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Bonner Enzyklopädie der Globalität Ludger Kühnhardt Tilman Mayer Hrsg. Band 1 und Band 2

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Bonner Enzyklopädie der Globalität

Ludger KühnhardtTilman Mayer Hrsg.

Band 1 und Band 2

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Ludger Kühnhardt · Tilman Mayer (Hrsg.)

Bonner Enzyklopädie der GlobalitätBand 1 und Band 2

in Zusammenarbeit mit Stephan Conermann, Markus Gabriel, Xuewu Gu, Marion Gymnich, Wolfram Hogrebe, Wolfram Kinzig, Wolfgang Kubin, Volker Ladenthin und Günther Schulz

[email protected]

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Landschaft

Winfried Schenk

I Begriffsdarlegung

Landschaft ist » eines der zentralen, vielfach verwendeten und daher äußerst unklaren Konzepte der europäischen Politik und Geistesgeschichte des letzten Jahrtausends «.1 Die folglich festzustellende Begriffsvielfalt von Landschaft ist dabei durchaus hilf-reich bei dem Bemühen, unterschiedliche Perspektiven und Vorstellungen etwa im Rahmen interdisziplinärer Forschungsvorhaben zumindest auf einer verbalen Ebe-ne als kleinstem gemeinsamen Nenner zu integrieren, oder man kann sie nutzen, im Kontext von raumbezogenen Planungsprozessen sektorale Perspektiven überwölben-de Diskussionen um räumliche Qualitäten zu stimulieren.2 In letzterem Fall wird dann allerdings eher in Abgrenzung zum Landschaftsbegriff des Naturschutzes der derzeit positiver besetzte Begriff der Kulturlandschaft verwendet, wie er sich im deut-schen Raumordnungsgesetz3 findet und mit der Definition von landscape im Zentral-

1 Susanne Hauser/Christa Kamleithner, Ästhetik der Agglomeration, Wuppertal: Müller + Busmann, 2006, Seite 74, zitiert nach Diedrich Bruns/Olaf Kühne (Hrsg.), Landschaften: Theorie, Praxis und internationale Bezüge, Schwerin: Oceano, 2013 (= InK_Landschaft – Institut für norddeutsche Kul-turlandschaft 5), Seite 15.

2 Winfried Schenk/Manfred Kühn/Markus Leibenath/Sabine Tzschaschel (Hrsg.), Suburbane Räume als Kulturlandschaften, Hannover: Akademie für Raumforschung und Landesplanung, 2012 (For-schungs- und Sitzungsberichte der Akademie für Raumforschung und Landesplanung 236), beson-ders Seite 378 ff.

3 Im Raumordnungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland (ROG) heißt es in § 2 (5) Grundsätze der Raumordnung: » Kulturlandschaften sind zu erhalten und zu entwickeln. Historisch geprägte und gewachsene Kulturlandschaften sind in ihren prägenden Merkmalen und mit ihren Kultur- und Naturdenkmälern zu erhalten. Die unterschiedlichen Landschaftstypen und Nutzungen der Teil-räume sind mit den Zielen eines harmonischen Nebeneinanders, der Überwindung von Struktur-problemen und zur Schaffung neuer wirtschaftlicher und kultureller Konzeptionen zu gestalten und weiterzuentwickeln. «; dazu Winfried Schenk, Aktuelle Verständnisse von Kulturlandschaft in der deutschen Raumplanung – ein Zwischenbericht, in: Bundesamt für Bauwesen und Raumord-

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017L. Kühnhardt und T. Mayer (Hrsg.), Bonner Enzyklopädie der Globalität, DOI 10.1007/[email protected]

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dokument der europäischen Landschaftspolitik, der European Landscape Conven tion von 2000 des Europarats weitgehend gleichzusetzen ist. Dort heißt es in Artikel  1: » Landscape means an area, as perceived by people, whose character is the result of the action and interaction of natural and/or human factors «.4

In der Begriffsvielfalt von Landschaft liegt aber auch eine Quelle fortdauernder Missverständnisse begründet. So ist es illusorisch, zu einem universalen und konsis-tenten Landschaftsbegriff zu gelangen.5 Zur Ordnung dieser Vielfalt und als Angebot zur Selbstverortung als Wissenschaftler und Planer bieten Gailing und Leibenath6 einen Orientierungsrahmen an (Abbildung 1). Sie erläutern ihn mit einer Fülle an Li-teratur und prägnanten Zitaten, während hier daran angelehnt lediglich die haupt-sächlichen Verständnisse von Landschaft herausgestellt werden sollen.7

