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61 Überblick Physikalische Blätter 57 (2001) Nr. 5 0031-9279/01/0505-61 $17.50+50/0 © WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69451 Weinheim, 2001 Dauermagnete sind aus unserem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken. Die modernen Neodym-Eisen-Bor-Magnete (Nd-Fe-B) besitzen ein Remanenzfeld von ca. 1,5 T. Seit kurzem lassen sich viel stärkere Dauermagnete aus su- praleitendem Massivmaterial herstellen. Dabei handelt es sich um den bekannten Hochtempe- ratur-Supraleiter Yttrium-Barium-Kupfer-Oxid (YBa 2 Cu 3 O 7–x , kurz YBCO), dessen Übergangs- temperatur zur Supraleitung bei 91 K liegt. Mit solchem YBCO-Massivmaterial wurden Rema- nenzfelder von 14,35 T bei 22 K erreicht. Damit sind die supraleitenden Dauermagnete bei tie- fen Temperaturen den üblichen ferrromagneti- schen weit überlegen. Für viele Anwendungen sind YBCO-Magnete geradezu prädestiniert: zum Beispiel für berührungsfreie, selbststabili- sierende Magnetlager, supraleitende Motoren oder auch für lineare Transportsysteme. S upraleiter zeichnen sich nicht nur durch einen verlustfreien Stromtransport unterhalb der Über- gangstemperatur T c aus. Sie verhalten sich darüber hinaus auch wie ideale Diamagnete, wenn die angeleg- ten Magnetfelder nicht zu hoch sind. Das Innere des Supraleiters bleibt dabei bis auf eine dünne Ober- flächenschicht feldfrei (Meissner-Ochsenfeld-Effekt). Während ein Typ-I-Supraleiter bei einem kritischen Feld H c in den Normalzustand übergeht, dringt in ei- nen Typ-II-Supraleiter oberhalb des unteren kritischen Feldes H c1 zunehmend magnetischer Fluss ein und zwar in Form von sog. Flussschläuchen (siehe Infokas- ten „Kritische Ströme in Typ-II-Supraleitern“). Durch die Verankerung der Flussschläuche an Defekten baut sich ein Feldgradient im Supraleiter auf, der dem äuße- ren Feld entgegenwirkt, solange dieses erhöht wird. Umgekehrt bleiben bei einer Feldreduzierung die Fluss- schläuche an den Defekten verankert, sodass der Su- praleiter auch nach dem Abschalten des äußeren Fel- des ein remanentes Feld enthält. Das heißt, die ent- sprechende Magnetisierungskurve in Abbildung 1 weist nach dem Durchfahren einer Feldschleife und nach dem Abschalten des äußeren Feldes eine remanente Magnetisierung auf – ein supraleitender Dauermagnet ist entstanden. Das im Supraleiter „eingefrorene“ Feld hat sein Maximum im Probenzentrum und fällt nach außen hin bis auf null ab. Abbildung 2 zeigt ein solches Feldprofil am Beispiel einer zylindrischen YBCO-Probe bei 77 K. Der Maximalwert B 0 des eingefrorenen Feldes ist proportio- nal zum Feldgradienten, der durch die kritische Stromdichte j c der su- praleitenden Dauerströme im Su- praleiter bestimmt wird. Somit benötigt man für supraleitende Dauermagnete genauso wie für an- dere Anwendungen – z. B. supralei- tende Drähte – hohe kritische Stromdichten und damit eine opti- mierte Defektstruktur zur Veranke- rung der Flussschläuche. Darüber hinaus wird das maximale eingefrore- ne Feld B 0 auch durch die Größe der Stromschleifen bestimmt, in der die supraleitenden Dauerströme ungehin- dert fließen können. Die Eigenschaf- ten supraleitender Dauermagnete wer- den demnach vor allem durch zwei Größen bestimmt: erstens durch die kritische Stromdichte und zweitens durch die verfügbare geometrische Größe des Supraleitermaterials. Klassische Supraleiter als Dauermagnete? Erste Erfahrungen mit supralei- tenden Dauermagneten hat man schon vor Jahrzehnten gesammelt – nämlich mit klassischen Supraleitern. Da- bei ließen sich in Nb 3 Sn-Hohlzylindern bei der Tempe- ratur von flüssigem Helium Felder von maximal 2,2 T realisieren [1]. Dass diese Versuche nicht allzu erfolg- reich waren, lag nicht etwa an der zu geringen kriti- schen Stromdichte der verfügbaren Supraleiter, son- dern daran, dass massive Supraleiter bei tiefen Tempe- raturen wegen ihrer relativ geringen spezifischen Wärme zu thermomagnetischen Instabilitäten neigen. Diese äußern sich als Flusssprünge, wobei die gespei- cherte magnetische Energie schlagartig in thermische Energie umgesetzt wird. Derartige thermomagnetische Instabilitäten lassen sich vermeiden, wenn man die ra- diale Abmessung des Supraleiters reduziert. Logische Konsequenz war die Entwicklung von Multifilament- leitern als Grundlage für die heutigen supraleitenden Magnetspulen. Dauermagnete aus Hochtemperatur-Supraleitern Anwendungen für Lager, Motoren oder Transportsysteme sind in Sicht Günter Fuchs und Gernot Krabbes Dr. Günter Fuchs, Prof. Dr. Gernot Krabbes, Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden (IFW), Helmholtzstraße 20, 01069 Dresden Der Hochtemperatur-Supraleiter YBCO eignet sich hervorragend als Pol in su- praleitenden Motoren. Für diesen 12-kW- Versuchsmotor verwendet man z. B. eine 5 cm lange YBCO-Platte, die aus drei gleich orientierten Proben gewachsen ist [8]. Magnetismus

