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Lorenzen und Marwedel: Die Zukunft des Fußballs

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Ralf Lorenzen & Jörg Marwedel

K J M Buchverlag

Die Zukunft des FußballsWoher die nächsten Weltmeister kommen –

Recherchen im System Jugendfußball

Fotos von Andreas Fromm u.a.

Page 4: Lorenzen und Marwedel: Die Zukunft des Fußballs

Die Reihe

wird herausgegeben von Klaas Jarchow

Mehr zu den Büchern des KJM Buchverlagswww.kjm-buchverlag.de

Bildnachweis: Andreas Fromm: Seite 1, 2, 13, 14, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26/27, 28, 29,30, 31, 32, 43, 63, 64, 67, 68, 72, 76, 81, 88, 91, 98, 108, 122, 126, 128, 134/135;Witters/BILD: S. 104; Martin Kunze: S. 35, 37; Sabine Roth: 48, 93; HFV: S. 56;Bongarts/gettyimages: S. 45, 87; Stuart Franklin/gettyimages: S.40; Grimm/gettyimages: S. 87; Alexander Hassenstein/gettyimage: S. 46; Micha Will/gettyimages: S. 114; Infografiker.com: S. 51, 53; Philippka-Sportverlag: S. 57; Werder Bremen: S. 75

Zitatnachweis: Labbadia/Weserkurier: S. 10; Hecking/BILD: S. 9; Wormuth/welt.de: S. 10; Elgert/spiegel-online.de: S. 10

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung der Urheber unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen,Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitungin elektronischen Systemen.

1. Auflage, April 2016Copyright © 2016 Klaas Jarchow Media Buchverlag GmbH & Co. KGSimrockstr. 9a, 22587 Hamburgwww.jarchow-media.deISBN 978-3-945465-16-5

Herstellung, Satz und Gestaltung: Eberhard Delius, BerlinBildbearbeitung: Reihs Satzstudio, LohmarDruck: Beltz Grafische Betriebe, Bad LangensalzaPrinted in Germany. Alle Rechte vorbehalten

Dieses Buch wird durch BUCHPATEN gefördert.Mehr Informationen dazu auf www.hamburgparadies.de

Mehr Diskussion zur Zukunft des Fußballs: blog.hamburgparadies.deDie ausführlichen Interviews: www.hamburgparadies.de

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INHALT

Vorsicht Fußball? 7Stimmen 9

DIE DEN BALL LIEBEN …Der erste Freund – der Ball 12Die ersten Fans – die Eltern 15Will ich das? – Notizen eines Vaters 18Die ersten Trainer-Erinnerungen 20Die Jungs aus dem Ghetto haben gesprüht –

Jugendtrainer Somerset »Sam« Lawrence 22An der Schwelle vom Träumen zum Denken –

Sechs C-Jugendliche und ihre Trainer 24Die Bundesliga ist kein Ponyhof! –

Lewis Holtby über seinen Weg zum Profi 33Fünf Fußballwege – Max Kruse, Fabian Boll,

Nils Zander, Tobias Rau, Nic Kühn 41

IM SYSTEM – VERSCHWENDETE JUGEND ODER EIN HOCH AUF DIESE ZEIT?

Der High-Tech-Fahrstuhl des DFB –Das System der Nachwuchsförderung 50

Sich darum kümmern, dass kein Name runterfällt –Stützpunkttrainer Lewe Timm 56

Was ist ein Talent? 60Der Kopf der DFB-Basis –

Stützpunktkoordinator Stephan Kerber 62Die gläserne Kugel – Wie weit kann man eine Karriere

prognostizieren? 70Kirschen aus Nachbars Garten – Werder-Scout Tobias Süveges 71Fußballprofis zeugt man im April – Welche Vorteile

Spieler haben, die im Januar geboren sind 78Du kannst alles schaffen, wenn … –

Joris und Mathias Hartmann 80Schulen können von Leistungszentren lernen – Gespräch mit

dem Vors. der Kom. Leistungszentren Uwe Harttgen 85

5

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6 Inhalt

Ich weiß, was ich kann – Nic Kühn 90Sie brauchen eigentlich schon mit fünfzehn eine Sekretärin –

Gespräch mit Fabian Boll 99Goldrausch – Der weltweite Handel mit jungen Talenten 103Good boys, bad boys – Der Berater Hannes Winzer

und seine Branche 107

BLICK IN DIE ZUKUNFT – SPIELT MEHR!Ich gebe meinen Spielern Mitspracherecht –

U21-Bundestrainer Horst Hrubesch 115Gegen Rundumversorgung – Warum Dortmunds Trainer

Thomas Tuchel umgedacht hat 120Raum, Zeit, Gegnerdruck – DFB-Analyst

Christofer Clemens über Fußball von morgen 121Jugendliche geraten in Abhängigkeit zum System –

Psychologe Yvo Kühn 129Die Breite stärken, die Spitze schützen! –

Anstöße zur Zukunft der Nachwuchsförderung 136Lamborghini – Notizen eines Fußballvaters 142

Tipps 144

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Vorsicht Fußball?Einleitung

»Dich werden wir mal ganz woanders sehen.« Diesen Spruch haben auchwir als junge Fußballer hin und wieder von einem Trainer gehört – undwären gern gemeint gewesen. Als Journalisten haben wir dann miterlebt,wie aus dem heimlichen Wunsch, entdeckt oder gar Profi zu werden, inden letzten Jahren eine Bewegung geworden ist, die teilweise Züge vonMassenhysterie annimmt.

Selbst im Bekanntenkreis kennt jeder mindestens einen Jungen oderein Mädchen, der oder das als künftiger Star gehandelt wird. Meistensvon den Eltern oder anderen nahen Verwandten. Wenn nicht allestäuscht, ist gerade eine »Generation Ball« am Start, die in den kommen-den Jahren kräftig Zuwachs erhält. Noch nie spielten mehr Kinder unterzehn Jahren im Verein Fußball als heute. Der weltumspannende Hypeum den Fußball hat viele Gründe. Im Zentrum steht wohl die klassischeAufsteiger- Erzählung, die durch Kommerzialisierung und Digitalisie-rung Vorbilder wie Messi und Ronaldo geschaffen hat.

Der DFB hat vor 15 Jahren ein Talentfördersystem auf den Weg ge-bracht, das verspricht: »(Fast) jedes Talent kann damit sicher sein, voneinem regionalen Sichter ›aufgespürt‹ zu werden und anschließend aufBasis eines individuellen Trainings voranzukommen.« Ob dieser An-spruch tatsächlich erfüllt wird, ist eine Frage für wissenschaftliche Un-tersuchungen.

Unbestritten sind drei Tatsachen: Jedes Jahr werden etwa 600.000 Spie-ler gesichtet; etwa 20.000 werden in DFB-Stützpunkten, Verbandsaus-wahlmannschaften und Leistungszentren der Vereine individuell geför-dert; mit diesem Ergebnis: Bis auf Miroslav Klose und Roman Weiden-feller haben alle Weltmeister von 2014 dieses System durchlaufen.

Diese Zahlen verraten nichts darüber, wie die Jugendlichen heute denWeg zum Nationalspieler erleben. Wie geht es ihnen im Gestrüpp der In-teressen und Erwartungen? Wer setzt sich durch? Überlebt die Liebe zumBall, ist sie gar der entscheidende Ausgangspunkt? Wie geht es denen,die zu einem früheren Zeitpunkt aus dem System ausscheiden, freiwilligoder weil sich der Daumen nach unten senkt – also der großen Mehrheit?

7Einleitung

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Um das herauszufinden, haben wir besonders die Jugendlichen in densogenannten »Heldenjahren« zwischen 14 und 16 in den Blick genom-men.

Und uns interessieren die Akteure, die den Weg der Jugendlichen be-gleiten und entscheiden: die Eltern, Trainer, Scouts und Berater – dasganze Ensemble der Interessen und Blicke, das sich heute um ein jungesTalent versammelt. Dafür haben wir uns ein Jahr lang auf Plätzen, in Hal-len und Vereinsgaststätten herumgetrieben und mit allen geredet, die indiesem System mitspielen. Wie ticken sie? Spielen sie mit den Träumenvon Jugendlichen, oder respektieren und schützen sie deren Persönlich-keiten?

Und schließlich interessiert uns natürlich der Fußball selbst. Wie ent-wickelt er sich in diesem System weiter? Ist er offen für neue Einflüsse,oder frisst er seine Kinder, wie es gerade den Niederländern und Brasi-lianern passiert? Wie sehen sie aus, die »Tugenden 2.0«, mit denen derDFB den nächsten WM-Titel angehen will? Von wem können wir lernen?

Wir haben immer wieder Titel und Ausrichtungen des Buches disku-tiert. »Die den Ball lieben« war eine Richtung, »Vorsicht Fußball!« dieandere. Es blieben die Pole unserer Gespräche und Betrachtungen. DieLiebe zum Ball und zum Spiel stand gegen das Benutzen in der großen,globalen Geldmaschinerie. Spitzenfußball und soziale Verantwortungbilden unter den heutigen Vermarktungsbedingungen nun mal ein Ge-gensatzpaar. Wir haben diese Gegensätzlichkeit der beiden Ausrichtun-gen letztlich nicht auflösen können – wahrscheinlich ist sie auch das,woraus die Attraktivität dieses Spiels in seiner modernen gegenwärtigenForm herrührt.

Der Titel wurde dann ein anderer: »Die Zukunft des Fußballs« nennenwir es, weil seine Hauptdarsteller eben diese Zukunft verkörpern und anihr arbeiten. In den Begegnungen mit ihnen sind wir auch auf Ideen undGedanken gestoßen, wie der Kinder- und Jugendfußball den Menschenund dem Spiel gerechter werden könnte.

Wir möchten uns bei allen Gesprächspartnern bedanken, die uns ihreZeit, Gedanken und Erfahrungen geschenkt haben. Diese Gesprächewaren für uns so anregend und gehaltvoll, dass sich große Teile davonin Interviewform im Buch wiederfinden. Die kompletten Interviews fin-den Sie – genau wie den Blog zu diesem Buch – unter www.hamburgpa-radies.de.

8 Vorsicht Fußball?

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Stimmen

»Kleine Mannschaften sind auf elf Funktionierende angewiesen. Sonstgehen sie unter.«

Lewe Timm, Stützpunkttrainer

»Die Jungs müssen für ihr Ziel brennen. Es reicht nicht, nur Bock aufsBuffen zu haben.«

Tobias Süveges, Scout bei Werder Bremen

»Sport und Leistungssport ist ein großer Unterschied. Beim Leistungs-sport geht es nicht nur um Spaß. Es zählt Wille und Energie.«

Yvo Kühn, Psychologe

»Du brauchst Spieler in der Mannschaft, die nicht verlieren können. Dierichtig herausragenden Spieler sind die, die nicht verlieren können.«

Koy Klose, Jugendtrainer von Blau-Weiß 96 Schenefeld

»Wenn einer in der unteren D-Jugend foult, entschuldigt er sich. In deroberen D-Jugend ist das fast vorbei. Und in der älteren C-Jugend tretensie nochmal drauf. Da wird schon mit Haken und Ösen gespielt.«

Koy Klose

»Selbstkritik wird bei einigen nicht mehr so groß geschrieben. Wenneiner ein Problem hat, dann kann er jederzeit zu mir kommen. Nur dannkann es auch mal deutliche Worte geben.«

Dieter Hecking, Bundesligatrainer VfL Wolfsburg

»Wir machen die Nationalspieler nicht. Ich nicht, der Löw nicht, die Bun-desliga auch nicht. Es sind die kleinen Vereine. Je besser die arbeiten,desto besser wird es.«

Horst Hrubesch, U21-Bundestrainer

»Nur beim Fußball und beim Bund spielt der Abiturient mit dem zu-sammen, der die Hauptschule abgebrochen hat. Die alle in ein funktio-nierendes Ganzes zu pressen, ist schwer.«

Fabian Boll, Co-Trainer der U23 des FC St. Pauli

9Stimmen

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»Aber das größte Problem, das wir haben und das Werder hat, ist, dasses keine Flut von Talenten gibt, dass sich jeder um diese Talente reißt –und dass diese Talente dadurch teilweise gar nicht mehr gesund wachsen.Heißt: Die Klubs müssen einem Talent, von dem sie noch nicht wissen,wie gut es mal wird, schon einen Vertrag geben, der für das Talent nichtgesund ist und für den Verein auch nicht gut.«

Bruno Labbadia, Trainer des Hamburger SV

»Per Mertesacker hatte mit den Anforderungen zu kämpfen. In der U19hat er sich manchmal vorm Spiel übergeben.«

Hannes Winzer, Spielerberater

»Es gibt eine Tendenz, dass geschnitzte Spieler aus den Zentren kom-men.«

Frank Wormuth, DFB-Chefausbilder

»Der Hype um die Jungs ist heute viel zu groß. Du wirst unheimlichschnell in die Umlaufbahn geschossen, bist aber auch doppelt so schnellwieder raus.«

Norbert Elgert, Jugendtrainer bei Schalke 04

10 Stimmen

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I DIE DEN BALL LIEBEN ...