Nr. 1 ist ein Landschaftsbegriff, der manchmal in der Landschaftsökologie oder der Physischen Geographie verwendet wird. Hier ist zu unterscheiden zwischen Landschaft als Raum, verstanden als › Container ‹, › Schachtel ‹ oder › Kasten ‹, » in dem alles drin ist, › was es da gibt ‹ – also Landschaft als › Inbegriff ‹ des › Zusammenbeste-

nung: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 5/2008, Seite 271 – 277 und Manfred Kühn/Rainer Danielzyk, Der Stellenwert der Kulturlandschaft in der Regional- und Raumplanung – Fazit, Aus-blick und Handlungsempfehlungen, in: Ulf Matthiesen/Rainer Danielzyk/Stefan Heiland/Sabine Tzschaschel (Hrsg.), Kulturlandschaften als Herausforderung für die Raumplanung: Verständ nisse – Erfahrungen – Perspektiven, Hannover: Akademie für Raumforschung und Landesplanung, 2006, Seite 288 sowie Winfried Schenk, Was meint › Kulturlandschaft ‹ in der Raumplanung und Regio-nalentwicklung ?, in: Verband Deutscher Schulgeographen und Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.), Kulturlandschaften in Geographie und Raumplanung. Bretten: Hirschdruck, 2009, Seite 12 – 15.

4 Council of Europe, European Landscape Convention (ECTS) (2000), online unter: www.coe.int/t/dg4/cultureheritage/heritage/Landscape (zuletzt aufgerufen am 12. 10. 2016).

5 Vgl. Ludger Gailing/Markus Leibenath, Von der Schwierigkeit, » Landschaft « oder » Kulturland-schaft « allgemeingültig zu definieren, in: Raumforschung und Raumordnung 2/2012, Seite 95 – 106.Sie gliedern diesen Beitrag nach folgenden Gegensatzpaaren: • Positivistische und essentialistische versus reflexivkonstruktivistische Landschaftsbegriffe • Landschaft als geschauter Raum versus Landschaft als gelebter Raum • Landschaft als Betrachtungsobjekt versus Landschaft als Art zu sehen • Landschaft als Ausschnitt der Erdoberfläche versus Landschaft als Bild • Normative versus deskriptive Landschaftsbegriffe • Subjektivistische versus objektivistische Landschaftsbegriffe • Holistische versus elementaristische Landschaftsbegriffe • Universelle versus individuelle Landschaftsbegriffe.

6 Aus Markus Leibenath/Ludger Gailing, Semantische Annäherung an » Landschaft « und » Kultur-landschaft «, in: Winfried Schenk/Manfred Kühn/Markus Leibenath/Sabine Tzschaschel (Hrsg.), Suburbane Räume als Kulturlandschaften, a. a. O., Seite 62.

7 Mein Dank gilt den beiden Autoren für die Erlaubnis, für die nachfolgenden Passagen auf ein älteres Manuskript des in der Fußnote 6 aufgeführten Aufsatzes zurückgegriffen haben zu dürfen. Es ent-stand im Rahmen des von mir geleiteten Arbeitskreises der Akademie für Raumforschung und Lan-desplanung » Suburbane Räume als Kulturlandschaften «, dessen Ergebnisse in dem vorab genannten Sammelband publiziert wurden.

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Landschaft 673

henden im Raume ‹, für alles, was es auf einem Stück Erdoberfläche überhaupt gibt «8 und Landschaft als Ökosystem.9

Nr. 2 beinhaltet alle Landschaftsbegriffe, die sich auf die Mensch-Umwelt-Bezie-hung beziehen.10 Dabei handelt es sich wohl um die überwiegende Mehrheit der Landschaftsbegriffe, die vor allem in historischen oder landschaftspflegerischen Zu-gängen häufig mit einem agrarischen Verständnis von Kultur (abgeleitet von latei-nisch colere = bebauen, pfleglich mit natürlichen Ressourcen umgehen, verehren) oder in kulturwissenschaftlich-soziologischen Disziplinen mit offenen, bisweilen konfligierenden Verständnissen von Kultur verbunden werden. Es entstehen so hy-bridisierte Begriffe von Landschaft mit dem Kompositum › Kultur ‹, welche vor allem dann mit Landschaft weitgehend synonym verwendet werden, wenn die anthropoge-ne Perspektive in Landschaft betont werden soll, was hier der Fall ist; in der obigen

8 Gerhard Hard, Zu den Landschaftsbegriffen der Geographie, in: Alfred Freiherr Hartlieb von Wallthor/Heinz Quirin (Hrsg.), › Landschaft ‹ als Interdisziplinäres Forschungsproblem, Münster: Veröffentlichungen des Provizialinstituts für Westfälische Landes- und Volksforschung, 1977, Seite 18.

