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MENSCHEN FÜR ANDERE Nr. 4 | 2014 Das Magazin der Jesuitenmission Zuflucht

Magazin der Jesuitenmission 2014-4

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MENSCHEN FÜR ANDEREN

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Das Magazin der Jesuitenmission

Zuflucht

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Liebe Freundinnen und Freundeunserer Missionare und Partner weltweit!

Der Blick auf die aktuellen Krisenherde lässt kaum Weihnachtsgefühle aufkommen. Auch die Themen unseres MENSCHEN FÜR ANDERE-Heftes spiegeln gespannte Si-tuationen wider: Waisenkinder in Simbabwe; Flüchtlinge in Syrien und im Nordirak – und vor unseren Türen. Paterne Mombe SJ, der Leiter des Aidsnetzwerkes der Jesuiten in Afrika (AJAN), hat bei seinem Besuch erzählt, wie Kirchen buchstäblich zum Zu-fluchtsort für so viele Menschen, die bitterer Not ausgesetzt sind, werden.

Einige unserer Jesuit Volunteers haben ihren Einsatz in Makumbi / Simbabwe gemacht. Daraus ist eine Zusammenarbeit entstanden. „Makumbi, mein Paradies“ so beschrieb vor Jahren eine Freiwillige der Jesuitenmission ihren Einsatz. Die Begegnung mit den Waisenkindern war für sie ein Geschenk. Und tatsächlich ist es ganz oft so, dass in der Begegnung mit Armen, Notleidenden und Kranken unglaublich viel Lebenswille, Hoff-nung und Freude zu spüren sind. Die Kinder in Makumbi sprühen vor Lebensenergie, auch wenn jedes von ihnen eine traurige Geschichte mit sich trägt. Die Freude über das neugeborene Baby in einem Flüchtlingszelt im Nordirak ist riesig und wird mit den Be-suchern geteilt.

Weihnachten lässt sich überall finden. Flucht, Vertreibung und Zuflucht gehören zum Geschehen jener ersten Weihnacht, in der Gottes Sohn selber das Schicksal derer geteilt hat, die heute eine neue Heimat suchen.

Ich danke von Herzen für Ihre Verbundenheit mit uns und wünsche Ihnen allen Gottes reichen Segen für das neue Jahr 2015.

Hans Tschiggerl SJ MENSCHEN FÜR ANDERE

EDITORIAL

ImpressumMENSCHEN FÜR ANDERE Das Magazin der Jesuitenmission, 2014 – Heft 4Medieninhaber und Herausgeber: Missionsprokur der Gesellschaft Jesu in Österreich, Mag. Johann Tschiggerl SJ, Dr. Ignaz Seipel Platz 1, A-1010 Wien, Tel +43 01 5125232-56, [email protected], www.jesuitenmission.atRedaktion und Gestaltung: Hans Tschiggerl, Katrin Morales, Magdalena Weber.Druck: LDD CommunicationZiel der Publikation: Information der Spender über die aktuellen Entwicklungen in den Hilfsprojekten.Bildnachweis: Jesuitenmission, JRS.

Österreichische Post AG / Sponsoring Post, 13Z039521S. ZVR Zahl 530615772, SO 1345

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Es ist ein Gefühl, als würden fünf-zig Kinderhände gleichzeitig an mir ziehen. „Kennst du Bayern Mün-

chen?“ „Mach ein Foto von uns, mach ein Foto von uns!“ „Mein Lieblingsverein ist Chelsea!“ Die Kinder lachen, hüpfen und umringen mich. Schüchtern sind die mei-sten nicht. Ein kleiner Trupp setzt sich schließlich durch und zeigt mir das Ge-lände: Gemüsegärten, Hühnerställe, zwei Milchkühe, ein überdachter Platz zum Wäschewaschen mit tiefen Spülbecken aus grauem Stein und vielen Wäschelei-nen, ein Kindergarten, ein kleiner Spiel-platz mit verrosteten Geräten und zu guter Letzt die mit geometrischen Mustern ver-zierten Wohnhäuser – das Herzstück des Kinderheims in Makumbi.

Ausgesetzt im NachtclubRund 90 Mädchen und Jungen leben hier, vom Säugling bis zum Teenager. Die 18-jährige Mazvita gehört zu den ältesten: „Ich bin seit 1996 hier. Am 25. Dezem-ber werde ich 19 Jahre alt. Ich bin im Ab-schlussjahr der High School und möchte nächstes Jahr zur Universität gehen. Mein Wunsch ist, Rechtsanwältin oder Sozialar-beiterin zu werden.“ So wie Mazvita sind viele der Kinder bereits als Babys im Heim aufgenommen worden. Ein heute achtjäh-riges Kind wurde als Neugeborenes von einem Nachtwächter neben den Toiletten eines Nachtclubs am Rande der Haupt-stadt Harare gefunden. Die fast gleich-altrige Melissa kam als vierzehn Tage altes Baby über die Mutter Teresa Schwestern

Im simbabwischen Kinderheim Makumbi leben 90 Mädchen und Jungen in familienähnlichen Strukturen.

Eine Familie mit 90 Kindern

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BILDUNGSINITIATIVE

aus Mbare, die für sie einen Platz suchten. Melissa ist mittlerweile im zweiten Schul-jahr, ein fröhliches Kind, das Makumbi als seine Heimat betrachtet. Für viele ist das Heim das einzige Zuhause, das sie kennen. Sie wurden als Babys ausgesetzt, vor die Türen von Pfarrhäusern, Ordens-konventen, Polizeistationen gelegt oder im Krankenhaus zurückgelassen. Andere Kinder haben durch HIV/Aids alle Ver-wandten verloren, die für sie hätten sorgen können. Wieder andere kommen aus Fa-miliensituationen, in denen sie so massiv misshandelt oder vernachlässigt wurden, dass sie vom Jugendamt in Obhut genom-men wurden. Das Jugendamt vermittelt die Kinder in zumeist kirchlich geführte Waisenheime, für die Betreuung und Ver-sorgung der Kinder zahlt es aufgrund der knappen Kassen in Simbabwe schon lange nicht mehr.

Acht Häuser und FamilienIn Makumbi wachsen Mädchen und Jungen in altersgemischten Gruppen wie Ge-schwister auf. Heimleiterin Schwester Alois erklärt das Konzept: „Das Kinder-dorf besteht aus acht Häusern oder Fami-

Szenen aus dem

Kinderheim in

Makumbi.

