)

kapazitiert(mit Berücksichtigung von

Standortkapazitäten)

ein Produkt(Betrachtung eines Produkts im Modell)

mehrere Produkte(Betrachtung mehrerer Produkte im Modell)

V.�Stich�et�al.

2

Page 33: Logistikmanagement || Konfiguration logistischer Netzwerk

67

hen n potenzielle Standorte ( S1 bis Sn), die keinen Kapazitätsbeschränkungen unterliegen (Abb. 2.25).

Das unkapazitierte einstufige Warehouse-Location-Problem kann dementsprechend wie folgt mathematisch formuliert werden [59]:

Die Zielfunktion F( u, v) minimiert die Summe aus den im Planungszeitraum fixen Stand-ortkosten fi durch die Nutzung und Errichtung der Standorte sowie transportmengen- ( uij) und entfernungsabhängigen (Transportkostensatz cij) Transportkosten. Entscheidungs-variablen im Modell sind die transportierten Mengen uij von den Standorten Si zu den Bedarfsstandorten Nj sowie die Binärvariable vi, die angibt, ob ein potenzieller Standort errichtet wird ( vi = 1) oder nicht ( vi = 0). Hierbei gelten die folgenden vier Nebenbedin-gungen:

Die Nebenbedingung 1) stellt sicher, dass die Bedarfe nur von Standorten aus erfüllt wer-den, die auch eingerichtet werden. Dass die Bedarfe eines Nachfragestandorts vollständig erfüllt werden, wird durch Nebenbedingung 2) determiniert. In Nebenbedingung 3) wird die Entscheidungsvariable vi als Binärvariable deklariert, während Nebenbedingung 4) die Nichtnegativitätsbedingung der Transportmengen ausdrückt.

F (u, v) =n∑

i=1

m∑

j=1

cij · uij +n∑

i=1

f i · vi ⇒ min!

1) uij ≤ vi · bj ∀ i, j

2)n∑

i=1

uij = bj ∀ j

3) vi ∈ {0; 1}4) uij ≥ 0 ∀ i, j

Abb. 2.25   Grafische Dar-stellung des unkapazitierten einstufigen Warehouse-Loca-tion-Problems [59]

S1 N1 b1

c11

S2

Sn

N2

Nm

b2

bm

c21

c22

c2m

cnm

2� Konfiguration�logistischer�Netzwerke

Page 34: Logistikmanagement || Konfiguration logistischer Netzwerk

68

Lösungsverfahren

Bei Warehouse-Location-Problemen handelt es sich um NP-schwere4 gemischt-ganzzahli-ge Optimierungsprobleme, die in einfachen Fällen, d. h. bei einer begrenzten Anzahl von Standorten, mit dem exakten Branch-and-Bound-Verfahren zu lösen sind [26, 60]. Beim Branch-and-Bound-Verfahren wird das Ausgangsproblem zur Aufteilung des Lösungs-raums zuerst in eine modellabhängige Anzahl von disjunkten Teilproblemen verzweigt („branching“), sodass durch Rekursion eine Baumstruktur der Teilprobleme entsteht. Um eine vollständige Enumeration des Lösungsraums zu vermeiden, erfolgt nachfolgend das Abschneiden einzelner Zweige. Hierzu werden Schranken („bounds“) für die Zielfunk-tionswerte berechnet, auf dessen Basis entschieden wird, ob die Teilprobleme weiter ver-zweigt werden oder nicht. Durch die Fixierung einer Binärvariablen zu 0 oder 1 und die LP-Relaxierung5 der übrigen ganzzahligen (Binär-)Variablen wird die optimale – jedoch nicht zulässige – Lösung für das Entscheidungsproblem berechnet. Diese Lösung dient als untere Schranke für den zugehörigen Zweig. Als obere Schranke dient der Zielfunk-tionswert der bisher besten ermittelten zulässigen Lösung im Lösungsraum. Die weitere Betrachtung eines Zweiges kann daher abgebrochen werden, wenn für ein Teilproblem die untere Schranke größer als die obere Schranke ist. Das Branch-and-Bound-Verfahren ist beendet, sobald alle Zweige im Baum untersucht und die Binärvariablen entweder auf 0 oder 1 fixiert worden sind.

Bei einer größeren Anzahl zu betrachtender Standorte bieten sich zur Reduzierung des Rechenaufwands Heuristiken an (z. B. die Greedy-Heuristik [26]), die gute Lösungen in-nerhalb akzeptabler Rechenzeiten liefern.

Modellerweiterungen

Werden Kapazitätsrestriktionen der betrachteten Standortalternativen (z. B. maximale Lagerkapazitäten) berücksichtigt, so liegt ein kapazitiertes Warehouse-Location-Problem vor. Während die Zielfunktion des Warehouse-Location-Problems in diesem Fall unverän-dert bleibt, werden die Nebenbedingungen um die Bedingung erweitert, dass die Kapazität capi des jeweiligen Standorts Si nicht überschritten werden darf.

