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BA ritgerð BA Martin Luther im Kampf gegen Papst Leo X. Was ermöglichte Luthers Erfolg im Kampf gegen die katholische Kirche? Barbara Meyer Leiðbeinandi Oddný Guðrún Sverrisdóttir Útskriftarmánuður júní 2018

Martin Luther im Kampf gegen Papst Leo X. · 2 Martin Luther und die Herrscher der Zeit 2.1 Martin Luther Martin Luther1 wurde als erster Sohn des Bergarbeiters Hans Luder (1458 –

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BA ritgerð

BA

Martin Luther im Kampf gegen Papst Leo X.

Was ermöglichte Luthers Erfolg

im Kampf gegen die katholische Kirche?

Barbara Meyer

Leiðbeinandi Oddný Guðrún Sverrisdóttir

Útskriftarmánuður júní 2018

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Háskóli Íslands

Hugvísindasvið

Þýska

Martin Luther im Kampf gegen Papst Leo X.

Was ermöglichte Luthers Erfolg

im Kampf gegen die katholische Kirche?

Ritgerð til B.A.-prófs

Barbara Meyer

Kt.: 130368-5499

Leiðbeinandi: Oddný Guðrún Sverrisdóttir

Maí 2018

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Martin Luther im Kampf gegen Papst Leo X.

Was ermöglichte Luthers Erfolg im Kampf gegen die katholische Kirche?

Ritgerð þessi er 10 eininga lokaverkefni til BA-prófs í þýsku

við Hugvísindasvið, Háskóla Íslands.

© 2018 Barbara Meyer

Ritgerðina má ekki afrita nema með leyfi höfundar.

Prentun: Háskólaprent

Reykjavík, 2018

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Ágrip

Martin Luther var einn helsti frumkvöðull siðaskiptahreyfingarinnar í Þýskalandi.

Gagnrýni Luthers á páfann og kirkjuna hafði í för með sér klofningu kirkjunnar í

Evangelísk-Lúthers kirkja og Kaþólsku kirkjuna.

Meðfylgjandi ritgerð er lögð fram til BA-prófs í þýsku við Háskóla Íslands á

vorönn 2018. Þar er fjallað um Martin Luther, þýskan munk af Ágústínusarreglunni og

prófessor í biblíufræðum og hans baráttu gegn kaþólsku kirkjunni. Ritgerðin gefur yfirlit

um siðbótarmanninn Luther, auk þess sem hún fjallar stuttlega um þrjá helstu valdamenn

þess: Karl V. keisara, Leo X. páfa og Friedrich III. kjörfürsta frá Saxlandi.

Markmið ritgerðarinnar er að svara rannsóknarspurningunni, hvað það var sem

studdi árangur Luthers í baráttunni gegn kirkjunni. Ritgerðin vísar í bakgrunn

siðbótarinnar og helstu ástæður árangursins. Meðfylgjandi ritgerð er fróðlegt fyrir þá sem

hafa áhuga á Martin Luther og þýsku sögunni.

Þýðingarmestu ástæðurnar fyrir því að Martin Luther var ekki brenndur á báli eru

helst þær, að of annríkt var hjá keisara Karli V. við að stjórna sínu víðlenta ríki og var því

Þýskaland, sem einungis hluti þess, skilið útundan. Leo X. páfi veitti Luther heldur ekki

nægilega snemma athygli og greip of seint í taumana. Þökk sé kjörfurstanum Friedrich III.,

sem margoft tókst með taktískum háttum að draga réttarhöldin yfir Luther á langinn. Eftir

að Luther var gerður réttdræpur, tókst kjörfurstanum að fela Luther á Wartburg kastala.

Þar faldi Luther sig í tæpt ár. Hann nytti tímann vel, skrifaði mörg rit sem skoðanabræður

hans Melanchthon og Spalatin létu prenta fyrir hann í Wittenberg. Það var prentmiðlunni

að þakka að ritin hans dreifðust á ofsahraða og Luther náði að byggja upp stóran hóp

fylgismanna. Húmanistarnir fylgdu margir Melanchthon og voru andsnúnir kirkjunni, sem

var Luther til framdráttar.

Rannsóknarvinnan byggir á bóklegum heimildum auk örfárra viðurkenndra

netheimilda (Mutschlechner).

Niðurstaða ritgerðarinnar er sú að Luther var mjög heppinn að Karl V. keisari og

Leo X. páfi tóku ekki mark á honum í tæka tíð og að kjörfursti Friedrich tókst að breiða

verndarvæng yfir Luther. Vinir og samherja hans auk prentsmiðjunnar svo og

húmanistarnir, voru auk þess mikilvægur partur af árangursríkri baráttu Luthers gegn

kirkjunni.

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Abstract

Martin Luther, Augustinermönch und Theologe, war der Vorreiter der Reformation in

Deutschland. Er prangerte Missstände der katholischen Kirche an und seine Kritik führte

zu einer Spaltung in die evangelische und die katholische Kirche.

Die vorliegende Bachelorarbeit gibt einen Überblick über den Reformator Martin

Luther und seinen Kampf gegen den Papst und die katholische Kirche. Dabei wurde die

Frage untersucht, was seinen Erfolg im Kampf gegen die katholische Kirche ermöglichte.

Ziel der Arbeit ist es, die wesentlichen Gründe seines Erfolges zu benennen. Kurz

vorgestellt werden außer Martin Luther, die drei großen Herrscher und ebenfalls

Hauptprotagonisten während der Reformation: Kaiser Karl V., Papst Leo X. und Luthers

Landesherren Kurfürst Friedrich III. von Sachsen. Die Arbeit stellt zudem die

Hintergründe des lutherischen Kampfes sowie die primären Gründe seines Erfolges dar.

Sie ist für alle lesenswert, die sich für Martin Luther sowie für die deutsche

Geschichte interessieren. Diese Arbeit basiert im Wesentlichen auf Sekundärliteratur und

greift nur ausnahmsweise auf anerkannte Quellen aus dem Internet (Mutschlechner)

zurück.

Fazit der Arbeit ist, dass Luthers Erfolg im Kampf gegen den Papst und die

katholische Kirche dadurch ermöglicht wurde,

Kaiser und Papst viel zu spät eingriffen, Kurfürst Friedrich III. taktische

Verzögerungen anwandte, Luthers wichtige Mitstreiter Melanchthon und Spalatin in

Wittenberg weiter für ihn agierten und der Buchdruck seine Schriften weitläufig und

schnell verbreitete. Die Unterstützung durch die Humanisten war für Luther ebenfalls eine

besondere Hilfe im Kampf gegen die Kirche. Papst Leo X. verstarb und Kaiser Karl ging

in die Niederlande. Im neuen deutschen Reichsregiment entstand eine Luther freundliche

Partei, sodass auch der neue Papst die Reformation nicht mehr abwenden konnte.

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Vorwort

Martin Luther gehört zu den bekanntesten und zugleich umstrittensten Personen der

deutschen Geschichte. Bei meinen Recherchen zu Luther, bin ich auf Informationen von

und über Luther gestoßen, die ich teils großartig fand, andererseits eher erschreckend.

Die Suche nach mehr Wissen und Verständnis für Luther und sein Wirken war für mich

immer sehr spannend und besonders faszinierend war die Frage, warum Luther als

geächteter und verbannter Ketzer nie auf dem Scheiterhaufen landete, wie so viele

andere vor ihm. Um mein Wissen über den Augustinermönch noch zu vertiefen, habe

ich mich persönlich auf die Spuren von Martin Luther begeben und im Frühjahr dieses

Jahres die Lutherstadt Wittenberg und ihre Schlosskirche besucht sowie die Wartburg in

Eisenach, auf der Luther sich knapp ein Jahr versteckt hielt. Eine sehr beeindruckende

Reise, von der ich noch lange zehren werde. Die Reformation Luthers hat nachhaltig so

viel verändert wie kaum ein anderes historisches Ereignis und weltweit ihre Spuren

hinterlassen, die noch heute für uns sichtbar sind.

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Inhaltsverzeichnis

Ágrip ................................................................................................................................. 3

Abstract ............................................................................................................................. 4

Vorwort ............................................................................................................................. 5

1 Einleitung ................................................................................................................. 7

2 Martin Luther und die Herrscher der Zeit ................................................................ 8

2.1 Martin Luther ......................................................................................................... 8

2.2 Karl V. ................................................................................................................... 9

2.3 Papst Leo X. ........................................................................................................ 10

2.4 Friedrich der Weise ............................................................................................. 12

3 Die Hintergründe der Reformation ......................................................................... 14

3.1 Die 95 Thesen ...................................................................................................... 16

3.2 Die Adelsschrift ................................................................................................... 19

3.3 Die Bannbulle ...................................................................................................... 20

3.4 Die Bücherverbrennung ....................................................................................... 21

3.5 Der Reichstag in Worms...................................................................................... 22

3.6 Auf der Wartburg................................................................................................. 23

4 Die Gründe des Erfolgs .......................................................................................... 25

4.1 Der Buchdruck ..................................................................................................... 25

4.2 Die Humanisten ................................................................................................... 26

4.3 Philipp Melanchthon und Georg Spalatin ........................................................... 27

4.4 Die Rolle von Kaiser, Papst und Kurfürst ........................................................... 28

5 Fazit ........................................................................................................................ 30

6 Quellenverzeichnis ................................................................................................. 31

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1 Einleitung

Das Jahr 2017 war Reformationsjubiläum 2017 und weltweit wurde 500 Jahre

Reformation gefeiert. Eine ganze Epoche trägt den Namen des von Martin Luther

ausgelösten Umbruchs: Die Reformationszeit. Ein Einschnitt in die historische

Entwicklung von entscheidendem Ausmaß. Die Wirkungen dieses Aufbruchs sind noch

heute lebendig, nicht nur in den lutherischen Kirchen in Deutschland, Europa und rund

um die ganze Welt, sondern in versteckter Form als Ursprung unserer westlichen

Kultur. Mit der Reformation beginnt ganz offiziell der religiöse Pluralismus im

christlichen Europa (vgl. Veit-Jakobus (2017): S.4).

