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Z Rheumatol 2006 · 65:32–43 DOI 10.1007/s00393-006-0039-2 Online publiziert: 8. Februar 2006 © Springer Medizin Verlag 2006 B. Manger 1, · E. Mengel 2 · R. Schaefer 3 · C. Haase 4 · J. Seidel 5 · H. Michels 6 1 Universität Erlangen-Nürnberg, Medizinische Klinik III, Erlangen 2 Universitäts-Kinderklinik, Mainz 3 Universitätsklinikum, Medizinische Klinik und Poliklinik D, Münster 4 Klinikum der Friedrich-Schiller Universität Jena, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Jena 5 SRH - Waldklinikum Gera, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Gera 6 Rheumaklinik für Kinder und Jugendliche, Garmisch-Partenkirchen M. Gaucher, M. Fabry und Mukopolysaccharidose Typ I Wie kann der Rheumatologe diese Patienten erkennen? Einleitung Lysosomale Speicherkrankheiten sind seltene erbliche Stoffwechselerkran- kungen, bei denen der Mangel eines En- zyms zur lysosomalen Speicherung des nun nicht mehr abbaubaren Substrats führt. Zu diesen Erkrankungen zählen die beiden Sphingolipidosen M. Gau- cher und M. Fabry, sowie eine Reihe von Mukopolysaccharidosen sowie Oligosac- charidosen. Die erste Beschreibung einer Patientin mit M. Gaucher findet sich in der 1882 er- schienenen Dissertation des Dermatolo- gen Philippe Charles Ernest Gaucher [13]. 1898 beschrieb der Dermatologe Jona- than Fabry erstmals das später nach ihm benannte Krankheitsbild einer „purpura haemorrhagica nodularis“ [12]. Erst Jahr- zehnte später wurde jeweils die Zusam- mensetzung des Speichermaterials aufge- klärt und die bei M. Gaucher bzw. M. Fa- bry gespeicherten Lipide Glukozerebrosid [1] und Globotriaosylzeramid [31] wurden isoliert und charakterisiert. In den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts konnte der jeweils zugrunde liegende Defekt der ly- sosomalen Enzyme, die durch das GBA- Gen auf Chromosom 1q21 bzw. das α-Ga- laktosidase A-Gen auf dem X-Chromo- som kodiert werden, nachgewiesen wer- den [4, 5]. Anschließend begann die Su- che nach kausalen Behandlungsmöglich- keiten, die schließlich zur Entwicklung von Enzymersatztherapien führte. Auch die verschiedenen Mukopolysac- charidosen sind meist nach ihrem Erst- beschreiber benannt, wobei sich das von dem österreichischen Arzt Meinhard von Pfaundler und seiner deutschen Assisten- tin Gertrud Hurler 1919 erstmals beschrie- bene Krankheitsbild des M. Hurler [17] und die 1962 von einem amerikanischen Augenarzt beschriebene milde oder Er- wachsenenform, der M. Scheie [28], als verschiedene Ausprägungsgrade der Mu- kopolysaccharidose Typ I (MPS I) erwie- sen und so heute als MPS I – Hurler und MPS I – Scheie bezeichnet werden. Bei- de Formen werden durch einen Defekt des Iduronidase-Gens auf Chromosom 4p16.3 verursacht. Auch für MPS I konnte inzwischen eine Enzymersatztherapie ent- wickelt werden. Präparate für eine Enzymersatzthera- pie sind in Deutschland seit 1994 für den M. Gaucher und seit 2001 für den M. Fa- bry zugelassen, seit Juni 2003 auch für die MPS I. Durch diese über lange Jahre er- reichten Fortschritte in der Pathogenese- und Therapieforschung sind einige lyso- somale Speichererkrankungen damit heu- te therapierbar geworden. Die bisherige klinische Erfahrung zeigt, dass durch eine frühzeitige The- rapie sonst irreversible Komplikationen verhindert werden können und daher eine rechtzeitige Diagnosestellung an- zustreben ist. Die Schlüsselsymptome zu erkennen und an diese sehr seltenen Erkrankungen zu denken, ist dabei oh- ne Zweifel eine Herausforderung. Nicht selten suchen Patienten mit lysosoma- len Speichererkrankungen initial wegen Symptomen von Seiten des muskulos- kelettalen Systems einen Arzt auf. Da- her sollte insbesondere der Rheumato- loge (Internist oder Pädiater) die Symp- tome dieser Erkrankungen kennen und einordnen können. Mit diesem Ziel diskutierte im Rah- men eines Roundtablegesprächs eine Gruppe von Rheumatologen die Schlüs- selsymptome dieser Erkrankungen im in- terdisziplinären Austausch mit Ärzten, die in spezialisierten Zentren Patienten mit M. Gaucher, M. Fabry und MPS I behan- deln. Über die Ergebnisse dieser Diskussi- on wird im Folgenden berichtet. 32 | Zeitschrift für Rheumatologie 1 · 2006 Übersichten

M. Gaucher, M. Fabry und Mukopolysaccharidose Typ I

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Z Rheumatol 2006 · 65:32–43

DOI 10.1007/s00393-006-0039-2

Online publiziert: 8. Februar 2006

© Springer Medizin Verlag 2006

B. Manger1, · E. Mengel2 · R. Schaefer3 · C. Haase4 · J. Seidel5 · H. Michels6

1 Universität Erlangen-Nürnberg, Medizinische Klinik III, Erlangen2 Universitäts-Kinderklinik, Mainz3 Universitätsklinikum, Medizinische Klinik und Poliklinik D, Münster4 Klinikum der Friedrich-Schiller Universität Jena, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin,

Jena5 SRH - Waldklinikum Gera, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Gera6 Rheumaklinik für Kinder und Jugendliche, Garmisch-Partenkirchen

M. Gaucher, M. Fabry und Mukopolysaccharidose Typ IWie kann der Rheumatologe diese Patienten erkennen?

Einleitung

Lysosomale Speicherkrankheiten sind

seltene erbliche Stoffwechselerkran-

kungen, bei denen der Mangel eines En-

zyms zur lysosomalen Speicherung des

nun nicht mehr abbaubaren Substrats

führt. Zu diesen Erkrankungen zählen

die beiden Sphingolipidosen M. Gau-

cher und M. Fabry, sowie eine Reihe von

Mukopolysaccharidosen sowie Oligosac-

charidosen.

Die erste Beschreibung einer Patientin

mit M. Gaucher findet sich in der 1882 er-

schienenen Dissertation des Dermatolo-

gen Philippe Charles Ernest Gaucher [13].

1898 beschrieb der Dermatologe Jona-

than Fabry erstmals das später nach ihm

benannte Krankheitsbild einer „purpura

haemorrhagica nodularis“ [12]. Erst Jahr-

zehnte später wurde jeweils die Zusam-

mensetzung des Speichermaterials aufge-

klärt und die bei M. Gaucher bzw. M. Fa-

bry gespeicherten Lipide Glukozerebrosid

[1] und Globotriaosylzeramid [31] wurden

isoliert und charakterisiert. In den 60er

Jahren des 20. Jahrhunderts konnte der

jeweils zugrunde liegende Defekt der ly-

sosomalen Enzyme, die durch das GBA-

Gen auf Chromosom 1q21 bzw. das α-Ga-

laktosidase A-Gen auf dem X-Chromo-

som kodiert werden, nachgewiesen wer-

den [4, 5]. Anschließend begann die Su-

che nach kausalen Behandlungsmöglich-

keiten, die schließlich zur Entwicklung

von Enzymersatztherapien führte.

