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DAS FREMDLAND Fotografien und Text von CHRIS MARKER autorisierte Übersetzung von Roland Platte und Andreas Eisenhart

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DAS FREMDLANDFotografien und Text von

CHRIS MARKER

autorisierte Übersetzung von

Roland Platte undAndreas Eisenhart

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Es/s+ I zc4+z (t)

el der Originalausgabe: Le Döpaysrpyright Edltlons Herrscher, Paris 1982

Pyrlght drr dcutachen Ausgabe:Itrv{rrlrg Ur!ula Obsrbeckmann-Fukuzawa,mlnaklalrlß.l, 1000 Berln 62I hrohtr vorbohalten.rh Aull$. .1986

rN 3.926230.00.9

[mlhottt.llung Oallua DruckErEl KG, Berlinrtc.l ln O.rm.ny

Das Fremdland

Hinweis

DerText kommentiert die Bilderso wenig, wie diese den Text il-'lustrieren. Es sind zwei Serienvon Sequenzen, und es kommtfreilich vor, daß sie sich kreuzen'und sich Zeichen geben, aberder Versuch, sie zu konfrontie-'ren, wäre unnütz und ermü-dend. Man nehme sie daher inder Unordnung, in der Einfach=,heit und Verdoppelung, so wiees in Japan allen Dingen zu-kommt.

c. M.

t

Schlaflosigkeit der Morgendämmerung inTokyo. Die Stimmen der Krähen künden vonBotschaften, die bald die Stadttore erreichthaben werden. An den Endbahnhöfen setzensich farbige Züge in Bewegung - Yamanotegrün, Tozai blau, Marunouchi lackrot, Nameund Fdibe für immer untrennbar - und erfüllenden Morgen mit dem anwachsenden Rollenvon Bowlingkugeln, das vom kaiserlichen Ne-belhorn des Shinkansen beherrscht wird. DerSchnee auf dem noch laufenden Fernseherwird zwar bald vom ersten Blickfang wegge-wischt werden, in diesem Augenblick ähneltder Apparat jedoch eher einer dieser weißenund eckigen Laternen, die man im Fernsehenzu sehen bekommt, in diesen Samurai- undPhantomgeschichten. Das ist, was man einBild im Bild nennt. Die Dame von den Morgen-nachrichten erscheint auf dem Bildschirmoder der ersteWerbespot oder Doraemon, derKatzenroboter. Aha, sagt man sich, ein weite-rer Tag ist vergangen. Als ob man nur beim Er-wachen, sich nach ihm zurückwendend, dasrichtige Maß dieses Tages erfaßt, den man au-ßerhalb der Zeit erlebt hat, eingetaucht in ei-nen Bereich der Stille inmitten des Klanges,der Bewegungslosigkeit im Zentrum der Ma-nege, in einen Geschmack von Ewigkeit, denwirJapan nennen werden, wie andere ihn Hol-land nennen. Hierzulande ist die Zeit ein Fluß,der nur nachts fließt,

Will man Japan kennenlernen, kann man esauch glelch erfinden. lst man einmal über Ge-

Qn *o9

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meinplätze hinausgelangt, hat man einmal denGemeinplatz vermieden, das Gegenteil derGemeinplätze anzunehmen, dann hat reinrechnerisch jeder die gleiche Chance, dochwelch ein Zeitgewinn. Sich den Erscheinungenanvertrauen, wissentlich Dekor und Stück ver-mischen, dem Zwang des Verstehenmüssenswiderstehen, dasein - 6tre lä -, und alles wirdlhnen in den Schoß fallen. Na ja, jedenfalls einbißchdn.

"We Japanese have a very special relation-ship with cafs. " Das hat dir Toru Takemitsu ge-

stern abend in der kleinen Bar in Shinjuku ge-sagt. Dieses Eingeständnis ist um so kostba-rer, als es von einem der größten lebendenMusiker kommt. Hinter ihm stehen, nebenein-ander aufgereiht, die Whiskyflaschen derStammgäste, rund und glatt wie Schildkröten.Die Assoziation dieser beiden Wörter, Katzeund Whisky, hat, einer Neuralgie ähnlich, denBlick eines Katers durch deinen Kopf gleitenlassen, der bezeichnenderweise Whisky hieß,

was ein ziemlich unwahrscheinlicher Name füreinen Kater des 12. Pariser Arrondissementist, aber so war es eben. Es genügte schon,daß du ihm vom ersten Stock, ohne auch nurdie Stimme zu heben, zuriefst: uWhisky!u, under warl diesen Blick zu dir hoch - einfach un-vergeßlich. Einige Sekundenbruchteile späterwar er da, auf dem Balkon, durch eine dieserVerdichtungen der Raum.Zeit, die allein Kat-zen kennen und ein paar tibetanische Aske-ten. Whisky, der Kater, ist gestorben, überfah-ren von einem Lastwagen, und du hebst deinGlas zu seinem Gedenken, zum Gedenken an ,

deinen anderen Freund unter den Katzen, rus-sisch-blau, Tozai-blau, zum Gedenken an dieSchleyereule, die eines Tages in deiner Hand,starb, erstickt an einem Klumpen, den sie mitder Gier eines Raubtieres verschlungen hatte.Du fragtest dich zuweilen, wie sie die Men-schen sehen, diese Tiere. Bei Katzen ist esnicht sicher, ob ,ihr Menschu eine einheitliche

