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Umgang mit Nichtraucherschutz im Betrieb Manuel Kiper ISSN 1869-3032 Betriebs- und Dienstvereinbarungen Kurzauswertungen www.boeckler.de/betriebsvereinbarungen

Manuel Kiper - boeckler.de · drohen ernste arbeitsrechtliche Konsequenzen bei Verstößen – bis hin zur Übernahme von ... ten und Orte für Kommunikation, Kundenzufriedenheit,

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Umgang mit Nichtraucherschutz im Betrieb Manuel Kiper

ISSN 1869-3032

Betriebs- undDienstvereinbarungen Kurzauswertungen

www.boeckler.de/betriebsvereinbarungen

Copyright 2011 by Hans-Böckler-Stiftung

Redaktion: Dr. Manuela Maschke, Hans-Böckler-Stiftung Hans-Böckler-Str. 39, 40476 DüsseldorfKontakt: 0211/7778-167, [email protected]: Setzkasten GmbH, Düsseldorf

Online-Publikation, download unter:www.boeckler.de/betriebsvereinbarungen

ISSN: 1869-3032

Alle Rechte vorbehalten. Die Reproduktion für Bildungszwecke und nicht kommerzielleNutzung ist gestattet, vorbehaltlich einer namentlichen Nennung der Quelle.

Umgang mit Nichtraucherschutz im Betrieb

Manuel Kiper

Manuel Kiper ist promovierter Naturwissenschaftler und bei BTQ Niedersach-sen als Technik- und Arbeitsschutzberater tätig.

Umgang mit Nichtraucherschutz im BetriebStand August 2011

www.boeckler.de/betriebsvereinbarungen

Archiv BetrieblicheVereinbarungen

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

Abkürzungsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

1 Rahmenbedingungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

2 Regelungsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

3 Mitbestimmungsrechte, -prozeduren und -instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

4 Zusammenfassende Bewertung und offene Probleme 20

5 Beratungs- und Gestaltungshinweise . . . . . . . . . . 22

6 Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

7 Bestand der Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . 28

Literatur- und Internethinweise . . . . . . . . . . . . . . 30

Das Archiv Betriebliche Vereinbarungen der Hans-Böckler-Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

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VorwortOhne Rauch geht’s auch! Dieser Slogan klingt einfach, ist aber in der Umsetzung schwierig. Rauchen und der Schutz vor ungewolltem Mitrauchen können die Gemüter erhitzen und führen bisweilen zu hitzigen Debatten, auch im betrieblichen Alltag.Das Bundesverfassungsgericht bekräftigte mehrmals den gesundheitlichen Schutz von Nicht-rauchern, zuletzt 2010. In der Arbeitsstättenverordnung ist seit 2002 verpflichtend ein allge-meines bzw. auf einzelne Bereiche der Arbeitsstätte beschränktes Rauchverbot vorgesehen. Allerdings darf das nicht soweit ausgelegt werden, dass Beschäftigte zwangsweise von indivi-duellen gesundheitsschädlichen Gewohnheiten abgebracht werden. Für die Analyse wurden 64 betriebliche Vereinbarungen der Jahre 1991 bis 2009 ausgewertet. Es wird gezeigt, welche Regelungstrends zur Gestaltung des Nichtraucherschutzes im Betrieb bestehen und wie die betrieblichen Akteure das Thema aufgreifen. Die Auswertung verfolgt dabei nicht das Ziel, Regelungen zu bewerten, die Hintergründe und Strukturen in den Be-trieben und Verwaltungen sind uns nicht bekannt. Ziel ist es, betriebliche Regelungspraxis abzubilden, Trends aufzuzeigen, Hinweise und Anregungen für die Gestaltung eigener Ver-einbarungen zu geben.

Weitere Hinweise und Informationen zu unseren Auswertungen finden Sie im Internet unter www.boeckler.de/betriebsvereinbarungen.

Wir wünschen eine anregende Lektüre!

Dr. Manuela Maschke

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ZusammenfassungDie Regulierung von Rauchverboten und Nichtraucherschutz in Betrieb und Dienststelle hat eine jahrzehntelange Tradition. Seit 2002 hat der Gesetzgeber Nichtraucherschutz ausdrück-lich zunächst in der Arbeitsstättenverordnung und dann zusätzlich in eigenen Nichtraucher-schutzgesetzen verankert. Dennoch ergab sich neuer und eher erhöhter Regelungsbedarf, da die gesetzlichen Bestimmungen ausfüllungsbedürftig geblieben sind und zahlreiche Mitbe-stimmungstatbestände erfüllt sind. Mitbestimmung greift nicht nur in Hinblick auf Gesund-heitsschutz, sondern auch bezüglich Fragen der Ordnung im Betrieb, der Arbeitszeit- und Pausenregelungen und mitunter selbst des Datenschutzes. Betriebliche Vereinbarungen zum Nichtraucherschutz entschärfen zwar die Konflikte zwischen nichtrauchenden und rauchen-den Beschäftigten. Letztere müssen z. T. jedoch erhebliche Auflagen in Kauf nehmen.In der vorliegenden Auswertung wurden 64 Betriebs- und Dienstvereinbarungen zum Nicht-raucherschutz ausgewertet. 55 dieser Vereinbarungen wurden nach 2002 – und damit nach Erlass spezieller gesetzlicher Bestimmungen – abgeschlossen. Quer durch sehr unterschiedli-che Branchen aus produzierendem Gewerbe, Handel, Dienstleistung und Bildung zeigten sich ähnliche Regelungsmuster. Strenge Rauchverbote sind z. T. aber auch gesetzlich vorgegeben, um Anlagen und Produktion zu schützen und Kontaminationen, Explosionen und Brände zu vermeiden. Unabhängig davon bilden weitgehende Rauchverbote zum Nichtraucherschutz vielfach den Kern der Vereinbarungen. Betriebliche Vereinbarungen klären im Detail Fragen örtlich wie zeitlich beschränkter Rauchgelegenheiten. Sie sind durchweg dem toleranten Mit-einander von rauchenden und nichtrauchenden Beschäftigten verpflichtet und bemüht, Kon-flikte zu entschärfen. Die ausgewerteten Vereinbarungen regeln die Abgrenzung, Markierung und Ausstattung von Raucherbereichen, die Begrenzung bzw. Nichtvergütung von Rauchpausen, den Umgang mit rauchenden Kunden, Fremdfirmenangehörigen etc. sowie den Umgang mit Konflikten. Verantwortliche werden hinsichtlich der Durchsetzung in die Pflicht genommen. Bisweilen drohen ernste arbeitsrechtliche Konsequenzen bei Verstößen – bis hin zur Übernahme von Reinigungskosten. Andererseits werden vielfach Hilfen zur Rauchentwöhnung angeboten. Konflikte ergeben sich durch den verschärften Zwang zum Nacharbeiten der Rauchpausen. Unberücksichtigt bleiben kommunikative Aspekte gemeinsamer Kurzpausen. Der unter-schwelligen Arbeitgeberstrategie, den Einsatz von Arbeitskraft und Arbeitszeit zu intensi-vieren, wird in der Auseinandersetzung um Nichtraucherschutz bislang wenig Widerstand entgegengesetzt.

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Abkürzungsverzeichnis

ArbSchG ArbeitsschutzgesetzArbstättV ArbeitsstättenverordnungBAG BundesarbeitsgerichtBetrVG BetriebsverfassungsgesetzBGB Bürgerliches GesetzbuchBGF Betriebliche Gesundheitsförderung BGW Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst

und WohlfahrtspflegeBKK BetriebskrankenkasseBMF Bundesministerium der FinanzenBV BetriebsvereinbarungDKFZ Deutsches Krebsforschungszentrum DV DienstvereinbarungGF GeschäftsführungGG GrundgesetzIFA Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung JArbSchG JugendarbeitsschutzgesetzLAG LandesarbeitsgerichtMuSchG MutterschutzgesetzOVG OberverwaltungsgerichtSGB SozialgesetzbuchBGF Betriebliche Gesundheitsförderung

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1 RahmenbedingungenEines der umstrittensten Themen des Betriebsalltags ist die Auseinandersetzung um den Glimmstengel. Das Thema ist so vielschichtig, dass allseits zufriedenstellende Lösungen nur schwer gefunden werden. Das Thema berührt den betrieblichen Gesundheitsschutz und die betriebliche Gesundheitsförderung, den Umgang mit Sucht und Er-/Entziehungsprogram-men, Pausenregelungen und Arbeitszeit, Arbeitsleistung und gerechte Entgeltregelungen, Gleichbehandlung und persönliche Bedürfnisse, Hygiene und Renovierungskosten, Zei-ten und Orte für Kommunikation, Kundenzufriedenheit, Fehlzeiten und Krankheitskosten, Brand- und Explosionsschutz, Corporate Identity, Firmenimage u. v. m.Das Bundesverfassungsgericht stellte bereits 1997 fest, dass Rauchen auch die Gesundheit der Mitrauchenden gefährdet. 1998 wurde Passivrauchen im Gefahrstoffrecht in die höchste Gefährdungsklasse eingestuft. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) anerkannte im selben Jahr die Notwendigkeit, die Gesundheit von Nichtrauchern zu schützen, und bekräftigte dies bis zum jüngsten Gerichtsurteil im Jahre 2009. Andererseits erteilte das BAG allen Bestrebungen einer betrieblichen Erziehungsdiktatur eine Abfuhr: Ein Rauchverbot mit dem Ziel, Beschäftigte von gesundheitsschädlichen Gewohnheiten abzubringen, überschreite die Regelungskompe-tenz der Betriebspartner. Der Gesetzgeber reagierte zunächst im Jahr 2002 mit einer Verankerung des Nichtraucher-schutzes in der Arbeitsstättenverordnung (ArbstättV). Diese verpflichtet zu einem allgemei-nen oder auf einzelne Bereiche der Arbeitsstätte beschränkten Rauchverbot jedoch nur, „so-weit dies erforderlich ist“.Weitere wichtige Impulse zum Nichtraucherschutz gingen vom Deutschen Krebsforschungs-zentrum (DKFZ) aus. Dieses berechnete im Jahr 2005 die Zahl der jährlichen Todesfälle in Deutschland unter Mitrauchenden auf 3.300. Angesichts dieser gesundheitspolitischen He-rausforderung verschärften die Nichtraucherschutzgesetze des Bundes und der Länder seit 2007 die Regelungen zum Schutze der Nichtraucher zum Teil drastisch. Aus produktionstechnischen Gründen wie Brand- und Explosionsschutz, Hygiene oder Rein-raumproduktion (z. B. in der Chipherstellung) sind allerdings umfassende Rauchverbote in Fertigungsbetrieben oder im Bereich der Gesundheits- oder Ernährungswirtschaft schon lan-ge selbstverständlich und unumstritten. Setzen sich Beschäftigte hier über das Rauchverbot hinweg, riskieren sie eine Kündigung (LAG Düsseldorf – Az.: 16 SA 346/97 – Urteil vom 17.06.1997). Mit Nichtraucherregelungen sind aber auch Fragen der Betriebsordnung, der Kommuni-kation, des Gesundheitsschutzes, der Arbeitszeit sowie der Gleichbehandlung und Persön-lichkeitsentfaltung berührt. Um diese Aspekte zu regeln, werden schon seit vielen Jahren Be-triebs- und Dienstvereinbarungen abgeschlossen. In den letzten Jahren geht dabei der Trend zu strengen Rauchverboten, Nichtbezahlung der Rauchpausen und Unterstützung der Rauch-entwöhnung im Rahmen betrieblicher Gesundheitsförderung. Damit reihen sich vielfach die getroffenen Lösungen ein in die generellen Bestrebungen der Arbeitgeber, Arbeitskraft noch intensiver und länger nutzen zu können.