Rechts auf dem Bild

ist Hausmutter

Bernadette mit der

kleinen Lena.

lien, in denen jeweils zehn bis zwölf Kin-der leben. In jeder Familie gibt es eine Mutter, die sich um die Kinder kümmert und rund um die Uhr für sie da ist. Viele unserer Kinder sind traumatisiert und haben Schlimmes erlebt, sie nennen die Hausmutter trotzdem Mama, obwohl sie nicht ihre leibliche Mutter ist. Die Kin-der sind sehr unterschiedlich, einige sind aggressiv, andere sind sehr höflich und zu-rückhaltend, das ist abhängig von dem, was sie erlebt haben. Durch die Struk-tur der Familienhäuser haben die Kinder das Gefühl, irgendwo dazu zugehören, sie sind Teil eines Familienlebens und das ist sehr wichtig für sie.“

Rückgrat und SeeleDie 12 Hausmütter sind Rückgrat und Seele des Kinderheims. Sie sind nicht unbedingt ausgebildete Erzieherinnen, bringen als gestandene Frauen aber viel praktische Erfahrung in simbabwischer Kindererziehung und Haushaltsführung mit. Ihr Arbeitstag ähnelt dem Tagesab-lauf vieler Mütter in Simbabwe: Um fünf Uhr aufstehen, Wasser holen, Frühstück vorbereiten, Kinder wecken, die Großen

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BILDUNGSINITIATIVE

zur Schule schicken, die Kleinen betreu-en, Gemüse ernten, Hühner versorgen, waschen, kochen, putzen – und nebenbei Tränen trocknen, Streit schlichten, Fehl-verhalten tadeln und dafür sorgen, dass zehn Kinder ihre Aufgaben im Haushalt übernehmen, für die Schule lernen und rechtzeitig ins Bett kommen. Nach einem 16-Stunden-Tag kann auch die Hausmut-ter um neun Uhr abends schlafen gehen – wenn denn das Baby im Gitterbett in ih-rem Zimmer ruhig bleibt und keines der anderen Kinder krank wird oder mit Alp-träumen aufwacht.

Liebe ist das WichtigsteMai Goteka, die vor kurzem in den Ruhe-stand gegangen ist, war fast vierzig Jah-re lang Hausmutter in Makumbi und hat viele Kinder aufwachsen sehen: „Im Grunde sind alle Kinder gleich. Wir müs-sen sie so behandeln, dass sie einen guten Weg finden. Sie sind wie unsere eigenen Kinder.“ Hausmutter Bernadette, 49 Jahre alt und Mutter eines erwachsenen Sohnes, fügt hinzu: „Wir Mütter geben den Kin-dern Liebe, denn das ist das Wichtigste im Leben eines Kindes.“ Die 34-jährige Mai

Immaculate arbeitet seit drei Jahren als Hausmutter in Makumbi. Ihr Mann starb 2008 und sie suchte händeringend Arbeit, um sich und ihre drei Kinder zu ernähren. „Meine Kinder wohnen bei ihrer Groß-mutter“, sagt sie, „aber ich sehe sie ja re-gelmäßig.“ Die Hausmütter arbeiten drei Wochen am Stück und haben dann eine Woche frei.

Erziehung braucht GeduldHausväter gibt es in Makumbi nicht. Aber einen Pater, den Leiter der Missionsstation Makumbi. Die letzten acht Jahre war das Pater Heribert Müller. „In Makumbi habe ich eigentlich erst entdeckt, was es heißt, ‚Papa‘ zu sein“, sagt der 53-jährige Jesuit. „Auch ging mir rasch auf, dass die Erzie-hung von Kindern gar nicht so einfach ist und viel, ja sehr viel Geduld braucht. Oft war da auch das Gefühl, nicht genügend Zeit für die Kinder und die Mütter zu ha-ben.“ Zur Missionsstation Makumbi ge-hören neben dem Kinderheim eine Pfarre mit 34 Außenstationen, zwei Schulen mit einem großen Internat und verschiedene soziale Einrichtungen. Viel Leben und viel Arbeit. „Aber die Kinder sind die Seele von

Arbeit im

Gemüsegarten,

damit es

genug zu essen gibt.

Die fünfjährige Lina

möchte später einmal

Nonne werden.

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BILDUNGSINITIATIVE

ten. Aber ich werde mit meinem ganzen Herzen die Aufgaben in Makumbi über-nehmen.“

Alle Kinder helfen mitEs ist später Nachmittag geworden und die Kinder sind aus der Schule zurück. Das Leben ist im vollen Gange: Größere Kinder tragen die Kleinen herum, ein Mädchen steht am Herd, ein Junge schnei-det Gemüse, ein anderes Mädchen nimmt die Wäsche von der Leine, in einem ande-ren Haus bügelt ein älterer Junge, draußen wird Fußball gespielt und getobt, andere Kinder sammeln Eier in den Hühnerstäl-len und jäten Unkraut im Gemüsegarten. Was von außen wie ein fröhlich buntes Chaos wirkt, hat eine feste Ordnung: Alle Kinder helfen im Haushalt mit.

Viele ZukunftsträumeFür die älteren Jugendlichen ist es oft nicht leicht, den Übergang vom geregel-ten Leben im Heim in die eigene Unab-hängigkeit zu schaffen. Alle Kinder haben genaue Zukunftsvorstellungen, die viel-leicht manchmal mehr Träume als realistische Pläne sind. Der 14-jährige

Makumbi“, lächelt Heribert Müller, „sie machen die ganze Mission zu ihrem Spiel-platz.“ Der laufende Unterhalt des Kinder-heims wird zum großen Teil über Spenden aus Deutschland finanziert. Um notwen-dige Renovierungen und Erneuerungen bezahlen zu können, war Heribert Mül-ler immer wieder als „ewiger Bettler“, wie er es schmunzelnd nennt, in seiner alten Heimat unterwegs, um den Kontakt zu deutschen Pfarreien, Schulen, Gruppen und Firmen zu halten.

Übergabe an Pater NhikaSeine große Hoffnung ist, dass die Freunde und Wohltäter aus Deutschland und Ös-terreich auch trotz seines Weggangs das Kinderheim in Makumbi weiterhin un-terstützen werden. Seit September ist Pa-ter Heribert Müller in Mosambik, um die Zusammenarbeit innerhalb der süd-afri-kanischen Region der Jesuiten zu stärken, und wird dann 2015 eine neue Aufgabe in Simbabwe übernehmen. Sein Nachfolger Pater Admire Nhika ist ein junger simbab-wischer Jesuit: „Pater Müller hat seine Ar-beit hier so gut gemacht, dass es für mich nicht leicht ist, in seine Fußstapfen zu tre-

Blick in eines der

Kinderzimmer.

Bei Hausarbeiten wie

kochen, waschen,

bügeln helfen die

Mädchen und

Burschen mit.