Beim mehrstufigen Warehouse-Location-Problem erfolgt eine Erweiterung des Modells um mindestens eine weitere Transportstufe. Demnach werden Standorte für ein oder meh-

4 Als NP-schwere Probleme werden Probleme bezeichnet, für die man bislang keinen Algorith-mus kennt, der auch das am schwierigsten zu lösende Problem desselben Typs mit polynomialem Rechenaufwand löst [60].5 Die LP-Relaxierung hebt die Ganzzahligkeitsbedingung für die übrigen Binärvariablen auf und erlaubt somit eine vereinfachte Lösung durch ein kontinuierliches lineares Modell, beispielsweise einen Simplex-Algorithmus [26].

5)m∑

j=1

uij ≤ capi ∀ i

V.�Stich�et�al.

2

Page 35: Logistikmanagement || Konfiguration logistischer Netzwerk

69

rere Typen von Einrichtungen gesucht (beispielsweise Produktions- und Lagerstandorte) [59].

Im einfachsten Fall eines zweistufigen Warehouse-Location-Problems (Abb. 2.26) wird die Zielfunktion um die Transportkosten zwischen den Produktions- Pk und Lagerstand-orten Si erweitert. Die Zielsetzung ist jedoch weiterhin, die kostenminimale Konfiguration, unter Betrachtung der Standortkosten und Transportkosten einerseits von den Produktions-standorten Pk zu den gesuchten Lagerstandorten Si sowie andererseits von den Lagerstand-orten zu den Bedarfsstandorten Nj, zu identifizieren.

Aufgrund der Berücksichtigung der Allokation der einzurichtenden Lagerstandorte zu den Bedarfsstandorten sowie der Kapazitätsrestriktionen im mathematischen Modell, sind Warehouse-Location-Probleme Verfahren sowohl zur Standortauswahl als auch zur Standort- und Ressourcenkonfiguration in logistischen Netzwerken [41]. Erweiterungen im Modell erlauben zudem die Berücksichtigung von mehreren Betrachtungsperioden (dy-namische Warehouse-Location-Probleme), von der Allokation unterschiedlicher Produkte (sog. Mehrgüterprobleme), von Nichtlinearitäten innerhalb der Zielfunktion (z. B. durch sprungfixe Transporttarife), von einer Single-Sourcing-Beschaffungsstrategie (Single-Source-Warehouse-Location-Probleme), von Kapazitätsrestriktionen bezüglich der Trans-porteinheiten sowie von Unsicherheiten durch stochastische Verteilungen der Bedarfe in den Betrachtungsperioden [59, 61].

Insbesondere für eine dynamische Netzwerkkonfiguration sind ebenfalls dynamische Warehouse-Location-Probleme zu formulieren. Initiale Konfigurationsentscheidungen zum betrachteten Zeitpunkt t = 0 determinieren die zur Auswahl stehenden Entscheidungen über die Rekonfiguration des logistischen Netzwerks zu späteren Zeitpunkten [62]. Auf-grund dieser zeitbezogenen Abhängigkeiten sind verschiedene Konfigurationsstrategien zu identifizieren und zu bewerten. In diesem Zusammenhang ist das Warehouse-Location-Problem als zeitdynamisches Entscheidungsmodell zu formulieren, welches das Entschei-dungsproblem sowohl über mehrere Perioden t bewerten kann, als auch die zeitbezoge-nen Abhängigkeiten abbildet. Die Zielfunktion für ein dynamisches, unkapazitiertes und

F (u, u, v) =l∑

k=1

n∑

i=1

cki · uki +n∑

i=1

m∑

j=1

cij · uij +n∑

i=1

f i · vi ⇒ min!

Abb. 2.26   Grafische Darstel-lung des zweistufigen Ware-house-Location-Problems

S1 N1

Sn

N2

Nm

b2

b1

bm

c

c

21

c22

c2m

cnm

P1

P2

Pl

11c 11

12c

22c

2nc

lnc

S2

2� Konfiguration�logistischer�Netzwerke

Page 36: Logistikmanagement || Konfiguration logistischer Netzwerk

70

einstufiges Warehouse-Location-Problem kann daher wie folgt mathematisch formuliert werden:

Die Zielfunktion F( u, v, w) minimiert im Planungszeitraum von T Perioden die stand-ortsbezogenen Kosten sowie die Transportkosten zwischen den i einzurichtenden und zu betreibenden Standorten und den j Bedarfsstandorten. Die standortsbezogenen Kosten zer-legen sich in diesem Fall in einmalige Einrichtungskosten gi und periodenbezogene Be-triebskosten fi. Die beiden Binärvariablen vit und wit geben an, ob ein Standort i in Periode t eingerichtet ( wit) oder betrieben wird ( vit). Die zeitbezogenen Transportmengen zwischen den i Standorten und den j Bedarfsstandorten werden durch die Entscheidungsvariable uijt ausgedrückt.

