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  I.Poschmann Physikalische und mathematische Grundlagen der magnetischen Hysterese Seite 1 von 9  Physikalisch e und mathematische Grundlagen der magnetischen Hysterese Magnetische Hysterese ist ein Phänomen, das bei ferromagnetischen Materialien auftritt, die sich in einem veränderlichen Magnetfeld befinden. Aus Sicht der Werkstofftechnik und Werkstoffprüfung interessiert uns die Hysterese von Ferromagneten z.B. bei der Herstellung von Dauermagneten oder bei der Magnetpulver- bzw. Wirbelstromprüfung. Zu den ferromagnetischen Werkstoffen gehören u.a. Kobalt und seine Legierungen, Nickel und seine Legierungen sowie Eisen und seine Legierungen (z.B. Stähle). Im ersten Teil dieses Blogbeitrages werden wir die magnetische Hysterese ausschließlich auf der Grundlage physikalische r Überlegungen diskutieren. Im zweiten Teil des Blogbeitrages werden wir vor allem die Mathematik zur Hilfe nehmen, um die Hysterese und die Hysteresekurven noch besser zu verstehen. Für die physikalische und noch mehr für die mathematische Erklärung der Hysterese ist es hilfreich, zunächst einmal zu fragen, was denn das Wort Hysterese bedeutet. Hysterese kommt vom griechischen Wort hysteros und bedeutet „Verzögerung“ oder „Verzug“. Für das Verständnis der Hysterese ist es sehr hilfreich, diese einfache Übersetzu ng im Hinterkopf zu behalten … Beschreibung der magnetischen Hysterese Ein unmagnetischer Ferromagnet ist ein Material, das das Potential hat, ein Dauermagnet zu werden, aber noch keiner ist. Diesen Ferromagneten platzieren wir in einem Magnetfeld – z.B. indem wir ihn in eine stromdurchflossene Spule legen. Das äußere Magnetfeld H erzeugt im Werkstoff ein zweites magnetisches Feld, die magnetische Flussdichte B. H ist gewissermaßen die äußere „Kommandogröße“ und B die Reaktion des Werkstoffs auf dieses Kommando. Die magnetische Hysterese beschreibt den Zusammenhang zwischen den beiden Größen magnetische Feldstärke und magnetische Flussdichte.  Ab b. 1: Neuku rv e un d Hys ter eseku rve Wollen wir eine Hysteresekurve experimentell ermitteln, so platzieren wir einen unmagnetischen Ferromagneten in einer Spule, die zunächst stromlos ist. Das bedeutet, H und B sind Null, und wir befinden uns in Abb. 1 im Koordinatenursprung. Erhöhen wir nun die Stärke des äußeren Feldes H (indem wir die Stromstärke des Spulenstromes erhöhen), so ändert sich B zunächst sehr wenig (dies wird in der Abb. 1 nicht deutlich), steigt dann aber sehr schnell an und erreicht ab einer

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Physikalische und mathematische Grundlagen der magnetischen Hysterese

Magnetische Hysterese ist ein Phänomen, das bei ferromagnetischen Materialien auftritt, die sichin einem veränderlichen Magnetfeld befinden. Aus Sicht der Werkstofftechnik undWerkstoffprüfung interessiert uns die Hysterese von Ferromagneten z.B. bei der Herstellung von

Dauermagneten oder bei der Magnetpulver- bzw. Wirbelstromprüfung. Zu den ferromagnetischenWerkstoffen gehören u.a. Kobalt und seine Legierungen, Nickel und seine Legierungen sowieEisen und seine Legierungen (z.B. Stähle).

Im ersten Teil dieses Blogbeitrages werden wir die magnetische Hysterese ausschließlich auf derGrundlage physikalischer Überlegungen diskutieren. Im zweiten Teil des Blogbeitrages werden wirvor allem die Mathematik zur Hilfe nehmen, um die Hysterese und die Hysteresekurven nochbesser zu verstehen.