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BILDUNGSINITIATIVE

Farai möchte ein internationaler Fuß-ballspieler werden, die 15-jährige Rudo Ärztin, die 12-jährige Benesia Pilotin, der 6-jährige Zvikomborrero Soldat und für die 5-jährige Lina steht fest: „Ich will Ordensschwester werden!“

Trauer um PriscillaBei einer Arbeitslosenquote von über 90 Prozent sehen die Berufschancen nicht rosig aus. Nicht immer läuft es gut, wenn die Kinder das Heim verlassen. „Das schwerste in meiner Zeit in Makumbi war der Tod von Priscilla“, erzählt Pater Heribert Müller. „Sie kam vor meiner Zeit als Baby nach Makumbi und war von Ge-burt an HIV-positiv. Sie hatte sich gut an die Behandlung gewöhnt und nahm jeden Tag ihre antiretroviralen Medikamente. Nach der Mittleren Reife begann sie eine Ausbildung als Friseurin und lebte in einer Gastfamilie in Harare. Alles schien gut zu gehen, bis wir auf einmal hörten, dass sie im Krankenhaus war. Was war geschehen? Sie hatte sich sehr gut gefühlt und begon-nen, die Medikamente nur noch unregel-mäßig zu nehmen. Die Zahl ihrer weißen Blutkörperchen ging auf ein Minimum

zurück, ihr Immunsystem kollabierte und sie bekam eine schwere Hirnhautentzün-dung. Sie verlor im Krankenhaus das Be-wusstsein und starb eine Woche später. Das war für uns alle eine sehr schmerz-liche Zeit, besonders für Schwester Alois, die Mütter und die Kinder. Selten habe ich eine so tränenreiche Beerdigung erlebt.“

Ein Tag geht zu EndeHeribert Müller denkt eine Weile nach und fügt dann hinzu: „Vater und Mutter ersetzen können wir nicht, doch wir können den Kindern eine frohe und unbe-sorgte Kindheit schenken. Sie lernen Gott kennen in Gebet und Gesang und wachsen mehr und mehr in der Gewiss-heit, geliebt und angenommen zu sein.“ Draußen geht das Fußballspiel weiter. Fröhliche Kinderstimmen sind zu hören, dann gibt es einen wütenden Wortwech-sel, ein Baby weint, Musik aus einem Ra-dio erklingt, begleitet von Mädchenge-lächter – ein ganz normaler Tag in der Makumbi-Familie mit 90 Geschwistern und 12 Müttern geht zu Ende.

Judith Behnen

Messe mit Pater

Heribert Müller:

Jeden Dienstagnach-

mittag feiern alle im

Kinderheim gemeinsam

einen Gottesdienst.

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SIMBABWE

Ich bin 33 Jahre alt und in Harare aufge-wachsen. Die Jesuiten habe ich über Pa-ter Oskar Wermter kennengelernt, der regelmäßig in unserer Gemeinde die Mes-se gefeiert hat. Am Ende meiner Schul-zeit dachte ich darüber nach, Priester zu werden und las in einem Artikel über die Jesuiten: „Jeder kann kommen mit dem, was er hat, zur größeren Ehre Gottes.“ Das hat mich beeindruckt und auch be-ruhigt, denn Religion war in der Schu-le nicht mein Schwerpunktfach gewesen, sondern Erdkunde, Buchhaltung und Be-triebswirtschaftslehre. Ich bin dann zu den Jesuiten gegangen, einer von ihnen war Pater Heribert Müller, und das Gespräch mit ihm hat mich bestärkt.

Jesuit aus LiebeViele sehen es als merkwürdig an, wenn man katholischer Priester werden will. Aber ich habe gespürt, dass es mich dort hinzieht. Es ist, als würde man sich in je-manden verlieben und kann nicht mehr anders, als an die Person zu denken und in ihrer Nähe sein zu wollen. Ich bin bis heu-te glücklich, Mitglied der Gesellschaft Jesu zu sein. Ich finde Sinn in meinem Leben und folge dem Traum, gemeinsam mit

Gott eine bessere Welt zu schaffen. Natür-lich gibt es gute und schlechte Momente, aber es ist für mich ein erfüllendes Leben.

Herausforderung und PrivilegMein Noviziat habe ich in Sambia ge-macht, dann zwei Jahre in Simbabwe an einer Schule unterrichtet und anschlie-ßend an der Elfenbeinküste Theologie stu-diert. Französisch zu lernen, war nicht so leicht, aber es war eine große Chance, eine andere Kultur zu erleben und auch die Unterschiede zu Simbabwe zu sehen. Am 20. Juli 2013 bin ich in Simbabwe zum Priester geweiht worden. Anschließend war ich Kaplan in einer gut situierten Pfarrei in Harare und stark in der Jugend-arbeit engagiert. Zum 1. September 2014 bin ich als Nachfolger von Pater Heribert Müller nach Makumbi gekommen. Das ist Herausforderung und Privileg zugleich. Ich habe viel von Pater Müller gelernt und ich werde weiterhin von den Menschen um mich herum lernen.

Traurigkeit und FreudeWenn ich im Kinderheim bin, fühle ich beides: Traurigkeit und Freude. Jedes der Kinder trägt eine traurige Geschichte mit sich. Aber die glückliche Seite ist, dass je-mand sie gefunden und nach Makumbi gebracht hat. Hier können sie geschützt in einer liebevollen Umgebung aufwach-sen. Wir sind unendlich dankbar, dass es so viele Menschen gibt, die den Kindern helfen wollen und das Heim unterstüt-zen. Wir werden immer für Sie beten und wir freuen uns darauf, unsere Erfahrungen mit Ihnen zu teilen.

Admire Nhika SJ

Pater Nhika im

Wohnzimmer eines

der acht Familien-

häuser im Kinder-

heim Makumbi.

Pater Admire Nhika, der Nachfolger von Pater Heribert Müller in Makumbi, stellt sich uns vor.

Mit Gott für eine bessere Welt

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INTERVIEW

Seit wann gibt es das Kinderheim?Es wurde 1934 gegründet, als die Schwe-stern von Makumbi begannen, sich um die Babys zu kümmern, deren Mütter bei der Geburt gestorben waren. Vom traditi-onellen Heim mit großen Schlafsälen sind wir 1993 zur heutigen Familien-Struktur gewechselt.

Wie unterhält sich das Heim?Lebensmittel wie Mais, Tomaten, Gemü-se, Milch und Eier erzeugen wir selbst. Dadurch lernen die Kinder auch etwas über Landwirtschaft. Jede Familie züch-tet Hühner. Das was sie selbst nicht brau-chen, verkaufen sie und entscheiden dann gemeinsam, was mit dem Geld ange-schafft wird.

