27
Maligne Tumoren des muskuloskelettalen Systems P.-U. Tunn Department Tumororthopädie, Sarkomzentrum Berlin-Brandenburg, Klinik für Orthopädie und orthopädische Rheumatologie, HELIOS Klinikum Berlin-Buch Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ȴ 2008 ȴ 317 ŷ 344 ȴ DOI 10.1055/s-2008-1077699 Zu den malignen Tumoren des muskuloskelettalen Systems gehören n die primär malignen Knochen- und Weichgewebe- tumoren (Sarkome), n die Knochenmetastasen, n die malignen Systemerkrankungen (z. B. multiples Myelom, Lymphom des Knochens). Die Knochen- und Weichgewebesarkome sind per defini- tionem nichtepitheliale Malignome und machen nur einen Anteil von 2% aller malignen Neubildungen aus. Dement- sprechend selten werden Orthopäden, Unfallchirurgen, Kinderärzte, Allgemeinmediziner usw. mit dieser Krank- heitsentität konfrontiert. Treten die primär hochmalignen Knochensarkome vorwiegend im Kindes- und Jugendalter auf, so werden Weichgewebesarkome insbesondere in der 2. Lebenshälfte diagnostiziert. Die Schwellung, begleitet von mehr oder minder ausgeprägten Schmerzen, ist die führende klinische Symptomatik. Vor jeder chirurgischen Intervention ist ein standardisiertes diagnostisches Kon- zept zu verfolgen, um den hohen Anteil an ƅungeplanten“ Resektionen oder falsch durchgeführten Biopsien bei Patienten mit Knochen- und Weichgewebesarkomen zu reduzieren. Erst nach Abschluss des Stagings kann eine stadien- und damit prognoseorientierte Therapie, stets interdisziplinär abgestimmt, eingeleitet werden. Die primär malignen Knochentumoren wie das Osteo- sarkom und die Gruppe der Ewing-Sarkome werden in sog. Therapieoptimierungsstudien behandelt, beim Chondro- sarkom (eher 2. Lebenshälfte) ist mit Ausnahme des de- differenzierten Chondrosarkoms die Behandlung meist chirurgisch. Die chirurgische Therapie von Weichgewebe- sarkomen ist im Erwachsenenalter im nichtmetastasierten Stadium der Erkrankung (Stadium I ŷ III, UICC) die Therapie der Wahl unter kurativer Intention. Die R0-Resektion in Kombination mit einer adjuvanten Radiotherapie gilt hier- bei als Standard bei primär resektablen Weichgewebesar- komen. Sollte die Resektion nur mit einem mutilierenden oder ablativen Verfahren möglich sein, sind neoadjuvante Therapieoptionen (z. B. isolierte hypertherme Extremitä- tenperfusion mit TNF-alpha und Melphalan, Strahlen- therapie, systemische Chemotherapie mit/ohne Hyper- thermie) in das interdisziplinäre Behandlungskonzept einzuschließen. Unter Vorhaltung dieser Konzeption und Anwendung von rekonstruktiven Verfahren können mehr als 80 % der Patienten mit Knochen- und Weichgewebe- sarkomen extremitätenerhaltend behandelt werden. Sekundär maligne Knochentumoren ŷ Knochenmetasta- sen (epithelialer Ursprung) ŷ stellen bei Weitem die häu- figste Manifestationsform von Malignomen am Bewe- gungsapparat dar. Vor allem bei Bronchial-, Mamma-, Schilddrüsen-, Nierenzell- und Prostatakarzinomen treten je nach Stadium in bis zu 80 % der Fälle ossäre Metastasen auf. Gerade durch die Verbesserung der Primärtumorbe- handlung und systemischer Optionen erleben immer mehr Patienten das Stadium der ossären Metastasierung und der daraus resultierenden Probleme, die geprägt sind durch den Schmerz, die pathologische Fraktur und neurologi- sche Komplikationen. Gerade hier ist ein standardisiertes therapeutisches Vorgehen unter Berücksichtigung der Prognose, der Tumorart, der Metastasenlokalisation usw. zu fordern. Besteht die Indikation zur operativen Kno- chenmetastasentherapie, so ist diese so zu wählen, dass operative Folgeeingriffe bei meist limitierter Lebenserwar- tung vermieden werden sollten. Eine primär belastungs- stabile Rekonstruktion des betroffenen Skelettabschnittes ist das definierte Ziel, um die Lebensqualität positiv zu beeinflussen. Auf die gesonderte Darstellung der Diagnostik und The- rapie des multiplen Myeloms und des Lymphoms des Knochens wurde bewusst verzichtet, da es sich um inter- nistische Krankheitsbilder aus orthopädisch-unfallchirur- gischer Sicht handelt. Die operativen Richtlinien sind mit denen der Knochenmetastasentherapie vergleichbar. 317 Maligne Tumoren des muskuloskelettalen Systems

Maligne Tumoren des muskuloskelettalen Systems€¦ · bildung distal und proximal der Läsion. Alter und Lokalisation machen einen primär malignen Knochentumor wahrscheinlich. Diagnose:

  • Upload
    others

  • View
    3

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Maligne Tumoren desmuskuloskelettalen SystemsP.−U. TunnDepartment Tumororthopädie, Sarkomzentrum Berlin−Brandenburg, Klinik für Orthopädie

und orthopädische Rheumatologie, HELIOS Klinikum Berlin−Buch

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê317 ± 344 êDOI 10.1055/s−2008−1077699

Zu den malignen Tumoren des muskuloskelettalenSystems gehörenn die primär malignen Knochen− und Weichgewebe−

tumoren (Sarkome),n die Knochenmetastasen,n die malignen Systemerkrankungen (z. B. multiples

Myelom, Lymphom des Knochens).

Die Knochen− und Weichgewebesarkome sind per defini−tionem nichtepitheliale Malignome und machen nur einenAnteil von 2 % aller malignen Neubildungen aus. Dement−sprechend selten werden Orthopäden, Unfallchirurgen,Kinderärzte, Allgemeinmediziner usw. mit dieser Krank−heitsentität konfrontiert. Treten die primär hochmalignenKnochensarkome vorwiegend im Kindes− und Jugendalterauf, so werden Weichgewebesarkome insbesondere in der2. Lebenshälfte diagnostiziert. Die Schwellung, begleitetvon mehr oder minder ausgeprägten Schmerzen, ist dieführende klinische Symptomatik. Vor jeder chirurgischenIntervention ist ein standardisiertes diagnostisches Kon−zept zu verfolgen, um den hohen Anteil an ¹ungeplanten“Resektionen oder falsch durchgeführten Biopsien beiPatienten mit Knochen− und Weichgewebesarkomen zureduzieren. Erst nach Abschluss des Stagings kann einestadien− und damit prognoseorientierte Therapie, stetsinterdisziplinär abgestimmt, eingeleitet werden.

Die primär malignen Knochentumoren wie das Osteo−sarkom und die Gruppe der Ewing−Sarkome werden in sog.Therapieoptimierungsstudien behandelt, beim Chondro−sarkom (eher 2. Lebenshälfte) ist mit Ausnahme des de−differenzierten Chondrosarkoms die Behandlung meistchirurgisch. Die chirurgische Therapie von Weichgewebe−sarkomen ist im Erwachsenenalter im nichtmetastasiertenStadium der Erkrankung (Stadium I ± III, UICC) die Therapieder Wahl unter kurativer Intention. Die R0−Resektion inKombination mit einer adjuvanten Radiotherapie gilt hier−bei als Standard bei primär resektablen Weichgewebesar−komen. Sollte die Resektion nur mit einem mutilierenden

oder ablativen Verfahren möglich sein, sind neoadjuvanteTherapieoptionen (z. B. isolierte hypertherme Extremitä−tenperfusion mit TNF−alpha und Melphalan, Strahlen−therapie, systemische Chemotherapie mit/ohne Hyper−thermie) in das interdisziplinäre Behandlungskonzepteinzuschließen. Unter Vorhaltung dieser Konzeption undAnwendung von rekonstruktiven Verfahren können mehrals 80 % der Patienten mit Knochen− und Weichgewebe−sarkomen extremitätenerhaltend behandelt werden.

Sekundär maligne Knochentumoren ± Knochenmetasta−sen (epithelialer Ursprung) ± stellen bei Weitem die häu−figste Manifestationsform von Malignomen am Bewe−gungsapparat dar. Vor allem bei Bronchial−, Mamma−,Schilddrüsen−, Nierenzell− und Prostatakarzinomen tretenje nach Stadium in bis zu 80 % der Fälle ossäre Metastasenauf. Gerade durch die Verbesserung der Primärtumorbe−handlung und systemischer Optionen erleben immer mehrPatienten das Stadium der ossären Metastasierung und derdaraus resultierenden Probleme, die geprägt sind durchden Schmerz, die pathologische Fraktur und neurologi−sche Komplikationen. Gerade hier ist ein standardisiertestherapeutisches Vorgehen unter Berücksichtigung derPrognose, der Tumorart, der Metastasenlokalisation usw.zu fordern. Besteht die Indikation zur operativen Kno−chenmetastasentherapie, so ist diese so zu wählen, dassoperative Folgeeingriffe bei meist limitierter Lebenserwar−tung vermieden werden sollten. Eine primär belastungs−stabile Rekonstruktion des betroffenen Skelettabschnittesist das definierte Ziel, um die Lebensqualität positiv zubeeinflussen.

Auf die gesonderte Darstellung der Diagnostik und The−rapie des multiplen Myeloms und des Lymphoms desKnochens wurde bewusst verzichtet, da es sich um inter−nistische Krankheitsbilder aus orthopädisch−unfallchirur−gischer Sicht handelt. Die operativen Richtlinien sind mitdenen der Knochenmetastasentherapie vergleichbar.

317

Maligne Tumoren des muskuloskelettalen Systems

Primär maligne Knochentumoren

Epidemiologie

Primär maligne Knochentumoren machen etwa 0,2 %der gesamten humanen Malignome aus. Seit Ende der70er−Jahre konnten durch die Einführung und Etablie−rung einer systemischen Chemotherapie, durch eineVerbesserung der bildgebenden Diagnostik, insbeson−dere der Magnetresonanztomografie und einer Weiter−entwicklung rekonstruktiver Operationstechniken vorallem bei den häufig betroffenen Kindern die Amputa−tionsrate gesenkt und das Überleben von 10 ± 15 % auf60± 80 %, je nach Stadium, erhöht werden. Die Ätiologieist bei den meisten Entitäten nicht geklärt. Die häufigs−ten primär malignen Knochentumoren sindn das Osteosarkom (35 %),n das Chondrosarkom (25 %),n die Tumoren der Gruppe der Ewing−Sarkome (16%),n das Chordom.

Im Kindesalter beträgt der Anteil der Knochensarkomeetwa 3,4 % aller malignen kindlichen Neoplasien (60%Osteosarkom, 25 % Gruppe der Ewing−Sarkome). In derAltersverteilung sind 2 Gipfel zu beobachten:n der erste im Kindesalter bis zum Ende der zweiten

Dekade (Osteosarkome und Gruppe der Ewing−Sarkome),

n der zweite Häufigkeitsgipfel nach der 5. Lebens−dekade.

In dieser Altersgruppe treten insbesondere Chondro−sarkome, seltener Osteosarkome auf. Männer sindetwas häufiger betroffen als Frauen (Dorfman 2002).

Diagnostik

n Klinik

Die klinische Symptomatik eines primär malignen Kno−chentumors ist im Bereich der Extremitäten durch eineprogrediente Schmerzsymptomatik und Schwellung,selten eine pathologische Fraktur, charakterisiert. ImBereich der Extremitäten beträgt das Intervall von denersten Beschwerden bis zur Diagnosestellung im Mittel2 Monate. Bei stamm− oder stammnahen Lokalisatio−nen, insbesondere im Becken und der Wirbelsäule, istdie Symptomatik vergleichsweise uncharakteristisch.Hier werden häufig radikuläre oder ischialgiformeSymptome berichtet, diagnostiziert und primär thera−piert. Dementsprechend resultieren meist wesentlichlängere Intervalle vom Zeitpunkt der ersten Beschwer−den bis zur Diagnosestellung.

" Häufigste primäre Symptomatik: progredienteSchmerzsymptomatik und Schwellung. UngewollteGewichtabnahme, Nachtschweiß, Leistungsknick undAnämie sind bei primär malignen Knochentumoren inder Regel Spätsymptome.

Die Anamnese sollte sowohl speziell auf den Beginn unddie Art sowie die Dauer der derzeitigen Symptome alsauch auf eine mögliche familiäre oder genetische Kom−ponente Bezug nehmen.

Inspektion und Palpation sind zum Erkennen derAusdehnung sowie Beschreiben der Konsistenz einerSchwellung und deren Beziehung zu den Nachbarstruk−turen unumgänglich. Bei gelenknahen Tumoren istdie Beurteilung einer Funktionseinschränkung (Neutral−Null−Methode) sowie eines intraartikulären Ergusseserforderlich. Sensomotorische Einschränkungen erfor−dern einen speziellen neurologischen Status.

n Bildgebende Verfahren

Röntgen. Die native Röntgenaufnahme der betroffenenRegion in 2 Ebenen mit den angrenzenden Gelenken istals erster diagnostischer Schritt nach Erhebung derAnamnese und der klinischen Untersuchung obligat. Siebesitzt hinsichtlich der Einschätzung der Dignität und

Abb. 1 n Röntgenbild des linken distalen Femurs eines 14−jährigenMädchens in 2 Ebenen mit positiver Schmerzanamnese und pro−gredienter Schwellung seit 6 Wochen. Es handelt sich um einen lokaldestruktiv, permeativ wachsenden Knochentumor mit Destruktion derKortikalis, Weichteilinfiltration, partiell osteolytisch als auch osteoblas−tisch. Nachweisbares Codman−Dreieck. Röntgenologische Klassifikationder Wachstumstendenz nach Lodwick: Grad III. Unter Berücksichtigungdes Alters, der Topik im Knochen (metaphysär), der Anamnese und derBildgebung ist der Verdacht auf ein Osteosarkom zu äußern.