Auch die verschiedenen Mukopolysac-

charidosen sind meist nach ihrem Erst-

beschreiber benannt, wobei sich das von

dem österreichischen Arzt Meinhard von

Pfaundler und seiner deutschen Assisten-

tin Gertrud Hurler 1919 erstmals beschrie-

bene Krankheitsbild des M. Hurler [17]

und die 1962 von einem amerikanischen

Augenarzt beschriebene milde oder Er-

wachsenenform, der M. Scheie [28], als

verschiedene Ausprägungsgrade der Mu-

kopolysaccharidose Typ I (MPS I) erwie-

sen und so heute als MPS I – Hurler und

MPS I – Scheie bezeichnet werden. Bei-

de Formen werden durch einen Defekt

des Iduronidase-Gens auf Chromosom

4p16.3 verursacht. Auch für MPS I konnte

inzwischen eine Enzymersatztherapie ent-

wickelt werden.

Präparate für eine Enzymersatzthera-

pie sind in Deutschland seit 1994 für den

M. Gaucher und seit 2001 für den M. Fa-

bry zugelassen, seit Juni 2003 auch für die

MPS I. Durch diese über lange Jahre er-

reichten Fortschritte in der Pathogenese-

und Therapieforschung sind einige lyso-

somale Speichererkrankungen damit heu-

te therapierbar geworden.

Die bisherige klinische Erfahrung

zeigt, dass durch eine frühzeitige The-

rapie sonst irreversible Komplikationen

verhindert werden können und daher

eine rechtzeitige Diagnosestellung an-

zustreben ist. Die Schlüsselsymptome

zu erkennen und an diese sehr seltenen

Erkrankungen zu denken, ist dabei oh-

ne Zweifel eine Herausforderung. Nicht

selten suchen Patienten mit lysosoma-

len Speichererkrankungen initial wegen

Symptomen von Seiten des muskulos-

kelettalen Systems einen Arzt auf. Da-

her sollte insbesondere der Rheumato-

loge (Internist oder Pädiater) die Symp-

tome dieser Erkrankungen kennen und

einordnen können.

Mit diesem Ziel diskutierte im Rah-

men eines Roundtablegesprächs eine

Gruppe von Rheumatologen die Schlüs-

selsymptome dieser Erkrankungen im in-

terdisziplinären Austausch mit Ärzten, die

in spezialisierten Zentren Patienten mit

M. Gaucher, M. Fabry und MPS I behan-

deln. Über die Ergebnisse dieser Diskussi-

on wird im Folgenden berichtet.

32 | Zeitschrift für Rheumatologie 1 · 2006

Übersichten

Morbus Gaucher

Kasuistik

Bei Frau E. fiel im Alter von 17 Jahren

erstmals eine Schwellung und Überwär-

mung des linken Sprunggelenks auf. BSG

40/80 mm n.W., Antistreptolysintiter

1200 E. Nach einer 4-wöchigen Behand-

lung mit Naproxen war die Patientin be-

schwerdefrei. Im Alter von 20 Jahren trat

nun eine Schwellung des rechten Knie-

gelenks auf und es wurde erstmals eine

leichte Vergrößerung der Milz festgestellt.

Herzecho unauffällig. Antistreptolysinti-

ter nun 1600 E. BSG 45/80 mm n.W. Un-

ter der Verdachtsdiagnose rheumatisches

Fieber wurde die Patientin mit Predniso-

lon 2 mg/kg/die und Naproxen sowie Pe-

nicillin behandelt. Zwei Jahre später kam

es zu einer erneuten Schwellung des rech-

ten Kniegelenks, woraufhin ein erneuter

Behandlungszyklus mit Prednisolon und

Naproxen erfolgte. Die Behandlung mit

Penicillin wurde fortgeführt.

Im Alter von 23 Jahren wurde die Pati-

entin erstmals schwanger. Im 6. Schwan-

gerschaftsmonat wurde bei akuten,

schwersten Hüftschmerzen eine linkssei-

tige Hüftkopfnekrose diagnostiziert. Ein

Zusammenhang zu den Steroidbehand-

lungen wurde vermutet. Die Hüftkopfne-

krose wurde konservativ behandelt. Per

Sectio gebar Frau E. eine gesunde Toch-

ter. In der Folgezeit hatte die Patientin an-

haltende Schmerzen und nahm kontinu-

ierlich NSAR.

Im Alter von 29 Jahren stürzte die Pa-

tientin beim Eislaufen. Zu diesem Zeit-

punkt fiel erstmals eine Panzytopenie

(Leukozyten 2,5/nl; Hb 10,1 g/dl; Throm-

bozyten 82/nl) sowie eine nun deutliche

Milzvergrößerung (bipolar 20,5 cm) auf.

Im Knochenmarksausstrich wurden jetzt

Speicherzellen bzw. Gaucherzellen gefun-

den. Angesichts der typischen Befund-

konstellation von Splenomegalie, Kno-

chenbefall und Panzytopenie wurde dar-

aufhin die zur Sicherung der Diagnose

notwendige Enzymanalytik veranlasst.

Die Enzymaktivität der β-Glukozerebro-

sidase war auf 4 verringert, so dass nun

nach 12 Jahren Krankheitsverlauf die Di-

agnose Morbus Gaucher biochemisch ge-

sichert wurde. Die Chitotriosidaseaktivi-

tät im Plasma war mit 24 340 nmol/ml/

h massiv erhöht. Die Patientin wies kei-

ne neurologischen Symptome auf (nicht-

neuronopathische Verlaufsform).

Pathophysiologie

Der Morbus Gaucher, eine autosomal-re-

zessiv übertragene Erbkrankheit, ist die

häufigste lysosomale Speichererkrankung

mit einer Häufigkeit von etwa 1:50000–

60000 [21, 26]. Pathobiochemisch liegt

der Erkrankung ein Mangel des lysoso-

malen Enzyms β-Glukozerebrosidase zu

Grunde. Dies führt zur Speicherung von

Glukozerebrosiden in Gewebsmakropha-

gen [6], die dann als Gaucherzellen be-

zeichnet werden. In den letzten Jahren

wurde deutlich, dass pathologisch akti-

vierte Makrophagen, die zahlreiche bioak-

tive Proteine sezernieren, eine Rolle in der

Pathogenese der Erkrankung spielen [16,

29] und auch immunologische Verände-

rungen (Stimulation des B-Zell-Systems,

Immunoglobulinopathien, Störungen der

Granulozytenfunktion, Autoantikörper-

bildung) erklären.

Vor allem die Erhöhung des lysosoma-

len Enzyms Chitotriosidase, die mit der

Speicherbeladung des Körpers und der

Schwere der Erkrankung korreliert und

zur Therapiesteuerung eingesetzt werden

kann, ist Gegenstand zahlreicher Untersu-

chungen der letzten Jahre [16].

Klinische Symptome und Prognose

Prinzipiell werden nicht-neuropathische

(85–95 der Fälle) von neuropathischen

Verlaufsformen (5–15 der Fälle) unter-

schieden, wobei die Übergänge zwischen

den Typen fließend sind und die Zuord-

nung zu einem bestimmten Typ nicht im-

mer klar ist [33].

Das klinische Bild der nicht-neuropa-

thischen Verlaufsform des Morbus Gau-

cher wird durch Splenomegalie, Hepato-

Abb. 1 8 Hüftkopfnekrose links bei Morbus Gaucher. (Freundli-cherweise zur Verfügung gestellt von Prof. Schumacher, Kinderra-diologie Universitätskinderklinik Mainz)

Abb. 2 9 Gibbusbildung bei Osteopenie und Lun-genbeteiligung (ver-mehrte interstitielle Zeichnung) bei Morbus Gaucher. (Freundlicher-weise zur Verfügung ge-stellt von Prof. Schuma-cher, Kinderradiologie Universitätskinderklinik Mainz)

34 | Zeitschrift für Rheumatologie 1 · 2006

Übersichten

megalie, Knochenbeteiligung und Zyto-

penie geprägt. Manifestationsalter (vom

Kleinkindesalter bis in die 8. Lebensde-

kade) sowie Progression der Erkrankung

sind ausgesprochen variabel. Allgemein

gilt, je früher die ersten Symptome der Er-

krankung beobachtet werden, desto kom-

plikationsreicher ist der natürliche Ver-

lauf der Erkrankung. Allerdings können

auch bei Erstmanifestationen im Erwach-

senenalter innerhalb weniger Jahre schwe-

re Knochenkomplikationen auftreten.

