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Geschlossene Gesellschaft Eines Tages gab es Zoff im Himmel. Gott war gerade aus einem kurzen Schlummer erwacht, als er an seiner Himmelpforte ungeheures Geschrei und Volksgemurmel vernahm. „Was ist denn jetzt schon wieder los?“ brummte er, und ging mißmutig nach draußen. Beim Anblick der mehr oder weniger geduldig wartenden Millionen von Christen traf ihn fast der Schlag. „He, was um meines Willen treibt ihr hier? Ja, Du da, mit der komischen Mütze! Wie heißt Du?“ „Äh, Johannes Paul….“ „Lüg nicht, Du heißt Wojtyla. Jetzt fällt’s mir wieder ein. Also was wollt ihr hier!“ „Nun, wir sind alle gestorben, und wollen jetzt ins Paradies. Wir warten nur noch auf das Jüngste Gericht.“ „Was für’n Gericht? Seid ihr auf Drogen, oder wie? Ähm… ach ja… das Paradies. Nun… ähem… das ist noch nicht ganz fertig.“ „Wieso nicht fertig, lieber Gott? Ich denke, Du hast für die Erschaffung der Welt nur 7 Tage gebraucht?“ „Ja, meint ihr Engschädel etwa, ich hätte hier dieselbe Zeitrechnung wie ihr da unten? Wenn ihr Schnarchzapfen besser in der Schule aufgepaßt hättet, würdet ihr wissen, daß die Erde seit viereinhalb Milliarden Jahren existiert. Das sind in meiner Zeitrechnung 7 Tage. Ich meine, schaltet doch mal Eure Bonsaigehirne ein! Wie sollen denn sonst meine Kalenderblätter aussehen? Außerdem ist so ein Paradies eine knifflige Angelegenheit, nicht so ein Zeug von der Stange wie die Erde!“ „Ja, aber es steht doch so geschrieben“, meldete sich eine ängstliche Stimme aus dem Hintergrund. „Steht so geschrieben, steht so geschrieben“, äffte Gott den Sprecher nach, „was geht mich Euer lächerliches Geschreibsel an?“ „Ja, ist denn die Bibel nicht Gottes Wort?“ „Ja, seid Ihr jetzt total bescheuert?“, dröhnte Gott, „Meint Ihr, ich, der eine Welt geschaffen hat, findet noch irgendeinen Reiz daran, ein Buch zu schreiben? Außerdem habe ich gerade für 5 Sekunden ein kleines Schläfchen gemacht, das sind in Eurer Zeitrechnung etwa 38 000 Jahre. Wann bitte hätte ich denn einen solchen geistigen Dünnschiß abgeben sollen, hä?“ „Ist das denn nicht alles wahr, über Jesus und so? Ist er denn nicht Dein Sohn?“ „Was seid Ihr eigentlich? Alimentenjäger? Kaum zu glauben, kommen hier angelatscht und wollen mir ein Balg unterschieben. Also noch mal im Klartext: Ich kanns nicht gewesen sein, ich habe geschlafen. Punkt. Und jetzt tut mir einen Gefallen, und verpißt Euch!“ „Ja, aber, wo sollen wir denn jetzt hin? Etwa in die Hölle?“ „Was ist denn das schon wieder für ein hirnverbrannter Unsinn?“ stöhnte der Herr. „Na, der Ort, wohin Du den Gefallenen Engel verbannt hast, wo die Sündiger ewige Qualen und Martern erleiden müssen für ihre Missetaten…“ „Seid ihr irgendwo auf dem SadoMasoTrip, oder wie? Wer ist denn dieser gefallene Engel? Höhö, gegen ein oder zwei gefallene Engel hätte ich eigentlich nichts… aber im Ernst: Wovon zum Geier redet Ihr?“ „Na, vom Teufel, Satan, Beelzebub, Luzifer, der ewige Widersacher…“ „Ach!“ Gott schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. „Den meint ihr. Das ist ein Kumpel von mir, wir spielen ab und zu mal eine Partie Schach. Er nimmt immer die schwarzen und ich die weißen Figuren. Irgendeiner von Euren bekloppten Sehern und Propheten hat da mal wieder was falsch verstanden. Und was soll nun mit dem sein?“ „Na, müssen wir jetzt dorthin?“