9 Beate Jessel, Landschaft, in: Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.), Handwör-terbuch der Raumordnung, Hannover: Verlag der ARL, 2005, Seite 581.

10 Vgl. Detlev Ipsen, Landschaft als Raum nachhaltigen Handelns, in: Jürgen Friedrichs/Kirsten Hol-laender (Hrsg.), Stadtökologische Forschung, Berlin: Analytica, 1999, Seite 221.

Quelle: Markus Leibenath/Ludger Gailing, Semantische Annäherung an › Landschaft und Kulturlandschaft ‹, in: Winfried Schenk/Manfred Kühn/Markus Leibenath/Sabine Tzschaschel (Hrsg.), Suburbane Räume als Kulturlandschaften, a. a. O., Seite 62.

Abbildung 1 Orientierungsrahmen für (Kultur-)Landschaftsbegriffe

1. »Landschaft« als physischer Raum oder Ökosystem(komplex)

2. »(Kultur-)Landschaft« im Kontext der Mensch-Umwelt-Beziehung

Essentialistisch-ontologische Begriffe(basierend auf Beobachtungen erster Ordnung)

3. »(Kultur-)Landschaft« als metamorphorischer Ausdruck

4. »(Kultur-)Landschaft« als Kommunikat

Reflexiv-konstruktivistische Begriffe(basierend auf Beobachtungen zweiter Ordnung)

2.4. (K.-)Land-schaft als Symbol

2.1. Betonung physischer Aspekte

2.2. Betonung mentaler Aspekte

2.3. Betonung sozialer Aspekte

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Abbildung 1 und auch im nachfolgenden Text wird › Kultur ‹ deshalb in Klammern vor Landschaft gesetzt.

Je nach Perspektive auf die Mensch-Umweltbeziehungen werden unterschied liche Aspekte betont, wodurch sich die Unterbegriffe 2.1 bis 2.4 in Abbildung 1 ergeben:

2.1 ist ein Landschaftsbegriff, bei dem die physischen Aspekte der Mensch-Um-welt-Beziehung im Vordergrund stehen. In seiner allgemeinsten Form bezeichnet er jegliche menschlich beeinflusste Ausschnitte der Erdoberfläche sowie das Zusam-menwirken natürlicher und anthropogener Faktoren.11 Dieses Verständnis kommt in der Definition von (cultural)landscape in der UNESCO-Welterbe-Konvention von 1992 in Artikel 1 als » combined works of nature and man « zum Tragen.12

Der (Kultur-)Landschaftsbegriff Nr. 2.2 rückt mentale, subjektbezogene Aspekte in den Vordergrund.13 Wie aus der Begriffsgeschichte des Wortes › Landschaft ‹ her-vorgeht, wurde damit in der Neuzeit im Deutschen der geschaute Erdausschnitt im Sinne eines Bildes von einem Gebiet bezeichnet.14 Jessel definiert in diesem Sinne » › Landschaft ‹ als ästhetische Kategorie und bildhafte[n] (Ideal-)Zustand, der über die Wahrnehmung der materiellen Gegebenheiten hinaus in diese hineininterpre-tiert wird «.15

Nr. 2.3 ist der komplexeste aller hier aufgeführten (Kultur-)Landschaftsbegriffe. Er beinhaltet Unterbegriffe, die zum Ausdruck bringen, dass die Kulturlandschaft als physischer Ausdruck sozialer Verhältnisse und Interaktionen gelesen werden kann und zugleich die Basis für soziale Strukturierungen und Interaktionen bildet. (Kul-tur-)Landschaft wird hier » als Produkt und Medium sozialer Praxis « und damit auch » als historisches Produkt «16 konzeptualisiert.

Der Begriff Nr. 2.4 versteht (Kultur-)Landschaft als Symbol. In der Literatur17 sind Belege dafür zu finden, dass sowohl – physisch verstandene – (Kultur-)Landschaften

11 Paul Opdam/Eveliene Steingröver/Sabine Van Rooji, Ecological Networks. A Spatial Concept for Multiactor Planning of Sustainable Landscapes, in: Landscape and Urban Planning 75 (2006), Seite 323.

12 Siehe dazu Peter J. Fowler, World Heritage Cultural Landscapes 1992 – 2002 (= World Heritage pa-pers 6), 2003, Seite 18, online unter: http://whc.unesco.org/en/series/6/ (zuletzt aufgerufen am 12. 10. 2016).

13 Hans H. Blotevogel, Raum, in: Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.), Hand-wörterbuch der Raumordnung, Hannover: Verlag der ARL, 2005, Seite 834.

14 Vgl. Gerhard Hard, Zu Begriff und Geschichte von › Natur ‹ und › Landschaft ‹ in der Geographie des 19. und 20. Jahrhunderts, in: Derselbe (Hrsg.), Landschaft und Raum. Aufsätze zur Theorie der Geo-graphie, Band 1, Osnabrück: Universitätsverlag Rasch, 2002 [1983], Seite 177.

