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Yolanda Cavalli-Flepp Lycée Maurice Ravel, Paris Page1 Presseschau März 2015 – Ende August 2016 Ein gewaltiger Strukturwandel ist in vollem Gange: von der Uberisierung und Digitalisierung der Arbeitswelt über die Unterminierung des Rechtsstaates durch multinationale Konzerne (Multis), den drohenden Zusammenbruch des Finanzsystems und die Massenvölkerwanderungen bis hin zum Ende des Welthandels dank 3-D-Drucker. Politisch: Krieg in Syrien, Boko Haram und die Terror-Miliz IS lassen Abertausende von Menschen nach Europa flüchten. Prob- lem: Wie Asylsuchende von Wirtschaftsflüchtlingen/Wirtschaftsasylanten unterscheiden? Mehr als 44% der Migranten kommen nämlich aus Albanien, dem Kosovo und Serbien, d.h. aus sogenannten sicheren Drittländern. Sie fliehen also nicht vor dem Krieg, sondern vor der Perspektivlosigkeit in ihrer Heimat. => Die Regie- rungen der sich leerenden Balkanstaaten appellieren an Deutschland, es solle ihnen die Menschen zurückschicken und ihnen vor allem kein Geld geben: mit 900 € Taschengeld + Unterkunft, Nahrungs- und Hy- gienemittel gratis… da will sich doch keiner mehr in seinem Heimat- land für 250 € im Monat abrackern! In Deutschland wiederum gibt es z. T. heftige Proteste gegen diesen „Sozialtourismus“. EU: - Streit um Flüchtlingsquoten - Streit um die Sicherung der EU-Außengrenzen bzw. die Schließung von Binnengrenzen => das Schengener-Abkommen wird in Frage ge- stellt. Die EU überweist der Türkei Milliarden, damit sie die Flüchtlinge an ihren Grenzen zurückhält; die Türkei erhandelt als Gegenleistung auch die Visa-Freiheit für seine Staatsbürger in Deutschland; die EU-Kommission will die Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei so schnell wie möglich wieder aufnehmen. „Ohne die Türkei wird nichts gehen“, so Juncker. - Grexit oder nicht? Austritt Griechenlands aus der Währungsunion oder nicht? Der Schuldenstreit geht weiter… - tritt aber angesichts der Flüchtlingswelle in den Hintergrund. - Brexit: Auch wenn die Politik sich streitet, hofft die Wirtschaft, dass der deutsch-britische Handel in Zukunft ge- nauso unbürokratisch und weitgehend zollfrei abgewickelt werden kann wie bisher. 1. Großbritannien ist nämlich für Deutschland das 3. wichtigste Exportland nach den USA und Frankreich – vor China 2. Deutschland ist für Großbritannien der wichtigste Importeur – vor den USA 3. In Großbritannien sind rund 2 500 deutsche Firmen mit knapp 400 000 Jobs beheimatet. Fazit: „Was Deutschland den Briten antut, tut es sich selbst an oder salopper ausgedrückt: Jeder Tritt in den britischen Hintern ist ein Schuss ins deutsche Knie.“ (Handelsblatt, Morning briefing, 01.07.2016) Wirtschaftlich: Euroschwäche, niedriger Ölpreis und extrem niedrige Zinsen: eigentlich wären alle Bedingungen für einen Aufschwung vereint. Allein, er kommt nicht. Im Gegenteil. Infolge des Mini-Wachstums in den entwickelten Nationen kommt die Konjunktur in den Schwellenländern im- mer mehr ins Stocken. Industrie 4.0 = Digitalisierung der Wirtschaft: Nach den 3 bereits erfolgten industriellen Revolutionen durch Mechanisierung, Massenfertigung und Automatisierung scheint nun die zunehmende Vernetzung die Industrie ein 4. Mal grundlegend umzukrempeln. In der Tat rollen aus Kalifornien zwei neue Revolutionen an: die Revolu- tion der Industrie durch 3-D-Drucker (Artikel) und die Revolution der Organisation durch Big Data 1 , Mikrosenso- ren und das Internet der Dinge => Immer billigere, effizientere und lernfähigerere Roboter (Pflegeroboter, Haus- tierroboter, Autoroboter, Bauroboter, Killerroboter für militärische Einsätze, etc.) ersetzen massenweise menschliche Arbeitskraft. Im Baugewerbe z.B. bringen heute Roboter von 60 Tonnen Gewicht die Bohrlöcher, die Nieten sowie Farbanstriche an. Sie arbeiten zweimal schneller und hinterlassen nur zwei Drittel der Mängel der 1 Die Rechenleistung der Computer verdoppelt sich alle zwei Jahre – und die Datenmenge auch. Google präsentierte den zusammen mit der Nasa erstandenen D-Wave 2x-Quantencomputer: diese Maschine berechnet in einer Sekunde, wozu ein konventioneller Computer 10 000 Jahre braucht.

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Yolanda Cavalli-Flepp Lycée Maurice Ravel, Paris

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Presseschau

März 2015 – Ende August 2016

Ein gewaltiger Strukturwandel ist in vollem Gange: von der Uberisierung und Digitalisierung der Arbeitswelt über

die Unterminierung des Rechtsstaates durch multinationale Konzerne (Multis), den drohenden Zusammenbruch des

Finanzsystems und die Massenvölkerwanderungen bis hin zum Ende des Welthandels dank 3-D-Drucker.

Politisch:

Krieg in Syrien, Boko Haram und die Terror-Miliz IS lassen Abertausende von Menschen nach Europa flüchten. Prob-

lem: Wie Asylsuchende von Wirtschaftsflüchtlingen/Wirtschaftsasylanten unterscheiden?

Mehr als 44% der Migranten kommen nämlich aus Albanien, dem Kosovo und Serbien, d.h. aus sogenannten sicheren

Drittländern. Sie fliehen also nicht vor dem Krieg, sondern vor der Perspektivlosigkeit in ihrer Heimat. => Die Regie-

rungen der sich leerenden Balkanstaaten appellieren an Deutschland,

es solle ihnen die Menschen zurückschicken und ihnen vor allem kein

Geld geben: mit 900 € Taschengeld + Unterkunft, Nahrungs- und Hy-

gienemittel gratis… da will sich doch keiner mehr in seinem Heimat-

land für 250 € im Monat abrackern! In Deutschland wiederum gibt es

z. T. heftige Proteste gegen diesen „Sozialtourismus“.

EU:

- Streit um Flüchtlingsquoten

- Streit um die Sicherung der EU-Außengrenzen bzw. die Schließung

von Binnengrenzen => das Schengener-Abkommen wird in Frage ge-

stellt.