Person darstellt, eher eine Art Herde, bei dersie neugierig nachprüfen, ob sie sich immer in

derselben Ordnung zeigt, vertikal oder hori-zontal, hier der Kopf, hier die Füße, Für die Eu-le waren wir vielleicht große, undeutlicheSchatten, nicht feindlich gesonnen, aber uner-klärlich. Während sie nach Atem rang und zumersten Mal der Schwindel des Todes in ihrenEulenkopf eindrang, sagten ihre Augen:Schatten, dü tötest mich, Schatten, du verläßtmich, und ihr letzter Krampf hat ihre nadelspit-zen, für Nagetiere tödlichen Fänge um deinenFinger zu einem Knoten verschlungen. DeinFinger ist wochenlang blau geblieben, blau wiedie russische Katze, wie die Tozai-Linie, undnoch lange hast du dieses Zeichen, das nur all-mählich wieder erlosch, wie einen Gewissens-biß mit dir herumgetragen.

Andere trinken heute abend vielleicht aufden Tod der Könige, auf den Tod der Kaiserrei-che. Wir in Shinjuku trinken auf den Tod derKatzen und Eulen. Was ist natürlicher als das?Eine Viertelstunde zu Fuß entfernt und ohneShinjuku zu verlassen, fänden wir den Tempelvon Ji Cho ln, in Nishi Ochiai, wo man für dieKatzen der ganzen Welt betet. Eine prächtigeManeki neko, die grüßende Kalze, das Mas-kottchen der gewieften Händler und der auf-merksamen Prostituierten, wacht an der Pfor-te des Heiligtums. Der Bonze entschleiert füreinen Obolus die geopferten Katzenstatuen -geopfert im XVl. Jahrhundert von einem Feld-herrn, dem eine schwarze Katze den,Weg ge-kreuzt hatte (und der, anstatt darin wie jederbornierte Europäer ein schlechtes Omen zusehen, der Katze folgte und von ihr zu einemstrategisch günstigen Platz geführtwurde, derihm den Sieg ermöglichte)- im XVll. Jahrhun-dert von einem Händler, dessen Katze alleindurch den Glanz ihrer Anwesenheit die Kun-den anzog und ihm ein großes Vermögen ein-brachte - und im XVlll. Jahrhundert von einerKurtlsane, von der du bis heute nicht begritfen

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hast, ob sie eine Katze hatte, ob sie eine Katzewar oder was sie sonst in der Geschichte ei-gentlich zu suchen hat. Aber du hast gelernt,keine Fragen zu stellen. Und die Legende be-richtet, daß die Legende wahr ist, die erzählt,daß die Legende wahr ist, so, als würde dieDemoiselle du carrefour von deinen Reisen er-zählen.

Als du das erste Mal mit den Geschichtenvon den japanischen Katzen nach Europa zu-rückkehrtest, sahen deine Freunde darin denBeweis dafür, daß ein Maniak immer etwas fin-det, womit er seine Manie nähren kann. Manmußte ihnen erst Bilder vom Katzenfriedhof Ji

Cho ln in Go To Ku Ji mit seinen Dutzenden, aufmehreren Etagen angeordneten Maneki nekozeigen; ihnen beweisen, daß in Block 1-16-1von Ginza Kinder ein Katzen-Hinkespiel ge-zeichnet haben und daß eine echte Katze ge-kommen ist, um darauf ihr Nickerchen zu hal-ten; ihnen beteuern, daß eine Katze ihre ln-itialen im Beton von Shimbashi hinterlassenhät, Und erst als du ihnen das 1980 erschiene-ne Buch von Keibunsha aufschlugst, das Plä-ne und eine systematische Liste von allen Or-ten Tokios enthält, die mit Katzen zu tun ha-ben, hast du gespürt, daß sie ein bißchen ver-unsichert waren. Den besten Weg zum Re-staurant von liiya, wo man inmitten von frei um.herlaufenden Katzen speisen kann, auf Glanz-.papier und mit der Sorgfalt eines Geographengedruckt vor sich zu sehen - das ist schon be-eindruckend. Daraufhin war es einfacher, ih-nen von deinen weiteren Begegnungen zu er-zählen, von der mit den Zwillingen in dem Zug,,der dich nach Go To Ku Ji brachte, eben dahin(es regnete wie in Rashomon, du wußtestnoch nicht, wo der Tempel war, du hieltest,