Für die physikalische und noch mehr für die mathematische Erklärung der Hysterese ist es

hilfreich, zunächst einmal zu fragen, was denn das Wort Hysterese bedeutet. Hysterese kommtvom griechischen Wort hysteros  und bedeutet „Verzögerung“ oder „Verzug“. Für das Verständnisder Hysterese ist es sehr hilfreich, diese einfache Übersetzung im Hinterkopf zu behalten …

Beschreibung der magnetischen Hysterese

Ein unmagnetischer Ferromagnet ist ein Material, das das Potential hat, ein Dauermagnet zuwerden, aber noch keiner ist. Diesen Ferromagneten platzieren wir in einem Magnetfeld – z.B.indem wir ihn in eine stromdurchflossene Spule legen. Das äußere Magnetfeld H erzeugt im

Werkstoff ein zweites magnetisches Feld, die magnetische Flussdichte B. H ist gewissermaßen dieäußere „Kommandogröße“ und B die Reaktion des Werkstoffs auf dieses Kommando. Diemagnetische Hysterese beschreibt den Zusammenhang zwischen den beiden Größenmagnetische Feldstärke und magnetische Flussdichte.

Abb. 1: Neukurve und Hysteresekurve

Wollen wir eine Hysteresekurve experimentell ermitteln, so platzieren wir einen unmagnetischenFerromagneten in einer Spule, die zunächst stromlos ist. Das bedeutet, H und B sind Null, und wirbefinden uns in Abb. 1 im Koordinatenursprung. Erhöhen wir nun die Stärke des äußeren Feldes H(indem wir die Stromstärke des Spulenstromes erhöhen), so ändert sich B zunächst sehr wenig

(dies wird in der Abb. 1 nicht deutlich), steigt dann aber sehr schnell an und erreicht ab einer

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gewissen Feldstärke +HS eine Sättigung. Das bedeutet, B ändert sich nun kaum noch, auch wennH weiter erhöht wird. Diesen Kurvenverlauf nennen wir Neukurve (graue Punkte, grauer Pfeil).DieNeukurve tritt nur bei zunächst unmagnetischen Ferromagneten auf.

Reduzieren wir H wieder, so laufen wir nicht etwa auf der Neukurve zurück, sondern folgen der

eigentlichen Hysteresekurve (schwarze Punkte, schwarze Pfeile), und wir messen für H = 0 einevon Null verschiedene Flussdichte +BR, das ist die Remanenz. Remanenz kommt vom lateinischenremanere  und bedeutet „das, was übrig bleibt“. BR ist also die Flussdichte, die im Ferromagnetenübrig bleibt, wenn das äußere Magnetfeld H ausgeschaltet ist. Jeder Dauermagnet „lebt“ vonseiner Remanenz. Einen Ferromagneten zu magnetisieren und ihn zum Dauermagneten zumachen bedeutet, ihm seine Remanenz BR zu „verleihen“.

Jetzt ändern wir die Richtung des äußeren Feldes H (z.B. indem wir den Stromfluss in der Spuleumkehren), erhöhen H wieder und beobachten B. Bei einer bestimmten Feldstärke -HC, derKoerzitivfeldstärke, messen wir B = 0. Das lateinische Wort coercere  bedeutet „in die Schranken

verweisen“. HC ist also die Feldstärke, die nötig ist, um B in seine „Schranken zu verweisen“ (B = 0zu erzwingen). Erhöhen wir H weiter, so erreichen wir einen weiteren Sättigungspunkt (-HS). DurchUmkehrung der Richtung von H und Änderung der Größe von H kann man nun auf derHysteresekurve zwischen den Punkten +HS, +BR,-HC, -HS,-BR,+HC,+HS umlaufen (schwarze Pfeile).

Abb. 2: Hysteresekurven eines Weichmagneten (links) und eines Hartmagneten (rechts)

Ferromagnetische Werkstoffe liefern unterschiedliche Hysteresekurven (Abb. 2). DieHysteresekurven von Weichmagneten sind schmal und durch vergleichsweise kleine Remanenzensowie Koerzitivfeldstärken gekennzeichnet. Die Hysteresekurven von Hartmagneten sind breit unddurch vergleichsweise große Remanenzen sowie Koerzitivfeldstärken gekennzeichnet.