Magnetismus: Dauermagnete aus Hochtemperatur-Supraleitern: Anwendungen für Lager, Motoren oder Transportsysteme sind in Sicht

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Überblick

Physikalische Blätter57 (2001) Nr. 50031-9279/01/0505-61$17.50+50/0© WILEY-VCH Verlag GmbH,D-69451 Weinheim, 2001

Dauermagnete sind aus unserem täglichenLeben nicht mehr wegzudenken. Die modernenNeodym-Eisen-Bor-Magnete (Nd-Fe-B) besitzenein Remanenzfeld von ca. 1,5 T. Seit kurzemlassen sich viel stärkere Dauermagnete aus su-praleitendem Massivmaterial herstellen. Dabeihandelt es sich um den bekannten Hochtempe-ratur-Supraleiter Yttrium-Barium-Kupfer-Oxid(YBa2Cu3O7–x, kurz YBCO), dessen Übergangs-temperatur zur Supraleitung bei 91 K liegt. Mitsolchem YBCO-Massivmaterial wurden Rema-nenzfelder von 14,35 T bei 22 K erreicht. Damitsind die supraleitenden Dauermagnete bei tie-fen Temperaturen den üblichen ferrromagneti-schen weit überlegen. Für viele Anwendungensind YBCO-Magnete geradezu prädestiniert:zum Beispiel für berührungsfreie, selbststabili-sierende Magnetlager, supraleitende Motorenoder auch für lineare Transportsysteme.

Supraleiter zeichnen sich nicht nur durch einen verlustfreien Stromtransport unterhalb der Über-gangstemperatur Tc aus. Sie verhalten sich darüber

