LUTHERGENFKirche, im großen Abendländischen Schisma (1054). Und nochmals 500 Jahre später, also vor rund 500 Jahren, erfolgte die Trennung zwischen den · 2017-3-20

Embed Size (px)

Citation preview

  • 500 Jahre Reformation Feier der Vershnung?!

    LUTHER GENF April | Mai 2017

    1LUTHERGENFEvangelisch-Lutherische Kirche in Genf Der Gemeindebote

    04 | 05 17

    1. Als unser Herr und Meister Jesus Christus sagte: Tut Bue, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen, wollte er, dass das ganze Leben der Glaubenden Bue sei.

    2. Dieses Wort darf nicht auf die sakramentale Bue gedeutet wer-den, das heit, auf jene Bue mit Beichte und Genugtuung, die unter Amt und Dienst der Priester vollzogen wird.

    3. Gleichwohl zielt dieses Wort nicht nur auf eine innere Bue; ja, eine innere Bue ist keine, wenn sie nicht uerlich vielfltige Marter des Fleisches schafft.

    4. Daher bleibt Pein, solange Selbstverachtung, das ist wahre inne-re Bue, bleibt, nmlich bis zum Eintritt in das Himmelreich.

    5. Der Papst will und kann nicht irgendwelche Strafen erlassen, auer denen, die er nach dem eigenen oder nach dem Urteil von Kirchenrechtsstzen auferlegt hat.

    6. Der Papst kann nicht irgendeine Schuld erlassen; er kann nur erklren und besttigen, sie sei von Gott erlassen. Und gewiss kann er ihm selbst vorbehaltene Flle erlassen; sollte man diese verachten, wrde eine Schuld geradezu bestehen bleiben.

    7. berhaupt niemandem vergibt Gott die Schuld, ohne dass er ihn nicht zugleich in allem erniedrigt dem Priester, seinem Vertreter, unterwirft.

    8. Die kirchenrechtlichen Busatzungen sind allein den Lebenden auferlegt; nach denselben darf Sterbenden nichts auferlegt wer-den.

    9. Daher erweist uns der Heilige Geist eine Wohltat durch den Papst, indem dieser in seinen Dekreten Tod- und Notsituatio-nen immer ausnimmt.

    10. Dumm und bel handeln diejenigen Priester, die Sterbenden kirchenrechtliche Bustrafen fr das Fegfeuer vorbehalten.

    11. Jenes Unkraut von kirchlicher Bustrafe, die in Fegfeuerstrafe umgewandelt werden muss, ist offenbar gerade, als die Bischfe schliefen, ausgest worden.

    12. Einst wurden kirchliche Bustrafen nicht nach, sondern vor der Lossprechung auferlegt, gleichsam als Proben echter Reue.

    13. Sterbende lsen mit dem Tod alles ein; indem sie den Gesetzen des Kirchenrechts gestorben sind, sind sie schon deren Rechts-anspruch enthoben.

    14. Die unvollkommene geistliche Gesundheit oder Liebe des Ster-benden bringt notwendig groe Furcht mit sich; diese ist umso grer, je geringer jene ist.

    15. Diese Furcht und dieses Erschrecken sind fr sich allein hinrei-chend ich will von anderem schweigen , um Fegfeuerpein zu verursachen, da sie dem Schrecken der Verzweiflung uerst nahe sind.

    16. Hlle, Fegfeuer, Himmel scheinen sich so zu unterscheiden wie Verzweiflung, Fast-Verzweiflung, Gewissheit.

  • 27. Lug und Trug predigen diejenigen, die sagen, die Seele erhebe sich aus dem Fegfeuer, sobald die Mnze klingelnd in den Kas-ten fllt.

    28. Das ist gewiss: Fllt die Mnze klingelnd in den Kasten, knnen Gewinn und Habgier zunehmen. Die Frbitte der Kirche aber liegt allein in Gottes Ermessen.

    29. Wer wei denn, ob alle Seelen im Fegfeuer losgekauft werden wollen, wie es nach der Erzhlung bei den Heiligen Severin und Paschalis passiert sein soll.