Über keinen anderen Menschen des 16. Jahrhunderts und der gesamten

Geschichte vorher sind so viele Einzelheiten sowohl aus seinem Leben als auch aus

seinem Tageslauf bekannt, wie über Luther. Das ungeheure Schrifttum, das seiner Feder

entstammt, ist überwiegend aus den vielfältigen Auseinandersetzungen seiner Zeit

heraus entstanden (vgl. Lohse (1997): S.33)

Martin Luther wuchs in einer Zeit auf, in der die Päpste und ihre Behörden in

Rom eine weithin unangefochtene Autorität waren. Der Papst in Rom war ein sehr

mächtiger Mann und das Oberhaupt der katholischen Kirche (vgl. Boockmann (1983):

S48.).

Luther dagegen war der Sohn eines Bergmanns. Er wurde 1505 Mönch im

Augustinereremitenkloster in Erfurt, 1507 weihte man ihn zum Priester und ließ ihn

zum Theologiestudium zu. Luther stieg vom Subprior bis zum Distriktsvikar auf und

wurde 1512 Doktor und Professor der Theologie an der Universität in Wittenberg (vgl.

Schilling (2014): S.204).

Der Papst und der Reformator haben sich persönlich nie getroffen und doch sind

sie im 16. Jahrhundert die Protagonisten im Kampf um den „wahren Glauben“. Einst

waren sie Brüder in dem einen, gemeinsamen Glauben, doch bald traktierten sie sich

gegenseitig mit den heftigsten Vorwürfen. Als „Antichrist“ beschimpfte der eine den

anderen und der wiederum verurteilte seinen Gegenspieler als „Ketzer“. Das Tor zur

Glaubensspaltung stand weit offen (vgl. Bendikowski (2016) S.11)).

Die vorliegende Arbeit behandelt den Kampf Luthers gegen die katholische

Kirche, dessen Hintergründe und die Frage: „Was ermöglichte Luthers Erfolg im Kampf

gegen die katholische Kirche?

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2 Martin Luther und die Herrscher der Zeit

2.1 Martin Luther

Martin Luther1 wurde als erster Sohn des Bergarbeiters Hans Luder (1458 – 1430) und

seiner Frau Margarete, geb. Lindemann (1463 – 1531), am 10. November 1483 in

Eisleben geboren. Sein Vater war im Kupferbergbau tätig und hatte es in der Zeit zu

Vermögen und Einfluss gebracht. Dem Erfolgsstreben des Vaters entsprach es, dass er

seinem Ältesten eine sorgfältige Erziehung angedeihen ließ. Martin besuchte zunächst

die städtische Schule in Mansfeld, danach ein Jahr die Domschule in Magdeburg und

ging anschließend noch drei Jahre auf die Pfarrschule in Eisenach. Im Jahre 1501

begann er an der Universität Erfurt mit einem Grundstudium, welches er mit der

Promotion zum Magister 1505 abschloss. Auf Wunsch seines Vaters begann Luther

anschließend mit dem Studium der Rechtswissenschaften (vgl. Köpf (2015): S. 14 –

16).

Die Wende in Martin Luthers Leben ergab sich noch während des ersten

Semesters seines Jurastudiums. Martin war für einige Tage zu seinen Eltern nach

Mansfeld gereist. Er hatte am Studium der Rechtswissenschaften keine Freude und

hegte den Wunsch, Mönch zu werden. Sein Vater war mit dieser Idee gar nicht

einverstanden. Luther trat am 2. Juli den Rückweg nach Erfurt an, ohne sich zuvor mit

seinem Vater zu einigen. Bei Stotternheim, in der Nähe von Erfurt, geriet Luther in ein

Gewitter. Von einem Blitz überrascht und erschüttert, gelobte Luther in seiner Angst

der heiligen Anna, Mönch zu werden. Nachdem Luther zwei Wochen lang mit seinen

Freunden den Entschluss, Mönch zu werden, überlegt und beraten hatte, wandte er sich

ohne das Wissen seiner Eltern am 17. Juli an das Erfurter Augustinereremiten-Kloster

und bat um Eintritt. Von 1505 bis 1525 lebte er als Mönch (vgl. Köpf (2015): S. 17 –

18).

Luther wurde zwei Jahre nach seinem Beitritt in das Kloster zum Priester

geweiht und zum Theologiestudium zugelassen. 1511 versetzte man ihn an das

Augustinereremiten-Kloster in Wittenberg, wo er später als Distriktsvikar die

Oberaufsicht über 11 Klöster führte. Ein Jahr später wurde er Doktor und Professor der

1 Matin Luther wurde als Martin Luder geboren, änderte seinen Namen später in Luther (vgl. Veit-

Jakobus (2017): S. 190).

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Theologie an der Wittenberger Universität. Luther war zu dem Zeitpunkt erst 29 Jahre

alt (vgl. Kunst (1982): S.15 – 16).

Der junge Mönch begann die Kirche, den Ablasshandel und den Papst zu

kritisieren. Das wurde von der Kirche als Ketzerei aufgefasst und sie verbannte Luther

1521 offiziell als Ketzer. Daraufhin verhängte König Karl V. die Reichsacht über

Luther und erklärte ihn für „vogelfrei“ (vgl. Schilling (2014): S. 204).

Ab dem 4. Mai 1521 versteckter Luther sich auf der Wartburg bei Eisenach,

unter dem Decknamen Junker Jörg. Er verfasste viele Briefe und Schriften und

übersetzte das Neue Testament ins Deutsche. Diese Bibelübersetzung wurde zur

Grundlage für die neuhochdeutsche Schriftsprache. Zehn Monate später, Anfang März

1522, kehrte Luther nach Wittenberg zurück. Das auf der Wartburg ins Deutsche

übersetzte Neue Testament wurde im September 1522 erstmals gedruckt

(Septembertestament). Am 15. Juni 1525 heiratete Luther Katharina von Bora, eine

ehemalige Ordensschwester, welche ihm sechs Kinder gebar. 1534 veröffentlichte

Luther seine ins Deutsche übersetzte Bibel. Er verstarb am 18. Februar 1546 in

Eisleben. Luther wurde am 22. Februar 1546 in Wittenberg unterhalb der Kanzel in der

Schlosskirche beigesetzt (vgl. Veit-Jakobus (2017): S. 191 – 193).

2.2 Karl V.

Luthers Leben fiel in die Regierungszeit von drei deutschen Kaisern. Der erste war

Friedrich III. (1415 – 1493) der 53 Jahre lang, von 1440 bis 1493, die Krone des

deutschen Reiches trug. Nach seinem Tod kam sein Sohn Maximilian I.(1459 – 1519),

auch Maximilian der Ritter genannt, an die Macht. Doch der für Luther und die

Reformation bei weiten bedeutendste Kaiser war Karl V. (1500 – 1558), der Enkel

Maximilians. Aufgrund dessen, dass Philipp, Maximilians Sohn, schon im Jahre 1506

verstarb und andere erbberechtigte ebenfalls gestorben waren und Karls Mutter in den

Wahnsinn verfiel, erbte ihr noch unmündiger Sohn Karl das dynastische Erbe (vgl.

Lohse (1993): S14).

Karl gilt als der erste König von Spanien und zu seinem Herrschaftsbereich

gehörten auch die Königreiche von Neapel, Sizilien, Sardinien sowie von den

Niederlanden. Karl führte auch die spanische Eroberung in Amerika an. Unter seiner

Regentschaft erreichte die Zerstörung der altamerikanischen Kulturen sowie die

Ausbeutung und Versklavung der indigenen Völker ihren Höhepunkt. 1519 erbte Karl

die österreichischen Erbländer. Die Habsburger erreichten durch Karl V. zum ersten

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Mal den Status einer Weltmacht. Angesichts der extremen Ausdehnung des

Herrschaftsgebietes über mehrere Kontinente

sprachen die Zeitgenossen von einem Reich, „in dem die Sonne nie untergeht“ (vgl.

Mutschlechner ( o.J.) -1).

Die ungeheure Machtzusammenballung in der Hand Karls V. stellte für die

europäische als auch für die deutsche Politik einen sehr wesentlichen Faktor dar. Die

anderen Mächte, allen voran Frankreich mit seinem Herrscher Franz I.(1515 – 1547),

sahen mit Sorge die Übermacht des Kaisers. Selbst das Papsttum fürchtete für seinen

Kirchenstaat die Macht Karl V. Die Universalherrschaft Karls hatte aber auch

Konsequenzen. Deutschland war nur ein Teil seines Herrschaftsgebietes und blieb

zeitweilig sich selbst überlassen (vgl. Lohse (1993): S. 14).

Karl sah sich als Verteidiger der Christenheit, doch er unterschätze die Kraft der

lutherischen Reformation im Reich. Während seiner Herrschaft zerbrach die Einheit der

römischen Kirche endgültig. Die Reichsfürsten in Deutschland pochten auf ihre

Vorrechte und Eigenständigkeit. Karls Versuch, die Einheit der Christenheit zu

bewahren scheiterte. Die Glaubensspaltung wurde Realität (vgl. Mutschlechner (o. J.) -

2).