hinaus auch wie ideale Diamagnete, wenn die angeleg-ten Magnetfelder nicht zu hoch sind. Das Innere desSupraleiters bleibt dabei bis auf eine dünne Ober-flächenschicht feldfrei (Meissner-Ochsenfeld-Effekt).Während ein Typ-I-Supraleiter bei einem kritischenFeld Hc in den Normalzustand übergeht, dringt in ei-nen Typ-II-Supraleiter oberhalb des unteren kritischenFeldes Hc1 zunehmend magnetischer Fluss ein undzwar in Form von sog. Flussschläuchen (siehe Infokas-ten „Kritische Ströme in Typ-II-Supraleitern“). Durchdie Verankerung der Flussschläuche an Defekten bautsich ein Feldgradient im Supraleiter auf, der dem äuße-ren Feld entgegenwirkt, solange dieses erhöht wird.Umgekehrt bleiben bei einer Feldreduzierung die Fluss-schläuche an den Defekten verankert, sodass der Su-praleiter auch nach dem Abschalten des äußeren Fel-des ein remanentes Feld enthält. Das heißt, die ent-sprechende Magnetisierungskurve in Abbildung 1 weistnach dem Durchfahren einer Feldschleife und nachdem Abschalten des äußeren Feldes eine remanenteMagnetisierung auf – ein supraleitender Dauermagnetist entstanden. Das im Supraleiter „eingefrorene“ Feldhat sein Maximum im Probenzentrum und fällt nachaußen hin bis auf null ab. Abbildung 2 zeigt ein solchesFeldprofil am Beispiel einer zylindrischen YBCO-Probe

bei 77 K. Der Maximalwert B0 deseingefrorenen Feldes ist proportio-nal zum Feldgradienten, der durchdie kritische Stromdichte jc der su-praleitenden Dauerströme im Su-praleiter bestimmt wird. Somitbenötigt man für supraleitendeDauermagnete genauso wie für an-dere Anwendungen – z. B. supralei-tende Drähte – hohe kritischeStromdichten und damit eine opti-mierte Defektstruktur zur Veranke-rung der Flussschläuche. Darüberhinaus wird das maximale eingefrore-ne Feld B0 auch durch die Größe derStromschleifen bestimmt, in der diesupraleitenden Dauerströme ungehin-dert fließen können. Die Eigenschaf-ten supraleitender Dauermagnete wer-den demnach vor allem durch zweiGrößen bestimmt: erstens durch diekritische Stromdichte und zweitensdurch die verfügbare geometrischeGröße des Supraleitermaterials.

Klassische Supraleiter alsDauermagnete?Erste Erfahrungen mit supralei-

tenden Dauermagneten hat man schon vor Jahrzehntengesammelt – nämlich mit klassischen Supraleitern. Da-bei ließen sich in Nb3Sn-Hohlzylindern bei der Tempe-ratur von flüssigem Helium Felder von maximal 2,2 Trealisieren [1]. Dass diese Versuche nicht allzu erfolg-reich waren, lag nicht etwa an der zu geringen kriti-schen Stromdichte der verfügbaren Supraleiter, son-dern daran, dass massive Supraleiter bei tiefen Tempe-raturen wegen ihrer relativ geringen spezifischenWärme zu thermomagnetischen Instabilitäten neigen.Diese äußern sich als Flusssprünge, wobei die gespei-cherte magnetische Energie schlagartig in thermischeEnergie umgesetzt wird. Derartige thermomagnetischeInstabilitäten lassen sich vermeiden, wenn man die ra-diale Abmessung des Supraleiters reduziert. LogischeKonsequenz war die Entwicklung von Multifilament-leitern als Grundlage für die heutigen supraleitendenMagnetspulen.

Dauermagnete aus Hochtemperatur-Supraleitern

Anwendungen für Lager, Motoren oder Transportsysteme sind in Sicht

Günter Fuchs und Gernot Krabbes

Dr. Günter Fuchs,Prof. Dr. GernotKrabbes, Institut fürFestkörper- undWerkstoffforschungDresden (IFW),Helmholtzstraße 20,01069 Dresden

Der Hochtemperatur-Supraleiter YBCOeignet sich hervorragend als Pol in su-praleitenden Motoren. Für diesen 12-kW-Versuchsmotor verwendet man z. B. eine5 cm lange YBCO-Platte, die aus dreigleich orientierten Proben gewachsen ist[8].