15 Beate Jessel, Landschaft, in: Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.), Handwör-terbuch der Raumordnung, a. a. O.

16 Judith Miggelbrink, Der gezähmte Blick. Zum Wandel des Diskurses über › Raum ‹ und › Region ‹ in humangeographischen Forschungsansätzen des ausgehenden 20. Jahrhunderts, Leipzig: Institut für Länderkunde, 2002, Seite 46.

17 Beispiele bei Dorothea Hokema, Die Landschaft der Regionalentwicklung. Wie flexibel ist der Land-schaftsbegriff ?, in: Raumforschung und Raumordnung 3 (2009), Seite 239 – 249; grundlegend für diesen Ansatz Denis E. Cosgrove, Social formation and symbolic landscape, London: Croom Helm, 1984.

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an sich als auch die Worte Landschaft beziehungsweise Kulturlandschaft als Symbole zu verstehen sind.

Metaphorische Verwendungen der Ausdrücke › Landschaft ‹ und ›Kulturlandschaft ‹ (Begriff Nr. 3) sind weit verbreitet. Die (Kultur-)Landschafts-Metapher wird dabei keineswegs nur auf räumliche oder räumlich zu verortende Sachverhalte angewendet. Man kann daher zwischen › Landschaft ‹ als metonymische Bezeichnung › für soziale Interaktionsgeflechte ‹ oder › Landschaft ‹ als › Metapher für die Gesamtheit der Phä-nomene irgendeines Phänomenbereichs ‹ unterscheiden, zum Beispiel › Gefühlsland-schaft ‹ oder › Parteienlandschaft ‹.

Mit dem (Kultur-)Landschaftsbegriff Nr. 4 verlässt man die Ebene der Beobach-tungen erster Ordnung und kommt zu einem deontologischen, anti-essentialistischen Verständnis. Hier wird nun gefragt, wie mit den Wörtern › Landschaft ‹ und › Kultur-landschaft ‹ umgegangen wird, wie sie verwendet werden, was mit ihnen bezeichnet wird, wie durch Sprache gesellschaftliche Wirklichkeit und Wahrheit erzeugt wer-den und wie Wahrnehmung und Bewertung mit sprachlichen Mitteln in bestimmte Richtungen gelenkt werden. Es ist dies der (Kultur-)Landschaftsbegriff der Diskurs-analyse. Er kommt zum Tragen bei der Reflexion darüber, wie (Kultur-)Landschafts-Ontologien konstruiert werden. Deswegen kann man von einem reflexivkonstrukti-vistischen (Kultur-)Landschaftsbegriff sprechen.

II Global turn

Aus dem Vorherigen ist deutlich geworden, dass sich in den kulturwissenschaftli-chen Disziplinen in den letzten Jahrzehnten die Auffassung durchgesetzt hat, dass › Landschaft ‹ mehr als eine bloße › Konstellation von Naturtatsachen ‹ ist, sondern » ein Stück Erde mit Bezug auf den Menschen und insofern ein reflexives Gebilde «.18 Wird Landschaft also weniger als physische Gegebenheit aufgefasst, sondern als so-ziales Konstrukt,19 stellt sich die Frage, welche unterschiedlichen Begriffe sich vor dem Hintergrund verschiedener kultureller Prägungen entwickelt haben – und ob Europa im Zuge der Globalisierung (noch) die Definitionshoheit darüber hat, was › Landschaft ‹ meint.

18 Hans Freyer, Landschaft und Geschichte, in: Gert Gröning/Ulfert Herlyn (Hrsg.), Landschaftswahr-nehmung und Landschaftserfahrung, Münster: LIT Verlag, 1996, Seite 70, zitiert nach Diedrich Bruns/Olaf Kühne (Hrsg.), Landschaften: Theorie, Praxis und internationale Bezüge, a. a. O., Seite 15.

19 Diedrich Bruns/Olaf Kühne, Landschaft im Diskurs. Konstruktivistische Landschaftstheorie als Per-spektive für künftigen Umgang mit Landschaft, in: Naturschutz und Landschaftsplanung, Jg. 45, Heft 3/2013, Seite 83 – 88, und Olaf Kühne, Landschaftstheorie und Landschaftspraxis. Eine Einfüh-rung aus sozialkonstruktivistischer Perspektive, Wiesbaden: Springer VS, 2012. Siehe dazu mit einem empirischen Beispiel aus Brandenburg Ludger Gailing, Kulturlandschaftspolitik. Die gesellschaft-liche Konstituierung von Kulturlandschaft durch Institutionen und Governance, Detmold: Verlag Dorothea Rohn, Planungswissenschaftliche Studien zu Raumordnung und Regionalentwicklung 4, 2014.

