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Marginalisierungstendenzen Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen unter jugendlichen Spätaussiedlern Spätaussiedlern Ergebnisse einer empirischen Untersuchung Ergebnisse einer empirischen Untersuchung PD Dr. phil. habil. Waldemar Vogelgesang Forschungsgruppe Jugend- und Medienkultur (JMK) Universität Trier Nürnberg, 30.11.2007 Nürnberg, 30.11.2007 Zuwanderung und Integration von Spätaussiedlern (Konferenz) Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Nürnberg 29. – 30.11.2007

Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen Spätaussiedlern – Ergebnisse einer empirischen Untersuchung PD Dr. phil. habil. Waldemar Vogelgesang Forschungsgruppe

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Marginalisierungstendenzen unter Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen Spätaussiedlernjugendlichen Spätaussiedlern

– – Ergebnisse einer empirischen UntersuchungErgebnisse einer empirischen Untersuchung

PD Dr. phil. habil. Waldemar Vogelgesang

Forschungsgruppe Jugend- und Medienkultur (JMK)Universität Trier

Nürnberg, 30.11.2007Nürnberg, 30.11.2007

Zuwanderung und Integration von Spätaussiedlern (Konferenz)

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Nürnberg 29. – 30.11.2007

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

Eigene Studien mit Migrationsbezug

1.) Jugend im Stadt-Land-Vergleich (2000)

Text: „Tiefe Gräben und schmale Brücken“

2.) Jugendliche Aussiedler (2003-2006)

Bericht: „Jugendliche Aussiedler – zwischen ethnischer Diaspora und neuer Heimat“

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

Jugendliche Aussiedler: „Forschungsnetzwerk

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

Ethnographisch-qualitative Verfahren Beobachtungen Narrative Interviews Exkursionen (Integrationsgymnasium, Omsk) Feldtagebuch / Videodokumentation

Quantitative Verfahren Befragung (standardisiert)

Methodenplurale Lebensweltanalyse

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

Assimilationsmodell (Esser) Opportunitäten (Teilhabechancen) Barrieren (Vorurteile, soziale Distanzen, Diskriminierungen) Alternativen (Rückzug in eigenethnische Gruppen/Räume)

Exklusionstheorie (Luhmann) Mehrfachexklusionen (multiple Formen der Benachteiligung) Exklusionsverkettungen (‚Ausgrenzungskarrieren‘)

Theoretischer Bezugsrahmen

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

Die Lebenswelt der Die Lebenswelt der jugendlichen Aussiedler jugendlichen Aussiedler

– – betrachtet aus der Perspektive gesellschaftlicher betrachtet aus der Perspektive gesellschaftlicher

Benachteiligung und individueller Benachteiligung und individueller SelbstausgrenzungSelbstausgrenzung

Aktuelle ForschungsergebnisseAktuelle Forschungsergebnisse

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

(Aus-)Bildungsbenachteiligung Sprachdefizite Nichtbeteiligung an Ausreiseentscheidung Sozial-räumliche Segregation ‚Russische‘ Mentalität und Identität Exkurs: Inhaftierte Jugendliche

Assimilationsbarrieren

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

(Aus)Bildungs-(Aus)Bildungs-benachteiligungbenachteiligung

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

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20%

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100%

Einheimische Aussiedler

GymnasiumRealschuleHauptschule

n = 102

Quelle: eigene Erhebung 2004

BildungEinheimische und (Spät)Aussiedler im Vergleich (in %)

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

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13

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50

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60

80

100

Einheimische Aussiedler Ausländer

Beruf mitAbschluss

Beruf ohneAbschluss

arbeitslos

n = 414 (Jugendliche in Erwerbsarbeit,

Alter: 14-25 Jahre)

Quelle: Jugendstudie 2001, Vogelgesang

BeschäftigungEinheimische und Migranten im Vergleich (in %)

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

unterschiedliche Bildungs- und Ausbildungssysteme verschiedene Unterrichtsformen Nichtanerkennung von Schul- und

Ausbildungsabschlüsse altersheterogene Einstufungspraxis Bildungserwartung der Eltern (materielle

Orientierung / finanzielle Abhängigkeit) Sprachdefizite

Gründe für die (Aus)Bildungsbenachteiligung der Aussiedler

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

Sprachdefizite

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

„Der [jugendliche Aussiedler] saß immer nur alleine in der letzten Bank. Ein halbes Jahr saß er da und hat kein Wort verstanden. Irgendwann kam er dann nicht mehr.“

(Hauptschullehrer)

Interviewauszug: Sprachdefizit

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

3661

52

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12 2

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Beide Elterndeutschstämmig

Nur ein Elternteildeutschstämmig

Deutsch

Deutsch und Russisch

Russisch

Quelle: Dietz/Roll 1998

SpracheFamiliensprache jugendlicher Aussiedler (in %)