Was sind die größten Herausforde-rungen?Einige unserer Kinder sind HIV-positiv und wir fahren mit ihnen jeden Monat ins Missionskrankenhaus von Kutama, damit sie antiretrovirale Medikamente bekom-men. Im alltäglichen Leben des Heims mangelt es uns zurzeit an Betten. Die mei-sten sind in einem furchtbaren Zustand. Wir konnten dieses Jahr zehn neue Bet-ten kaufen. Aber was ist mit den restlichen 84 Kindern? Wir brauchen außerdem Un-terstützung für die Jugendlichen, die zur Universität gehen. Im Moment sind es vier, nächstes Jahr fünf und dann sechs.

Was machen die Kinder, wenn sie das Heim verlassen?Solche die nicht akademisch talentiert sind, verlassen die Schule nach der 10. Klasse. Wir schicken sie zu Ausbildungs-

kursen und versuchen, Jobs für sie zu fin-den. Manche machen sich auch auf die Suche nach ihren Verwandten, um dort zu wohnen.

Wie sieht die Verbindung zu ehema-ligen Heimkindern aus?Vor zwei Jahren konnten wir zum ersten Mal ein richtiges Treffen der Ehemaligen organisieren. Ich habe sie gefragt, ob sie nicht eine Vereinigung gründen möchten, um so das Kinderheim zu unterstützen. Letztes Jahr haben sie eine wundervolle Weihnachtsfeier für die Kinder organi-siert.

Was sind Ihre schlimmsten und die schönsten Erfahrungen?Das allertraurigste ist, wenn ein Kind stirbt. Ärgern tut es mich etwas, wenn Kinder sich nicht um ihre Zukunft küm-mern. Im Gegensatz zu den Kindern aus den Dörfern müssen sich unsere Kinder keine Sorgen um ihre Bildung machen, denn das Heim zahlt die Schulgebühren. Das allerschönste ist, wenn sie es schaffen, zur Universität zu gehen und eine Arbeit zu finden. Später heiraten einige und ha-ben selbst Kinder. Das sind dann unsere Enkelkinder.

Interview: Rebekka Schuppert

Sr. Alois Nyanhete ist 1969 in den simbabwischen Frauenorden LCBL eingetreten, hat Sozialarbeit studiert und leitet das Kinderheim in Makumbi.

„Ihre Kinder sind dann unsere Enkelkinder“

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Unter schwierigen Bedingungen hat der Flüchtlingsdienst der Jesuiten (JRS) mit der Arbeit in Erbil begonnen.

Die Hoffnung sehen

Manchmal erzählen die un-scheinbarsten Bilder die hoff-nungsvollsten Geschichten.

Ein Tisch mit Wolle, ein Kreis von Frauen, eine steht mit Nadeln in der Hand und erklärt etwas. Sarab Mukhi hat dieses Foto aus Erbil im Nordirak gemailt und schreibt dazu: „Das erste Treffen unserer Frauengruppe. Es war für mich ein sehr besonderer Tag und ich möchte die Freude darüber mit euch teilen.“ Die Frauen sind Flüchtlinge in Erbil und das neu gestar-tete Programm des Jesuiten-Flüchtlings-dienstes gibt ihnen Raum und Möglich-keit, sich zu treffen, miteinander zu reden und dabei warme Pullover für die Kinder zu stricken. Denn der Winter im Nordi-rak ist kalt.

Container-KlassenDas zweite Bild zeigt eine verlassene Hal-le ohne Dach. Auf der anderen Seite der Straße ist ein Flüchtlingslager, in dem 250 Familien mit vielen Kindern in schul-pflichtigem Alter leben. Die offene Halle bietet Schutz und vor allem einen festen Boden, um darin zwölf Klassenzimmer in Container-Bauweise aufzustellen. Je-des Klassenzimmer wird eine Größe von 5x7 Metern haben. Auch Raum für einen Spielplatz wird es noch geben. Bildung ist ein wesentlicher Arbeitsschwerpunkt für den Flüchtlingsdienst der Jesuiten. „Der geistigen Verbohrtheit von Terrormi-lizen wie dem Islamischen Staat und ih-ren gewalttätigen Auswüchsen kann man langfristig nur mit Bildung, geistiger Of-fenheit und Erziehung zum Respekt be-gegnen“, erklärt Pater Peter Balleis, der in-ternationale JRS-Direktor.

FamilienbesucheEine weitere wichtige Säule sind Familien-besuche, um die Situation der Flüchtlinge

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Eine

Flüchtlingsfamilie

in Erbil.

Erstes Treffen der Frauen,

Hallenplatz für Notschule,

JRS-Mitarbeiterin Sarab Mukhi (rechts),

Leben in Zelten.

kennenzulernen, ihr Vertrauen zu gewin-nen und ihnen direkt helfen zu können. Schätzungen zufolge sind seit dem Vor-marsch der Terrormiliz „Islamischer Staat“ allein in Erbil 120.000 Flüchtlinge neu angekommen. Insgesamt wurden im Irak seit Jahresbeginn 1,8 Millionen Menschen vertrieben. Hinzu kommen mehr als 200.000 syrische Flüchtlinge, die Schutz vor dem Krieg im eigenen Land gesucht hatten. Viele Flüchtlinge leben unter furchtbaren Bedingungen. „Früher ha-ben wir von Hausbesuchen gesprochen“, meint Pater Tony Calleja, „aber der Begriff klingt hier wie ein zynischer Scherz. Man kann die Zelte, durch die es zum Teil reg-net, nun wirklich nicht Häuser nennen. Deshalb sprechen wir lieber von Famili-enbesuchen.“ Bis Jahresende will das JRS-Team in Erbil 300 besonders bedürftige Familien mit Nothilfe unterstützen. Bis Ende Januar 2015 sollen knapp 1.500 Fa-milien besucht worden sein.

Danke!Möglich ist die Hilfe in Erbil durch Ihre Unterstützung. Auf unseren Spendenauf-ruf, den wir im Oktober verschickt hat-ten, haben Sie großzügig geantwortet. Wir danken Ihnen von Herzen für Ihre Hilfe, Ihr Gebet, Ihre Spenden, Ihre Aktionen und Ihr Mitgefühl mit den Flüchtlingen im Nordirak. In der nächsten Ausgabe un-seres Heftes MENSCHEN FÜR ANDE-RE werden wir über den Fortgang der Ar-beit berichten.