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Der erste Freund – der BallWas die Jungen und Mädchen daran so fasziniert

»Max hat das Herz auf dem Ball getragen«, sagt der Hamburger Stütz-punktkoordinator Stephan Kerber über einen Spieler des ersten Jahr-gangs, den er gesichtet hat. Das war Max Kruse. Das innige Verhältniszum Ball zeichnet nicht nur den heutigen Nationalspieler aus. DieseZweierbeziehung zwischen Mensch und Ball ist gewachsen – lange bevorder Fußball zum Sport wurde, den man trainieren kann. »Magisch« nen-nen die Psychologen diese Beziehung und sagen, dass sie mit Urinstink-ten zu tun habe. Manche studieren als Beleg dafür Höhlenzeichnungen– andere gucken einfach jungen Katzen zu, die mit einem Wollknäuelspielen.

»Es geht um Bewegung. Man will das Objekt besetzen«, sagt der Psy-chologe Yvo Kühn. »Etwas lieben zu können ist das Gegenstück zur De-pression. Wenn Messi den Ball hält vor einem Freistoß, auch mit denHänden, sind das Berührungen eines Liebeskörpers. Wie viele Möglichkei-ten hat er, den Ball zu berühren! Mehr als fast jeder andere auf der Welt.«

Ein anderer Spieler mit unvergänglicher Ballliebe ist Lewis Holtby. Mitjeder Bewegung fordert er ihn, hat er ihn endlich am Fuß, ist er ein an-derer. Das war er von früh an. »Du hast einen kleinen Ball und wirst innigmit ihm. Er wird dein Freund. Vor allem, wenn man nicht so viel Geldhat, hat man ihn als Junge sehr gut behandelt. Man passt auf, dass ernicht wegkommt. Ich habe ihn sauber gemacht und sogar mit ins Bettgenommen.«

Aber man muss ihn so furchtbar treten, den Freund. »Ja, aber der mages ja. Dann ist er zu Hause«, sagt Holtby. Klingt brutal, ist aber vom psy-chologischen Standpunkt aus völlig logisch. »Zur Liebe gehört auch derHass«, sagt Yvo Kühn. »Man macht mit dem Ball alles Mögliche, es istauch eine aggressive Beziehung zum Objekt. Man möchte es beherrschenund mit ihm machen können, was man will.«

So ist wohl auch zu erklären, warum aus einer Beziehung, deren größ-ter Reiz die Unkontrollierbarkeit ist, im Profifußball ein System gewor-den ist, das die größtmögliche Kontrolle über diese Beziehung herstellenwill.

12 Der erste Freund – der Ball

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»Es gibt viele, die sind nicht so befreundet mit dem Ball.« Lewis Holtbyverrät nicht, ob er damit auch den einen oder anderen meint, der trotz-dem Fußballprofi geworden ist. Bei ihm selbst behielt der Ball jedenfallsseine Sonderrolle, als andere schon zweibeinige Freunde hatten.

»Die anderen sind alle losgegangen, mir war der Ball wichtiger. Ichhabe mir oft nach der Schule, vor dem Training, einen Ball genommenund bin allein auf die Asche gegangen. Ich habe mir viele Situationenvorgestellt damals. Dann kommen immer die eigenen Spielzüge, dannläufst du über den Platz und schreist und schießt. So habe ich allein trai-niert. Ich habe mir immer vorgestellt, wie es sein sollte, wenn da mehrereLeute stehen und nicht nur ich allein.« Das kann man sich als wunder-schöne Filmszene vorstellen – der kleine Lewis allein mit dem Ball aufder Asche –, und der Traum wird angeknipst. Ist aber mehr etwas für einMusical als für dieses Buch …

Lieber noch ein Seitenhinweis auf eine ganz andere, die zerstörerischeKraft des Balls. »Wir züchten im Garten inzwischen Pflanzen, die sichals fußballresistent erwiesen haben«, berichtet der Vater eines jungen Talentes: »Joris hat alles dafür getan, sie herauszuselektieren. Wir hoffen,dass die Pflanzen bald marktgängig sind.« Galgenhumor eines Soccer-dads.

13Was die Jungen und Mädchen so daran fasziniert

E-Jugend-Mädchen kämpfen um den Ball

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Die ersten Fans – die ElternFünf Euro für jedes Tor

»Und abends kamen die Eltern und lagen über den Zäunen und habenzugeguckt«, erzählt der Jugendtrainer Somerset »Sam« Lawrence überseine Sozialisation als Straßenfußballer in Kapstadt. Die Jungs und Mäd-chen, die er heute in Hamburg trainiert, sind dagegen fast alle zu Gar-tenfußballern domestiziert. Knapp zwei Drittel der deutschen Haushaltebesitzen einen Garten, zu vielen gehört das Fußballtor aus dem Bau-markt so selbstverständlich wie Pergola und Rosenstock.

Fast jeder Ballkontakt findet unter den Augen der Eltern statt. Dasändert sich auch nicht, wenn der Filius vom »FC Gartenzaun« zu einemKlub im Ort wechselt. Dort zeigt sich dann, wie dünn die zivilisatorischeSchicht teilweise noch ist. »Wir haben oft erlebt, wie Eltern am Spielfeld-rand völlig unreflektiert und destruktiv agieren«, erinnert sich MathiasHartmann, dessen Sohn Joris in einem niedersächsischen Stützpunkt ge-spielt hat. »Sie schreien permanent rein und machen abwertende Bemer -kungen über Gegner und Schiedsrichter.«

Dabei bleibt es manchmal nicht. So sorgte Anfang 2016 eine Prügeleibei einem Hallenturnier für E-Jugendliche in Hamburg für Schlagzeilen.»Anlass war nach Angaben der Polizei eine Schiedsrichterentscheidungwegen unsportlichen Verhaltens nach einem Foul«, berichtete der NDR.»Ein Spieler musste vom Platz. Trotzdem ließen die Kontrahenten nichtvoneinander ab. Dann mischten sich die Eltern der Spieler, Trainer undZuschauer ein. Laut Augenzeugen standen etwa 20 Menschen auf demPlatz und prügelten sich.« Die Polizei rückte mit sechs Streifenwagen an.

Das Phänomen der Pöbel-Eltern hat auch Lewis Holtby mitbekom-men: »Das war ein Wahnsinn, schon in der F-Jugend. Da ging es plötzlichgar nicht mehr um Kinderfußball. Das ist unbegreiflich, was Eltern fürWut oder Hass entwickeln und sich gegenseitig anschreien.« Erfahrungenwie diese haben dazu geführt, dass mittlerweile in weiten Teilen Deutsch-lands und der Niederlande bis zum Alter von zehn Jahren nach den Re-geln der Fair-Play-Liga gespielt wird. Die sehen unter anderem einenMindestabstand für Zuschauer zum Spielfeldrand vor. »Oft sind die Eltern überemotionalisiert und die Trainer stark erfolgsorientiert«, sagt

15Fünf Euro für jedes Tor

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Ralf Klohr, der Initiator der Reform. »Es denkt kaum jemand darübernach, wie es den Kindern dabei geht.«

Vor überzogenen Erwartungen und zweifelhaften Motivationshilfenschützt dagegen auch kein Sicherheitsabstand. »Ein Vater hat seinemSohn für jedes geschossene Tor fünf Euro versprochen«, berichtet der Ju-gendtrainer Koy Klose. Unter der Lederhaut der Pillen und Kirschensteckten mal Schweinsblasen. Torfabrik und Brazuca werden heute ausHightech-Fasern zusammengeklebt – aber die Blase ist nicht verschwun-den. In der stecken nun alle, die mit Fußball in irgendeiner Weise zu tunhaben – vor allem die Eltern. Im Milliardengeschäft Fußball werdenimmer mehr Kinder und Jugendliche zu Trägern der Hoffnung ihrer Eltern auf eine bessere Existenz, nicht nur in den Armutsregionen derGesellschaft. Auch in der Mittelschicht ist der Blick oft vernebelt. »EinigeEltern sind ganz entspannt und freuen sich einfach, dass der Junge dabeisein kann«, sagt Werder Bremens Jugend-Scout Tobias Süveges. »Anderegehen davon aus, schon einen Fuß in der Tür des Profi fußballs zu haben.Das wird teilweise durch Berichte in den Medien der Heimatorte ange-feuert. Natürlich dürfen die Eltern stolz sein, müssen aber mit der Kon-sequenz leben, dass man auch aus dem Fenster fallen kann, wenn mansich zu weit hinauslehnt.«

Eltern können aber auch einen positiven Einfluss auf die fußballeri-sche Entwicklung ihrer Sprösslinge haben. »Du brauchst zu Hause kei-nen, der dir die ganze Zeit erzählt, wie super und fantastisch du bist,obwohl du Schuld an einer Niederlage hast«, sagt Lewis Holtby. »Dubrauchst richtige objektive Meinungen, du brauchst viel Liebe, viel Zeitvon deinen Eltern, das ist das Wichtigste. Es gibt viele, die schnell in einNachwuchsleistungszentrum abgeschoben werden, fünf, sechs Stundenvon zu Hause entfernt. Manche sind völlig eingebrochen, weil sie ihre Familie vermisst haben.«

Um die Kicker-Eltern kümmert sich auch der wissenschaftliche Nach-wuchs. »Zu viel Lob oder unangebrachtes Lob hilft den Kindern auchnicht weiter. Eltern vergessen häufig, dass ihre Kinder bereit dazu sind,Fehler zu erkennen und mit Kritik umzugehen«, schreibt Linda Sellamiin einer Bachelorarbeit der Uni Hamburg zum Verhalten von Eltern beiFußballspielen.

Die Rolle der Eltern werde selten richtig eingeschätzt, sagt HamburgsStützpunktkoordinator Stephan Kerber. »Oft wird im Auto das Trainingnachbesprochen, und das Elternteil teilt seine Sicht der Dinge mit. Eskann aber auch vorkommen, dass Eltern dem Kind als Gesprächspartnerzur Verfügung stehen wollen und das gar nicht mehr zueinanderpasst.Dann müsste man so intervenieren, dass sie sich mehr heraushalten.