Bei der Analyse der magnetischen Hysterese stellen sich einige Fragen, die nachfolgendbeantwortet werden sollen: Warum wird zunächst die Neukurve durchlaufen und später nur noch die Hysteresekurve? Wie ist das Sättigungsverhalten zu erklären? Wieso umschließt die Hysteresekurve eine Fläche und welche physikalische Bedeutung hat

diese Fläche? Warum haben Ferromagnete einmal schmale Hysteresekurven (kleine umschlossene Flächen)

und ein anderes Mal breite Hysteresekurven (große umschlossene Flächen)?

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Physikalische Grundlagen der Hysterese

Ferromagnetische Werkstoffe zeichnen sich durch ein kollektives Verhalten der Atome aus – diemagnetischen Momente vieler tausender Atome sind in dieselbe Richtung orientiert und bilden soeinen winzigen Dauermagneten. Diese Bereiche gleicher Orientierung der magnetischen Momente

nennen wir Weißsche Bezirke. Die Weißschen Bezirke eines unmagnetischen Ferromagneten sindin alle beliebigen Richtungen orientiert und heben sich dadurch in ihrer magnetischen Wirkung auf.Der Werkstoff ist folglich zwar ferromagnetisch, aber kein Dauermagnet. Die magnetischeFlussdichte B beschreibt etwas vereinfacht gesprochen das Verhalten der Weißschen Bezirkeunter dem Einfluss eines äußeren Magnetfeldes H.

In Abb. 3 ist schematisch ein Werkstoff mit vier Weißschen Bezirken dargestellt. Die sechsTeilbilder der Abb. 3 werden nachfolgend erläutert:1. Anfangs sind die magnetischen Momente in alle Richtungen orientiert und heben sich dadurch

in ihrer magnetischen Wirkung gegenseitig auf – der Ferromagnet ist nach außen

unmagnetisch.2. Nun wird ein äußeres Magnetfeld H angelegt und die magnetischen Momente beginnen sichnach dem äußeren Feld auszurichten - ebenso, wie es ein Kompass tun würde.

3. Je stärker das äußere Magnetfeld H wird, desto mehr werden die magnetischen Momente inseine Richtung gezwungen. Das kennzeichnet den Verlauf der Neukurve.

4. Schließlich sind alle magnetischen Momente mehr oder weniger perfekt in Richtung des FeldesH ausgerichtet. Eine weitere Verstärkung des Feldes H ändert nichts mehr an dieserAusrichtung – das kennzeichnet die Sättigung.

5. Drehen wir das Feld um, so folgen auch die Weißschen Bezirke. Es wird klar, dass eineeinfache Umkehrung des Feldes H niemals dazu führen kann, dass wir wieder einen Zustand

wie in Abb. 3, Teilbild 1erhalten (vier unterschiedliche Richtungen der magnetischen Momentein einem äußeren Feld mit einer festen Orientierung, das geht nicht). Es ist also schlichtwegnicht möglich, dass bei Feldumkehr auf der Neukurve zurückgelaufen wird.

6. Ist das Feld nur stark genug, so erreichen wir Sättigung mit umgekehrter Feldorientierung.

Abb. 3: Ausrichtung der Weißschen Bezirke in einem äußeren Magnetfeld H

Allerdings folgen die Weißschen Bezirke und damit auch die magnetische Flussdichte B demäußeren Feld H nicht sofort, sondern mit einer zeitlichen Verzögerung. Das liegt daran, dass sichdie magnetischen Momente im Werkstoff nur dann drehen (und zum Teil auch verschieben)können, wenn es ihnen gelingt, innere Widerstände (z.B. Kristallbaufehler) zu überwinden. Umdiese inneren Widerstände zu überwinden, müssen sie zunächst Energie „sammeln“ – das brauchtZeit und erklärt die zeitliche Verzögerung (Hysterese) zwischen H und B. Je mehr und je größereinnere Widerstände vorhanden sind, desto mehr Energie muss gesammelt werden und desto

größer ist die zeitliche Verzögerung zwischen H und B.