Die EU überweist der Türkei Milliarden, damit sie die Flüchtlinge an

ihren Grenzen zurückhält; die Türkei erhandelt als Gegenleistung auch die Visa-Freiheit für seine Staatsbürger in

Deutschland; die EU-Kommission will die Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei so schnell wie möglich

wieder aufnehmen. „Ohne die Türkei wird nichts gehen“, so Juncker.

- Grexit oder nicht? Austritt Griechenlands aus der Währungsunion oder nicht? Der Schuldenstreit geht weiter… -

tritt aber angesichts der Flüchtlingswelle in den Hintergrund.

- Brexit: Auch wenn die Politik sich streitet, hofft die Wirtschaft, dass der deutsch-britische Handel in Zukunft ge-

nauso unbürokratisch und weitgehend zollfrei abgewickelt werden kann wie bisher.

1. Großbritannien ist nämlich für Deutschland das 3. wichtigste Exportland nach den USA und Frankreich –

vor China

2. Deutschland ist für Großbritannien der wichtigste Importeur – vor den USA

3. In Großbritannien sind rund 2 500 deutsche Firmen mit knapp 400 000 Jobs beheimatet.

Fazit: „Was Deutschland den Briten antut, tut es sich selbst an oder salopper ausgedrückt: Jeder Tritt in den

britischen Hintern ist ein Schuss ins deutsche Knie.“ (Handelsblatt, Morning briefing, 01.07.2016)

Wirtschaftlich:

Euroschwäche, niedriger Ölpreis und extrem niedrige Zinsen: eigentlich wären alle Bedingungen für einen Aufschwung

vereint. Allein, er kommt nicht. Im Gegenteil.

Infolge des Mini-Wachstums in den entwickelten Nationen kommt die Konjunktur in den Schwellenländern im-

mer mehr ins Stocken.

Industrie 4.0 = Digitalisierung der Wirtschaft: Nach den 3 bereits erfolgten industriellen Revolutionen durch

Mechanisierung, Massenfertigung und Automatisierung scheint nun die zunehmende Vernetzung die Industrie

ein 4. Mal grundlegend umzukrempeln. In der Tat rollen aus Kalifornien zwei neue Revolutionen an: die Revolu-

tion der Industrie durch 3-D-Drucker (Artikel) und die Revolution der Organisation durch Big Data1, Mikrosenso-

ren und das Internet der Dinge => Immer billigere, effizientere und lernfähigerere Roboter (Pflegeroboter, Haus-

tierroboter, Autoroboter, Bauroboter, Killerroboter für militärische Einsätze, etc.) ersetzen massenweise

menschliche Arbeitskraft. Im Baugewerbe z.B. bringen heute Roboter von 60 Tonnen Gewicht die Bohrlöcher, die

Nieten sowie Farbanstriche an. Sie arbeiten zweimal schneller und hinterlassen nur zwei Drittel der Mängel der

1 Die Rechenleistung der Computer verdoppelt sich alle zwei Jahre – und die Datenmenge auch. Google präsentierte den

zusammen mit der Nasa erstandenen D-Wave 2x-Quantencomputer: diese Maschine berechnet in einer Sekunde, wozu ein konventioneller Computer 10 000 Jahre braucht.

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früheren Arbeiter. Zudem werden sie nie müde und verlangen keine Gehaltserhöhungen! Damit ist absehbar,

dass in der industriellen Fertigung - aber zunehmend auch im Dienstleistungssektor – tausende von Arbeitsplätze

verloren gehen.

Ernährung: weltweite Proteste gegen Monsanto (genmanipuliertes Getreide)

VW-Abgasaffäre: EU-weit sind rund 8 Millionen Fahrzeuge mit Manipulationssoftware ausgestattet… Nicht nur

VW, sondern „made in Germany“ ganz allgemein wird von dem Skandal betroffen.

2015 = Rekordjahr bei Fusionen

Finanzpolitisch : Angesichts der Finanzkrise gehen die Börsen weltweit auf Talfahrt. Trotz Warnrufen kauft die EZB

weiter für 60 Mrd. € monatlich Staatsanleihen (sog. Quantitative Easing), um das Wachstum anzukurbeln => das Geld-

volumen wird aufgeblasen => der Euro geht auf Talfahrt.

=> Wohin mit dem Geld? Klassische Anlageformen bringen nur noch wenig oder nichts mehr ein. => Die EZB führt für

Firmenkunden Negativzinsen ein = Strafgebühr für Bargeldguthaben! Der Wertverlust des Geldes kombiniert mit Nied-

rigstzinsen lassen das Gesparte wie Schnee in der Sonne schmelzen. Die Kleinsparer sind die großen Verlierer => Al-

tersarmut + Flucht in Sachwerte (Immobilienpreise explodieren)

Klimatisch: Naturkatastrophen (Waldbrände, Überschwemmungen, etc.)

DEUTSCHLAND

Wirtschaftswachstum 2015: lediglich 1,7%, obwohl die Leitzinsen und Ölpreise einen historischen Tiefstand erreicht

haben und der Euro gegenüber dem Dollar mehr als 20% an Wert verloren hat .

25 Jahre Deutsche Einheit: 1990 hatte Bundeskanzler Helmut Kohl „blühende Landschaften“ versprochen. Die bis heute

geleisteten Transferleistungen in Richtung Osten belaufen sich auf rund 2000 Mrd. Euro. Das BIP Ost pro Einwohner

liegt jedoch immer noch bei nur 67% des westlichen. 2 Hauptprobleme: Arbeitslosigkeit und Überalterung der Gesell-

schaft.

Masseneinwanderung: „Was hier geschieht wird sich auswirken auf Jahrzehnte, auf Generationen.“

Obwohl Bundeskanzlerin Angela Merkel im Herbst 2010 noch erklärte, „Mul-

tikulti ist absolut gescheitert“ und einen härteren Kurs in der Ausländerpolitik

ankündigte, lautet ihre jetzige Parole angesichts des Flüchtlingsdramas: „Wir

schaffen das!“ => In Deutschland kommt es zu einer heftigen Masseneinwan-

derungs- bzw. Asyldebatte, die die Gesellschaft spaltet (Pegida, AfD): 2015

sind 1,1 Millionen Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. „Es ist die größte

politische Herausforderung der nächsten Jahre. Länder und Kommunen sind

hoffnungslos überfordert“ (Spiegel, 22.08.2015). Es müssen Wohnungen geschaf-

fen werden und Arbeitsplätze, Schulen, Krankenhäuser und das dazu gehö-

rende Personal muss gefunden werden. Die Sozialkassen und die staatlichen Haushalte werden mit Kosten in Milliar-

denhöhe belastet.