16 Die ersten Fans – die Eltern

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Aber es wird immer so sein, dass die Meinung und das Lob der Elterneine große Bedeutung haben, das ist auch bei Topspielern noch so.«

Wer Eltern hat, die über ein gutes Netzwerk in die Fußballszene ver-fügen oder in der Lage sind, so eines zu knüpfen, ist auf jeden Fall imVorteil. »Vergessen Sie nicht die Rolle der Eltern«, hat uns der Vater einesJungen erzählt, der im Leistungszentrum eines Bundesligisten spielt.»Die sehen etwas, hören etwas, machen sich schlau und nehmen Kon-takte auf.«

Je weiter ein Spieler vom Wohnort entfernt spielt, desto wichtiger wirdauch die praktische Unterstützung der Eltern. Ein Journalist hat ausge-rechnet, die Eltern des Profis Nicolai Müller hätten ihn zu Jugendzeiten230.000 Kilometer gefahren. Besonders glücklich können sich natürlichSpieler schätzen, die von ihren Eltern neben Lob, Kontakten und Fahr-diensten auch noch Handwerkszeug mitbekommen. »Das Einzeltrainingmit seinem Vater war ein wichtiger Faktor«, berichtet Stephan Kerberüber Toni Kroos. »Torschusstraining aus tausend Lagen, immer wieder.«

Wie für andere junge Menschen bleiben die Eltern heute auch für Fuß-ballprofis länger tägliche Bezugspersonen, als das in früheren Genera-tionen der Fall war. »Es hat sich ja so entwickelt, dass Eltern immer mehrberatende und begleitende Funktion haben«, sagt Uwe Harttgen, der dasNachwuchsleistungszentrum von Werder Bremen geleitet hat. »Sie habenauch bei den älteren Spielern einen erheblichen Einfluss auf die Entschei-dungen und Vorstellungen.«

Der FC Ludwigsvorstadt in München hat diese Regeln für die Elternaufgestellt:

1. Es sind Kinder.

2. Es ist ein Spiel.

3. Die Trainer sind Freiwillige.

4. Die Schiedsrichter sind Menschen.

5. Wir sind nicht bei der WM.

17Fünf Euro für jedes Tor

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Die Bundesliga ist kein Ponyhof!Lewis Holtby über seinen Weg zum Profi

Mit Lewis Holtby treffen wir uns auf großer Bühne – in einer Loge desVolksparkstadions, mit Blick auf die leeren Ränge und den Rasen. Hiersitzen während eines Bundesligaspiels die Sponsoren. In einer anderenEcke des Raumes gibt HSV-Kapitän Johan Djourou ein Interview. DerRheinländer Holtby erzählt gern, auch über seine Zweifel, die ihn als Ju-gendlichen mal beschlichen. Holtby ist keiner von jenen 50 Prozent derProfis, die am liebsten nie angesprochen werden. Er beschreibt, wie er esgeschafft hat, sich als einer der Kleinsten trotz manchen Rückschlagsdurchzubeißen – auch mithilfe seiner Eltern. In Mönchengladbachkonnte er sich in der C-Jugend nicht durchsetzen. Für den DFB wurdeer erst als U19-Spieler wirklich interessant. Aber dann bestritt er am 17.November 2010 gegen Schweden mit 20 Jahren das erste von bisher dreiA-Länderspielen für Deutschland.

Holtby wurde ziemlich viel herumgereicht. Als sei er ein Söldner, dernichts von der Bodenständigkeit hat, die ihn in Wirklichkeit bis heutemit seinen alten Kumpels verbindet: von Aachen zu Schalke, ausgeliehennach Bochum und Mainz, dann wieder Schalke. Schließlich erfüllte ersich 2013 den Traum des Sohnes eines Engländers – er wechselte in diePremier League zu Tottenham Hotspur. Sein »Dad« hatte ihm als Kindzu Weihnachten immer England-Trikots und keines mit dem deutschenAdler geschenkt. Ausgerechnet in England kam seine Karriere allerdingsins Stocken. Er wurde wieder ausgeliehen – diesmal an den FC Fulham.Dort stieg er mit dem Trainer Felix Magath (der auch mal sein Coachauf Schalke war) in die zweite Liga ab.

Nach diesem »Cut«, wie Holtby sagt, hat er sich ausgerechnet denHamburger SV ausgesucht. Als er 2014 (zunächst wieder auf Leihbasis)den Vertrag unterschrieb, habe er sich gesagt: »Das Projekt ist für michauch ein Selbstbild. Auch der HSV hatte in den letzten Jahren einen Cut.«Es beschreibt jedenfalls gut, wie es im Fußballgeschäft auf und ab gehenkann.

33Lewis Holtby über seinen Weg zum Prof i

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Wann wurden Sie zum ersten Mal richtig gefördert?Mit zehn Jahren, als ich von Sparta Gerderath zu Gladbach gegangenbin. Es gab zwei Anfragen, von Leverkusen und Gladbach. Schon beimersten Training habe ich gemerkt, dass da andere Sachen trainiert wur-den. Passspiel, mit welchem Fuß man anspielen soll und solche Dinge.

Da gab es dann auch mal kleine innerliche Niederlagen, weil man Sa-chen nicht so hingekriegt hat?

In jedem Fall. Es gehört ja auch viel Disziplin dazu. Das war bei Gladbachein Kulturschock. Gut, dass es so früh anfing.

Ab wann haben Sie gedacht, ich werde mal Profi?In Aachen habe ich das erste Mal geglaubt, professionell spielen zu kön-nen. In Gladbach war ich noch zu schmächtig. Und zwei, drei Leute spiel-ten auch auf meiner Position.

In der Phase haben Sie sich noch nicht richtig durchgesetzt?Nee. Da war viel Zweifel da. Manchmal war ich niedergeschlagen undhabe überlegt, wieder in die Heimat zu gehen. Aber mit guten Gesprä-chen, auch mit meinen Eltern und dem Trainer von Gladbach, bin ichdavon wieder abgekommen. Als ich nach Aachen gewechselt bin – siespielten in der gleichen C-Jugend-Liga –, ging es nur noch bergauf.

Was war anders in Aachen?Mit 16 Jahren bin ich schon in die U17 gegangen. Ich hatte die richtigenTrainer – Helle Birk und Markus Höfner – und wurde auch Kapitän.Beide haben mir sehr viel Vertrauen gegeben. Mit siebzehn habe ich meinerstes Zweitliga-Spiel gemacht, das ging rasant. Das Wichtigste war, dassich mit Jörg Schmadtke jemanden hatte, der wirklich auf mich stand. Esmuss eben einer da sein auf höherer Ebene, der dein Talent erkennt. Des-halb bin ich ihm sehr dankbar.

In einem DFB-Stützpunkt waren Sie nie?Bis zur U17 war ich nur in der Niederrhein-Auswahl. In der U18 des DFBwurde ich auch nicht richtig akzeptiert, weil ich zu klein war. Ich habeimmer wieder Rückschläge erlebt in der Phase. Wurde zwar eingeladen,aber immer wieder nach Hause geschickt.

Wie wichtig waren zu diesem Zeitpunkt die Eltern?Sehr wichtig. Es gab ehrliche Meinungen, aber meine Eltern haben michauch wahnsinnig gut unterstützt. Ich wollte nie aufgeben. Ich war ein-fach überzeugt, dass ich ein guter Fußballer war, und wollte es auch be-weisen.

Haben Ihre Eltern Sie auch unterstützt bei der Vorstellung, Profi zu wer-den?

Die waren auch voller Überzeugung, dass ich es schaffen kann. Die habenalles dazu getan: Zeit, Geld, Liebe, Vertrauen. Das haben sie alles reinge-

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worfen. Sie haben uns – mein jüngerer Bruder war auch bei Gladbach –viel Kraft gegeben und uns immer gefahren. Das werden wir nie vergessen.

Michael Owen und David Beckham haben seine Kindheit geprägt

Hatten Sie Vorbilder?Ich habe immer viele Videos angeguckt, Michael Owen und David Beck-ham haben meine Kindheit geprägt. Owen ist schon mit 18 Jahren beider WM 1998 in Frankreich groß aufgetreten, das hat mich sehr beein-druckt. Man hat immer viel nachgeäfft, versucht, die gleichen Schuhe zukaufen oder die gleiche Frisur zu tragen – wie es halt so ist.

Wann haben Sie erstmals bemerkt, dass Scouts Sie beobachtet haben?Ich war vielleicht zehn Jahre alt, und wir hatten ein Turnier, in dem wirgut gespielt hatten. Da habe ich gemerkt, dass danach zwei Leute zu mei-nen Eltern gekommen sind. Als ich fragte, wer das war, haben sie gesagt,das sind Bekannte, die kennst du nicht. Sie haben mich angeschwindelt.Bis ich irgendwann von der Schule nach Hause kam und sie gesagthaben, dass wir mal nach Leverkusen fahren, weil wir ein Probetraininghaben.

Entschieden haben Sie sich trotzdem für Gladbach?Es war näher dran. Leverkusen war zwar von der Ausbildung her dasNonplusultra. Doch das waren immer eineinhalb Stunden Fahrt. Außer-dem war ich Gladbach-Fan, der Wechsel zur Borussia war das i-Tüpfel-chen.

Ab wann haben Sie gemerkt, das ist nicht nur Fußball, sondern Leis-tungssport?

Schon beim ersten Training in Gladbach. Als alle in der Kabine waren,hat der Trainer allen Trainingsanzüge gegeben, du musstest dich aufwär-men. Das ganze Fußball-ABC und die Technikschule waren angesagt. Dahabe ich gemerkt, jetzt bist du nicht mehr auf dem Dorf. Du triffst nichtmehr deine Dorfjungs, mit denen du spielen willst, sondern weißt, esgibt einen Konkurrenzkampf, und jeder will spielen.

Wie war das mit der Schule?Die habe ich nebenbei ganz ordentlich gemacht. Ich war guter Durch-schnitt, hatte immer meine Top-Fächer. Englisch, Geschichte und Erd-kunde waren gut. Meine Mutter hat immer viel investiert, ich habe auchNachhilfe bekommen. Schule, Nachhilfe, Training. Trotzdem habe ichmich gefreut, wenn ich in der Schule noch Fußball-AG hatte. Das warschon ein Riesenpensum.

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Mehr als ein Profi …Im Grunde genommen schon. Duhast kaum gegessen und musstestschon wieder in den Bus einstei-gen. Abends um halb zehn warstdu wieder zu Hause und musstestnoch lernen. Das war am Limit.Aber mein Fokus lag auf demFußball.Genau wegen dieses Programmssteigen wahrscheinlich viele aus.Ich habe versucht, alles positiv zusehen. Ich war dankbar, so amLimit spielen zu dürfen. In mei-

nem Umfeld wurde es als etwas Besonderes angesehen, dass ich in einemProfiverein spielte.

Wie haben Sie die Schule abgeschlossen?Mittlere Reife. Dann habe ich ein Jahr lang angefangen, Sozial- und Ge-sundheitswesen zu lernen oder studieren, dann kam der Scheideweg. Ichhabe mich für den Profiweg entschieden. Ich wollte 100 Prozent haben,nicht mehr 50. Als ich sechzehn war, durfte ich manchmal bei den Profismittrainieren. Aber oft ging das nicht, wegen der Schule. Ich hätte esnicht geschafft, wenn ich die Schule weitergemacht hätte.

Wer hat Sie dazu gebracht, mit der Schule aufzuhören?Das waren Aachens Trainer Jürgen Seeberger und Manager JörgSchmadtke. Deren Wertschätzung war extrem wichtig. Wir haben dasalles mit meinen Eltern und den Lehrern besprochen, dass ich mich vollauf Fußball konzentriere. Meine Eltern standen zu 100 Prozent hinter mir.

Sie hatten nie das Gefühl, dass Sie auf etwas verzichten im sonstigenLeben?