318

Systemerkrankungen

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê317 ± 344

Entität von Knochentumoren unter Berücksichtigungder klinischen Symptome, des Alters des Patienten, derTopografie der Läsion und der strukturellen Besonder−heiten die größte Aussagefähigkeit. Durch die Analyseder Röntgenaufnahmen kann oft mit großer Sicherheitauf den Tumor und sein biologisches Verhalten ge−schlossen werden. Unterstützend ist für die Einschät−zung der Aggressivität der Läsion die röntgenologischeKlassifikation der Wachstumstendenz nach Lodwick(1980) heranzuziehen (Abb. 1 ± 3). Allein die Röntgen−aufnahme berechtigt zur Entscheidung über die Not−wendigkeit weiterer bildgebender Verfahren.

Sonografie. Bei einem vermuteten Weichteilanteil,einem Hämatom oder einem intraartikulären Ergusskann die Sonografie wichtige Zusatzinformationenliefern.

MRT. Besteht der Verdacht auf einen malignen Kno−chentumor, so ist die Magnetresonanztomografie (MRT)in den verschiedenen Gewichtungen mit Kontrastmittelunverzichtbar. Hierbei werden der gesamte betroffeneKnochenabschnitt und die angrenzenden Kompart−mente untersucht. Neben der Beschreibung der Weich−teilinfiltration kann die Markraumausdehnung des

Tumors genau beurteilt werden und ggf. vorhandeneSkip−Läsionen im selben Kompartment detektiertwerden.

CT. Im Gegensatz zur MRT liegt der besondere Vorteilder Computertomografie (CT) in der Darstellung derkortikalen Strukturen. Der Nachweis einer Destruktionder Kortikalis kann in einigen Fällen dem Röntgenbildentgehen, der CT nicht. Gerade bei chondrogenen Tu−moren liefert die CT wichtige Zusatzinformationen überdas Ausmaß der Kalzifikation und kortikalen Destruk−tion (Abb. 4).

Szintigrafie. Die Szintigrafie ist bei Verdacht auf einenprimär malignen Knochentumor als Ganzkörperkno−chenszintigrafie notwendig:n einerseits, um mittels des lokalen Speicherfaktors

die biologische Aktivität des regionalen Prozesseszu bestimmen

n andererseits, um eine eventuell systemische Kom−ponente (z.B. Knochenmetastasen) oder Zweit− bzw.multiple Primärläsionen (z.B. multifokales Osteo−sarkom) zu diagnostizieren.

Abb. 3 n Beckenübersicht einer 59−jähri−gen Patientin. Schmerzen seit mehr als3 Jahren. Zunächst Verdacht auf degenerativbedingte Beschwerden und konservativeTherapie ohne Beschwerdelinderung. Anhandder Röntgenaufnahme ist ein destruktivwachsender Tumor des linken Os ilium mitMatrixossifikationen und stippchenartigen

Verkalkungen zu beschreiben. Aufgrund desAlters, der Lokalisation und des Röntgenbil−des muss der Verdacht auf ein Chondrosar−kom geäußert werden. Histologisch wurdedie Verdachtsdiagnose eines Chondrosar−koms bestätigt. Röntgenologische Klassifika−tion der Wachstumstendenz nach Lodwick:Grad II.

Abb. 2 n Röntgenbild des linken distalen Femurs einer 18−jährigenjungen Frau mit einer zunehmenden Schwellung seit 4 Wochen,keine Funktionseinschränkung, nur belastungsabhängige Schmer−zen. Laborchemisch gering erhöhte LDH. Röntgenmorphologisch han−delt es sich um einen diaphysär lokalisierten Tumor mit destruktivemWachstumsmuster, spikulaartiger Komponente und reaktiver Knochen−bildung distal und proximal der Läsion. Alter und Lokalisation macheneinen primär malignen Knochentumor wahrscheinlich. Diagnose:Ewing−Sarkom des linken Femurs.

319

Maligne Tumoren des muskuloskelettalen Systems

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê317 ± 344

" Cave. Die Szintigrafie kann bei chondrogenen Neo−plasien falsch−negativ sein und ein hoch pathologischerBefund ist keinesfalls als sicherer Hinweis für einenmalignen Prozess zu werten ± z. B. aneurysmatischeKnochenzyste.

Angiografie. Die Angiografie hat im klinischen Alltagnur noch selten eine Indikation. Bei plastischen Re−konstruktionen, z.B. mit einer freien Fibula oder freierLappendeckung, kann eine Angiografie zur Identifizie−rung des Gefäßstatus und möglicher Spendergefäßegelegentlich hilfreich sein.

PET. Die Positronenemissionstomografie (PET) hatderzeit außerhalb von Studien noch keinen klinischenStellenwert.

n Labordiagnostik

Tumorantigenspezifische Screeningtests sind bei pri−mären Knochentumoren derzeit nicht aussagekräftig.Allgemeine Parameter wie Blutbild, BSR, CRP, Kalziumim Serum, alkalische Phosphatase, LDH und Gesamtei−weiß können Hinweise auf pathologische Befunde deslokalen Knochenumbaus, eine Entzündung oder einesystemische Komponente geben. Die alkalische Phos−phatase kann beim Osteosarkom erhöht sein. In diesenFällen kann sie als Parameter unter der systemischenTherapie und in der Nachsorge herangezogen werden;bei der Gruppe der Ewing−Sarkome kann selbiges fürdie LDH gelten.

n Histologische Diagnostik

Besteht nach Erhebung der Anamnese, der klinischenUntersuchung und nach Abschluss der Bildgebung derVerdacht auf einen malignen Knochentumor oderUnklarheit über die Art und Dignität der knöchernenLäsion, ist eine Biopsie zwingend indiziert, um eine his−topathologische Untersuchung des Gewebes zu ermög−lichen. Hierbei setzt die Biopsie bereits eine interdis−ziplinäre Konzeption voraus. Mit dem Radiologen undPathologen ist die Bildgebung zu besprechen und dieRegion der Biopsie festzulegen. Es ist die Möglichkeitder Schnellschnittdiagnostik durch einen entsprechenderfahrenen Pathologen vorzuhalten. Im intraoperativenSchnellschnitt ist mitzuteilen, ob repräsentativesTumorgewebe vorliegt. Weiterhin müssen dem Ope−rateur die aktuellen Therapieoptimierungsstudien(EURAMOS−1, EURO−B.O.S.S., EURO−E.W.I.N.G.−99) be−kannt sein, um z.B. bei einem Tumor der Ewing−Sar−komgruppe Frischgewebe des Tumors für die moleku−largenetische Untersuchung zu asservieren und eineBeckenkammpunktion beidseits in gleicher Sitzungdurchzuführen.

Abb. 4 n Chondrosarkom des Os ilium rechts nativröntgenologisch (a) und in der CT (b). Inder CT sind die Tumorausdehnung, die Größe der Knorpelkappe und die intratumoralen Ver−kalkungen wesentlich besser zu erfassen und damit für die OP−Planung unverzichtbar. Präsen−tation des Resektates (c) sowie der Präparateradiografie (d) in derselben Schnittführung.

Hintergrund

Richtlinien für die offene Biopsie (Inzisionsbiopsie).

n Die Wahl des Biopsiezugangs sollte imVerlauf des späteren definitiven Zu−gangs liegen. Der die Biopsie durchfüh−rende Operateur muss die Möglichkeitund Art der definitiven Versorgungreflektieren können.

n An den Extremitäten werden aus−schließlich längs verlaufende Schnittegesetzt.

n Es ist der kürzeste, direkte Weg zumTumor zu wählen, ohne ein weiteresKompartment zu eröffnen (d. h. mitTumorzellen zu kontaminieren). EinSicherheitsabstand zu Gelenken,großen Gefäßen und Nerven ist zuwahren.

n Eine exakte Blutstillung ist erforderlich,um eine Tumorzellverschleppung durchein Hämatom zu vermeiden. Bei hyper−vaskularisierten Tumoren hat sich einVerschluss des Knochenfensters miteiner Zementplombe bewährt. EineDrainage ist obligat, diese wird direktaus der Wunde oder in unmittelbarerNähe des Wundwinkels ausgeleitet.

n Die Operationstechnik hat so atrauma−tisch wie möglich zu erfolgen. Gewebe−quetschungen oder großzügiges Präpa−rieren und Darstellen des Tumors sindzu vermeiden. Die Hautnaht wird in in−trakutaner Technik durchgeführt; groß−zügige Rückstichnähte sind obsolet.

320

Systemerkrankungen

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê317 ± 344

Grundsätzlich wird bei der Biopsie zwischen geschlos−senen Verfahren (z.B. Stanzbiopsie) und offenen Ver−fahren (Inzisionsbiopsie) unterschieden. Bei der Pri−märdiagnostik eines primär malignen Knochentumorsist die offene Inzisionsbiopsie den geschlossenen Ver−fahren vorzuziehen. Die Vorteile einer repräsentativenBiopsie mit dem Ziel der präzisen Diagnosestellung undzügigen Therapieeinleitung liegen auf der Hand.

" Cave. Eine fehlerhaft durchgeführte Biopsie kannim ungünstigsten Fall zu einer Amputation der betroffe−nen Extremität führen. Hier sind insbesondere falscheSchnittführungen und eine Tumorkontaminationunbeteiligter Kompartmente zu erwähnen (Abb. 5).

Klassifikation

Während das Grading den Differenzierungsgrad einesmalignen Tumors bestimmt, ist das Staging Grundvo−raussetzung für die Therapieplanung. Ist die Diagnoseeines primär malignen Knochentumors bestätigt, sindfolgende Untersuchungen erforderlich, wenn sie nichtschon vor der Biopsie durchgeführt worden sind:n CT des Thorax sowie bei beckennahen Tumoren

CT des Beckensn MRT lokal sowie des betroffenen und des angren−

zenden Kompartmentesn Ganzkörperknochenszintigrafie

Die Stadieneinteilung erfolgt im deutschsprachigenRaum meist nach dem TNM−Schema der UICC(Tab. 1, 2 a, 2 b, 3). Ziel ist es, die lokale Tumorausdeh−nung exakt zu bestimmen und Fernmetastasen nach−zuweisen oder auszuschließen. Im klinischen Alltagwird meist zusätzlich das chirurgische Stagingsystemnach Enneking (Tab. 4) genutzt, da es z.B. nicht zwi−schen Lymphknoten− und Lungenmetastasen differen−ziert (ist für die Prognose und Therapie kaum relevant)und praktikabel ist.

Therapie

n Therapeutisches Konzept

Wird die Diagnose eine Osteosarkoms oder einesTumors der Ewing−Sarkomgruppe gestellt, so werdendie Patienten in standardisierten Therapieoptimie−rungsstudien behandelt, in denen die Erfahrungen derinterdisziplinär abgestimmten Konzeption, insbeson−dere der systemischen Chemotherapie und der Strah−lentherapie (Gruppe der Ewing−Tumoren), fokussiertsind:

n Im Falle des Osteosarkoms erfolgt die Therapie beiPatienten bis einschließlich des 40. Lebensjahres imRahmen der ersten transatlantischen Therapieopti−mierungsstudie, der ¹European and American Osteo−sarcoma Study Group“ (EURAMOS−1−Protokoll).

n Jenseits des 40. Lebensjahres werden die Patientenin der ¹EUROpean−Bone Over 40 Sarcoma Study“(EURO−B.O.S.S.) therapiert, wobei neben dem Osteo−sarkom alle anderen hochmalignen Knochensarko−me (z.B. malignes fibröses Histiozytom) bis hin zumdedifferenzierten Chondrosarkom eingeschlossenwerden können.

n Die meist jungen Patienten mit Tumoren der Ewing−Sarkomgruppe werden standardisiert im EURO−E.W.I.N.G.−99−Protokoll behandelt.

" Eine Therapie außerhalb dieser Therapieoptimie−rungsstudien ist im Interesse der Patienten heute nichtmehr zu akzeptieren.

Abb. 5 n Vermeidbare Fehler bei der Biopsie. a Falsch gewählte, quer verlaufende Schnitt−führung bei einem Osteosarkom des distalen Femurs. b Falsch gewählte, transartikuläre unddurch die Sehne des Rectus femoris ziehende Biopsie bei einem Osteosarkom des distalenFemurs.

321

Maligne Tumoren des muskuloskelettalen Systems

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê317 ± 344

Tabelle 1

TNM−Klassifikation der primär malignen Knochentumoren(UICC 2003).

Klassifikation Beschreibung

TX Primärtumor kann nicht beurteilt werden

T0 kein Primärtumor

T1 Tumor £ 8 cm

T2 Tumor > 8 cm

T3 diskontinuierlich primär befallener Knochen

NX regionale Lymphknoten können nicht beurteiltwerden

N0 keine regionalen Lymphknotenmetastasen

N1 regionale Lymphknotenmetastasen

MX Vorhandensein von Fernmetastasen kann nichtbeurteilt werden

M0 keine Fernmetastasen

M1a Lungenmetastasen

M1b andere Fernmetastasen

Tabelle 3

Stadienklassifikation primär maligner Knochentumoren(UICC 2003).