Hämatologische Symptome des Mor-

bus Gaucher sind die im Kindesalter meist

im Vordergrund stehende Anämie, im Er-

wachsenenalter fast immer eine Throm-

bopenie und in der Regel erst bei fortge-

schrittener Erkrankung eine Leukope-

nie. Die bei allen symptomatischen Pati-

enten in unterschiedlichem Ausmaß be-

obachtete Splenomegalie ist häufig das

zur Diagnose führende Erstsymptom. Fi-

brotische Areale und Regionen extrame-

dullärer Blutbildung können rundherdar-

tig imponieren. Milzinfarkte können unter

dem Bild eines akuten Abdomens ablau-

fen, aber auch asymptomatisch sein. Auch

die Leber ist bei den meisten Patienten

vergrößert. Sie nimmt aber fast nur dann

überdimensionale Ausmaße an, wenn der

Patient splenektomiert wurde. Ein Drittel

der Patienten weist bei Diagnosestellung

Erhöhungen der Lebertransaminasen auf.

Einschränkungen der Leberfunktion, Le-

berfibrose und Leberversagen treten gele-

gentlich im fortgeschrittenen Krankheits-

verlauf auf und werden im Zeitalter der

Enzymersatztherapie nicht mehr beob-

achtet.

Die Skelettbeteiligung, die die Lebens-

qualität der Gaucher-Patienten beson-

ders stark einschränkt, wird durch Kno-

chenmarkinfiltration und fehlerhaftes

Knochen-Remodelling verursacht. Fol-

ge sind Osteopenie, chronische Kno-

chenschmerzen, pathologische Frak-

turen, Osteonekrosen und avaskuläre In-

farzierungen (. Abb. 1 und 2). Akuter,

schwerster Knochenschmerz mit Fieber

und deutlicher Einschränkung des Allge-

meinzustandes charakterisieren den aku-

ten Knocheninfarkt. Prädeliktionsstellen

der Osteonekrosen sind der Hüftkopf,

Lendenwirbelkörper und proximaler Hu-

merus [27].

Zusammenfassung · Summary

Z Rheumatolo 2006 · 65:32–43

DOI 10.1007/s00393-006-0039-2

© Springer Medizin Verlag 2006

B. Manger · E. Mengel · R. Schaefer · C. Haase · J. Seidel · H. Michels

M. Gaucher, M. Fabry und Mukopolysaccharidose Typ I

Zusammenfassung

Die lysosomalen Speichererkrankungen

Morbus Gaucher, Morbus Fabry und

MPS I zählen zu den seltenen erblichen

Stoffwechselerkrankungen, die durch ei-

ne Enzymersatztherapie heute behandel-

bar sind. Damit durch eine frühzeitige The-

rapie sonst irreversible Komplikationen

verhindern werden können, ist eine recht-

zeitige Diagnosestellung wichtig. Weil Pa-

tienten mit diesen Speichererkrankungen

wegen Symptomen von Seiten des mus-

kuloskelettalen Systems nicht selten einen

Rheumatologen aufsuchen können, soll-

te dieser die Symptome dieser seltenen Er-

krankungen erkennen und einordnen kön-

nen. Anhand von Kasuistiken zu M. Gau-

cher, M. Fabry und MPS I (hier M. Scheie)

werden die Schlüsselsymptome diskutiert,

die der Rheumatologe (Internist oder Päd-

iater) für die differenzialdiagnostische Ab-

klärung dieser Patienten kennen sollte. Zu-

sätzlich werden – neben einer kurzen Ein-

führung in die Pathophysiologie – Hinwei-

se zur Prognose und Therapie gegeben.

Schlüsselwörter

Lysosomale Speichererkrankungen ·

M. Gaucher · M. Fabry · Mukopolysaccha-

ridose Typ I

Gaucher disease, Fabry disease and mucopolysaccharidosis type I – How can the rheumatologist recognise these patients?

Summary

The lysosomal storage diseases Gaucher

disease, Fabry disease and MPS I are rare

inheritable metabolic disorders that are

now treatable with enzyme replacement

therapy. In order to avoid irreversible com-

plications, an early diagnosis and initiation

of therapy is important. Due to the muscu-

loskeletal symptoms associated with these

storage diseases, patients are likely to visit

a rheumatologist, who should, therefore,

be able to recognise and diagnose the-

se rare diseases. On the basis of the causal

factors behind Gaucher disease, Fabry di-

sease und MPS I (here Scheie syndrome),

key symptoms that the rheumatologist (in-

ternist or paediatrician) should be famili-

ar with for the differential diagnosis of the-

se patients will be discussed. In addition, a

short introduction to the pathophysiology

and data on the prognosis and therapy for

these diseases will be presented.

Keywords

Lysosomal storage diseases · Gaucher

disease · Fabry disease · Mucopolysaccha-

ridosis type I

35Zeitschrift für Rheumatologie 1 · 2006 |

Therapie

Bevor die Enzymersatztherapie zur Verfü-

gung stand, war die Behandlung des Mor-

bus Gaucher rein symptomatisch. Bei aus-

geprägter Splenomegalie mit transfusions-

pflichtiger Zytopenie oder mechanischen

Problemen war oft eine Splenektomie un-

umgänglich. Akute Knochenkrisen be-

durften der Behandlung mit potenten An-

algetika und strikter Bettruhe. Orthopä-

dische Operationen, wie Knie- und Hüft-

gelenksersatz sowie Stabilisierungen der

Wirbelsäule, wurden im Verlauf nötig.

Inzwischen können die Organmani-

festationen der nicht-neuronopathischen

und der chronisch-neuronopathischen

Verlaufsform des Morbus Gaucher mit

der Enzymersatztherapie (Imiglucerase)

erfolgreich behandelt bzw. vorbeugend

vermieden werden [3]. 1991 wurden be-

reits die ersten Patienten in Deutschland

behandelt. Im Allgemeinen berichten die

Patienten zunächst über eine beeindru-

ckende Verbesserung des Allgemeinzu-

standes und der Lebensqualität. Im wei-

teren Verlauf innerhalb des ersten Thera-

piejahres kommt es zur Reduktion der Or-

gangröße und Blutbildverbesserungen. Bei

den meisten Patienten sind nach 24 Mona-

ten Behandlung Zytopenien und Hepato-

megalie nicht mehr nachweisbar, während

die Milz häufig auch nach einigen Thera-

piejahren leicht vergrößert bleibt. Das Auf-

treten akuter Knochenschmerzen kann bei

den meisten Patienten bereits im ersten

Jahr zuverlässig verhindert werden. Die

Knochenmarkinfiltration und die Kno-

chenmineralisation sprechen langsamer

auf die Therapie an; der maximale The-

rapieeffekt wird gelegentlich erst nach 4–

5 Jahren beobachtet [25].

Die Manifestation des Morbus Gau-

cher im Kindesalter ist zumeist mit einem

schweren Krankheitsverlauf und vor

allem mit Knochenkomplikationen und

Wachstumsretardierung vergesellschaf-

tet. Ein früher Beginn der Enzymersatz-

therapie sowie eine optimale Dosierung

verhindern Komplikationen, führen zu

einer nahezu unbehinderten, kindlichen

Entwicklung und unbeeinträchtigten Le-

bensqualität [2, 14, 18].

Seit Jahren werden niedrigdosierte ver-

sus hochdosierte Dosisregime auf dem

Hintergrund der enormen Kosten disku-

tiert. In Deutschland hat sich sehr erfolg-

reich eine dem Schweregrad der Erkran-

kung angepasste, individuelle Dosierung

durchgesetzt [23].