Damals nicht, ich hatte ja meine Träume. Die anderen sind alle losge-gangen, mir war der Ball wichtiger.

Das erste Profi-Tor war der schönste Moment in seinem Fußballerdasein

Wissen Sie noch, was am 5. Dezember 2008 passiert ist?Da habe ich mein erstes Zweitliga-Tor für Alemannia Aachen gemacht,gegen 1860 München. Ich glaube, das war der schönste Moment in mei-nem Fußballerdasein. Ich hatte für alle Karten besorgt, die die dann be-

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zahlt haben. Familie, Freunde, Opa, ich hatte 20 Mann da. Dann hatThomas Stehle von der rechten Seite geflankt, ich komme durch undhalte den Fuß hin. Das war unglaublich. Ich bin zu meiner Familie undden Freunden gesprintet. Die sind über die Bande gesprungen, und wirhaben gefeiert. Wir haben 2:0 gewonnen.

Wie unterscheiden sich Leute wie Felix Magath, Thomas Tuchel oderBruno Labbadia von einem Jugendtrainer?

Jugendtrainer haben auch Härte. Der Unterschied ist, dass die meistenProfitrainer mehr Know-how im Fußball haben. Allein das taktische Wis-sen und die Psychologie.

Magath hat ja eine sehr eigene Psychologie. Sie sagten mal, dass er Siezur Sau gemacht habe.

Das hat er. Die Zeit war nicht einfach für mich, da habe ich sehr vielKopfschmerzen gehabt. Aber wenn man nachher darüber nachdenkt, hates mir schon viel mitgegeben. Von der Psyche her stabiler zu sein, dasaufzunehmen und richtig einzuordnen, was man gesagt bekommt. DieArt und Weise, wie man da vielleicht zur Sau gemacht wird, hat auchetwas Positives. Es war vielleicht gut für mich, um das Profigeschäft rich-tig kennenzulernen. Ich glaube, er wollte mir nur zeigen: Die Bundesligaist kein Ponyhof. Das ist schon eine andere Härte. Du erlebst ja auch Mit-spieler, die auf deinen Platz wollen. Du musst halt stark im Kopf sein.

Und was war bei Tuchel das Wesentliche?Bei Tuchel habe ich vor allem taktisch sehr viel gelernt. Er war der ersteTrainer, bei dem ich den Fußball richtig einordnen konnte. Das Jahr inMainz war fantastisch zur Weiterentwicklung. Ich habe taktische Schach-matt-Züge gelernt und war begeistert, wie viel Spaß Fußball auch aufdiesem Niveau machen kann.

Und Labbadia?Man merkt, dass er lange gespielt hat, dass er sich in die Spieler hinein-versetzen kann. Er hat einen Willen und Ehrgeiz, den ich selten gesehenhabe. Der kommt jeden Morgen ganz früh, nachdem er vorher schon fürsich gelaufen ist. Das ist Selbstdisziplin. Der lebt alles vor und kann esden Spielern vermitteln.

Zurück zur Jugend. Wie ist das für Sie gewesen, als Talent umgarnt zuwerden?

Mir war immer klar bewusst, wo ich herkomme. Mir liegt meine HeimatGerderath sehr am Herzen. Ich weiß, dass wir nicht immer viel hatten,aber es hat gereicht. Mein Vater war Sachbearbeiter bei der Royal AirForce und ist dann Sachbearbeiter in einer japanischen Firma in Duis-burg gewesen, meine Mutter ist Friseurin. Das waren ganz normale, ein-fache Verhältnisse, mit Respekt vor anderen und natürlich mit viel Liebe.

38 Die Bundesliga ist kein Ponyhof!

Page 25: Lorenzen und Marwedel: Die Zukunft des Fußballs

Wie halten Sie es mit den Schulterklopfern?Wenn die Schulterklopfer kommen, muss man analysieren. Wer sinddeine richtigen Freunde, und wer nicht? Ich habe mich nie verleiten las-sen von irgendwelchen Menschen. Das ist das Wichtige, dass du dich vonder Birne her immer richtig einschätzen kannst.

Wissen Sie noch, wo Ihre ersten Mitspieler geblieben sind? Gibt es nochKontakte?

Zu 50 Prozent von denen habe ich noch sehr engen Kontakt. Das sindmeine besten Kumpels.

In der D-Jugend denken alle, dass sie Profis werden, und dann geht esirgendwann langsam los, dass einige merken: Es wird wohl dochnichts. Wie haben Sie deren Enttäuschungen erlebt?

Einige haben nur kurz an der vierten Liga geschnuppert und gemerkt,mehr geht nicht. Einige haben komplett aufgehört. Der eine ist jetzt Post-bote, kickt jetzt nur noch im Heimatdorf. Viele haben das Talent gehabt,sich aber für einen Beruf entschieden. Einige haben Mist gebaut. Es gibtauch die Söldner, die durch die Kreisliga-Klubs gehen und ein bisschenKohle holen.

Was unterscheidet diejenigen, die durchkommen, von den anderen?Das Umfeld. Das ist sehr wichtig. Du brauchst zu Hause keinen, der dirdie ganze Zeit erzählt, wie super du bist, obwohl du Schuld an einer Nie-derlage hast. Du brauchst objektive Meinungen, du brauchst viel Liebe,viel Zeit von deinen Eltern, das ist das Wichtigste.

Es gibt Leute, die können nicht sehr gut mit Geld umgehen. Als Profihat man ja plötzlich viel Geld, was andere in dem Alter noch nichthaben. Wie sind Sie damit umgegangen?

Zum ersten Mal habe ich in Aachen eine Punktprämie bekommen fürmein erstes Bundesligaspiel gegen St. Pauli. Da hatte ich das erste Malso einen Umschlag mit 1000 Euro in der Hand. Ich hatte keinen Profi-vertrag, nichts. Für mich waren damals 50 Euro eine Summe, mit der ichschnell zur Sparkasse gefahren bin oder meiner Mutter gesagt habe: Dasmuss schnell weg. Oder das erste Mal, als ich selbst ein Auto finanzierenkonnte – Wahnsinn. In Aachen bekam ich anfangs 150 Euro.

39Lewis Holtby über seinen Weg zum Prof i

Page 26: Lorenzen und Marwedel: Die Zukunft des Fußballs

Der Hightech-Fahrstuhl des DFBWie der Verband die Nachwuchsförderung aufgebaut hat

Wer sich heute mit dem Talentfördersystem im deutschen Fußball be-fasst, stößt auf eine kaum überschaubare Flut an Konzepten, Strategien,Leitlinien und Modellen. Der Nachwuchsbereich ist durchstrukturiertwie eine Weltraummission – nur dass das Ziel nicht der Mars ist, sonderndie »Spitzenposition im Weltfußball«. So viele Gedanken macht mansich noch gar nicht so lange.

In kaum einem DFB-Konzeptpapier fehlen Hinweise auf die Weltmeis-terschaft 1998 und die Europameisterschaft 2000, wo die DFB-Teams je-weils nach 0:3-Niederlagen früh aus dem Turnier flogen. Der Schock warähnlich groß wie gut 40 Jahre zuvor, als die damalige Sowjetunion mitdem Sputnik den ersten Satelliten ins Weltall schoss und die Rückstän-digkeit der westlichen Technologie offenbarte. Im gesamten Westenwurde daraufhin der Bildungssektor reformiert und verwissenschaftlicht.

Mit Kroatien (WM 1998) und Portugal (EM 2000) gab es für den deut-schen Fußball gleich zwei Sputniks, die den Blick auf eine ungenügendeNachwuchsarbeit freilegten. Bei der EM 2000 betrug das Durchschnitts-alter der Nationalmannschaft 32 Jahre, nur ein Spieler, Sebastian Deisler,war unter 21 Jahre alt. »Altherrenfußball« gehörte noch zu den milderenBeschreibungen der Spielweise. »Zu diesem Zeitpunkt hatte die Nach-wuchsarbeit in Deutschland überhaupt keine Lobby«, schrieb DFB-Di-rektor Ulf Schott in einer Analyse der DFB-Nachwuchsförderung.

Das änderte sich ab der Jahrtausendwende grundsätzlich. Der DFBbaute ein flächendeckendes Talentförderprogramm auf, das heute alseines der effektivsten der Welt und Basis für den WM-Titel 2014 gilt. Ins-gesamt 60 Vereine waren an der Ausbildung der 23 Weltmeister beteiligt:27 Lizenz- sowie 33 Amateurvereine. Der Altersdurchschnitt betrug 25,8Jahre.

Dabei kombinierte der DFB die Impulse, die er sich im Ausland(Frankreich, Niederlande, Portugal) und bei anderen Sportarten (Ho-ckey) holte, mit deutscher Ingenieurskunst. Das Ausbildungskonzeptbringt Ordnung und Planbarkeit in die Fußballerlaufbahn, indem es den

50 Der Hightech-Fahrstuhl des DFB

Page 27: Lorenzen und Marwedel: Die Zukunft des Fußballs

Ausbildungsprozess vom Anfänger biszum Nationalspieler mit einer mehrstu-figen Struktur versieht. Deren Teile grei-fen ineinander wie gut geölte Zahnrä-der.

Keine Kopie bitte! – Basis Kinderfußball

Nicht auf jeder Stufe stimmen aller-dings Anspruch und Wirklichkeit über-ein. Für die Kleinsten bis zu denE-Junioren (10 Jahre) formuliert derDFB das Ziel: »Fußballspielen im Ver-ein muss stets das Ziel haben, die Jüngs-ten ganzheitlich zu fördern, also mitvielseitigen, altersgemäßen und motivierenden Spiel- und Bewegungs-aufgaben körperliche, geistige, soziale und emotionale Prozesse zu för-dern.« Kurz: Kinderfußball soll keine Kopie des Erwachsenenfußballssein. Was in der Kita und den ersten Grundschuljahren noch funktio-nieren mag, ist im Vereinsleben und Punktspielbetrieb oft nur nochfrommer Wunsch. Auch dort regieren früh Leistungsprinzip und Ausle-semechanismen – etwa wenn Kindermannschaften auseinandergerissenwerden, um schon die Kleinsten nach Spielstärke zu sortieren.

Die Auswüchse wie Beleidigungen, Spielabbrüche bis hin zu gewalt-tätigen Auseinandersetzungen sieht der Erlanger SportwissenschaftlerMatthias Lochmann, der am Aufbau der DFB-Stützpunkte beteiligt war,als Folge des Systems: »Diese nicht gewollten Verhaltensweisen von Kin-dern, Trainern und Eltern werden durch die bestehenden Wettspielfor-men regelrecht provoziert, das Gewinnenwollen schon in kleinsten Jahr -gangsstufen unterläuft massiv die Bemühungen von Tausenden enga-gierten Menschen. Es ist aus meiner Sicht der stärkste Bremsklotz fürdie Weiterentwicklung des Fußballs in Deutschland überhaupt.« Diegrößte Reform des Kinderfußballsystems der letzten Jahrzehnte gingnicht vom DFB oder der Sportwissenschaft aus, sondern von einem frus-trierten Vater, der von pöbelnden Eltern und überambitionierten Trai-nern genug hatte. Wie auf einen Regelkreislauf guckte der Klima -techniker Ralf Klohr auf das Spielfeld und erfand die drei Regeln für dieFair-Play-Liga: Eltern halten Abstand, es gibt keine Schiedsrichter, dieTrainer kooperieren. »Es geht um einfache Lösungen«, sagt Klohr. »Das

51Wie der Verband die Nachwuchsförderung aufgebaut hat

Spitzen-spieler

Spitzen-spieler

Perspektiv-spieler

B-/A-Junioren

D-/C-Junioren

F-/E-Junioren

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Ab 30 Jahre

21–29 Jahre

17–20 Jahre

15–18 Jahre

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7–10 Jahre

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Stabilisieren vonHöchstleistungen

Perfektionieren vonHöchstleistungen

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Lernen

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3–6 Jahre

Page 28: Lorenzen und Marwedel: Die Zukunft des Fußballs

Konzept hat sich nie geändert und lässt sich im bestehenden Systemohne Aufwand umsetzen.« Der DFB war offen genug, die Fair-Play-Ligaals Spielform bis zur E-Jugend zu empfehlen. Mittlerweile wird das Er-folgsmodell Fair-Play-Liga auch in der Schweiz und den Niederlandenpraktiziert.