Maik Godau - Geschlossene Gesellschaft

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Erschienen im Satanic Voices

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Page 1: Maik Godau - Geschlossene Gesellschaft

Geschlossene Gesellschaft 

 

Eines Tages gab es Zoff im Himmel. Gott war gerade aus einem kurzen Schlummer erwacht, als er an seiner Himmelpforte ungeheures Geschrei und Volksgemurmel vernahm. „Was ist denn jetzt schon wieder los?“ brummte er, und ging mißmutig nach draußen. Beim Anblick der mehr oder weniger geduldig wartenden Millionen von Christen traf ihn fast der Schlag. „He, was um meines Willen treibt ihr hier? Ja, Du da, mit der komischen Mütze! Wie heißt Du?“ „Äh, Johannes Paul….“ „Lüg nicht, Du heißt Wojtyla. Jetzt fällt’s mir wieder ein. Also was wollt ihr hier!“ „Nun, wir sind alle gestorben, und wollen jetzt ins Paradies. Wir warten nur noch auf das Jüngste Gericht.“ „Was für’n Gericht? Seid ihr auf Drogen, oder wie? Ähm… ach ja… das Paradies. Nun… ähem… das ist noch nicht ganz fertig.“ „Wieso nicht fertig, lieber Gott? Ich denke, Du hast für die Erschaffung der Welt nur 7 Tage gebraucht?“ „Ja, meint ihr Engschädel etwa, ich hätte hier dieselbe Zeitrechnung wie ihr da unten? Wenn ihr Schnarchzapfen besser in der Schule aufgepaßt hättet, würdet ihr wissen, daß die Erde seit viereinhalb Milliarden Jahren existiert. Das sind in meiner Zeitrechnung 7 Tage. Ich meine, schaltet doch mal Eure Bonsaigehirne ein! Wie sollen denn sonst meine Kalenderblätter aussehen? Außerdem ist so ein Paradies eine knifflige Angelegenheit, nicht so ein Zeug von der Stange wie die Erde!“ „Ja, aber es steht doch so geschrieben“, meldete sich eine ängstliche Stimme aus dem Hintergrund. „Steht so geschrieben, steht so geschrieben“, äffte Gott den Sprecher nach, „was geht mich Euer lächerliches Geschreibsel an?“ „Ja, ist denn die Bibel nicht Gottes Wort?“ „Ja, seid Ihr jetzt total bescheuert?“, dröhnte Gott, „Meint Ihr, ich, der eine Welt geschaffen hat, findet noch irgendeinen Reiz daran, ein Buch zu schreiben? Außerdem habe ich gerade für 5 Sekunden ein kleines Schläfchen gemacht, das sind in Eurer Zeitrechnung etwa 38 000 Jahre. Wann bitte hätte ich denn einen solchen geistigen Dünnschiß abgeben sollen, hä?“ „Ist das denn nicht alles wahr, über Jesus und so? Ist er denn nicht Dein Sohn?“ „Was seid Ihr eigentlich? Alimentenjäger? Kaum zu glauben, kommen hier angelatscht und wollen mir ein Balg unterschieben. Also noch mal im Klartext: Ich kanns nicht gewesen sein, ich habe geschlafen. Punkt. Und jetzt tut mir einen Gefallen, und verpißt Euch!“ „Ja, aber, wo sollen wir denn jetzt hin? Etwa in die Hölle?“ „Was ist denn das schon wieder für ein hirnverbrannter Unsinn?“ stöhnte der Herr. „Na, der Ort, wohin Du den Gefallenen Engel verbannt hast, wo die Sündiger ewige Qualen und Martern erleiden müssen für ihre Missetaten…“ „Seid ihr irgendwo auf dem Sado‐Maso‐Trip, oder wie? Wer ist denn dieser gefallene Engel? Höhö, gegen ein oder zwei gefallene Engel hätte ich eigentlich nichts… aber im Ernst: Wovon zum Geier redet Ihr?“ „Na, vom Teufel, Satan, Beelzebub, Luzifer, der ewige Widersacher…“ „Ach!“ Gott schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. „Den meint ihr. Das ist ein Kumpel von mir, wir spielen ab und zu mal eine Partie Schach. Er nimmt immer die schwarzen und ich die weißen Figuren. Irgendeiner von Euren bekloppten Sehern und Propheten hat da mal wieder was falsch verstanden. Und was soll nun mit dem sein?“ „Na, müssen wir jetzt dorthin?“ 