Von weiterer Relevanz für die Konfiguration von logistischen Netzwerken sind die Mehrgüterprobleme. Werden im logistischen Netzwerk verschiedene, aus logistischer Sicht dennoch homogene (d. h. in Bezug auf die Lagerung und den Transport gleichartige) Produkte produziert und zu den jeweiligen Bedarfsstandorten distribuiert, so wird diese Problemstellung als unkapazitiertes, einstufiges Mehrprodukt-Warehouse-Location-Pro-blem formuliert [61]. Unter der Restriktion der vollständigen Bedarfsdeckung nach allen p Produkttypen besteht die Zielsetzung des Modells darin, sowohl die standortbezogenen Kosten als auch die Transportkosten im Betrachtungszeitraum zu minimieren. Interessante Erweiterungen stellen beim Mehrprodukt-Warehouse-Location-Problem die Berücksichti-gung von Kapazitätsrestriktionen dar.

2.3.4 Heuristische Bewertungsverfahren

Sollen sowohl qualitative als auch quantitative Standortfaktoren bei der Auswahl geeigne-ter Standorte berücksichtigt werden, kommen qualitative, d. h. heuristische Bewertungs-verfahren zur Anwendung. Zu den verbreiteten Verfahren zählen insbesondere Checklisten und die Nutzwertanalyse (Scoring-Methode) [58, 25]. Ein weiteres qualitatives Verfahren, welches Unsicherheit und verschiedene Umfeldentwicklungen berücksichtigen kann, ist die szenariobasierte Standortbewertung [55].

Checklisten werden zur Vorauswahl potenzieller Standorte verwendet. Diese Voraus-wahl ist notwendig, um den Bewertungsaufwand für die prinzipiell geeigneten Standorte zu reduzieren. In einem ersten Schritt werden hierfür Festanforderungen sowie Schwell-werte für Mindestanforderungen an den potenziellen Standort determiniert. Für jeden Standort wird im folgenden Schritt mithilfe einer Checkliste geprüft, ob die Festanforde-rungen erfüllt sind und die Schwellwerte für die Mindestanforderungen erreicht werden. Nur wenn ein Standort alle Anforderungen erfüllt, wird er für eine weitere Bewertung in Betracht gezogen.

F (u, v, w) =T∑

t=1

n∑

i=1

m∑

j=1

cij · uij t +n∑

i=1

f i · vit +n∑

i=1

gi · wit

⇒ min!

V.�Stich�et�al.

2

Page 37: Logistikmanagement || Konfiguration logistischer Netzwerk

71

Die Nutzwertanalyse ist ein Lösungsansatz zur detaillierteren Bewertung von Stand-ortalternativen. Allgemein ist sie eine Entscheidungstechnik zur Evaluation von mehreren möglichen Lösungen für ein Entscheidungsproblem, das mit Faktoren oder Merkmalen charakterisiert werden kann [41]. Zur Durchführung einer Nutzwertanalyse für eine Be-wertung von Standortalternativen sind insbesondere drei Bestimmungsgrößen von Bedeu-tung:

• die Standortfaktoren Fi die zur Beurteilung herangezogen werden,• deren Gewichtungsfaktoren Gi festgelegt durch die Entscheidungsbefugten, und• die Erfüllungsgrade Eij der Standortalternativen bezüglich der Beurteilungskriterien.

Die Multiplikation von Gewichtungsfaktoren und den jeweiligen Erfüllungsgraden der Standortalternativen ergibt die Teilnutzen GiEij der Standorte in Bezug auf den betrach-teten Standortfaktor F. Die Summation der Teilnutzen (Spaltensummen) erlaubt nun ab-schließend eine Bewertung der Nutzwerte aller Standortalternativen (Abb. 2.27) und die Überführung in eine Standortrangfolge.

Die Vorteile der Nutzwertanalyse bei der Standortbewertung sind im Wesentlichen darin zu sehen, dass eine hohe Transparenz des Entscheidungsprozesses durch die Ver-wendung von Gewichtungen und die Bestimmung von Teilnutzen erzeugt wird. Durch die Bestimmung von Teilnutzen erfolgt eine Zerlegung des Verfahrens in Einzelschritte, die eine vereinfachte Handhabung des Verfahrens bewirken [54].