Magnetismus

Physikalische Blätter57 (2001) Nr. 562

Überblick

Das Besondere an Hochtemperatur-SupraleiternBei massiven Hochtemperatur-Supraleitern (HTSL)

gibt es kein Problem mit thermomagnetischen Instabi-litäten, denn diese Materialien besitzen im Temperatur-bereich des flüssigen Stickstoffs eine relativ hohe spezi-fische Wärme. Stattdessen weisen HTSL andere Beson-derheiten auf, die es erschweren, Massivmaterial mithohen kritischen Stromdichten herzustellen. So ist dieräumliche Ausdehnung der Cooper-Paare – die sog.Kohärenzlänge x, die gleichzeitig dem Radius der nor-malleitenden Flussschlauchkerne entspricht – in YBCOextrem klein. Sie beträgt nur ca. 2 nm. Dieser kleineWert macht die gezielte Erzeugung und den Nachweisvon geeigneten Defekten zum Problem. Deren Größesollte an die Kohärenzlänge angepasst werden, um eineeffektive Verankerung der Flussschläuche zu erreichen.

Die kleine Kohärenzlänge ist also der Grund, warumKorngrenzen in HTSL zu Barrieren für den Strom-transport werden. In klassischen Supraleitern mit grö-ßeren Kohärenzlängen dagegen tragen Korngrenzen invielen Fällen sehr wirksam zur Verankerung der Fluss-schläuche bei, ohne den Stromtransport zu behindern.Verlustfreier Stromtransport in HTSL ist an die Ebenenaus Kupfer- und Sauerstoffatomen innerhalb der supra-leitenden Körner gebunden; sie dienen als perfekteLeitungswege für Elektronen, während der schichtför-mige Aufbau der HTSL keinen nennenswerten Strom-transport senkrecht zu den Kupfer-Sauerstoff-Ebenenzulässt. Um dennoch große Stromschleifen in den Kup-fer-Sauerstoff-Ebenen realisieren zu können, die fürsupraleitende Dauermagnete mit hohen Remanenzfel-dern unabdingbar sind, benötigt man demzufolge einquasi-einkristallines Massivmaterial, das durch Textu-rierung mittels spezieller Verfahren hergestellt werdenkann.

Die SchmelztexturierungFür den Herstellungsprozess werden üblicherweise

Ausgangspulver von YBa2Cu3O7 (Y-123) undY2BaCuO5 (Y-211) vermischt, zu zylinder- oder platten-förmigen Körpern gepresst und tiegelfrei bis über dieTemperatur Tm erhitzt, bei der sich entsprechend derReaktion

YBa2Cu3O7 ↔ Y2BaCuO5 + Schmelze + O2

partiell eine Schmelze sowie weiteres Y-211 und Sauer-stoff bilden. In Umkehrung dieser Zersetzungsreaktionbildet sich bei der anschließenden Abkühlung dieSupraleiterphase YBa2Cu3O7–x zurück. Für das Wachs-tum großer und orientierter Körner ist ein Mechanis-mus der Primärkristallisation entscheidend: Der Kris-tall wächst an der Phasengrenze zwischen vorhande-nem Keim und leicht übersättigter Schmelze, währendsich Y-211-Körner in einer gewissen Entfernung davonin der an Y2O3 verarmten Schmelze auflösen. Y-211-Körner, die sich noch nicht aufgelöst haben, wenn dieKristallisationsfront sie erreicht, werden in das Gefügeeingebaut. Diese normalleitenden Ausscheidungenkönnen im Supraleitermaterial zur Verankerung derFlussschläuche beitragen bzw. als Ausgangspunkte fürdie Bildung weiterer Haftzentren wie Versetzungendienen. In dem von uns weiterentwickelten Verfahrender Schmelztexturierung wird dem Y-123 nicht wie