2.3 Papst Leo X.

Der Papst im fernen Rom hielt sich für das Maß aller kirchlichen und weltlichen Dinge.

Er hatte sich von der zwischenzeitlichen Mitbestimmung der Konzilien befreit und war

zum ersten religiösen Herrscher Europas aufgestiegen. Doch der Papst war nicht

unumstritten und so hatte sich bereits am Ende des 15. Jahrhunderts Unbehagen in der

römischen Kirche geregt, vor allem nördlich der Alpen im Heiligen Römischen Reich

Deutscher Nation. Die Kirche bediente sich gekonnt der modernen Finanzmethoden,

besonders wenn es um die ausufernden Bauvorhaben des Papstes ging. Der Petersdom

sollte zum Symbol für die römische Weltmacht werden. Rom und seine Päpste schienen

keine Grenzen zu kennen. Die Kirchenoberhäupter agierten immer repräsentativer und

monströser und die neuen Gebäude mussten immer prächtiger werden, um den

Machtanspruch zu unterstreichen (vgl. Bendikowski (2016): S. 12).

Leo X. wurde als Giovanni de´Medici am 11. Dezember 1475 in Florenz

geboren. Er stammte aus der mächtigen Bankiers- und Unternehmerdynastie der Medici.

Seine Familie dominierte mit ihrem Vermögen und ihrem Einfluss die mittelalterliche

Republik Florenz und Vater Lorenzo trug den Beinamen: „der Prächtige“. Lorenzo war

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zum Alleinherrscher der Republik aufgestiegen und förderte großzügig Wissenschaftler

und Künstler. Auch der junge Michelangelo genoss seine Unterstützung. Die Familie

der Medici hatte immer gute Geschäfte mit der päpstlichen Kurie gemacht und der

Vater entschied für seinen zweitgeborenen Sohn Giovanni, dass dieser dem geistlichen

Stand beitreten solle. Einen Geistlichen in den eigenen Reihen zu haben, der in der

Hierarchie des Vatikans möglichst weit aufsteigen sollte, war Lorenzos Plan für

Giovanni. Deshalb wurde alles für Giovannis Karriere getan. Lorenzo vermählte sogar

seine Tochter Maddalena mit dem Sohn des seit 1484 amtierenden Papstes Innozenz

VIII. Dieser betrieb ganz offen Korruption und Vetternwirtschaft an seinem Hof und

erhob 1489 den gerade einmal 14 Jahre alten Giovanni zum Kardinal. Doch Giovanni

konnte sich nicht auf sein Amt konzentrieren, da seine Familie von oppositionellen

Gruppen aus der Stadt ins Exil getrieben wurde. Giovanni floh nach Bologna, um von

dort später nach Deutschland, Flandern und Frankreich zu reisen. Im Jahr 1500 traf er in

Rom ein und konnte dort zunehmend politischen Einfluss gewinnen. Innerhalb von

wenigen Jahren machte er Karriere im Vatikan und übernahm 1512 den Befehl über ein

päpstlich-spanisches Heer. Er geriet in Gefangenschaft, doch ihm gelang die Flucht

zurück nach Rom. Seine Familie kehrte nach politischen Umwälzungen wieder nach

Florenz zurück und er selbst übernahm die politische Führung der Stadt. Papst Julius II.

verstarb im Februar 1513 und der 37-jährige Giovanni wurde zum Papst gewählt. Die

Papstwähler ließen sich gerne von den mächtigen italienischen Stadtfamilien bestechen,

denn alle wollten gerne das lukrative päpstliche Ruder übernehmen (vgl. Bendikowski

(2016): S. 14)).

Zwar fehlten Giovanni für das Amt des Papstes einige Voraussetzungen, doch

das war letztlich kein Hindernis und der Form halber wurden schnell die nötigen

Voraussetzungen geschaffen. Am 15. März 1513 weihte man ihn zum Priester, zwei

Tage später zum Bischof und zwei weitere Tage später zum Papst. Somit war Giovanni

als Leo X. de Medici im Zentrum der kirchlichen und weltlichen Macht angekommen.

Sein zu dem Zeitpunkt bereits verstorbener Vater wäre sicher sehr stolz auf ihn gewesen

(vgl. Bendikowski (2016): S. 15).

Leo X. war kein guter Kirchenvorsteher, der die Kirche im Sinne des Glaubens

regierte, sondern ein Mann von Welt. Er liebte das Kunstvolle und Kostbare und führte

einen sehr feudalen Lebensstil. Morgens schlief er gerne lange, hielt dann ein paar

Audienzen, liebte es gut zu Speisen und danach zu ruhen, unternahm lange Ausritte

durch die vatikanischen Gärten und liebte alles musikalische und künstlerische. Das

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Leben unter Papst Leo X. war bunt, fröhlich und oft ziemlich laut. Er lud Künstler aus

Italien, Frankreich und Spanien nach Rom ein und man hörte noch spät in der Nacht

heitere Musik aus dem Vatikan (vgl. ebd.).

Doch der fürstliche Lebensstil blieb nicht ohne Folgen. Papst Leo X. war in

notorischer Geldnot, sein Leben war einfach zu teuer. Der Papst musste immer wieder

neue Anleihen aufnehmen, bei Banken, dann später auch bei Privatleuten oder

Kardinälen, welche dann im Gegenzug Einfluss auf ihn nehmen konnten. Zum zentralen

Geldbeschaffungssystem wurde der Ablasshandel. Die Ablässe waren zwar unter Leo

X. kein neues Phänomen, doch unter seiner Führung entwickelten sich immer neue

Formen und Dimensionen dieses Handels mit Gott (vgl. Bendikowski (2016): S. 17).

Auf die Anfechtungen und die Kritik von Martin Luther reagierte Papst Leo X.

mit der Bannbulle. Luther wurde von der Kirche als Ketzer verbannt und vom Kaiser

geächtet. Am 1. Dezember 1521 starb Papst Leo X. im Alter von nur 46 Jahren. Er hatte

vorher eine Woche lang eine Erkältung und fühlte sich schwach. Sein Tod am

Sonntagmorgen kam so überraschend, dass er die den Katholiken unentbehrliche letzte

Ölung, nicht mehr empfangen konnte (vgl. Roscoe (1818): S. 455).

Doch ein geheimnisvolles Dunkle ruht auf den näheren Umständen des Todes

von Papst Leo X. Wenige Tage, bevor der Papst begann, an der Erkältung zu

schwächeln, hatte ein Unbekannter das Kloster aufgesucht und einem Mönch

aufgetragen den Papst zu warnen, dass man versuche ihn zu vergiften. Die Nachricht

wurde auch gleich an den Papst überbracht, dieser reagierte jedoch gelassen und

antwortete nur, dass er bereit sei zu sterben, wenn Gott es so wolle, doch alle mögliche

Vorsicht gebrauchen werde. Das Volk in Rom vernahm die Nachricht vom Tode des

Papstes, der acht Jahre, neun Monate und neunzehn Tage lang regiert hatte, mit

grenzenlosem Schmerz. Papst Leo X. wurde im Vatikan ohne große Feierlichkeiten

beigesetzt, für eine feierliche Zeremonie fehlte in Rom das Geld (vgl. Roscoe (1818): S.

457 – 459).

2.4 Friedrich der Weise

Eine weitere wichtige Persönlichkeit im Zeitalter der Reformation war Friedrich der

Weise, Kurfürst und Herzog von Sachsen (1463 – 1525). Friedrich war ein

überdurchschnittlich kluger und gütiger Mann, der das Leben seines Volkes schonte und

feindliche Gewalt mit Vernunft und Verhandlungen entgegentrat. Friedrich der Weise

galt als Vertreter von Gerechtigkeit, Zuverlässigkeit und Menschlichkeit und wurde als

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Patron der Wissenschaften und Künste gefeiert. Man achtete ihn besonders für seine

Friedenspolitik und seine politische Weisheit sowie seine aufrichtige Frömmigkeit. Der

Kurfürst handelte im Sinne Christi, der die Sanftmütigen und Friedensstifter seligpries

(vgl. Ludolphy (2006): S. 38).

Luther setzte, außer auf Gott, ein gewisses Vertrauen in seinen Landesherren

Friedrich III., dessen Weisheit unter anderem darin bestand, dass er die Kunst des

Temporisierens ganz hervorragend beherrschte. In allen Regierungsgeschäften war er

bedächtigt und zögernd, allem Neuen stand er zurückhaltend gegenüber. Hatte er aber

endlich einen Entschluss gefasst, hielt er auch gegen Widerstände an ihm fest. Papst

Leo X. gewährte dem Kurfürsten neue Gnadengaben für das Wittenberger

Allerheiligenstift, um ihn gegen Luther einzunehmen. Doch dieser ermutigte Luther

erstmalig zur Standhaftigkeit im März 1518, als diesem über dem Siegeszug seiner

Thesen klar wurde, dass er zu einem Massenanliegen Stellung genommen hatte. Der

deutsche Fürst und der oppositionelle Mönch gingen ein heimliches Bündnis ein und

Friedrich der Weise wurde zum Schirmherren Martin Luthers (vgl. Zschwäbitz (1967):

S.79f).

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14

3 Die Hintergründe der Reformation

Die Auseinandersetzung mit dem Amt und der Person des Papstes war ein Zentralthema

der Reformation, beginnend mit der Leipziger Disputation 1519. Luther kam im Laufe

der Zeit zu der Auffassung, der Papst sei der Antichrist, also die in der Bibel (MK 13,22)

angekündigte böse Gestalt der Endzeit, welche die Kirche von innen zu zerstören

versuchte (vgl. Jung (2011): S. 53).