"neko(sagend, Passanten an und führtest dieHände zur buddhistischen Gebetsgeste zu-sammen: Sie verstanden alle, aber alle wußtensie es nicht; es hat dich eine Stunde gekostetund mehrere Versionen, immer wie in Basho-

mon, bis du dich endlich vor den Reihen derKatzen wiederfandest, die dich grüßten, dir da-für dankten, daß du für sie den langen Weg ge-macht hast, in diesem Regen . , . Später bistdu nachdenklich geworden; immerhin hat dieKatze in ganz Asien einen schlechten Ruf, lstsie nicht als einziges Tier zu spät zum TodBuddhas gekommen? Eben, hat man geant-wortet. Gerade weil sie diesen Makel an sichträgt, muß man um so mehr Mitleid mit ihr ha-ben. Und diese Art, den Schwächsten zu un-terstützen, to side with the undercat, hat dir ei-nen neuen Einblick gewährt, denn sie stelltsl,ch dem verbreiteten und berechtigten Rufder Grausamkeit der Japaner entgegen. lm-mer noch in Shinjuku (wirklich, du verbringstdort wohl dein Leben), hat dich vom Dach ei-nes dieser kleinen Läden am südlichen Aus-gang des Fußgängertunnels eine Katze mitbeiden Ohren gegrüßt, Seitdem hast du niemehr diesen Durchgang benutzen können,ohne die Katze wiederzusehen. Am selbenMorgen hattest du einen Vizepräsidenten derreichen und mächtigen Riyukai-Shakaden-Sekte genau in dem Augenblick photogra-phiert, in dem er allein durch sein Eintreten ei-nen Wächter erstarren ließ, und dieses Kat-zenlächeln schien dir alle Gegenmächte derWelt zu verkörpern. An einem anderen Tag ha-ben dich deine japanischen Freunde, die sichfür deine Verrücktheit interessieren, zum welt-lichen Katzentempel mitgenommen, Neko-maya, einem Geschäft, das sämtliche Gegen-stände für Katzen, alle Bücher über und Bildervon Katzen, ja sogar Katzennahrung führt,dem ersten Baustein einer lnternationalen, diesich entwickelt hat mil Wholly Cafs in San

Francisco und mit Au Chat Dormant in Paris,

rue du Cherche-Midi, auf derselben Seite wieder Blumenhändler. lnzwischen hast du nicht

/'nur gelernt, wie man ,nekoo aubspricht, son-öern auch, wie man es schreibt. Ein großerStrich und zwei kleine, federförmige, für denSchwanz: eln Tier, Ein Rechteck, verstrebt mit

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l

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einem Kreuz: das Reisfeld. Zwei kleine vertika-le Striche, mit einem horizontalen Balken wü-tend, gehetzt durchgestrichen: der Lauf. ln Ja-pan ist die Katze das Tier, das durch ein Reis-feld läuft.

Die Sonne steht jetzt hoch über Tokyo. lmFernsehen läuft bereits die morgendliche Fort-setzungsserie. Vor herunteruntergelassenenRolläden müssen Frauen auf die öffnung dergroßen Kaufhäuser Sogo in Yurakucho, Mitsu-koshi und Sanai an der großen Kreuzung vonGinzawarten (die steinerne Statue einer Katzeim Schatten des Turmes von Sanai). EinenBlock weiter fängt Herr Akao an, gegen den in-ternationalen Kommunismus zu predigen, sowie er es seit fünfundzwanzig Jahren praktischjeden Tag tut. ln den Gebäuden von Otemachigegenüber dem kaiserlichen Palast entwirftJapan glorreich das Bild, in dem es sich f ür vie-le zusammenfaßt und wofür viele es bewun-dern, und doch genügt schon eine Abordnungvon Landbewohnern, der man in der Halle desYomiuri Shimbun über den Weg läuft, um vonneuem zu empfinden, was in diesem Marmor-reich an Seidenem geblieben ist. Du stehstauf, gehst zum Fenster. Vom Wellblechdachdes Schuppens, der genau unter dir an dasHotel stößt, grüßen dich zwei Katzen, eine wei-ße und eine schwarze. lm Augenblick der Auf-nahme wirft dir die rechte, die schwarze, einenBlick zu, der so genau dem des Katers Whiskyam anderen Ende der Welt, in einem anderenLeben, gleicht, daß du für einen kleinen Mo-ment ins Schwanken gerätst und - einmal istkeinmal - dich lobst, einst geschrieben zu ha-ben, daß es sich mit der Vergangenheit genauso verhalte wie mit der Fremde: Es kommt da-bei nicht auf die Entfernung an, sondern auf,das Überschreiten einer Grenze.