Obwohl einige Flüchtlinge (bes. aus Syrien) eine gute Ausbildung haben, stellt sich heraus, dass 75% keinen formalen

beruflichen Abschluss nach deutschen Standards haben. Zudem sind rund 1/3 aller Asylantragsteller Analphabeten.

Hauptprobleme:

Fehlende Deutschkenntnisse sind das eine große Hindernis für Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt

(=> Pädagogen verbreiten deswegen die Idee einer „Leichten Sprache“)

der Mangel an „passenden“ Jobs das andere. => Es müssen also Arbeits- und Ausbildungsplätze „zu ortsüblichen

Löhnen geschaffen werden. […] Ich habe keine Lust, dass hier ein sogenannter Arbeiterstrich entsteht, auf dem

Menschen ohne Rechte ausgebeutet werden.“ (Sozialministerin Andrea Nahles, Spiegel, 05.09.2015)

Besonders die akute Wohnungsnot bringt soziale Spannungen, Wut und Neid mit sich. Zurzeit werden die Flücht-

linge vor allem in Kasernen, Sporthallen, Flüchtlingsheimen, Containerdörfern, Zeltstädten, etc. untergebracht.

(Die Sicherheits- und Caterbranche, Mobilfunkfirmen und Western Union, Betreiber von Flüchtlingsheimen und

Hostels, Container- und Feldbettproduzenten haben Hochkonjunktur!)

=> Immer mehr Deutsche haben Angst, benachteiligt zu werden: die sozial Schwachen fürchten, dass sie mit Mig-

ranten in „Konkurrenzsituation“ geraten, die Wohnungsbesitzer, dass ihre Wohnungen beschlagnahmt werden. =>

zahlreiche Proteste und Übergriffe auf Flüchtlingsheime. Nach den Attacken in Köln und von Flüchtlingen began-

genen Terroranschlägen werden fremdenfeindliche Stimmen lauter.

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Die einen sind der Meinung, dass Deutschland auf Grund des demografischen Wandels (die deutsche Bevölkerung

schrumpft) auf die Zuwanderung von Fachkräften angewiesen ist; die anderen befürchten, dass in 15 – 20 Jahren in-

folge der zunehmenden Robotisierung abertausende von Jobs verschwinden werden und mit noch weniger Menschen

noch mehr produziert wird. => Diskussionen über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens, um den

„dramatischen Veränderungen in der Arbeitswelt“ Rechnung zu tragen = damit Menschen ohne Arbeit wenigstens

noch Geld haben, um die von Robotern produzierten Produkte zu kaufen… (Schweizer Volksinitiative vom 5. Juni 2016

abgelehnt)

Euroschwäche und niedriger Ölpreis beschleunigen das Wachstum.

Nur 2,8 Millionen Arbeitslose => robuste Binnennachfrage

Staatliche Wirtschaftspolitik: die Regierung lanciert ein Infrastrukturprogramm von über 10 Mrd. Euro.

Deutsche Qualität: Kräftige Exporte…

Die Frage ist nur: wie lange noch??? Der Welthandel verlangsamt sich nämlich zusehends, da die Volkswirtschaften

der Schwellenländer (China, Brasilien, Thailand, Indonesien, Südafrika, etc.) auf breiter Front an Schwung verlieren

=> Der Containterumschlag an der Elbe ist im 1. Halbjahr gegenüber dem Vorjahr um fast 7% gesunken (Video) =>

Die Schwäche der Schwellenländer bedroht das deutsche Geschäftsmodell, denn sie waren die Garanten, dass

Industrienationen wie Deutschland neue Abnehmer für Maschinen, Anlagen oder Kraftfahrzeuge fanden.

- das Geschäft mit Russland ist sanktionsbedingt eingebrochen

- fast 11%-iger Rückgang mit China, einem der wichtigsten deutschen Handelspartner

Autoindustrie: Vom Elektroauto zum rollenden Computer:

- Die von Google und Apple entwickelten iAutos sind eine Horrorvision für die deutsche Automobilbranche: es geht

um nichts weniger als um die 2. Erfindung des Automobils: Aus einer Blechkarosse mit Verbrennungsmotor wird

ein rollender Computer…

- Für VW bricht das Chinageschäft infolge hoher Absatzeinbrüche ein. Für Daimler, hingegen, war 2015 ein abso-

lutes Rekordjahr: 2,9 Mio. verkaufte Autos; 8,9 Mio. Gewinn netto

- Dänemark will ab 2025 sämtliche Verbrennungsmotoren verbieten.

? Sozialpartnerschaft: In Deutschland wird 2015 gestreikt wie schon jahrelang nicht mehr: Kita-Angestellte, Post,

Lokführer, Piloten… (die letzten vergleichbaren großen Arbeitskämpfe gehen auf 2002 [Metaller-Streik] und 2006

zurück).

Kita-Streik: Die Erzieher in den kommunalen Kitas (Kindertagesstätten) fordern mehr Geld. Die dank Schlichtungs-

verfahren ausgehandelte Gehaltserhöhung wird von der Basis jedoch abgelehnt, was äußerst selten vorkommt.

„Kompromisslosigkeit verdrängt Konsensdenken.“

Post-Streik: Hier geht es nicht um Lohnforderungen, sondern um die Lohngleichheit innerhalb eines Unterneh-

mens, denn wie viele große Unternehmen versucht die Post,

immer mehr Arbeitsplätze über Werkverträge auszugliedern

=> Mit Streiks und Demos will die Dienstleistungsgewerk-

schaft Ver.di verhindern, dass die Post bei den neu gegründe-

ten „Delivery“-Tochtergesellschaften weit unter dem Post-

Haustarif und unter den bei der Post üblichen Konditionen ein-

stellt. Dem hält die Post gegenüber, dass die Löhne bei der

Post zu hoch sind, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben,

da die großen E-Commerce-Anbieter die Konditionen der Pa-

ketfirmen immer mehr drücken, weil sie von ihren Kunden, die

im Internet bestellen, oft keine Versandgebühren verlangen.

=> Zustellern, die bisher bei der Post befristet beschäftigt wa-

ren, werden bei „Delivery“ nun unbefristete Jobs angeboten.

Der Stundenlohn liegt hier jedoch im Schnitt bei 13 € (bei anderen Wettbewerbern gar nur bei 8,5 €2), während er

bei der Post selbst bei rund 18 € liegt.