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2 Regelungsinhalte

Die Regelungsinhalte im Folgenden zum Thema Nichtraucherschutz stammen aus abge-schlossenen Betriebs- (BV) und Dienstvereinbarungen (DV). Aus rechtlichen Gründen müs-sen BV/DV gewisse Formalitäten einhalten: Beispielsweise müssen der Geltungsbereich und die Ziele benannt werden.

2.1 Geltungsbereich

Der Geltungsbereich kann personell, sachlich und räumlich definiert werden. Üblicherweise findet sich folgende Formulierung.

„Die vorliegende Betriebsvereinbarung […] gilt für alle Beschäftigten […].“

Mineralölverarbeitung, 060700/109/2003

Der Geltungsbereich wird oft auch auf weitere Personenkreise ausgedehnt. Dies ist vielfach zunächst nachvollziehbar dem Brandschutz geschuldet.

„Darüber hinaus gelten die Regelungen des § 3a Arbeitsstättenverordnung für alle sich auf dem Werksgelände befindenden Personen.“

Mineralölverarbeitung, 060700/109/2003

Aber auch in nicht feuergefährdeten Arealen wird Rauchen seitens Dritter vielfach nicht mehr geduldet.

„Die GF […] stellt darüber hinaus durch die Ausübung ihres Hausrechts sicher, dass Mitarbeiter von Fremdfirmen, Besucher und Gäste den Nichtraucherschutz regelnden Vereinbarungen in gleicher Weise unterliegen.“

unternehMensbezogene Dienstleistungen, 060700/100/2004

Führungskräfte, Studierende und andere Personen, die insbesondere an Universitäten die Mehrheit darstellen, werden ebenso in die Pflicht genommen.

„Die […] verpflichtet sich, das Rauchverbot auch auf Personen entsprechend anzuwen-den, welche nicht in den Zuständigkeitsbereich des Personalvertretungsgesetzes […] fallen. Dies gilt insbesondere für Professoren und Professorinnen, Studierende, Patienten, Besucher, Publikum und Gäste.“

gesunDheit unD soziales, 060700/319/2007

Die Ausweitung des Geltungsbereichs auf Kunden, Besucher und Angehörige von Fremdfir-men wird z. T. differenziert thematisiert – aus Sorge, rauchende Kunden zu verprellen.

„Dem Wunsch eines Kunden zu rauchen, muss jedoch aus geschäftspolitischen Gründen in jedem Fall entsprochen werden.“

KreDitgewerbe, 060700/71/2004

Ob eine solche Regelung nach jüngster Rechtsprechung des BAG noch tragfähig bleibt, soll hier nicht weiter erörtert werden. Laut folgender Regelung sind Firmenkunden von den Nichtraucherbestimmungen ausgeschlossen, was sowohl Rauchende als Nichtrauchende in eine missliche Lage bringt.

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„Ein Rauchverbot für Kunden ist nicht vorgesehen. Für die Mitarbeiter/-innen im Kundenverkehr gilt jedoch ein Rauchverbot.“

KreDitgewerbe, 060700/105/2004

Mitunter werden zusätzliche Regelungen für besonders schützenswerte Personenkreise ge-troffen.

„Bei Jugendlichen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gilt auf Grund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers generell Rauchverbot.“

KreDitgewerbe, 060700/93/0

Der Geltungsbereich wird gelegentlich unter Gender-Gesichtspunkten formuliert.

„Die Bezeichnungen Raucher und Nichtraucher gelten jeweils in männlicher und weiblicher Form.“

bilDungseinrichtung, 060700/82/2004

Von Gleichstellungsstellen werden hierfür allerdings gender-neutrale Formulierungen wie „rauchende und nichtrauchende Beschäftigte“ bevorzugt.

2.2 Ziele

Explizite gesetzliche Regelungen zum Nichtraucherschutz bestehen erst seit 2002. Ältere Nichtraucherschutzregelungen verfolgen daher vielfach ein ganzes Bündel von Zielsetzungen.

„Diese Betriebsvereinbarung soll – helfen, die Gesundheit der Beschäftigten zu erhalten, – die Gleichbehandlung von rauchenden und nichtrauchenden Beschäftigten sicherstellen – den Beschäftigten, die aufhören wollen zu rauchen, entsprechende Unterstützung gewähren."

gesunDheit unD soziales, 060700/133/0

Damit werden Nichtraucherschutz, Gleichbehandlung und Gesundheitsförderung als Ziele formuliert. Andere Vereinbarungen zielen zusätzlich auf Konfliktlösung und Brandschutz.

„Diese Betriebsvereinbarung soll – helfen, die Gesundheit der Beschäftigten zu erhalten, – Spannungen und Konflikten zwischen Tabakrauchern und Nichtrauchern vorbeugen, – der Vermeidung von Bränden dienen.“

Maschinenbau, 060700/152/2007

Vielfach werben Vereinbarungen für gegenseitiges Verständnis und Rücksichtnahme der rau-chenden und nichtrauchenden Beschäftigten.

„Die folgenden Empfehlungen und Regelungen haben die Aufgabe, Raucher und Nicht-raucher zu wechselseitiger Rücksichtnahme zu bewegen, Belästigungen und Gefähr-dungen durch Tabakrauch abzubauen und Verständnis für die Bedürfnisse anderer zu vertiefen.“

unbeKannt, 060700/129/0

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„Einvernehmliche Lösungen der beteiligten Arbeitnehmerinnen haben Vorrang vor allen anderen Regelungen.“

unbeKannt, 060700/129/0

Auch Einsparungsziele werden bisweilen mit dem Nichtraucherschutz verfolgt.

„Diese BV soll u. a. die Möglichkeit eröffnen, mit der BKK […] einen Vertrag über die Einführung eines Bonusprogramms (Bonusvertrag […]) abzuschließen.“

Maschinenbau, 060700/247/2005

2.3 Räumliche Einschränkungen des Rauchens

Räumliche Rauchverbote werden zum Teil generalisiert vereinbart.

„Es gilt ein uneingeschränktes Rauchverbot in den Räumlichkeiten […] und in allen Dienstfahrzeugen.“

KreDitgewerbe, 060700/105/2004

Gesetzlich vorgeschriebene Rauchverbotszonen können auch von der Vereinbarung ausge-nommen werden.

„Spezielle sog. betriebsschützende Rauchverbotsnormen etwa zur Vermeidung von Brand- und Explosionsgefahren bleiben von den Regelungen dieser Dienstvereinbarung unberührt.“

bilDungseinrichtung, 060700/321/2005

Zum Teil werden Rauchverbote für einzelne Sonderbereiche zusätzlich aufgelistet.

„Das Rauchen, z. B. in den Toiletten oder im Parkgeschoss, stellt einen Verstoß gegen die Hausordnung dar.“

KreDitgewerbe, 060700/148/0

Alternativ werden Rauchverbote räumlich differenziert ausgesprochen.

„Auf den Höfen und Parkplätzen ist das Rauchen grundsätzlich gestattet, ausgenommen sind aber die Eingangsbereiche vor den Gebäuden, insbesondere die Haupteingänge.“

Mess-, steuer- unD regelungstechniK, 060700/223/2007

Mitunter werden spezielle Raucherzonen, Raucherinseln oder Raucherräume eingerichtet bzw. ausgewiesen.

„Rauchen ist nur noch in den besonders gekennzeichneten Raucherzonen möglich.“

KreDitgewerbe, 060700/90/2005

Ein Rechtsanspruch auf Rauchgelegenheit wird gelegentlich explizit ausgeschlossen.

„Ein Rechtsanspruch auf Einrichtung einer Raucherzone besteht nicht.“

KreDitgewerbe, 060700/90/2005

Ein Rechtsanspruch kann hingegen auch verankert werden.

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„Ist das Rauchen am Arbeitsplatz nicht zulässig, ist sicherzustellen, dass Raucher in zumutbarer Entfernung ihres Arbeitsplatzes Raucherzonen aufsuchen können.“

unternehMensbezogene Dienstleistungen, 060700/100/2004

In manchen Vereinbarungen wird diesbezüglich auch an Kunden oder Besucher gedacht.

„Unter den gleichen Voraussetzungen können auch für die wartenden Besucherinnen und Besucher besondere Raucherräume bzw. -zonen eingerichtet werden.“

öffentliche verwaltung, 060700/136/2004

Grundsätzlich werden vorrangig die Interessen der Nichtrauchenden geschützt.

„Raucher und Nichtraucher sind nicht in gemeinsamen Zimmern unterzubringen. Auf eigenen Wunsch hin kann ein nicht rauchender Mitarbeiter auch in einem Raucherzim-mer arbeiten. Im Konfliktfall haben die Interessen des Nichtrauchers Vorrang.“

versicherungsgewerbe, 060700/193/2008

Individuelle Tolerierung des Rauchens in einzelnen Räumlichkeiten kann widerrufen werden.

„Einzelne Arbeitnehmer/innen dürfen das gewährte Einverständnis zum Rauchen jeder-zeit widerrufen (z. B. Schwangerschaft, gesundheitliche Beeinträchtigung, anderweitige Belästigung). Sodann ist unmittelbar – mit dem Ziel der Einigung – neu zu verhandeln.“

KreDitgewerbe, 060700/71/2004

Auch vor Belästigungen aus Raucherzonen können Nichtrauchende ausdrücklich geschützt werden.