Stadium IA T1, N0, NX, M0, niedriggradig

Stadium IB T2, N0, NX, M0, niedriggradig

Stadium IIA T1, N0, NX, M0, hochgradig

Stadium IIB T2, N0, NX, M0, hochgradig

Stadium III T3, N0, NX, M0, jeder Grad

Stadium IVA jedes T, N0, NX, M1a, jeder Grad

Stadium IVB jedes T, N1, jedes M, jeder Gradjedes T jedes N, M1b, jeder Grad

Tabelle 4

Chirurgisches Staging maligner Knochentumoren nachEnneking (1986).

Staging Beschreibung

IA niedriggradig, intrakompartmental

IB niedriggradig, extrakompartmental

IIA hochgradig, intrakompartmental

IIB hochgradig, extrakompartmental

III jeder Grad, Metastasen

Tabelle 2 a

Gradingsystem (UICC 2003).

Grading Beschreibung

GX histologisches Grading kann nicht beurteilt werden

G1 hoch differenziert

G2 mäßig differenziert

G3 schlecht differenziert

G4 undifferenziert

Tabelle 2 b

Varianten des histopathologischen Gradingsystems.

TNM

ZweistufigesSystem

DreistufigesSystem

VierstufigesSystem

niedriggradig G1 G1G2

hochgradig G2G3

G3G4

322

Systemerkrankungen

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê317 ± 344

In diesen Therapieoptimierungsstudien, insbesondereim EURAMOS−1− und EURO−E.W.I.N.G.−99−Protokoll,wird nach der Diagnosesicherung primär eine Induk−tionschemotherapie durchgeführt. Ziel ist es, ein lokalesTumoransprechen zu erreichen und gleichzeitig okkulteMetastasen/zirkulierende Tumorzellen zu devitalisie−ren. Nach einem mehrwöchigen Intervall folgt dann inder Regel die Resektion des Primärtumors. In Abhängig−keit vom Ansprechen (Tab. 5) auf die neoadjuvanteChemotherapie (bei Patienten mit hochmalignen Os−teosarkomen und der Gruppe der Ewing−Sarkome) undunter Berücksichtigung der Risikoeinschätzung (beiPatienten mit Tumoren der Ewing−Sarkomgruppe) istpostoperativ, also adjuvant, eine Stratifizierung dersystemischen Chemotherapie in verschiedenen Thera−piearmen obligat.

n Patientenaufklärung

Diese Aufgabe hat in der Behandlung der meist jungenPatienten einen sehr wichtigen Stellenwert. Bei extre−mitätenerhaltenden Operationsverfahren, insbesondereder Tumorendoprothetik, müssen die Patienten als auchdie Eltern darüber aufgeklärt werden, dass es sich umkein dauerhaftes Rekonstruktionsverfahren handelt.Revisionen werden nach Heilung der Erkrankung auf−treten und ein Wechsel der Tumorendoprothese istnicht beliebig oft durchführbar. Komplikationen wieInfektionen, Ermüdungsbrüche, Verschleiß, Lockerungtreten häufig auf. Ebenso kann im Verlauf bei noch nichtausgewachsenen Patienten eine Beinlängendifferenzresultieren. Die Belastungsfähigkeit der betroffenenKörperregion bleibt in der Regel dauerhaft einge−schränkt, sodass Limitationen z. B. bei der sportlichenBetätigung resultieren können.

Noch wesentlich anspruchsvoller ist die Aufklärungim Falle einer nicht zu vermeidenden Amputation, sei esunter kurativer oder palliativer Intention. Hier müssender Patient und die Angehörigen frühzeitig in diesenBewältigungsprozess einbezogen werden. Nur so bleibtdie Zeit, die Entscheidung zu verarbeiten, zu akzeptie−ren, für die Zukunft zu planen und sein Umfeld daraufvorzubereiten. Diese Phase kann hilfreich durch aus−führliche Informations− und Aufklärungsgespräche un−ter Einbeziehung des psychosozialen Dienstes, ggf. derOrthopädietechnik und Kontakte zu bereits amputier−ten Patienten unterstützt werden. Keinesfalls sollte beider primären Diagnosestellung ein Extremitätenerhaltzu optimistisch favorisiert werden, um im Falle einerdann doch notwendigen Amputation, z.B. aufgrund ei−nes Tumorprogresses unter der neoadjuvanten Chemo−therapie oder einer pathologischen Fraktur, das Ver−trauen in die Behandlung und die behandelnde Kliniknicht zu verlieren.

n Operative Therapie

Die operative Therapie maligner Knochentumoren wirdvon den Faktoren Entität, Grading, Ausdehnung undLokalisation, anderseits auch von generellen Faktorenwie z.B. dem Vorhandensein einer Metastasierung, demAlter des Patienten, seinem Allgemeinzustand und derPrognose bestimmt. Grundsätzlich wird ein kurativerAnsatz bei Osteosarkomen und Sarkomen der Ewing−Gruppe selbst im Fall einer bereits vorhandenen Metas−tasierung angestrebt. Das Ziel ist die Entfernung desprimär malignen Knochentumors im Gesunden, d. h. dieR0−Resektion. In den meisten Fällen wird eine weite,seltener eine radikale Resektion durchgeführt. Margi−nale und intraläsionale Resektionen sind bei primärmalignen Knochentumoren aufgrund der resultieren−den hohen Rezidivrate inadäquat (Tab. 6).

Um eine weite/radikale Resektion realisieren zukönnen, ist eine optimierte präoperative Planung derResektion als auch der Rekonstruktion des resultieren−den Defektes erforderlich. Für diese Planung bleibt demoperativen Team meist ein zeitliches Intervall von mehrals 10 Wochen, der Phase der neoadjuvanten Therapie

Tabelle 5

Histologische Regressionsgrade von Knochentumoren nach Chemotherapienach Salzer−Kuntschik (1983).

Regressionsgrad Effekt

I keine vitalen Tumorzellen Responder

II einzelne vitale Tumorzellen oder einevitale Tumorinsel < 0,5 cm

Responder

III weniger als 10 % vitales Tumorgewebe Responder

IV 10 ± 50 % vitales Tumorgewebe Non−Responder

V mehr als 50 % vitales Tumorgewebe Non−Responder

VI kein Effekt der Chemotherapie Non−Responder

Tabelle 6

Chirurgische Resektionsgrenzen nach Enneking.

Typ Resektionsebene

intraläsional in der Läsion

marginal in der reaktiven Zone extrakapsulär

weit außerhalb der reaktiven Zone im gesunden Gewebe

radikal außerhalb des Kompartmentes

323

Maligne Tumoren des muskuloskelettalen Systems

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê317 ± 344

entsprechend. Hier kann abgewogen werden, ob in Ab−hängigkeit von der Tumorlokalisation, der Tumorgröße,dem Patientenalter, dem Ansprechen auf die neoadju−vante Chemotherapie, der Prognose und nicht zuletztder Compliance des Patienten die Rekonstruktion mit−tels Tumorendoprothesen, Allografts, den verschiede−nen Möglichkeiten der biologischen Verfahren oderin seltenen Fällen doch eine Amputation mit dem Zielder lokalen Tumorkontrolle indiziert ist. Derzeit könnenin den entsprechenden Zentren (siehe Verzeichnis desOperationspanels des EURAMOS−1−Protokolls) mehr

als 85 % der Patienten extremitätenerhaltend operiertwerden.

" Die Indikation zur Amputation sollte erst nach Ein−holung einer Zweitmeinung erfolgen, insbesondere umden betroffenen Patienten die Sicherheit zu geben, dassdiese Empfehlung korrekt ist. Die Indikation zur Ampu−tation ist dann kein Versagen der Therapie oder ein Un−vermögen des Operateurs, sondern eine reelle Chanceauf eine Heilung der malignen Erkrankung im Prozessder multimodalen Therapie.

Abb. 6 n

Osteosarkomder linken proxi−malen Tibia.a Röntgenologi−sche Darstellung.b Demonstrationdes Präparates.Die Resektion er−folgte nach Ab−schluss der neo−adjuvanten Poly−chemotherapie.

c Intraoperativer Situs nach Implantation einer Tumorendoprothese ¹proximaler Tibiaersatz“. Funktionelle Rekonstruktion des Streckapparates desKniegelenkes mittels eines Anbindungsschlauches sowie eines medialen Gastrocnemius−Flaps, der ventralisiert und mit dem Lig. patellae am Anbin−dungsschlauch fixiert wird. Postoperativ darf die Beugung im Kniegelenk erst nach 4 ± 6 Wochen geübt werden. d Postoperatives Ergebnis im Rönt−genbild.

324

Systemerkrankungen

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê317 ± 344

Weite ResektionDiese Strategie gilt als Standard der operativen Therapiemaligner Knochentumoren. Eine Schicht gesunden Ge−webes muss den Tumor allseits bedecken. Der Biopsie−kanal wird inklusive der Redon−Austrittsstelle ge−schlossen mitreseziert. Im Bereich des spongiösenKnochens ist eine Sicherheitszone von maximal 3 cmgesunden Gewebes ausreichend. Über die Beutung deroffenen Wachstumsfuge als sichere Grenze bzw. denAbstand zu ihr gibt es keinen Konsens. Wissenschaftlichvalidierte Daten, die exakt einen onkologisch erforder−lichen Sicherheitsabstand definieren können, fehlenweitgehend. Dementsprechend ist die R0−Resektion dasZiel der operativen Therapie von Tumoren des musku−loskelettalen Systems.

Radikale ResektionDiese Form der operativen Therapie bei Knochentumo−ren ist heutzutage aufgrund der präzisen Bildgebungnur selten indiziert. Die radikale Resektion wäre z.B. dieResektion eines Osteosarkoms des distalen Femurs un−ter Mitnahme des gesamten Femurs.

AmputationenIn den letzten 2 Jahrzehnten ist die Zahl der Amputa−tionen deutlich gesunken, hat jetzt jedoch eine Plateau−phase erreicht.

Mögliche Indikationen zur Amputation:n ausgedehnte Sarkome mit Infiltration von Gelenk−

strukturen und des Gefäß−Nerven−Bündelsn exulzerierte Tumorenn Progression unter neoadjuvanter Therapien eine pathologische Frakturn seltene distale Tumorlokalisationen

e Klinisches Bildmit einem gutenfunktionellen Er−gebnis.

Gerade im Bereich des Unterschenkels sind die Funktionund die Lebensqualität nach einer Amputation ver−gleichbar mit einem Zustand nach einer aufwendigenRekonstruktion.

Rekonstruktive VerfahrenBei primär malignen Knochentumoren resultiert inAbhängigkeit von der Tumorlokalisation die Notwen−digkeit zur Rekonstruktion des resezierten Skelettab−schnittes. Ausnahmen können Tumormanifestationender proximalen Fibula, der Skapula, der Thoraxwandund partiell des Beckens sein, die keiner ossärenRekonstruktion bedürfen. Insbesondere im Bereich derstatisch belasteten Extremitäten ist auf eine Defekt−rekonstruktion meist nicht zu verzichten.

Stellenwert der Tumorendoprothetik. Die Tumorendo−prothetik wird auch zukünftig bei der Rekonstruktiongelenknaher Defekte nach Resektion primär malignerKnochentumoren dominieren. Die 5− bzw. 10−Jahres−Standzeiten von Tumorendoprothesen liegen bei67± 87 % resp. 55 ± 71 %. Da es sich überwiegend umjunge Patienten handelt, sind Revisionseingriffe beianhaltender Tumorfreiheit eine unerwünschte undnicht zu vermeidende Folge. Insbesondere Infektionen,Lockerungen, Verschleiß der Gelenkkomponenten undErmüdungsbrüche sind Anlass zur Revision bzw. zumWechseleingriff. Jeder Wechseleingriff erhöht dasRisiko einer neuen Komplikation, sodass als ultima ratioder Verlust der betroffenen Extremität drohen kann.Dieses Problem ist den jungen Patienten bewusst. DerVorteil der Tumorendoprothetik liegt in der hohenPrimärstabilität und guten Funktionalität. Die Fixationder verbliebenen Band− und Muskelstrukturen an derEndoprothese wird unter Anwendung eines sog. Anbin−dungsschlauches und einer myoplastischen Rekons−truktion angestrebt (Abb. 6). Es können ossäre Defekte

325

Maligne Tumoren des muskuloskelettalen Systems

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê317 ± 344

des Humerus, des Femurs, der Tibia und partiell desBeckens endoprothetisch rekonstruiert werden. Diebesten funktionellen Ergebnisse werden mit der Im−plantation eines distalen Femurersatzes, gefolgt vomproximalen Tibiaersatz erzielt. Limitationen der endo−prothetischen Rekonstruktionsmöglichkeiten liegeninsbesondere im Patientenalter. Gerade bei Kindern isttrotz einiger ermutigender Ergebnisse nach Implanta−tion von Tumorendoprothesen, sog. ¹Wachstumsendo−prothesen“, die Indikation stets kritisch und keinesfallszu großzügig zu stellen. Unter einem Patientenalter von8 Jahren ist eher Zurückhaltung angezeigt. Hier ist imBereich der unteren Extremität die Umkehrplastik einesolide und dauerhafte Alternative, die dem Kind mehrnutzt als die spätere Enttäuschung der Eltern, wenn in−folge von Komplikationen (Infektion, Beinverkürzung,stets wiederkehrende Hospitalisierung) die Amputation

nicht zu umgehen ist und nicht selten vom Kind selbstgefordert wird.