Die Reformation war keine gewaltfreie, nur auf Worte und Argumente

vertrauende Bewegung. Sie scheute nicht davor zurück, Bücher zu verbrennen und

Menschen zu verurteilen und zu töten (vgl. Jung (2011): S52).

Anfänglich war Luther ein ganz normaler katholischer Mönch, der den Papst als

Oberhaupt seiner Kirche ansah. Auch der Ablass war für Luther zu Beginn nichts

Neues. Auf seiner Romreise im Jahre 1511 erkaufte Luther sogar selber einen Ablass

für seinen verstorbenen Großvater, um diesen aus dem Fegefeuer zu erlösen. Luther

rutschte kniend und auf jeder Stufe das Vaterunser betend die Heilige Treppe am

Lateranpalast hinauf. Oben angekommen kamen ihm dann allerdings Zweifel, ob er

seinen Großvater wirklich auf diese Art befreien könne (vgl. Veit-Jakobus (2017): S.

33.).

Er war auch weniger erzürnt über die kirchliche Lehre und dem Handel vom

Ablass, als vielmehr über den im Lande praktizierten Ablasshandel, vor allem über den

Petersablass2 und dessen Verkauf auf dem Gebiet des Mainzer und Magdeburger

Erzbischofs Albrecht. Luther beklagte die grundfalsche Auffassung, die das Volk daraus

gewinnen würde, nämlich das ihre Seelen aus dem Feuer springen würden, sobald die

Münzen im Kasten klingen (vgl. Bendikowski (2016): S. 23).

Luther hatte damals noch so viel Vertrauen in seinen Papst, dass er dachte, die

Änderung könne nur durch den Papst selbst kommen oder in Zusammenarbeit mit ihm

und seinen Kardinälen. Die entscheidende Änderung musste also in Rom erfolgen (vgl.

Drewermann (2016): S 18).

Als Beichtvater erlebte Luther, wie seine Beichtkinder ins benachbarte

Halberstädter Gebiet liefen und dort beim umherziehenden Dominikanermönch

Johannes Tetzel Ablässe für ihre Sünden kauften. Tetzel trieb die immer aggressiver

werdende Ablasswerbung auf die Spitze. Er ließ verlauten, dass sein Ablass so wirksam

2 Petersablass: Plenarablass zum Neubau der Peterskirche in Rom (vgl. Schwarz (2014) S. 55)

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sei, dass er sogar einen Vergewaltiger der Gottesmutter und Jungfrau Maria von seiner

Missetat reinwaschen könne (vgl. Veit-Jakobus (2017): S.43).

Tetzel war von Albrecht von Brandenburg beauftragt worden, die Ablassbriefe

in Brandenburg und Magdeburg zu vertreiben. Der Erzbischof und Kurfürst Albrecht

von Brandenburg hatte an Rom hohe Gebühren zu zahlen und weil er das Geld nicht

alleine aufbringen konnte, lieh er sich den benötigten Betrag von Bankhaus Fugger. Das

Bankhaus sollte im Gegenzug den ausgeschriebenen Ablass verwalten und eine Hälfte

zur Tilgung des Darlehens verwenden, die andere Hälfte an die Kurie abliefern. Das war

für Albrecht die Chance, seine Schulden mit einem Schlag abzuzahlen. Für die

praktische Umsetzung und Organisation beauftragte Albrecht im Januar 1517 den

erfahrenen Dominikanermönch Tetzel (vgl. Schilling (2014): S. 142).

Martin Luther sah den Ablasshandel als einen hinterhältigen Schwindel an. Dies

erklärte er auch dem Erzbischof und Kurfürsten Albrecht und wies ihn darauf hin, dass

er in dieser Angelegenheit seine Ansicht nicht länger verschweigen könne. Die

Vorstellung von einem Ablass war für Luther theologisch abwegig, die Menschen

würden getäuscht, und jeder, der den Ablasshandel begünstige vergehe sich im Grunde

an den armen Menschen, die um ihr Heil fürchten. Das war eine klare Verurteilung an

die gesamte herrschende Finanzierungspraxis der Kirche (vgl. Bendikowski (2016): S.

23).

Luther war ein frommer Gläubiger, er widmete sich und seinem Dasein ganz

Gott und der Kirche. Für ihn konnte man die Gnade Gottes nur alleine durch den

Glauben erhalten, doch nicht erarbeiten oder erkaufen. Als Doktor der Theologie sah

Luther es als seine Pflicht an, Glaubensfragen öffentlich zu erörtern (vgl. Venzke

(2017): S. 26).

Am 31. Oktober 1517 schrieb Luther einen Brief an den Erzbischof Albrecht

von Mainz und legte diesem seine 95 Thesen vor. Sie kursierten bald unter dem

lateinischen Titel „Disputatio pro declaratione virtutis indulgentiarum“. Der Erzbischof

reagierte auf Luthers Kritik gelassen, forderte aber ein Gutachten der Universität Mainz

an, das etwas vage ausfiel und eine Empfehlung beinhaltete, die Sache zur Entscheidung

doch lieber dem Papst zu übergeben. Der war von Albrecht schon informiert worden,

doch Leo X. fand das Auftreten des Augustinermönches im fernen Deutschland nicht

weiter bedrohlich und so wurde der Fall Luther zuerst zu den Akten gelegt (vgl.

Bendikowski (2016): S. 23).

Luther war nicht nur über die Machenschaften der Kirche und des Adels

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empört, sondern auch, weil er fand, dass ihm keine ausreichende Beachtung geschenkt

wurde. Und weil man ihm kein Gehör schenkte und das „kleine Mönchlein“ nicht

beachtete, veröffentlichte er die Disputationszettel, die „95 Thesen“, in denen er den

Papst in seine Schranken wies. Luther ließ verlauten, dass der Papst den Seelen keine

einzige Strafe erlassen und Lug und Trug predigen lassen würde. Die Legende besagt,

dass Martin Luther diese Thesen damals am 31. Oktober 1517 an die Tür der

Schlosskirche zu Wittenberg geschlagen haben soll (vgl. Aland (1981): S. 13).

3.1 Die 95 Thesen

Luther machte die 95 Thesen auch der Öffentlichkeit zugänglich. Kollegen, Bekannten,

humanistisch gebildeten Mönchen und Klerikern, seinen Studenten und auch Laien.

Sein Text wurde zu einem Fanal. Seine Thesen verbreiteten sich, dank des

Buchdruckes, wie ein Lauffeuer und kursierten binnen kurzer Zeit in den Kreisen

deutscher Humanisten und Theologen (vgl. Bendikowski (2016) S. 25).

Der Augustinermönch Luther empfand den Ablasshandel als Verrat an den

Menschen und auch als Verleugnung der Botschaft Jesu. Jedoch dachte Luther

anfänglich noch ganz katholisch, dass die Änderung nur durch den Papst selber

kommen könne oder in Zusammenarbeit mit ihm und seinen Kardinälen. Die

entscheidende Änderung musste also in Rom erfolgen (vgl. Drewermann (2016): S 18).

Luther glaubte, die christliche Freiheit ließe sich innerhalb der Kirche

verwirklichen und der Papst wäre zu entsprechenden Reformen bereit. Noch im Jahre

1518 formulierte er zuversichtlich, dass er Christus als Richter erwarte, der durch den

römischen Stuhl seinen Spruch fälle. Seiner ausführlichen Erläuterungsschrift zu seinen

Thesen fügte Luther ein Widmungsschreiben an Papst Leo X. persönlich bei. In diesem

stellte er sich selbst als Untertanen des Papstes dar (vgl. Schilling (2014): S. 153).

Im Mai 1518 verhielt sich Luther deshalb noch sehr respektvoll dem Papst

gegenüber. Da er sich als braven Untertanen des Papstes und nicht als Ketzer sah. Er

nannte den Papst: „den aller heiligsten Vater“ und wünschte ihm ewiges Heil. In seinem

Schreiben an den Papst widersprach Luther den Anschuldigungen, dass er den Papst in

seinem Ansehen herabgesetzt und die Gewalt des Papstes angezweifelt hätte und man

ihn deshalb zu Unrecht als Ketzer bezeichnen würde. Im selben Schreiben versuchte

Luther seine Ansichten gegen den Ablass und die Ablasshändler zu erläutern, ebenso

wie er schrieb, dass er dem aller heiligsten Vater, in seiner Heiligkeit zu Füßen falle und

sich ihm ergeben würde mit allem was er sei und habe. Die Stimme des Papstes würde

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er als die Stimme Christi anerkennen (vgl. Aland (1981): S. 91).

Die Ablassthesen lösten einen Sturm aus und in Rom gingen Anklagen gegen

Luther aus Mainz und von dem Ablassprediger Tetzel ein. Luthers Orden sah sich zur

vorläufigen Klärung dieser Angelegenheit genötigt. Im April 1518 verteidigte Luther

deshalb seine Thesen auf der öffentlichen Disputation in Heidelberg.

Luther stand füreine grundlegende Erneuerung der Theologie und zog viele Zuhörer,

besonders die Anhänger des Humanismus, der in Heidelberg sehr vertreten war, in

seinen Bann und seine Popularität in Deutschland stieg durch die Heidelberger

Disputation rasant an. Allerdings verschob sich die Debatte vom Streit über den Ablass

zur Frage der Treue zum irdischen Oberhaupt der Kirche. Auf beiden Seiten gewann so

der Konflikt an Schärfe und während Luther eine Erneuerung der Theologie forderte,

sahen seine Gegner ihn auf dem Weg, die Kirche zu verlassen (vgl. Leppin (2015): S.

45).