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Zur Klärung dieser Frage werden nachfolgend fallweise für europäische Verständ-nisse die semantische Entwicklung im deutschsprachigen Raum ausführlich darge-stellt und zentrale Inhalte von Landschaftsbegriffen aus einigen anderen Ländern be-ziehungsweise Sprachen tabellarisch (Abbildung 2) damit verglichen. Exemplarisch für die außereuropäische Situation wird die Entwicklung in Japan dem gegenüber gestellt.

1. Der semantische Gehalt von Landschaft und seine Entwicklung im deutschspra-chigen Raum im Vergleich zu einigen europäischen Landschaftstermini: Eine Viel-zahl von Untersuchungen bestätigt, dass im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch mit › Landschaft ‹ der nicht-städtische Raum benannt wird; in vielen Fällen sogar die Natur. Der Architekturkritiker Werner Mitsch fasst diese weit verbreitete Vorstellung von Landschaft im deutschsprachigen Raum mit der Wendung zusammen: » Ge-genden ohne Landschaft nennt man Städte. «20 Daher sind Bilder, in denen die Stadt » Landschaft frisst «, mithin » Landschaft verbraucht «, weitgehend akzeptiert.21 Da-hinter steht ein komplexer kulturgeschichtlicher Aufladungsprozess über gut 1200 Jahre seit der Erstnennung von lantschaft im Jahre 830. Im Wesentlichen sind drei Aspekte darin bis heute miteinander verschmolzen22:

• Das um 830 erstmals nachgewiesene althochdeutsche lantschaft beschreibt im Sinne von territorium und regio einen politisch definierten Landstrich. Zudem werden damit in frühen Quellen großräumige Siedlungs- und Stammesverbände ohne naturräumliche Qualität belegt. Im Mittelhochdeutschen meint landschaft diu diet, also die Bevölkerung eines Landes, gelegentlich als Einheimische, vor allem die Gesamtheit der politisch Handlungsfähigen eines Territoriums; im Ver-fassungsorgan der › Landschaft ‹ (heute noch nachlebend zum Beispiel im Land-biet von Basel oder den Landschaftsverbänden in Nordrhein-Westfalen) werden damit die an der politischen Willensbildung beteiligten Gruppen bezeichnet.

• Eine zweite Quelle des heutigen Landschaftsverständnisses ist die Entwicklung seit dem ausgehenden Mittelalter hin zu einem › geschauten Naturausschnitt ‹ als terminus technicus in der Malerei (1603: › Bild, das eine Landschaft darstellt ‹). In der Folge ist eine Tendenz zur Verwendung des Begriffs für räumliche Einheiten

20 Werner Mitsch, 1986, zitiert nach Herbert Haas/Walter Haub, Die Sechziger Jahre und das mainfrän-kische Dorf, Würzburg: VSG, 1997, Seite 11.

21 Vgl. etwa das Titelbild auf dem Spiegel-Buch von Jochen Bölsche (Hrsg.), Die deutsche Landschaft stirbt, Reinbek: Rowohlt, 1983: eine Autobahnbrücke schiebt sich über eine ländliche Idylle; ähnlich auch Jürgen Cyrill Tesdorpf, Landschaftsverbrauch, Berlin: Verlag Dr. Tesdorpf, 1984.

22 Nachfolgend nach Winfried Schenk, Landschaft, in: Heinrich Beck et al. (Hrsg.), Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Band 17, Berlin: De Gruyter, 2001, Seite 617 – 630, sowie Winfried Schenk, Landschaft als zweifache sekundäre Bildung. Historische Aspekte im aktuellen Gebrauch von Landschaft im deutschsprachigen Raum, namentlich in der Geographie, in: Diedrich Bruns/Olaf Kühne (Hrsg.), Landschaften. Theorie, Praxis und internationale Bezüge, a. a. O., Seite 23 – 34.

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im Sinne einer Gleichsetzung des Begriffs mit Gegend als abgegrenzte und über-schaubare Raumeinheit ohne politische Implikation zu beobachten.