Stellenwert des Allografts. Der Vorteil der Allografts liegtin der Konzeption, einen Skelettabschnitt, insbesondereim Bereich der Extremitäten, anatomisch gerecht miteinem autoklavierten Fremdknochen (Abb. 7), ggf. inKombination mit einer Endoprothese (Composite−Allo−graft), zu rekonstruieren und die Möglichkeit der Rein−tegration des Transplantates, sowohl ossär als auch inden Weichteilen, zu nutzen. Zum Ende der Tumorresek−tion wird das Allograft in einer Ringerlaktat−Lösung(60 8C) aufgetaut, präpariert und zugeschnitten. An−schließend wird das Allograft in den resultierenden De−fekt eingepasst, der Kapsel−Band−Apparat rekonstruiertund mit einer Osteosynthese stabilisiert. Nach einermehrwöchigen Immobilisierung im Gipsverband er−folgt der stetige Belastungsaufbau in Abhängigkeit vomröntgenologischen Ergebnis. Beim Versagen dieses Re−konstruktionsverfahrens bleibt als Alternative die Im−plantation einer Tumorendoprothese bestehen. Primärhohe Komplikationsraten wie Infektionen (11 %), Frak−turen (19%), Pseudarthrosen (35 %), die fehlende primä−re Belastungsstabilität und das begrenzte Angebot ausentsprechenden Knochenbanken führte im deutsch−

Abb. 7 n Hochmalignes Osteosarkom der rechten proximalen Tibia.a Röntgenbild. b Demonstration des Allografts (vor dem Zuschnitt) unddes Resektates. c Postoperatives Röntgenbild nach Rekonstruktion derproximalen Tibia mit einem osteoartikulärem Allograft.

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê317 ± 344326

Systemerkrankungen

sprachigen Raum zu einer eher seltenen klinischen An−wendung.

Stellenwert der biologischen Rekonstruktionen. Biologi−sche Rekonstruktionen ossärer Defekte erheben denAnspruch einer dauerhaften Versorgung. Unilateralegefäßgestielte als auch nichtgefäßgestielte Fibulatrans−planate werden für die verschiedensten Rekonstruktio−nen der oberen und unteren Extremität verwandt. DerVorteil der gefäßgestielten Implantate wurde tierexpe−rimentell und anhand klinischer Studien eindeutignachgewiesen. An der unteren Extremität wird unterfunktionellen Aspekten eine frühzeitige Belastungssta−bilität angestrebt. Die Fibula kann dementsprechend alsunilaterales Transplantat zur Rekonstruktion der langenRöhrenknochen der unteren Extremität diese Aufgabenur bedingt oder erst nach einem langen zeitlichen In−tervall, in dem eine Hypertrophie des unilateralen Fi−bulatransplantates eingetreten ist, erfüllen. Je jüngerdie Patienten sind, desto schneller ist das ossäre Remo−deling zu erwarten. Bei malignen Tumoren der Tibiakann daher bei jungen Patienten die ipsilaterale Fibulaals ¹Fibula pro Tibia“ für die Rekonstruktion ausrei−chend sein, da eine Hypertrophie des Fibulainterpona−tes zu erwarten ist. Im unmittelbar postoperativen Ver−lauf ist eine längerfristige Entlastung bzw. Teilbelastung

des betroffenen Beines in Kauf zu nehmen. Dieser nichtzu umgehende Kompromiss kann weitere Komplikatio−nen wie die muskuläre Insuffizienz, Demineralisierungdes originären Knochens als auch des Transplantatesund pathologische Frakturen nach sich ziehen.

Neben dem Manteltransplantat, das eine Kombina−tion aus einem autologen Fibulatransplantat und einemAllograft darstellt, kann auch ohne ein körperfremdesImplantat eine Verbesserung der Primärstabilität unddamit eine Verkürzung der Rekonvaleszenz durch einbilaterales Fibulatransplantat (Fibula pro Tibia + freiesFibulainterponat der kontralateralen Seite für tibialeDefekte oder bilaterales freies Interponat für femoraleDefekte) erreicht werden. Dieses Rekonstruktionsver−fahren ist im Vergleich zur Tumorendoprothetik unddem unilateralen Fibulainterponat operationstechnischaufwendiger. Im Bereich der Tibia wird die unilateraleFibula in den ossären Defekt eingeschwenkt, sodass nurdie Gefäße der kontralateralen Fibula mikrochirurgischanastomosiert werden müssen (Abb. 8). Bei der Re−konstruktion von femoralen Defekten kann mittels ei−nes bilateralen freien Fibulainterponates die primäreStabilität erhöht und der Belastungsaufbau beschleu−nigt werden. Die Osteosynthese gewährleistet eine pri−märe Übungsstabilität, bei winkelstabilen Implantatenauch eine partielle Belastungsfähigkeit. Unter Berück−

Abb. 8 n a Postoperatives Röntgenbild eines 10−jährigen Mädchens nach Resektion eines Ewing−Sarkoms der linken distalen Tibia (und Z.n. neoadjuvanter Chemotherapieim Rahmen des EURO−E.W.I.N.G.−99−Protokolls). Der knöcherne Defekt wurde im Sinne einer biologischen Rekonstruktion mit einem bilateralen Fibulainterponat rekons−truiert. Das ipsilaterale Transplantat wurde eingeschwenkt, das kontralaterale als freies, gefäßgestieltes Fibulatransplantat und mit einer Osteosynthese stabilisiert.b Bereits 4 Monate postoperativ ist eine beginnende knöcherne Einheilung röntgenmorphologisch nachzuweisen. c Röntgenbild 12 Monate postoperativ mit gutemRekonstruktionsergebnis. Die Vollbelastung des Beines wurde nach Abschluss des 8. postoperativen Monats freigegeben.

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê317 ± 344 327

Maligne Tumoren des muskuloskelettalen Systems

sichtigung der Tatsache, dass die Patienten im Rahmender Therapieoptimierungsstudien eine postoperativeChemotherapie erhalten (bei der Gruppe der Ewing−Sarkome ggf. zusätzlich Radiotherapie), ist eine innereFixierung (Plattenosteosynthese, Kirschner−Draht usw.)einem Fixateur externe vorzuziehen. Das Ziel besteht inder Reduktion des Infektionsrisikos in den Phasen derPanzytopenie. Ein weiterer Grund für die innere Fixie−rung ist in der nicht generell notwendigen Entfernungdes Osteosynthesematerials zu sehen.

Der Belastungsaufbau wird in Abhängigkeit von derknöchernen Reintegration des Fibulatransplantates in−dividuell vorgenommen. Eine Limitation des bilateralenFibulainterponates wird einerseits durch die Lokalisa−tion des Tumors und andererseits durch die Ausdeh−nung desselben vorgenommen. Für die bilaterale Fibu−lainterposition sind Tumorlokalisationen in derDiaphyse und im metadiaphysären Übergang der lan−gen Röhrenknochen der unteren Extremität zu favori−sieren. Bei ossären Defekten von weniger als 10 cm imBereich der Metadiaphysen der langen Röhrenknochender unteren Extremität kann bei Jugendlichen und Er−wachsenen neben der Defektrekonstruktion mittels derunilateralen Fibulainterposition, dem Manteltransplan−tat und der Tumorendoprothetik auch die sog. ¹doublebarrel fibula“ zur Anwendung kommen.

Wenn immer möglich, sind biologische Rekonstruk−tionen ossärer Defekte anzustreben. Im Bereich deroberen Extremität kann ein unilaterales, gefäßgestieltesFibulainterponat für die Ulna, den Radius als auch denHumerus genutzt werden. Ein spezielles Verfahren beikleinen, proximalen Humerustumoren stellt das Re−konstruktionsverfahren ¹Clavicula pro Humeri“ dar.Hier wird die Klavikula in den resultierenden Defekteingeschwenkt und mit einer speziellen Plattenosteo−synthese fixiert. Pseudarthrosen werden nicht seltenbeobachtet.

Weitere Operationstechniken der biologischenRekonstruktion sindn die Hüftverschiebeplastik,n der Tibiaspan,n der Beckenspan (ggf. gefäßgestielt).

Modifizierte Amputationen. Modifizierte Amputationenwie die Umkehrplastik haben vor allem im Kindesalterihren festen Stellenwert im orthopädisch−onkologi−schen Operationsspektrum. Bei dieser Technik wirdunter Erhalt des N. ischiadicus der tumortragende Ex−tremitätenabschnitt reseziert. Danach wird der Unter−schenkel um 1808 gedreht und je nach Resektionstyp(Winkelmann 1993) am Femur oder am Becken fixiert(Abb. 9). Es handelt sich hier um eine sinnvolle Alterna−tive zur Amputation mit einem deutlich besseren funk−tionellen Outcome als dauerhaftes Rekonstruktionser−gebnis. Der Nachteil liegt im kosmetischen Ergebnis, dermehr für die Eltern als für die jungen Patienten im Vor−dergrund steht.

Ziele der Kinder sindn Funktionalität,n Sicherheit,n Dauerhaftigkeit,n möglichst wenig Krankenhausaufenthalte.

Abb. 9 n a Klinisches Ergebnis nach Umkehrplastik (Typ IA) eines 8−jährigen Jungen aufgrundeines Osteosarkoms des linken distalen Femurs ohne Prothese. Das linke Sprunggelenk (um1808 gedrehter Unterschenkel) befindet sich in Höhe des rechten Kniegelenkes. Vorausset−zung für diese OP−Technik ist der Erhalt des N. ischiadicus, um die Funktion im Sprunggelenkals ¹Neo−Kniegelenk“ ermöglichen zu können. b Klinisches Ergebnis mit angelegter Prothese(1 Jahr postoperativ), funktionell und kosmetisch akzeptabel. Es handelt sich in der Regel umeine einmalige Operation mit einem dauerhaften Rekonstruktionsergebnis und geringerKomplikationsrate.

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê317 ± 344328

Systemerkrankungen

Zu dieser Gruppe der operativen Techniken, die zu einerVerkürzung der betroffenen Extremität führen, kannauch die Resektion nach Tikhoff−Linberg gezählt wer−den. Bei schultergelenküberschreitenden Tumorenunter Einbeziehung von proximalem Humerus und derSkapula kann bei Erhalt des Gefäß−Nerven−Bündelsnach der Resektion des tumortragenden Areals der ver−kürzte Arm am Rumpf refixiert werden. Vorteile sindder Erhalt der Ellenbogen− und insbesondere der Hand−funktion.

Nachsorge

Die Nachsorge von Patienten mit Osteosarkomen undder Gruppe der Ewing−Tumoren wird entsprechend derEmpfehlungen der Therapieoptimierungsstudien vor−genommen. Neben der lokalen und systemischen Tu−mor−Kontrolle sind zunehmend auch Aspekte des funk−tionellen Outcome, der Lebensqualität, der Häufigkeitvon Sekundärmalignomen und therapiebedingterLangzeitkomplikationen (z. B. Schwerhörigkeit, Herz−insuffizienz, Niereninsuffizienz) in den Mittelpunktdes klinischen Interesses der meist jungen Patientengetreten.

Komplikationen und Komplikationsmanage−ment nach Tumorendoprothesen

In der orthopädischen Tumorchirurgie gelten die glei−chen postoperativen Regeln wie in der Standardendo−prothetik. Neben der medikamentösen und physiothe−rapeutischen Thromboseprophylaxe sollten die peri−und postoperative Infektprophylaxe nach Tumorresek−tionen und anschließender Rekonstruktion für 3 ± 7Tage appliziert werden. Drainagen im Bereich vonTumorendoprothesen sollten am 3.± 5. Tag entferntund nachfolgende Serome unter sterilen Bedingungenpunktiert werden. Die Gründe für die erhöhte Kom−plikationsrate nach Implantation von Tumorendopro−thesen liegen inn der Immunsuppression während der Chemotherapie,n der oft nur geringen Weichteildeckung nach ausge−

dehnten Resektionen,n dem vielfach fehlenden Bandapparat,n der erhöhten Beanspruchung aufgrund des oftmals

jugendlichen Alters der Patienten.

Die am schwierigsten zu behandelnde Komplikation istdie Infektion. Bei Tumorendoprothesen im Bereich desKniegelenkes liegen die Infektionsraten bei fast 18 %,während aseptische Lockerungen noch häufiger auftre−ten. Bei Frühinfektionen wird der Versuch unternom−men, durch eine (ggf. wiederholte) Jet−Lavage sowie ei−ner kalkulierten Antibiose die Endoprothese in situ zubelassen. Bei Spätinfektionen führt dieses Vorgehen

nicht zum Erfolg. Hier sind in der Regel die kompletteEntfernung der Endoprothese inklusive eines sorgfälti−gen DØbridements notwendig, um zweizeitig nach Aus−heilung des Infektes eine erneute Endoprothesenim−plantation anstreben zu können. Gerade in diesenSituationen sowie bei schlechter Weichgewebedeckungwie im Bereich der distalen Tibia scheint sich die An−wendung von silberbeschichteten Implantaten zuneh−mend zu bewähren (Abb. 10).

Abb. 10 n

Silberbeschich−tetes Implantat¹distaler Tibia−ersatz“ mit demZiel der Infekt−prävention.a IntraoperativeDarstellung.b PostoperativesRöntgenbild.

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê317 ± 344 329

Maligne Tumoren des muskuloskelettalen Systems

Prognose

Die Prognose der primär malignen Knochentumore,insbesondere des Osteosarkoms und der Gruppe derEwing−Sarkome, hat sich nach Einführung der systemi−schen Chemotherapie und dank der kontinuierlichenArbeit der pädiatrischen und medizinischen Onkologendeutlich verbessert.