Dass der Kinderfußball trotz demografischen Wandels boomt, liegtauch an den zahlreichen Maßnahmen des DFB und seiner Landesver-bände. Erzieher/-innen und Lehrer/-innen wurden fortgebildet, Koope-rationen mit Schulen im Ganztagsunterricht eingegangen, Mädchen-fußball und Integration gefördert sowie zahlreiche Trainer/-innen aus-gebildet. Es wird verstärkt die Aufgabe des Kinderfußballs sein, mit klei-nen Feldern und vielen Ballkontakten drei Trends aufzufangen:

– die motorischen Fähigkeiten von Kindern gehen zurück,– in zehn Jahren wird es 15 Prozent weniger Zehnjährige geben

als heute, – ab der D-Jugend steigen viele aus. Einen der Hauptgründe für den Drop-out sieht Matthias Lochmann

darin, »dass der Übergang vom Kinder- zum Erwachsenenfußball nochimmer nicht kind- und jugendgemäß ausgestaltet ist«.

Im Dauercasting – die Stützpunkte

Bis zu 150.000 Kinder pro Jahr halten bis zur D-Jugend durch und gera-ten so in den direkten Zugriff des DFB-Talentförderprogramms, das einflächendeckendes Netz aus Sichtungsmaßnahmen über die 11– bis 14-jährigen Jungen und Mädchen spannt (siehe Zahlen). Im Netz hängenbleiben zwei bis vier Prozent eines Jahrgangs: 5000 11-Jährige, 4000 12-Jährige, 3000 13-Jährige und 2000 14-Jährige.

Jeden Montagabend treffen sich also bundesweit 14.000 Jugendlichezu einer zusätzlichen Trainingseinheit, in der die individuellen Stärkengefördert werden sollen. Dazu kommen gemeinsame Trainingsschwer-punkte, die von den 29 Koordinatoren mit der sportlichen Leitung desProgramms erarbeitet werden. Zur Leistungsdiagnostik wird halbjährlichein sportmotorischer Test durchgeführt (siehe Kapitel Die gläserne Kugel,S. 70 ). Die Leistungsdaten aller Talente und Trainer sind in einer Da-tenbank erfasst. 95 Prozent der 1300 Honorartrainer in den Stützpunk-ten besitzen eine Fuß balllehrer-, A- oder B-Lizenz. Zweimal pro Jahrwerden sie durch den Koordinator, den Landesverband und den DFBfortgebildet.

Die talentiertesten Mädchen haben ebenfalls die Möglichkeit, am

52 Der Hightech-Fahrstuhl des DFB

Page 29: Lorenzen und Marwedel: Die Zukunft des Fußballs

53Wie der Verband die Nachwuchsförderung aufgebaut hat

Stützpunkttraining teilzuneh-men. Insgesamt machen Mäd-chen und jun ge Frauen dortallerdings nur einen geringenAnteil aus. Einige Landesver-bände haben eigene Mädchen-Stützpunkte eingerichtet.

Zunehmend verstehen sichdie Stützpunkte als Servicecen-ter, die den Vereinen ihr Know-how zur Verfügung stellen.Kernpunkt der Zusammenarbeit sind die halbjährlichen Infoabende fürTrainer, deren Inhalte ebenfalls zentral vorgegeben sind. Sie sollen dieQualität der Trainingsarbeit in den Vereinen stärken und die übergrei-fende Spielphilosophie flächendeckend einbauen.

Eine besonders wichtige Funktion innerhalb des Gesamtsystemshaben die Stützpunkte als Sichtungsbecken für die Leistungszentren derProfiklubs. Die führen zwar auch selbst Sichtungen durch und versu-chen, über enge Kooperationen zu Partnerklubs der Region Talente frühan sich zu binden. Durch das Stützpunktsystem haben sie aber auch Ju-gendliche, die sich später entwickeln, weiter entfernt wohnen oder eineZeit lang aus anderen Gründen durch ihr Sichtungsraster fallen, bis zumAlter von 14 Jahren konzentriert im Blick.

In der Schmiede – die Leistungszentren

Ein wesentliches Ergebnis des Sputnik-Schocks im deutschen Fußballwar die verpflichtende Einführung von Nachwuchsleistungszentren inder Ersten und Zweiten Bundesliga. Aktuell führen neben den 36 Lizenz-vereinen auch elf Vereine der dritten Liga und sieben Vereine in den Re-gionalligen ein anerkanntes Leistungszentrum. Dort haben die D- undC-Jugendlichen ungefähr vier- bis sechsmal pro Woche Training, die B-und A-Jugendlichen sechs- bis achtmal. Die U15-Regionalligen sowie dieU17- und U19-Bundesliga bieten einen professionellen Spielbetrieb.

Zur Unterbringung auswärtiger Spieler sind den meisten Leistungs-zentren Internate angeschlossen. Die DFL empfiehlt zwar, Jugendlicheerst ab 15 Jahren dort aufzunehmen, aber die Jagd nach Toptalenten hatin den letzten Jahren immer wieder zu Fällen geführt, in denen Spielerfrüher ins Internat gezogen sind.

Seit 2008 werden die Leistungszentren von DFB und DFL zertifiziert.

U14/U15

U16/U17

U18/U19

Senioren Bun

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Leistungs-zentren

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TalentförderprogrammTalentförderprogrammU12/U13

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U12/U13Talentförderprogramm

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Talentförderprogramm

Junioren - SeniorenÜbergang

Page 30: Lorenzen und Marwedel: Die Zukunft des Fußballs

Dabei werden alle infrastrukturellen, personellen, organisatorischen undsportlich-konzeptionellen Details mithilfe eines festgelegten Kriterien-katalogs überprüft und mit einem bis drei Sternen bewertet.

Um die hohen sportlichen mit den schulischen Anforderungen in Ein-klang zu bringen, müssen die Leistungszentren eng mit Partnerschulenkooperieren. Mittlerweile sind 35 Schulen zu Eliteschulen des Sports um-gebaut worden. Diese gehen zeitlich, inhaltlich und persönlich auf dieBelange der jungen Spitzensportler ein. Rund 1800 Spieler und 200 Spie-lerinnen werden dort durch Training im Rahmen des vormittäglichenSchulunterrichts zusätzlich gefördert.

Ganz oben – Deutsche Tugenden 2.0

Parallel zu Stützpunkten und Leistungszentren läuft die Talentförde-rung der Landesverbände. Diese findet hauptsächlich in den Landes-Aus-wahlmannschaften statt. Diese Teams erfassen dabei die besten Spielerder regionalen Förderzentren und -programme, um sie systematisch aufdie jeweiligen Sichtungsturniere des DFB als nächste Förderstufe vorzu-bereiten. Im Idealfall kooperieren die Verbandstrainer eng mit den Stütz-punkt- und Vereinstrainern.

Eine weitere Aufgabe der Landesverbände besteht zunehmend darin,einen »zweiten Bildungsweg« für talentierte Spieler zu schaffen, die mit15 Jahren das Stützpunktsystem verlassen, ohne in einem Leistungszen-trum gelandet zu sein. In Niedersachsen etwa werden solche Spieler überRegionalauswahlen weiter individuell gefördert und erhalten so dieChance, sich weiterzuentwickeln und präsentieren zu können.

Die höchste Stufe des DFB-Ausbildungsprogramms stellen die U-Na-tionalmannschaften dar mit regelmäßigen Lehrgängen, Spielen und Tur-nieren. Hier werden die Trends und Philosophien erarbeitet, die für dasganze Fördersystem maßgeblich sind. »Alle Trainer im deutschen Leis-tungsfußball benötigen eine einheitliche Spielauffassung als Orientie-rung für Training und Spiel«, lautet die offizielle Leitlinie. An der Spitzeder Kaskade steht DFB-Sportdirektor Hans-Dieter »Hansi« Flick, der fürdie aktuelle Orientierung den Begriff »Deutsche Tugenden 2.0« kreierte.Traditionelle Werte wie »mannschaftliche Geschlossenheit, starke Physis,Disziplin, Respekt, Zielstrebigkeit und Verlässlichkeit« treffen auf mo-dernen Fußball.

»Wir wollen aktiv sein, das Spiel bestimmen, Ballbesitz haben, Tore er-zielen«, so Flick. »Daraus ergeben sich Leitsätze. Für die Defensive zumBeispiel: ›Antizipieren statt spekulieren‹. Oder für die Offensive: ›So tief

54 Der Hightech-Fahrstuhl des DFB

Page 31: Lorenzen und Marwedel: Die Zukunft des Fußballs

wie möglich, so breit wie nötig spielen‹. Am Ende gehe es darum, die Spie-ler mit Handlungsempfehlungen in die Lage zu versetzen, möglichst vieleSituationen auf dem Platz möglichst optimal lösen zu können.«

Das Talentfördersystem des DFB soll also sowohl die individuelle Ent-wicklung der Spieler fördern als auch eine einheitliche Spielauffassungvon der Spitze bis zur Basis durchsetzen. Eine knifflige Aufgabe für diefast 2000 Juniorentrainer in Leistungszentren, Verbänden und Stütz-punkten, für deren Qualifizierung zahlreiche Projekte angeschoben wur-den. Einige haben in den letzten Jahren den Sprung ins Profigeschäftgeschafft, wie Thomas Tuchel, André Schubert, Viktor Skripnik oder Ju-lian Nagelsmann.

Das Talentfördersystem wird hin und wieder auch als »Fahrstuhl« be-zeichnet. Das Hightech-Modell des DFB bringt jedes Jahr rund 500 Ta-lente in die U19-Bundesliga. Der letzte Schritt zum Profi ist derschwerste.

55Wie der Verband die Nachwuchsförderung aufgebaut hat

Gesamtmitglieder DFB: 6,9 Mio.

Junioren bis 14 Jahre: ca. 1,7 Mio.Junioren 15–18 Jahre: ca. 0,52 Mio.Mädchen bis 16 Jahre: ca. 0,34 Mio.Lizenzspieler Erste u. Zweite Bundes-

liga (Männer): 1007davon in Deutschl. ausgebildet: 665

Altersdurchschnitt: 24,5 Jahre

Altersklassen im Jugend-fußball G-Junioren (Bambini/U7)F-Junioren (U9/U8)E-Junioren (U11/U10)D-Junioren (U13/U12)C-Junioren (U15/U14)B-Junioren (U17/U16)A-Junioren (U19/U18)

DFB-Stützpunkte: 366Talentsichtungen pro Jahr: ca. 600.000Stützpunktspieler: ca. 14.000

(U12 bis U15), je 2,5–4 % des JahrgangesStützpunkttrainer: ca. 1300 HonorartrainerLeistungszentren: 54 (36 x Erste u. Zweite Bundesliga,

11 x Dritte Liga, 7 x Regionalliga)Spieler in Leistungszentren: ca. 8000 (U12–U23)Hauptamtliche Trainer im Nachwuchsbereich:

29 Stützpunktkoordinatoren, 52 Verbandstrainer sowie ca. 260 hauptamtliche (plus ca. 380 nebenamtliche) Trainerin den 54 Leistungszentren Eliteschulen des Sports: 35

Zahlen zur Nachwuchsförderung

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Ich weiß, was ich kannGespräch mit Nic Kühn, 16, über seinen Weg zum Profi

Zeit ist für Leistungssportler ein kostbares Gut. Auch für Nic Kühn (siehe Porträt auf S. 47), der seit Sommer 2015 bei der U17 von Red BullLeipzig im Sturm spielt. Kurz nach seinem Weihnachtsurlaub beginntschon das Trainingslager der U16-Nationalmannschaft in La Manga. Fürdieses erste lange Interview seiner jungen Laufbahn nimmt er sich trotz-dem noch viel Zeit: höflich, zurückhaltend, aber schon erstaunlich klarund selbstbewusst.