• Wurde das Wort Landschaft bis in das 18. Jahrhundert hinein nur in speziellen Kontexten gebraucht, so wurde es ab dann fester Bestandteil der Allgemeinspra-che, vor allem der Gebildetenschicht, auf einer relativ gehobenen Stilebene durch die Übernahme aus der frühneuzeitlichen Sondersprache der Maler. Das verband sich nun mit Aspekten ästhetischer Weltsicht des Bildungsbürgertums des 18. und 19. Jahrhunderts sowie heute teilweise diskreditierter Anschauungen vor allem des frühen 20. Jahrhunderts (zum Beispiel der Heimatschutzbewegung), in denen insbesondere Vorstellungen einer » Antizipation einer humanisierten inneren und äußeren Natur « und einer » gelungene[n] Vermittlung von Gesellschaft und Terri-torium mitschwingen «, jedenfalls in antistädtischer Attitude.23

Wohl schon um 1900 waren in › Landschaft ‹ die physiognomischen und regionalisie-renden Aspekte verschmolzen, woraus sich zwei Denktraditionen im Gebrauch von › Landschaft ‹ ableiten lassen, erstens die der › naiven Weltsicht ‹ und des › landschaft-lichen Auges ‹ der Naturmalerei mit Betonung von Deskription und › schöner, länd-licher ‹ Physiognomie, zweitens die › regionalistische Tradition ‹, also das Denken in Erdräumen und -gliederungen.

Während die erste Denktradition dazu führte, dass in der Umgangssprache, wie dargestellt, Landschaft in der Regel als › nichtstädtischer ‹ – offener, nicht bebauter – Raum gesehen wird, nahm die Geographie den zweiten Aspekt auf, ohne den erste-ren zu eliminieren, ja sich dessen überhaupt immer bewusst zu sein. Insbesondere schließt die in diesem Fach übliche Unterscheidung von Land und Landschaft ein, dass auch der geographische Landschaftsbegriff durch die Vermittlung Alexander von Humboldts aus der ästhetischen Sphäre herkommt und in der Auseinanderset-zung mit ihr » als ästhetische Auffassung von Natur « gebildet wird.24 Anstatt nun Landschaft als einen › getönten ‹ Begriff mit einer Vielzahl von Konnotationen zu ver-stehen und wissenschaftslogisch korrekt daraus zu folgern, dass es die Landschaft nicht gibt, da sie sich einer allgemeingültigen Definition entziehe und folglich nur umgangssprachlich zu verwenden sei, eröffnete die Vagheit des Begriffs ausufernde Möglichkeiten eines vielfältigen Sinnbesatzes gerade bei hoch- und bildungssprach-licher Verwendung.

Innerhalb der Geographie waren die Diskussionen um die Bestimmung von Land-schaft deshalb besonders intensiv, da das Landschaftskonzept bis in die 1960er Jah-

23 Aus Gerhard Hard/Adelheid Gliedner, Wort und Begriff Landschaft anno 1976, in: Friedrich Ach-leitner (Hrsg.), Die Ware Landschaft. Eine kritische Analyse des Landschaftsbegriffes, Salzburg: Re-sidenz Verlag, 1978, Seite 16 – 24.

24 Grundlegend dazu noch immer Joachim Ritter, Landschaft. Zur Funktion des Ästhetischen in der modernen Gesellschaft, in: Derselbe, Subjektivität. Sechs Aufsätze, Frankfurt/Main: Suhrkamp, 1974, Seite 141 – 190, hier besonders Seite 159 und 179 f.

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re dort bestimmend war. Wohl die Mehrheit der Geographen sah bis dahin sogar in Landschaft das ihre Disziplin konstituierende Objekt.25 Im Zuge der szientistischen Wende des Faches in den 1970er Jahren verlor Landschaft an Bedeutung bis zur na-hezu vollkommenen Ablehnung des Terminus außerhalb historisch-geographischer und naturgeographischer Kontexte. Derzeit kann man eine Renaissance des Termi-nus in der Geographie beobachten.26

Nachfolgende tabellarische Übersicht (Abbildung 2) vergleicht die deutschspra-chige Entwicklung von › Landschaft ‹ nach zentralen semantischen Aspekten mit Landschaftsverständnissen in einigen anderen europäischen Ländern beziehungs-weise Sprachen, namentlich England, Frankreich und Ungarn. Dabei zeigt sich, dass der Rekurs auf das Ländliche und Bildhafte eine Gemeinsamkeit darstellt.

2. Die Idee von Landschaft wurde von Deutschland aus in die japanische Sprache eingeführt.27 Das Japanische kennt dabei zwei Äquivalente zu › Landschaft ‹. Keikan ist eine Kombination der Schriftzeichen von › Sicht ‹ und › Erscheinung ‹. Kei steht für die Erscheinung jeglicher Einheit, wie das sichtbare Zusammenspiel von Sonnenlicht und Schatten. Kan meint den gesamten Blick. Keikan impliziert einen ortsbezogenen, nach außen gerichteten Blick und erscheint als der passendere wissenschaftliche Ter-minus. Es scheint ein eher technisches und weniger subjektives Landschaftskonzept zu sein, in welches Personen sich nicht allzu persönlich involviert fühlen.28

Fukei ist die Kombination aus den beiden Schriftbildern › Wind ‹ und › Sicht ‹. In der Mitte steht das Unsichtbare und Atmosphärische. Konzeptionell ist Fukei eine Kombination von sichtbaren und unsichtbaren Strukturen. Die räumliche Reichweite ist begrenzt auf den Bereich der Sichtweite ausgehend vom eigenen Standpunkt. Die Konnotationen zu Fukei umfassen Ruhe, Gelassenheit, die Wahrnehmung der eige-nen Existenz und Innehalten. Sie sind eng verbunden mit der Erinnerung an Vergan-genes und der Erfahrung ortsbezogener Kontinuität.