Konnte Ende der 70er−Jahre nur kasuistisch über dieHeilung eines Patienten mit einem Osteosarkom nachsofortiger Amputation berichtet werden, so ist derzeitim Rahmen der Therapieoptimierungsstudien ein5−Jahres−Überleben beim lokalisierten, hochmalignenOsteosarkom der Extremitäten im Alter bis 40 Jahre von71,2% zu erreichen. Die wichtigsten prognostischenFaktoren sind hierbei das Ansprechen auf die neoadju−vante Chemotherapie, das Tumorvolumen, das Lokal−rezidiv und damit einhergehend die Metastasierung.Ausschließlich hoch differenzierte (G1) Osteosarkomewerden alleinig operativ behandelt.

Bei den Patienten der Gruppe der Ewing−Sarkomeist die Prognose trotz eines ebenfalls multimodalenTherapiekonzeptes etwas schlechter. Die Tumoren derEwing−Gruppe sind ausnahmslos per definitionemhochmaligne (G4) und als Systemerkrankung zu wer−ten. Das entspricht auch der Kenntnis, dass ein Patientmit einem Ewing−Sarkom mit einer alleinigen Opera−tion nicht heilbar ist. Das 5−Jahres−Überleben liegt imRahmen der Therapieoptimierungsstudie (EURO−E.W.I.N.G.−99−Protokoll) bei 60 % im primär nicht(nachweisbar) metastasierten Stadium der Erkrankung.Der Stellenwert der systemischen Chemotherapie undder Strahlentherapie steht in dieser Konzeption außerFrage. In neueren Untersuchungen konnte aufgezeigtwerden, dass die Resektion des Primärtumors (meist inKombination mit der Strahlentherapie) mit einer Ver−besserung des Überlebens im Vergleich zur alleinigenStrahlentherapie des Primärtumors um etwa 10% ein−hergeht. Dementsprechend ist, wenn operationstech−nisch möglich, die R0−Resektion stets anzustreben.

Bei Patienten mit einem Chondrosarkom variiert diePrognose stark in Abhängigkeit vom Grading. So liegtdie 5−Jahres−Überlebensrate bei G1−Tumoren über 90 %und beim dedifferenzierten Chondrosarkom deutlichunter 20%. Gerade hier wird der Stellenwert der Che−motherapie, trotz des meist höheren Patientenalters,im Rahmen des Therapieprotokolls für Patienten mithochmalignen Knochentumoren nach dem 40. Lebens−jahr (EURO−B.O.S.S.) im Verlauf der nächsten Jahre ab−zuwarten sein.

Perspektiven

Während die Chemotherapie bei Patienten mit Osteo−sarkomen und der Gruppe der Ewing−Sarkome dieÜberlebensrate deutlich steigern konnte, sind bisher fürChordome und Chondrosarkome (außer dedifferen−zierte Chondrosarkome ± EURO−B.O.S.S.) keine syste−mischen Therapiekonzepte etabliert. Aufgrund der Sel−tenheit dieser Tumoren können diese Fragestellungennur in multizentrischen Studien evaluiert werden. Ge−rade beim Chordom ist der Stellenwert der systemi−schen Chemotherapie (insbesondere Methotrexat) undder Therapie mit Imatinib Gegenstand aktueller undzukünftiger Studien.

Die Positronenemissionstomografie (PET) ist bei pri−mär malignen Knochentumoren sowohl bei der primä−ren Diagnostik, bei der Evaluation des Ansprechens aufeine neoadjuvante Therapie als auch der Verlaufskon−trolle nur in klinischen Studien gerechtfertigt.

Weichgewebesarkome

Epidemiologie

Weichgewebesarkome sind mit einer Inzidenz von 2 ± 3Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohnern und Jahrselten und machen 1 ±2 % aller malignen Neoplasien imErwachsenenalter aus. In Deutschland sind etwa 2500Neuerkrankungen im Erwachsenenalter pro Jahr zuerwarten. Der Erkrankungsgipfel liegt in der zweitenLebenshälfte und Frauen erkranken etwas häufiger alsMänner. Am häufigsten tritt das Weichgewebesarkomim Bereich der unteren Extremität (ca. 45 %), gefolgt vonder oberen Extremität (15%), dem Stamm und dem Re−troperitoneum auf. 2/3 der Tumoren sind extrakompart−mental und 1/3 intrakompartmental lokalisiert (Campa−nacci 1990). Weichgewebesarkome stellen eine sehrheterogene Gruppe von malignen Tumoren dar. Sieschließen alle Tumoren des nichtepithelialen Gewebes(Muskulatur, Fettgewebe, Bindegewebe, Gefäße usw.)ein. Etwa 50 verschiedene Entitäten können immun−histologisch differenziert werden. Das Liposarkom istder häufigste Vertreter mit mehr als 20 %. Die Ätiologieder Weichgewebesarkome ist weitgehend unbekannt.Zum Zeitpunkt der primären Diagnostik weisen etwa30% der Patienten ein Stadium I (UICC 2003), 30% einStadium II, 20 % ein Stadium III und 20 % ein Stadium IVauf.

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê317 ± 344330

Systemerkrankungen

Diagnostik

n Klinik

Das häufigste primäre Symptom eines Weichgewebe−sarkoms der Extremitäten ist die indolente Schwellung.Schmerzen und eine resultierende Funktionseinschrän−kung sind meist erst infolge einer ausgedehnten Tumor−manifestation zu beobachten. Dementsprechend wer−den auch heute nicht selten Primärtumore in einermaximalen Ausdehnung von mehr als 30 cm diagnosti−ziert. Im Bereich des Retroperitoneums, des Abdomensund des Thorax können die Symptome stark variierenund sind meist unspezifisch, sodass diagnostischeund insbesondere therapeutische Fehleinschätzungenauftreten, die zu einer Verzögerung einer adäquatenBehandlung führen können. Da die Ursachen einerSchwellung vielfältig sind, wird häufig nicht an die Dif−ferenzialdiagnose eines Weichgewebesarkoms gedacht.Folgen sind ungeplante Operationen von Weichgewebe−sarkomen unter der Verdachtsdiagnose Lipom, Fibromoder posttraumatisches Hämatom, die eine Therapie−verzögerung und im ungünstigen Fall eine Verschlech−terung der Prognose nach sich ziehen können.

" Häufigstes primäres Symptom: indolente Schwellung.

Die Erhebung der Anamnese und die körperliche Unter−suchung stellen einen Eckpfeiler des diagnostischenAlgorithmus dar. Sind die folgenden 5 Kriterienn Alter des Patienten > 50 Jahre,n Tumorgröße > 8 cm,n schnelle Größenprogression,n Schmerzen,n tiefe subfasziale Lokalisationerfüllt, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um einWeichgewebesarkom handelt, sehr hoch.

n Bildgebende Verfahren

Sonografie. Die Sonografie ist eine schnell durchführba−re und hoch effektive Untersuchungsmethode bei derBeurteilung einer Weichgewebeschwellung und sollteder klinischen Untersuchung unmittelbar folgen. Sie istin der Lage, die Größe der Läsion, die Lokalisation (tief,oberflächlich, Kompartmentzugehörigkeit), die Ab−

grenzung zu Nachbarstrukturen (glatt begrenzt, infil−trativ wachsend), die Binnenstruktur (zystisch, solide,gemischt) und den regionalen Lymphknotenstatus dar−zustellen. Weitere Vorteile bestehen in der Wiederhol−barkeit der Untersuchung und damit der exakten Ver−laufsbeurteilung.

MRT. Die MRT ist derzeit die sensitivste Untersu−chungsmethode bei der Beurteilung eines Weichgewe−betumors. Sie ermöglicht im Vergleich zur CT einedeutlich detailgenauere und kontrastreichere Darstel−lung der Weichteile. So können mit der MRT einzelneMuskelgruppen sowie Gefäß− und Nervenstränge abge−grenzt werden, sodass präoperativ eine genauere Zu−ordnung der extra− und intrakompartmentalen Aus−breitung ermöglicht wird. Des Weiteren kann durch diefreie Wahl der Abbildungsebenen in der MRT die Tu−morausbreitung in allen Raumebenen beurteilt werden.Die Heterogenität der Weichteilsarkome kann anhandkontrastmittelgestützter Aufnahmen sicher beurteiltwerden. Grundsätzlich sollte die MRT mit einer für dieKörperregion geeigneten Oberflächenspule zur besse−ren Auflösung durchgeführt werden. Insbesondere fürden Ober− und Unterarm sowie den Unterschenkel soll−ten flexible Oberflächenspulen gewählt werden. DasUntersuchungsprotokoll sollte neben nativen T1− undT2−Sequenzen auch T1−Sequenzen nach intravenöserKontrastmittelapplikation beinhalten, entsprechendder Leitlinien der Bundesärztekammer und der EORTC.

PET. Die Positronenemissionstomografie (PET) als funk−tionell−metabolische Bildgebung hat derzeit außerhalbvon klinischen Studien keine Relevanz.

n Histologische Diagnostik

Nach Abschluss der klinischen und bildgebenden Diag−nostik erfolgt bei dem Verdacht auf einen malignenWeichgewebetumor obligat die histologische Siche−rung. Ausschließlich kleine (< 3 cm) und oberflächlichlokalisierte Tumoren können primär ohne funktionelleEinschränkungen weit reseziert werden. Alle anderenTumoren werden primär bioptiert. Die Biopsie setzt be−reits ein interdisziplinäres Konzept voraus. Feinnadel−biopsien führen zu einer korrekten Diagnose (Typisie−rung und Grading) in 72 %, Stanzbiopsien in 91 % und dieoffene Biopsie in etwa 98 %.

Die offene Biopsie bietet mehrere Vorteile:n Sie ist am ergiebigsten hinsichtlich des gewonnenen

Tumorvolumens und ermöglicht neben der intra−operativen Schnellschnittdiagnostik auch die Asser−vierung von Gewebe für die Tumorbank (molekular−genetische Diagnostik).

Hintergrund

Diagnostische Kaskade.

n Anamnesen körperliche Untersuchungn Sonografie

n MRTn Histologie

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê317 ± 344 331

Maligne Tumoren des muskuloskelettalen Systems

n Die Schnellschnittdiagnostik gibt vor allem darüberAuskunft, ob repräsentatives Tumorgewebe vorhan−den ist, sodass letztendlich eine exakte Diagnostik infast 100% der Fälle resultiert.

n Weiterhin kann die Schnellschnittpathologie in denmeisten Fällen die Frage beantworten, ob es sich umein Sarkom, Karzinom, Lymphom oder einen inflam−matorischen Prozess handelt.

Der Nachteil der offenen Biopsie liegt definitionsgemäßin der Invasivität des Verfahrens begründet. Die Biopsieist von dem onkologischen Chirurgen/Orthopäden sozu planen, dass der Tumor auf dem kürzesten Wegerreicht und die definitive Tumorresektion nicht behin−dert wird. Offene Biopsien werden an den Extremitätenohne Ausnahme mit einem längs verlaufenden Haut−schnitt durchgeführt. Der Hautverschluss sollte intra−kutan erfolgen, die Einlage einer Wunddrainage imSchnittverlauf ist obligat.

Bei Stanzbiopsien ist eine genaue anatomische Be−schreibung, besser eine Tätowierung vorzunehmen,damit bei der definitiven Tumorresektion, die ggf. erstnach einer neoadjuvanten Therapie vorgenommenwird, der Biopsiekanal im Resektat liegen kann.

" Eine falsch durchgeführte Biopsie kann die definitiveResektion nicht nur erschweren, sie kann im ungünstigenFall sogar einen mutilierenden operativen Eingriff bis hinzur Amputation initiieren (Abb. 11).

Klassifikation

Erst nach Abschluss der Diagnostik können das Tumor−stadium (Tab. 7, 8) ermittelt und die therapeutischenKonsequenzen abgeleitet werden (Tunn 2004).

Tabelle 7

TNM−Klassifikation der Weichgewebesarkome (UICC 2003).

Klassifikation Beschreibung

TX Primärtumor kann nicht beurteilt werden

T0 kein Primärtumor

T1a Tumor £ 5,0 cm, oberflächlich

T1b Tumor £ 5,0 cm, tief

T2a Tumor > 5,0 cm, oberflächlich

T2b Tumor > 5,0 cm, tief

NX regionale Lymphknoten können nichtbeurteilt werden

N0 keine regionalen Lymphknotenmetastasen

N1 regionale Lymphknotenmetastasen

MX Vorhandensein von Fernmetastasen kannnicht beurteilt werden

M0 keine Fernmetastasen

M1 Fernmetastasen

Abb. 11 n Klinischer Befund einer falsch durchgeführten Inzisionsbiopsie bei einemLiposarkom des linken Oberschenkels, proximal−ventral. Der Hautschnitt ist zu lang, dieRedon−Drainagen sind zu weit vom Hautschnitt ausgeleitet worden, sodass der gesamteventrale Oberschenkel als tumorkontaminiert anzusehen ist. Vor der Biopsie erfolgte zudemkeine bildgebende Diagnostik. Der operative Eingriff wurde unter der Verdachtsdiagnoseeines Hämatoms durchgeführt.

Tabelle 8

Stadien−Klassifikation (UICC 2003).

Stadium I T1a, T1b, T2a, T2b, N0, M0, niedriggradig

Stadium II T1a, T1b, T2a, N0, M0, hochgradig

Stadium III T2b, N0, M0, hochgradig

Stadium IV jedes T, N1, M0, jedes Gjedes T, jedes N, M1, jedes G

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê317 ± 344332

Systemerkrankungen

Therapie

n Therapeutisches Konzept

Die chirurgische Therapie ist die Basis der lokalen Tu−morkontrolle bei Patienten, die an einem Weichgewe−besarkom erkrankt sind. Die Behandlungsstrategie wirdvom Tumorstadium und der Lokalisation wesentlichbestimmt.