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Jene hast du la Derelittagenannt. Entgegeneiner zäh sich haltenden Legende sind die Zü-ge in Tokyo nichl immer überfüllt, werden dieFahrgäste nicht immer von weißbehand-schuhten Angestellten in die Waggons ge-schoben, wie uns das in keinem Film erspartbleibt. Man kann.ganze Tage damit zubringen,von Zug zu Metro, von Untergrund- zu Hoch-bahn zu gleiten, ohne je mehr gedrängelt zuwerden als in Paris oder New York (jedenfallsauf eine höflichere Art, auch wenn einem dieSitzplätze nicht gerade geschenkt werden),mit langen Leerstrecken, die es einem erlau-ben, sich eine strategisch günstige Ecke odersein Gegenüber auszusuchen. Denn jetzt be-ginnt die Jagd nach Schläfern. Sie faszinierendich. Du nimmst den Zug, um sie zu sehen, duvergißt Verabredungen, du verpaßt Umsteige-möglichkeiten, um einige Minuten länger vordem vollendeten Dokumentarfilm, vor der per-fekten Großaufnahme des Gesichtes einesoder einer Schlafenden zu verbringen. lhrSchlaf deckt ein ganzes Spektrum von Verhal-tensweisen auf, die im Wachzustand von dersozialen Stellung und der Sorge um das Er-scheinen gezügelt werden, und du kannst in

diesen schlafenden Gesichtern ihre ganze Ge-schichte lesen, Lächeln und Verkrampfungen,Entspannung und Ekstase. Wie viele lnszenie-rungen hast du nicht auf diese Art und Weiseerfunden - diese Frau, zum Beispiel, zwischenKobe und Osaka, bei der du innerhalb einerStunde alle Lebensalter verfolgt hast, inschnellem, konfusem Wechsel, ähnlich dem

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Verwischen der Anzeigetafel eines Flugha-fens, auf der der Name jeder Stadt sich mit denanderen vermischt. Eine Stunde lang hast dudiese Metamorphosen mit (fast) der gleichenverlangenden Aufmerksamkeit belauert wiedas Aufleuchten der Lust auf einem geliebtenGesicht. Suchen Sie nicht, sie ist nicht in die-sen Seiten zu finden, Es gibt einige hundertAufnahmen von ihr, doch sie zu veröffentli-chen, hieße sie verraten.

Du kommst aus Hongkong zurück, dieserAuster mit hunderttausend Perlen, und schonim ersten Zug (jenem, der dich vom FlughafenNarita direkt zu deiner liebgewordenen Yama-note-Linie bringt und damit die endlose Fahrtüber die Straße kurzschließt) ergreift die japa-nische Liebenswürdigkeit dein Herz, Wer wirdes jemals verstehen, die Gastfreundschaft derXenophoben angemessen zu besingen? Denndas Unglück, nicht Japaner zu sein, ist etwaswirklich Tragisches, ein unauslöschlicher Ma-kel, so daß man gegenüber dem Fremden jeg-liche Zuvorkommenheit zu zeigen hat (wie ge-genüber den Katzen). Du steigst die Stufender Treppen des Bahnhofs hinauf, und plötz-lich wiegt die Tasche an deinem Arm weniger.Eine kräftige Landfrau hat sich des rechtenHenkels bemächtigt und führt dich auf dieseWeise zum Bahnsteig, wo ihr Danksagungenund Verbeugungen austauscht. Ein Mann nä-hert sich dir: Du erkennst ihn wieder, es ist je-ner, den du auf Volapück nach der Bahnsteig-nummer gefragt hast, Sein Zug geht nicht vonhier, er hat hier nichts zu tun, einige Augenblik-ke später wird er, nach erneutem Austauschvon Grüßen, wieder weggehen: Er will sich le-diglich vergewissern, ob du auch richtig ver-standen hast und nicht Gefahr läufst, dich, ihnverdammend, in Yamagata oder Aomori wie-derzufinden . lm Zug erkundigst du dich nachder Anzahl der Stationen bis zum Umsteige-bahnhof (du könntest auf den Plan schauen,wenn es nicht soviel kurzweiliger wäre, Passe-

partout zu spielen), Ein junger Mann beginntauf seinen Fingern zu zählen wie bei einem Ab-zählvers, Otfensichtlich irrt er, denn die Mäd-chen seiner Gruppe fangen an zu lachen, denMund halb verdeckt von der zur Schale ge-formten Hand, so wie Japanerinnen lachen.(Der sicherste Weg, einen Schwulen zu erken-nen, ist, ihn zum Lachen zu bringen,) Ein ande-rer versucht sich daran, verheddert sich ge-nauso, der ganz'ö Waggon kichert. Das Spielwährt bis zum richtigen Bahnhof, wo du natür-lich wieder von sicherer Hand geführt wirst. Sohast du Japan durchquert, von Hokkaido bisOkinawa, als linguistisches Gepäck - von denunentbehrlichen Entschuldigungs- und Dank-sagungsformeln einmal abgesehen - einzigdie verschiedenen Kombinationen des Wortesneko, und von jeder Etappe bleibt dir die Erin-nerung an den Händler, der seinen Laden ver-lassen hat, um dich zum Fuß des Gebäudes zubringen, das du suchtest, an die Wächterindes Katzenfriedhofes (neko dera) in Osaka,die dich zwanzig Minuten lang begleitet hatund dich, vom beschränkten Charakter deinesVokabulars vollkommen unbeeindruckt, mitvertraulichen Mitteilungen überhäufte, umdich dann auf einer großen Verkehrsader vol-ler Busse allein zu lassen (was natürlich auchheißt, einfältiger Fremder, daß du unfähig ge-wesen wärst, sie allein zu finden, aber da ja diehöfliche Herablassung viel angenehmer ist alsdie mürrische Gleichgültigkeit , . .). DiesesVerhalten nimmt auch befremdliche Formenan: ln einem der hübschen Züge von Hokkai-do, die mit ihrem dunklen Holz und grünenSamt Valery Larbaud gefallen hätten, schielstdu auf die Zeitschrift, die deine Nachbarin liest,weildu einen illustrierten Artikelüber die take-noko, die kleinen Sonntagstänzer aus demYoyogi-Park, erspäht hast und du eines dieserMädchen wiederzuerkennen glaubst, das duselbst photographiert hast. Ohne dir im ge-