2 Apropos Mindestlohn: Experten fordern eine Erhöhung des Anfang 2015 eingeführten Mindestlohnes von 8,5 auf 10

€/Std. (in 4 Branchen liegen die tariflichen Mindestlöhne aufgrund von Ausnahmeregelungen derzeit sogar noch unter

dem gesetzlichen Wert).

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Streit um das „Tarifeinheitsgesetz“, das die große Koalition durchsetzen will.

1. Kommt es durch, werden die Rechte der Kleingewerkschaften eingeschränkt, denn dann gilt nur noch der

Tarifvertrag jener Gewerkschaft, die die Mehrheit im Betrieb stellt!

2. Gleichzeitig wird das Monopol der Gewerkschaften in Frage gestellt: Bisher durfte nur gestreikt werden, wenn

der Streik von einer Gewerkschaft organisiert bzw. anerkannt war. Da es aber immer weniger tarifgebundene

Unternehmen gibt und die Mitgliederzahl der Gewerkschaften weiter schrumpft (die IG-Metall hat inzwischen

aber die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di wieder vom 1. Platz verdrängt), fordern die Arbeitnehmer, dass

Streiks auch von so genannten Ad-hoc-Koalitionen zulässig sind (= mehr oder weniger spontane Arbeitsnie-

derlegungen von Kollegen).

USA

Trotz der anziehenden Konjunktur (2,4% Wachstum 2015) sacken Dow Jones und die

Technologiebörse Nasdaq mehrmals ab; der starke Dollar lässt die Exporte einbre-

chen + zahlreiche Probleme wie niedrige Inflation, schwache Lohnentwicklung, weiter

sinkende Ölpreise, etc. bleiben aktuell.

Rätselraten um den Zeitpunkt der Zinswende in den USA :

Obwohl die USA seit 2009 durchschnittlich 2,2% Wachstum pro Jahr und nur noch 5%

Arbeitslose3 (= Niveau der Vollbeschäftigung vor der Rezession) registrieren, scheut

das FED davor zurück, die Leitzinsen zum 1. Mal seit dem Ausbruch der Krise im Jahr

2008 heraufzusetzen, denn:

a) werden die Zinsen in den USA wieder attraktiver, gibt es für Spekulanten keinen Grund mehr, ihr Geld auf relativ

unsicheren Märkten anzulegen. Eine Fluchtwelle der Investoren aus den Schwellenländern würde deren Währun-

gen aber massiv absacken lassen; die Kredite dieser – in Dollar - hoch verschuldeten Staaten würden sich verteuern

und die Wirtschaftskrise weiter verschärfen. Besonders fragile sind die BRIC-Staaten sowie die Türkei.

b) Obwohl die Arbeitslosenquote um die Hälfte tiefer liegt als während der Rezession, haben weniger Amerikaner

eine Stelle als davor, und die Löhne liegen fast 10% unter dem Niveau von 2008 (mittleres Einkommen von Haus-

halten: 60 462 $). Der Anteil der bezahlten Angestellten an der erwerbsfähigen Bevölkerung (zwischen 15 und 64

Jahren) liegt in der Tat nur noch bei 72,8 Prozent = ein Verlust von 5 Prozentpunkten. Der Rückschlag ist umso

alarmierender, als mit Ausnahme von Frankreich alle großen europäischen Industrieländer in den letzten 50 Jahren

die Beschäftigungsquote erhöhen konnten. Ursachen:

1. Zunehmende Automatisierung: Boeing-Chef Barry Lewis: „Für jedes neue Flugzeug muss der Konzern heute

nur noch 109 feste Arbeiter bezahlen, genau die Hälfte weniger als 1998. Und diese Zahlen werden weiter

sinken. […) Wir automatisieren die Fertigung immer mehr, und dies bedeutet, dass wir künftig noch mehr Ma-

schinen mit gleich vielen Leuten herstellen können.“

2. Bevölkerungswachstum: „… gleichzeitig wuchs die Bevölkerung um 13 Millionen und wurde zudem durch die

Einwanderung leicht verjüngt. Somit suchen heute mehr Arbeitswillige nach einer Stelle als noch vor der Krise“.

3. Verlagerungen: „Vom Großerfolg Apple etwa ist auf dem US-Arbeitsmarkt wenig zu sehen. Der Konzern be-

schäftigt selber weniger als 10 Prozent von rund einer Million Arbeiter, die das iPhone und den iMac entwerfen,

fertigen und verkaufen. Amazon hat dieses Auslagern von Stellen, Sozialleistungen und Löhnen noch weiter

getrieben. Und dies in den USA selber: Die Leistung der Angestellten wird mittels Algorithmen ausgewertet; ihr

Lohn wird exakt danach bemessen, was sie leisten.“

4. Neue Arbeitswelt: Immer mehr feste Stellen werden durch flexible Jobs ersetzt. „Der Zuwachs an unsicherer

Arbeit lässt die traditionellen ökonomischen Maßstäbe – wie die Arbeitslosigkeit oder das Einkommen – weit

besser aussehen, als die Amerikaner sich fühlen… Es macht auch viele Schutzmaßnahmen wie den Minimallohn,

die Überstundenregeln und den Elternurlaub irrelevant, weil es keinen klaren Arbeitgeber mehr gibt“. (Auszüge aus Tages-Anzeiger, 18. Nov. 2015)

3 In der Praxis sind es viel mehr, aber Abertausende haben die Hoffnung aufgegeben, je wieder einen Job zu finden.

Viele Amerikaner sind überzeugt, die Rezession sei noch nicht vorüber – was angesichts des weltweiten Börsencrashs gut möglich ist…

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Der Erdöl-Preissturz um 50% innerhalb weniger Monate hat unabhängige Fracking-Produzenten stark getroffen. Ob-

wohl die USA heute mehr Öl fördern als jedes andere Land, können die Produzenten das schwarze Gold nicht ausfüh-

ren. Ein Exportverbot der US-Regierung von 1973 (Öl-Schock) untersagt ihnen nämlich die Ausfuhr (mit einer Aus-

nahme im letzten Jahr) => Hunderte von Anlagen müssen infolge des Preiszerfalls stillgelegt werden.

CHINA (roter Staatskapitalismus)

Demographie: Die von Mao Zedong 1979 verordnete Ein-Kind-Politik, um das unkontrollierte Bevölkerungswachstum

in den Griff zu bekommen, wird abgeschafft. Künftig sind für jedes Paar 2 Kinder erlaubt, denn Chinas Bevölkerung

altert rapide: Schon 2030 wird es 210 Millionen Senioren über 60 Jahre geben. => Der erhoffte „Babyboom“ bleibt

jedoch vorerst aus: gerade mal 12% der „Qualifizierten“ haben einen Antrag auf ein 2. Kind gestellt. Viele Pekinger und

Shanghaier haben schlicht keine Lust mehr auf ein zweites Kind: Es ist zu teuer und sie haben zu wenig Zeit.