sonst üblich Y-211, sondern Y2O3

zugesetzt [2]. Diese Prozessführunghat zwei Vorteile: Erstens bildensich dadurch sehr kleine Y-211-Aus-scheidungen (< 1 mm). Und zwei-tens sind die Wachstumsbedingun-gen stabiler, da die obige Zerset-zungsreaktion nicht mehr an einefeste Temperatur Tm gebunden ist.Die kristallographische Orientie-rung des Supraleiters kann mandurch Aufsetzen eines kleinenSmBa2Cu3O7-Keimkristalls vorge-ben (Abb. 3). So lassen sich „ein-kristalline“ Zylinder mit bis zu10 cm Durchmesser oder Plattenaus mehreren, orientiert verwachse-nen Kristallen in hoher Qualitätherstellen.

Abb. 1: Die Magnetisierungskurve von YBCO-Massivmaterial weistnach dem Durchfahren einer Feldschleife im Bereich positiverFelder – von Null beginnend über das maximale angelegte Feldbis zurück zum Nullfeld – eine remanente Magnetisierung auf,sodass ein supraleitender Dauermagnet entsteht. Beginnt mannach der Abkühlung des Supraleiters das äußere Magnetfeld Hvon Null aus zu erhöhen, so dringt oberhalb der unteren kriti-schen Feldstärke H c1 zunehmend magnetischer Fluss in denTyp-II-Supraleiter ein, und zwar in Form von sog. Flussschläu-chen. Durch die Verankerung der Flussschläuche an Defektenbaut sich ein Feldgradient im Supraleiter auf, der zu einer Ab-schirmung des äußeren Feldes im Supraleiter führt (Inset un-ten, R ist der Radius der Probe). Umgekehrt bleiben nach Ab-senkung des äußeren Feldes die Flussschläuche an den Defektenverankert im Supraleiter zurück, sodass der Supraleiter auch oh-ne äußeres Feld ein remanentes Feld enthält (Inset oben).

Abb. 2: �� a) Dreidimensionale Darstellung desgemessenen remanenten Feldes einer zy-lindrischen YBCO-Probe bei 77 K. Das„eingefrorene“ Feld B0 ist im Zentrumder Probe maximal und fällt nach außenhin bis auf null ab.�� b) Magnetischer Fluss dringt in Formvon Flussschläuchen in den Supraleiterein. Sie sind an Defekten verankert (hiergrau dargestellt) und richten sich parallelzum angelegten Magnetfeld aus.

63Physikalische Blätter57 (2001) Nr. 50031-9279/01/0505-63$17.50+50/0© WILEY-VCH Verlag GmbH,D-69451 Weinheim, 2001

Überblick

Remanenzfelder bei 77 K und tieferen Temperaturen Die in massiven YBCO-Proben mit 26 mm Durch-

messer bei 77 K einfrierbaren Felder B0 liegen typi-scherweise bei 1 T. Noch höhere Remanenzfelder vonB0 = 2,1 T wurden für massive SmBa2Cu3O7–x-Probenerreicht [3]. Da die kritische Stromdichte mit sinken-der Temperatur anwächst, lässt sich das Remanenzfelddurch Absenken der Temperatur erhöhen. Dazu wirddie YBCO-Probe in einer supraleitenden Magnetspuleaufmagnetisiert und bei angelegtem Feld zunächst aufdie Messtemperatur abgekühlt. Anschließend senktman das äußere Feld auf null ab. Während dieser Pro-zedur entstehen im Supraleiter beträchtliche Zugspan-nungen durch die inhomogene Feldverteilung. Daskann zum Bruch des Materials führen. Durch Einbrin-gen von duktilen Silber-Teilchen in die spröde Keramikund die Verwendung von Stahlbandagen konnten wirfür Einzelproben Remanenzfelder von 11,5 T erreichen;zwischen zwei YBCO-Proben sogar 14,35 T [4]. Aller-dings musste dazu die Temperatur auf etwa 20 K abge-senkt werden (Abb. 4). Inzwischen erzielen wir ähnli-che Ergebnisse auch bei höheren Temperaturen. So ha-ben wir kürzlich bei 47 K zwischen zwei YBCO-Probenein Feld von 11,2 T eingefroren. Dieser Wert ist mög-lich, weil wir durch eine Zink-Dotierung zusätzlicheHaftzentren im Supraleiter erzeugen können und da-durch die kritische Stromdichte erhöhen [5].