Seit 2003 ist auch Miglustat zur Behand-

lung des Morbus Gaucher zugelassen. Mig-

lustat ist ein Inhibitor der Glukosylzera-

mid-Synthase und reduziert die Synthese

von Glykosphingolipiden. Aufgrund seiner

geringeren Effektivität und seines ungüns-

tigeren Nebenwirkungsprofils [8] wurde

das Medikament nur für den Einsatz bei

leicht bis mittelschwer betroffenen Pati-

enten, für die eine Enzymsubstitutionsthe-

rapie nicht in Frage kommt, zugelassen.

Morbus Fabry

Kasuistik

Im Alter von 26 Jahren stellte sich erstmals

eine junge Frau vor, die seit ihrem zehn-

ten Lebensjahr unter Schmerzen in Hän-

den und Füßen, anfangs häufig mit Fieber

einhergehend, und körperlicher Schwäche

gelitten hatte.

Die Eltern hatten mit ihrem Kind meh-

rere Pädiater konsultiert. Ein Kinderarzt

vermutete Wachstumsschmerzen, ein

zweiter diagnostizierte einen Morbus Still,

da zum Zeitpunkt der Untersuchung eine

diskret beschleunigte Blutsenkung auffäl-

lig gewesen war. Therapeutisch erhielt das

Mädchen Metamizol, Indomethacin und

schließlich Glukokortikoide ohne durch-

greifenden Erfolg. Schließlich mussten

Opiate eingesetzt werden, um zumindest

eine symptomatische Linderung zu erzie-

len. Noch einmal suchten die Eltern mit

ihrem Kind einen weiteren Pädiater auf,

der einen Schmerzmittelmissbrauch ver-

mutete und jugendpsychiatrische Betreu-

ung empfahl.

Inzwischen war das Mädchen 16 Jah-

re alt und man wandte sich nun an einen

Internisten, der neben den Schmerzen

Hauteffloreszenzen (. Abb. 3), eine Pro-

teinurie und erneut eine leicht beschleu-

nigte Senkung fand. Diese Konstellati-

on wurde als Vaskulitis interpretiert, und

die Patientin erhielt erneut Glukokortiko-

ide, die sie über die nächsten 5 Jahre ein-

nahm.

Mit 21 Jahren kam es neben den be-

kannten brennenden Schmerzen in Hän-

den und Füßen zu schmerzhaften Be-

schwerden in beiden Hüften. Der hin-

zugezogene Orthopäde veranlasste eine

MRT der Hüftgelenke, und es fanden sich

Hüftkopfnekrosen beidseits, die schließ-

lich mit Endoprothesen versorgt wurden.

Abb. 3 9 Angiokeratome bei Morbus Fabry (Multi-ple kleine rote bis schwar-ze glatte Papeln im Bade-hosenbereich und peri-umbilikal)

36 | Zeitschrift für Rheumatologie 1 · 2006

Übersichten

Während dieser Zeit wurde die Stero-

idtherapie, wenn auch in relativ niedriger

Dosis (5 mg jeden zweiten Tag), unbeirrt

fortgesetzt, und als die Patientin 26 Jah-

re alt war, kam es zu einer zunehmenden

Sehverschlechterung. Man vermutete eine

Katarakt im Rahmen der langjährigen Ste-

roidbehandlung und strengte eine opthal-

mologische Untersuchung an. Tatsächlich

fand sich bei der Spaltlampen-Untersu-

chung des Auges eine Linsentrübung, dar-

über hinaus fielen jedoch auch Verände-

rungen der Cornea im Sinne einer Cornea

verticillata auf (. Abb. 4). Diese Verände-

rung gibt es nur unter Amiodaron-Thera-

pie und bei Morbus Fabry. Die Verdachts-

diagnose des Augenarztes konnte durch

Bestimmung der Aktivität der alpha-Ga-

laktosidase A im Plasma und durch Geno-

typisierung bestätigt werden und nach 16

Jahren, in denen sich nach und nach die

typischen Symptome der Schmerzen in

Händen und Füßen, Angiokeratome, Cor-

nea verticillata sowie eine Proteinurie ent-

wickelt hatten wurde so bei der Patientin

ein Morbus Fabry diagnostiziert.

Pathophysiologie

Der Morbus Fabry ist eine X-chromoso-

mal vererbte lysosomale Speicherkrank-

heit, die durch einen Mangel an alpha-

Galaktosidase gekennzeichnet ist. Die

Erkrankung beruht auf einer Mutation

im alpha-Galaktosidase A Gen, das auf

dem langen Arm Xq22 lokalisiert ist. Das

Gen besteht aus 7 Exons; eine Mutation

führt zu einer ungenügenden bzw. feh-

lenden Kodierung des Enzyms mit kon-

sekutiv verminderter oder komplett feh-

lender Aktivität. Die Häufigkeit wird bei

Männern auf 1:40000 geschätzt. Durch

den Enzymmangel können bestimmte

Glykosphingolipide nicht mehr abgebaut

werden und es kommt zur Akkumulati-

on insbesondere von Globotriaosylcera-

mid (GL-3) in Zellen des Gefäßendothels,

aber auch in Zellen der Niere (vor allem

Podozyten und tubuläre Epithelien), im

Herzen und in der Haut [9].

Klinische Symptome und Prognose

Die Symptome sind vielfältig. Hemizygo-

te männliche Patienten erkranken in der

Regel an einem klassischen Morbus Fabry.

Bei klassischem Krankheitsverlauf treten

die typischen Fabry-Schmerzen auf, die

sich zumeist als brennende Schmerzen

in Händen und Füßen, häufig einherge-

hend mit Fieber, im Schulalter manifes-

tieren. Ferner besteht eine Hypohidro-

se mit Wärmeintoleranz, die Betroffenen

sind auffällig adynam, und relativ früh

kann sich auch eine Malabsorption mit

Bauchkrämpfen und Diarrhoe als Aus-

druck einer gastrointestinalen Mitbeteili-

gung einstellen. Unbehandelt kommt es in

der zweiten bis dritten Lebensdekade zu

einer Nierenbeteiligung (. Abb. 6), die

initial ihren Ausdruck in einer Proteinu-

rie findet, später zu einem progredienten

Abb. 4 8 Abnormalitäten im Augenbereich (Li: Cornea verticillata, Re: Tortuositas der konjunk-tivalen Gefäße)

Abb. 5 8 Kardiale Befunde bei Morbus Fabry (EKG mit Zeichen der linksventrikulären Hyper-trophie; Rö-Thorax bei dilatativer Kardiomyopathie mit Lungenstauung )

37Zeitschrift für Rheumatologie 1 · 2006 |

Nierenversagen führt und schließlich eine

Nierenersatztherapie notwendig macht.

Im Rahmen der kardialen Manifestati-

on findet sich typischerweise eine hy-

pertrophe Kardiomyopathie (. Abb. 5),

neurologisch kann es schon früh (zwei-

te und dritte Lebensdekade) zu transito-

rischen Ischämien, Apoplexen oder auch

zu einem Hörsturz kommen. Für die Di-

agnosefindung wichtige Zeichen sind die

Angiokeratome der Haut (Badehosenbe-

reich) und die Cornea verticillata [9].

Frauen sind von der Fabry-Krank-

heit häufiger betroffen als früher ange-

nommen, dafür in der Regel aber weniger

schwer erkrankt als Männer. Dies kann

sich bei den heterozygoten Patientinnen

als milde Form der klassischen Fabry-Er-

krankung manifestieren oder es treten

auch so genannte Organ-Varianten (z.B.

kardiale oder renale Varianten) auf. Hier-

bei fehlen die klassischen Symptome völ-

lig, es besteht keine Gefäßbeteiligung, und

es findet sich lediglich eine progrediente

linksventrikuläre Hypertrophie oder eine

geringgradige Proteinurie. In solchen Fäl-

len kann die Erkrankung meist nur durch

Biopsie des betroffenen Organs oder

durch eine positive Familienanamnese di-

agnostiziert werden [20]. Zahlreiche he-

terozygote Frauen entwickeln zeitlebens

überhaupt keine Krankheitszeichen (rei-

ne Konduktorinnen).