„Auf Balkonen, Loggien, Terrassen, Dachterrassen, Freitreppen, nicht überdachten Innenhöfen u. ä. darf geraucht werden, sofern nicht durch das Anbringen von Verbots-zeichen ein Rauchverbot ausgesprochen wird. Ein Verbot wird auf Antrag der durch das Rauchen gegebenenfalls betroffenen Bediensteten von der Kanzlerin im Einvernehmen mit dem Personalrat verhängt.“

bilDungseinrichtung, 060700/320/2009

2.4 Zeitliche Vorgaben für Rauchpausen

Ob Rauchpausen den persönlichen Rüstzeiten zugerechnet und bezahlt werden oder nicht, ist sicher einer der strittigsten Regelungsinhalte im Rahmen des Nichtraucherschutzes. Immer mehr Vereinbarungen verlangen unmissverständlich das Ausstempeln bzw. Nacharbeiten von Rauchpausen.

„Ab 01.09.2006 sind Arbeitsunterbrechungen, die zum Rauchen in einem dafür vor-gesehenen Raum, draußen oder an anderer Stelle, eingelegt werden, durch webclient, Aus- und Einstempelung oder vereinbarte Eintragung zu dokumentieren. Diese Arbeits-unterbrechungen zählen nicht zur bezahlten Arbeitszeit.“

öffentliche verwaltung, 060700/111/2006

Selbst unbezahlte Rauchpausen hängen bisweilen zusätzlich von Ablaufregelungen ab.

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„Durch Inanspruchnahme dieser (unbezahlten) Raucherpausen darf der betriebliche Ablauf nicht gestört werden.“

Maschinenbau, 060700/192/2008

Eine arbeitsrechtliche Sanktionierung bei Verstößen gegen das Ausstempeln kann verschär-fend hinzukommen.

„Das Deklarieren von Rauchpausen als Arbeitszeit kann arbeitsrechtliche Folgen haben.“

energieDienstleister, 060700/110/2003

Nachstehend sind Vorgesetzte ggf. an ihre Kontrollpflichten gebunden.

„Raucher sind während ihrer Raucherpausen dazu verpflichtet, die Zeiterfassung auszu-setzen. Vorgesetzte müssen von Zeit zu Zeit – und im Verdachtsfall umgehend – über-prüfen, ob sich während der betrieblichen Anwesenheitszeiten rauchende Mitarbeiter an diese Vorgabe halten.“

KreDitgewerbe, 060700/90/2005

Diesbezüglich finden sich auch gemäßigtere Lösungen. Beispielsweise wird auf tarifliche Pau-senzeiten verwiesen, die ggf. sogar gestückelt werden können.

„Zusätzliche Raucherpausen, die über die tarifliche Pausenzeit hinausgehen, sind keine Arbeitszeit und nachzuarbeiten.“

gesunDheit unD soziales, 060700/102/2004

Teils werden die ausgestempelten Rauchpausen um Rüstzeiten gekürzt.

„Die anfallenden Raucherzeiten werden speziell ausgewiesen. Die ersten 12 Minuten (= 20 Industrieminuten) täglich werden als persönliche Verteilzeit angesehen und bezahlt. Die erfassten Daten unterliegen dem Datenschutz und sind entsprechend zu behandeln.“

Mess-, steuer- unD regelungstechniK, 060700/223/2007

Teilweise werden begrenzte zusätzliche Rauchpausen gewährt.

„Es wird den Mitarbeitern eingeräumt, bis zu dreimal je Schicht für die Dauer von jeweils 5 Minuten, insgesamt aber nicht länger als 15 Minuten je Schicht eine Rauche-recke/Raucherinsel aufzusuchen. Bei der Wahl des Zeitpunktes sind die betrieblichen Umstände zu berücksichtigen; insbesondere darf die Produktion nicht beeinträchtigt werden.“

Maschinenbau, 060700/152/2007

Sogar während der Kernarbeitszeiten werden teils Rauchpausen gestattet.

„Geschäftsführung und Betriebsrat haben übereinstimmend festgelegt, dass eine Unter-brechung der Kernarbeitszeit zum Rauchen 4 Mal täglich als noch angemessen gilt.“

verlags- unD DrucKgewerbe, 060700/150/2006

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2.5 Verantwortung der Vorgesetzten Vorgesetzte sind für die Einhaltung und Umsetzung der Vereinbarungen verantwortlich.

„Jede Führungskraft hat in ihrem Bereich die Verantwortung, dass die Regelungen dieser Dienstanweisung bekannt gemacht werden und deren Umsetzung sichergestellt wird.“

öffentliche verwaltung, 060700/136/2004

Dazu gehört allerdings auch, die Voraussetzungen zur Trennung von rauchenden und nicht-rauchenden Beschäftigten sicherzustellen.

„Die ernannten Gebäudeverantwortlichen tragen gemeinsam mit den Vorgesetzten die Verantwortung dafür, dass sowohl die baulichen, klima-technischen und hygienischen Voraussetzungen für die Raucherzonen und -räume geschaffen werden sowie für die Beachtung der Nichtraucherschutz-Regelungen in ihren Bereichen.“

Mineralölverarbeitung, 060700/109/2003

Teilweise wird kontrolliert, ob die Pausenbestimmungen eingehalten werden.

„Der Arbeitgeber behält sich jedoch zur Vermeidung von Missbräuchen Kontrollmaß-nahmen in Form von Stichproben vor. Der Betriebsrat ist rechtzeitig vorher zu informie-ren und erhält eine Kopie der Ergebnisse der Auswertungen.“

verlags- unD DrucKgewerbe, 060700/150/2006

2.6 Arbeitsrechtliche Sanktionierung

Damit Betriebsvereinbarungen greifen, werden nicht nur Kontrollen eingesetzt: Zudem wird die Nichteinhaltung oftmals arbeitsrechtlich sanktioniert. Hierfür wird zum Teil der in der Suchtbekämpfung übliche Weg eskalierender Gespräche beschritten.

„Beschäftigte, die gegen das generelle Rauchverbot verstoßen, werden von ihren Vorgesetzten in einem ersten Gespräch auf die Dienstanweisung und das Angebot zur Raucherentwöhnung (Ziffer 3.2) hingewiesen. In einem zweiten Gespräch werden die möglichen arbeits- bzw. disziplinarrechtlichen Folgen (Ziffer 4.2) aufgezeigt. Bei einem weiteren Verstoß gegen das generelle Rauchverbot sind arbeits- bzw. diszipli-narrechtliche Maßnahmen konkret anzudrohen und ggf. durchzusetzen. Das geführte zweite und dritte Gespräch ist jeweils als Niederschrift zu dokumentieren und von den Gesprächsteilnehmerinnen und -teilnehmern zu unterzeichnen. Das Original wird zur Personalakte genommen und der betroffenen Person wird eine Kopie ausgehändigt. Tritt innerhalb eines Jahres kein weiterer Verstoß auf, ist das Verfahren beendet; der Vorgang wird aus der Personalakte entfernt.“

öffentliche verwaltung, 060700/111/2006

Zusätzlich können die Raucherpausen selbst verboten werden.

„Die Vorgesetzten können in Einzelfällen aus betrieblichen Gründen die Befugnis zur Inanspruchnahme von unbezahlten Raucherpausen widerrufen.“

Maschinenbau, 060700/192/2008

Auf Sanktionen wird teils völlig verzichtet und auf die Einsicht der rauchenden Beschäftigten gesetzt.

14

„Verstöße gegen diese Betriebsvereinbarung ziehen keinerlei arbeitsrechtliche Konse-quenzen nach sich.“

Maschinenbau, 060700/152/2007

Andere Betriebe drohen hingegen mit Bußgeldern oder der Abwälzung von Reinigungskosten auf die rauchenden Beschäftigten.

„Für jeden Verstoß gegen das Rauchverbot hat der Mitarbeiter ein Verwarngeld in Höhe von 10 Euro zu zahlen. Das Verwarngeld wird bei der nächsten Lohn- oder Gehalts-abrechnung einbehalten und an die Werksunterstützungskasse weitergeleitet. Vor der Verhängung des Verwarngeldes ist der Mitarbeiter und ggf. der Betriebsrat zu hören.“

bergbau, 060700/281/2008

„Kann einem Mitarbeiter ein Verstoß gegen das Rauchverbot nachgewiesen werden, werden ihm die Kosten einer Kabinenreinigung von 150 € (gilt auch für die Büros) durch ein Fremdunternehmen auferlegt. Im Wiederholungsfall bzw. bei einem weiteren nachweisbaren Verstoß erhält der Mitarbeiter eine Ermahnung, was in einem weiteren Folgefall zu einer Abmahnung mit allen arbeitsrechtlichen Konsequenzen führt.“

sonstige verKehrsDienstleister, 060700/119/2003

2.7 Vorgaben für Raucherbereiche

Vielfach werden heute Raucherkabinen angeschafft bzw. geschlossene Raucherräume oder überdachte Raucherpoints außerhalb der Gebäude eingerichtet.

„Rauchen ist in besonders gekennzeichneten Bereichen auf dem Betriebsgelände mög-lich.“

gesunDheit unD soziales, 060700/289/0

Solche speziellen Raucherzonen oder -kabinen werden zum Teil auch für Besucher oder Kun-den eingerichtet.

„Unter den gleichen Voraussetzungen können auch für die wartenden Besucherinnen und Besucher besondere Raucherräume bzw. -zonen eingerichtet werden.“

öffentliche verwaltung, 060700/136/2004

Die Gestaltung, Ausstattung und Reinhaltung dieser Bereiche wird vielfach gesondert gere-gelt.

„Der Arbeitgeber verpflichtet sich, diese Plätze entsprechend auszuschildern, sofern nicht vorhanden, mit Aschenbechern auszustatten, zumindest teilweise zu überdachen und sauber zu halten.“

gesunDheit unD soziales, 060700/282/2007

Die rauchenden Beschäftigten werden zum Schutz der Nichtraucher in die Pflicht genommen.

„Die Türen von Raucherzimmern und den Raucherbereichen sind geschlossen zu halten (kein ‚Entlüften über den Flur‘).“

versicherungsgewerbe, 060700/193/2008

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Beschäftigte werden mitunter dazu verpflichtet, Verunreinigungen zu melden, damit die Reinhaltung der Luft sowie Hygiene gewährleistet sind. Durch Vorschriften und Verhängung von Geldbußen werden nachstehend rigide gegenseitige Kontrollen seitens der Beschäftigten etabliert.