Judith Behnen

NORDIRAK

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ZUFLUCHT

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ZUFLUCHT

Heimkehr, Versöhnungund Neuanfang:

Gesegnet seien alle,die uns willkommen heißenin ihrem Land; und die ein Licht ins Fenster stellen, das uns begrüßt und wärmt.

Wir dürfen nicht vergessen:Flüchtlinge sind wir alle,ohne bleibende Stätte. Jeder Ort auf dieser Welt istnur ein Rastplatz auf dem Weg in ein anderes Land.

Und: Alle Flüchtenden dieser Erde sind ein Gleichnis für unser Leben und die Hoffnung auf Frieden.

Bild:Herbergssuche, Severino Blanco, Bolivien

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Der Jesuit Refugee Service (JRS) ist seit 1980 für Flüchtlinge im Einsatz. Peter Balleis SJ, der Direktor des JRS hielt den Eröffnungsvortrag zur Ausstellung „Von der Arche zu den Boatpeople – Flucht und Vertreibung“.

„In diesem Jahr hat die Zahl mit 51,2 Mil-lionen gewaltsam vertriebenen Menschen, Binnenflüchtlingen, Flüchtlingen und Asylsuchenden den Höchststand seit dem 2. Weltkrieg erreicht.“ Es ist wichtig sich nicht von den Massen blenden zu lassen: „Es geht nicht um die großen Zahlen, es geht um den Einzelnen, das Schicksal da-hinter, das Gesicht im Blick zu behalten.“

Bilder der FluchtGenau das war auch das Ziel der Wander-ausstellung „Von der Arche zu den Boat-people“, die im Kardinal König Haus von der Jesuitenmission aufgestellt wurde. Sie war selbst so etwas wie ein Flüchtling, wie ein Hindernis mitten im arbeitsamen Tages ablauf des Bildungshauses der Jesuiten. Sie hält das Gesicht der Flucht präsent: Flucht hinter Stacheldrahtzäu-ne, die zugleich Schutz und entmenschli-

chendes Wegsperren bedeuten. Flucht vor dem grausamen Krieg, vor der wirtschaftli-chen Verdrängung aus dem Regenwald, vor den politisch und religiös extremen Grup-pen. „Flucht treibt die Menschen nicht unbedingt weit weg“, betont Peter Balleis SJ. „Nur zwölf Kilometer vom eigenen Dorf entfernt finden flüchtende syrische Familien einen Unterschlupf.“ Die Tra-gödie spielt sich vor der eigenen Haustür und in der Nachbarschaft ab.

Vor der eigenen Tür„Die Krisenzonen liegen vor der Haustüre Europas. Die europäische Politik, die Län-der und Menschen wissen nicht so recht wie sie damit umgehen sollen. Keiner hat eine Lösung. Die Positionen polarisie-ren sich. Manche Menschen wollen den Schrei der Hilfesuchenden nicht hören, den Ruf der ertrinkenden Flüchtlinge im Mittelmeer, den Ruf der Menschen, die im Nahen Osten Hilfe brauchen.“ Es geht P. Balleis nicht um Schuldzuweisungen: „Es ist verständlich, dass die Menschen Sorge und Angst haben, wie mit so vie-len Asylwerbern umzugehen ist. Lösungen vor Ort sind ökonomischer, praktischer.“

Jugendliche aus dem

Kollegium Kalksburg

und anderen Schulen

kommen und setzen

sich mit dem Thema

Flucht auseinander.

Flucht – Vertreibung – Zuflucht

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BegleitenDer JRS hat sich entschieden, besonders Kinder und Jugendliche mit Bildungspro-grammen, ob in Flüchtlingslagern oder als städtische Flüchtlinge, zu begleiten. „Kin-der, die in Lagern ohne Kreativität, mit-ten in der Gewalt aufwachsen, werden zu verlorenen Generationen und sind leichte Beute für Extremisten.“ Dass Kinder und Jugendliche in diesen Fluchtsituationen in die Schule gehen können, ist sehr wich-tig für ihre weitere Entwicklung. So zielt der JRS bei den ca. 325.000 Menschen in Syrien, die Dienstleistungen von den Je-suiten erfahren, besonders auf die psycho-soziale Arbeit zur Traumareduzierung ab. Über 200.000 junge Menschen sind in Bildungsprogrammen des JRS beheima-tet.

Zuflucht„Menschen, die Furchtbares erlebt haben, wollen nicht unbedingt darüber reden.“ Sie wollen traumatische Erfahrungen der Flucht gerne hinter sich lassen. Die sollen aber ausgedrückt werden. Künstler drü-cken das aus, was schwer sagbar ist. Der JRS stellt sich auf die Seite der Sprach-losen. „Mehr als 50 % der Menschen in

Syrien wollen den Krieg nicht!“ Unterm Kreuz zu stehen und die Welt aus der Sicht der Opfer zu sehen, ist der sicherste Standort, um der Dynamik des Bösen zu widerstehen. Die Dynamik des Bösen, der Gewalt, versucht zu polarisieren, zu spal-ten, uns in politische Lager zu teilen, zu streiten. „Im Syrienkonflikt haben wir unsere Position, unsere politische Lob-byarbeit so definiert, dass wir den Men-schen, die leiden, Frieden wollen, die kei-ne Waffe in die Hand genommen haben, den Friedfertigen und Gewaltlosen eine Stimme geben. Ihre Stimme muss in Genf vertreten sein. Das Wenige, was wir tun können, ist viel. Es ist nicht die Quanti-tät, sondern die Qualität, das Wie der Ar-beit, welches den Weg nach vorne zeigt. In Syrien, im Nahen Osten, in Afghanistan, wo die Welt nach religiösen Lagern ge-spaltet ist – Sunniten, Shiiten, Christen, Orthodoxe, Juden – da haben wir Teams, in denen Sunniten, Shiiten und Christen zusammenarbeiten. Im Wie wird die Saat des Reiches Gottes, der Zukunft gesät. Eines Tages wird es wieder ein friedliches Syrien, Irak, Israel, Afghanistan geben.

Peter Balleis SJ / Hans Tschiggerl SJ

Peter Balleis SJ beim

Vortrag in Wien:

„Pedro Arrupe SJ, der

Gründer des JRS hatte

eine Vision: Your service

has to be human, spiritual

and pedagogical.”

Erich Drögsler SJ

und Anna Lengauer

begleiteten Flüchtlinge

mit dem JRS-Österreich.

JRS –JESUITEN FLÜCHTLINGSDIENST

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Die Institution des Asyls hat re-ligionsgeschichtlich eine lange Tradition. Kultstätten, Tempel

und Kirchen boten einen Schutzraum für Verfolgte, seine Verletzung galt als Sakri-leg. Seit der Spätantike kannte das kirch-liche Recht das Asylrecht an heiligem Ort. Doch verschwand dieses Recht in dem Maß, in dem der moderne Rechtsstaat sich herausbildete und die Schutzfunkti-on übernahm.