    30. Keiner hat Gewissheit ber die Wahrhaftigkeit seiner Reue, noch viel weniger ber das Gewinnen vollkommenen Straferlas-ses.

    31. So selten einer wahrhaftig Bue tut, so selten erwirbt einer wahrhaftig Ablsse, das heit: uerst selten.

    32. In Ewigkeit werden mit ihren Lehrern jene verdammt werden, die glauben, sich durch Ablassbriefe ihres Heils versichert zu ha-ben.

    33. Ganz besonders in Acht nehmen muss man sich vor denen, die sagen, jene Ablsse des Papstes seien jenes unschtzbare Ge-schenk Gottes, durch das der Mensch mit Gott vershnt werde.

    34. Denn jene Ablassgnaden betreffen nur die Strafen der sakra-mentalen Satisfaktion, die von Menschen festgesetzt worden sind.

    35. Unchristliches predigen diejenigen, die lehren, dass bei denen, die Seelen loskaufen oder Beichtbriefe erwerben wollen, keine Reue erforderlich sei.

    36. Jeder wahrhaft reumtige Christ erlangt vollkommenen Er-lass von Strafe und Schuld; der ihm auch ohne Ablassbriefe zu-kommt.

    37. Jeder wahre Christ, lebend oder tot, hat, ihm von Gott ge-schenkt, teil an allen Gtern Christi und der Kirche, auch ohne Ablassbriefe.

    38. Was aber der Papst erlsst und woran er Anteil gibt, ist keines-wegs zu verachten, weil es wie ich schon sagte die Kundgabe der gttlichen Vergebung ist.

    39. Selbst fr die gelehrtesten Theologen ist es ausgesprochen schwierig, vor dem Volk den Reichtum der Ablsse und zugleich die Wahrhaftigkeit der Reue herauszustreichen.

    54. Unrecht geschieht dem Wort Gottes, wenn in ein und derselben Predigt den Ablssen gleichviel oder lngere Zeit gewidmet wird wie ihm selbst.

    55. Meinung des Papstes ist unbedingt: Wenn Ablsse, was das Ge-ringste ist, mit einer Glocke, einer Prozession und einem Got-tesdienst gefeiert werden, dann muss das Evangelium, das das Hchste ist, mit hundert Glocken, hundert Prozessionen, hun-dert Gottesdiensten gepredigt werden.

    56. Die Schtze der Kirche, aus denen der Papst die Ablsse austeilt, sind weder genau genug bezeichnet noch beim Volk Christi er-kannt worden.

    57. Zeitliche Schtze sind es offenkundig nicht, weil viele der Pre-diger sie nicht so leicht austeilen, sondern nur einsammeln.

    58. Es sind auch nicht die Verdienste Christi und der Heiligen; denn sie wirken ohne Papst immer Gnade fr den inneren Menschen, aber Kreuz, Tod und Hlle fr den ueren.

    59. Der heilige Laurentius sagte, die Schtze der Kirche seien die Armen der Kirche. Aber er redete nach dem Wortgebrauch sei-ner Zeit.

    60. Wohlberlegt sagen wir: Die Schlsselgewalt der Kirche, durch Christi Verdienst geschenkt, ist dieser Schatz.

    61. Denn es ist klar, dass fr den Erlass von Strafen und von ihm vorbehaltenen Fllen allein die Vollmacht des Papstes gengt.

    62. Der wahre Schatz der Kirche ist das heilige Evangelium der Herrlichkeit und Gnade Gottes.

    89. Vorausgesetzt, der Papst sucht durch die Ablsse mehr das Heil der Seelen als die Gelder - warum setzt er dann schon frher gewhrte Schreiben und Ablsse auer Kraft, obgleich sie doch ebenso wirksam sind?

    90. Diese scharfen, heiklen Argumente der Laien allein mit Gewalt zu unterdrcken und nicht durch Gegengrnde zu entkrften, heit, die Kirche und den Papst den Feinden zum Gesptt aus-zusetzen und die Christen unglcklich zu machen.