Problem: Magnetostriktion und RissausbreitungWie schon erwähnt, wird das Remanenzfeld einer

YBCO-Probe bei tiefen Temperaturen durch die me-chanische Festigkeit des Materials begrenzt. Magne-tisch induzierte Zugspannungen entstehen im Supra-leiter durch eine magnetische Kraft auf die Fluss-schläuche, die proportional zu dem sich aufbauendenFeldgradienten ist. Und da die Flussschläuche an den

Haftzentren verankert sind, wird die magnetische Kraftauf das Kristallgitter übertragen. Die Wirkung dieserKraft lässt sich als Längenänderung beim Anlegen ei-nes äußeren Feldes nachweisen. Die durch die inhomo-gene Flussverteilung in Supraleitern verursachte Ma-gnetostriktion führt bei Felderhöhung zur Kompressiondes Materials und bei Feldabsenkung bzw. im äußerenNullfeld zu einer Zugspannung [6] – entsprechend demFeldprofil im Supraleiter (Abb. 1). Die Längenänderun-gen im Supraleiter bleiben aber nur reversibel, wenndie auftretenden Zugspannungen die Zugfestigkeit desMaterials nicht überschreiten. Die Zugfestigkeit massi-ver YBCO-Proben wird durch herstellungsbedingte Mi-krorisse auf relativ geringe Werte von etwa 25 MPa be-grenzt, sodass das Hauptproblem darin besteht, dieseMikrorisse möglichst klein zu halten und beim Aufma-gnetisieren des Supraleiters ihr Wachstum zu verhin-dern. Zum einen wird durch den schon erwähnten Sil-berzusatz die Entstehung der Mikrorisse unterdrücktund die Ausbreitung noch vorhandener Mikrorisse be-hindert. Zum anderen übt eine Stahlbandage bei Ab-kühlung von 300 K auf 77 K oder tiefere Temperatureneine Kompressionsspannung auf den Supraleiter aus,da Stahl einen größeren thermischen Ausdehnungsko-effizienten als YBCO in der a,b-Ebene hat. Diese kom-pressive Vorspannung sorgt dafür, dass die kritischeZugspannung, bei der das Wachstum der Mikrorisseeinsetzt, erst bei einem höheren eingefrorenen Feld er-reicht wird als ohne Stahlbandage.

Supraleitende MagnetlagerDie Verankerung von Flussschläuchen in Supralei-

tern lässt sich besonders eindrucksvoll mit dem be-kannten Schwebeversuch demonstrieren, bei dem einDauermagnet stabil über einem auf 77 K abgekühltenmassiven Supraleiter schwebt (Abb. 5). Dabei stabili-siert sich die vor der Abkühlung des Supraleiters einge-

Abb. 3: Die Eigenschaften supraleitender Dauer-magnete werden vor allem durch die kri-tische Stromdichte und die verfügbareGröße des Supraleiters bestimmt. DerHochtemperatur-Supraleiter YBCO lässtsich als massive zylindrische Probe mitbis zu 10 cm Durchmesser herstellen. Diehier gezeigte YBCO-Probe hat einenDurchmesser von 5 cm; ihre kristallogra-phische Orientierung wurde durch einenaufgesetzten Keimkristall vorgegeben.

Abb. 4:Das in massivenYBCO-Zylindern(hier mit 25 mmDurchmesser)„eingefrorene“Magnetfeld isttemperaturabhän-gig. Gemessenwurde das Magnet-feld über dem Pro-benzentrum einerEinzelprobe (roteKreise), bzw. zwi-schen zwei YBCO-Zylindern; einmalmit Silber dotiert(rote Punkte) undein anderes malmit Zink (blauePunkte).