„Sofern ein Fahrer bei Übernahme eines Gerätes Rauchgeruch, Aschereste oder Kippen vorfindet, hat er dieses unverzüglich der Steuerzentrale zu melden. Die Steuerzentrale bestätigt und dokumentiert die Meldung in einem Meldebuch und veranlasst sofort die Information an Betriebsleitung und Betriebsrat sowie über die […] Disposition die Reinigung der Kabine innerhalb der nächsten Werktage. […] Unterlässt der Fahrer eine Meldung an die Steuerzentrale und meldet der nächste Fahrer eine Verunreinigung, wird der vorhergehende Fahrer des Gerätes gem. Pkt. 4.2 zur Verantwortung gezogen.“

sonstige verKehrsDienstleister, 060700/119/2003

2.8 Unterstützung des Nichtrauchens

Viele Betriebsvereinbarungen zum Nichtraucherschutz thematisieren die Gefahren des Rau-chens.

„Die Betriebsleitung und der Personalrat sind in der Übergangszeit verantwortlich für die Aufklärung der Mitarbeiter über die Gefahren des Rauchens. Dies soll durch Artikel in der Mitarbeiterzeitung, Rundschreiben und Vorträge auf den Betriebsversammlungen geschehen.“

gesunDheit unD soziales, 060700/102/2004

Andererseits soll das Image des Nichtrauchens verbessert werden.

„Der Arbeitgeber fördert Maßnahmen und Aktionen des Betriebsrats sowie der Sozial- und Suchtberatung, die das positive Image des Nichtrauchens unterstützen.“

sonstige verKehrsDienstleister, 060700/119/2003

Anlässlich gruppenspezifischer Rauchgewohnheiten wird nachstehend über Hintergründe und mögliche hohe Belastungen nachgedacht.

„Auffälliges Konsumverhalten in bestimmten Arbeitsgruppen und Abteilungen ist als Belastungsanzeichen und als Gesundheitsrisiko anzusehen und unter Beteiligung der betroffenen Beschäftigten auf seine Ursachen hin zu untersuchen. Ein erforderlicher Abbau besonderer Belastungen aus der Arbeit sowie erforderliche Veränderungen des Arbeitsumfeldes, der Arbeitsorganisation und der Kommunikation haben unter Einbe-zug der betroffenen Beschäftigten zu erfolgen.“

verbänDe unD gewerKschaften, 060700/316/2004

Die Betriebsparteien sind sich vielfach darin einig, sowohl das Rauchen während der Arbeit erschweren sowie Beschäftigte ganz vom Rauchen abbringen zu wollen. Hierfür stellen sie auch finanzielle Mittel zur Verfügung.

„Das Krankenhaus bietet Rauchentwöhnungsseminare an, die gemeinsam von Perso-nalrat und Betriebsleitung ausgewählt werden. Die Kosten dieser Seminare werden von der/dem Raucher/-in zur Hälfte selbst getragen, die andere Hälfte trägt einmalig das Krankenhaus.“

gesunDheit unD soziales, 060700/102/2004

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„Auf Antrag der Beschäftigten kann die Teilnahme an einem Kurs zur Rauchentwöhnung zur Hälfte bezuschusst werden. Die hälftige Kostenübernahme für Rauchentwöh-nungskurse durch die Arbeitgeberin ist steuerpflichtiger Arbeitslohn1. Die (freiwillige) Teilnahme an derartigen Kursen erfolgt außerhalb der Arbeitszeit.“

öffentliche verwaltung, 060700/114/2006

Eine weitere Erleichterung ist durch Gesundheitsförderung während der Arbeitszeit denkbar.

„Die Teilnahme an Raucherentwöhnungskursen ist freiwillig und findet in der Regel außerhalb der Arbeitszeit statt. Soweit erforderlich, kann die Teilnahme durch die Gewährung von Urlaub, Abgeltung von Mehrarbeit oder Arbeitszeitverlegung erleichtert werden.“

unternehMensbezogene Dienstleistungen, 060700/100/2004

Idealerweise werden Trainingskosten für die Beschäftigten übernommen und findet Gesund-heitsförderung während der bezahlten Arbeitszeit statt.

„Raucherinnen und Rauchern wird die Gelegenheit gegeben, an einem Rauchentwöh-nungstraining teilzunehmen. […] Dieses Angebot findet während der Arbeitszeit statt. Die Kosten trägt, sofern sie nicht die Krankenkasse des Beschäftigten übernimmt, der Arbeitgeber.“

verbänDe unD gewerKschaften, 060700/126/2007

Andere Arbeitgeber bieten sogar zusätzlichen Urlaub bei Verzicht auf Rauchpausen. Zudem wird das Rauchen in einigen Betrieben und Dienststellen durch weitere Maßnahmen einge-schränkt.

„Vorhandene dienstliche und private Aschenbecher in den Gebäuden werden entfernt. Vorhandene Zigarettenautomaten werden abgebaut.“

öffentliche verwaltung, 060700/267/2007

2.9 Inkrafttreten und Weiterentwicklung

Betriebs- und Dienstvereinbarungen müssen bestimmte formelle Kriterien aufweisen: z. B. das Datum des Inkrafttretens, mögliche Kündigungsfristen, Nachwirkung etc. Darüber hinaus können Probephasen oder die Weiterentwicklung der Regelungen vereinbart werden.

„Mit dem Inkrafttreten der Dienstvereinbarung wird eine Übergangsfrist von sechs Monaten wirksam. In dieser Phase werden Dienststelle und Personalrat die gesammelten Erfahrungen regelmäßig auswerten und den Bedarf für ergänzende Regelungen prüfen.“

bilDungseinrichtung, 060700/82/2004

1 Seit dem Jahressteuergesetz 2009 ist dies nicht mehr der Fall.

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3 Mitbestimmungsrechte, -prozeduren und -instrumente

Zahlreiche Mitbestimmungsrechte sind beim Nichtraucherschutz berührt. Sie betreffen zentral den Persönlichkeitsschutz, die Ordnung im Betrieb, Arbeitszeit- und Gesundheits-schutzfragen. Über die Erzwingbarkeit von Vereinbarungen zum Nichtraucherschutz besteht Einigkeit, da bereits unter gesundheitlichen Aspekten die gesetzlichen Vorgaben ausfüllungs-bedürftig sind.

Einhaltung gesetzlicher Schutzbestimmungen kontrollieren

Sowohl die ArbstättV, die Gefahrstoffverordnung, die Nichtraucherschutzgesetze sowie di-verse Vorgaben des vorbeugenden Brandschutzes in geltenden Unfallverhütungsvorschriften dienen der Arbeitssicherheit und dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten. Damit verfügen die Interessenvertretungen hinsichtlich der Einhaltung dieser Bestimmungen sowie hinsicht-lich der Schutzbestimmungen im § 75 BetrVG über ein Kontrollrecht nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Dies kann eine Rolle spielen, wenn z. B. grundlos auf dem gesamten Gelände einer Firma aus Sicherheitsgründen ein Rauchverbot verhängt wird.

Ordnung im Betrieb

Geht es um das allgemeine Verhalten, ist die Mitbestimmung hinsichtlich der Ordnung im Betrieb nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 berührt. Hier gelten analoge Regelungen wie beim Essen und Trinken am Arbeitsplatz. Will ein Arbeitgeber z. B. seinen Beschäftigten das Essen und Trinken am Bildschirmarbeitsplatz verbieten, muss er die Interessenvertretung einschalten (z. B. laut einem Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz – 5 K 819/03 Mz). Solche Verbote regeln in erster Linie das allgemeine Verhalten der Mitarbeiter in der Dienststelle und nicht die Erfüllung ih-rer dienstlichen Aufgaben. Ist Rauchen am Arbeitsplatz nicht aus gesetzlichen Vorgaben oder Unfallverhütungsvorschriften untersagt, so unterliegen die getroffenen Verhaltensregelungen der Mitbestimmung des Betriebsrats (vgl. Beispiele in Kap. 2).

Gesundheitsschutz

Die oben genannten gesetzlichen Bestimmungen zum Gesundheitsschutz sind ausfüllungs-bedürftig. So bestimmt die ArbstättV in § 5 Nichtraucherschutz: „(1) Der Arbeitgeber hat die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die nicht rauchenden Beschäftigten in Ar-beitsstätten wirksam vor den Gesundheitsgefahren durch Tabakrauch geschützt sind. Soweit erforderlich, hat der Arbeitgeber ein allgemeines oder auf einzelne Bereiche der Arbeitsstätte beschränktes Rauchverbot zu erlassen. (2) In Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr hat der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen nach Absatz 1 nur insoweit zu treffen, als die Natur des Be-triebes und die Art der Beschäftigung es zulassen.“Gerade der Begriff „erforderlich“ zeigt die Ausfüllungsbedürftigkeit. Damit greift das Mit-bestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Vereinbarungen zu Aspekten des Gesund-heitsschutzes sind in den Kapiteln 2.2 bis 2.9 dargestellt. Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 greift nach dem BAG-Urteil vom 16.06.1998 (1 ABR 68/97) auch bei Arbeitsanwei-sungen, Unterweisungen, Belehrungen und Schulungen, die Fragen des Gesundheitsschutzes berühren. In Kap. 2.9 wurde diesbezüglich eine Regelung vorgestellt.

Gleichbehandlung

Bezüglich Verhalten und Leistung ist Gleichbehandlung gefordert. Dies betrifft die Leis-tung der rauchenden sowie nichtrauchenden Beschäftigten sowie den Schutz vor willkürli-chen Einzelregelungen. Wie bereits dargestellt, regeln die Vereinbarungen üblicherweise das

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Rauchverhalten. Das – innerbetrieblich vielfach umstrittene – Leistungsverhalten wird nur ausnahmsweise thematisiert.