Keikan und Fukei stellen also die objektive und die subjektive Bedeutung von Landschaft dar. Keikan wird bevorzugt in Architektur, Planung, Geographie und Ökologie eingesetzt während Fukei hauptsächlich in den Kulturwissenschaften be-nutzt wird.29 Keikan ist als Analogiebildung verbunden mit wissenschaftlichen Kon-

25 Siehe dazu die Aufsatzsammlung von Karlheinz Paffen (Hrsg.), Das Wesen der Landschaft (Wege der Forschung 39), Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1973; und sehr kritisch zum Umgang mit Landschaft in der Geographie: Gerhard Hard, Die › Landschaft ‹ der Sprache und die › Landschaft ‹ der Geographen, Bonn: Colloquium Geographicum, 1970.

26 Dazu Winfried Schenk, Landschaft als zweifache sekundäre Bildung. Historische Aspekte im aktuel-len Gebrauch von Landschaft im deutschsprachigen Raum, namentlich in der Geographie, in: Died-rich Bruns/Olaf Kühne (Hrsg.), Landschaften. Theorie, Praxis und internationale Bezüge, a. a. O., besonders Seite 29 ff.

27 Hirofumi Uedaa, The concept of landscape in Japan, in: Diedrich Bruns/Olaf Kühne, Landschaften: Theorie, Praxis und Internationale Bezüge, a. a. O., Seite 115 – 130, Seite 119.

28 Ebenda, Seite 117.29 Ebenda, Seite 118.

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Landschaft 679

BILD-HAFTIGKEIT

OBJEKT-HAFTIGKEIT

STADT LAND HEIMAT, HERKUNFT UND LEBEN AUF DEM

LANDEDEUTSCHLANDLandschaft des Mittel-alters

    Territorium/Regio  

Landschaft der Malerei des 16. Jhs.

× ×   × ×

Landschaft des Bildungs-bürgertums um 1900

× ×   × ×

ENGLAND          

Landscape des Absolu-tismus

×     ×  

Landscape der huma-nistischen Moralisten

× ×   × ×

Landscape des Whig-Politeness

× ×   ×  

Bürgerlich-liberale land-scape

×     ×  

FRANKREICH          

Paysage des Absolutis-mus und des Rokoko

×     ×  

Paysage der aufgeklärten Aristokratie

× ×   × ×

Paysage der Bourgeoisie × ×   ×  

Paysage des Bürgertums ×     ×  

UNGARN          

Táj des absolutistischen Hofes

×     ×  

Táj der ständischen Patrioten

×     × ×

Táj der aufgeklärt-patrio-tischen Adeligen

× ×   × ×

Táj des aufgeklärt-höfi-schen Adels

× ×   ×  

Táj des verbürgerlichen-den patriotischen Adels

× ×   × ×

Táj des › érzékeny ‹-Bür-gertums

×     ×  

Bürgerlich-liberale táj der Reform-Adeligen

× ×   ×  

Historisierende táj × ×   × ×

Bürgerlich-demokra-tische táj

× ×   × ×

Quelle: Modifiziert und ergänzt nach Dóra Drexler, Die Wahrnehmung der Landschaft – ein Blick auf das englische, französische und ungarische Landschaftsverständnis, in: Diedrich Bruns/Olaf Kühne, Landschaften: Theorie, Praxis und Internationale Bezüge, a. a. O., Seite 37 – 52.

Abbildung 2 Vergleich der historischen Ansatzpunkte der Entwicklung von Landschaftsbe-griffen nach zentralen semantischen Aspekten in Deutschland, England, Frankreich und Ungarn; die schattierten Felder zeigen die im jeweiligen heutigen Verständnis von Landschaft am stärksten nachwirkenden Aspekte an.

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680 Winfried Schenk

zepten, die aus dem Westen eingeführt wurden. Im Vergleich zum Deutschen besteht nach empirischen Vergleichen der größte Unterschied in den Blickbeziehungen zwi-schen › Heimatlicher Siedlung ‹ und der Umgebung.