Das unterschiedliche Verhal-ten von Supraleitern im Ma-gnetfeld lässt sich auf denGinzburg-Landau-Parameterk = lL/x zurückführen. InTyp-II-Supraleitern (k >1/√◊◊2) ist die Eindringtiefe lLdes Magnetfeldes größer alsdie Kohärenzlänge x, diedurch die räumliche Aus-dehnung der Cooper-Paarebestimmt wird. Damit wirdin einem äußeren Magnet-feld aus energetischen Grün-den die Ausbildung vonFlussschläuchen begünstigt.Sie bestehen aus einem nor-malleitenden Kern (mit Ra-dius x) sowie aus supralei-tenden Abschirmströmen umden Kern und tragen jeweilsgenau ein Flussquanto0 = 2·10–15 Tcm2. Die Zahl nder Flussschläuche proFläche nimmt entsprechendn = B/o0 proportional zummittleren Feld B im Supra-leiter zu, bis beim oberenkritischen Feld Bc2 derÜbergang zur Normalleitung

erfolgt. Bei freier Beweglich-keit der Flussschläuche istweder verlustfreier Strom-transport möglich nochkann sich im Supraleiter einFeldgradient ausbilden – alsVoraussetzung für ein rema-nentes Feld im Supraleiter.Durch die Verankerung derFlussschläuche an Defekten(z. B. an Versetzungen oderan normalleitenden Aus-scheidungen), die in Abbil-dung 2b dargestellt sind,können Transportströme j < jc mit einer maximalenoder kritischen Stromdichtejc verlustfrei fließen. Damitist die kritische Stromdichteder für Anwendungen ent-scheidende Materialpara-meter. Da sie gleichzeitigden maximalen Feldgradien-ten im Supraleiter bestimmt,ist sie – neben der Größedes verfügbaren texturiertenMassivmaterials – auch fürdie hohen Remanenzfelderin supraleitenden Dauerma-gneten verantwortlich.

Kritische Ströme in Typ-II-Supraleitern

Physikalische Blätter57 (2001) Nr. 564

Überblick

stellte Position und Lage des Dauermagneten im supra-leitenden Zustand selbst, was darauf zurückzuführenist, dass die vom Dauermagneten ausgehende inhomo-gene Feldverteilung im Supraleiter durch Verankerungvon Flussschläuchen an Defekten „eingefroren“ wird.Die durch Positions- oder Lageänderungen entstehen-den Rückstellkräfte entsprechen den Verankerungs-kräften der Flussschläuche. Im Unterschied dazu ist für zwei Dauermagnete entsprechend dem Earnshaw-Theorem prinzipiell keine stabile Levitation möglich[7]: In konventionellen Magnetlagern benötigt man einaktives Regelsystem, um die Levitation zu stabilisieren.

Passive supraleitende Magnetlager sind eine der at-traktivsten Anwendungen massiver YBCO-Körper. IhrEinsatz in Schwungrädern zur Energiespeicherung, inPumpen für kryogene Flüssigkeiten und in supraleiten-den Motoren wird derzeit durch den Aufbau von De-monstratoren vorbereitet. Neben rotierenden Magnet-

lagern sind auch supraleitende Lager für Transportsys-teme, z. B. in Reinsträumen, von Interesse.

Kühlt man unsere YBCO-Proben im Nullfeld auf77 K ab und führt einen Samarium-Kobald-Magnet(Sm-Co) an den Supraleiter heran, so entsteht einewachsende abstoßende Kraft, die bei kleinem Abstandzwischen Supraleiter und Magnet einen Wert bis 100 Noder 20 N/cm2 erreicht. Das ist 80 % der mit dem ver-wendeten Magneten theoretisch erreichbaren Kraft.Und da das in den besten YBCO-Massivmaterialien bei77 K einfrierbare Feld (> 1 T) schon jetzt größer ist alsdas Feld an der Oberfläche der Dauermagnete (< 0,7 T),lässt sich die Levitationskraft durch eine bessere Qua-lität der Supraleiter nicht mehr wesentlich erhöhen; siewird vielmehr durch das Oberflächenfeld der verfügba-ren Dauermagnete begrenzt.