Unbehandelt ist die Prognose beson-

ders für die männlichen Fabry-Patienten

ungünstig. Die Mehrzahl der Betroffenen

wird zwischen dem 30. und 40. Lebens-

jahr dialysepflichtig, und das Überleben

an der Dialyse ist deutlich reduziert, da

bei dialysepflichtigen Fabry-Patienten ei-

ne gesteigerte kardio- und cerebrovasku-

läre Morbidität und Mortalität besteht.

Die Nierenbeteiligung bei heterozygoten

Frauen verläuft grundsätzlich günstiger

als bei den hemizygoten männlichen Pa-

tienten; so kann über lange Strecken ei-

ne Proteinurie bestehen, ohne dass es zu

einem Abfall der glomerulären Filtrati-

onsrate kommt. In vielen Fällen stellt sich

eine chronische Niereninsuffizienz erst im

höheren Lebensalter (ab der 6. Lebensde-

kade) ein. Zur terminalen Niereninsuffizi-

enz kommt es nur bei einem kleinen Pro-

zentsatz der betroffenen Frauen [9].

Therapie

Eine Enzymersatztherapie mit gentech-

nisch hergestellter alpha-Galaktosida-

se (Agalsidase alfa oder Agalsidase beta)

sollte bei hemizygoten Männern mit Auf-

treten der ersten typischen Symptome, in

der Regel Akroparästhesien, begonnen

werden. Bei heterozygoten Frauen ist es

häufig das Ausmaß der Nieren- bzw. der

Herzbeteiligung, an der die Indikation zur

Enzymersatztherapie festgemacht wird.

Bei männlichen Patienten wird die Thera-

pie in der Regel so frühzeitig wie möglich

(in der Regel zwischen dem 10. und 20.

Lebensjahr) begonnen, während die re-

nale bzw. kardiale Beteiligung bei hetero-

zygoten Frauen häufig erst zwischen der 4.

und 6. Lebensdekade ein therapeutisches

Eingreifen erforderlich macht. Heterozy-

gote Frauen mit Organ-Varianten (kardi-

ale oder renale Variante) nehmen in der

Regel einen unvorhersehbaren Verlauf, so

dass die Entscheidung zur Enzymersatz-

therapie sehr individuell getroffen werden

muss [10].

Die Enzymersatztherapie erfolgt in-

travenös, wobei für Agalsidase alfa eine

Dosierung von 0,2 mg/kg alle 2 Wochen

empfohlen wird. Für Agalsidase beta be-

trägt die Dosierung 1 mg/kg alle 2 Wo-

chen; unter dieser Dosis kommt es zu

einem völligen Verschwinden von GL-3

aus der Zirkulation, nach 6 Monaten sind

im Gefäßendothel keine GL-3 Ablage-

rungen mehr nachweisbar [11]. GL-3 Ab-

lagerungen in Kardiomyozyten oder Po-

dozyten der Niere benötigen, je nach Aus-

maß der GL-3 Speicherung, 12–36 Monate

um sich weitgehend zurückzubilden [32].

Auch die kardialen GL-3 Ablagerungen

bilden sich unter Enzymersatztherapie

zurück, und es kommt dadurch zu einer

echokardiographisch nachweisbaren Ver-

besserung der linksventrikulären Pump-

funktion [34].

Entscheidend für den Erfolg der Enzy-

mersatztherapie ist zum einen ein mög-

lichst frühzeitiger Therapiebeginn, noch

bevor strukturelle Organveränderungen

(interstitielle Fibrose) eingetreten sind,

zum anderen eine ausreichend hoch do-

sierte Enzymsubstitution.

Mukopolysaccharidose Typ I (MPS I – Scheie/MPS I – Hurler)

Kasuistik

Im Folgenden werden drei Geschwister

vorgestellt, bei denen die Diagnose MPS I

– Typ Scheie gestellt wurde.

Beide Eltern sind gesund und deut-

scher Abstammung. Nach unauffälliger

Schwangerschaft und Geburt verlief die

frühkindliche Entwicklung des ersten

Sohnes altersgerecht bei normaler Intel-

ligenz und ohne Dysmorphiezeichen. Im

Alter von drei Jahren erfolgte wegen an-

haltend beklagter Schmerzen in den Hän-

den erstmals die Vorstellung in einer kin-

derrheumatologischen Sprechstunde. Es

zeigten sich beginnende palmare Ver-

härtungen im Sehnenbereich mit Beuge-

kontrakturen. Die Schmerzen und Bewe-

Abb. 6 9 Renale Morpho-logie bei Morbus Fabry: Glomerulus mit ausge-prägten lysosomalen GL-3 Ablagerungen in den Podozyten

38 | Zeitschrift für Rheumatologie 1 · 2006

Übersichten

gungseinschränkungen nahmen im Ver-

lauf zu, ohne dass periphere Zeichen eines

entzündlichen Geschehens oder Hinwei-

se auf eine Autoimmunerkrankung fest-

zustellen waren. Klinisch traten wei-

ter zunehmend die Kontrakturen im Be-

reich der Fingerend- und Fingergrund-

gelenke in den Vordergrund. Es war kein

vollständiger Faustschluss mehr möglich

(. Abb. 7), während Ellenbogen und

Kniegelenke ohne Bewegungseinschrän-

kung blieben.

Im Alter von 5 Jahren zeigte sich eine

progrediente beidseitig symmetrisch auf-

tretende Achillessehnenverkürzung mit

folgender Spitzfußstellung (. Abb. 8).

Aus den Fußdeformitäten resultierten

dauerhafte Schmerzen. Erneut ergab sich

bei der Diagnostik kein Anhaltspunkt für

ein entzündliches oder autoimmunolo-

gisches Geschehen. Therapeutische Ver-

suche mit nichtsteroidalen Antirheumati-

ka erbrachten keine Besserung.

Im Rahmen der durchgeführten Dia-

gnostik fiel bei dem nunmehr neunjäh-

rigen Patienten eine beidseitige Cornea-

trübung, sowie eine mittelgradige Mitral-

und leichtgradige Trikuspidalinsuffizienz

bei sonst normalen parenchymatösen Or-

ganen, und unauffälligen Befunden im ce-

rebralen MRT auf. Eine Hepatosplenome-

galie wurde nicht beobachtet.

Aufgrund dieser Befundkonstellation

sowie wegen des zunehmend schlechteren

klinischen Befundes wurde die Ausschei-

dung der Glykosaminoglykane im 24-

Stunden-Sammelurin gemessen. Diese

zeigte sich mit 10 mg/mmol Kreatinin bei

einem Normwert von 7,5 mg/mmol Kre-

atinin grenzwertig erhöht. Die daraufhin

durchgeführte enzymatische Untersu-

chung der Alpha-Iduronidase in den Leu-

kozyten und Fibroblasten ergab eine deut-

lich verminderte Aktivität des Enzyms mit

ca. 1 Restaktivität. Hierauf konnten zwei

Mutationen im Alpha-Iduronidase-Gen

bei compound Heterozygotie Q 70 X und

R 89 W nachgewiesen werden. Die Mu-

tation Q 70 X führt im Falle einer Ho-

mozygotie zu einer MPS I – Typ Hurler.

Die „mildere“ Mutation R 89 W ist bis-

her nicht beschrieben. Beide Mutationen

zusammen rufen den familiären Scheie-

Phänotyp hervor.