Page 2: Maik Godau - Geschlossene Gesellschaft

„Wie dorthin? Ihr Sackgesichter wollt dieselbe Schau  auch noch bei meinem Kollegen durchziehen? Seid Ihr so eine Art Hausierer oder so? Nee, das reicht mir jetzt mit Euch Dumpfbacken. Verschwindet endlich!“ 

Verwirrt und ratlos standen die Millionen Geister Verstorbener nun vor dem Himmelstor und murmelten betroffen aufeinander ein. Gott hatte inzwischen die Himmelstür wieder verrammelt, und überlegte, ob er sich nicht noch ein Viertelstündchen auf’s Ohr hauen sollte. Vielleicht sah in knapp 7 Milliarden Erdjahren die Sache etwas freundlicher aus. Plötzlich klingelte sein Telefon. „Alle drei Milliarden Jahre derselbe Scheiß!“ brummte Gott und ging ran. „Gott hier!“ „Ja, hier Satan. Sag mal, hast Du sie nicht mehr alle? Mir diesen Mob auf den Hals zu schicken? Millionen von Spinnern stehen hier vor meiner Tür und machen einen Mordskrach! Sie sagen, Du hättest sie geschickt. Kannst Du mir mal erklären, was der ganze Scheiß soll?“ „Ach, sind die jetzt bei Dir? Stell Dir vor, die wollten so einfach mir nichts Dir nichts in mein Paradies herein! Ist ja wohl die Höhe! Da hat es schon auf der Erde schon nur Ärger mit diesen Menschen gegeben, und jetzt wollen die mein nagelneues und piekfeines Paradies auch noch kontaminieren! Nee nee, in mein privates Feriendorf kommt mir dieses Gesocks nicht!“ „Ach, aber bei mir sollen sie Unterschlupf finden, was? Diese Frömmler haben mir gerade noch gefehlt! Ihr Leben lang haben sie auf mich geschimpft, und jetzt wollen sie es sich in meinem Eros‐Club wohlergehen lassen. Das können sich diese Wichser aber von der Backe putzen!“ „Die haben etwas von ewiger Qual und so erzählt… Sag mal, ist da vielleicht irgendetwas, was ich wissen sollte?“ „Oh, da meinen die bestimmt mein neu eingerichtetes Domina‐Studio. Nun, manche Leute haben eben etwas ausgefallenere Vorlieben, und man tut halt, was man kann… Aber mal zurück zum Thema. Was soll ich jetzt mit diesen Dünnbrettbohrern anfangen?“ „Nun, ich habe ihnen gesagt, mein Paradies wäre noch nicht fertig, hähä. Sag doch etwas in der Richtung. Du hättest gerade die Handwerker, oder die Heizung wäre kaputt. Das klingt zwar bescheuert, aber das begreifen diese Schrumpfköpfe wenigstens.“ „Gute Idee. Probiere ich gleich aus!“ „Okay, treffen wir uns morgen wieder zum Schach?“ „Geht klar, Gott. Ich wette drei Erdbeben gegen eine Sintflut, daß Du wieder verlierst.“ 

Und so kam es, daß zwischen den Wohnorten Gottes und Satans ein Haufen ratloser Seelen herumstand. Und wenn sie sich nicht reinkarnieren, stehen sie vielleicht noch morgen, also in etwa 643 Millionen  Jahren, dort herum. Gott jedenfalls wandelte zufrieden durch sein feines Paradies, freute sich der Tiere und Pflanzen. Menschen gab es dort keine. Der diesbezügliche Test auf dem Prototypen Erde hat gezeigt, daß das nicht gutgehen kann. So entschied sich Gott der Herr für den arbeitsfreien Samstag. Den Tag konnte man besser nutzen. Für eine Partie Schach beispielsweise.  Maik Godau; SinIsThere Reprinted in ToMegaSinIsThereIon