Der Papst reagierte nicht wie Luther sich erhofft hatte. Anstatt mit einem Lob

für ihn und einer Strafe für den Ablassprediger Tetzel, den Luther so sehr verachtete,

hatten die theologischen Fakultäten in Köln und Löwen über Luthers 95 Thesen beraten

und ihn daraufhin zum Häretiker erklärt. Zugleich wurde in Rom ein Ketzerprozess

gegen ihn eröffnet (vgl. Bendikowski (2016): S. 26).

Von da an sah Luther im Papst den Antichristen und seinen Hauptgegner im

Kampf gegen die Machenschaften der Kirche und verurteilte ihre gesamte herrschende

Finanzierungspraxis. Er bestritt die Autorität des Papstes über die weltlichen

Obrigkeiten und forderte sogar Kaiser Karl V. auf, sich gegen den Papst zu erheben und

das Reich des Antichristen zu zerstören. Luther missfiel der aufwendige Lebensstil des

Kirchenoberhauptes, dem es seiner Ansicht nach auch an Demut fehle. Er forderte die

Unabhängigkeit des deutschen Kaisertums vom Papst sowie die Errichtung einer von

Rom unabhängigen Kirche (vgl. Bendikowski (2016): S.25).

Am 16. Mai 1518 hielt Luther eine Predigt über den Bann und erklärte, dass ein

Christ durch den Fluch der Kirche niemals von Christus und von der ewigen Seligkeit

getrennt werden könne. Damit stellte Luther ein gewichtiges Machtmittel der Kirche

infrage (vgl. Zschäbitz (1967): S. 81).

Luther beschimpfte den Papst immer wieder als Antichrist und stellte den Papst

mit den damals verhassten Türken gleich, indem er verlauten ließ, dass die Türken, wie

auch der Antichrist in Rom, Feinde der Menschen Seligkeit seien (vgl. Schilling (2014):

S. 488).

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Am 7. August 1518 erhielt Luther eine Vorladung nach Rom. Er sollte innerhalb

von 60 Tagen bei der römischen Kurie erscheinen, um sich dort zu verantworten. Damit

war erstmals eine für ihn gefährliche Lage entstanden.

In Rom wäre er schutzlos einem Ketzerprozess ausgeliefert gewesen, dem er kaum hätte

entrinnen können (vgl. Köpf (2015): S.59).

Doch seinem Landesherrn Friedrich dem Weisen gelang es durchzusetzen, dass

Luther zunächst nicht in Rom, sondern in Deutschland verhört wurde. Aus diesem

Grund wurde Luther am 12. Oktober 1518 in Augsburg auf dem Reichstag von Kardinal

Cajetan verhört. Cajetan hoffte auf einen schnellen Widerruf Luthers, doch dieser

durchkreuzte Cajetans Hoffnungen und das Verhör entwickelte sich zu einem

Grundsatzgespräch über Papst und Kirche, Schrift und Konzil. Luther floh aus

Augsburg am 20. Oktober zurück nach Wittenberg (vgl. Leppin (2015): S. 45).

So ging der Streit weiter und gipfelte bald in einem neuen Großereignis, der

Leipziger Disputation vom 27. Juni bis zum 15. Juli 1519. Den Höhepunkt der

Leipziger Disputation bildete die Konfrontation zwischen Luther und Eck3. Letzterer

schaffte es, Luther in der Diskussion in die Enge zu treiben. Eck wies darauf hin, dass

das, was Luther lehrte, schon von dem Engländer John Wyclif und dem Böhmen Jan

Hus auf dem Konzil von Konstanz (1414 – 1418) verurteilt worden war. Luther musste

dies eingestehen und stand deshalb unübersehbar als Ketzer dar. Mit dieser Einsicht

begann Luther, seine ganze Zeit neu wahrzunehmen. Nachdem Luther im Dezember

1518 geäußert hatte, dass in der Kurie der Antichrist sein Unwesen treibe, erklärte er

dies erneut in den Leipziger Disputationsthesen. Im folgenden Jahr erlangte Luther

vollends Gewissheit, dass sein Kampf diesem endzeitlichen Widersacher Christi gelte.

Luther hatte seine heilsgeschichtliche Rolle als Enthüller des Antichristen und

Wiederbringer des Evangeliums entdeckt (vgl. Leppin (2015): S. 47).

Als klar wurde, dass der Papst Luthers Thesen ablehnte, wurde er in Luthers

Augen erst recht zum Antichristen und Rom zur „Hure Babylon.“ (vgl. Bendikowski

(2016): S. 23).

Der Mönch und der Papst, die sich persönlich nie kennengelernt hatten,

hinterließen der Nachwelt erheblichen Ballast. Martin Luther hatte Papst Leo X. zum

wahren und leibhaftigen Antichristen erklärt und Papst Leo X. hatte Luther offiziell

zum Ketzer erklärt und dem Kirchenbann unterworfen. Mit ihren gegenseitigen

3 Johannes Eck, katholischer Theologe und Gegner Martin Luthers

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Verurteilungen hatten die beiden rhetorisch die höchste Stufe der Eskalation erreicht.

Mehr an Verteufelung des anderen war in sprachlicher Hinsicht nicht möglich

Denn der Vorwurf Antichrist zu sein, war keineswegs harmlos. In der tief

religiös geprägten Welt des 16. Jahrhunderts sorgte die Ankündigung von der Ankunft

des Antichristen regelrecht für Angst und Schrecken. Das hat die Reformation

zweifelslos begünstigt (vgl Bendikowski (2016): S. 36).

Bei einer Tischrede charakterisierte Luther sich mit den Worten, dass er Sohn

eines Bauern sei, Doktor der Theologie und des Papstes Feind (vgl. Veit-Jakobus

(2017): S. 4).

In seiner Schrift: „Sermon über Ablass und Gnade“, die ein Jahr nach der

Theseneröffnung erschien, schrieb Luther, eine in deutscher Sprache geschriebene

Zusammenfassung seiner Kritik am Ablasshandel. Im Jahr 1520 folgte die Adelsschrift:

„An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes

Besserung“(vgl. Bendikowski (2016): S. 25).

3.2 Die Adelsschrift

Die Adelsschrift gehört ohne Zweifel zu den zentralen Dokumenten der früheren

Reformationsgeschichte. Luther rechnete in einer neuartigen Schärfe mit dem

bestehenden Kirchenwesen ab und legte seine Vorstellungen seiner grundlegenden

Umgestaltung dessen dar. Er verdammte in der Adelsschrift die klerikale

Amtshierarchie, das Mönchtum, der Zölibat, die Heiligenverehrung, die Messstiftungen

und das Wallfahrtswesen. Doch als Motiv dieser Schrift gab er den Kampf gegen das

Papsttum an (vgl. Kaufmann (2013): S. 5).

Mit dieser Schrift ging Luther in seiner Kritik gegenüber Rom noch einen

Schritt weiter und bestritt darin auch die Autorität des Papstes über die weltlichen

Obrigkeiten. Der Papst müsste endlich dazu angehalten werden, wieder in Demut und

wirklicher Nachfolg Christi zu leben. Der aufwendige Lebensstil des

Kirchenoberhauptes müsste kritisch unter die Lupe genommen und ein Konzil4

einberufen werden. Über den Missbrauch von Wallfahrten sollte ebenso gesprochen

werden, wie über die in der Heiligen Schrift nirgendwo vorgeschriebene Ehelosigkeit

4 Konzil: Versammlung von Bischöfen und anderen hohen Klerikern zum Zwecke der

Erörterung und Entscheidung theologischer und kirchlicher Fragen (vgl.

Dudenredaktion).

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der Priester. Zudem forderte Luther nun auch die Unabhängigkeit des deutschen

Kaisertums vom Papst sowie die Errichtung einer von Rom unabhängigen Kirche.

Luther ging Schritt für Schritt die Verfehlungen seiner Kirche durch und scheute nicht

davor zurück, vermeintlich radikale Forderungen zu stellen (vgl. Bendikowski (2016):

S. 25).

Den zahlreichen Einzelforderungen zu einer Umgestaltung der Kirche, für

welche sich als Rahmen unverkennbar eine Nationalkirche abzeichnete, folgten

Forderungen zum Umsturz des geltenden Rechts und der geltenden

Gesellschaftsverfassung. Die Kleriker wurden von Luther in der Adelsschrift ihrer

Sonderstellung innerhalb der Gesellschaft enthoben. Zwei Monate nach Erscheinen der

Adelsschrift erschien am 6. Oktober die Schrift: „De captivitate Babylonica ecclesiae

praeludium“. Mit ihr wollte Luther gezielt die Gelehrten ansprechen und darum schrieb

er diese in lateinischer Sprache. In dieser Schrift bestand Luther auf den kompletten

Umbau der spätmittelalterlichen Sakramentenlehre (vgl. Leppin (2015): S.54).

Während Luther eine Reihe von Schriften verfasste, deren Gedanken das

traditionelle kirchliche System sprengten und die durch zahlreiche Nachdrucke in hohen

Auflagen rasch verbreitet wurden, begannen die kirchlichen Autoritäten, Maßnahmen

gegen ihn zu ergreifen (vgl. Köpf (2015): S. 87).