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Findet sich die Energiemenge, die für das Drehen der Weißschen Bezirke notwendig ist, in unsererHysteresekurve wieder? Ja, das ist nichts anderes als die Fläche, die durch die Hysteresekurveumschlossen wird. Die breiten Hysteresekurven von Hartmagneten mit einer relativ großenumschlossenen Fläche können wir also wie folgt erklären: Warum heißt ein Hartmagnet „Hartmagnet“? Weil er hart ist. Welche Stähle sind hart? Z.B. solche mit einem hohen Kohlenstoffgehalt. Was macht der Kohlenstoff (ob als einzelnes Atom oder in Form von Karbiden) noch, außer

den Werkstoff hart machen? Er behindert die magnetischen Momente am Umorientieren.

Hartmagnete haben also deshalb eine breite Hysteresekurve, weil dieselben Prozesse, die denWerkstoff hart machen, die Drehung der magnetischen Momente behindern. Das macht eserforderlich, zunächst Energie für den Drehprozess zu sammeln, was seine Zeit braucht(Verzögerung). Die Fläche, die die Hysteresekurve umschließt, ist ein Maß für die Energie, die fürdiese Umorientierung benötigt wird. Weichmagnete (z.B. Stähle mit wenig Kohlenstoff) setzen der

Umorientierung einen geringen Widerstand entgegen, folglich haben sie eine schmaleHysteresekurve.

Die Breite der Hysteresekurve und die Größe der Verzögerung zwischen Feldstärke H undFlussdichte B haben also etwas damit zu tun, wie viel Energie zur Verfügung gestellt werdenmuss, um die inneren Widerstände zu überwinden. Ist genügend Energie vorhanden, dannerfolgen die Drehungen der Weißschen Bezirke und damit die Änderung der magnetischenFlussdichte B sehr schnell. Diese schnelle Änderung ist auch der Grund für die etwas „viereckige“Form der Hysteresekurve – das wird im zweiten Teil dieses Blogbeitrages genauer betrachtet.

Der ganze Prozess des Drehens der magnetischen Momente der Weißschen Bezirke istvergleichbar mit dem Verhalten eines Gewichtes, das man auf einen Teppich legt, ein Gummiseildaran befestigt und dann am Seil zieht. Zunächst passiert … nichts - selbst wenn das Gummiseilbereits gespannt ist. Im Gummiseil muss zunächst genug Energie gespeichert werden, um dieHaftreibung zwischen Teppich und Gewicht zu überwinden. Das Gewicht folgt also dem„Kommando“ des Gummiseiles mit zeitlicher Verzögerung. Je rauer der Teppich, desto mehrEnergie muss gesammelt werden, und desto größer ist folglich die zeitliche Verzögerung. Istgenügend Energie gesammelt, beginnt das Gewicht sich zu bewegen – aber nicht langsam undallmählich, sondern schnell.

Werkstoffe mit schmalen Hysteresekurven – also Weichmagnete – finden dort technischeAnwendung, wo beim Ummagnetisieren möglichst wenig Energie durch das Drehen (bzw.Verschieben) der Weißschen Bezirke verloren gehen soll. Ein Beispiel ist der Kern einesTransformators, der Primär- und Sekundärspule miteinander „verbindet“.

Werkstoffe mit breiten Hysteresekurven – also Hartmagnete – finden dort technische Anwendung,wo der Werkstoff sich möglichst schwer ummagnetisieren lassen soll. Ein Beispiel ist derDauermagnet – der soll seiner Ummagnetisierung/Entmagnetisierung einen großen Widerstandentgegen setzen (er soll ja ein Dauermagnet bleiben).