„Durch das Rauchen in den dafür freigegebenen Bereichen dürfen für die rauchenden Mitarbeiter keine persönlichen Nachteile am Arbeitsplatz erwachsen. Die einzelvertrag-lich geschuldete Arbeitsleistung wird durch diese Betriebsvereinbarung nicht einge-schränkt.“

unternehMensbezogene Dienstleistungen, 060700/100/2004

Arbeitszeit- und Pausenregelungen

Hinsichtlich eventueller Pausenregelungen spielt § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG (Arbeitszeit) eine Rolle. Das Mitbestimmungsrecht greift hier jedoch nur a) hinsichtlich der Frage, ob über-haupt Raucherpausen eingeführt werden, sowie b) bei deren zeitlicher Festlegung. War es einer Belegschaft in der Vergangenheit gestattet, während der Arbeitszeit zu rauchen, ergibt sich daraus nach Auffassung der Gerichte kein Anspruch für die Zukunft.Das LAG Schleswig-Holstein (Beschluss vom 21.06.2007 – Az: 4 TaBV 12/07) gab einer Ar-beitgeberbeschwerde gegen einen Einigungsstellenbeschluss statt und stellte fest: „Die Eini-gungsstelle überschreitet ihre Kompetenz, wenn sie durch Spruch die Vergütungspflicht einer Raucherpause regelt“. Entgegen der Auffassung des Betriebsrates gäbe es kein Initiativrecht des Betriebsrates zur Einführung vergütungspflichtiger Pausen, „sofern ein Arbeitnehmer zum Zwecke des Rauchens seinen Arbeitsplatz verlässt.“ Bezahlte Zigarettenpausen durch Mitbestimmung erzwingen zu wollen, erscheint daher we-nig aussichtsreich. Laut Argumentation der Gerichte ist eine Raucherpause keine zulässige Arbeitsunterbrechung, wie z. B. der Gang zur Toilette, der Kaffee im Büro oder das kurze private Gespräch auf dem Flur. Es besteht demnach kein Rechtsanspruch seitens der Raucher, während der Kernarbeitszeit eine Raucherpause einlegen zu können, so das OVG Münster mit Urteil vom 08.04.2010 (Az.: 1 A 812/08). Die Zigarettenpause gehört nach dieser Argu-mentation nicht zu den persönlichen Verteilzeiten.

Automatisierte Verhaltenskontrolle

Werden spezielle Raucherräume eingerichtet mit elektronischer Zeiterfassung, sind die tech-nischen Systeme potenziell geeignet, Verhalten oder Leistung von Beschäftigten zu kontrol-lieren. Deshalb greift hier nach gefestigter Rechtsprechung die Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Sie stellt sicher, dass Auswertungen nur zu Zwecken der Arbeitszeiterfas-sung und -abrechnung genutzt werden (dürfen).

Konflikte und ihre Schlichtung

Gesellschaftliche und betriebliche Auseinandersetzungen über (Nicht-)Raucherdiskriminie-rung und Nichtraucherschutz bestehen seit Langem. Wenngleich der betriebliche Nichtrau-cherschutz durch gesetzliche Vorgaben heute hohen Stellenwert genießt, verbleibt Konfliktpo-tenzial. Manche Betriebsvereinbarungen umfassen deshalb eine organisierte Konfliktlösung.

„Für die Regelung von Streitfällen wird eine Kommission eingesetzt, die sich aus zwei Vertretern der Unternehmensleitung und zwei Vertretern des Betriebsrats zusammen-setzt.“

sonstige verKehrsDienstleister, 060700/119/2003

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Mitunter sind reguläre Schlichtungsverfahren durch paritätisch besetzte innerbetriebliche Ei-nigungsstellen vorgesehen.

„Zur schnellen Beilegung von Streitigkeiten unter den Betriebsparteien, die sich aus der Auslegung und über die Durchführung sowie der Entwicklung dieser Konzernbetriebs-vereinbarung ergeben, wird eine innerbetriebliche paritätisch besetzte Clearingstelle zwischen den Arbeitgebern und Konzernbetriebsrat gebildet. Sie besteht aus 4 Mitglie-dern, von denen je 2 von der Geschäftsführung und vom Konzernbetriebsrat benannt werden. Beide Seiten können im erforderlichen Maße Sachverständige und Sachkundige hinzuziehen. Das interne Schlichtungsverfahren beginnt, wenn eine der Parteien das Zusammensetzen der Clearingstelle fordert. Das interne Schlichtungsverfahren kann nur maximal 8 Wochen dauern. Im Falle der Nichteinigung in diesem Zeitrahmen kann jede Partei die Einigungsstelle anrufen. Die Einigungsstelle ist angerufen, sobald eine der beiden Betriebsparteien dieses schriftlich fordert. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die einvernehmliche Einigung und ist bindend.“

gesunDheit unD soziales, 060700/289/0

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4 Zusammenfassende Bewertung und offene Probleme

Rauchen im Betrieb ist ein emotional hoch besetztes Thema. Diskussionen und Regelungen laufen Gefahr, nicht nur den Vorgaben des Gesetzgebers und berechtigten Wünschen und Forderungen der Belegschaft gerecht zu werden. Sie drohen auch von weitergehenden Inter-essen und Strategien der Arbeitgeber und Versicherungsunternehmen instrumentalisiert zu werden.

Entwicklung des betrieblichen Nichtraucherschutzes: vom mangelnden Nichtraucherschutz zur Diskriminierung von Rauchern?Die früher oft rücksichtslose Belästigung und Gesundheitsgefährdung der nichtrauchenden Beschäftigten durch Zigarettenrauch ist inzwischen – dank der verschärften Rechtsprechung und Gesetzgebung – weitgehend einem toleranten Nebeneinander beider Lebensweisen ge-wichen. Gerade in gesundheitsorientierten Wirtschaftszweigen und im öffentlichen Dienst hat sich die Situation für rauchende Beschäftigte verschlechtert und für nichtrauchende ver-bessert. Für Interessenvertretungen gilt es heute, das richtige Maß im Unternehmen zu wahren. Maß-nahmen der Rauchbeschränkung sollten nur insoweit ergriffen werden, wie sie gesetzlich zwingend vorgeschrieben, aus produktionstechnischen Gründen oder solchen des Nichtrau-cherschutzes tatsächlich erforderlich sind. Darüber hinaus wird seit Langem versucht, das individuelle Gesundheits- und Genussverhalten im Falle des Rauchens durch Information und Anreize im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements weitergehend zu len-ken. Das neuerdings vielfach erzwungene Nacharbeiten der Zigarettenpausen macht Rauchen noch unattraktiver.Das Zurückdrängen des Rauchens unter dem Mantel des Nichtraucherschutzes ist allerdings auch Teil einer Strategie von Krankenversicherern, Politik und Arbeitgebern. So wird auch versucht, individuelles Genussverhalten und individuelle Lebensweise hinsichtlich Gesund-heit bzw. Einsetzbarkeit der Arbeitskraft zu steuern: Übergewichtige werden zum Abspecken gedrängt, Bewegungsarme zu Fitnessübungen, Alte zu Verjüngungskuren. Die demografi-schen Verschiebungen, hinausgeschobene Altersgrenzen sowie absehbarer Fachkräftemangel machen dringend Maßnahmen erforderlich, die die Fitness der Beschäftigten insgesamt län-gerfristig sichern.Im Einsatz für den berechtigten und wichtigen Nichtraucherschutz im Betrieb sollten sich Be-triebsräte allerdings nicht von solchen gesundheitspolitischen Überlegungen leiten oder ver-einnahmen lassen. Es ist nämlich nicht Aufgabe der Interessenvertretungen, Beschäftigte von gesundheitsschädlichen Gewohnheiten der privaten Lebensführung abzubringen. Auch im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) darf es nicht darum gehen, gesund-heitsschädliches Verhalten zu diskriminieren, sondern vielmehr nur darum, gesundheitsför-derliches Verhalten zu unterstützen.

Bezahlung von Rauch- und anderen Kurzpausen – Verlängerung der Arbeitszeiten

In vielen Betrieben darf am Arbeitsplatz inzwischen nicht mehr geraucht werden, sondern nur noch in Raucherräumen oder außerhalb des Gebäudes. Wer seine Arbeit sechs mal am Tag für eine Zigarettenlänge unterbricht, kommt durchaus auf 30 zusätzliche Pausenminuten. In den meisten Firmen und Dienststellen werden diese Unterbrechungen akzeptiert – schließ-lich tragen sie zur internen Kommunikation bei: Informationen werden ausgetauscht, Mei-nungen und Betriebsklima gebildet, die für das gute Funktionieren des Betriebs notwendig sind. Nach einer Umfrage des Personaldienstleisters Randstad müssen Raucher aber bereits in

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jedem fünften Unternehmen für die Zigarettenpause ausstempeln2. Die Vergütung dafür wird ihnen entweder vom Lohn abgerechnet, alternativ müssen sie nacharbeiten. In 34,5 % der befragten Unternehmen müssen die Raucher vor die Tür, 14 % der Firmen sind Raucherpa-radiese, in denen überall gequalmt werden darf und 60,2 % der Unternehmen haben für ihre rauchenden Mitarbeiter spezielle Aufenthaltsräume eingerichtet.Die „Mehrarbeit“ der Nichtraucher und deren vermeintlich ungerechte Honorierung ist viel-fach Gegenstand hitziger innerbetrieblicher Kontroversen. Objektiv mögen Nichtraucher sie-ben Tage im Jahr mehr arbeiten als starke Raucher. Kaffeepausen, Obstpausen, Bewegungs- und Toilettengänge, Kommunikations- und Besprechungspausen werden aber ebenfalls in unterschiedlichem Ausmaß in Anspruch genommen. Die Regelung des Rauchverbots ent-puppt sich insofern als willkommenes Einfallstor für Arbeitgeber, um weitere sogenannte „ei-genwirtschaftliche“ Zeiten der Beschäftigten aus der Vergütung und der Unfallversicherung auszuklammern. Zum Nichtraucherschutz werden z. T. rigorose Rauchverbote auch in Trep-penhäusern, Fluren und Toiletten vereinbart. In manchen Firmen werden Rauchmelder auf den Toiletten installiert, um Verstöße gegen Rauchverbote zu erfassen und das Verlassen des Gebäudes bzw. Ausstempeln beim Rauchen zu erzwingen. Nach dem Arbeitszeitgesetz bleiben bereits die gesetzlichen Pausen unvergütet. Bisherige Regelungen zu Arbeitsunterbrechungen/Kurzpausen z. B. nach § 5 Bildschirmarbeitsverord-nung gehen von einer Vergütungspflicht aus. Die Rechtsprechung zum Sozialgesetzbuch VII (Unfallverhütung) hat inzwischen die Toilettenzeiten sowie Tanken und andere Besorgungen auf dem Weg von und zur Arbeit aus der betrieblichen Unfallversicherung ausgenommen. Ar-beitgeberverbände drängen seit Längerem, die Wegezeiten völlig aus der Unfallversicherung auszuschließen. Insofern können Regelungen für Rauchpausen, die hierfür die Abmeldung vom Arbeitsplatz vorsehen, ein Hebel sein, um auch den Gang zum Kaffeeautomaten oder zur Toilette von der Entgeltpflicht auszunehmen.Es existiert z. B. eine Regelungsabsprache, bei der bereits für das Kaffeetrinken wie das Rau-chen ausgestempelt werden muss. Umgekehrt bietet eine Klinikkette Beschäftigten, die wäh-rend der Arbeitszeit nicht rauchen, einen Tag mehr Urlaub3. Bei einer „Stempelpflicht“ müssen Beschäftigte auch weniger als fünf Minuten Zigarettenpause zeitlich erfassen, sonst riskieren sie eine Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs4. „Ein – auch einmaliger – Arbeitszeitbetrug“, so das Arbeitsgericht Duisburg, „rechtfertigt in der Regel eine außerordentliche Kündigung“. Wird andererseits ausgestempelt, erlischt für die Zeit der Zigarettenpause auch der Unfallver-sicherungsschutz (Pressemitteilung BGW, 22.02.2008). Folgende DV zum Rauchverbot und Nichtraucherschutz fordert noch Weiterreichendes.