3.3 Die Bannbulle

Am 24. Januar 1520 erließ Bischof Johann von Meißen ein Mandat gegen Luthers

„Sermon vom Sakrament des Leichnams Christi“, welches Luther am 5. Februar erhielt

und sogleich eine scharfe Antwort verfasste. Im Laufe des Frühjahrs 1520 wurde mit

Unterstützung Johannes Ecks an der römischen Kurie die Verurteilung Luthers

vorbereitet. Am 15. Juni 1520 erließ der Papst die Bannandrohungsbulle gegen Luther:

„Bulla contra errores Martini Lutheri“. Sie verwirft 41 aus 17 Schriften Luthers

zusammengestellte Irrtümer ohne Begründung und mit undifferenzierter Bezeichnung

ihrer Gefährlichkeit, verurteilt die Schriften, in denen sie enthalten sind, und räumt

ihrem Verfasser Martin Luther und seinen Anhängern 60 Tage für einen Widerruf ein.

Sollte Luther den Widerruf verweigern, würde er als Ketzer verurteilt und bestraft

werden. Alle seine Schriften sollten dann vernichtet werden. Im Herbst 1520 wurde die

Bulle in Deutschland durch die päpstliche Nuntien ausgehändigt (vgl. Köpf (2015): S.

87).

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In Rom wurde das Urteil über Luther schon am 24. Juli veröffentlicht, indem

man es am Petersdom und an der päpstlichen Kanzlei auf dem Campo dei Fiori

anschlug. Damit war auch Rom in die Öffentlichkeit getreten (vgl. Schilling (2014): S.

169).

Am 12. Oktober versuchte Karl von Miltiz, Luther zu einer Versöhnung mit dem

Papst zu bewegen und erreichte, dass Luther einen Brief in Latein und Deutsch an Papst

Leo X. schrieb. Luther versicherte dem Papst seinen persönlichen Respekt, wiederholte

allerdings die Vorwürfe gegen die Römische Kirche. Luther schob die Verantwortung

für den Streit auf Eck und verweigert den Widerruf. Gegen Ende Oktober

veröffentlichte Luther dann Angriffe auf die Bannandrohungsbulle in lateinischer und

deutscher Sprache: „Adversus execrabilem Antichristi bullam“ und: „Wider die Bulle

des Endchrists“ und machte damit den Bruch mit der Kirche vollends unheilbar. Auf

Wunsch des Kurfürsten verfasste er am 17. November 1520 eine ausführliche

Begründung aller in der Bannandrohungsbulle verworfenen Artikel und noch während

er an der lateinischen Beweisführung arbeitete, entschloss er sich zu einer Handlung

von einschneidender und unumkehrbarer Wirkung. Schon im Oktober hatte man Bücher

von Luther in den deutschen Städten Löwen und Ingolstadt verbrannt und im November

auch in Köln und Mainz. Jetzt war es Luther, der die Bücher seiner Gegner in die

Flammen warf (vgl. Köpf (2015): S. 88).

3.4 Die Bücherverbrennung

Im Herbst 1520 war jede Reaktion Roms auf Luthers Sendbrief und Freiheitsschrift

ausgeblieben. Am 10. Dezember 1520 organisierte Melanchthon, ein Mitstreiter Martin

Luthers, mit anderen Dozenten und Studenten eine öffentliche Bücherverbrennung vor

dem Elstertor in Wittenberg. Luther warf eigenhändig ein Druckexemplar der

Bannandrohungsbulle ins Feuer, das gesamte Kirchenrecht sowie Bücher von den

Gegnern Luthers Johannes Eck und Hieronymus Emsers (vgl. Köpf (2015): S. 89).

Am folgenden Tag bestieg Luther die Kanzel und warnte seine Zuhörer vor den

Papisten und ihren Beschlüssen mit den Worten, dass mit dem Feuer nur wenig

angerichtet sei, besser wäre es, wenn auch der Papst, oder vielmehr der römische Stuhl

mit verbrannt wäre (vgl. Roscoe (1818): S. 205).

Die Nachricht von diesem spektakulären Ereignis verbreitete sich rasch und

Luther verfasste sofort eine Begründung mit dem Titel: „Warum des Papst und seiner

Jünger Bücher von D. Martin Luther verbrannt sind“, die noch vor Ende des Monats

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erschien. Diese Handlung am 10. Dezember hatte mehr als bloß symbolischen

Charakter. Durch die Verbrennung der Bulle hatte Luther jede persönliche

Verständigung mit der römischen Kurie unmöglich gemacht. Da er den geforderten

Widerruf nicht geleistet hatte, wurde am 3. Januar 1521 der kirchliche Bann, die

Exkommunikation, über Luther und seine Anhänger verhängt. Luther sollte nun nach

dem bestehenden weltlichen Ketzerrecht nach behandelt werden. Dafür verantwortlich

war Kaiser Karl V. Nach dem Recht des Mittelalters musste einer, der vom Papst

gebannt und vom Kaiser geächtet war, hingerichtet werden. Dies drohte nun auch

Luther (vgl. Köpf (2015): S. 89f).

Sowohl Luther als auch der Papst unternahmen alles, um den Kaiser Karl V. auf

ihre Seite zu ziehen. Schon in seinen Schriften gegen die Bannbulle forderte Luther den

Kaiser auf, sich gegen den Papst zu erheben und das Reich des Antichristen zu

zerstören. Luther versuchte dem Kaiser zu erklären, dass der Kaiserthron nicht unter der

Gewalt des Papstes stehe und dass dieser kein Recht habe, den Deutschen Staaten etwas

zu befehlen. Auch Leo X. versuchte Karl V. zu beeinflussen. Er schickte Hieronymus

Aleander zu Kaiser Karl V., um ihm als Gesandter Roms, Glück zur Kaiserwahl zu

überbringen. Aleander war ein gelehrter, kluger und tüchtiger Mann, der als Verehrer

des Papstes mit unglaublichem Eifer seine Arbeit verrichtete. Aleander begleitete Karl

V. nach Köln, wo Luthers Schriften öffentlich verbrannt wurden. Vom Papst hatte

Aleander den wichtigen Auftrag bekommen, die Ketzerei Luthers und seiner Anhänger

auszurotten (vgl. Roscoe (1818): S. 206f).

Doch wieder kam es zu einem Aufschub, denn Luthers Landesherr, Friedrich der

Weise, bestand darauf, dass Luther vor einer Ächtung vom Kaiser persönlich gehört

würde. So ergab sich die Einladung Luthers zum Reichstag von Worms im April 1521

(vgl. Köpf (2015): S. 90).

Diese abermalige Verzögerung exekutiver Konsequenzen des theologisch und

kirchenrechtlich eindeutigen Ketzerurteils bedeutete einen immensen strategischen

Positionsgewinn für die Sache Luthers (vgl. Kaufmann (2015): S. 52).

3.5 Der Reichstag in Worms

Der Kurfürst von Sachsen hatte gefordert, dass Luther auf der höchsten politischen

Bühne, dem Reichstag, verhört werden sollte, ganz gleich ob Rom ein Urteil gefällt

hätte oder nicht. Das geltende Reichsrecht sah vor, dass das Urteil gegen einen von der

Kirche rechtskräftig verurteilten Ketzer umstandslos zu exekutieren sei. Aleander,

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Gesandter des Papstes, arbeitete gegen eine Vorladung nach Worms, doch der junge

Kaiser gab Luther die Gelegenheit zum Widerruf. Allerdings ordnete Karl V. die

Beschlagnahmung aller Schriften Luthers an. Luther wurde am sechsten März unter

Zusage freien Geleits für die Hin- und Rückreise vom Kaiser vorgeladen . Luther reiste

am 2. April nach Worms. Die Reise dauerte zwei Wochen und in dieser Zeit erkannte

Luther, wie bekannt er inzwischen war. Luther predigte in einigen Städten und wurde

feierlich empfangen. Seine Anhänger nannten sich Martinianer, Lutherander oder

Evangelische. Luther wurde bewusst, in welchem Maße man an seinem Schicksal und

an seiner Sache teilnahm und das die Hoffnungen vieler Deutscher das römische

Papsttum abzuwerfen, auf ihm ruhten. Diese Erfahrungen bestärkten Luther in seinem

Selbstbewusstsein (vgl. Kaufmann (2016): S. 129).

Luther wurde am 17. und 18. April in Gegenwart des Kaisers von dessen

Sprecher zum Widerruf aufgefordert. Luther aber blieb bei seinen Worten und seine

Gegner forderten seinen Tod. Doch Luther konnte Worms unbeschadet verlassen, weil

ihm vorher ein sicheres Geleit hin und zurück garantiert worden war. Darauf hatte

Friedrich der Weise bestanden. Erst am 26. Mai verhängte Karl V. mit dem Wormser

Edikt die Reichsacht über Luther und erklärte ihn für vogelfrei und ordnete seine

Gefangennahme und Bestrafung an (vgl. Jung (2011): S. 20).

In dieser Reichsacht wurde Luther als der leibhafte Satan in Menschengestalt

und in einer Mönchskutte geschildert. Der Kaiser forderte im Namen des Reiches alle

Untertanen auf, Luther und seine Anhänger überall zu ergreifen, ihr Eigentum zu

zerstören, ihre Bücher und Schriften zu verbrennen, und keine neuen Schriften von

ihnen zu drucken (vgl. Roscoe (1818): S. 222).

Die Lektüren und die Verbreitung seiner Schriften wurde verboten. Auf der

Rückreise von Worms nach Wittenberg wurde Luther Opfer einer vorgetäuschten

Entführung. Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen hatte die Tat in Auftrag gegeben,

um seinen Schützling in Sicherheit zu bringen. Luther versteckte sich als Junker Jörg

zehn Monate lang auf der Wartburg (vgl. Bendikowski (2016): S. 28).