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Magnetische Hysterese – etwas Mathematik

Wir haben bisher die magnetische Hysterese ferromagnetischer Werkstoffe als das Ergebnis desZusammenspiels eines äußeren Magnetfeldes H und der magnetischen Flussdichte B, die dieVorgänge im Inneren des Ferromagneten beschreibt, kennengelernt. Wir gesehen, dass der

Begriff Hysterese (griechisch hysteros : Verzögerung, Verzug) darauf zurückzuführen ist, dass dieFlussdichte B der äußeren Feldstärke H zeitlich verzögert folgt. Das passiert, weil die WeißschenBezirke im Ferromagneten, deren Änderung die Flussdichte beschreibt, dem äußeren Magnetfeldnur dann folgen können, wenn ihnen genügend Energie zur Verfügung steht, um innereWiderstände zu überwinden.

Nachdem wir die Hysteresekurve im ersten Teil physikalisch erklärt haben, wollen wir nunaußerdem noch die Mathematik zu Hilfe nehmen, um die Eigenschaften von Hysteresekurvengenauer zu analysieren. Alle Bilder in diesem Blogbeitrag wurden übrigens mit Hilfe einer Excel-Tabelle erstellt. Wir starten mit Abb. 1, die uns die Neukurve und die Hysteresekurve eines

Ferromagneten zeigt. Ein gutes mathematisches Modell sollte uns folgendes liefern und erklären: Form und Verlauf der Neukurve Form und Verlauf der Hysteresekurve Hysteresekurven unterschiedlicher Breite für Weich- und Hartmagnete

Für die Erzeugung einer Hysteresekurve benötigen wir ein magnetisches Feld H, das seine Größeund Richtung ändert. Das können wir durch eine wechselstromdurchflossene Spule erzeugen –das Feld H hat dann einen sinusförmigen Verlauf. Wir nehmen zunächst einmal an, dass dieFlussdichte B den „Kommandos“ der Feldstärke H umgehend (also ohne Verzug) folgt und dahereinen sehr ähnlichen Verlauf hat. Mathematisch bedeutet das:

H = Ho  sin(t) und B = Bo  sin(t)

Abb. 4: sinusförmiger Verlauf von H und B ohne Phasenunterschied (ohne zeitliche Verzögerung)

In Abb. 4 ist links der Zeitverlauf von H und B dargestellt. Da für H und B der Einfachheit halbereine identische Skalierung angewendet wurde, liegen beide Sinuskurven aufeinander. Rechts istdie Flussdichte B über der Feldstärke H aufgetragen und wir finden einen linearenZusammenhang: Erhöht sich H, erhöht sich auch B. Ist H maximal, ist es auch B. Nimmt H ab,nimmt auch B ab, … Wir „laufen“ also einfach auf einer geneigten Linie hoch und runter (schwarzerPfeil). Das hat nichts mit Hysterese zu tun.

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Jetzt bauen wir die zeitliche Verzögerung zwischen magnetischer Flussdichte B dem Magnetfeld Hin unsere Formeln ein, indem wir in die Sinusfunktion für das B-Feld eine Phasenverschiebung(Zeitverschiebung) einfügen:

H = Ho  sin(t) und B = Bo  sin(t + )

Die Phasenverschiebung ist die „Zusatzzeit“, die die Flussdichte B wegen der Hysteresebenötigt. Die Abb. 5 und 6 zeigen den Zusammenhang von H und B für Phasenverschiebungenvon 1/20 Periode bzw. 1/10 Periode. Bezogen auf eine 50Hz-Wechselgröße (Periodendauer 20ms) bedeuten diese Werte eine zeitliche Verzögerung der „Reaktion“ der Flussdichte B gegenüberden „Kommandos“ der Feldstärke H von 1 ms bzw. 2 ms.