Beide jüngeren Brüder waren zunächst

in klinisch gutem Allgemeinzustand und

ohne klinische Symptome. Bei beiden er-

gab sich jedoch eine erhöhte Ausschei-

dung von Glykosaminoglykanen im

Urin und eine verminderte Enzymaktivi-

tät. Auch gelang ein positiver Mutations-

nachweis, so dass die Diagnose MPS I –

Scheie für alle Kinder der Familie nach-

gewiesen werden konnte. Beide jüngeren

Brüder zeigten inzwischen Fingerkon-

trakturen und eine beginnende Spitzfuß-

stellung, röntgenologisch ist eine Verbrei-

terung der Metakarpalknochen zu beob-

achten. Derzeit werden die Patienten mit

einer wöchentlichen Enzymersatztherapie

behandelt.

Pathophysiologie und Genetik

Bei der Mukopolysaccharidose Typ I

(MPS I) handelt es sich um eine autoso-

mal-rezessiv vererbte Speichererkran-

kung, bei der ein gestörter Abbau der lyso-

somalen Glykosaminoglykane Dermatan-

und Heparansulfat vorliegt. Ursächlich

hierbei sind Mutationen im α-L-Iduroni-

dase-Gen, die zu einer verminderten Ak-

tivität des Enzyms führen. Durch den En-

zymmangel werden die Glykosamino-

glykane nicht abgebaut und in den Lyso-

somen abgelagert. Über noch weitgehend

ungeklärte Pathomechanismen kommt es

zu Fehlfunktionen auf Zell-, Gewebe- und

Organebene. Entsprechend der Gewebe-

verteilung der Glykosaminoglykane sind

insbesondere Gehirn, Bindegewebe, Kor-

tikalis, Epiphysenfugen, Herz, Leber und

Nieren betroffen.

Die geschätzte Inzidenz einer leich-

teren Verlaufsform der MPS I ohne ZNS-

Abb. 7 7 Kontrakturen im Bereich der Fingerge-lenke, kein Faustschluss

mehr möglich (MPS I)

Abb. 8 8 Spitzfußstellung mit bleibender Fußdeformität (MPS I)

Abb. 9 8 Craniofaziale Dysmorphiezeichen („Wasserspeiergesicht“) bei MPS I – Hurler; ausladendes, vorgewölbtes Abdomen, Tat-zenhände, plumpe Füße, geringe Hepato-megalie

39Zeitschrift für Rheumatologie 1 · 2006 |

Beteiligung liegt bei ungefähr 1:500000

[22].

Klinische Symptome und Prognose

Wie bei den meisten Speicherkrankungen

ist die klinische Bandbreite der MPS I Er-

krankung sehr breit. Dabei können vom

klassischen Morbus Hurler über die In-

termediärform Scheie/Hurler zur milde-

ren Form des Morbus Scheie verschiedene

Verlaufsformen vorliegen.

Beim Vollbild des Morbus Hurler tre-

ten, beginnend in den ersten Lebens-

jahren, die typischen craniofazialen Dys-

morphiezeichen mit flacher breiter Na-

senwurzel, geschwollenen Lippen und

insgesamt vergröberten Gesichtszügen

auf („Wasserspeiergesicht“, . Abb. 9).

Zunehmend entwickelt sich daneben

eine psychomotorische Retardierung, au-

ßerdem eine zum Teil rasch progrediente

viszerale Organbeteiligung sowie Herz-

klappeninsuffizienzen und Kardiomyo-

pathien mit Funktionsstörungen [7]. Ei-

ne Hepatosplenomegalie gehört ebenfalls

zum klassischen Vollbild der MPS I. Ty-

pischerweise treten in Folge von Binde-

gewebsschwächen Leisten- und Nabel-

hernien auf, und es werden progrediente

Gelenkfehlstellungen mit Beugekontrak-

turen sowie tatzenartige Verformungen

der Hände und plumpe Füße diagnosti-

ziert.

Scheie-Patienten haben im Gegen-

satz zu Hurler-Patienten ein normales

Äußeres ohne vergröberte Gesichtszü-

ge und können eine normale Körpergrö-

ße erreichen. Kennzeichnend sind Symp-

tome am Bewegungsapparat, sowie Aor-

tenklappenbeteiligung und Hornhauttrü-

bung. Die Gelenkkontrakturen sind häu-

fig an der Hand am stärksten ausgeprägt

(Tatzenhand, . Abb. 10) und können in

der Verbindung mit einem Karpaltunnel-

Syndrom zu einem gravierenden Funkti-

onsverlust führen. Eine obstruktive Atem-

wegserkrankung kann bereits in der Ju-

gend eine Tracheostomie notwendig ma-

chen [15].

Von den Symptomen des Bewegungs-

apparates müssen neurologische Funkti-

onseinschränkungen aufgrund einer En-

ge des kraniozervikalen Überganges mit

konsekutiver Myelopathie abgegrenzt

werden, welche gelegentlich auch bei Pa-

tienten mit attenuierter Verlaufsform be-

obachtet wird [22, 15].

Radiologisch zeigen sich thorakal spa-

tenförmig verbreiterte Rippen („Ruder-

blattrippen“) und, als weitere Hinweise

auf eine Speichererkrankung, abgerunde-

te Skapulae und plump verbreiterte Me-

takarpalknochen, Grund- und Mittelpha-

langen. Gemeinsam mit der Hüftdysplasie

werden diese Veränderungen unter dem

Begriff der Dysostosis multiplex subsu-

miert. Bei der Intermediärform Scheie/

Hurler treten Symptome später und zu-

nächst in geringerem Maße auf, können

jedoch ungleich schneller progredient

und in Schüben verlaufen [22].

Therapie

Bei der schweren Form der Mukopolysac-

charidose Typ I, dem Morbus Hurler, ist

eine frühzeitige Diagnosestellung vor dem

3. Lebensjahr anzustreben, da in diesem

Alter noch eine Knochenmarkstransplan-

tation als Therapieoption zur Verfügung

steht [24, 19, 30]. Derzeitige Therapieop-

timierungsstudien überprüfen, ob eine

Kombinationstherapie von Enzymersatz-

therapie und Knochenmarkstransplanta-

tion zu noch besseren Therapieergebnis-

sen führt.

Für alle anderen Patienten mit MPS I,

die nicht der klassischen Hurler-Verlaufs-

form entsprechen, ist die Enzymersatzthe-

rapie mit Laronidase der einzig mögliche

kausale Therapieansatz.

Im Jahr 2004 wurden die Ergebnisse ei-

ner internationalen, placebo-kontrollier-

ten Phase III Studie mit rekombinanter,

menschlicher α-L-Iduronidase (Laroni-

dase) publiziert. Demnach verbessert die

Enzymersatztherapie bei Patienten mit

MPS I signifikant sowohl die forcierte Vi-

talkapazität als auch die Gehstrecke im

6-Minuten-Gehtest. Ebenso wurde eine

Reduzierung der Glykosaminoglykan-

Ausscheidung und der Lebervergröße-

rung beobachtet. Eine Verbesserung des

Schlafapnoe-Indexes und der Schulterfle-

xion wurde bei den stark betroffenen Pati-

enten gesehen [35]. Frühzeitige Diagnose-

stellung, bevor irreversible Schäden einge-

treten sind, ist entscheidend für den The-

rapieerfolg.

Irreversible Endorganschäden bedür-

fen gegebenenfalls der chirurgischen In-

tervention (kraniozervikale Dekompres-

sion, Herzklappenersatz, Hornhauttrans-

planation, etc.) bzw. der supportiven The-

rapie (Krankengymnastik, ACE-Hemmer,

etc.).