Das definierte Ziel im Stadium I± III ist die R0−Resek−tion. Die primär operative Therapie eines Weichgewe−besarkoms kann bei etwa 45 % der Patienten durchge−führt werden, ca. 35 % werden neoadjuvant therapiertund anschließend reseziert und ca. 20% erhalten imprimär metastasierten Stadium eine palliative systemi−sche Therapie.

" Unter kurativer Zielstellung ist unabhängig vomResektionsverfahren ausschließlich die R0−Situationanzustreben.

Intrakompartmental lokalisierte Weichgewebesarkomewerden als Kompartmentresektion oder ± häufiger ±kompartmentorientiert operiert (Abb. 12). Die Resek−tion erfolgt stets unter Mitnahme des Biopsiekanals undder Drainageausleitung. Eine Kompartmentresektion,d. h. Resektion des Muskels/der Muskelgruppe vomUrsprung bis Ansatz, ist nur bei einer Tumorkontami−nation des gesamten Kompartmentes indiziert. LiegenUrsprung und Ansatz des Muskels weit vom Tumorentfernt, können sie erhalten bleiben und für die Re−konstruktion unter funktionellen Aspekten verwandtwerden. Ein Benefit der Kompartmentresektion im

Abb. 12 n

AusgedehnteWeichgewebe−schwellung desrechten Ober−schenkels imBereich desM. quadricepsfemoris.

a Dokumentation des klinischen Befundes. Die Läsion ist laut Angabe des Patienten in einem Zeitraum von etwa einem Jahr gewachsen und führteerst in den letzten Wochen zu einem Spannungsgefühl im Oberschenkel. b In der MRT zeigt sich ein lipogener Tumor, nahezu komplett den M. qua−driceps femoris infiltrierend. Histologisch handelt es sich um ein Liposarkom. c Bei fehlendem Anhalt für eine Fernmetastasierung erfolgte die kom−partmentorientierte Resektion des M. quadriceps femoris rechts. Demonstration des Resektates. d Intraoperativer Status nach Durchführung einerStrecksehnenersatzplastik mittels einer Transposition des M. biceps femoris auf die Rektussehne. Trotz des plastisch−rekonstruktiven Verfahrens re−sultiert eine persistierende Funktionseinschränkung.

Hintergrund

Definition der Resektionen (R−Klassifikation).

R0: Tumor ist makroskopisch und histologisch im Gesundenentfernt (Kompartmentresektion, weite Resektion, Amputation)

R1: Tumor ist histologisch randbildend (marginale Resektionentlang der Pseudotumorkapsel)

R2: intraläsionale Tumorresektion

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê317 ± 344 333

Maligne Tumoren des muskuloskelettalen Systems

Vergleich zur kompartmentorientierten Resektion istunter onkologischen Gesichtspunkten nicht belegt.

Extrakompartmental lokalisierte Weichgewebesarko−me werden weit reseziert. Auch hier ist ein Sicherheits−abstand von 2±3 cm gefordert, der jedoch häufig zurFaszie, zum Knochen und auch zu Gefäß− und Nerven−strukturen nicht realisiert werden kann und nichtrealisiert werden muss. Unter Ausnutzung additiverTherapieverfahren kann durch die Mitresektion gesun−der Hüllschichten (z.B. Muskelfaszie, Periost, Knochen−lamelle, Epineurektomie, Gefäßadvetitia) eine R0−Resektion erreicht werden.

Bislang gibt es keine eindeutig belegbare und kli−nisch nachvollziehbare Definition des Begriffes ¹weiteResektion“. Die Frage ist weniger, was ist ¹weit“, son−dern was ist onkologisch ¹sicher“. Für die Klinik ist der−zeit, unabhängig ob intra− oder extrakompartmentaleTumorlokalisation, die R−Klassifikation führend, umeine Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu ermöglichen.Marginale (entlang der Pseudotumorkapsel) oder garintraläsionale Resektionen sind onkologisch inadäquatund durch additive Therapieverfahren in der Regel nichtzu kompensieren (Abb. 13).

Die Indikation zur Amputation, sowohl unter kurati−ver als auch palliativer Intention, ist nur nach Aus−schöpfung aller multimodalen Therapieoptionen undEinholung einer Zweitmeinung zu erwägen, da diePrognose durch eine Amputation in der Regel nicht po−

sitiv zu beeinflussen ist. Der Anteil extremitätenerhal−tender Eingriffe ist unter Berücksichtigung der vorhan−denen multimodalen Therapieansätze mit deutlichmehr als 80 % zu realisieren. Plastisch−rekonstruktiveVerfahren sind in mehr als 25 % der operativ therapier−ten Weichteilsarkome erforderlich.

n Patientenaufklärung

Die operative Therapie von Patienten mit Weichgewe−besarkomen der Extremitäten ist überwiegend extre−mitätenerhaltend möglich. In Abhängigkeit von der Tu−morlokalisation und der Tumorgröße sind funktionelleEinschränkungen nicht vermeidbar, die auch durch re−konstruktive Techniken nicht immer zu kompensierensind. Gerade bei tiefer Tumorlokalisation und nach Re−sektionen des Streckkompartmentes der betroffenenExtremität sind funktionelle Defizite nicht vermeidbar.Im Bereich der unteren Extremität ist die Resektion desN. ischiadicus orthopädietechnisch und funktionellbesser zu kompensieren als die Resektion des N. femo−ralis.

Im Falle einer applizierten Strahlentherapie tretenKomplikationen überdurchschnittlich häufig auf. Nacheiner präoperativen Strahlentherapie sind postoperati−ve Infektionen/Wundheilungsstörungen in etwa 35% zuerwarten. Die Wundheilung verläuft deutlich verzögert,sodass eine Entfernung der Hautfäden nicht vor demAbschluss der 3. postoperativen Woche erfolgen sollte,da ansonsten das Risiko einer Wunddehiszenz groß ist.Im Falle einer postoperativen Strahlentherapie sind ins−besondere Ödeme, Fibrosen und damit einhergehendeFunktionseinschränkungen die wesentlichen klinischenProbleme.

Jeder Patient ist auch darüber zu informieren, dassselbst nach einer extremitätenerhaltenden OperationPhantombeschwerden auftreten können.

Überwiegend werden diese funktionellen Defizitevon den Patienten akzeptiert, da als zu vermeidendeAlternative der Verlust der betroffenen Extremität alsultima ratio resultieren würde. Andererseits ist jederPatient auch so zu informieren, dass eine Amputationweder ein Versagen der Therapie ist, noch per se miteiner Verschlechterung der Lebensqualität und derPrognose einhergehen muss. Die Therapie ist alleinigabhängig von der Diagnose, der Tumorlokalisation, derTumorausdehnung und dem Ansprechen auf neoadju−vante Konzepte. Eine funktionslose Extremität nach er−folgter Tumorresektion ist weniger anzustreben als einefunktionell kompensierte Extremität nach einer gutenprothetischen Versorgung. Gerade hier ist ein erfahre−ner Operateur im interdisziplinären Team gefordert.Häufig (und zwingend erforderlich) ist der zeitlicheAufwand für die Patientenaufklärung aufwendiger alsdie Operation selbst.

Abb. 13 n Darstellung eines pleomorphenWeichgewebesarkoms des proximalenUnterschenkels in der MRT. Der Tumor istim Beugekompartieent lokalisiert. DasWeichgewebesarkom ist von einem peritu−moralen Ödem umgeben. Die sog. Tumor−

kapsel ist die aktive Wachstumsfront desWeichgewebesarkoms. Im peritumoralenÖdem sind in bis zu 2/3 der Fälle vitale Tumor−zellen nachweisbar. Hiermit ist die hoheLokalrezidivrate nach marginaler/R1−Resek−tion zu erklären.

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê317 ± 344334

Systemerkrankungen

n Neoadjuvante Therapiekonzepte

Bei lokal fortgeschrittenen Weichgewebesarkomen(ca. 35 % der Patienten), die primär nicht R0−resektabelsind, ist vor mutilierenden oder ablativen operativenVerfahren stets die Durchführung neoadjuvanter, d.h.präoperativer, Therapiekonzeptionen zu prüfen (z.B.isolierte hypertherme Extremitätenperfusion, systemi−sche Chemotherapie, Radiotherapie). Ziel ist es, durcheine lokale Tumorremission bessere Voraussetzungenfür eine sich daran anschließende Resektion zu ermög−lichen. Werden ausschließlich Extremitätenlokalisatio−nen betrachtet, so können unter Berücksichtigungdieses therapeutischen Algorithmus, auch unter Aus−nutzung plastisch−rekonstruktiver Verfahren, mehr als80% der Patienten mit Weichgewebesarkomen arm−und beinerhaltend behandelt werden.n Die isolierte hypertherme Extremitätenperfusion (ILP)

mit TNF−alpha und Melphalan hat sich in mehrerenklinischen Studien als effektive Induktionstherapiebeim lokal fortgeschrittenen und primär nichtR0−extremitätenerhaltend resektablen Weichgewe−besarkom erwiesen. Es handelt sich um eine ein−malige Therapie. Die Ansprechrate liegt zwischen

75 ± 80% (komplette Remission: 20± 30 %, partielleRemission ca. 50 %). Nach einem Intervall von 6± 8Wochen folgt die Tumorresektion (Abb. 14).

n Die systemische Chemotherapie ist im Kindesalter beider Behandlung der Weichgewebesarkome im Rah−men von Therapieoptimierungsstudien standardi−siert und etabliert (derzeit CWS−2004−Protokoll). ImErwachsenenalter ist die neoadjuvante Chemothera−pie nach wie vor Gegenstand klinischer Studien. Bis−lang besteht kein Konsens, welche Patienten in wel−chem Stadium (außer Stadium IV) mit welcherTumorentität primär von einer systemischen Che−motherapie profitieren. Die Ursachen sind vielge−staltig und liegen beispielsweise im höheren Patien−tenalter, der Komorbidität usw. begründet. DieResponseraten liegen zwischen 30± 42 %. Dement−sprechend ist die Durchführung einer neoadjuvantensystemischen Chemotherapie nur innerhalb von Stu−dienprotokollen (z.B. EORTC) zu rechtfertigen. Siekommt bei lokal fortgeschrittenem Weichgewebe−sarkom zu klinischen Anwendung und hat das Ziel,sowohl ein lokales Ansprechen zu erreichen als auchdas Risiko der Metastasierung zu reduzieren.

Abb. 14 n

Lokal rezidivier−tes und exulze−riertes Weichge−webesarkom deslinken proxima−len Unterarmes.

Mit dem Ziel des Extremitätenerhaltes wurde bei nicht nachweisbarer Fernmetastasierung unter kurativer Intention die Indikation zur isoliertenhyperthermen Extremitätenperfusion (ILP) mit TNF−alpha und Melphalan gestellt. a Klinisches Bild. b MRT−Dokumentation. c Nach einem Intervallvon 6 Wochen erfolgte die Tumorresektion (R0). d Klinisches Ergebnis 6 Monate nach Meshgraft−Plastik des Weichteildefektes.

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê317 ± 344 335

Maligne Tumoren des muskuloskelettalen Systems

n Die neoadjuvante Radiotherapie wird ebenso mit demZiel der lokalen Tumorremission und Verbesserungder Resektabilität eingesetzt. Ob sie einen Einflussauf die Fernmetastasierung hat, ist nicht belegt. ImVergleich zur adjuvanten Radiotherapie sind nacheiner neoadjuvanten Radiotherapie häufiger Wund−heilungsstörungen zu erwarten. Der Vorteil der neo−adjuvanten Radiotherapie liegt in dem kleinerenStrahlenfeld (klar definierbare Tumorgröße) und dergeringeren Dosierung.

n Adjuvante Therapiekonzepte

Als adjuvante Therapie, d. h. nach der operativen Be−handlung eines Weichgewebesarkoms, hat sich die Ra−diotherapie bei hochmalignen Tumoren bewährt. Siehat das Ziel, das Lokalrezidivrisiko, welches per se miteiner schlechteren Prognose einhergeht, zu reduzieren.Der Stellenwert einer adjuvanten Chemotherapie, un−abhängig, ob systemisch oder lokal, ist bislang nichtsicher belegt und außerhalb von Studien nicht gerecht−fertigt.

Nachsorge

Für Patienten mit Weichgewebesarkomen wird nachAbschluss der Therapie eine regelmäßige Nachsorgeempfohlen. Innerhalb der ersten 2±3 Jahre treten 80 %aller Rückfälle auf. Dementsprechend sind innerhalbder ersten 2,5 Jahre im 3−monatigen Intervall neben derklinischen Untersuchung eine Sonografie der Primärtu−morregion als auch des regionalen Lymphabflusses, ggf.MRT mit dem Ziel der Detektion eines lokalen Progres−ses zu empfehlen. Aufgrund der häufigen hämatogenenMetastasierung in die Lunge sind ebenso röntgenologi−sche Verlaufskontrollen/CT des Thorax indiziert. An−schließend sind die Kontrolluntersuchungen im 6−mo−natigen Intervall und nach 5 tumorfreien Jahren imjährlichen Intervall zu favorisieren. Bei den Low−grade−Weichgewebesarkomen sind längere Nachsorgeinter−valle akzeptiert.