3.6 Auf der Wartburg

Der Aufenthalt auf der Wartburg war für den an die Gemeinschaft seiner Mitbrüder

gewohnten Mönch eine große Herausforderung. Zum ersten Mal seit sechzehn Jahren

lebte Luther für längere Zeit außerhalb des Klosters. Er musste nun nach seiner Ächtung

im Verborgenen leben und um seine Identität geheim zu halten, legte Luther die

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Mönchskutte ab und kleidete sich wie ein Ritter. Er ließ sich Haare und Bart wachsen

und nannte sich Junker Jörg. Luther nahm an Jagden der Burgleute teil, verkehrte mit

seinen Wittenberger Freunden Melanchthon und Spalatin brieflich und bezog über diese

auch Arbeitsmaterialien aus Wittenberg (vgl. Köpf (2015): S. 95).

Trotz der Einsamkeit und Abgeschiedenheit, war Luther mitten im

reformatorischen Geschehen präsent. Er erlebte eine seiner literarisch fruchtbarsten

Phasen. In den Wartburger Monaten arbeitete er gleichzeitig an mehreren Schriften. Im

November 1521 brachte er kurz hintereinander die theologische Kontroverse über die

Messe, die Polemik gegen die Hallenser Heiligtümer und die Wartburgpostille zum

Druck (vgl. Schilling (2014): S. 224).

Mehrmals wöchentlich gingen Schriften und Büchersendungen zwischen der

Wartburg und Wittenberg hin und her. Der Reformator war über die Entwicklungen in

Wittenberg immer auf dem aktuellen Stand und er ließ seinen Wittenberger Freunden

neue Texte zukommen. Melanchthon und Spalatin agierten als seine Verlagsagenten

und erhielten von Luther immer genaue Anweisungen zur Reihenfolge und

gewünschten Qualität der Drucklegungen seiner Schriften. Luther konnte somit weiter

seinen Einfluss auf das Geschehen in Wittenberg bewahren (vgl. Schilling (2014): S.

225).

Luther blieb bis zum Tode Leo X. in seinem Versteck auf der Wartburg.

Anfang März 1522 kehrte Luther nach Wittenberg zurück. Im Gepäck hatte er die

deutsche Übersetzung der Neuen Testamentes. Die Lutherbibel wurde zum

Verkaufserfolg und Vorbild für viele andere Übersetzungen, wie zum Beispiel ins

Englische, Französische, Niederländische und in die skandinavischen und slawischen

Sprachen (vgl. Schilling (2014): S. 242).

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4 Die Gründe des Erfolgs

4.1 Der Buchdruck

Das knappe Jahr auf der Wartburg, das zwischen der Leipziger Disputation und dem

Bekanntwerden des römischen Urteils über Luther in Gestalt der Bannandrohungsbulle:

„Exsurge Domine“ lag, war wohl die Phase der wirkungsvollsten literarischen Leistung

des Augustinermönchs. Er schrieb sich in die Rolle des Reformators hinein. Die Angst

um Leib und Leben, angesichts der drohenden Verurteilung, begleitete seine Kreativität,

Ausdruckskraft und Produktivität. Dank des Buchdruckes war die Verbreitung seiner

Schriften äußerst erfolgreich (vgl. Kaufmann (2016): S. 122).

Der Buchdruck entwickelte sich zu einer Macht, die das geistige und politische

Leben beeinflusste. Um 1500 waren etwa 600 deutschsprachige Werke erschienen,

denen ein Vielfaches an lateinischen Drucken gegenüberstand. Handschriften waren

sehr teuer, aber ein gedrucktes Buch kostete nur ein Fünftel des Preises einer

Handschrift, welche sich nur Wohlhabende leisten konnten. Die Nachfrage nach

günstiger Literatur stieg immer mehr an und kleinere Druckereien mit Flugblättern und

Flugschriften kamen dieser Nachfrage entgegen. Sie nahmen mit der Zeit in

zunehmenden Maße sozialkritischen Charakter an und wurden zu einer scharfen Waffe

im um sich greifenden Klassenkampf gegen die feudalen Mächte (vgl. Zschäbitz (1967):

S. 15).

Luther verstand es, das Druckmedium in einem Ausmaß und mit so viel

Geschick zu nutzen und die Menschen in seinen Bann zu ziehen, dass er zu einer

Schlüsselfigur der Reichspolitik wurde (vgl. Kaufmann (2015): S. 52).

Luther wurde überall gelesen und seine Schriften animierten andere, ebenfalls

reformatorische Texte zu verfassen. Die reformatorische Bewegung entstand und auf

diese Weise trug Luther selbst entscheidend dazu bei, dass das traditionelle Mittel der

Ketzerbekämpfung, die Verbrennung einer Person und ihrer Schriften scheitern musste.

Auch wenn sein Landesherr ihm Schutz gewährte, gerettet hat ihn die Erfindung

Johannes Gutenbergs, der Buchdruck. Luther war in seinen literarischen Kämpfen zu

einem brillanten publizistischen Strategen geworden (vgl. Kaufmann (2016): S. 126).

Er nutzte den Buchdruck für sich immer wieder geschickt und die Reformation

wurde zu einer Medienrevolution. Nachdem Luther seine 95 Thesen veröffentlicht hatte,

erschien von ihm ein Jahr später die Schrift: „Sermon über Ablass und Gnade“, eine in

deutscher Sprache geschriebene Zusammenfassung seiner Kritik am Ablasshandel.

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Diese wurde binnen zwei Jahren 25-mal gedruckt und erreichte eine Auflage von etwa

60.000 Exemplaren (vgl. Bendikowski (2016): S. 25).

Luther wählte gezielt verletzende und vulgäre Formulierungen um seinen

Gegner zu treffen und um die Inhalte seiner neuen Theologie zur Geltung zu bringen. Er

war davon überzeugt, die evangelische Wahrheit zu besitzen und sah sich als Gottes

Prophet im Endzeitkampf gegen den Teufel und dessen Verbündeten. Unter den

Intellektuellen wurde diese Ausdrucksweise Luthers jedoch kritisiert. So schrieb 1521

der Humanist Erasmus von Rotterdam an Justus Jonas, den Wittenberger Kollegen

Luthers, dass Luther alles öffentlich mache und dadurch den niedrigsten Handwerker an

Problemen teilhaben lasse, die bislang Wissenschaftlern vorbehalten waren (vgl.

Schilling (2014): S. 152.).

4.2 Die Humanisten

Die Humanisten bildeten eine agile und neugierige Kommunikationsgemeinschaft.

Überall wo sie Fuß fassen konnten, an den Fürstenhöfen, in städtischen

Administrationen, an Druckorten und Universitäten,- kreuz und quer durch Europa,

arbeiteten sie daran, den geistigen Austausch zu fördern. Sie waren sehr intellektuell

und darauf bedacht, gelehrte Nachrichten rasch weiter zu geben. Die Humanisten

korrespondierten auf Latein und waren die ersten, die sich über die Vorgänge um den

Wittenberger Augustinermönch Martin Luther informierten und seine Schriften

verbreiteten (vgl. Kaufmann (2016): S. 81).

Durch die Kritik der Humanisten wurde die Stellung der römischen Herrschaft

erschüttert. Die Humanisten schlugen einen neuen Ton an, spotteten über Mönche und

Päpste und machten die Lebensführung des gesamten geistlichen Standes zum Thema.

Der Humanismus erschloss den Zugang zu den antiken Sprachen und damit zum

Studium auch der biblischen Texte im Original. Gerade in Deutschland beeinflussten

die Humanisten viele der späteren Reformatoren und kritisierten die Kirche in Rom. Die

Ausbeutung und Unfreiheit Deutschlands ging laut der Humanisten auf das Konto der

Finanzgier des Vatikans (vgl. Bendikowski (2016): S. 20f).

Viele Humanisten wollten die Kirche reformieren. Besonders die jüngere

Generation, unter ihnen auch Philipp Melanchthon, folgte Luther. Melanchthon

gelangte mit Luther zu weitgehend übereinstimmenden Erkenntnissen. Er zeigte, dass

vieles in der katholischen Theorie und in der kirchlichen Praxis nicht mit der Bibel

begründet werden konnte. Durch Melanchthon gesellte sich eine wissenschaftliche

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Kraft, die europäische Geltung erlangte und in die Rolle des Systematikers des

Luthertums hineinwuchs, zu den jungen Humanisten (vgl. Zschäbitz (1967): S. 103).

4.3 Philipp Melanchthon und Georg Spalatin

Der Humanist Philipp Melanchthon, Professor des Griechischen, war einer der

wichtigsten Mitstreiter von Martin Luther. Während Luther sich auf der Wartburg

versteckte, war Melanchthon eine wichtige Vertrauensperson in Wittenberg (vgl.

Meinhold (1967): Bild 89).

Luther kannte Melanchthon aus der Universität, denn dieser war ein ehemaliger

Student von Martin Luther, später dann sein Freund und wohl wichtigster Weggefährte

sowie Vertrauensmann. Melanchthon war für Luther ein bevorzugter Briefpartner (vgl.

Renner (1862): S 63).

Mehrmals wöchentlich gingen Briefe oder Manuskript- und Büchersendungen

zwischen Luther und Melanchthon hin und her, sodass der Reformator über die

Entwicklungen in Wittenberg und den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Debatten

auf dem Laufenden blieb. Seine Wittenberger Freunde erhielten mit der Gegenpost die

Manuskripte neuer Luthertexte. Luther konnte durch Melanchthon trotz seiner

Abwesenheit in Wittenberg seinen Einfluss bewahren (vgl. Schilling (2014): S. 225).

Melanchthon übernahm Luthers theologische Vorlesungen und eine Welle der

Zustimmung, des Lobes und der Begeisterung schlugen ihm entgegen. In seine

Vorlesungen kamen mit Abstand die meisten Hörer und sein Ruhm reichte weit über

Wittenberg hinaus. Als theologische Autorität trat er an die Seite Martin Luthers (vgl.