Wie war es, in den Weihnachtsferien zu Hause zu sein?Es war gut, mal wieder den Kopf vom Fußball frei zu bekommen.

Wie sieht denn dein Tagesablauf im Internat aus?Ich habe siebenmal in der Woche Training und dann noch Spiele am Wo-chenende. Zweimal in der Woche trainieren wir von acht bis kurz vorzehn. Dann fahre ich bis 14.10 oder 15.40 in die Schule. Um 16 Uhr tref-fen wir uns zum Nachmittagstraining, das geht ungefähr bis 19 Uhr. Da-nach gehen wir manchmal noch zur Behandlung durch die Physios oderzweimal in der Woche zur Nachhilfe. Abends sind wir meistens auf denZimmern und essen noch zusammen.

Wofür bleibt denn noch Zeit außer Fußball, Schule und hin und wiederein Computerspiel?

Donnerstagnachmittag haben wir frei, da gehen wir zusammen essenoder ins Kino.

Auch abends noch mal in die Stadt?Das kann nach dem Training schon mal vorkommen, aber um 21.30 Uhrmüssen wir zurück sein.

Wie empfindest du diese Belastung für einen 15- bis 16-Jährigen?Manchmal ist das schon schwer, aber wir haben uns ja alle für den Wegentschieden, wir sind ja nicht gezwungen, das zu machen. Wir wollen alleoben ankommen, dann muss man eben mehr tun als die anderen.

90 Ich weiß, was ich kann

Page 33: Lorenzen und Marwedel: Die Zukunft des Fußballs

91Gespräch mit Nic Kühn, 16, über seinen Weg zum Prof i

Page 34: Lorenzen und Marwedel: Die Zukunft des Fußballs

Einer von 48 – das Leben im Internat

Gibt es Freundschaften im Internat?Ja, mein Zimmernachbar, mit dem ich mir ein Bad teile, ist vor einemJahr von Hannover zu Leipzig gewechselt. Mit dem bin ich schon ein paarJahre befreundet. Andere, die jetzt neu verpflichtet wurden, kenne ichschon von Lehrgängen und aus der Nationalmannschaft.

Wie sieht euer Training aus?Unterschiedlich. Anfang der Woche ist das eher lockerer, wegen den Spie-len am Wochenende mehr Ballarbeit. Mitte der Woche beginnt die Vor-bereitung aufs nächste Wochenende. Dann wird es schon intensiver, wirgehen langsam in die Zweikämpfe und in die Spielformen. Und am Frei-tag im Abschlusstraining gehen wir noch mal in die Standards undhaben Spaß, machen das Abschlussspiel und viel Torschuss.

Wie sind die Unterschiede zu Hannover 96 und dem FC St. Pauli?Hier ist es viel intensiver, ich arbeite auch viel mehr taktisch. Und es istdisziplinierter, da achtet das gesamte Umfeld drauf. Es ist unserem Nach-wuchsleiter sehr wichtig, wie wir mit anderen Leuten umgehen.

Wie sollt ihr mit ihnen umgehen?Respektvoll, auch außerhalb des Spielfeldes.

Hast du wahrscheinlich vorher auch schon gemacht, oder?Ja, schon, aber da wird noch mal extra drauf geachtet. Im Internat habeich mit mehr Leuten Kontakt als in Hannover. Da war ich mehr für mich,das geht jetzt nicht mehr.

Und wie findest du das? Eher als Bereicherung oder Einengung?Manchmal denke ich schon, dass ich eine Pause bräuchte von dem Gan-zen, aber insgesamt ist das, glaube ich, eine gute Erfahrung.

Es gibt ja Kritiker des Nachwuchssystems, die befürchten, dass Jugend-liche im Internat eines Leistungszentrums vieles verpassen, was anderein dem Alter erleben. Wie siehst du das?

Vor dem Internat habe ich viel mitbekommen, was noch so läuft. Jetzthabe ich mit 47 anderen Jugendlichen zu tun und kriege ja auch mit, wasdie denken und erleben. Ich denke nicht, dass das ein Problem ist.

Hast du dir die Frage gestellt, ob das Internat der richtige Schritt ist,oder war das völlig klar für dich, das zu machen, wenn du die Chancebekommst?

Es war wirklich nicht einfach, von zu Hause, von meiner Mutter wegzu-gehen. Aber im Endeffekt fand ich es eine gute Idee.

Hast du manchmal noch Heimweh?Ja.

92 Ich weiß, was ich kann

Page 35: Lorenzen und Marwedel: Die Zukunft des Fußballs

Wie geht es den anderen?Viel bekomme ich davon nicht mit, dass andere starkes Heimweh haben,aber immer mal wieder, dass einer alles versucht, nach Hause zu kom-men.

Gibt es eine übergeordnete taktische Linie im Verein?RB verfolgt einen Plan, mit frühem Drauflaufen und schnellem Fußballnach vorne. Jede Mannschaft von der U9 bis zur U19 kriegt mit, wie wirspielen sollen, und dem müssen wir folgen.

Nachwuchsstar mit eigenem Kopf

Wie ist dir diese Philosophie denn vermittelt worden?Von unserem jetzigen Trainer Robert Klauß – als wir zum ersten Mal sorichtig mit der Mannschaft auf dem Platz waren. Da ging es los mit demAnlaufen, Ansprinten, Vorchecken, das waren alles neue Begriffe fürmich. Konterfußball und Drauflaufen, das kannte ich vorher noch nicht.

Was habt ihr vorher für einen Fußball gespielt?Vorher habe ich mehr mit Spaß gespielt. Das ist eine ganz andere Philo-sophie als in Hannover. Dort will man mehr, den Ball laufen zu lassen,versuchen, das Spiel aufzuziehen. RB will eben schnellen Fuß ball spielen,schnell nach vorne reinspielen, viele zweite Bälle, Tore machen. Daskommt mir aber auch entgegen, da eine meiner Stärken meine Schnel-ligkeit ist. Es ist anders, aber es ist gut, das kennenzulernen.

Kommt denn Ralf Rangnick auch mal vorbei und erzählt euch etwas dar -über?

Erzählen nicht, aber er versucht so häufig es geht, auch bei Spielen vonuns zuzugucken. Er kommt dann auch zu den Halbzeitansprachen mitin die Kabine, hält sich da aber eher im Hintergrund.

93Gespräch mit Nic Kühn, 16, über seinen Weg zum Prof i

Page 36: Lorenzen und Marwedel: Die Zukunft des Fußballs

Deckt sich der Fußball, den ihr spielt, mit deinen Vorstellungen, odermusst du dich manchmal auch dazu zwingen?

Ich spiele schon mehr meinen Fußball, ich lasse mich von der Philoso-phie nicht so groß beeinflussen.

Wie ist denn dein Fußball?Ich bin keiner, der ständig nur draufläuft, sondern auch mal abwartet,der nicht die ganze Zeit durcharbeitet, sondern in den entscheidendenMomenten gefährlich auftaucht. Ich will halt immer gewinnen.

Das wollen doch alle, oder?Ja, schon, aber manchmal will ich das mehr als andere.

Gerade in Jugendmannschaften muss man sich ja oft entscheiden: Spie-len wir so, dass wir etwas lernen, oder spielen wir so, dass wir gewinnen,das ist ja nicht immer das Gleiche. Hast du das Gefühl, dass zu wenigauf den Sieg geachtet wird?

Manchmal wird, glaube ich, zu viel auf den Sieg geachtet. In Hannoverwar Steven Cherundolo mein letzter Trainer, der hat mehr auf das Spie-lerische geachtet und nicht so sehr auf das Ergebnis. Er hat mir immergesagt, ich soll diese Eins-gegen-drei- oder Eins-gegen-vier-Situationensuchen und auch annehmen. Bei RB geht es eben mehr um schnellenFußball, und im letzten Drittel soll ich diese Aktionen machen. Der Fuß-ball in der U17 ist eben auch viel schneller als in der U15.

Und wenn du mal mehr so handelst, wie du es dir vorstellst, gibt es dannauch mal einen kleinen Disput auf dem Platz?

Ja, es kann sein, dass der Trainer etwas sagt, aber wenn es klappt, sieht erdas halt ein.

Verstehen deine Mitspieler deine Spielweise?Ja, es gibt auch noch andere, die auch andere Ideen haben als dieses Spiel.Darüber unterhalten wir uns auch außerhalb, dass nicht alle gleich den-ken. Wir versuchen unser Bestes und probieren auch, weiter so zu spielen,wie wir das für richtig halten.

Gibt es denn eine Offenheit für eure Ideen?Klar, die wollen ja auch eigentlich, dass wir unseren Fußball spielen unddadurch dazulernen. Wir können ja nicht alle nach einem System ausge-bildet werden.

Vorbilder in Barcelona

Welchen Fußball guckst du dir denn am liebsten an?Das ist auf jeden Fall Barca, das ist auch mittlerweile mein Lieblingsver-ein. Die spielen Fußball, wie ich mir das vorstelle, wie wir früher auf dem

94 Ich weiß, was ich kann

Page 37: Lorenzen und Marwedel: Die Zukunft des Fußballs

Bolzplatz. Neymar, Messi, Suárez, die bringen das alle mit. Das bringtSpaß, da zuzugucken.

Dein Vater hat mir erzählt, dass ihr schon mehrfach in Barcelona gewe-sen seid und du da oft auf dem Johan-Cruyff-Campus gespielt hast.

Wir treffen uns dann abends und machen Viererteams, einer geht insTor, und dann spielen wir bis zwei, und der Verlierer geht vom Platz. Wirhatten da ein deutsches Team. Da sieht man dann, dass die Spanier nichtso viel Wert auf das Körperliche und die Schnelligkeit legen wie wir inDeutschland, es geht viel um Technik und schönen Fußball, ums Tun-neln und Spaß haben. Gegen uns haben sie dann gesehen, wie man auchFußball spielen kann, indem es auch körperlich zugehen kann.

Wenn Menschen so an dich glauben wie deine Familie, empfindest dudas eher als Druck oder Ansporn?

Das freut mich schon, aber ich lass mich davon nicht richtig beeinflus-sen. Ich versuche einfach, mein Spiel durchzubringen.

Sind deine Mitspieler auch schon so klar sortiert im Kopf?Nicht alle, einige machen sich viel zu viel Druck, sind dann unkonzen-triert und können ihre Qualität nicht durchbringen. Beim Länderturnierin Duisburg hat sich ein Mitspieler zum Beispiel dauernd gesagt: »Ichwerde eh’ nicht wieder eingeladen.« Und so hat er dann auch gespielt. Erhatte Angst, Fehler zu machen, und hat sich nicht getraut, irgendwas zuversuchen. Dann habe ich als Kapitän mit noch einem anderen, der auchmal Kapitän war, ein Gespräch mit ihm geführt, dass er es sich nicht soschwer machen soll.

Dein Vater hat mir vor unserem Gespräch eine Szene vom Länderturnierin Duisburg erzählt, in der seiner Meinung nach dein Talent besondersdeutlich wird. Ahnst du, welche Szene er meint?