Prognose

Werden alle Patienten mit Weichgewebesarkomen be−rücksichtigt, unabhängig von der Tumorentität unddem Stadium der Erkrankung, so liegt das 5−Jahres−Ge−samtüberleben zwischen 50 und 55 %. Die wichtigstenPrognosefaktoren sind das Grading, die Metastasierung,die Tumorgröße, die R−Klassifikation und das lokale Tu−morrezidiv. Selbst die Tumorentität hat einen Einflussauf die Prognose. So haben Patienten mit einem Lipo−sarkom eine deutlich bessere Prognose als mit einemmalignen peripheren Nervenscheidentumor. Das Gra−ding, die Tumorgröße und die Tumorentität sind in der

Regel nicht zu beeinflussen. Zu beeinflussen ist jedochdie R−Klassifikation. Patienten, die R0−reseziert sind,haben eine signifikant bessere Prognose, als R1− undR2−resezierte Patienten. Die Lokalrezidivrate ist nacheiner R1−Resektion erwartungsgemäß wesentlich höherund das Lokalrezidiv führt zu einer Verschlechterungder Prognose. Dementsprechend ist vor der Primärthe−rapie neben einem kompletten Staging die interdiszip−linäre Therapieplanung mit dem Ziel der R0−Resektionzu fordern.

Perspektiven

Bislang wurden Patienten mit Weichgewebesarkomenunabhängig von der Tumorentität nahezu konform the−rapiert, wobei die operative Therapie weiterhin im Mit−telpunkt steht. Als effektivste Lokaltherapie der fortge−schrittenen Extremitätensarkome hat sich die isoliertehypertherme Extremitätenperfusion klinisch bewährtund durchgesetzt.

Zukünftig sind neue Innovationen durch target−orientierte Therapien, meist systemisch, unter Berück−sichtigung der immunhistologischen und molekular−genetischen Besonderheiten der einzelnen Weich−gewebesarkome zu erwarten. Hierzu zählen bereitsheute unter anderem:n Imatinib in der Therapie des gastrointestinalen

Stromatumors und dem Dermatofibrosarcomaprotuberans

n Taxane und Sorafenib beim Angiosarkom,n Gemcitabin und Docetaxel bei Leiomyosarkomen

(Uterus)n Trabectedin bei Leiomyosarkomen und Liposarko−

menn Aromatasehemmer bei rezeptorpositiven Uterus−

sarkomen und low−grade−endometrialen Stroma−tumoren

n Topoisomerase−I−Inhibitoren bei Rhabdomyosarko−men und Tumoren der Ewing−Sarkomgruppe

Knochenmetastasen

Epidemiologie

Etwa 80% aller malignen Knochenläsionen sind durchMetastasen bedingt. Die häufigsten Karzinome, die eineoperative Therapie von Knochenmetastasen erfordern,sind Patienten mit einem Mammakarzinom, Nieren−zellkarzinom und Bronchialkarzinom. In Autopsiestu−dien konnte aufgezeigt werden, dass in 25 ±85 % derKarzinompatienten Knochenmetastasen nachzuweisensind. In Deutschland besteht eine Inzidenz von etwa40 000 neuen Patienten pro Jahr bei einer Prävalenz vonetwa 80 000 Patienten pro Jahr aufgrund des längeren

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê317 ± 344336

Systemerkrankungen

Überlebens. Das Kernproblem der Knochenmetastasie−rung im Vergleich zur viszeralen Metastasierung ist,dass Knochenmetastasen meist mit einem längerenÜberleben, aber mit einer höheren Morbidität und Be−schwerdesymptomatik einhergehen. Knochenmetasta−sen treten allein beim Mammakarzinom in etwa 80%,beim Bronchialkarzinom und Prostatakarzinom in etwa60% und beim Nierenzellkarzinom in etwa 35 % der Fäl−le auf. Insbesondere osteolytische Metastasen könnenaufgrund der resultierenden Instabilität des betroffenenSkelettabschnittes zu einer operativen Konsequenz in−folge einer pathologischen Fraktur, einer drohendenpathologischen Fraktur oder einer neurologischenKomplikation führen. Typische Metastasenlokalisatio−nen der operativen Versorgung sind die Wirbelsäule,das Becken und die Extremitäten. Knochenmetastaseneines Prostatakarzinoms sind zwar vergleichsweisehäufig, jedoch aufgrund des meist osteoblastischenCharakters und der effektiven systemischen und radio−therapeutischen Therapieoptionen nur selten operativzu behandeln.

Diagnostik

n Klinik

Die führenden Symptome von Knochenmetastasen sindder progrediente Schmerz, der akute Schmerz infolgeeiner pathologischen Fraktur, die Funktionseinschrän−kung und die neurologisch bedingte Symptomatik beimBefall der Wirbelsäule. Diese Symptomatik kann pro−longiert als auch akut auftreten. Ist eine maligneGrunderkrankung bekannt, so fällt die diagnostischeAbklärung meist leicht. In etwa 20% stellt die ossäreMetastasierung jedoch die primäre Symptomatik einerbereits disseminierten Erkrankung dar.

n Bildgebende Verfahren

Röntgen. In Analogie zu den primär malignen Knochen−tumoren ist die röntgenologische Untersuchung dersymptomatischen Region stets großzügig sowie obligatin 2 Ebenen zu stellen und als Basisdiagnostik zu for−dern. Sie ist in der Lage, benigne Läsionen meist sicherauszuschließen. Weiterhin ist anhand der röntgenolo−gischen Untersuchung unter Hinzuziehung der klini−schen Symptomatik das Risiko einer pathologischenFraktur im Bereich der langen Röhrenknochen anhanddes Mirels−Scores abzuschätzen (Tab. 9). Liegt ein Punk−tewert von 9 vor, so besteht ein hohes pathologischesFrakturrisiko und die Indikation zur operativen Stabili−sierung ist gegeben. Für Wirbelsäulenmanifestationenstehen weitere Score−Systeme (z. B. Tomita−Score) zuVerfügung, um unter Berücksichtigung der Prognose

den Umfang der therapeutischen Optionen abwägen zukönnen.

Skelettszintigrafie. Der Stellenwert der Ganzkörperske−lettszintigrafie bei der Diagnostik von Knochenmetas−tasen tritt zunehmend in den Hintergrund, da nur seltentherapeutische Konsequenzen bei einem beschwerde−freien Patienten resultieren und die Prognose in der Re−gel kaum beeinflusst werden kann. Weiterhin ist beiden meist älteren Patienten diese sehr sensitive Unter−suchung wenig spezifisch.

MRT. Erfolg versprechender ist die MRT bei der Diag−nostik von Knochenmetastasen, insbesondere im Be−reich der Wirbelsäule, da hier unmittelbar therapeuti−sche Konsequenzen in Kombination mit der klinischenSymptomatik resultieren können. Gerade beim Plasmo−zytom wurde die röntgenologische Untersuchung imsog. ¹Pariser Schema“ von der wesentlich sensitiverenGanzkörper−MRT abgelöst.

n Labordiagnostik

Neben der bildgebenden Diagnostik ist die Labordiag−nostik ein wesentlicher Bestandteil in der Primär− alsauch Verlaufsdiagnostik im metastasierten Stadium derErkrankung. Ein Paradebeispiel ist die Bestimmung dessog. Tumormarkers PSA im Serum beim Prostatakarzi−nom. Beim Mammakarzinom können das CA 15−3, beimBronchialkarzinom die NSE ± um nur einige zu nennen ±in die Beurteilung der Tumorprogression und/oder desTherapieansprechens mit einbezogen werden. Im Vor−dergrund steht nach wie vor die klinische Symptomatikim metastasierten Stadium der Erkrankung, insbeson−dere bei der Beurteilung des Therapieansprechens.

Tabelle 9

Mirels−Score zu Beurteilung des Risikos der pathologischen Frakturgefahr derlangen Röhrenknochen (Mirels 1989).

Variable Punktwert

1 2 3

Lokalisation obere Extremität untere Extremität peritrochantär

Art der Läsion osteoblastisch gemischtförmig osteolytisch

Größe in Relation zumDiameter der Kortikalis

< 1/31/3 ± 2/3 > 2/3

Schmerzprofil gering mäßig ständig

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê317 ± 344 337

Maligne Tumoren des muskuloskelettalen Systems

Therapie

n Therapeutisches Konzept

Die Therapie von Patienten mit Knochenmetastasen istbis auf wenige Ausnahmen palliativ, wobei die Prognoseentscheidend vom Primärtumor bestimmt wird.

n Operative Prinzipien

Die operative Therapiestrategie von Knochenmetasta−sen ist abhängig von der Gesamtprognose, der Lokali−sation, der Metastasengröße, dem Vorhandenseinviszeraler Metastasen, der Effektivität additiver Thera−pieoptionen (z.B. Radiotherapie) und daher stets inter−disziplinär zu entscheiden. Viel zu häufig wird nach wievor die Indikation zur operativen Therapie einer Kno−chenmetastase erst nach einer pathologischen Frakturgestellt. Eine pathologische Fraktur geht mit höherenintra− und postoperativen Komplikationen einher, einkorrektes präoperatives Staging ist aufgrund derSchmerzhaftigkeit kaum möglich und der Leidensdruckder Patienten erheblich.

" Das Ziel ist es, vor der pathologischen Fraktur (zumin−dest im Bereich der Extremitäten) zu operieren und dieBelastungsfähigkeit sowie die Funktionalität des betrof−fenen Skelettabschnittes für die verbleibende Lebenszeitmit einer Reduktion der Schmerzsymptomatik zu erhal−ten.

Bei Patienten mit einer schlechten Prognose sind eheralleinig stabilisierende (z.B. Verriegelungsnagel) undintraläsionale Verfahren (z.B. Verbundosteosynthese,Vertebroplastie) zu erwägen. In diesen Fällen ist einepostoperative Radiotherapie obligat, um eine lokaleTumorprogression zu vermeiden, die mit Reeingriffenund einer Zunahme der Beschwerdesymptomatik ein−hergehen können.

Zu den alleinig stabilisierenden Verfahren zählen dieverschiedenen Formen der Osteosythesen, unabhängigob intramedullär oder in Form von Plattenosteosynthe−

sen. Voraussetzung ist, dass ein ausreichender Abstandzum Gelenk für eine sichere Fixierung besteht (Abb. 15).Bei gelenknahen Metastasenlokalisationen und aus−gedehnten osteolytischen Läsionen ist die Verbund−osteosynthese/Doppelplattenverbundosteosyntheseeine Methode, die Belastungsfähigkeit der betroffenenExtremität wiederherzustellen. Insbesondere bei Pa−tienten mit einem ossär metastasierten Bronchialkarzi−nom sind diese Verfahren zu favorisieren.

Bei günstiger Prognose und osteolytischen Destruk−tionen sind resezierende Verfahren mit anschließenderRekonstruktion (z.B. Tumorendoprothetik, Wirbelkör−perersatz) zu erwägen. Nur in seltenen Fällen ist einealleinige Resektion (z.B. Skapula, Becken, proximaleFibula) möglich. Amputationen sind selten (z. B. exulze−rierte, therapieresistente Metastasen).

Vor der operativen Therapie einer hypervaskulari−sierten Knochenmetastase (meist bei Nierenzellkarzi−nom und Schilddrüsenkarzinom) ist bei stammnahenLokalisationen die Indikation zur präoperativen Embo−lisierung der tumorversorgenden Gefäße sehr groß−zügig zu stellen. In jedem Fall, unabhängig vomOperationsverfahren, ist Tumorgewebe für die histopa−thologische Diagnostik zu gewinnen und die Ver−dachtsdiagnose zu bestätigen.

Nach resezierenden Verfahren können die resultie−renden Defekte mittels Tumorendoprothese (Abb. 16)und in seltenen Fällen bei solitären Befunden und guterPrognose auch mit biologischen Rekonstruktionsver−fahren rekonstruiert werden. Auch hier besteht das Zielin einer schnellen Rehabilitation. Resezierende Verfah−ren treten in den Vordergrund bei Nierenzell−, Schild−drüsen− und ggf. Mammakarzinommetastasen.

n Stellenwert der Radiotherapie

Die Radiotherapie gehört zum festen Bestandteil derinterdisziplinären Therapie von Karzinompatienten.10± 20% aller in der Radiotherapie behandelten Patien−ten sind Patienten mit Knochenmetastasen extraske−lettaler Primärtumoren.

Therapieziele

Knochenmetastasen

n Schmerzlinderungn Therapie einer pathologischen Frakturn Stabilisierung einer drohenden pathologischen

Frakturn Therapie neurologischer Komplikationen beim

metastatischen Befall der Wirbelsäule

Therapieziele

Radiotherapie

n Schmerzlinderungn Verbesserung der Funktionalitätn Remineralisierung des betroffenen Skelettabschnit−

tes (meist über ein mehrmonatiges Intervall)n Reduktion des Risikos eines Metastasenprogresses

nach einer operativen Therapie

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê317 ± 344338

Systemerkrankungen

In Abhängigkeit vom Fraktionierungskonzept (Einzeit−bestrahlung, Hypofraktionierung, konventionelle Be−strahlung) werden Dosen zwischen 8 und 40 Gy appli−ziert.

Die Effektivität der Schmerzreduktion ist in vielenStudien belegt. Von etwas mehr als 70% der Patientenwird über eine Schmerzlinderung berichtet, ca. 40 % ge−ben eine komplette Schmerzbeseitigung an. Der Effektder Radiotherapie tritt nach 1 ± 4 Wochen ein (meistunabhängig von der Fraktionierung und Dosierung).Pathologische Frakturen werden häufiger nach Einzeit−bestrahlungen mit hoher Dosierung beobachtet. Der Ef−fekt der Schmerzlinderung infolge der Radiotherapiewird auf eine Elektrolytverschiebung an den peripherenNervenendigungen, eine Umwandlung der Gewebeazi−dose in eine Alkalose, den zytotoxischen Effekt auf dieTumorzellen und die Größenreduktion der Knochen−metastase zurückgeführt. Zusammenfassend ist dieSchmerzlinderung weitgehend dosisunabhängig.