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

Nichtbeteiligung an Ausreiseentscheidung

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

unfreiwillige Ausreise der jungen Russlanddeutschen (Zitate)

„Ich wurde nicht gefragt, ob ich mit will nach Deutschland oder nicht. Mir ging es da wohl wie den meisten, wir wurden einfach mitgenommen!“

(Sascha, 19 Jahre)

„Meine Großeltern und meine Eltern haben immer von Zwangsumsiedlungen gesprochen. Aber was ist mir denn anderes passiert?“

(Natascha, 15 Jahre)

Die ‚mitgenommene Generation'

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

(Un)freiwillige Wohnsitzname

Nachzugsmigration (Familie, Verwandtschaft, Religion)

‚erzwungene‘ Wohnsitzname (insbes. durch WoZuG)

 „Man muss bedenken, dass für die Aussiedler die Familie und auch die Großfamilie der Ort ist, wo man Sicherheit bekommt in diesen unsicheren Zeiten.“

(Mitarbeiterin, Übergangswohnheim Osthofen)

 

 „Staatliche Leistungen an einen Zwangsaufenthalt weit weg von Verwandten und Bekannten zu koppeln, war keine glückliche Entscheidung.“

(Leiter, Übergangswohnheim Osthofen)

 

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

Sozial-räumliche Segregation

Folge der ‚Verkettung‘ von best. Migrationsmotiven, Benachteiligungen (in Schule, Ausbildung, Beruf, Vereinen),

Negativetikettierungen und der Selbstghettoisierung in herkunftskulturell bestimmten Lebensräumen

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

Rang 1: Einheimische(r)

Rang 2: Amerikaner(in)

Rang 3: Italiener(in)

Rang 4: Afrikaner(in)

Rang 5: Aussiedler(in)

Rang 6: Türke/in

Rang 1: Aussiedler(in)

Rang 2: Einheimische(r)

Rang 3: Amerikaner(in)

Rang 4: Italiener(in)

Rang 5: Türke/in

Rang 6: Afrikaner(in)

Einheimische

Aussiedler

„Könntest du dir vorstellen, folgende Leute in deiner Clique zu haben?“ Quelle: eigene

Erhebung 2004

Wahl der Clique nach ethnischer Herkunft

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

„Das Schlimme ist – und oft kämpft man da gegen Windmühlen –, dass der Verdacht, wenn etwas passiert ist, zuerst einmal auf die jugendlichen Aussiedler fällt. Die Lufthoheit haben dann wieder einmal die Scharfmacher mit ihren Stammtischparolen: Die Russen waren das. Für die näheren Umstände und wer da wirklich beteiligt war, das interessiert nicht. Die Schuldigen sind ja ausgemacht.“

DEKRA-Mitarbeiterin, Gerolstein

Kriminell und nicht integrierbar? Russlanddeutsche in der Provinz TV-Reportage des Südwestfunks; Report Mainz, Nov. 2003

Fremde Heimat Deutschland. Lange Zeit galten Russland-deutsche als unauffällige Einwanderer – heute führen ihre Söhne die Gewaltstatistiken mit an

Die Zeit, 12. Okt. 2006

Russlanddeutsche unter Generalverdacht: „Die Russen waren das“

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

„Ich habe nur russische Freunde. Ich glaube, wir verstehen uns untereinander einfach besser. Wir kommen alle aus Russland, sprechen die gleiche Sprache. Mit den Deutschen komme ich nicht so gut klar.“

(Swetlana, 17 Jahre)

Soziale Segregation: Aussiedler im Freundeskreis / in der Clique

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

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2645

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Einheimische Aussiedler

keineAussiedler

einigeAussiedler

viele Aussiedler

n = 102

Quelle: eigene Erhebung 2004

Räumliche Segregation: Aussiedler in der Nachbarschaft (in %)

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

„„Russische“ Mentalität und Russische“ Mentalität und IdentitätIdentität

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

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0 20 40 60 80 100

Ein Mann sollte bereit sein, Frau undKinder mit Gewalt zu verteidigen

Man sollte sich mit körperlicher Gewaltgegen jemanden durchzusetzen, der

schlecht über die Familie redet

Männern sollte es erlaubt sein,Schusswaffen zu besitzen, um Familie

und Eigentum zu beschützen

Aussiedler

Einheimische

Quelle: eigene Erhebung 2004

Männerbild: Vater als ‚Beschützer‘ der Familie (in %)