ringsten deine Absicht anmerken zu lassen,legst du dlr lm Kopf einen Plan zurecht, um die

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lllustrierte höflich auszuleihen, wenn sie sie zuEnde gelesen hat. Währenddessen ist sie überihrer Lektüre eingenickt. Warte ich eben,denkst du, Sie erwacht einige Minuten späterund hält dir unverzüglich die lllustrierte hin. Al-les klar. Die Harmonie hat wieder zugeschla-gen,..

Da du immer befürchtest, als jemand dazu-stehen, der mehr von etwas erzählt, als er dar-über weiß, unterläßt du es, über das hyoshi(diese ,lntegration von Rhythmenu - KenjiTo-kitsu) zu spekulieren. lmmerhin hast du aufdeiner Haut so oft etwas verspürt, was deinKopf vielleicht gar nicht auszudrücken ver-mag. Wenn man im Hinblick auf Japan von Har-monie spricht, denkt jedermann an den be-rühmten sozialen Konsens, die Rechte ist ohn-mächtig, die Linke verkrampft. Du denkst an

anderes; du denkst an das feine Netz von Ri-ten, Zeichen und Kulthandlungen, an die an-geblich keiner so richtig glaubt, die aber so oftdie Arroganz des Pragmatismus und der Ef-fektivität Lügen strafen, die so anmutig dieLeere ausfüllen, die zwischen den menschli-chen Unternehmungen und dem tiefen Ab-grund der Natur klatft. Als ob es am Horizonteines jeden Ereignisses, einer jeden Hand-lung, sagen wir nicht ein Jenseits, daswäre zumetaphysisch, vielmehr einen Zwischenraumgäbe, ähnlich jenem ,je-ne-sais-quoi( vonWladimirJank6l6vitch. Als ob es, nachdem dieHymne auf die Maschine erklungen ist und diesozialen Riegel fest verschraubt sind (und

Gott weiß, daß sie es sind) immer noch einenOrt gäbe, den es zu besetzen gilt, einen Mehr-"wert des Geistes. Dieser Zwischenraum, die-ses zwischen Tag und Nacht, dieses Namenlo-se, aufgeteilt unter den achthundertundacht,Göttern, die die Herde derTräume bewachen-man weiß nicht recht, was damit anfangen,man weiß nicht genau, wie man sich an es wen-den soll, aber zumindest kann man höflichsein. Daher die Höflichkeit gegenüber den

Vorfahren, daher die Höflichkeit gegenüberden Tieren (diese zahllosen Versöhnungs-feiern - mit den Vögeln, wenn die Tänzerinnendes Awa Odoriin Koenji sie höflich beim Na-men nennen - mit den Fischen, wenn die Män-nef von Morosaki im Süden von Nagoya sie bit-ten, sich höflicherweise fangen zu lassen); da-her kommt es, daß im Herzen dieser Gesell-schaft, die so unbarmherzig ist wie jede ande-re auch, ein Respekt für den anderen friedlichmit dem Wettlauf der Ratten koexistiert. Undvielleicht ist die materialistische Zivilisation Ja-pans ebensosehrvom Geist besessen, wie diechristliche Zivilisation vom Fleisch besessenwar. Durch seine Vorfahren, seine Götter, sei-ne Geister in ihrer Vielzahl - dieser Kehrseitedes so vollendet eingerichteten Dekors, daseinen unvermeidlich dazu führt, nach der Kehr-seite dieser Kehrseite zu fragen - ist es viel-leicht der Geist selbst, dieservom gan2en mo-dernen Denken so richtig angeprangerte spiri-tistische Greuel, der sich offenbart und in demalles verwurzelt ist. Ein Japan kann ein ande-res verbergen. ln der legendären Zeit derMaotsetungideen hat eine gewisse Anhänge-rin ein Wort geprägt, dessen pataphysischeTiefe dich seit jeher bezaubert hat. Es handeltsich um den berühmten Kampf zwischen denzwei Linien, deren eine "dadurch gekenn-zeichnet ist, daß sie sich für die andere aus-gibt" (lesen Sie es noch einmal, wenn Sie nichtsicher sind, es nicht verstanden zu haben).Muß man sich fragen, welches Japan sich fürdas andere ausgibt? Fragen Sie das vor allemkeinen Japaner. Nichts regt ihn mehr auf undversetzt ihn mehr in Panik als diese abgehack-ten westlichen Fragen:ja, nein, das eine, dasandere, das ausgeschlossene Dritte, Aristote-les und Pöre Ubu, Halten Sie ihm nicht dasReptil der Gewißheit hin; sein ganzes Wesenbäumt sich auf bei dem Gedanken, damit inBerührung zu kommen. Überlassen Sie ihnseiner ruhigen Schizophrenie, seiner Art undWeise, ln allen Dingen auch ihr Gegenteil zu