Inspiriert durch die ökumenische Sanctu-ary-Bewegung in den USA begann in den 1980er Jahren die Idee des Kirchenasyls wieder aufzuleben. Flüchtlinge harrten mitunter jahrelang in Pfarreien oder Klö-stern aus, um einer drohenden Abschie-bung ins Heimatland zu entgehen. Trotz-dem schreckten viele Gemeinden wegen der unvorhersehbaren Dauer zurück. Heu-te dagegen ist die Zahl der Kirchen asyle

auf einem Höchststand (in Deutschland z.B. im Jahr 2014 rund 200 Kirchen asyle mit mindestens 350 Personen, darunter Familien mit Kindern). Woran liegt das?

Im Gegensatz zu früher ist Kirchenasyl zeitlich überschaubar geworden. In den meisten Fällen droht nicht die Heimatab-schiebung des Flüchtlings, sondern seine Rückschiebung in einen anderen EU-Mit-gliedstaat. Nach einer europäischen Ver-ordnung ist derjenige Mitgliedstaat für ein Asylverfahren zuständig, in dem ein Flüchtling erstmals die EU betreten hat. Reist er weiter in einen anderen Mitglied-staat, kann dieser ihn innerhalb von sechs Monaten zurückschieben.

Was ist jedoch so schlimm an einer Rück-schiebung in einen anderen EU-Mit-gliedstaat? Sind das nicht alles sichere Drittstaaten? Berichte von betroffenen Flüchtlingen selbst wie auch von Hilfsor-ganisationen, nicht zuletzt vom UNHCR, zeigen jedoch, dass die Bedingungen für Asylsuchende in einigen Mitgliedstaaten höchst prekär sind. In Italien etwa müs-sen Zehntausende in Obdachlosigkeit le-ben, aus Ungarn hört man immer wieder von Misshandlungen durch Behörden. Zudem differiert die Anerkennungspraxis innerhalb der EU stark: Ein Asylsuchen-der, der in dem einen Mitgliedstaat gute Chancen auf einen Schutzstatus hat, muss

Ein Flüchtlingszelt

mitten im Kardinal

König Haus.

JRS – JESUITEN FLÜCHTLINGSDIENST

Als im bayerischen Augsburg im Februar 2014 ein Kirchenasyl geräumt wurde, schlugen die Wogen hoch und machten auf eine umstrittene Institution aufmerk-sam. Von Regierungsseite wurde zwar versichert, dass die Polizei kirchliche Räume gegen den Willen des Pfarrers nicht betreten werde. Jedoch, so die offizielle Mah-nung, handele es sich bei Kirchenasyl eigentlich um einen Rechtsbruch.

Kirchenasyl – Rechtsbruch oder Rechtshilfe?

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Begegnungen mit

dem Thema Flucht

und Vertreibung.

Licht der

Gastfreundschaft,

Jyoti Sahi, Indien.

Ein Blick in das

Flüchtlingszelt.

in dem anderen mit Ablehnung rechnen. Kirchenasyl kann in Einzelfällen solchen Ungleichheiten entgegenwirken. Durch Überbrückung der sechsmonatigen Über-stellungsfrist soll die Rückschiebung ver-hindert und dem Betroffenen ein faires Asylverfahren sowie eine menschenwür-dige Unterbringung verschafft werden.

Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst (Jesuit Refugee Service: JRS) sowie andere Or-ganisationen haben sich verstärkt dieses Themas angenommen. Sie beraten Ge-meinden und vermitteln Flüchtlinge ins Kirchenasyl. Außerdem finanziert der JRS Rechtsanwälte, die die immer schwieriger werdenden Verhandlungen mit den Be-hörden führen.

Die Frage eines möglichen Rechtsbruchs steht weiter im Raum. Liegt im Falle eines Kirchenasyls Beihilfe zum illegalen Auf-enthalt vor? Die Antwort lautet: Nein. Denn ein Kirchenasyl wird den Behör-den gemeldet, der Betroffene gilt demnach nicht als „untergetaucht“.

Im Gegenteil ist Kirchenasyl eine Form von Rechtshilfe: Es zielt auf ein faires Asyl-verfahren und eine menschenwürdige Be-handlung ab und legt dabei den Finger in eine offene Wunde, nämlich in die Män-gel des europäischen Asylsystems. Diese zu beheben wäre ein politisches und ethisches Gebot der Stunde. Führende Wirtschafts-nationen könnten hier mit gutem Beispiel vorangehen und schwächere EU-Mitglied-staaten entlasten.

Papst Franziskus hat im September 2013 bei seinem Besuch in dem vom JRS betrie-benen „Centro Astalli“ in Rom Ordensge-meinschaften und Pfarreien aufgefordert, großzügig zu sein und ihre Häuser zu öff-nen. Gemeinden, die Kirchenasyl gewäh-

ren, fühlen sich durch seine Worte ermu-tigt. Trotz aller Schwierigkeiten betonen sie, dass diese Entscheidung sie persön-lich und als Gemeinde geprägt und berei-chert hat, dass sie ihre christliche Verant-wortung neu sehen: So wird Kirchenasyl zum gelebten Evangelium, zur froh ma-chenden Botschaft.

Dieter Müller SJ Artikel in Stimmen der Zeit 12 2014

JRS – JESUITEN FLÜCHTLINGSDIENST

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Was mich am meisten motiviert, ist, mich sozial zu engagie-ren und als Vermittlerin zwi-

schen meiner Heimat Österreich und dem Einsatzland Mexiko einen kleinen Beitrag zum interkulturel-len Verständnis zu lei-sten. Ich möchte mich persönlich weiter-entwickeln, vielschichtige Erfahrungen sammeln und dieses eine Jahr ganz anders leben.

Helen Keller SchuleVormittags arbeite ich in der Vorschule mit Schülern im Alter von 4 bis 7 Jahren. Hier werden die Kinder auf das Lernen der Braille-Schrift (Blindenschrift) vor-bereitet. Dabei liegt der Fokus am Füh-len und Unterscheiden von verschiedenen Materialien und dem Trainieren der Fein-motorik. Ein Beispiel aus unserem Alltag: Die Kinder basteln ein Dreieck aus Holz-

Als Jesuit Volunteer in Guadalajara

stäbchen, auf welches mit Kleber kleine Krepppapierbällchen draufgeklebt wer-den. Hier muss man sich einmal den gei-stigen Aufwand für ein 4-jähriges blindes Kind vorstellen, da die Aufgabe möglichst schön, still sitzend und konzentriert aus-geführt werden soll.