Umweltverschmutzung: Explosion einer Lagerhalle mit giftigen Chemikalien in Tianjin => Die Angst vor einer vertusch-

ten Naturkatastrophe wächst.

Wirtschaft: Um sich vor den Auswirkungen der Weltfinanzkrise zu schützen, versucht die chinesische Regierung mit

niedrigen Zinsen und Milliarden schweren Konjunkturankurbelungs- und Investitionsprogrammen auf Pump, die

schwächelnde Konjunktur anzukurbeln. Umsonst: Die Wirtschaft der 2. größten Volkswirtschaft / der größten Handels-

nation der Welt und der einstigen Konjunkturlokomotive leidet unter einer Finanz-, Wirtschafts- und Immobilienkrise:

Mit 6,9% Wachstum für 2015 wurden die erwarteten 7% knapp verfehlt. Langsam aber si-

cher geht die Angst um, dass der Wachstumsrückgang sich als langfristiger Trend herausstel-

len könnte: Chinas Umwandlung von einer Investitions- und Export- zu einer Konsum- und

Dienstleistungsgesellschaft kommt ins Stocken. Obwohl die Regierung beschlossen hat, dass

die Chinesen Geld ausgeben sollen, anstatt es zu sparen, legen die Bürger aus Sorge vor

Krankheit und Altersarmut bislang mehr Geld zurück als nahezu jedes andere Volk der Welt

(sog. Angstsparen) => Der Anteil des Privatkonsums an der Wirtschaftsleistung ist prozentual

nach wie vor sehr niedrig, obwohl er in absoluten Zahlen wächst (dank steigender Gehälter

und einer klar wachsenden Mittelschicht). Der Reformprozess für mehr Wettbewerb und

weniger Eingriffe der Regierung in die Wirtschaft enttäuscht viele Erwartungen. Folgen:

a) im Inland:

- einerseits leidet China unter den kräftig gestiegenen Lohnkosten

- andererseits holen Konkurrenten aus Indien, Indonesien und Vietnam mit gut ausge-

bildeten Mitarbeitern zu attraktiven Lohn- und Steuerbedingungen stark auf => die In-

vestoren ziehen weiter ( BTS)

- dazu kommt noch ein gewaltiger Schuldenberg als Folge der fast bedingungslosen Kre-

ditvergabe an staatliche Institutionen nach Ausbruch der Finanzkrise 2008. Die Ge-

samtverschuldung Chinas wächst jährlich um 14% (doppelt so schnell wie die Wirt-

schaftsleistung) und die Talfahrt geht weiter.

=> Nachfragerückgang, leer stehende Hochhäuser: Riesige Überkapazitäten in Chinas

Bau- und Schwerindustrie. Allein in der Schwerindustrie dürften in den kommenden

drei Jahren bis zu drei Millionen Stellen abgebaut werden = Massenentlassungen =>

Massenarbeitslosigkeit => die soziale Stabilität ist gefährdet und die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert

sich weiter.

=> Die chinesischen Börsen brechen ein. Obwohl die Regierung energisch eingreift (Senkung des Mindestreser-

vesatzes, Erhöhung der Leitzinsen () und 3-malige Abwertung () des Yuan Mitte August um insgesamt knapp

5%), geraten auch …

b) in den Industrienationen die Börsen nach und nach in den Strudel, denn inzwischen ist China eng mit dem Rest der

Welt verknüpft => Dominoeffekt: Der Nachfragerückgang im Ausland und die zögerlichen Investoren bewirken Ex-

porteinbrüche, wovon die deutschen, exportorientierten Auto- und Maschinenbauer besonders hart getroffen

sind!

c) in den Schwellenländern: Das Reich der Mitte, von entscheidender Bedeutung für die globale Nachfrage nach Roh-

stoffen, ist ein wichtiger Akteur für andere Schwellenländer wie Brasilien und Russland => Angst, China könnte zum

Auslöser einer neuen Finanzkrise werden.

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Dritte Verlagerungsstufe: „Die brauchen uns nicht mehr“ : „Erst haben die Hersteller sich vieles von ausländi-

schen Partnern abgeschaut. Nun sind sie zu eigenen Spitzenleistungen in der Lage. […] Nun folgt der nächste

Schritt, die Entwicklung eigener Ideen“ (Spiegel, 25.07.2015)

Dank des Technologietransfers via Joint-Ventures (chinesisch-xy-ische Gemeinschaftsunternehmen),

ohne die keine ausländische Firma in China produzieren darf, fertigen die Chinesen nun zunehmend

Hightech-Produkte, die sie selbst entwickelt haben => Das vorgegebene Ziel des Pekinger Wirtschafts-

ministeriums, dem zufolge bis Ende 2015 einheimische Maschinenbauer bis zu 45% der Technologie

selbst beherrschen sollten, ist erreicht worden!

=> China treibt mit großem Ehrgeiz den Ausbau wichtiger Schlüsselbranchen voran. Besonders in den 3 großen Bran-

chen des Transportsektors, Automobil-, Eisenbahn- und Luftfahrtindustrie. China schafft nach und nach den Übergang

von der „Werkbank der Welt“ zur innovativen Volkswirtschaft, deren Hochtechnologie konkurrenzfähig wird.

Chinesische Autohersteller: Marken wie Chey, Geely, Great Wall, Donfeng oder SAIC existieren, aber die wohlhaben-

den Chinesen wollen immer noch lieber DEUTSCHE Autos…

Luftfahrt: zwar hinkt die Industrie hinter ihrem Zeitplan hinterher, aber Chinas erstes selbst entwickeltes modernes

Verkehrsflugzeug, ARJ21 Xiangfeng, fliegt => Chinas Flugzeugbauer COMAC will das Monopol von Airbus und Boeing

brechen.

Eisenbahnindustrie +++: Sie schließt zur Weltklasse auf! Ihre Auftragsbücher sind so voll wie nie zuvor. Die Gleis-, Loko-

motive- und Waggonbauer des Landes verkaufen ihre Produkte nicht mehr nur in China selbst und in Entwicklungslän-

der in Asien und in Afrika: Auch aus den USA und aus Europa gehen erste Aufträge ein = Chinas Eisenbahnen sind zu

ernst zu nehmenden Wettbewerbern aufgestiegen. China baut Fernbahnen in der Türkei, in Saudi-Arabien und Argen-

tinien, U-Bahnen für Kuala Lumpur, Ankara und Boston. Es bietet mit internationalen Partnern um Projekte wie die

geplante Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Los Angeles und San Francisco mit…

Auslandsinvestitionen:

China ist zum 5. größten Investor in Europa avanciert. Zwischen 2000 und 2014 flossen ein Großteil der chinesischen

Direktinvestitionen nach Großbritannien, gefolgt von Deutschland (Kuka), Frankreich, Portugal, Italien und der Schweiz.