„Mitarbeiter, die auch während des Arbeitstages das Bedürfnis haben, zeitweise zu rauchen, haben dazu den Arbeitsplatz zu verlassen. Das Verlassen des Arbeitsplatzes zum Zweck des Rauchens stellt die Einlegung einer Pause dar. Dies gilt auch für eine Unterbrechung der Arbeitsleistung durch Rauchen nach Verlassen des Arbeitsplatzes aus anderen Gründen. Pausen gehören nicht zur Arbeitszeit. Es gelten insoweit die üblichen Dokumentationspflichten.“

bilDungseinrichtung, 060700/82/2004

Hier wird offensichtlich die Unterscheidung einer Pause im Sinne des Arbeitszeitgesetzes und einer Arbeitsunterbrechung (Kurzpause als „persönliche Rüstzeit“) versäumt. Auf diese Un-terscheidung legt auch das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung zu Bildschirm-arbeitspausen Wert (Beschluss vom 8. Januar 2001 – 6 P 6.00).

2 http://www.handelsblatt.com/unternehmen/karriere/raucher-muessen-nacharbeiten;11228813 http://www.helios-kliniken.de/de/Kliniken/Bad_Schwartau/Aktuelles/Nachrichten/hel_0512024 Arbeitsgericht Frankfurt/Main am 21.2.2008; Arbeitsgericht Duisburg 3 Ca 1336/09 vom 14.09.2009; vgl. BAG v. 24.11.2005, 2 AZR 39/05, NZA 2006, 484

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5 Beratungs- und Gestaltungshinweise

Verbote nur soweit erforderlich

Die Nichtraucherschutzregelung des § 5 ArbStättV richtet einen Gestaltungsauftrag an die Betriebe und Dienststellen. Diese sollen einerseits die Nichtraucher optimal schützen und an-dererseits dabei Rechtspositionen der Raucher möglichst wahren. Die Lösungen der Betriebe und Dienststellen reichen dabei von Raucherkabinen, Raucherinseln und Raucherräumen bis hin zum totalen Rauchverbot in der gesamten Arbeitsstätte (auch im Freibereich). Letzte-res zwingt Raucher dazu, in den Pausen auf öffentliches Gelände auszuweichen. Häufig wird insbesondere hinsichtlich der Bedürfnisse von Kunden ein Raucherareal im Außenbereich angelegt, das gegen Wind und Wetter geschützt ist.

Schutz vor Mitrauchen auch in Sonderbereichen

Mitunter ist der Arbeitsplatz z. B. ein Heim für betreutes Wohnen, in dem die Heimbewohner ihre Wohnräume über einen Mietvertrag anmieten. In diesem Fall sind die Heimbewohner für ihre eigenen Räume zuständig und damit auch für die Regelungen zum Nichtraucher-schutz in diesen Wohnungen. Die Heimleitung sollte versuchen, eine Abmachung mit den Mietern zu treffen, um die Arbeitsplätze der Beschäftigten möglichst rauchfrei bzw. raucharm zu gestalten.

Kommunikation fördern durch aktiven Nichtraucherschutz

Die Maßnahmen zum Nichtraucherschutz sollten unbedingt gekoppelt werden mit aktiven Hilfen und Anreizen zur Rauchentwöhnung, z. B. (Bewegungs-)Pausen, Einrichtung von Kommunikationsinseln und Maßnahmen gegen übermäßigen Stress.

Konflikte minimieren

Eine DV/BV sollte als Ziel anstreben, Konflikte zwischen den Beschäftigten zu minimieren und die Gesundheit der Belegschaft zu fördern. Dies wird exemplarisch in folgender Dienst-vereinbarung formuliert.

„1. Verbesserung der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes, 2. Schutz und Erhaltung der Gesundheit der nicht rauchenden Beschäftigten durch Abwehr von tabakrauchbedingten Gesundheitsgefahren, 3. Verbesserung des Arbeitsklimas und der Arbeitszufriedenheit sowohl der nicht rauchenden wie der rauchenden Beschäftigten, 4. durch geeignete Regelungen die Koexistenz zwischen rauchenden und nicht rauchen-den Menschen friedlich zu gestalten und 5. Hilfe zur Nikotinentwöhnung, zur Krankheitsverhütung und Gesundheitsförderung anzubieten.“

bilDungseinrichtung, 060700/321/2005

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6 Rechtliche Grundlagen

6.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und Vertragsrecht

Schon bevor spezielle Nichtraucherschutzvorschriften erlassen wurden, bestand entsprechen-der Schutz. § 618 BGB verpflichtet den Dienstherrn zu Schutzmaßnahmen:

„(1) Der Dienstberechtigte hat Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. [...]

(3) Erfüllt der Dienstberechtigte die ihm in Ansehung des Lebens und der Gesundheit des Verpflichteten obliegenden Verpflichtungen nicht, so finden auf seine Verpflichtung zum Schadensersatz die für unerlaubte Handlungen geltenden Vorschriften der §§ 842 bis 846 entsprechende Anwendung.“

Hierauf wird in Vereinbarungen Bezug genommen.

„Grundsätzlich hat die Dienststelle im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht ([...] § 618 Abs. 1 BGB) die Arbeitsräume in zumutbarem Rahmen gesundheitsverträglich zu gestalten.“

bilDungseinrichtung, 060700/321/2005

Teilweise wurde hieraus ein generelles Rauchverbot abgeleitet.

„Gesetzliche Grundlage für die Einführung des Rauchverbotes ist die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gem. § 618 Abs. 1 BGB.“

Kfz-reparatur unD -hanDel, tanKstellen, 060700/5/1996

Grundsätzlich können Arbeitgeber ein Rauchverbot auch individualrechtlich in Arbeitsver-trägen regeln. Sollte dies allerdings nicht betrieblich, sondern lediglich erzieherisch oder schi-kanös begründet sein, ist es arbeitsrechtlich zulässig, im Bewerbungsgespräch Fragen zum Rauchverhalten nicht wahrheitsgemäß zu beantworten.

6.2 Arbeitsschutzgesetz

Gemäß § 3 Abs. 1 und § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) von 1996 muss sich der Arbeitgeber um den Gesundheitsschutz der Nichtraucher am Arbeitsplatz kümmern: Er muss a) die Ge-sundheitsgefährdungen, die für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbunden sind, beurteilen und b) erforderliche Arbeitsschutzmaßnahmen treffen, um die Gefährdung zu minimieren. § 15 Abs. 1 ArbSchG verpflichtet die rauchenden Beschäftigten dazu, auf ihre nichtrauchen-den Kolleginnen und Kollegen Rücksicht zu nehmen. Jede/r Beschäftigte ist nach § 17 Abs. 1 ArbSchG berechtigt, dem Arbeitgeber eigene Vorschläge zum betrieblichen Nichtraucher-schutz zu unterbreiten. Hilft der Arbeitgeber Beschwerden von Beschäftigten über unzurei-chende Schutzmaßnahmen nicht ab, können sich Betroffene an die zuständige Arbeitsschutz-aufsichtsbehörde wenden, ohne Nachteile für ihr Arbeitsverhältnis befürchten zu müssen (§ 17 Abs. 2 ArbSchG). Erhöhte Gesundheitsrisiken für Beschäftigte resultieren erwiesener-maßen auch aus der Nähe zu Raucherräumen5.Bevor der gesetzliche Nichtraucherschutz in Betrieben 2002 in Kraft trat, arbeiteten etwa 3 Millionen Beschäftigte in Räumen, in denen regelmäßig geraucht wurde. Damit waren sehr

5 vgl. Deutsches Krebsforschungszentrum (2007) und www.tabakkontrolle.de

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viel mehr Menschen den Belastungen durch krebserzeugende Gefahrstoffe im Tabakrauch ausgesetzt als durch krebserregende Arbeitsstoffe in der Arbeitswelt. 1998 wurde Tabakrauch als krebserregend mit höchster Gefährdungsstufe6 eingestuft. Über 40 Inhaltsstoffe des Tabak-rauchs sind nachgewiesen krebserregend. Ein Nichtraucher nimmt in zwei Stunden in einem verrauchten Arbeitsraum so viele Schadstoffe auf, als hätte er selbst eine Zigarette geraucht. Bei Menschen, die 10 bis 15 Jahre in stark verrauchten Räumen gearbeitet haben, ist das Lungenkrebsrisiko fast doppelt so hoch wie bei nicht oder nur gering belasteten Personen. Bei Rauchern verzehnfacht sich das Risiko sogar. Auch verdoppelt sich bei Passivrauchern das Brustkrebsrisiko im Vergleich zu Nichtrauchern. Das Risiko für chronische Bronchitis, infektiöse Lungenentzündung und neu auftretende Asthmaanfälle liegt bei Passivrauchern um etwa 50 % höher als bei Nichtrauchern. Laut der aufrüttelnden Botschaft des Deutschen Krebsforschungszentrums7 sterben mehr als 3.300 Nichtraucher in Deutschland jährlich an Erkrankungen, die durch Passivrauchen verursacht wurden.Bei Gefährdungsbeurteilungen nach § 5 ArbschG müssen zudem besonders zu schützende Personen berücksichtigt werden, z. B. Schwangere. Auch hierauf können sich Vereinbarungen beziehen.