Ja, wie ich zum Torwart renne.Wie erinnerst du dich an die Szene?

Ich habe nur auf den Pass vom Außenverteidiger zum Torwart gewartetund hinter dem Innenverteidiger gelauert. Als er dann zum Pass ange-setzt hat, bin ich losgesprintet und habe den Ball vor dem Torwart be-kommen. Dadurch, dass ich nach innen gezogen bin und den Verteidigeran mir vorbeirutschen ließ, sah das Tor dann noch etwas schöner aus.

(Zeigt die Szene auf dem Smartphone)Siehst du das selbst auch so, dass dich diese Fähigkeit, Situationen vor-herzusehen, von anderen unterscheidet?

Ja, ich weiß nicht, ob andere das auch so sehen würden, aber ich denke,das ist schon eine Stärke. Wenn etwas nicht richtig läuft und keiner rich-tig zum Ball geht, denke ich oft, das hätte man schon vorher sehen kön-nen – jedenfalls aus meinem Blickwinkel.

95Gespräch mit Nic Kühn, 16, über seinen Weg zum Prof i

Page 38: Lorenzen und Marwedel: Die Zukunft des Fußballs

Was sind noch deine Stärken?Schnelligkeit, Torabschluss, Blick fürs Spiel, Leute in Szene zu setzen.

Vertrauen ist wichtig

Wo kommt dein Selbstvertrauen her?Das hat sich über die letzten Jahre entwickelt. Ich weiß halt, was ich kann,was ich schaffen kann, und das versuche ich durchzuziehen. Man musssich ja Ziele setzen. Mir fällt das leicht.

Was war denn dein erster Bolzplatz? Der Garten?Ich habe schon mit drei Jahren im Verein gespielt. Meine Mutter hat mirerzählt, dass wir vorm Kindergarten standen, und da hat einer einen Pro-spekt von einer Jugendmannschaft verteilt. Da hat sie mich gefragt, obich das probieren will, und dann sind wir da hingefahren.

Seitdem hatte dein Fußballerleben ja schon ganz schön viele Statio-nen.Wenn du mal zurückblickst, wo hast du am meisten gelernt?

Ganz wichtig war mein erster Trainer bei Hannover 96, Tim Hoffmann,der hat das erste Mal das Taktische hereingebracht und mir mehr zuge-traut als andere. Mit dem habe ich immer noch Kontakt, der hat mir vielvon dem beigebracht, was ich jetzt noch brauche.

Wie kam denn der Wechsel nach Leipzig zustande?Angefangen hat es eigentlich mit den Sponsoren, Adidas und Nike, unddann kamen viele Vereine, die bei meinem Berater und meiner Mutterangerufen haben. Am Ende fiel die Wahl zwischen Bayern München, Le-verkusen und Leipzig – die haben wir uns näher angeguckt. In Leipzigist es ziemlich familiär, und es gibt die Möglichkeit, weit zu kommen.Was die da aufbauen, auch von den Trainingsmöglichkeiten her, gehtnicht besser in Deutschland.

Was möchtest du in dem anstehenden Trainingslager in La Manga er-reichen?

Ich möchte wieder gut auffallen – und mein Spiel mehr durchbringen.Nicht nur als zweite Spitze oder Außenflügel abgestempelt werden. BeimLänderspiel in Österreich hatten wir einen Trainer, der hat mir richtigviel zugetraut, so wie Steven Cherundolo in Hannover, da habe ich gleichim ersten Spiel zwei Tore gemacht. Vertrauen ist wichtig.

Auf welcher Position siehst du dich langfristig selbst?Als Mittelstürmer. Aber nicht als klassischen Neuner, mehr als fallendeSpitze, der auch mal über die Flügel kommt, der sich den Ball abholt.Aber beim DFB bin ich durch meine Schnelligkeit momentan mehr aufden Außenflügeln. Das spiele ich dann auch, muss ich.

96 Ich weiß, was ich kann

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Aber reden kann man mit den Trainern darüber?Ja, das wollen sie auch.

Wo siehst du dich in vier Jahren?Auf jeden Fall im Profifußball, das will ich auf jeden Fall schaffen, spä-testens in vier Jahren. Am liebsten in einem Champions-League-Verein,wo ich gegen die Besten spielen kann.

Glaubst du, dass sich der Fußball bis dahin noch mal verändern wird?Es wird schon noch mal ein bisschen schneller und taktischer, aber ichgehe da mit.

Was fehlt dir noch?Einiges, ich kann eigentlich alles noch verbessern, es ist noch nichts fer-tig. Auf jeden Fall rechter Fuß, Kopfballspiel.

Welche Risiken siehst du noch auf deinem Weg zum Profi?Verletzungsgefahr, die ist immer da. Aber da darf man sich auch nichtzu viele Gedanken machen, dann spielt man unkonzentriert und zu vor-sichtig.

Was würdest du den heutigen Trainern im Umgang mit Talenten raten?Dass sie auf die Spieler eingehen und versuchen, sie zu verstehen. Mandarf ihnen nicht nehmen, eigene Sachen auszuprobieren. Dadurch lernensie ja, wenn sie sehen, was klappt und was nicht klappt.

Die schönste Szene

Welches ist der Spielzug, an den du denkst, wenn du nachts nicht ein-schlafen kannst?

Da haben wir mit der Niedersachsenauswahl gegen Bremen gespielt.Kurz vor Schluss habe ich den Ball nach einer Ecke im eigenen Sechszeh-ner bekommen und bin durchgegangen bis zum gegnerischen Sechszeh-ner und habe abgeschlossen. Der Torwart hat noch pariert, aber meinMitspieler hat den Nachschuss dann reingemacht.

Wie war das für dich, als die »Bild«-Zeitung dich in einer Schlagzeile als»Superbubi« bezeichnete?

Das kommt gar nicht so an mich heran.Aber du bist doch bestimmt angesprochen worden?

Ja, ganz, ganz viel, ein paar Tage lang. Auch in der Schule, da war ich janoch nicht gewechselt.

Und wie ist dein Wechsel aufgenommen worden?Manche waren schon traurig, mittlerweile finden es alle gut.

97Gespräch mit Nic Kühn, 16, über seinen Weg zum Prof i

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114 Ich gebe meinen Spielern Mitspracherecht

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Ich gebe meinen Spielern MitspracherechtGespräch mit U21-Nationaltrainer Horst Hrubesch

In Boostedt bei Neumünster gibt es ein Café in einem Supermarkt. Dortist zuweilen auch Horst Hrubesch anzutreffen, der 2015 aus der Nähevon Uelzen hierher gezogen ist – wegen seiner beiden Söhne und den En-keln, die in dieser Region leben. Auch für dieses Gespräch haben wir denfrüheren HSV-Star (zwei Meisterschaften, Europacup-Sieger der Landes-meister 1983, Europameister 1980 und Vizeweltmeister 1982) in diesemeher schmucklosen Café getroffen. Hrubesch ist keiner, der sich vielmacht aus edlem Interieur. Wichtiger sind ihm die »Lebewesen«, die ihmans Herz gewachsen sind. Die Dorsche, die er gern angelt, die Edelblut-haflinger, die er mit seiner pferdebegeisterten Frau Angelika züchtet. Undeben die talentierten Nachwuchsfußballer, denen er seit 2000 beim DFBauf die Sprünge zu helfen versucht. Zweimal mit besonders großem Er-folg: 2008 wurde er mit der U19-Nationalmannschaft Europameister, einJahr später mit der U21. Dieses Team hat die Weltmeister 2014 ManuelNeuer, Jérôme Boateng, Benedikt Höwedes, Mats Hummels, Sami Khe-dira und Mesut Özil hervorgebracht. Horst Hrubesch ist kein sogenann-ter Konzepttrainer, kein klassischer Mitarbeiter der heutigen Fußball-Ingenieurskunst. Er setzt eher auf »Ehrlichkeit« und »Klarheit«. Hru-besch kommt auch jetzt, so wie früher als Fußballprofi, direkt auf diePunkte, die ihm wichtig sind. Er weiß, dass einige Leute ihn als »Auslauf-modell« abqualifizieren. Aber es wird schnell klar, dass seine Lebens- erkenntnisse etwas Weises haben, die auf den Fußball angewandt werdenkönnen.

Ich habe kürzlich einen Satz gelesen von DFB-Trainer Christian Wück:Wer mit 17 oder 18 Jahren keine Profiluft geschnuppert hat, wird esnicht mehr schaffen.

Die erste schwere Hürde erfahren Spieler heute bereits mit zehn oderzwölf Jahren, wenn sie beispielsweise in einen höherklassigen Vereinwechseln wollen. Und wenn sie sich dort nicht durchsetzen konnten,muss man sie wieder auffangen, sonst verlierst du sie. Ich denke, dass essinnvoll ist, auch als Toptalent noch etwas länger im kleinen Verein zu

115Gespräch mit U21-Nationaltrainer Horst Hrubesch

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spielen. Dort spielen sie die erste Geige, laufen vorneweg und entwickelndabei ihre Persönlichkeit. Die eigene Persönlichkeit ist das Wichtigsteüberhaupt.

Was empfehlen Sie?Eine allgemeine Empfehlung kann man nicht abgeben. Besonders alsKind und Jugendlicher entwickelt man sich unterschiedlich schnell. Dereine entwickelt seine Persönlichkeit früher, kann und möchte Verantwor-tung übernehmen, der andere später. In den Jahren zwischen 14 und 18Jahren passiert im Leben junger Menschen so viel. Und das spielt aucheine große Rolle in der sportlichen Entwicklung. Entscheidend ist, dassdie Freude am Fußball nicht verloren geht und dass wir Geduld habenmit den jungen Spielern.

Was passiert bei einem frühen Wechsel zu einem Bundesligaklub?Wenn ich mit 11 oder 14 Jahren zu einem Bundesligisten wechsle, setzeich mich sofort großem Druck aus. Ich muss kämpfen, um zu bestehen.Man misst sich mit 20 anderen. Hinzu kommt die Frage: Ist es das adä-quate Training für mich? Was kriege ich für Spielmöglichkeiten? Wieviele Chancen kriege ich? Wenn man den Sprung an die Spitze im erstenhalben Jahr nicht schafft, wird es schon schwierig, weil das nächste Talentvor der Tür steht. Wir gehen heute davon aus, dass sich 16-Jährige mit17-Jährigen messen sollen, 17-Jährige mit 18-Jährigen. Wer in seinemJahrgang spielt, hinkt oft schon hinterher.

Plädoyer für den »zweiten Weg«

Und wo bleiben die, die es zu diesem Zeitpunkt noch nicht geschaffthaben?

Als ich meine DFB-Trainerlaufbahn vor 16 Jahren bei einem A2-Trai-ningslager in Duisburg begonnen habe, sichtete ich 30 bis 50 Spieler. Ichhabe aber immer gesagt, dass wir eigentlich weitere 30 hintendran habenmüssten. Das sind oftmals die Kleineren oder die, die im Dezember ge-boren sind und denen, die im Januar geboren wurden, fast ein ganzesJahr nachstehen. Diese Faktoren muss man berücksichtigen.

Diejenigen, die durch das Raster fallen, haben überhaupt keine Chancemehr?

Keine Chance will ich nicht sagen. Das Entscheidende ist: Sind sie in derLage, diese Rückschläge wegzustecken, wenn sie den Sprung nicht direktgeschafft haben? Manche geben vielleicht auf. Es gibt unzählige Beispielevon heutigen Bundesligastars, die es beim ersten Anlauf im Profivereinnicht geschafft haben. Unabhängig davon plädiere ich schon seit langem

116 Ich gebe meinen Spielern Mitspracherecht

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für einen sogenannten »zweiten Weg«, zum Beispiel über die Auswahl-mannschaften der Landesverbände. Ich habe im Jahr 2013 in Süd, Nord,Ost und West bei einem Viererturnier Spieler ausgesucht. Drei oder vierLeute sind danach in die Zweite Bundesliga gegangen. Damit hat sich be-wahrheitet, dass da noch welche sind, die es in den Profifußball schaffen.