Sie investieren in Flughäfen, Müsliproduzenten, Pizzaketten, Ölanlagen, Immobilienprojekte…, in die Textilsparte von

OC Oerlikon, Swissmetal-Werke, Uhrenhersteller, Sportmarketing-Agenturen, etc., aber auch in Kunstobjekte und Old-

timer = prestigeträchtige Sachwerte, die vielen Chinesen attraktiver erscheinen als Wertpapiere. Aber das dürfte erst

der Anfang sein, zumal das Reich der Mitte die alte Seidenstraße zu Lande und zu Meer reaktivieren will, um China mit

Europa und dem Mittelmeer zu verbinden. In das Projekt (angefangen mit der Modernisierung des legendären Kara-

korum-Highways [KKH], der Chinas muslimische Provinz Xingjiang mit Pakistans Hauptstadt Islamabad verbindet) sollen

40 Milliarden Dollar fließen. Ziel und Zweck der Investitionen:

- Sicherung von Transportwegen und Märkten für chinesische Waren und Dienstleistungen

- bei gleichzeitiger Sicherung von technologischem Know-how

Chinesische Einkaufstour in Farmland und Produktionsanlagen in Australien

Nachdem chinesische Käufer in den vergangenen Jahren bereits 10% des australischen Farmlandes gekauft haben,

investieren sie nun vermehrt auch in die örtlichen Agrarbetriebe, da die chinesischen Kunden der heimischen Agrar-

industrie infolge der Nahrungsmittelskandale jegliches Vertrauen entzogen haben. (Video)

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Massive Investitionen in der Ukraine, um den Getreidebedarf der Volksrepublik langfristig zu sichern.

In Neuseeland verhindert die Regierung den Ausverkauf von Vieh und Land, denn dort treten chinesische Unterneh-

men ebenfalls zunehmend als Käufer auf, etc. ( Artikel)

Afrika: Nach der Großoffensive der vergangenen Jahre gehen „nur noch“ 17%

der chinesischen Auslandsinvestitionen nach Afrika. Längst hat das Land die

USA und die ehemaligen Kolonialnationen als Afrikas wichtigster Handels-

partner überholt. Rund 2 500 chinesische Firmen sind dort aktiv. Ihr Hauptin-

teresse gilt den Erdölstaaten wie Nigeria, Angola und den beiden Sudan sowie

jenen Nationen, die reich an wichtigen Bodenschätzen sind wie etwa Süd-

afrika (Platin und Kohle), der Kongo (Uran, Coltan und Zinn) und Sambia (Kup-

fer). ( Artikel)

Frankreich: Investitionen in Weinbaubetriebe.

Japan

Konjunkturflaute, Deflation und hohe Staatsschulden wie eh und je.

Wie in Deutschland schrumpft und überaltert/vergreist die japanische Gesell-

schaft und hat dringenden Bedarf an Arbeitskräften. „Zwar ließe sich der

Mangel leicht beheben, wenn Japan ganz offiziell Einwanderer ins Land holen

würde. Doch das Inselvolk bleibt lieber unter sich.“ (Spiegel, 22.08.2015). Japan

reagiert auf den Fachkräftemangel indem:

a) japanische Hausfrauen dazu animiert werden, ins Berufsleben einzusteigen nach dem Motto: „Ein Paar, 2 Jobs, 2

Kinder“

b) in allen Lebensbereichen auf Automatisierung und Robotisierung gesetzt wird (Video)

Paradox: trotz des akuten Fachkräftemangels arbeiten mittlerweile knapp 40% aller Japaner (besonders Jüngere) in

unterbezahlten Zeitverträgen, d.h. ohne Festanstellung, unter zermürbenden Bedingungen und zu Minilöhnen.

Gründe:

- Die Industrie hat ihre Jobs in Billiglohnländer verlagert.

- Und damit es auch daheim noch billiger wird, ersetzen ganze Branchen Festangestellte durch Gelegenheitsarbei-

ter und Teilzeitkräfte, sogenannte Hiseiki. Da sich die traditionellen Gewerkschaften aber nur um die Festange-

stellten kümmern, wurde nun die „Black Baito Union“ gegründet, die die Interessen der Gelegenheitsarbeiter

vertritt. Inzwischen gelten 16% der Bevölkerung als arm.

Spanien

Ende des Tunnels in Sicht? Die Arbeitslosenquote liegt aber immer noch bei 22,5%; das Staatsdefizit beläuft sich auf

100% des BIP.

Brasilien

Brasilien steckt in einer tiefen Rezession. Schuld daran sind Korruption, Misswirtschaft, der Verfall der Ölpreise, die

Abkühlung in China sowie eine fehlgesteuerte Wirtschaftspolitik.

Afrika

Business in Afrika ist ein Wettlauf gegen die Konkurrenz, vor allem gegen die Chinesen. Mehrere afrikanische Länder

verzeichnen jährliche Wachstumsraten von 7% => eine finanzkräftige Mittelschicht wächst heran ( BTS). Sie kauft

Motorräder, Kleidung, Schuhe, Elektronik… Afrika ist von Europa aus gesehen der letzte Zukunftsmarkt der Erde. (Spiegel, 25.07.2015)

Infolge der politischen Unsicherheit (Boko Haram, etc.) machen sich Millionen Menschen auf den Weg nach Europa.

Außenhandel

Seitdem Russland die Krim wieder annektiert hat und Rebellen in der Ost-Ukraine unterstützt, üben die Amerikaner

großen Druck auf Europa aus, damit es harte Sanktionen verhängt – während die USA selber ihren Handel mit

Russland ausbauen… Europas Exportwirtschaft leidet stark unter den Sanktionen, zumal ihr Anteil am russischen

Außenhandel fast 50% beträgt (derjenige der USA hingegen lediglich 3,7%). Insofern fällt es Washington auch leicht,

Sanktionen zu verhängen… => Der Außenhandel der EU bricht um 1/3 ein und der Kreml verkündet eine „Go-East-

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Strategie“ = er will künftig vor allem mit asiatischen Firmen zusammenarbeiten. Z.B. mit China bei dem 20-

Mio-Dollar-Projekt für moderne Züge und den Bau einer Hochgeschwindigkeitsstrecke von Moskau in die boo-

mende Provinzhauptstadt Kasan. Siemens hat das Nachsehen…

Seit der Abschaffung des 2011 eingeführten Frankenmindestkurses Anfang 2015 hat die Schweizer Währung stark

zugelegt – und die Exportindustrie ächzt (Währungsschwankungen ).