Greschat (2010): S. 31).

Neben Melanchthon zählte auch Georg Spalatin zu Luthers Wittenberger

Freunden und Helfern. Spalatin war seit 1508 Erzieher am Hofe Friedrichs des Weisen,

später dessen Berater, Sekretär und Hofkaplan. Er vermittelte die Korrespondenz

zwischen dem Kurfürsten und Luther und wurde zum wichtigsten Mittelsmann

zwischen der Universität in Wittenberg und dem kurfürstlichen Hof (vgl. Schwarz

(2014): S. 36).

Spalatin hatte neben den Wünschen Luthers auch die politische Lage und die

daraus resultierenden Interessen der kursächsischen Regierung zu beachten und somit

konnten Missverständnisse und Spannungen zwischen ihm und Martin Luther nicht

ausbleiben.Wenn Spalatin versuchte Luther zu mäßigen oder die Drucklegung aus

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taktischen Gründen verzögerte, geriet Luther in Rage und es hagelte grobe

Beschimpfungen (vgl. Schilling (2014): S. 225).

Luther und Spalatin standen in regem Schriftverkehr. Luther schrieb teilweise

mehrere Briefe an einem Tag an Georg Spalatin. Dieser vermittelte die Korrespondenz

zwischen dem Kurfürsten und Luther. Spalatin war sozusagen Luthers Mittelsmann bei

Hofe, denn seine Stellung war eine zweifache, eine geistliche und eine weltliche. Als

Hofprediger und Geheimsekretär des Kurfürsten Friedrichs des Weisen, genoss er ein

großes Vertrauen seitens des Fürsten und gewann Einblicke in die geheimsten

Verhandlungen des Fürsten sowie private als auch staatliche Angelegenheiten. Luther

wandte sich nur ungern direkt an den Kurfürsten und abgesehen von einem einzigen

Zusammentreffen in Lochau, hatte Luther den Fürsten nur noch einmal auf dem

Reichstag zu Worms gesehen. Der Kurfürst mied ebenfalls jede persönliche

Annäherung zu Luther. Spalatin war deshalb ein wichtiger Mittelsmann für Luther (vgl.

Seelheim (1876): S. 21).

4.4 Die Rolle von Kaiser, Papst und Kurfürst

Wie bereits ausgeführt geriet, aufgrund der Universalherrschaft Kaiser Karl V., der

Landesteil Deutschland zeitweilig in Vergessenheit. Karl V. war auch König von

Spanien und dort herrschten extreme Unruhen und man sah hilflos einem Bürgerkrieg

entgegen. Papst Leo X. tat alles, um das spanische Königtum zu schwächen. Der Papst

wollte die Verfassung der Inquisition ändern, die bis dahin ein wichtiges

Machtinstrument in den Händen des Königs gewesen war. Zudem stand dem Kaiser ein

Krieg mit Frankreich bevor und der Kaiser war mit der Frage beschäftigt, welchen

militärischen und finanziellen Beitrag er für den Kampf gegen die spanische Revolution

und gegen die französische Monarchie erhalten würde. Die deutschen Stände forderten

Reichsreformen und wiesen mit Nachdruck auf die allgemeinen Beschwerden gegen die

katholische Kirche hin. Den wachsenden Erfolg der lutherischen Bewegung vermochte

Kaiser Karl V. nicht einzuschätzen. Er verhandelte mit den deutschen Reichsständen um

Truppen und übersah dabei den Reformator Luther (vgl. Zschwäbitz (1967): S.131 –

133).

Der Fortgang der Reformation profitierte außer von dieser ungemein günstigen

außenpolitischen Konstellation. Hinzu kam der Umstand, dass der patriarchalische

sächsische Landesherr, Kurfürst Friedrich III., im Gegensatz zu vielen seiner

Herrscherkollegen eine Persönlichkeit war, die sich im Rahmen der ihm gegebenen

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Möglichkeiten ernsthaft darum bemühte, menschlich anständig zu handeln und ein

gegebenes Fürstenwort nicht leichtfertig zu brechen. Ihm gelang es immer wieder,

Luther vor dem Scheiterhaufen zu bewahren (vgl. Zschwäbitz (1967): S. 87).

Von Vorteil für Luther war auch, dass Papst Leo X. seinem Amt als

Kirchenoberhaupt nicht gerecht wurde. Dieser hatte schon vor Amtsantritt nicht die

eigentlich erforderliche Qualifikation und Laufbahn vorzuweisen, sondern war aufgrund

der Zahlung von Bestechungsgeldern an die Papstwähler in das Papstamt gelangt. Der

Form halber wurden die Voraussetzungen, die ein Papst zu erfüllen hat, nachgeholt und

innerhalb weniger Tage weihte man ihn zuerst zum Priester und anschließend zum

Bischof. Papst Leo X. war ein Mann von Welt und so regierte er auch in der Kirche.

Während er seinem fürstlichen und verschwenderischen Lebensstil nachging, konnte

Luther ungestört in Wittenberg die Reformation antreiben. Der Papst, der sich als den

größten Herrscher der Welt und der Kirche sah, machte den Fehler, dass er den

Augustinermönch in Wittenberg übersah und später die Reformationsbewegung durch

Luther nicht mehr zu bremsen vermochte (vgl. Bendikowski (2016): S. 15).

Die Reichsinstanzen nahmen die Rückkehr Luthers von der Wartburg

erstaunlicher Weise nahezu widerspruchslos hin. Kaiser Karl verließ Ende Mai 1522 die

Niederlande und ging nach Spanien. Erst acht Jahre später kehrte er zurück nach

Deutschland. Die Regierung fiel dem Reichsregiment zu, in dem auch Kurfürst

Friedrich regierte. Er konnte von dort aus unmittelbar auf Angriffe und Gefahren

reagieren. So entstand mit der Zeit am Regiment eine Luther freundliche Partei (vgl:

Zschäbitz (1967): S. 169f).

Papst Leo X. war am 1. Dezember 1521 verstorben und in Rom hatte sich der

Niederländer Hadrian VI. die Tiara aufs Haupt gesetzt. Dieser war zwar ein Gegner der

lutherischen Bewegung, hatte allerdings zugegeben, dass in Rom viele

Abscheulichkeiten geschehen seien. Dies gab der Luther geneigten Partei im Regiment

erweiteren, außerordentlichen Auftrieb (vgl. Zschäbitz (1967): S. 170).

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5 Fazit

Es war für Luthers Erfolg im Kampf gegen die katholische Kirche von großer

Bedeutung, dass Kaiser Karl V. sich um sein Herrscheramt in Deutschland nicht

genügend kümmerte und die Kraft der lutherischen Reformation völlig unterschätzte.

Den gleichen Fehler machte auch Papst Leo X. Dieser war für das Amt des Papstes

weder qualifiziert noch geeignet und maßdem kleinen Mönchlein anfänglich keinerlei

Bedeutung zu und schenkte dem Reformator viel zu spät seine Aufmerksamkeit. Als

Papst und Kaiser schließlich reagierten und gegen Luther der Prozess eröffneten, hatte

Luther bereits viele Anhänger, die seine Ansichten vertraten. Dem Kurfürsten Friedrich

III. gelang es zudem immer wieder, den Reformator durch taktische Verzögerungen, zu

schützen. Er schaffte es eine Vernehmung Luthers vor seinem päpstlichen Feind

abzuwenden und durchzusetzen, dass die Vernehmung zuerst in Augsburg in

Deutschland folgte. Durch weitere strategische Verzögerungen dank des Kurfürsten

kam Luther immer wieder unbeschadet davon. Als der Kaiser schließlich die Reichsacht

über Luther verhängte und ihn für vogelfrei erklärte, war es wieder der Kurfürst

Friedrich III. von Sachsen, der Luther retten und in Sicherheit auf die Wartburg bringen

ließ. Die Zeit auf der Wartburg war für Luther von enormer Wichtigkeit. Sie war nicht

nur die Rettung vor dem sicheren Tod, sondern erwies sich als eine seiner literarisch

fruchtbarsten Phasen. Auf der Wartburg konnte Luther ein knappes Jahr lang ungestört

alles niederschreiben, was ihm auf der Seele lag und er nutzte diese Zeit gut. Der

Vorwurf, dass der Papst der Antichrist sei, sorgte in der tief religiös geprägten Welt des

16. Jahrhunderts für Angst und Schrecken und begünstigte die Reformation. Aufgrund

seiner Mitstreiter und Verlagsagenten Melanchthon und Spalatin, die seine Schriften in

Wittenberg veröffentlichen ließen, war Luther weiterhin mitten im reformatorischen

Geschehen präsent und hegte wie bisher enormen Einfluss auf die Reformation. Dank

des Buchdruckes, hatten seine Schriften gigantische Verbreitungserfolge. Die

Flugblätter und Flugschriften Luthers wurden zu einer scharfen Waffe in seinem Kampf

gegen die katholische Kirche. Sie waren es auch, die Luther immer mehr Anhänger in

der Bevölkerung verschafften, zu denen auch viele junge Humanisten zählten, welchen

die Kirche reformieren wollten. Vorreiter dieser Gruppe war einer von Luthers

wichtigsten Mitstreitern, Philipp Melanchthon, dem eine große Schar von

Sympathisanten folgte. Durch die Kritik der Humanisten wurde an der Stellung der

römischen Herrschaft ebenfalls heftig gerüttelt, was für Luther und seine

Sympathisanten von großer Wichtigkeit für den Erfolg im Kampf gegen die katholische

Kirche war.

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