Eine Remineralisierung ist vor allem bei teils osteoly−tisch/teils osteoblastischen Knochenmetastasen zu er−warten. Hierzu zählen insbesondere Mammakarzinom−(Remineralisierung in 62 %) und Prostatakarzinom−metastasen (Remineralisierung in 57 %). Bei Knochen−

metastasen von Nierenzell−, Schilddrüsen− und Bron−chialkarzinomen tritt dieser Effekt deutlich seltenerauf und liegt nur zwischen 10 ± 28%. Im Vergleichzur Schmerzlinderung ist die Remineralisierung dosis−abhängig, abhängig von der Fraktionierung und derTumorentität, sie tritt im Mittel erst 2 ± 6 Monate nachder Radiotherapie ein.

" Die postoperative Radiotherapie ist nach allen intra−läsionalen Operationsverfahren zu fordern, da hierdurchsowohl die Funktionalität des betroffenen Skelettab−schnittes verbessert als auch das Risiko eines operativenZweiteingriffes deutlich reduziert wird.

n Stellenwert systemischer Optionen

Die systemische Chemotherapie hat bei der Behandlungvon Karzinommetastasen des Knochens kaum eineklinische Relevanz. Bisphosphonate können zwar diePrognose kaum beeinflussen, jedoch treten die Symp−tome als auch die Komplikationen einer Skelettmetas−tasierung signifikant später auf. Eindrucksvoll konntediese Erkenntnis bei der Therapie des ossär metasta−sierten Mammakarzinoms demonstriert werden.

Abb. 15 n a Röntgenbild eines rechten proximalen Humerus in 2 Ebenen mit Nachweis einer permeativ wachsenden osteolytischen Destruktion.Anamnestisch ist ein metastasiertes Bronchialkarzinom bekannt. Der Mirels−Score beträgt 9 Punkte (obere Extremität: 1 Punkt, Dauerschmerz:3 Punkte, osteolytische Läsion: 3 Punkte, Größe der Läsion: 2 Punkte). Indikation zur operativen Therapie. b Aufgrund der limitierten Prognose undder Lokalisation wurde eine Nagelosteosynthese mit einem expandiblen System vorgenommen. Die postoperative Strahlentherapie ist obligat.

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê317 ± 344 339

Maligne Tumoren des muskuloskelettalen Systems

Bisphosphonate gehören heute neben der Therapie dertumorbedingten Hyperkalzämie zur Basistherapie derKnochenmetastasierung. Die ablative Radiojodtherapiehat nach wie vor ihren klinischen Stellenwert beim os−sär metastasierten Schilddrüsenkarzinom. Gerade beidieser Tumorentität kann ein langfristiges Überlebendurch eine Kombination aus operativer und nuklear−medizinischen Therapie erreicht werden.

Nachsorge

Da die operative Behandlung von Knochenmetastasenvorwiegend in der Prophylaxe bzw. Therapie von pa−thologischen Frakturen, neurologischen Komplikatio−

nen und einer progredienten Schmerzsymptomatikliegt, ist die Nachsorge stets symptombezogen unterBerücksichtigung der Grunderkrankung und der Prog−nose durchzuführen. Regelmäßige röntgenologischeKontrollen sind bei einem stationären klinischen Be−fund nicht indiziert.

Prognose

Die Prognose im metastasierten Stadium der Erkran−kung hängt entscheidend vom Primärtumor und demMetastasierungsmuster ab. Eine gute Prognose habenPatienten, die nach einem langzeitlichen Intervall Kno−chenmetastasen entwickeln. Weiterhin ist die Prognosevon Patienten mit Knochenmetastasen eines Mamma−und Nierenzellkarzinoms deutlich besser im Vergleichzum Bronchialkarzinom. Liegen zusätzlich viszerale−oder Hirnmetastasen vor, so verschlechtert sich diePrognose relevant.

Abb. 16 n a Röntgenbild eines linksseitigen Kniegelenkes eines 72−jäh−rigen Patienten. Es besteht der Zustand nach Implantation einer Knie−endoprothese aufgrund einer Gonarthrose, weiterhin Zustand nach Tu−mornephrektomie. Röntgenmorphologisch zeigt sich eine ausgedehnteosteolytische Destruktion ohne Matrixverkalkungen der linken distalenFemurepimetaphyse mit pathologischer Fraktur. b Auswärts wurde diepathologische Fraktur mit einem winkelstabilen Implantat versorgt.Schmerz und Instabilität bestanden postoperativ fort. c Die Lösung desProblems war aufgrund der Lokalisation die Metastasenresektion undImplantation einer Tumorendoprothese ¹distaler Femurersatz“, zemen−tiert.

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê317 ± 344340

Systemerkrankungen

Literatur

Campanacci M. Bone and soft tissue tumors. New York: Springer, 1990

Dorfman HD, Czerniak B, Kotz R, Vanel D, Park YK, Unni K. WHO classi−

fication of tumours of bone: Introduction. In: Fletcher DM, Unni K,

Mertens F, eds. World Health Organization Classification of Tumours.

Pathology & Genetics. Tumours of Soft Tissue and Bone. Lyon:

IARCPress, 2002: 226 ± 232

Enneking WF. A System of Staging Musculoskeletal Neoplasms. Clin

Orthop Rel Res 1986; 204: 9 ± 24

Lodwick GS, Wilson AJ, Farrell C, Virtama P, Dittrich F. Determining

growth rates of focal lesions of bone from radiographs. Radiology

1980; 134: 577 ± 583

Mirels H. Metastatic disease in long bones: a proposed scoring system

for diagnosing impending pathological fractures. Clin Orthop Rel

Res 1989; 249: 256 ± 264

Salzer−Kuntschik M, Brand G, Delling G. Bestimmung des morphologi−

schen Regressionsgrades nach Chemotherapie bei malignen Kno−

chentumoren. Pathologe 1983; 4: 135 ± 141

TNM Classification of Malignant Tumours (UICC); 2003

Tunn PU, Gebauer B, Fritzmann J, Hünerbein M, Schlag PM. Aktuelle

multimodale Diagnostik als Basis einer differenzierten operativen

Therapie von Weichteilsarkomen. Chirurg 2004; 75: 1165 ± 1173

Winkelmann W. Die Umdrehplastiken. Orthopäde 1993; 22: 152 ± 159

Connective Tissue Oncology Society. Im Internet: www.ctos.org

European Musculo−Skeletal Oncology Society. Im Internet: www.em−

sos.org

European Organisation for Research and Treatment of Cancer. Im Inter−

net: www.eortc.be

International Society of Limb Salvage. Im Internet: www.isols.org

Musculoskeletal Tumor Society. Im Internet: www.msts.org

US National Cancer Institute. Im Internet: www.nci.nih.gov

The Internet Society of Orthopaedic Surgery and Trauma. Im Internet:

www.orthogate.com

Korrespondenzadresse

Dr. med. Per−Ulf Tunn

Leiter Department Tumororthopädie

Sarkomzentrum Berlin−Brandenburg

Klinik für Orthopädie und orthopädische Rheumatologie

HELIOS Klinikum Berlin−Buch

Schwanebecker Chaussee 50

13125 Berlin

Telefon: 030/940152300

Telefax: 030/940152309

E−Mail: per−ulf.tunn@helios−kliniken.de

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê317 ± 344 341

Maligne Tumoren des muskuloskelettalen Systems

Welche klinischeSymptomatik ist beieinem Patienten miteinem Knochen− oderWeichgewebesarkomprimär zu erwarten?

1 A Anämie, LeistungsknickB Gewichtsverlust, NachtschweißC Schwellung, SchmerzD Anstieg der TumormarkerE Pathologische Fraktur

Welche Bildgebung hatbei der Beurteilungeines Knochentumorsdie höchste Aussagebezüglich der Dignitätund Entität?

2 A Röntgen, nativB KnochenszintigrafieC MRTD CTE PET

Welche Aussage ist beider offenen Biopsieeines Knochentumorsfalsch?

3 A Die Wahl des Biopsiezugangs sollte im Verlauf des späteren definitiven Zugangs liegen.Der die Biopsie durchführende Operateur muss die Möglichkeit und Art der definitivenVersorgung kennen.

B Es ist der kürzeste, direkte Weg zum Tumor zu wählen, ohne ein weiteres Kompartmentzu eröffnen.

C Eine Drainage ist obligat, diese wird direkt aus der Wunde oder in unmittelbarer Nähedes Wundwinkels ausgeleitet.

D An den Extremitäten werden ausschließlich quer verlaufende Schnitte gesetzt.E Die Operationstechnik hat so atraumatisch wie möglich zu erfolgen. Gewebe−

quetschungen oder großzügiges Präparieren und Darstellen des Tumors sind zuvermeiden. Die Hautnaht wird in intrakutaner Technik durchgeführt; großzügigeRückstichnähte sind obsolet.

Welche Antwort istfalsch?Die Prognose vonPatienten mit einemOsteosarkom ist weit−gehend unabhängig von

4 A der R−Klassifikation.B dem histopathologischen Regressionsgrad.C dem Tumorvolumen.D einer Metastasierung.E dem Geschlecht.

Wann ist nach eineroperativen Therapie vonKnochenmetastaseneine postoperativeStrahlentherapie nichtindiziert?

5 A Nach intraläsionaler Resektion und VerbundosteosyntheseB Bei guter PrognoseC Nach belastungsstabiler Marknagelung einer pathologischen Fraktur einer Mamma−

karzinommetastase und begleitender antihormoneller Therapie und der Gabe vonBisphosphonaten

D Nach R0−Resektion der KnochenmetastaseE Bei Nierenzellkarzinommetastasen, unabhängig vom Operationsverfahren, da ein

schlechtes Ansprechen auf eine Strahlentherapie bekannt ist

CME−FragenDie folgenden Fragen beziehen sich auf den vorangehenden Beitrag. Sie können uns die entsprechenden

Antworten entweder online unter http://cme.thieme.de oder durch das CME−Teilnahmeheft hinten in dieser

Zeitschrift zukommen lassen. Jeweils eine Antwort ist richtig.

Die Vergabe von CME−Punkten ist an die korrekte Beantwortung der Multiple−Choice−Fragen gebunden.

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê317 ± 344

Maligne Tumoren des muskuloskelettalen Systems

343

Welche Parameterdienen zur Einschätzungdes Risikos einer patho−logischen Frakturinfolge einer Karzinom−metastase im Bereichder langen Röhren−knochen?

6 A Geschlecht, Dauer der Schmerzen, Mammakarzinom in der Anamnese, Ausdehnung derMetastase

B Lokalisation der Metastase, Schmerzintensität, Ausmaß der Destruktion der Kortikalis,Art der Läsion (osteolytisch, osteoblastisch)

C Alter, Lokalisation der Metastase, Schmerzmitteldosierung, Notwendigkeit der Nutzungorthopädietechnischer Hilfsmittel

D Größe der Metastase, Primärerkrankung, Alter, MobilitätsindexE Schmerzprofil, begleitende Osteoporose, weibliches Geschlecht, osteolytische Metastase

Die histologischeSicherung einer ver−meintlichen Knochen−metastase ist nichtindiziert bei

7 A bereits fortgeschrittener viszeraler Metastasierung und multiplen Knochenläsionen einesPatienten mit einem Bronchialkarzinom.

B hohem Patientenalter und Immobilisierung.C Multimorbidität und Magenkarzinom.D bekanntem Primärtumor und langem krankheitsfreien Intervall.E szintigrafisch solitärer Läsion beim Mammakarzinom.

Die Wahrscheinlichkeit,dass es sich um einWeichgewebesarkomhandelt, ist hoch bei

8 A jungen Patienten, progredienter Schwellung, B−Symptomatik, Lokalisation im Bereich derunteren Extremität, positiver Familienanamnese.

B Alter in der 2. Lebenshälfte, tiefer Tumorlokalisation, progredienter Schmerz−symptomatik, Tumor > 8 cm.

C rezidivierendem Trauma, zunehmender Schwellung, Funktionseinschränkung,weiblichem Geschlecht, Tumor > 20 cm.

D männlichem Geschlecht, Alter in der 2. Lebenshälfte, Schwellung an der oberenExtremität, Anamnese weniger als 1 Monat, Alkoholabusus.

E Tumorerkrankung in der Anamnese, Nikotinabusus, Funktionseinschränkung undSchwellung der betroffenen Extremität, Anstieg des PSA, Nachtschweiß.

Welche neoadjuvanteTherapie hat beimlokal fortgeschrittenenWeichgewebesarkomder Extremitätenim Erwachsenenaltermit dem Ziel derVermeidung einerAmputation diehöchste Responserate:

9 A StrahlentherapieB Systemische ChemotherapieC Isolierte hypertherme ExtremitätenperfusionD Systemische Chemotherapie mit regionaler HyperthermieE Bisphosphonate in Kombination mit einer antihormonellen Therapie

Eine lokale Tumor−kontrolle ist beieinem Patientenmit einem Weich−gewebesarkom derExtremitäten nurzu realisieren miteiner

10 A Amputation.B radikalen Resektion.C neoadjuvanten Therapie.D adjuvanten Strahlentherapie.E R0−Resektion.

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê317 ± 344

Systemerkrankungen

344