AusblickSupraleitende Lager mit extrem hohen Levitations-

kräften erhält man, wenn man den konventionellenDauermagnet durch einen YBCO-Dauermagnet ersetzt.Mit einem eingefrorenen Feld von 11 T ließe sich einLevitationsdruck von 5000 N/cm2 erzielen – ein Wert,der zwei Größenordnungen über dem mit konventio-nellen Magneten erreichbaren Druck liegt. Das eröffnetdem Ingenieur Perspektiven für neue Konzepte bei Ma-gnetlagern, aber auch bei supraleitenden Motoren. Undauch dem Physiker sollte die vergleichsweise einfacheErzeugung hoher Felder auf kleinem Raum Anstöße fürdie Experimentiertechnik vermitteln. Das nicht trivialeProblem, YBCO-Magnete aufzumagnetisieren, lässtsich dabei im Prinzip mithilfe von Impulsfeldern lösen.

Weitere Verbesserungen des YBCO-Materials sinddurch das Einbringen effektiver Haftzentren für Fluss-schläuche durch geeignete Dotierungen zu erwarten.Auf diese Weise sollte es gelingen, die jetzt bei noch relativ niedrigen Temperaturen erreichten hohen kriti-schen Stromdichten und Remanenzfelder in den leichtzugänglichen Temperaturbereich oberhalb von 65 K zuverschieben, der sich durch Abpumpen über flüssigemStickstoff realisieren lässt.

Literatur[1] M. Rabinowitz, H. W. Arrowsmith, S. D. Dahlgren,

Appl. Phys. Lett. 30, 607 (1977)[2] G. Krabbes, P. Schätzle, W. Bieger, U. Wiesner, G.

Stöver, M. Wu, T. Strasser, A. Köhler, D. Litzken-dorf, K. Fischer, P. Görnert, Physica C 244, 145(1995)

[3] H. Ikuta, A. Mase, U. Mizutani, Y. Yanagi, M.Yoshikawa, Y. Itoh, T. Oka, IEEE Trans. Appl.Supercond. 9, 2219 (1999)

[4] G. Fuchs, P. Schätzle, G. Krabbes, S. Gruss, P.Verges, K.-H. Müller, J. Fink, L. Schultz, Appl.Phys. Lett. 76, 2107 (2000)

[5] G. Krabbes, G. Fuchs, P. Schätzle, S. Gruss, J.W.Park, F. Hardinghaus, G. Stöver, R. Hayn, S.-L.Drechsler, T. Fahr, Physica C 330, 181 (2000)

[6] T. H. Johansen, Supercond. Sci. Technol. 13, R121(2000)

[7] S. Earnshaw, Trans. Camb. Phil. Soc. 7, 97 (1842)[8] B. Oswald, M. Krone, M. Söll, T. Strasser, J. Os-

wald, K.-J. Best, W. Gawalek, L. Kovalev, IEEETrans. Appl. Supercond. 9, 1201 (1999)

Abb. 5:Ein Nd-Fe-B-Magnet schwebt stabil übereinem auf 77 K abgekühlten massivenYBCO-Supraleiter. Erklärung: Die vomNd-Fe-B-Magneten ausgehenden Feldlini-en gehen im YBCO-Supraleiter in Fluss-schläuche über und werden an Defekten(grau dargestellt) verankert. Diese inho-mogene Feldverteilung im Supraleitererzeugt nicht nur eine Levitationskraft,sondern auch seitliche Rückstellkräfte,die die Lage des Nd-Fe-B-Magneten überdem Supraleiter stabilisieren.