In der Regel wird die mit einer Standortentscheidung verbundene Investitionsrechnung für einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren durchgeführt [55]. Die Abschätzung der für die Durchführung dieser Investitionsrechnung notwendigen, zu erwartenden Ein- und Auszahlungen ist jedoch aufgrund des Zeithorizonts mit hohen Unsicherheiten verbun-den. Diese hohe Unsicherheit betrifft im Besonderen die Ursache-Wirkungszusammen-hänge zwischen den kritischen Standortfaktoren und den Zielgrößen des Unternehmens sowie die exogenen Umfeldfaktoren und die internen Performancefaktoren. Ein heuristi-sches Bewertungsverfahren, das sowohl Unsicherheit als auch dynamische Veränderun-gen im Unternehmensumfeld berücksichtigt, ist die szenariobasierte Standortbewertung (Abb. 2.28) [55].

Abb. 2.27   Darstellung der Nutzwertanalyse bei der Bewertung von Standortalternativen

StandortalternativenGewichtungStandortfaktor

S1 S2 S3 S4 … Sj

F1

F2

Fi

G1

G2

Gi

G1E11

G2E21

GiEi1

G1E12

G2E22

GiEi2

G1E13

G2E23

GiEi3

G1E14

G2E24

GiEi4

G1E1j

G2E2j

GiEij

Nutzwert des Standorts …Σ Σ Σ Σ Σ

2� Konfiguration�logistischer�Netzwerke

Page 38: Logistikmanagement || Konfiguration logistischer Netzwerk

72

Wie auch bei der Nutzwertanalyse ist die Grundlage der szenariobasierten Standort-bewertung die Identifikation erfolgskritischer Standortfaktoren, die entweder einen mo-netären, qualitativen oder quantitativen Charakter aufweisen können. Hinsichtlich der Einflussnahme durch das Unternehmen lassen sich die erfolgskritischen Standortfaktoren weiter in Umfeldfaktoren, deren Entwicklungen nicht im Einflussbereichs des Unterneh-mens liegen, und Performancefaktoren, deren Entwicklung von den im Unternehmen bzw. am Standort getroffenen Maßnahmen abhängen, unterscheiden. In einem zweiten Schritt werden die Ursache-Wirkungszusammenhänge zwischen den Standortfaktoren und den Zielgrößen des Unternehmens in Bezug auf die zu bewertende Standortalternative (z. B. Umsatz und Kosten) analysiert. Beispielsweise wirkt sich eine geforderte hohe Quali-fikation der Mitarbeiter am Standort in der Regel positiv auf die Produktivität und das Qualitätsniveau der herzustellenden Produkte aus, bewirkt allerdings über die höheren Personalaufwände ebenfalls höhere Herstellkosten. Da die jeweiligen Zeitwerte von den so abgeleiteten Ein- und Auszahlungen mit Unsicherheit behaftet sind, wird eine Unter-scheidung in einen pessimistischen, realistischen und optimistischen Fall im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsbewertung vorgenommen.

Aufgrund des Zeithorizonts von Standortentscheidungen erfolgt im nachfolgenden Schritt eine Prognose der möglichen Entwicklungen von Umfeld- und Performancefak-toren im Betrachtungszeitraum. Da die Entwicklung der Umfeldfaktoren nur schwer pro-gnostizierbar und daher mit Annahmen behaftet ist, werden im Rahmen einer Szenario-Analyse mögliche Zukunftsbilder entwickelt. Für eine Prognose der Performancefaktoren ist es hingegen möglich, im Voraus Plausibilitäten abzuleiten, welche auf die zukünftige Entwicklung des Standorts (z. B. Erfahrungskurveneffekte, ein steigender Marktanteil oder sinkender Materialverbrauch) hindeuten. Abschließend erfolgt eine Konsistenzprü-fung der aus der Prognose der Umfeld- und Performancefaktoren resultierenden Zukunfts-projektionen. Diese Prüfung über eine Analyse der Abhängigkeiten zwischen den Fak-toren mit Hilfe einer Konsistenzmatrix ermöglicht die Reduzierung der Zahl möglicher Zukunftsprojektionen durch Ausschluss inkonsistenter Prognosen. Nur diese Szenarien sind bezüglich der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Standortalternativen relevant und letztlich für die Standortwahl zu betrachten.

Abb. 2.28   Schritte der szenariobasierten Standortbewertung [55]

Bestimmung erfolgskritischer Standortfaktoren1.

Analyse der Ursache-Wirkungszusammenhängeerfolgskritischer Standortfaktoren2.

Prognose von Performance- und Umfeldentwicklungen3.

Test der Zukunftsprojektionen über eine Konsistenzmatrix4.

V.�Stich�et�al.

2

Page 39: Logistikmanagement || Konfiguration logistischer Netzwerk

73

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