    91. Wenn also die Ablsse nach dem Geist und im Sinne des Paps-tes gepredigt wrden, wren alle jene Einwnde leicht aufzul-sen, ja, es gbe sie gar nicht.

    92. Mgen daher all jene Propheten verschwinden, die zum Volk Christi sagen: Friede, Friede!, und ist doch nicht Friede.

    93. Mge es all den Propheten wohlergehen, die zum Volk Christi sagen: Kreuz, Kreuz!, und ist doch nicht Kreuz.

    94. Man muss die Christen ermutigen, darauf bedacht zu sein, dass sie ihrem Haupt Christus durch Leiden, Tod und Hlle nach-folgen.

    95. Und so drfen sie darauf vertrauen, eher durch viele Trbsale hindurch in den Himmel einzugehen als durch die Sicherheit eines Friedens.

    Aus der neuen bersetzung der lateinischen Lutherschrift Disputa-tion zur Klrung der Kraft der Ablsse (kurz: 95 Thesen) von Jo-hannnes Schilling und Gnther Wartenberg unter Mitarbeit von Mi-chael Beyer, Band 2: Christusglaube und Rechtfertigung, hrsg. von Johannes Schilling, Leipzig 2006, S. 1-15.

    LUTHER GENF April | Mai 2017

    2

  • Angedacht

    Aus rmisch-katholischer Sicht sah man die Aktivi-tten zum 500. Reformationsjubilum zunchst kri-

    tisch. Was genau sollte da eigentlich gefeiert werden? wurden die Protes-tanten gefragt. Fr viele Katholiken gilt die Reformation bis heute als eine Be-wegung der Trennung und Abspaltung, die in der Folgezeit zu gegenseitigen Verwerfungen bis hin zu Glaubenskrie-gen gefhrt hat. Soll man 500 Jahre geschieden sein etwa feiern? Wider-spricht das nicht der Bitte und dem

    Auftrag Jesu, dafr zu beten, dass alle eins seien (Joh. 17,21)?

    In der Tat: Die Protestanten wollen nicht die Tren-nung feiern. Im Gegenteil. Zum ersten Mal in der Geschichte der Reformationsjubilen soll das Refor-mationsgedenken Brcken der Vershnung bauen. Und tatschlich: Ein erstes ermutigendes Zeichen dieser Vershnung war die Begegnung zwischen Papst Franziskus und Vertretern des Lutherischen Welt-bundes in Lund zum Reformationstag vergangenen Jahres. In der gemeinsamen lutherisch-katholischen Schrift Vom Konflikt zur Gemeinschaft wird aus-drcklich um Vergebung fr die gegenseitigen Verur-teilungen gebeten. Das ist eine gute Grundlage, die Reformation als ein auch die katholische Kirche reformierendes Ereignis anzuerkennen. Durch die bersetzung der Heiligen Schrift ins Deutsche gab Martin Luther den Men-schen die Mglichkeit in die Hand, selbst das Ge-heimnis Gottes zu ergrnden und sich ein Urteil ber die Lehren der Kirche zu bilden. Bis heute ist die Bibel das gemeinsame Fundament beider Kirchen. Durch die Strkung der Laien und der damit verbundenen Neu-Organisation der evangelischen Kirche wurde seit der Reformation ein demokratisches Element in die Kirchenstruktur eingezogen. Die katholische Kir-che hat im zweiten Vatikanum ebenfalls das Laienamt gestrkt und damit einen wesentlichen biblisch-refor-matorischen Impuls aufgenommen. Auch die Erlaub-

    500 Jahre Reformation Feier der Vershnung?!

    nis, die Messe in der Landessprache zu feiern, wurde im zweiten Vatikanum festgeschrieben auch hier kam ein wesentlicher Reformansatz Martin Luthers in der katholischen Kirche zum Wirken. Uneins blieben sich beide Kirchen im Verstndnis des Amtes und in der Frage der gemeinsamen Eucharistie. Doch auch hier hat es Fortschritte gegeben und wird weiter theo-logisch aufeinander zu gearbeitet.

    ber die Kirchenreform hinaus ist bis heute der hohe Wert der Religionsfreiheit ein verfassungsrechtlich ge-schtzte