„Neben den öffentlich-rechtlichen Schutzregelungen wie § 2 MuSchG, § 28 Abs. 1 JArbSchG, § 21 Abs. 1 SGB II und § 81 Abs. 4 Nr. 4 SGB IX ist rechtliche Ausgangslage für den Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz die Arbeitsstättenverordnung – ArbStättV – vom 12. August 2004 (BGBl. I s. 2179) i. d. jeweils geltenden Fassung.“

bilDungseinrichtung, 060700/321/2005

6.3 Arbeitsstättenverordnung

Als Reaktion auf die BAG-Urteile verankerte der Gesetzgeber den Nichtraucherschutz in der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV). 2002 wurde dort ein individueller Anspruch auf Nichtraucherschutz zunächst in § 3a und 2004 in § 5 festgeschrieben. Nach § 5 ArbStättV muss der Arbeitgeber „die erforderlichen Maßnahmen […] treffen, damit die nichtrauchenden Beschäftigten in Arbeitsstätten wirksam vor den Gesundheitsgefahren durch Tabakrauch geschützt sind.“ Im September 2007 wurde dieser Absatz der ArbStättV er-gänzt: „Soweit erforderlich, hat der Arbeitgeber ein allgemeines oder auf einzelne Bereiche der Arbeitsstätte beschränktes Rauchverbot zu erlassen.“ Des Weiteren heißt es: „In Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr hat der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen nach Absatz 1 nur insoweit zu treffen, als die Natur des Betriebes und die Art der Beschäftigung es zulassen.“ Beispielhaft wird hierauf in folgender Vereinbarung verwiesen.

„Am 3. Oktober 2002 ist die Änderung der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättv) zum Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz in Kraft getreten: Arbeitgeber und Betriebsparteien müssen dieser Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers Rechnung tragen und den Gesundheitsinteressen der Nichtraucher gegenüber der Handlungsfreiheit von Rauchern den Vorrang einräumen. Die Einschränkung des Tabakrauchens dient dem Wohle und dem Schutz der Gesundheit aller Mitarbeiter.“

KreDitgewerbe, 060700/90/2005

Der Begriff Arbeitsstätte schließt auch Sozialräume wie Kantinen, Bereitschafts- und Liege-räume sowie Verkehrswege (Flure, Gänge, Treppenhäuser) und Außenbereiche mit ein. Die Bestimmungen der ArbStättV sind zwingend, das heißt: Sie hängen nicht davon ab, ob sich ein Arbeitnehmer vom Tabakrauch belästigt fühlt oder nicht – der Arbeitgeber muss geeigne-

6 Technische Regel für Gefahrstoffe 905: Krebs erzeugende Gefahrstoffe der Kategorie 1 mit gesicherter Krebs erzeugender Wir kung beim Menschen7 vgl. Deutsches Krebsforschungszentrum (2005)

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te Schutzmaßnahmen ergreifen. Dies kann nach aktuellem Stand der Technik z. B. mit einer zertifizierten Raucherkabine8 erreicht werden.

6.4 Nichtraucherschutzgesetze des Bundes und der Länder

Ausnahmen vom Nichtraucherschutz waren auch durch die Rechtsprechung des BAG bis 2007 vor allem in Gaststätten und anderen Räumen mit Publikumsverkehr zulässig. Seit 1.9.2007 gilt hier das Bundesgesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens in der Öffentlichkeit. Danach gilt ein Rauchverbot in den Einrichtungen des Bundes sowie in al-len öffentlichen Verkehrsmitteln und auf Bahnhöfen. Die Bundesländer haben für Behörden, Krankenhäuser, Hochschulen, Theater, Flughäfen und Gaststätten etc. entsprechende Rege-lungen zum Rauchverbot mit einigen Ausnahmeregelungen erlassen9. Vielfach wurden hierzu betriebliche Vereinbarungen getroffen.

„Am 20.07.2007 hat der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates das Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens beschlossen. Ziel des Gesetzes, welches am 01.09.2007 in Kraft tritt, ist ein wirksamer Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens und die Vermeidung der dadurch ausgelösten Krankheiten. Nach diesem Gesetz verein-baren die Parteien dieser Dienstvereinbarung folgende Regelung […].“

öffentliche verwaltung, 060700/160/2007

Ist das Rauchen, wie z. B. in kleinen Einraumkneipen, gesetzlich zulässig, kann ein dort Be-schäftigter arbeitsvertraglich weiterhin kein Rauchverbot durchsetzen. Der Arbeitgeber muss aber die gesundheitliche Belastung der Beschäftigten mit anderen Mitteln minimieren.Nachdem das Rauchverbot 2007 im öffentlichen Dienst gesetzlich verankert war, wurden De-tails in Ministerialerlassen verfügt10. Seitdem können auch Beamte sanktioniert werden, wenn sie gegen das Rauchverbot verstoßen. Das Verwaltungsgericht Köln (Az.: 19 K 3549/07 Urteil vom 29.02.2008) bestätigte die Rechtmäßigkeit einer Regelung gegenüber einem rauchenden Beamten, der an seinem Arbeitsplatz im 11. Stock des Dienstgebäudes während bestimm-ter Kernarbeitszeiten keinen Raucherraum aufsuchen und auch das Gebäude nicht verlassen konnte. Dem Beamten war durch eine Dienstvereinbarung eine Übergangszeit von 3 Mona-ten eingeräumt worden. Das Gericht bestätigte die Position der Dienststelle, die zuvor den Anspruch des Beamten auf einen Raucherraum abgelehnt hatte. Moderater regelt z. B. die DV zum Rauchverbot und Nichtraucherschutz der Universität Jena11 vom 10.02.2004 ein ähnli-ches Problem: „Präsenzzeiten der Mitarbeiter, die sich durch Kernarbeitszeiten im Rahmen von Gleitzeitregelungen ergeben, dürfen für eine Rauchpause von bis zu 10 Minuten, wenn die Kernarbeitszeit mehr als zwei Stunden beträgt, unterbrochen werden.“

6.5 Rechtsprechung

Im Stewardessen-Urteil (BAG 8. 5. 1996 – 5 AZR 971/94) von 1996 war das BAG noch der Auffassung, Arbeitnehmer könnten „Maßnahmen des Gesundheitsschutzes in der Regel nicht verlangen, wenn diese zu einer Einschränkung der unternehmerischen Betätigung führen würden“. Eine Stewardess müsse während des Fluges Zigarettenrauch hinnehmen. Sie könne von der Deutschen Lufthansa nicht verlangen, dass ihr auf allen Strecken ein rauchfreier Ar-beitsplatz geboten würde. Allerdings erkannte das BAG 1998 grundsätzlich den Anspruch auf einen tabakrauchfreien Arbeitsplatz an (BAG Urteil vom 17.2.1998 – 9 AZR 84/97): „Arbeit-nehmer haben jedenfalls dann einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf einen tabakrauch-

8 Vgl. von der Heyden u. a. (2008); Rundnagel, Technischer Nichtraucherschutz auf http://www.ergo-online.de.; vgl. www.smokebox.de 9 vgl. Rundnagel: http://www.ergo-online.de; Überblick über Ländergesetzgebung: http://www.gesundheitsfoerdernde-hochschulen.de/HTML/G_Themen/G16_Nichtraucherschutz.html http://www.rauchfrei.de/rauchverbote-bundeslaender.htm10 BMF-Erlass Z C 1 - P 1815/06/0002 Dok. Nr. 2007/0163076, 25.06.200711 http://www.uni-jena.de/Dienstvereinbarung_zum_Rauchverbot_und_Nichtraucherschutz.html

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freien Arbeitsplatz, wenn das im Einzelfall aus gesundheitlichen Gründen geboten und dem Arbeitgeber zumutbar ist.“ Das Urteil erfolgte anlässlich der Klage einer Sachbearbeiterin, die an einer chronischen Atemwegserkrankung litt und in einem nicht unterteilten Groß-raumbüro im Umkreis bis fünf Metern von zwölf rauchenden Kollegen umgeben war. Schon zuvor hatte 1997 das Bundesverfassungsgericht festgehalten, dass Rauchen die Gesundheit der Mitrauchenden gefährdet. Mit dem Urteil vom 19.1.1999 grenzte das BAG die Rechte von Nichtrauchern und Rau-chern gegeneinander ab (BAG Urteil vom 19.1.1999 – 1 AZR 499/98). Demnach seien die Betriebspartner befugt, durch eine Betriebsvereinbarung ein betriebliches Rauchverbot zu er-lassen, um Nichtraucher vor den Gesundheitsgefahren und Belästigungen des Passivrauchens zu schützen. Die erforderliche Abwägung der Belange des Betriebes sowie der Raucher bzw. Nichtraucher hinge weitgehend von den betrieblichen Gegebenheiten und Besonderheiten der jeweiligen Belegschaft ab. Diese zu beurteilen, sei in erster Linie Sache der Betriebspartner, denen deshalb ein weiter Gestaltungsfreiraum zukomme. Dabei müssten sie jedoch gemäß § 75 Abs. 2 BetrVG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten, da ihre Regelung die allgemeine Handlungsfähigkeit der Raucher beeinträchtige. Das BAG stellte fest, dass ein generelles Rauchverbot im Freien in der Regel nicht mit Ge-sundheitsschutz für Nichtraucher begründet werden könne. Ein Rauchverbot mit dem Ziel, Arbeitnehmer von gesundheitsschädlichen Gewohnheiten abzubringen, überschreite die Re-gelungskompetenz der Betriebspartner.Damit erteilte das BAG allen Bestrebungen, ein erzieherisches Rauchverbot einzuführen, eine Abfuhr. Entsprechend wurde z. B. an der Universität Mainz 2004 eine Dienstvereinba-rung zum Nichtraucherschutz abgeschlossen. Dabei trat der PR noch entschieden gegen ein betriebliches Rauchverbot auf, weil er es nicht als Aufgabe einer Dienstvereinbarung ansah, „durch erzieherische Akte das Suchtverhalten erwachsener Menschen regulieren zu wollen“. Stattdessen wurde auf sein Drängen als Zielsetzung festgehalten, dass die Koexistenz zwischen Rauchern und Nichtrauchern friedlicher gestaltet werden soll.12

Gemäß der Entscheidung des BAG von 1998 trägt der Arbeitgeber gemäß der Fürsorgepflicht nach § 618 BGB die Verantwortung, die Arbeit so zu organisieren, dass Tabakrauch die Atem-luft am Arbeitsplatz nicht belastet und Arbeitnehmer durch sogenanntes Passivrauchen in ihrer Gesundheit nicht gefährdet werden. Der Arbeitgeber, so das Gericht, sei verpflichtet dar-auf hinzuwirken, dass die Belastung des Arbeitnehmers durch Tabakrauch soweit vermindert wird, dass Gesundheitsgefahren ausgeschlossen sind.Das BAG hat in seinem jüngsten Urteil den Anspruch auf einen rauchfreien Arbeitsplatz er-neut unterstrichen (BAG, Urteil vom 19.5.2009 – 9 AZR 241/ 08). Wird die unternehmerische Betätigungsfreiheit durch gesetzliche Verbote wie ein Rauchverbot in Restaurants beschränkt, kann ein Arbeitnehmer nach § 618 Abs. 1 BGB i. V. m. § 5 Abs. 1 ArbStättV verlangen, auf ei-nem tabakrauchfreien Arbeitsplatz beschäftigt zu werden. Im konkreten Falle hatte ein Crou-pier einer Spielbank geklagt und Recht bekommen: Er wurde bei der Arbeit durch Rauch und Raucher einer anderweitig verpachteten Gaststätte in der Spielbank belästigt (vgl. Raif/Böttcher 2009).