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sehen. Je lebendiger eine Sache empfundenwird, desto zwingender wird ihr Gegenteil her-aufbeschworen, das dieser Begegnung ent-gegeneilt wie der Schatten von King Kong aufdem Asphalt von Manhattan. Schauen Sie ihmlieber zu, wenn er sich als sein Vorfahr verklei-det, wenn er Darsteller bei Shohei lmamura in

dessen Film Eijanaikaist, einer minutiösen Re-konstruktion der Edo-Epoche bis hin zum ori-ginalgetreuen Wiederaufbau der berühmtenRundbogenbrücke von Ryogoku, wie man sieauf Holzschnitten sieht. Verschwunden ist dieFassade der Moderne, abgezogen diesesHäutchen Amerikanisierung, das ihm Schutzgewährt durch die Nachahmung seiner Umge-bung, so wie es bei manchen Tierarten der Fallist, und Sie haben einen Japaner des Mittelal-ters vor sich, unverändert, vielleicht unverän-derbar. Und zwar dermaßen, daß die junge Ge-neration . . . ja, vielleicht. Das ist das, was dieVäter der heutigen Väter sagten, als sie selbstdie junge Generation waren. Du selbst glaubstnicht an dieses amerikanische Japan, dudenkst, daß der Japaner ein Krieger ist, dersich einen Schild aus einem Spiegel gemachthat. Und daß ,das wahre Japanu, wie es die lllu-strierten nennen, nur versehentlich erscheint,wiederum in dem Zwischenraum, wenn eineFrau bei einem Fernsehinterview auf die Frage,Was wünschen Sie sich?u folgende Antwortgibt, die sämtliche Worte der Stoiker, mit de-nen man uns in der Jugend gelangweilt hat,weit hinter sich läßt: "Daß mein Tod so wenigwie möglich stören möge.n

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Wenn ich in diesem Text vonAnfang an dieromaneske Duzform gebraucht habe, so liegtder Grund dafür nicht so sehr in der eifrigenLektüre von Jorge Semprun, als vielmehr indem instinktiven Bedürfnis, zwischen jenem,dervon September 1979 bis Januar 1981 in Ja-pan diese Fotos gemacht hat, und dem, der imFebruar 1982 in Paris schreibt, eine Distanz zuschaffen. Diese beiden sind nicht identisch.Nicht aus seichten biographischen Gründen:Man verändert sich, man ist niemals derselbe,man müßte sich sein ganzes Leben lang du-zen. Denn eines weiß ich: Sobald ich nach Ja-pan zurückkehre, werde ich den anderen wie-derfinden; ich werde dort der andere sein.

Möge die japanische Höflichkeit mich we-nigstens davor bewahren, den Leser (den hy-pothetischen Leser, denn ich bezweifle, daßjemals jemand einen Text, der Fotos begleitet,gelesen hat) mit meinen Verdoppelungspro-blemen zu langweilen. Man müßte sie zumin-dest in die prachtvolle und bunte Form der Ge-schichten von japanischen Doppelgängernfassen, dieser Märchen, in denen sich derPrinz als blinder Bettler verkleidet, in denensich ein Mann in ein Pferd verwandelt (da istdie Fernsehfassung des Sei Yü Ki mit der ein-zigartigen Natsume Masako) oder in denensich eine Katze in eine Frau venrvandelt. Das istdie Bake-neko, die Katzenhexe, und wie wol-len Sie der entkommen?

lch weiß nicht, wie viele Bake-neko-Filme esgibt. Daß sle ln Europa allesamt unbekanntsind, spricht Bände von der Kultur dieser klei-

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nen, verrückten Halbinsel. (ln Amerika kannman sie, dank der japanischen Fernsehstatio-nen, an der Westküste sehen,) Der Ablauf istimmer der gleiche, Ein Mann wird umgebracht.Die Katze, Zeugin des Mordes, überträgt ihrenGeist auf den Körper einer Frau. Und genauhier gibt es, in welcherVersion auch immer, ei-ne wunderbare Szene: die Szene, in der dieFrau anfängt, in ihren Gebärden das Verhaltender Katze mit ihrem eigenen zu vermischen, inder sie beginnt, die Luft sachte mit ihren , . ,