Internationale Freihandelszonen / Freihandelsabkommen ()

Während die 1995 gegründete und 160 Mitglieder zählende WTO ihre Bedeutung als globales Handelsforum zuneh-

mend verliert, mehren sich rund um den Globus regionale Abkommen. Der Wettlauf um Märkte spitzt sich zu: Wer

setzt die Standards von morgen??? Die Welt wird zwischen Asien und Amerika aufgeteilt… => Von TISA über TTIP zu

FTAAP oder: eine neue Art von Abkommen, die im Geheimen ausgehandelt werden und die Staaten Unter-

nehmesinteressen unterwerfen.

Ceta = kanadisch-europäisches Handelsabkommen. Das Abkommen ist fertig ausgehandelt und inzwischen im Ra-

tifizierungsprozess (obwohl Juncker die nationalen Parlamente daran hindern wollte) =>

Anti-Freihandelsaktivisten haben in Deutschland eine Onlinepetition auf Change.org gestartet und wollen eine Ver-

fassungsbeschwerde gegen den „entfesselten Freihandel“ einreichen. Kritisiert wird, dass CETA (das Trojanische

Pferd des TTIP) sowie sein amerikanisches Pendant TTIP Sondergerichte schaffen, die das Gesetzgebungsrecht der

einzelnen Mitgliedsstaaten der EU beschneiden: Besonders die Passagen über den Schutz von Firmen, die im je-

weils anderen Wirtschaftsraum investieren, erzürnt sie. Großkonzerne könnten somit einen Staat auf Schadener-

satz verklagen, wenn dieser ein Gesetz zum Schutz seiner Bürger erlässt, das die erwarteten Gewinne eines Kon-

zerns schmälert (cf. Philip Moris in Australien).

Die USA verhandeln derzeit 3 Handelsabkommen von gewaltigem Ausmaß: TiSA, TTIP und TPP

TiSA (Trade in Services Agreement – Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen). Das TiSA-

Abkommen – über das kaum diskutiert wird - soll weltweit Dienstleistungen liberalisieren und einem stärkeren

Wettbewerb aussetzen = Zwang zur Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen (Finanzen, Post, Bahn, Gesundheit,

Bildung, etc.) = > Verbot der Inländerbevorzugung beim Kauf von Grundstücken (cf. CH: Lex Koller)

TTIP (Transatlantic Trade & Investment Partnership) zwischen den USA und der EU. Ziel: Schaffung eines einheitli-

chen Wirtschaftsraums für rund 800 Mio. Verbraucher zur Ankurbelung der Konjunktur und als Gegengewicht zu

den aufstrebenden Handelsblöcken in Asien.

Anders als in früheren Handelsverträgen, bei denen vor allem Zölle gesenkt wurden, geht es bei TTIP um den

Abbau von nicht-tarifären Handelshemmnissen. Denn: während bei den Exporten nach Asien die DEUTSCHEN

Normen problemlos akzeptiert werden, stellen sich die USA quer => in nahezu allen Industriezweigen erschwert

eine Vielzahl unterschiedlicher Testverfahren, Zertifizierungsvorschriften und Dokumentationspflichten den trans-

atlantischen Handel (eine in die USA exportierte Maschine kostet demnach 15 – 20% mehr) + unterschiedliche

Vorschriften zum Schutz der Gesundheit, der Umwelt und Verbraucherinteressen.

=> Ziel und Zweck des Abkommens: Was in den USA bzw. in der EU verkauft werden darf, soll auch in der EU bzw.

in den USA verkauft werden dürfen.

Deutschlandweite von den 8 Gewerkschaften des DGB unterstützte Proteste gegen:

a) den „Etikettenschwindel“: Unter dem Deckmantel des Freihandels sollen Privatisierungen erleichtert, der

Weg für Gen-Essen, Pestizide und Hormonfleisch freigemacht werden. Eine Inhaltsdeklaration bzw. Her-

kunftsbezeichnung auf den Etiketten würde verschwinden. TTIP ist seinen Gegnern zufolge ein Anreiz, die EU-

Produktionsstandards nach unten zu drücken.

In der Tat gibt es riesige gesetzliche und kulturelle Unterschiede: In der EU gilt das Vorsorgeprinzip = Erst

wenn Stoffe oder Verfahren nachweisbar unschädlich sind, dürfen sie kommerzialisiert werden. In den USA

hingegen gilt das Nachsorgeprinzip: Solange es keine wissenschaftlich eindeutig belegte Gefahr gibt, dürfen

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die Produkte auf den Markt4 => Die NGG (Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten)

wehrt sich vehement gegen „Chlorhühnchen“, etc.

b) ein „unkalkulierbares Risiko für demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien“.

- Die IG-Metall protestiert vor allem gegen den Investorenschutz. Ihm zufolge hätten

ausländische Firmen das Recht, vor einem privaten, nicht öffentlichen Schiedsgericht

ihre Rechte einzuklagen, wenn immer ein Staat z.B. ein Umweltgesetz oder eine Ver-

braucherschutzbestimmung erlässt oder ändert, die ihre Gewinne schmälern könn-

ten=> Demokratische Entscheidungen würden zu Gunsten multinationaler Konzerne

ausgehebelt5. Zudem wird befürchtet, dass damit das deutsche Mitbestimmungs-

recht, die Rechte der Arbeitnehmer und der Gewerkschaften gefährdet werden.

- Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di sorgt sich, dass nahezu alle öffentlichen Leis-

tungen dem Markt unterworfen werden könnten und sich nicht mehr am Gemein-

wohl orientieren.

TPP (Transpazific Partnership – Transpazifische Partnerschaft): Sie existiert seit 2006 als

ein Handelsverbund von Singapur, Brunei, Neuseeland und Chile, bis sie die USA für sich

entdeckten…: die unter der Führung Japans und der USA im Oktober beschlossene gigantische Freihandelszone

umfasst nun 12 Pazifikanrainerstaaten (USA, Japan, Kanada, Australien, Neuseeland, Singapur, Brunei, Malay-

sia, Vietnam, Mexiko, Chile und Peru), zählt mehr als 800 Millionen Verbraucher und erwirtschaftet rund 40%

der Weltwirtschaftsleistung (allein Japan und die USA tragen über 80% dazu bei).