Werden Sie gehört mit Ihrer Forderung nach der zweiten Ebene?Gehört schon. Aber das zu finanzieren kostet natürlich. Heute werdenetwa zehn Millionen Euro pro Jahr in den Nachwuchs gesteckt. MeinerMeinung nach reicht das nicht.

In Barcelona sind flächendeckend in der Stadt kleine Spielfelder ent-standen, sie heißen nach ihrem Erfinder Cruyff-Campus.

Allein die Spielfelder werden nicht reichen. Du schaffst Voraussetzungen,das ist wichtig, keine Frage. Wir haben in Deutschland nach der WM2006 ja auch 1000 Minispielfelder gebaut. Das Gleiche haben sie in Dä-nemark, Norwegen und Island gemacht.

Zurück zu Ihrer Arbeit als Trainer. Sie benötigen Führungsspieler, Team-player und Individualisten. In welchem Verhältnis brauchen Sie die,damit eine Mannschaft funktioniert?

Der Schlüssel liegt in der Führung auf dem Platz. Ich kann zwar die An-leitung vorgeben, aber auf dem Rasen muss jemand die Verantwortungübernehmen und sie auch umsetzen. Außerdem geht es darum, dass dualle Positionen doppelt und dreifach besetzt hast. Also: Wie fügst du einTeam zusammen? Gewichtest du die qualitativen Stärken, die Einzelnemitbringen, oder investierst du die Zeit eher, dass eine Mannschaft ge-formt wird? Meiner Meinung nach ist das Gefüge das Wichtigste.

Und was ist mit den Egoisten?Die gibt es natürlich auch im Fußball. Zu ihnen sage ich: »Pass auf, wirkönnen ohne dich spielen, aber du kannst nicht ohne uns spielen!« Wieviele Verrückte verträgst du in einer Mannschaft? Als Trainer weißt du,die können den Unterschied ausmachen. Aber wenn zu viele davon aufder Bank sitzen, hat man ein Problem. Die Frage ist: Was lässt du durch-gehen, was nimmst du ihnen weg? Womöglich nimmst du ihnen aucheinige Stärken. Solange die am oberen Level spielen, nimmt es fast jedeMannschaft hin.

Was ist jemand bereit, für die Karriere zu tun?

Woran erkennt man, ob es einer wirklich schaffen will?Ich sage oft: Du willst Profi werden, du kriegst schon als 16- oder 18-Jäh-riger Geld. Aber was bist du bereit, dafür zu tun? Bist du bereit, auch mal

117Gespräch mit U21-Nationaltrainer Horst Hrubesch

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für die anderen durchs Feuer zu gehen? Bist du ehrlich? Bist du bereit,alles dafür zu tun? Aber natürlich müssen sie auch wissen: Wenn ich Pro-bleme habe, mit wem kann ich reden? Wenn ich jemanden frage, will ichauch eine Antwort haben, ganz offen. Wenn du nachher als Trainer dasi-Tüpfelchen haben willst, dann brauchst du diesen Geist in der Mann-schaft. Aber man muss bedenken, diese Spieler stecken alle noch in ihrerEntwicklung.

Wie ist das mit der Persönlichkeitsentwicklung? Emre Can hat sich vorder U21-EM nach dem Motto geäußert: Wir gewinnen alles. Klingt ganzschön selbstherrlich.

Da sind wir wieder bei der berühmten Ehrlichkeit. Manchmal ist es ju-gendlicher Leichtsinn. Er hatte das Gefühl, irgendwie kriegen wir dashin, bis jetzt haben wir es immer hingekriegt. Zwei Jahre nicht verloren!Zur Ehrlichkeit gehört aber auch zu wissen: Wie habe ich gerade gewon-nen? Man muss jeden Tag wieder bei null anfangen.

Sind Sie autoritär?Ich gebe meinen Spielern ein Mitspracherecht. Die dürfen die Regeln fastalle selber machen, aber ich messe sie nach diesen Regeln. Ich sage kei-nem, wann er ins Bett gehen soll oder was er essen muss. Manchmal frageich »Meinst du, das ist das Richtige?« Und ich höre zu. Warum kommteiner jetzt zu spät? Das regelt die Mannschaft. Ich habe keine Geldstrafeneingeführt. Ich gucke nur hin und brauche sie nur zu erinnern. Sich ir-gendwo frei zu fühlen, aber trotzdem das Umfeld zu beachten – darumgeht es. Auch mal Danke schön sagen zur Kellnerin, oder zum Zeugwart:»Lass stehen, mach ich!«

Wie lernen die Jungs, wie sie verschiedene Probleme auf dem Rasenlösen können?

Sie lernen es auf unterschiedliche Weise. Und sie müssen lernen, es selbstzu regeln. Wenn ich in einer Situation stecke, die ich nicht bewältigenkann, kann das Spiel kippen. Dann ist es auch erlaubt, sich den Ball zuschnappen und ihn ins Aus zu befördern. Dann kann man sich neu sor-tieren. In der Spielgestaltung ist das Training natürlich wichtig. UnserHandicap bei den Nationalmannschaften ist, dass wir oft nur wenigeTage zusammen sind, um Automatismen zu entwickeln. Nur durch Be-obachtung und in Telefonaten kannst du fehlende Trainingseinheitennicht auffangen. Trotzdem ist wichtig, dass die Spieler wissen: »Du hastin mir einen großen Freund.« Ich gehe auch mit meinen Spielern Kaffeetrinken.

Aber Sie sind vielleicht auch ein bisschen anders als die heutigen Trai -ner …

Einige meinen ja, dass Leute wie ich Auslaufmodelle sind. Aber ich warne:

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Wenn du diese Auslaufmodelle nicht mehr hast, wirst du erst merken,was da los ist. Das ist nicht anders als im normalen Leben. Ich habenichts gegen Konzepte, ich habe auch nichts gegen Konzepttrainer; wenneiner eine Idee hat und sie umsetzt, finde ich das sehr gut. Aber er darfeins nicht vergessen: Es sind alles Lebewesen. Du musst sie auch lebenlassen.

Abkippende Sechs und diese neuen Begriffe sind bestimmt ein Grausfür Sie, oder?

Wir spielen noch immer einen Steilpass.Der Trainer Felix Magath hat damals bei Julian Draxler gesagt, Schulesei bei seinem Talent nicht so wichtig. Stimmen Sie Ihrem alten Mann-schaftskollegen zu?Nein, denn was passiert, wenn sich morgen einer das Bein bricht und

die Karriere vorbei ist, bevor sie begonnen hat? Und auch bei einem Fuß-ballprofi sind Schulausbildung und Schulabschluss sehr, sehr wichtig.Deshalb begleiten jeweils zwei Lehrer jede Maßnahme unserer Junioren-nationalmannschaften. Bei einem U21-Lehrgang in Kaiserau haben wirmit der U15 einen Smalltalk veranstaltet. Leon Goretzka hat den 14-Jäh-rigen gesagt: »Jungs, ich bin das erste Mal mit 14 oder 15 Jahren hier ge-wesen. Aber das Wichtigste ist, dass ihr die Schule abschließt. Ich habemein Abitur auch gemacht, sogar ein gutes, aber ich habe auch schon er-lebt, wie ich ein Jahr verletzt war. Was wäre gewesen, wenn?«

Was halten Sie von den Internaten?Viele Jungs wollen ins Internat. Sie müssen die Schule machen, am Nach-mittag ist Training. Sie haben die Reisen, spielen teilweise unter derWoche und dürfen weder auf dem Rasen noch in der Schule schlechtwerden. Auf einen Jungen, der den Traum hat, Fußballprofi zu werden,kommt sehr viel zu. Er muss auf vieles verzichten. Das Gleichgewicht imLeben darf man aber nicht verlieren. Ein 16-Jähriger, der nur Fußball undSchule hat, wird ja irre.

Ist der Stress zu groß?Die neue U21 ist etwa anderthalb Jahre jünger als die Vorgänger. Dassind alles 96er- und 95er-Jahrgänge. Die haben alle schon ihre ersten Bun-desligaspiele gemacht, teilweise sogar international mit ihren Klubs ge-spielt. Einige spielen schon im Rhythmus Samstag, Mittwoch, Samstag.Die Kunst ist, denen immer wieder Luft zu geben. Wenn ich mit denenzehn Tage zusammen bin, mache ich nach einem Spiel morgens nochRegeneration, dann gebe ich denen einen halben Tag frei. Lasse sie nachtsum zwölf wiederkommen. Die Spieler spüren das Vertrauen, und siehaben es bisher kein einziges Mal missbraucht.

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Tipps

• Wer sich über die Struktur, Ziele und Inhalte der Nachwuchsförderungund Trainerausbildung im deutschen Fußball weiter informieren möchte, wirdauf www.dfb.de, der Website des Deutschen Fußball-Bundes, mit ausführli-chem Material bedient. Auf die entsprechenden Inhalte führen vor allem dieUnterpunkte »Projekte und Programme« und »Der DFB«. Hier kommt manauch zum Bereich »Publikationen«, unter dem zahlreiche Broschüren undFlyer zum Thema heruntergeladen werden können.

Im Bereich »Talentförderung« gibt es u.a. eine interaktive Karte mit al-len Stützpunkten, Leistungszentren und Eliteschulen in Deutschland sowiedie Broschüre »Talente fordern und fördern« mit einer Gesamtdarstellung derNachwuchskonzeption. Der Unterpunkt »Landes- und Regionalverbände«enthält eine Adressliste aller Verbände, über die regionale Informationen zuFördermaßnahmen und Trainerqualifikationen zu bekommen sind.

• Die Website www.fairplayliga.de informiert speziell über den Kinder-fußball. Hier werden Regeln und Geschichte dieser neuen Spielform sowieneue Entwicklungen im Kinderfußball dargestellt.

Die taktische Seite des Fußballs – aber längst nicht nur – wird mit zahl-reichen Spielanalysen und Portraits bei www.spielverlagerung.de beleuchtet.Hier findet sich auch ein Taktiklexikon für alle, die gerade nicht zur Handhaben, was ein Nadelspieler ist.

Einen tieferen Einstieg in die Trainingsmethodik von Kindern und Ju-gendlichen mit zahlreichen Beispielen und Praxistipps bieten : Kinder- undJugendfußball – Ausbilden mit Konzept 1 und 2 (DFB-Fachbuchreihe).

Weitere Fallbeispiele von Profikarrieren im Talentfördersystem und ei-ne detailliertere Darstellung der Konzeption von Leistungszentren bietet dasBuch »Im Glanz des vierten Sterns« von Stephan Schmidt und Tim Steg-mann. Auch Uwe Harttgen, der in diesem Buch interviewte Vorsitzende derKommission Leistungszentren der Deutschen Fußballliga (DFL), hat seineDoktorarbeit als Psychologe unter dem Titel »…und dann werde ich dochProfi« herausgebracht.

Neue Diskussionen und Informationen im Themenbereich findetman ab jetzt in unserem Blog zur Zukunft des Fußballs. Zu finden unterblog.hamburgparadies.de. Dieses Blog ist unser Diskussionsangebot an alle,die auch unter den gegebenen Vermarktungsbedingungen des Fußballs nochFrei- und Spielraum für die Liebe zum Ball erhalten möchten.

Auf hamburgparadies.de sind auch die kompletten Interviews diesesBuches zu finden, sowie Ankündigungen zu Veranstaltungen mit den Auto-ren und Interviewpartnern.

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