Abb. 5: sinusförmiger Verlauf von H und B mit einer Phasenverschiebung von 1/20 Periode

Abb. 5 und 6 liefern uns jetzt in der Tat Hysteresekurven- also Kurven, die eine Flächeumschließen. Allerdings sehen diese ellipsenförmig aus und nicht „viereckig“ – das „ändern“ wir

weiter unten noch ... Vergleichen wir Abb. 5 und 6 mit Abb. 1, so erkennen wir zwei Sachverhaltewieder: Wir haben in allen drei Fällen Hysteresekurven, auch wenn sich die Kurvenformen

unterscheiden. Die Entstehung der magnetischen Hysterese hat in der Tat damit zu tun, dassdie magnetische Flussdichte B dem äußeren Magnetfeld H zeitlich verzögert folgt(Phasenverschiebung ).

Je größer die zeitliche Verzögerung zwischen B und H, desto breiter werden offensichtlich dieHysteresekurven. Weich- bzw. hartmagnetisches Verhalten lässt sich also berechnen.

Abb. 6: sinusförmiger Verlauf von H und B mit einer Phasenverschiebung von 1/10 Periode

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Magnetische Hysterese – etwas mehr Mathematik

Wollen wir die Neukurve und das Sättigungsverhalten erklären, so müssen wir uns von demGedanken trennen, dass die magnetische Flussdichte B ebenso wie die Feldstärke H einensinusförmigen Verlauf hat. Wir nehmen für B einen eher „kastenförmigen“ Verlauf an (Abb. 7) –

diese Annahme wird einige Absätze weiter unten begründet. Mathematisch machen wir das, indemwir 5 Sinus-Funktionen verschiedener Ordnung (t, 3t, 5t, …) und unterschiedlicher Amplituden (B1,B3, B5, …) kombinieren. Auf eine Phasenverschiebung können wir zunächst verzichten:

Man kann je nach Art und Anzahl der Sinusfunktionen beliebige Formen „erzeugen“:kastenförmige, dreieckige, kreisförmige, ... Warum wurden hier gerade fünf Sinusfunktionenverwendet? Weil die Fünf ausreichend waren, um den dargestellten (und recht gut gelungenen)„Kasten“ zu erzeugen – vier hätten dafür nicht gereicht.

Betrachten wir die Darstellung von B über H (Abb. 7, rechts) – und dort speziell den oberenrechten Teil, dann finden wir in guter Näherung unsere Neukurve(Abb. 5: NK) inklusive desSättigungsverhaltens wieder.

Abb. 7: Verlauf von H (sinusförmig) und B („kastenförmig“) ohne Phasenunterschied  

Zur Erklärung von Neukurve und Sättigung haben wir keinen Zeitverzug zwischen H und Bbenötigt. Soll unser mathematisches Modell nun Hysteresekurven erzeugen, die den „wirklichen“Hysteresekurven nahekommen, so müssen wir die zeitliche Verzögerung zwischen H und B undden „kastenförmigen“ Verlauf von B miteinander kombinieren:

Die Phasenverschiebung beschreibt wieder die zeitliche Verzögerung zwischen Feldstärke H undFlussdichte B. Abb. 8 und 9 zeigen den Zusammenhang von H und B wieder fürPhasenverschiebungen von 1/20 bzw. 1/10 Periode.

An dieser Stelle wollen wir klären und begründen, warum die Flussdichte B einen derart„kastenförmigen“ Verlauf hat. Weil sich die Weißschen Bezirke und damit auch die Flussdichte Bzunächst nicht ändern, solange nicht genügend Energie für die Drehung der Weißschen Bezirke

vorhanden ist. Das entspricht dem horizontalen Verlauf von B in den Abb. 8 und 9. Wenn

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genügend Energie zur Verfügung steht, dann geschieht die Änderung sehr schnell. Das entsprichtdem nahezu vertikalen Verlauf von B in den Abb. 8 und 9. Zusammen ergibt das den„kastenförmigen“ Verlauf.

Abb. 8: Verlauf von H (sinusförmig) und B („kastenförmig“) mit einem Phasenunterschied von 1/20 Periode

Je größer die inneren Widerstände im Werkstoff, desto mehr Energie wird für die Drehung derWeißschen Bezirke benötigt. Um diese Energie zu sammeln, braucht es „Extrazeit“, die wir mit derPhasenverschiebung beschreiben. Eine große Phasenverschiebung produziert eine breiteHysteresekurve und beschreibt damit mathematisch die großen Energien, die für die Drehungbenötigt werden.