III Folgerungen

Man kann festhalten, dass › Landschaft ‹ eine europäische › Erfindung ‹ ist, die aber je nach Sprachkreis innerhalb Europas unterschiedlich nuanciert sein kann. Das Länd-liche und Bildhafte zieht sich durch nahezu alle historischen Verständnisse als Ge-meinsamkeit. Vor diesem Hintergrund verwundert mit Hauser30 » die erstaunliche Integrationsfähigkeit des landschaftlichen oder verlandschaftenden Blicks für immer neue Themen, Objekte und Situationen «. Heute werden zum Beispiel auch städti-sche und nicht-schöne Räume vor allem in Planungskontexten als Landschaften be-zeichnet.31

30 Susanne Hauser, Der Landschaftsbegriff in Landschaftsplanung und -architektur, in: Diedrich Bruns/Olaf Kühne, Landschaften: Theorie, Praxis und Internationale Bezüge, a. a. O., Seite 213.

31 Winfried Schenk, Bringt es einen planerischen Mehrwert, Stadtregionen als Kulturlandschaft zu verstehen ? Zwischenbilanz eines Fachdiskurses, in: Institut für Landes- und Stadtentwicklungsfor-schung (Hrsg.), Gestaltung urbaner Kulturlandschaften. Vom Fachdiskurs zur Planungspraxis. Do-

Quelle: Hirofumi Uedaa, The concept of landscape in Japan, Seite 119, in: Diedrich Bruns/Olaf Kühne, Landschaften: Theorie, Praxis und Internationale Bezüge, a. a. O., Seite 123.

Abbildung 3 Unterschiede zwischen Deutschland und Japan in der landschaftlichen Sicht-weise

Germany Japan

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Landschaft 681

Das Konzept ›Landschaft ‹ ist eines, das derzeit von Europa aus diffundiert und vor allem in den Definitionen für Welterbe-Landschaften der UNESCO globale Wirk-samkeit entfaltet.32 Obwohl viele rand- (zum Beispiel das Türkische33) oder außer-europäische Sprachen (zum Beispiel, wie teilweise gezeigt, das Japanische und das Chinesische34) weder ein › Landschaftswort ‹, noch sonstige Wörter haben, mit de-nen sich europäische Landschaftskonnotationen ausdrücken ließen, mag dies erklä-ren, dass › Landschaftswörter ‹ auch außerhalb von Europa zunehmend an Bedeutung gewinnen, zum Teil werden dazu neue Worte kreiert oder vorhandene › europäisch ‹ konnotiert.35 Das gilt es bei transkulturellen Dialogen über › Landschaft ‹ zu beachten.

Literatur

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32 In den Operativen Richtlinien der Welterbe-Konvention von 1992 werden drei Arten von Kultur-landschaften unterschieden: 1. von Menschen künstlerisch gestaltete Landschaften (Parks und Gär-ten) wie zum Beispiel die gestalteten Parklandschaften von Lednice-Valtice in Tschechien oder das Gartenreich von Dessau-Wörlitz in Deutschland; 2. Landschaften, die ihren unverwechselbaren Cha-rakter der Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur verdanken, dabei werden lebende (Reis-terrassen der philippinischen Cordillera oder das Mittelrheintal in Deutschland) und fossile Kultur-landschaften (St. Kilda in Großbritannien) unterschieden; 3. Landschaften, deren Wert in religiösen, spirituellen, künstlerischen und geschichtlichen Assoziationen liegt, die die Bewohner mit ihnen verbinden (Nationalparks Tongariro in Neuseeland und Uluru Kata Tjuta in Australien); siehe dazu Mechtild Rössler, Kulturlandschaften im Rahmen der UNESCO-Welterbekonvention, online unter: www.unesco.de/fileadmin/medien/Dokumente/Bibliothek/Welterbe-Manual_DUK_2009/Welter-be-Manual_2_Aufl_113-119.pdf (zuletzt aufgerufen am 12. 10. 2016).

33 Siehe Aycim Türer Baskaya, Landscape Concepts in Turkey, in: Diedrich Bruns/Olaf Kühne (Hrsg.), Landschaften: Theorie, Praxis und Internationale Bezüge, a. a. O., Seite 101 – 113.

34 Zhao Zhang/Diedrich Bruns, Landschaftsbegriffe in China, in: Diedrich Bruns/Olaf Kühne (Hrsg.), Landschaften: Theorie, Praxis und Internationale Bezüge, a. a. O., Seite 133 – 150.

35 Diedrich Bruns, Landschaft, ein internationaler Begriff ?, in: Diedrich Bruns/Olaf Kühne (Hrsg.), Landschaften: Theorie, Praxis und Internationale Bezüge, a. a. O., Seite 153.

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