Diskussion

Durch die modernen Möglichkeiten der

Enzymersatztherapie oder Stammzell-

transplantation sind lysosomale Speicher-

krankheiten behandelbar geworden. Um

durch einen möglichst frühen Therapie-

beginn Organschäden zu vermeiden, ist

eine rechtzeitige Diagnosestellung dieser

seltenen hereditären Krankheitsbilder es-

sentiell. Da bei allen drei beschriebenen

Syndromen muskuloskelettale Beschwer-

den den Krankheitsverlauf prägen kön-

nen, sollten insbesondere rheumatolo-

gisch tätige Internisten, Orthopäden und

Pädiater die Symptome kennen und zur

Früherkennung beitragen:

Die pathophysiologische Grundlage

für die Symptome von Seiten des Bewe-

gungsapparates bei Morbus Gaucher ist

die progrediente Knochenmarksinfiltra-

tion und -verdrängung durch lipidspei-

chernde Gewebsmakrophagen (Gaucher-

zellen). Als Konsequenz dieser Infiltration

kommt es zur Aktivierung entzündlicher

Mechanismen und des Gerinnungssys-

tems. Da sich die Knochenmarksinfiltra-

tion zentrifugal ausbreitet, sind die proxi-

Abb. 10 9 Tatzenhände mit Beugekontrakturen bei MPS I

40 | Zeitschrift für Rheumatologie 1 · 2006

Übersichten

malen Enden von Röhrenknochen meist

stärker betroffen als die distalen, die Epi-

physen werden typischerweise ausgespart.

Klinisch äußert sich dies als Knochen-

schmerzen, Osteopenie, fokale Osteoly-

sen und -sklerosen sowie pathologische

Frakturen und Osteonekrosen. Hauptprä-

dilektionsstellen für letztere sind Femur-

und Humeruskopf sowie Lendenwirbel-

körper. Bei gelenknahen Prozessen kön-

nen stark schmerzhafte Schwellungen mit

Fieber und Allgemeinsymptomatik plötz-

lich aus völliger Beschwerdefreiheit her-

aus auftreten. Bei unauffälligen Befun-

den auf konventionellen Röntgenaufnah-

men können Knocheninfarkte und Kno-

chenmarksinfiltration gut mittels MRT

oder Knochenmarksszintigraphie mittels 99mTc-Schwefelkolloid dargestellt werden.

Differentialdiagnostisch kann problema-

tisch sein, dass Erkrankungen mit Mani-

festation am Knochen, wie z.B. multiples

Myelom, Arthritiden oder idiopathische

Osteonekrosen, sowohl Differentialdiag-

nose als auch Komplikation des Morbus

Gaucher sein können.

Durch die Ablagerung von Glykosphin-

golipiden in Gefäßendothelien, glatten

Muskelzellen und vielen anderen Gewe-

ben, wie Niere, Nerven, Herz, Augen ist die

Symptomatik des Morbus Fabry vielfältig

und die rechtzeitige Diagnosestellung an-

spruchsvoll. Frühsymptome im Kindesal-

ter sind Akroparästhesien und Schmer-

zen an Händen und Füßen, ohne dass

bei der rheumatologischen und neurolo-

gischen Untersuchung pathologische Be-

funde fassbar sind. Wegweisend kann ei-

ne begleitende Hypohidrose und Wärme-

oder Kälteunverträglichkeit sein, was zur

Fehldiagnose „Raynaud-Syndrom“ führen

kann. Im Erwachsenenalter treten Symp-

tome von Seiten der betroffenen Organ-

systeme in den Vordergrund, wie Protein-

urie und zunehmende Niereninsuffizienz,

Kardiomyopathie, kardio- und zerebro-

vaskuläre Ereignisse sowie Haut- und Au-

genbeteiligung. Aufgrund der möglichen

Symptomenkonstellationen stellt sich hier

für den Rheumatologen insbesondere die

Differentialdiagnose zu den systemischen

Autoimmunopathien.

Bei der MPS I führt der behinderte

Abbau von Glukosaminoglykanen zu ei-

ner abnormen Knorpelentwicklung und

zur Störung der enchondralen und in-

tramembranösen Ossifikation. Dies äu-

ßert sich bei der klassischen Form, der

MPS I – Hurler, in craniofazialen Dys-

morphien, Minderwuchs, Dysostosis

multiplex und Hüftdysplasien. Bei der

MPS I – Scheie und bei Intermediärfor-

men können jedoch auch Symptome von

Seiten des Bewegungsapparates im Vor-

dergrund stehen, ohne dass bei der Un-

tersuchung morphologische Auffällig-

keiten festzustellen sind. Es treten Be-

wegungseinschränkungen und Kontrak-

turen im Bereich der Finger mit Verdi-

ckungen von Palmaraponeurose und von

Sehnen mit Symptomen des schnellenden

Fingers auf. Mukopolysaccharidosen sind

Tabelle 1

Symptome und diagnoseweisende Befunde bei M. Gaucher, M. Fabry und MPS I

Erkrankung Muskuloskelettale

Symptome

Allgemeine/viszerale

Symptome

Labor Bildgebende

Verfahren (Bewe-

gungsapparat)

Wichtige Rheumato-

logische Differenzial-

diagnosen

M. Gaucher Osteonekrose,

Knochenschmerzen,

Pathologische Fraktur

Splenomegalie,

Hepatomegalie,

Blutungsneigung,

Wachstumsstörungen,

selten: pulmonale

Hypertonie

Panzytopenie,

BSG è

Chitotriosidase è,

β-Glukozerebro-

sidase é

Osteopenie,

Osteolyse/-sklerose,

Knocheninfarkte, Kno-

chennekrosen, Kno-

chenmarksinfiltration

(MRT, Szinti)

Andere Ursachen für

aseptische Knochen-

nekrosen, Oligoarth-

ritiden, multiples

Myelom

M. Fabry Schmerzen u. Paräs-

thesien in Händen und

Füßen („krisenhaft“),

Hitze-/Kälteempfind-

lichkeit, Hypohidrose

Cornea verticillata,

Katarakt,

Angiokeratome,

Niereninsuffizienz,

Proteinurie, Kardio-/

zerebrovaskuläre

Ereignisse, Fieber,

Herzrhythmusstörun-

gen, Lungenfunktions-

störungen, Diarrhoe,

Dyspepsie

BSG è (in Krisen),

später: Kreaè, Prote-

inurie, α-Galaktosidase

é

unauffällig M. Still, Kollagenosen,

Vaskulitiden, Amylo-

idose, Polyneuropa-

thien

MPS Typ I Minderwuchs,

Dysostosis multiplex,

Hüftdysplasie,

Gelenkkontrakturen,

Sehnenverdickungen,

Karpaltunnelsyndrom,

schnellender Finger

ZNS-Retardierung,

Hornhauttrübung,

Hepatosplenomegalie,

Klappenvitien, Kardio-

myopathie, obstrukti-

ve Ventilationsstörung,

Hautverdickung

Keine Entzündungs-

zeichen,

Glukosaminoglykane

im Urin è

α-Iduronidase é

Dysostosis multiplex

Hüftdysplasie,

Skoliose, Gibbus

Andere Ursachen für

Karpaltunnelsyndrom,

Tenosynovitis,

Spondyloarthritiden,

Fibromatosen

Fettgedruckt sind diagnoseweisende bzw. pathognomonische Befunde

41Zeitschrift für Rheumatologie 1 · 2006 |

die häufigsten Ursachen für ein Karpal-

tunnelsyndrom im Kindesalter. Eine Ver-

dickung der Achillessehne kann die diffe-

renzialdiagnostische Abgrenzung zu einer

Spondyloarthritis erforderlich machen,

typischerweise sind die Bindegewebsver-

änderungen bei MPS Typ I jedoch wenig

schmerzhaft, klinische und serologische

Entzündungszeichen fehlen.

Die wichtigsten Symptome und dia-

gnoseweisenden Befunde sind in . Ta-

belle 1 zusammengefasst.