Der TagesablaufDanach bin ich bei den Größeren, die 7-10 Jahre alt sind. Clara und ich arbeiten meist mit den Kindern, die Einzelbetreu-ung brauchen. Nach der Einheit gehen alle zum Mittagessen. Wirklich faszinierend, wie die Kinder hier mit ihrer Sehschwäche umgehen. Sehr hilfreich ist immer, dass sich die Kinder vorstellen, der Teller wäre eine Uhr. Somit kann man ganz einfach mit „Du hast noch Reis auf 6:00 Uhr“ da-rauf hinweisen, wo noch etwas übrig ist. Oft nehme ich auch ein Kind an der Hand

Kinder mit Braille-

Schreibmaschinen.

Evelyn Christine Dolzer aus Oberösterreich macht mit Clara und Nadia einen Frei-willigeneinsatz in Guadalajara/Mexico und arbeitet in der Helen Keller Schule für blinde und sehbehinderte Kinder. Auf Ihrem Blog berichtet sie regelmäßig von ih-ren Erfahrungen (www.vivaguadalajara.wordpress.com). Hier ein kurzer Einblick.

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und helfe, das Essen am Teller zu finden und es zum Mund zu führen. Nach dem Mittagessen haben Clara und ich noch eine halbe Stunde Pause. Um 15:00 Uhr geht es weiter mit den Workshops. Es gibt beispielsweise Sport, Englisch, Musik oder Schwimmen. Um 16:30 ist Schulschluss und alle werden mit dem schuleigenen Bus nach Hause gebracht.

ErkenntnisseDa ich nun schon seit einiger Zeit in der Helen Keller Schule arbeite, sind mir so manche Dinge aufgefallen. Vor allem sticht heraus, dass bei den Kindern alle Sinne ganz anders sensibilisiert sind, als bei sehenden Personen.

Beispielsweise ist ihr Gedächtnis viel trai-nierter, weil Dinge nicht schnell aufge-schrieben und später abgelesen werden können. Wichtige Dinge müssen sich die Kinder einfach merken. So ist es auch, wenn im Musikunterricht gesungen wird - die Kinder können alle Lieder auswendig.

Auch ihr Geruchssinn ist unglaublich sen-sibel. Beispielsweise lasse ich die Kinder, wenn wir etwas anmalen, die Farben selbst aussuchen. Sobald ein Stift ausgewählt wurde, öffnen ihn die Kinder und riechen

daran. Für mich haben alle Farben densel-ben Geruch, aber die Kinder lieben das Aroma der Farbe rosa. Nun ist auch klar, warum die vermeintliche Lieblingsfarbe aller mei-ner Kinder rosa ist.

Die erste Braille-HausaufgabeSchon nach kurzer Zeit an der Schule durfte ich zum ersten Mal eine Hausauf-gabe der Kinder korrigieren, somit lernte ich das Braille-Alphabet auch recht früh. Die Hausaufgaben werden von den Kin-dern mit einer Braille-Schreibmaschine geschrieben. Diese hat 7 Knöpfe, darun-ter die 6 Punkte der Brailleschrift und ein-mal die Leertaste. Jeder Buchstabe ist eine Kombination der verschiedenen Punkte, die gleichzeitig gedrückt werden müssen.

Es ist jeden Tag faszinierend, den Kin-dern zuzusehen, wie schnell sie auf die-ser Schreibmaschine schreiben. Ich hab es schon ein paar Mal selbst versucht, aber ich brauche lange um nachzudenken, wel-cher Buchstabe welche Punkte-Kombina-tion hat und welcher Finger auf welcher Taste für den jeweiligen Punkt liegt. Also wirklich – Hut ab vor den Kindern!

Evelyn Dolzer

Clara, Evelyn

und Nadja in

Guadalajara.

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GUATEMALA

Eine Sabbatzeit, so dachte ich, dient der Erholung, der Reflexion, na-türlich auch der Horizonterwei-

terung durch das Kennenlernen von un-bekannten Welten und dazu, sich selbst darin neu zu erfahren. So klang für mich die Möglichkeit, die Sabbatzeit bei Fe y Alegria in Guatemala zu verbringen, ver-heißungsvoll. Ich dachte an das Mich-Eingewöhnen, Sprache-lernen, Land-und-Leute-kennenlernen und dann sehen, wo ich auch hilfreich sein könnte. Aber es kam dann doch ganz anders. Ich war kaum in Guatemala angekommen, da ging es auch schon in ein Zentrum außer-halb von Guatemala City zur Einweihung eines neu bestückten Computerraumes in einer Schule. Wir fuhren auf unbefe-stigten Straßen steil bergauf und ebenso abwärts zum Zentrum 48 „Plan Grande“ in Palencia. Es erwartete uns eine sehr ge-pflegte Schule, wir würden es Mittelstufe

nennen (12 bis 15jährige), ein Festakt mit Nationalhymne, Ansprachen, Präsenz von Stadtpolitikern und Vertretern des Bil-dungsministeriums sowie ein Buffet und die „Einweihung“ mit Durchschneiden eigens für die Politiker angefertigter Bän-der (die einzelnen Teile bekamen wir zur Erinnerung mit) und einem Segensgebet von mir.

BudgetsorgenAm Nachmittag tauchte unerwartet ein Abgeordneter bei Fe y Alegria auf. Er wollte mit dem Generaldirektor, P. Miquel Cortes SJ, über einen Gesetzentwurf spre-chen, der den staatlichen Anteil des Bud-gets von Fe y Alegria absichern soll. Na-türlich hat der Abgeordnete auch gleich eine Schule in seinem Heimatbezirk Peten erbeten. So wurde ich auch sofort in die Budgetsorgen miteinbezogen.

Die Fe y Alegria

Schulen beginnen

dort, wo der

Asphalt aufhört.

P. Gernot Wisser engagiert sich nach seinem Provinzialat in einem Sozialprojekt in Guatemala. Er berichtet von seinen Erfahrungen: „Besonders beeindruckt mich die Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, mit der Jugendliche in der Gruppe freie Gebete sprechen und wie tief Glaube und Glaubenspraxis verankert sind.“ Hier sein Bericht.