6.6 Betriebliche Gesundheitsförderung

Betrieblicher Nichtraucherschutz wird qua Gesetz auch im Rahmen betrieblicher Gesund-heitsförderung (BGF) nach § 20a SGB V gefördert. Der hierfür gültige Leitfaden der gesetz-lichen Krankenkassen13 deklariert Maßnahmen wie „Rauchfrei im Betrieb“ als förderungs-würdig. Arbeitgeber können ihren Mitarbeitern zusätzlich zum Arbeitslohn begünstigte Leistungen zur betrieblichen Gesundheitsförderung gewähren. Seit dem Jahressteuergesetz 2009 sind bis

12 http://zope.verwaltung.uni-mainz.de/personalrat/artikel/archiv/Nichtraucherschutz13 http://www.dnbgf.de/fileadmin/texte/Downloads/uploads/dokumente/2008/GKV_Leitfaden_2008.pdf

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zu 500 Euro steuer- und sozialversicherungsfrei. Das Förderspektrum orientiert sich an dem von den Spitzenverbänden der Krankenkassen aufgestellten Leitfaden zur Prävention und umfasst damit auch Maßnahmen zur Rauchentwöhnung. Nach § 65 a (2) SGB V können die Krankenkassen auch einen Bonus für Arbeitgeber und Versicherte gewähren, wenn sie Maß-nahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung durchführen. Eine Firma kann somit eine Betriebsvereinbarung zum BGF mit wirksamer Nichtraucherschutzregelung abschließen mit dem Ziel, einen Bonus seitens der Betriebskrankenkasse zu erhalten.

6.7 Rauchverbotsnormen zum Schutz des Betriebes

Aus produktionstechnischen Gründen wie Brandschutz, Explosionsschutz, Hygiene oder Reinraumproduktion war ein komplettes Rauchverbot in Fertigungsbetrieben (etwa in der Chipherstellung) oder im Bereich der Gesundheits- oder Ernährungswirtschaft schon lan-ge selbstverständlich und musste hingenommen werden. Setzen sich Arbeitnehmer über das Rauchverbot hinweg, riskieren sie eine Kündigung (LAG – Az.: 16 SA 346/97 – Urteil vom 17.06.1997). Eine verhaltensbedingte Kündigung kann sozial gerechtfertigt sein, wenn ein Arbeitnehmer trotz wiederholter Abmahnungen erneut gegen ein im Betrieb zwingend vor-geschriebenes Rauchverbot verstößt. Das Landesarbeitsgericht Köln entschied erst kürzlich wieder (LAG Köln Az: 4Sa 590/08), dass die fristgerechte Kündigung eines Lagerarbeiters wirksam war, der mehrfach gegen das betriebliche Rauchverbot verstoßen hatte. In dem Lager des Lebensmittelproduzenten galt zum Schutz der Lebensmittel und aus Brandschutzgrün-den Rauchverbot. Nach einer Abmahnung erhielt der Beschäftigte die Kündigung.

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7 Bestand der Vereinbarungen

Tabelle 1: Art und Anzahl der Vereinbarungen

Art der Vereinbarung Anzahl absolut

BV 46

DV 18

Gesamt 64

Tabelle 2: Verteilung der Vereinbarungen nach Branchen

Branchen Anzahl absolut

Kreditgewerbe 7

Mess-, Steuer- und Regelungstechnik 1

Mineralölverarbeitung 1

Sonstige Verkehrsdienstleister 1

Fahrzeughersteller Kraftwagen 1

Fahrzeughersteller sonstige Fahrzeuge 1

Metallerzeugung und -bearbeitung 4

Großhandel (ohne Kfz) 1

Landverkehr 1

Kfz-Reparatur und -Handel, Tankstellen 1

Einzelhandel (ohne Kfz) 3

Bergbau 1

Verlags- und Druckgewerbe 1

Chemische Industrie 1

Energiedienstleister 3

Unternehmensbezogene Dienstleistungen 1

Maschinenbau 3

Versicherungsgewerbe 3

Gesundheit und Soziales 7

Verbände und Gewerkschaften 3

Bildungseinrichtungen 6

Forschung und Entwicklung 3

Öffentliche Verwaltung 6

Unbekannt 4

Gesamt 64

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Tabelle 3: Abschlussjahr der Vereinbarungen

Abschlussjahr Anzahl absolut

1991 1

1993 1

1996 1

1997 1

1998 2

2000 1

2001 2

2003 7

2004 9

2005 4

2006 9

2007 11

2008 7

2009 2

Unbekannt 6

Gesamt 64

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Literatur- und Internethinweise

Literatur

Busch, Katrin (2009): Die Einflussnahme der Tabaklobby auf das Bundesnichtraucherschutz-gesetz. Analyse einer geheimen Strategie, HamburgDeutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) (Hg.) (2005): Passivrauchen – ein unterschätz-tes Gesundheitsrisiko. Tabakprävention und Tabakkontrolle, Band 5, Heidelberg, Download unter http://www.dkfz.de/de/presse/pressemitteilungen/2005/download/Passivrauchen_Band_5.pdfDeutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) (Hg.) (2007): Raucherräume und Lüftungs-systeme: Keine Alternative zur rauchfreien Gastronomie, HeidelbergDietrich, Ute (2008): Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz, Reihe: Schriften zum Arbeitsrecht und Wirtschaftsrecht, Bd. 46, Frankfurt a. M. Froese, Sebastian A./Merschky, Axel/Michelchen, Gunnar (2008): Nichtraucherschutz in Pflegeeinrichtungen. Was ist erlaubt? Was ist verboten?, EssenHeilmann, Joachim (2007): Rauchen am Arbeitsplatz – Licht am Ende des Tunnels?, in: Der Personalrat 5/2007von der Heyden, T. /Alker, M. (2008): Technischer Nichtraucherschutz in Innenräumen, in: Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft, IFA (Hg.), Nr. 3/März 2008 IGMetall, Gesünder @rbeiten – Nichtraucherschutz im Betrieb, Frankfurt/Main Raif, A. /Böttcher, A. (2009): Nichtraucherschutz – haben Raucher im Betrieb ausgequalmt?, in: Arbeit und Recht 9/2009, S. 289-291

Internethinweise

http://www.aktionsbuendnis-nichtrauchen.de/– hervorgegangen aus dem Zusammenschluss von 80 Nichtraucherorganisationen (seit 1992)

http://osha.europa.eu/fop/germany/de/topics/nichtraucher_am_arbeitsplatz– Offizielle Seite des bundesdeutschen Arbeitsschutzes

http://www.nichtraucherschutz.de – Nichtraucher-Initiative Deutschland e.V. seit 1988

http://www.praevention-online.de/pol/such_frames.html?nichtraucherschutz – Unabhängiges Portal zur Gesundheitsprävention – gefördert von der Bundesregierung

http://www.tabakkontrolle.de – das deutsche WHO-Kollaborationszentrum für Tabakkontrolle beim DKFZ

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Das Archiv Betriebliche Vereinbarungen der Hans-Böckler-StiftungDie Hans-Böckler-Stiftung verfügt über die bundesweit einzige bedeutsame Sammlung be-trieblicher Vereinbarungen, die zwischen Unternehmensleitungen und Belegschaftsvertre-tungen abgeschlossen werden. Derzeit enthält unser Archiv etwa 12.000 Vereinbarungen zu ausgewählten betrieblichen Gestaltungsfeldern. Unsere breite Materialgrundlage erlaubt Analysen zu betrieblichen Gestaltungspolitiken und ermöglicht Aussagen zu Trendentwicklungen der industriellen Beziehungen in deutschen Be-trieben.Regelmäßig werten wir betriebliche Vereinbarungen in einzelnen Gebieten aus. Leitende Fra-gen dieser Analysen sind: Wie haben die Akteure die wichtigsten Aspekte geregelt? Welche An-regungen geben die Vereinbarungen für die Praxis? Wie ändern sich Prozeduren und Instru-mente der Mitbestimmung? Existieren ungelöste Probleme und offene Fragen? Die Analysen betrieblicher Vereinbarungen zeigen, welche Regelungsweisen und -verfahren in Betrieben bestehen. Die Auswertungen verfolgen dabei nicht das Ziel, Vereinbarungen zu bewerten, die Hintergründe und Strukturen in den Betrieben und Verwaltungen sind uns nicht bekannt. Ziel ist es, betriebliche Regelungspraxis abzubilden, Trends aufzuzeigen und Gestaltungshin-weise zu geben.Bei Auswertungen und Zitaten aus Vereinbarungen wird streng auf Anonymität geachtet. Die Kodierung am Ende eines Zitats bezeichnet den Standort der Vereinbarung in unserem Ar-chiv und das Jahr des Abschlusses. Zum Text der Vereinbarungen haben nur Mitarbeiterinnen des Archivs und Autorinnen und Autoren Zugang. Zusätzlich zu diesen Auswertungen werden vielfältige anonymisierte Auszüge aus den Verein-barungen auf der beiliegenden CD-ROM und der Online-Datenbank im Internetauftritt der Hans-Böckler-Stiftung zusammengestellt. Unser Ziel ist es, anschauliche Einblicke in die Regelungspraxis zu geben und Vorgehenswei-sen und Formulierungen anzuregen. Darüber hinaus, gehen wir in betrieblichen Fallstudien gezielt Fragen nach, wie die abgeschlossenen Vereinbarungen umgesetzt werden und wie die getroffenen Regelungen in der Praxis wirken. Das Internetangebot des Archivs Betriebliche Vereinbarungen ist unmittelbar zu erreichen unter www.boeckler.de/betriebsvereinbarungen. Anfragen und Rückmeldungen richten Sie bitte an [email protected]

oder direkt an

Dr. Manuela Maschke 0211-7778-224, E-Mail: [email protected] Poesche 0211-7778-288, E-Mail: [email protected] Pohler 0211-7778-167, E-Mail: [email protected]