Außen vor bleiben China und die Europäische Union, die auf diesen Märkten ins Hintertreffen geraten. Be-

fürchtet wird auch, dass die Europäer ohne TTIP die zwischen den Pazifik-Anrainer-Staaten ausgehandelten

Standards diskussionslos übernehmen müssten…

Ziel und Zweck: Seitdem die USA weitgehend die Kontrolle über die WTO verloren haben - die BRICS-Staaten

haben mehr Mitsprache und Rechte erzwungen - versuchen sie nun, ihre Interessen über verschiedene multi-

laterale Handelsabkommen zu schützen. TTP ist für sie strategisch enorm wichtig. Insofern ist denn auch das

Abkommen primär ein Vehikel, um ihren Einfluss im Pazifik zu behaupten. Es geht also mehr um geopolitischen

Einfluss und Eroberung der Märkte als um den Abbau von Zollschranken und die Vereinheitlichung von Umwelt-

und Arbeitsrecht. Sobald das Abkommen von den Parlamenten der verschiedenen Länder ratifiziert ist, werden

überall die meist laxeren US-Standards gelten.

4 Für Amerikaner gelten wesentliche Teile der EU-Lebensmittelstandards, etwa das Verbot von Gentechnik, Hormon-

fleisch, Klonfleisch oder Chlor-Sterilisation von Geflügel, als nicht wissenschaftsgestützt und damit als unzulässiges Han-delshemmnis. Tierschutz ist nach Auffassung der US-Verbraucher eine „moralische Frage“ und nicht wissenschaftlich ab-gesichert => „Solange das geschundene Huhn in den Legebatterien also keinen Selbstmord begeht, ist nicht bewiesen, dass es leidet.“ (Spiegel, 30.05.2015)

5 Beispiele: Philipp Moris verklagt den australischen Staat; US-Firmen verklagen den kanadischen Staat in Millionenhöhe;

ein schwedischer Energieriese verlangt wegen der Energiewende von der Bundesregierung Schadenersatz für seine Atom-kraftwerke, etc.

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Kritiker warnen vor vermehrten Importen von genmanipulierten Getreideprodukten,

von Rindfleisch, das mit Wachstumshormonen behandelt wurde, etc. und sehen darin

einen geopolitischen Vorstoß der USA, um:

a) ihre Weltmachtposition gegenüber China und den Schwellenländern zu festigen.

Die 3 großen Abkommen, die im Geheimen ausgehandelt werden, sind ein Ver-

such, die Machtverhältnisse auf der Erde zu verschieben. Sie sind Teil eines Pakets,

mit dem sich die USA in der Welt neu positionieren und sich ihre Vormachtstellung

sichern wollen. In China nennt man diese 3 Abkommen bereits „ABC-Abkommen“

= „Anyone but China“.6

b) Europa von Russland und anderen östlichen und südöstlichen Staaten zu entfernen, zumal das Zusammenwach-

sen Eurasiens eine große Bedrohung für die weltweite US-Vorherrschaft wäre. Denn es hat mehr Menschen, mehr

Ressourcen und mehr Fläche.

Die meisten AMERIKANER unterstützen den Freihandel nicht mehr. Der Grund für die Opposition liegt in der wachsen-

den sozialen Ungerechtigkeit: Seit mehr als 30 Jahren sind fast alle Wohlstandsgewinne, auch jene aus dem Freihandel,

an eine schmale Elite von Investoren und Managern gegangen. Die Löhne der breiten Mehrheit stagnierten, und die

Aussichten auf gut bezahlte Stellen sind sogar gesunken. Kein Wunder, dass die Amerikaner den grossen Versprechun-

gen rund um den pazifischen Handelsraum nicht glauben“ (Tagi, 20.06.2015)

Weitere Freihandelszonen / Freihandelsabkommen:

ITA (Information Technology agreement): 54 Länder legten die Basis für ein neues Abkommen zur Liberalisierung

des Handels mit Gütern der Informationstechnologie. Das 1. Abkommen mit Informationsgütern wurde 1997 ge-

schlossen. Seit 2002 laufen Verhandlungen über eine Ausweitung der Produktliste. Der Grundstein wurde 2014

gelegt, als sich die USA und China in der Sache einigten

FTAAP: Auf deren APEC-Gipfel (Asiatisch-Pazifische Wirtschaftsgemeinschaft) in Peking im November 2014 stellte

Parteichef Xi Jinping seinen Gästen aus 19 Ländern seine Vision einer Freihandelszone vor: FTAAP = eine vor allem

von China propagierte Handelsgemeinschaft, die rund 40% der Weltbevölkerung umfassen würde

Mitte Juni 2015 unterzeichnen China und Australien ein erstaunlich weitreichendes Handelsabkommen: Künftig

werden 95 Prozent der Zölle für australische Exporte nach China wegfallen; für Australier sollten unter anderem

Autos, Kleidung und Elektronik billiger werden. Zudem sind Visa-Erleichterungen für Touristen und niedrigere Hür-

den für chinesische Investoren vorgesehen.

Das 2013 ausgehandelte Schweiz-chinesische Freihandelsabkommen tritt in Kraft.

G-7 –Gipfel auf Schloss Elmau im Juni 2015. Es geht um aktuelle Krisen, Gesundheit, Frauen, Entwicklungshilfe, Klima-

wandel und Handel.

Umwelt: Deutschland hat sich vor einigen Jahren verpflichtet, bis im Jahr 2020 genau 40% weniger Treibhausgase aus-

zustoßen als im Vergleichsjahr 1990 => Schon heute existiert wegen des rasanten Zubaus der erneuerbaren Energien

eine gewaltige Überkapazität in der konventionellen Stromproduktion.

G20-Treffen in Lima: Industrie- und Schwellenländer wollen einen Aktionsplan verabschieden, den so gennannten Beps

Action Plan (Base Erosion and Profit Shifting), um legale Steuerschlupflöcher für international tätige Firmen zu stopfen.

Gleichzeitig will Großbritannien zum attraktivsten Steuerstandort der G7-Staaten werden: Im Alleingang senkte die

britische Regierung die Unternehmenssteuern auf 20%, weitere Schritte bis hinunter auf 18% sollen folgen.

WEF in Davos, Ende Januar 2016: im Mittelpunkt stehen:

Griechlandkrise, Flüchtlingsansturm

Brexit-Angst

Kein Wachstum

Billigöl: Steuereinnahmen brechen weg…

Industrie 4.0

Abschaffung des Bargeldes? (in 10 Jahren)

6 Aber auch andere Schwellenländer wie Brasilien und Indien sind ausgeschlossen.