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

„Bei Schlägereien ist man z.B. die Härte der Russen nicht gewohnt. Diese schlagen mit voller Härte zu. Vielleicht, weil sie es nicht anders gewohnt sind, vielleicht weil sie damit auch einem russischem Ehrenkodex folgen und Macht und Männlichkeit demonstrieren müssen.“

Jugendpolizist, Bitburg

„Man hat dazu (zur Gewalt; W.V.) einfach eine andere Vorstellung als in Deutschland. Wenn man jemanden zusammenschlagen kann, ist man stark und wird respektiert. Es sind andere Werte wichtig.“

Alexander, 21 Jahre, Russlanddeutscher

Härte-Ideale: Zentrum ‚russischer Werte‘

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

32

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als Deutscher

als Fremder

als irgend etwasdazwischen

„Was würdest du sagen, fühlst du dich eher ...?“ (in %)

Quelle: eigene Erhebung 2004

Identität der jungen Aussiedler

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

Exkurs:Exkurs:Inhaftierte JugendlicheInhaftierte Jugendliche

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

Stichtag: 31.3.2002

Anzahl: ca. 7500 (davon 250 weibl. Jugendliche)

Ethnische Herkunft: Einheimische: 50%, Ausländer: 30%; Aussiedler: 20%

Deliktformen: Gewalt: 44%, Diebstahl: 37%, Drogen: 10%

0

2000

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8000

1992 1994 1996 1998 2000 2002

Inhaftierte Jugendliche

Quelle: Weipert 2003

Inhaftierungen im Jugendstrafvollzug 1992 - 2002

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

JVA Wittlich - Inhaftierungen (Zeitpunkt: 1.3.2004)

insgesamt: 230; Aussiedler: 29

„Von den jungen Deutschrussen sind schon seit längerer Zeit relativ konstant so 25 bis 30 hier. Wir hatten vor längerer Zeit auch schon über 50, aber das ist so ein bis anderthalb Jahre her. Es geht offensichtlich eher zurück, als dass es ansteigt. Und ich gehe auch davon aus, dass sich das Problem in drei, vier oder fünf Jahren im Jugendstrafvollzug auswächst. […] Vielleicht noch ein paar Zahlen dazu vom Januar 2002. Da waren 51% der hier einsitzenden Deutschrussen wegen Drogenstraftaten verurteilt worden “

Leiter der JVA Wittlich

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

JVA Wittlich - Inhaftierungen (Zeitpunkt: 1.3.2004)

insgesamt: 230; Aussiedler: 29

„Von den jungen Deutschrussen sind schon seit längerer Zeit relativ konstant so 25 bis 30 hier. Wir hatten vor längerer Zeit auch schon über 50, aber das ist so ein bis anderthalb Jahre her. Es geht offensichtlich eher zurück, als dass es ansteigt. Und ich gehe auch davon aus, dass sich das Problem in drei, vier oder fünf Jahren im Jugendstrafvollzug auswächst. […] Vielleicht noch ein paar Zahlen dazu vom Januar 2002. Da waren 51% der hier einsitzenden Deutschrussen wegen Drogenstraftaten verurteilt worden “

Leiter der JVA Wittlich

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

Zwangsmitgliedschaft in geschlossenen Gruppen

„Innerhalb der Anstalt sind die Deutschrussen eine geschlossene Gruppe, abgeschottet nach außen, wo man auch ganz schlecht reinkommt. […] Sie unterhalten sich in ihrer Landessprache, schreiben Briefe nur auf russisch, geben auch kein Fehlverhalten zu, lassen nichts nach außen dringen und halten zusammen wie Pech und Schwefel.“

„Die haben ein sehr großes Wir-Gefühl, ein sehr großes soziales Verhalten, das ist im Prinzip nichts Schlechtes. […] Nur diese Besonderheit der Gruppen macht uns Probleme, diese Undurchsichtigkeit, diese Aggressivität, die sie an den Tag legen. Auch dieses Radikale, dass es nur rechts und links, nur schwarz und weiß gibt. […] Für die Neuen sind das Zwangsmitgliedschaften, die haben gar keine Wahl. Zudem scheint es harte Aufnahme- und Vertrauensrituale zu geben, nur wissen wir darüber so gut wie nichts.“

Mitarbeiter, JVA Wittlich

Strukturmerkmale: Gegenmacht – Stabilität – Netzwerk („russ. Subkultur“)

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

Hierarchische Strukturen

„Die Gruppe ist ganz klar organisiert, streng hierarchisch aufgebaut. […] Wir haben, auch landesweit, im Vollzug eine bestimmte Hierarchie unter den deutschrussischen Häftlingen. Aber es ist schwer zu erkennen, wer die Gruppe führt, und wie die Hierarchie aufgebaut ist. Da stochern wir eigentlich nur im Dunkeln. Das ist halt das Problem.“