Eine Sabbatzeit

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Schulungs- und Ernährungs-programmEine Fahrt in der nächsten Woche brachte mich in den Osten des Landes, wo Kaffee-bohnen wachsen. Hier besuchten wir eine Schule mit Internat und mit handwerk-licher Ausbildung in Schneiderei, Tisch-lerei, Eisenverarbeitung und auch Land-wirtschaft. Schließlich ist ja der Anspruch von Fe y Alegria, den Schülern und Schü-lerinnen eine Ausbildung zu ermöglichen, mit der sie nach Schulabschluss Arbeit finden können. Der Besuch einer einklas-sigen Volksschule (6-12 Jahre) war sehr berührend. Kinder, die sich vor der Jau-se die Hände waschen und danach Zähne-putzen. Die Idylle hat nur einen Haken, die Kinder brauchen Aufbaunahrung, weil sich ihre Familien kein ausreichendes Es-sen für die Kleinen leisten können. Gott sei Dank gibt es diese Ernährungspro-gramme.

MenschenrechteWeiters hatte ich die Möglichkeit bei einem zweitägigen Jugendcamp im Westen von Guatemala dabei zu sein. In der au-ßerschulischen Jugendbetreuung können sich die Jugendlichen in den Schulzentren in „pastoralen“ Gruppen engagieren. Zu-nächst schien es ein normales Jugendlager zu sein (75 Jugendliche aus drei Zentren). Das Besondere bei Fe y Alegria in Gua-temala ist jedoch die Beschäftigung mit Wertvorstellungen und Menschenrechten. So lernte ich, dass es 30 Menschenrechte gibt. Für die Jugendlichen dort sind das Überlebensthemen. Die Rechte von Kin-dern und Jugendlichen werden weder vom Staat noch in den Familien eingehalten. In Guatemala vergeht kaum ein Tag, an dem niemand ermordet wird. Das Land ist ge-

prägt von Jugendbanden, hohem Alkohol- und Drogenkonsum, Prostitution und se-xuellem Missbrauch von Minderjährigen. Die Tageszeitungen berichteten jüngst, dass es in den Monaten Juli und August 1150 bekanntgewordene Fälle von Miss-brauch gab – die Dunkelziffer mag ich gar nicht errechnen. Umso wichtiger ist es, dass die Jugendlichen zu Selbstständigkeit geführt werden, um ihre neuen Träume von einem anderen, einem gewalt- und korruptionsfreien Guatemala mitverwirk-lichen können.

Gernot Wisser SJ

Beschäftigung mit

Wertvorstellungen

und Menschen-

rechten.

Gernot Wisser SJ

mit Miquel Cortes SJ

dem Leiter der Fe y

Alegria Schulen.

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PHILIPPINEN

Vom Boot bis zur MobilbankIm Osterheft hatten wir Ihnen die phi-lippinische Insel Culion vorgestellt und Sie um Unterstützung für die langfristige Wiederaufbau- und Entwicklungshilfe ge-beten. Was wurde bisher erreicht? Es wur-den neue Boote an Fischerfamilien ver-teilt oder wahlweise Material, um Boote selbst zu bauen. Die Strände wurden von Taifun-Trümmern gereinigt. Im Sommer begann der Bau von vier Mehrzweck- und Evakuierungszentren. SLB (das jesuitische Hilfs- und Sozialwerk) hat Seminare und Übungen in Katastrophenvorsorge, Ko-operativenbildung, Buchhaltung und Existenzsicherung durchgeführt. Als Er-gebnis der Workshops haben zwei Dorf-gemeinschaften eigene Selbsthilfevereine gegründet. Die erste „BPI Globe BanKO“ wurde auf Culion eröffnet, ein alterna-tives Banksystem, das über Mobiltelefon funktioniert und als Plattform für Mikro-finanzen und soziale Entwicklung dient.

Umsiedlung notwendigDas Hausbauprojekt hat sich leider ver-zögert. Pater Pedro Walpole, ein Experte

Ein Jahr nach HaiyanWie sieht es auf der Insel Culion ein Jahr nach dem Taifun aus, der Dörfer zerstört und Fischerfamilien die Lebensgrundlage entzogen hat?

in „Desaster Risk Management“, hat die Lage der Fischerdörfer überprüft. Sein Er-gebnis: Die Dörfer würden beim nächsten Taifun wieder getroffen werden, aber alle geplanten Umsiedlungsplätze haben einen anderen Haken. Entweder ist Zugang zu Trinkwasser ein Problem oder Bodenerosi-on oder fehlende Akzeptanz bei der Dorf-gemeinschaft, weil der Ort zu weit vom Meer entfernt ist. Pater Walpole ist sich jedoch sicher: „Umsiedlungsmaßnahmen sind immer sensibel. Der Prozess mit allen Beteiligten ist das Wichtigste für den lang-fristigen Erfolg. Ich habe Fälle gesehen, in denen zu schnell wieder aufgebaut wur-de und beim nächsten Taifun waren die Schäden noch schlimmer. Das hilft nie-mandem.“ Die Fischerfamilien haben in ihren alten Dörfern wieder ein Dach über dem Kopf – so vorläufig es auch sein mag. Wir können nur hoffen, dass bald der Bau von neuen Häusern an einem sicheren Platz beginnen kann.

Klaus Väthröder SJ

Reparierte Stelzen-

hütten und eines der

neuen Boote. Feste

neue Häuser werden

gebaut, wenn die

Umsiedlungspläne

geklärt sind.

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Liebe Leserin, lieber Leser!

Mit einem strahlend breiten Lächeln hält der Junge aus Makumbi die Wunderker-ze in der Hand. Feste sind etwas Wunderbares für Kinder. Von Herzen bitte ich Sie um Ihr Weihnachtsgeschenk für das Kinderheim in Makumbi. Sei es eine Spende für ein neues Bett (50 Euro), für Schulgebühren (100 Euro) oder für das Gehalt ei-ner Hausmutter (300 Euro) – jeder Beitrag hilft, um die laufenden Kosten in Höhe von 7.000 Euro pro Monat zu finanzieren. Umgerechnet sind das pro Kind und Tag 2,50 Euro. Da das Jugendamt in Simbabwe nichts zahlt, ist das Kinderheim auf un-sere Hilfe angewiesen.

Ich danke Ihnen für Ihre Weihnachtsgabe!

Hans Tschiggerl SJMissionsprokurator

UNSERE WEIHNACHTSBITTE FÜR MAKUMBI

Jesuitenmission IBAN: AT942011182253440000BIC: GIBAATWWMENSCHEN FÜR ANDERESpendenzweck: Makumbi

Ihr Spende ist gemäß § 4a Z.3 und 4 EstG absetzbar! ZVR-Zahl 530615772 / SO 1345

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JESUITENMISSIONDr. Ignaz Seipel Platz 1, A-1010 WienTel.: +43 1 512 5232 56 [email protected]: AT94 2011 1822 5344 0000BIC: GIBAATWWMENSCHEN FÜR ANDERE

Danke für Ihre Unterstützung!po

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