Tatzen zu krallen, in der sie beginnt, zu schlek-ken anstatt zu trinken. Diese Frau wird zumWerkzeug der Rache; sie wird dem Mörderden Geschmack am Sake verleiden, Bezeich-nend ist jedoch, dal{ diese Rächerin, die sym-pathische Verkörperung der volkstümlichenMoral, unweigerlichdes Guten zuvieltun wird.Die entfesselte Rachsucht erfaßt andere, Un-schuldige, das Blut fließt in Strömen, und ritu-ell endet das Märchen (nachdem man bei-spielsweise noch ihren über die Häuser flie-genden, abgehackten Kopf sehen durfte, umeines der schönsten Kleinode des Genres an-zuführen) mit dem grausamen Tod der Katzen-frau, die sich wieder zurückverwandelt wie Dr.Jekyll und der unsichtbare Mann. lst die Ge-walt erst einmalfreigelassen, herrscht die Un-ordnung überall;sie kann sich nicht mit einemeinfachen Rachegesetz - Mord um Mord - be-gnügen, jeglicher Gedanke an Gerechtigkeitoder Wiedergutmachung ist abwegig, und dieGewalt kommt erst dann zur Ruhe, wenn siewie ein Vulkan in sich selbst zusammenstürzt.

Wenn man solcher Gewalttätigkeit fähig ist '

(und die Länder, die während des zweitenWeltkriegs von den Japanern besetzt waren,wissen einiges davon) und wenn man außer-dem die Gabe hat, jegliches mit seinem Ge-genteilzu bezähmen, dann ist es nicht uhvot.stellbar, daß sich zwischen befriedeter Reali-tät und blutrünstigem lmaginären ein sehr ei-genartiges und auch unsicheres Gleichge-

wicht herstellt. Das hat es allerdings anderswoauch schon gegeben: Schließlich ist die Ka-tharsis ja nicht von Sony patentiert. Das be-sonders Verwirrende an Japan ist jedoch, daßman den Eindruck hat, daß das lmaginäre mitsich selbst abrechnet, daß es ebenfalls dop-pelt ist, und daß es letztlich nicht darum geht,die Gewalttätigkeit mit dem Schauspiel derTräume aus der Welt zu treiben, sondern imBereich des Traumes eine Schlacht zu schla-gen, das Schauspiel einer Schlacht in Szenezu setzen, bei der es um nichts weniger als dieganze Welt geht. Die Helden der chambaras,der Samurai-Serien, die ich im Fernsehen ver-folge, scheinen mirallesamt "Gezeichnete" zusein, gezeichnet einerseits vom Tod (denn siewerden zumeist massakriert), gezeichnet an-dererseits von der Verzweiflung darüber, daßsie keinen anderen Weg finden. Als ob die Ja-paner schon als Gezeichnete geboren wür-den: Mit dem ganzen Wissen über die Gewalt,die Welt und den Tod leben sie nur, um sich fürsoviel Unvollkommenheit zu entschuldigen;bereit, sich für alles zu begeistern, was die un-ausweichliche Katastrophe verzögert, und seies auch nur um eine Sekunde (eine vorbeiflie-gende Krähe, eine zirpende Grille, eine Uhr inGestalt einer Eule, die Fuchsröte einer pflan-ze); entsetzt vor dem Abgrund und ergebenwährend des Falls. Die letzte Szene des cham-bara (nachdem alles Vorangegangene nichtsgenützt hat - lntelligenz, List, Vernunft, lntri-gen -) ist der Moment, in dem es nur noch dieMöglichkeit gibt, sich auf den Gegner zu stür-zen, verzweifelt darüber, daß es soweit kom-men mußte. Verzweifelt darüber, daß das Le-ben ein immerwährender Fall ist, mit vorge-recktem Schwert in einer immensen Bluilache,auf dem Gesicht und im Blick alle Zeichen ei-nes schrecklichen, lächerlichen und notwen-digen Erbarmens.

ln jenem Sommer waren die Mauern von To-kyo mit Plakaten beklebt, deren Schriftzeichen

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so rissig aussahen, wie es die Mauern selbsteines Tages sein werden. Die Einwohner To-kyos leben mit der unumstößlichen Gewißheit,daß der,Big Quake" bevorsteht. Das gibt ih-nen einen geradezu berlinischen Humor undpaßt auch gut zu diesem Gefühl der zerbrechli-chen Unbeständigkeit aller Dinge, diesem Mo-no no Aware, das so unübersetzbar ist wieSe h nsucht, wie sau dade, diese unbestimmtenWörter, die sicherlich einen allzu genauen Sinnbewahren. Das Gerücht hatte dem großenErdbeben sogar ein Datum gegeben. Stattdessen haben wir jedoch zwei kleine gehabt,zur selben Stunde in zwei aufeinanderfolgen-den Nächten (was schlichtweg unglaublich ist:die Zeit der Erde vermählt sich mit der Zeit derUhr). Es ist bizarr, in einem ruhigen Zimmereinzuschlafen und im Abteil eines wildgewor-denen Zuges wieder aufzuwachen, dessenrüttelnde Trennwände Gläser und Bücher aufden Boden schmeißen; ein planetarischerEhekrach, wobei das Bewußtsein sich damitverausgabt, eine animalische Angst zu be-zwingen, die vor ihm erwacht ist und die genaudie Angst jener Tiere ist, die die Erdbeben an-kündigen. lch sah den Krähen zu, deren Kräch-zen das einzige Lebenszeichen über der ru-morenden Erde war, und versuchte mir vorzu-stellen, was in ihren Köpfen vor sich ging. AmTage darauf sagte mir Keiko: "Das erstauntmich nicht. Alle Welt spricht davon, alle Weltsieht es voraus. Nun ist da unten etwas in Be-wegung geraten. (Down there, something ismoved.)" Und lchiro zeigte auf die Krähen:

"Letzte Nacht habe ich mich gefragt, was siedenken.u

An jenem Nachmittag sind wir zum Katzen-tempel in Go To Ku Ji gegangen, Hinter demTempel liegt ein Menschenfriedhof. Die Grä-ber der Katzen gleichen denen der Menschen;sie sind kleiner, das ist alles. Katzen und Men-schen sind durch ein niedriges Mäuerchenvoneinander getrennt, und ich stelle mir die

Schatten der Katzen flink genug vor, es zuüberspringen, und schlau genug, die Opferga-ben bei den Menschen zu klauen und schnur-rend heimzutragen. K. hat nicht gebetet: lhreMutter hatte sie davor gewarnt. Wenn man aufeinem fremden Friedhof betet, läuft man Ge-fahr, fremde Seelen an sich zu binden und mitheimzunehmen. Einige Zeit später habe ichTokyo verlassen. Am Tage der Abfahrt sind wirgegangen, der siebenundvierzig Ronin zu ge-denken, jener treuen Samurai, die ihren Mei-ster gerächt und anschließend sich selbst um-gebracht haben, damit die Unordnung ausge-löscht werde; ganz wie die Bake-neko. VieleLeute waren gekommen, um an ihren Gräbernzu beten, lch habe dort mein letztes Photo ge-macht. Da ich an die lange Fahrt nach Naritadachte, schaute ich auf meine Uhr. Wir warenzu dritt, die beiden Mädchen und ich, und eswaren siebenundvierzig Ronin gewesen, Mei-ne Uhr zeigte 3:47. lch habe sie ihnen hinge-halten; jedes weitere Wort war überflüssig. EinAugenblick der Harmonie.

Son cosas die ni pais, wie man auf Kubasagt. Mein imaginäres Land, das ich mit My-then bevölkert habe, die auf meine Kindheit zu-rückgehen, als ich Flash Gordon las und alsich mir unter Utopie große, lebhafte Städtevorstellte, von Hochstraßen durchschnitten,auf denen Menschen, die ein wenig von Katzenund ein wenig von Asiaten an sich hatten, un-aufhörlich kamen und gingen . . . Mein Land,wo Asiaten, die etwas von Katzen an sich ha-ben, vor Elefanten in Käfigen Baseball spielen,wo Brunnen, die von einer Klaviatur aus teilsplastischen, teils silhouettenhaften Frauen-körpern gesäumt sind, unterirdische Städteerfrischen. Ein Endlosband mit Vogelgezwit-sgher erinnert daran, daß sieben Etagen weiteroben vielleichtVögel existieren. Mein Land, woniemals Jemand dle ineinander verheddertenFahrrädEr entwlrren wird, wo der ötfentlicheSchrElber nlemals elne Antwort von Alain De-

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lon erlalten wird, wo die Botschaft, die uns dervon Nara anvertraut, niemals übermit-

wird, wo es den liebenswerten Linken vonNarita sowenig als anderen gelingt, ihre Kata-komben in Kathedralen zu verwandeln - aberwo vielleicht O lnari, der Ehrwürdige Fuchs,der seinen Tempel inmitten vieler anderer Stät-ten auf der obersten Plattform des KaufhausesMitskoshi hat, die Frau beschützen wird, diewährend ihres Einkaufsbummels beten ge-kommen ist - wo vielleicht der Akkordeonspie-ler während der Teezeremonie sein italieni-sches Lied beenden wird - wo vielleicht derPfeil, am Ende seines Fluges, ankommen wird, . . aber das ist dann vollkommen gleichgültig.Alles liegt in der Gebärde des Schützen. DerPfeil hat sowenig ein Ziel, wie das Leben eineshat: Was zählt, ist die Höflichkeit gegenüberdem Bogen. So stehen die Dinge in meinemLand, meinem eingebildeten Land, meinemLand, das ich ganz und gar erfunden, das ichvollkommen eingerichtet habe, mein Land, dasmich so sehr entfremdet, daß ich nicht mehrich selbst bin, es seidenn, in dieser Entfrem-dung, Mein Fremdland.