Leiter, JVA Wittlich

Positionen: Führer – Vollstrecker – Underdogs – Sozialarbeiter

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

Geheime Machtsymbole

Kleiderkodizes – Territorialansprüche – Tätowierungen Einschlüsselung der ‚Tattoo-Sprache‘

Katalog von Abbildungen für den internen Dienst Beispiele:

Krone am Finger hoher Status Taube in Ketten 16. Geburtstag im Gefängnis verbracht Anzahl von Kirchtürmen Zahl der verbüßten Haftjahre Schmetterlinge / Segelschiffe signalisieren Fluchtabsicht

Zwangstätowierungen als ‚Strafrituale‘ Eidechse in Ungnade Gefallen, Ehrverlust Teufel, der eine Frau auszieht abartige sexuelle Neigungen

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

Subkulturelle Regelkatalog: ‚Abschtschjak‘ (=Gemeinschaft)

Ursprung: traditionelle russ. Gefängniskultur Schriftstück (‚Appell‘) totale Verhaltensregelung

(Haftraum, Gruppenstruktur, Kommunikation, Dienste, Netzwerk etc)

Schweigekodex: „Aus den Deutschrussen ist nichts herauszubekommen. Wenn die nichts

sagen wollen oder dürfen, dann sagen die auch nichts. Die können schweigen wie ein Grab, egal welche Strafen man ihnen auch androht. Es ist, als hätten sie ein Gelübde abgelegt.“

Mitarbeiter, JVA Wittlich „Die stehen vor dir, als hätten sie die Zunge verschluckt. Ich bin sicher,

manche würden sie sich auch eher abbeißen, als nur einen belastenden Satz über ihre Landsleute zu sagen. […] Am Anfang dachte ich, es liegt an der Sprache, die verstehen mich nicht. Aber die haben mich sehr wohl verstanden, viel zu gut verstanden, um einen der ihrigen ans Messer zu liefen.“

Richter, Bitburg

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

Gruppeninterne Sanktionsformen: das ‚Kasjak-System‘

Gruppeninterner Straf- und Bußkatalog Repressionsformen

milde Strafen (Bußgeld, Reinigungsarbeiten, Botendienste, Bestrafungen durchführen)

harte Strafen Demütigungen Schlafentzug Einschüchterung körperliche Gewalt

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

„Ich war noch nie so Russisch, wie zu der Zeit“ Vitali, 23 Jahre, Russlanddeutscher

„Mein Eindruck ist, viele Deutschrussen haben sich mit ihrer Randgruppenposition nicht nur abgefunden, sondern regelrecht arrangiert. Und was mir noch auffällt, sie haben in der Gesellschaft keine Lobby, die sich für sie einsetzt. […] Es ist eine verlorene Migrantengeneration.“

Mitarbeiter, JVA Wittlich

Migrationsverlierer in der JVA

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

„Im Grunde genommen haben viele junge Russlanddeutsche ihre alte Heimat nie aufgegeben. Sie pflegen ihre Bräuche und Rituale, sie sprechen die russische Sprache und leben die russische Mentalität und Kultur. Möglicherweise tritt dies im Gefängnis stärker in den Vordergrund als anderswo. Denn hier sind sie ‚richtige Russen’ – stark, männlich, als Gruppe akzeptiert und mit einer großen Autorität und Macht ausgestattet, die ihnen jenseits der Gefängnismauern nie zuteil würden. Die Jugendlichen fühlen sich drinnen viel stärker akzeptiert als draußen. Jeder hat seine bestimmte Aufgabe, wird dementsprechend gelobt oder bestraft. Die Unterwerfung in diesem System ist für die meisten Außenstehenden nicht zu verstehen“

(Valdmane, 2005)

Das Gefängnis als ‚russische Gegenwelt‘ und ‚Anschauungsort‘ für Integrationsdefizite

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Marginalisierungstendenzen unter jugendlichen AussiedlernErgebnisse einer empirischen Untersuchung

Integration von AussiedlernBarrieren und Hilfen

Sprachdefizit niedriges

(Aus)Bildungsniveau fehlende Lernmotivation Rollenunsicherheit /

Mentalitätsunterschiede Rückzug in ‚Russencliquen‘ segregierte Wohnformen Nischenökonomie geschlossene religiöse

Gemeinschaften Devianzspirale und (Selbst-)

Marginalisierung

• Sprachkurse / auch Förderung der Erstsprache

• schulische und berufliche Qualifizierung

•Förderung von interkulturellem Lernen und Begegnung

• Vernetzung / Kooperation der vor Ort beteiligten Institutionen, Organisationen und Verbände

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Vielen Dank für Ihre

Aufmerksamkeit!

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