Wir haben nun „nahezu perfekte“ Hysteresekurven konstruiert. Unsere Zutaten waren: sinusförmiger zeitlicher Verlauf der magnetischen Feldstärke H „kastenförmiger“ Verlauf der magnetischen Flussdichte B Phasenverschiebung zwischen H und B

Magnetische Hysterese – Oberwellenanalyse

Für die Konstruktion der Hysteresekurven in den Abb. 8 und 9 haben wir Sinusfunktionenverschiedener Ordnung miteinander kombiniert. Ist dies nur eine mathematische Spielerei oder hatdas auch werkstofftechnischen „Nährwert“? Dazu betrachten wir die Hysteresekurve in Abb. 10.Die ist durch dieselbe Kombination von Sinusfunktionen entstanden wie die in Abb. 9, aber miteiner Ausnahme: Die Amplitude B9 der letzten Sinusfunktion wurde ein klein wenig verändert – unddie Auswirkungen sind in Abb. 10 deutlich sichtbar.

Wie nutzen Werkstoffwissenschaftler so etwas? Nun, sie messen die Hysteresekurve eines „Gut-Werkstoffes“, zerlegen diese (oder genauer die Flussdichte B, die sich in der Hysteresekurveverbirgt) in ihre einzelnen Sinusfunktionen und ordnen bestimmten Werkstoffeigenschaftenbestimmte Sinusfunktionen zu. Werden nun andere Proben dieses Werkstoffes untersucht undfinden sich Veränderung in den Hysteresekurven (z.B. eine Änderung der Amplitude B 9), dannkann man diese Änderung einer ganz bestimmten Sinusfunktion zuordnen und so Rückschlüsseauf die konkrete Werkstoffeigenschaft ziehen, die sich hinter dieser Sinusfunktion „verbirgt“.

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Abb. 9: Verlauf von H (sinusförmig) und B („kastenförmig“) mit einem Phasenunterschied von 1/10 Periode

Das ganze Verfahren nennt man Oberwellenanalyse. Warum Oberwellenanalyse? Dazubetrachten wir noch einmal die Formel:

Die erste Sinusfunktion (sin(t)) nennt man Grundschwingung (oder auch Grundwelle) und alleanderen Sinusfunktionen (sin(3t), sin(5t), …) werden Oberwellen genannt. Diese werden derOberwellenanalyse unterzogen. Mittels Oberwellenanalyse von Hysteresekurven lassen sich alsodie Materialeigenschaften ferromagnetische Werkstoffe prüfen.

Die Oberwellenanalyse ist übrigens etwas, was jeder Mensch praktisch jeden Tag durchführt. Wirhören sofort, ob ein Ton harmonisch klingt oder eher dissonant (also unharmonisch). Dissonanzenwerden u.a. durch „fehlerhafte“ Oberwellen verursacht. Unser Gehirn analysiert dazu dieOberwellen akustischer Töne. Was fehlerfrei ist, das „klingt gut“. Was fehlerhaft ist, nehmen wir als

unangenehmen Klang wahr.

Abb. 10: Verlauf von H und B mit Phasenunterschied von 1/10 Periode und „Störung“ von B

Author: Dr. Ingo Poschmann | W.S. Werkstoff Service GmbH in Essen [NRW] | http://www.werkstoff-service.deStichworte: hysterese, ferromagnetischen, Materialien, werkstoffkunde, werkstofftechnik, oberwelle, phasenverschiebung,magnetischen, physikalische, oberwellen, magnetfeld,Dieser Artikel kann auch auf dem www.werkstoff-blog.de kommentiert & diskutiert werden. Jedes Feedback ist dort willkommen.Zitieren nur nach Rücksprache mit dem Autor und schriftlicher Erlaubnis.