Zusammenfassung

Zusammenfassend bleibt festzuhalten,

dass für Patienten mit Morbus Gaucher,

Morbus Fabry und Morbus Scheie mitt-

lerweile Therapien zur Verfügung ste-

hen, die ihnen bei rechtzeitigem Behand-

lungsbeginn erlauben, ein nahezu norma-

les und beschwerdefreies Leben zu führen.

Organ- und Gelenkschäden können ver-

mieden oder zumindest abgemildert wer-

den. Voraussetzung für einen optima-

len Effekt der Enzymersatztherapie ist

die rechtzeitige Identifizierung der Pati-

enten, das heißt die Diagnosestellung vor

der Manifestation bleibender Schäden, sei

es am Bewegungsapparat oder im Bereich

der inneren Organe.

Der Krankheitsbeginn liegt überwie-

gend im Kindes- oder Jugendalter, wenn

auch die Prävalenz in dieser Altersgrup-

pe entsprechend dem Anteil von Kindern

und Jugendlichen in unserer Bevölkerung

nur etwa 20 der Gesamtpatientenzahl

ausmacht. Deshalb sind für die frühzeitige

Diagnosestellung zunächst die Fachärzte

für Kinder- und Jugendmedizin, wegen

der Manifestationen am Bewegungsappa-

rat vor allem die Kinder- und Jugendrheu-

matologen gefordert.

Bei der Seltenheit dieser Erkrankungen

und der anfänglichen Ähnlichkeit mit ver-

schiedenen entzündlichen und auch nich-

tentzündlichen rheumatischen Krank-

heiten handelt es sich um eine schwierige,

aber bei Beachtung der klinischen Beson-

derheiten lösbare Aufgabe. Wichtig ist es,

die lysosomalen Speicherkrankheiten dif-

ferentialdiagnostisch überhaupt zu erwä-

gen. Dies sollte insbesondere immer dann

geschehen, wenn durch die bekannten

rheumatischen Erkrankungen nicht plau-

sibel erklärte Symptomenkonstellationen

auftreten, etwa wenn bei einem Kind mit

Fingerkontrakturen bei fehlenden humo-

ralen Entzündungszeichen ein Karpaltun-

nelsyndrom und schließlich eine Horn-

hauttrübung beobachtet werden (→ Mor-

bus Scheie) oder wenn eine aseptische

Knochennekrose von einer Splenomega-

lie begleitet ist (→ Morbus Gaucher).

Sollte die Diagnose im Kindes- bzw. Ju-

gendalter noch nicht gestellt worden sein,

ist der internistische Rheumatologe gefor-

dert. Nach Erreichen des Erwachsenenal-

ters sind in der Regel verschiedene Symp-

tome deutlicher geworden, andere Manifes-

tationen, insbesondere im Bereich der inne-

ren Organe oder der Augen, eventuell erst

hinzugekommen. Bei der im Erwachsenen-

alter viel größeren Zahl von Patienten mit

entzündlich-rheumatischen Erkrankungen

wie der rheumatoiden Arthritis und großer

Variabilität auch bei diesen Erkrankungen

selbst bleibt die Identifizierung der seltenen

Scheie-, Fabry- oder Gaucher-Patienten eine

schwierige, anspruchsvolle, aber auch dring-

liche Herausforderung. Auch hier gilt es, be-

sondere Befundkonstellationen zu regis-

trieren, insbesondere, wenn es sich um Pa-

tienten handelt, deren Erkrankungsbeginn

im Kindesalter liegt. Wir sind es den betrof-

fenen Menschen und ihren Familien schul-

dig, dass sie in den Genuss der den Krank-

heitsverlauf entscheidend verbessernden

Therapie kommen, so von schweren kör-

perlichen Leiden verschont bleiben, sozi-

al integriert einer normalen Arbeit nachge-

hen können und nicht frühberentet werden

müssen.

Diese Publikation beruht auf den Er-

gebnissen eines Roundtablegesprächs, das

am 22. 9. 2004 in Frankfurt stattfand und

an dem neben den Autoren teilnahmen:

M. Backhaus/Berlin, K. Bandilla/Wiesba-

den, H.-I. Huppertz/Bremen, H.L. Kell-

ner/München, E. Reinhold-Keller/Ham-

burg, E. Weißbarth-Riedel/Hamburg.

Das Roundtablegespräch wurde durch

einen unrestricted educational grant der

Firma Genzyme GmbH unterstützt.

Korrespondierender AutorProf. Dr. B. Manger

Medizinische Klinik III,Universität Erlangen-Nürnberg,Krankenhausstraße 12, 91054 ErlangenE-Mail: [email protected]

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Heide Koula-Jenik, Michael Miko,

Matthias Kraft, Ralf-Joachim Schulz

(Hrsg.)

Leitfaden ErnährungsmedizinMünchen: Elsevier, Urban & Fischer 2005, 896 S., (ISBN 3-437-56530-3), 49.95 EUR

Patienten stellen immer häufiger Fragen

zum Thema Ernährung, die gelegentlich

selbst Experten, wie Gastroenterologen

und Diabetologen, verunsichern können

– zum Beispiel: Ist die makrobiotische

Kostform empfehlenswert? Nicht zu jeder

Frage ist das passende Werk zur Hand.

Auch das Internet stellt keine Lösung dar,

weil die Quellen nicht immer seriös sind.

Ideal ist dagegen der „Leitfaden Ernäh-

rungsmedizin“, der sich am Curriculum

der Ernährungsmedizin der Bundesärz-

tekammer orientiert. Das fast 900 Seiten

umfassende Nachschlagewerk, erschienen

bei Elsevier (Urban & Fischer) gibt über fast

jeden Aspekt der Ernährung knapp und

wissenschaftlich fundiert Auskunft. Über

die Makrobiotik etwa ist auf eineinhalb

Seiten das Wichtigste zu erfahren: Ihre

Grundsätze, die Lebensmittelauswahl und

ihre ernährungsphysiologische Bewer-

tung; am Ende findet sich in einem Kasten

ein handlungsorientiertes Fazit. Bewertet

werden unter anderem auch die Brigitte-

Diät, Blutgruppendiät, die Mayr-Diät und

Krebsdiäten.

Auch Sonderdiäten werden vorgestellt,

etwa Diäten bei speziellen Systemerkran-

kungen, wie Rheumaerkrankungen und

Multiple Sklerose. Dies zeigt die Brauch-

barkeit des Leitfadens – denn wer würde

einen Patienten mit MS nicht gern darüber

informieren, dass gesättigte Fettsäuren

drastisch reduziert und Omega-3-Fettsäure

vermehrt aufgenommen werden sollten?

Nicht fehlen darf in einem ernährungs-

medizinischem Kompendium die enterale

Ernährung. In dem Kapitel „Klinische Er-

nährung“ fehlt allerdings der Hinweis, dass

die enterale Ernährung auch missbraucht

werden kann, etwa um Demenzkranke

zeitsparend zu ernähren – ein Aspekt, den

sogar der Gemeinsame Bundesausschuss

kritisiert hat.

Das umfangreiche Kapitel „Praxis der

Ernährungsmedizin“, in dem vor allem er-

nährungsbedingte Krankheiten behandelt

werden, versöhnt den Leser jedoch wieder.

Deutlich zeigt sich beim Thema Diabetes,

dass sich der Leitfaden auf dem neuesten

Erkenntnisstand befindet: Mit einem Aus-

rufezeichen markiert wurde etwa die Be-

merkung: „Die Einhaltung einer Diät oder

einer Mahlzeitenfrequenz/-verteilung gilt

als überholt.“ Auch wird mit dem Vorurteil

aufgeräumt, dass Fruktose für den Diabe-

tiker-Stoffwechsel besser sei als Haushalts-

zucker. Es sind Hinweise wie diese, die das

Nachschlagewerk auch für ernährungswis-

senschaftliche Laien attraktiv macht.

Kirsten Gaede (Berlin)

Buchbesprechungen

43Zeitschrift für Rheumatologie 1 · 2006 |