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Materialien zum Erntebittgottesdienst 2017 „Ich will euch geben, was recht ist“ Matthäus 20,4b

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Materialien zum Erntebittgottesdienst

2017

„Ich will euch geben, was recht ist“

Matthäus 20,4b

Spendenkonto: Evang. Kreditgenossenschaft eG Kontoinhaber: Evang. Bauernwerk in Württ. e.V. Verwendungszweck: Spende Notfonds IBAN: DE97 5206 0410 0005 1860 13 BIC: GENODEF1EK1 Falls eine Bestätigung des Spendeneingangs gewünscht wird, bitten wir um genaue Absenderangabe. Herausgeber: Evang. Landesbauernpfarramt Evang. Bauernwerk in Württemberg e.V. 74638 Waldenburg-Hohebuch Tel: 07942/107–0 Fax: 07942/107-20 [email protected]

www.hohebuch.de Redaktion: Melanie Läpple, Prälaturreferentin Sandra Dörr, Sekretariat Bezirksbauernpfarrerin (Besigheim) Dorothee Lächler Bezirksbauernpfarrer (Brackenheim) Ulrich Hörrmann Martin Buck Manfred Hechler David Hehmann Heidrun Kümmerle Eberhard Proissl Ruth Rothenburger Waltraud Scheuermann Werner Scheuermann Ulrike Siegel Foto Umschlagseite: Heinz Starkloff, Botenheim

Materialien zum Erntebittgottesdienst 2017

Inhalt Vorwort ............................................................................................ 3

Lieder und Psalmen......................................................................... 5

Eingangsgebet ................................................................................ 6

Anspiel 1 ......................................................................................... 7

Anspiel 2 ......................................................................................... 8

Sprechmotette ................................................................................. 9

Szenische Lesung/ Anspiel Matthäus 20,1-15 ............................... 10

Anmerkungen zum Predigtvorschlag 1 .......................................... 13

Predigtvorschlag 1 ......................................................................... 21

Predigtvorschlag 2 ......................................................................... 29

Fürbitten ........................................................................................ 34

Aus der Sicht des Landwirts (L. Kümmerle) ................................... 35

Die Spekulation mit Nahrungsmitteln sinnvoll einschränken (E. Proissl) .......................................................................................... 37

…wirf es hinaus! (P. Dieterich) ...................................................... 39

„Geben, was (ge)-recht ist“. Faire Preise zur finanziellen Vergütung bäuerlicher Arbeit? (C. Dirscherl)................................................... 40

Das Material ist auch online abrufbar unter: Publikationen auf www.hohebuch.de

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Vorwort

Liebe Pfarrerinnen und Pfarrer, liebe Prädikantinnen und Prädikanten, liebe Vorbereitungsteams der Erntebittgottesdienste, „ich will euch geben, was recht ist“ Im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg steht es zur Diskussion: was ist recht? Bekomme ich, was recht ist? Übertragen auf unsere heutige Landwirtschaft ist es ebenso angebracht, diese Fragen zu stellen. Das hat der Vorbereitungskreis zum Thema der Erntebittmaterialien 2017 gemacht. In diesem Jahr hat der Bezirksarbeitskreis des Evangelischen Bauernwerks in den Dekanaten Besigheim und Brackenheim, gemeinsam mit den beiden Bezirksbauernpfarrern, Dorothee Lächler und Ulrich Hörrmann, und mit mir als Prälaturreferentin, die Materialien für den Erntebittgottesdienst erstellt. (Die Stelle des Landesbauernpfarramts ist momentan vakant.) Zu unserem Arbeitskreis gehören Menschen, die sich für Landwirtschaft interessieren und zum Teil direkt aus der Landwirtschaft kommen. Beim ersten Treffen zur Materialerarbeitung wurde viel über die Wertstellung der Landwirtschaft in unserer Gesellschaft diskutiert. Und wir haben uns dafür entschieden, dass wir zur Erntebitte nicht nur um eine gute Ernte, sondern vor allem um Wertschätzung und die damit zusammenhängende gerechte Entlohnung der Ernte bitten wollen. Wir freuen uns, wenn die Materialien bei vielen Erntebittgottesdiensten zum Einsatz kommen – beim Gottesdienst in der Gemeinde, im Kirchenbezirk, im Freien, auf einem Hof, mit dem landwirtschaftlichen Ortsverein, mit den Landfrauen, mit der Landjugend usw. Ich möchte mich beim gesamten Vorbereitungsteam für das Engagement, die investierte Zeit, die vielen Ideen und Gedanken, die fruchtbaren Treffen und die tolle Umsetzung bedanken. Ein besonderer Dank geht auch an die Verfasser der Gastbeiträge.

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Die Materialsammlung bietet viele Möglichkeiten und Varianten, damit Sie die für Ihren Gottesdienst passenden „Zutaten“ auswählen können. Nun wünsche ich Ihnen viel Spaß mit Ihren Vorbereitungsteams und wunderbare Erntebittgottesdienste, die die Landwirtschaft vor Ort bestärken. Herzliche Grüße

Melanie Läpple, Bildungsreferentin Prälatur Heilbronn Hohebuch, Ende März 2017

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Lieder und Psalmen

Lieder

EG 432 Gott gab uns Atem, damit wir leben

EG 449 Vers 10 Die güldne Sonne voll Freud und Wonne

EG 452 Er weckt mich alle Morgen

EG 503 Geh aus men Herz und suche Freud

EG 508 Wir pflügen und wir streuen

EG 631 Vers 1-2+4+6

Der Herr ist gut, in dessen Dienst wir stehn

EG 646 Aus Gottes guten Händen

Nr. 14 Neue Lieder

Das Leben braucht Erkenntnis

Psalmen

EG 705 Psalm 8 Was ist der Mensch, Herr, dass du dich

seiner annimmst?

EG 711 Psalm 23 Der Herr ist mein Hirte

EG 719 Psalm 36 Wie köstlich ist deine Güte, Gott!

EG 729 Psalm 63 Ich will Gott loben mein Leben lang

EG 730 Psalm 67 Es danken dir, Gott, die Völker

EG 743 Psalm 104 Herr, die Erde ist voll deiner Güte

EG 749 Psalm 121 Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen

EG 754 Psalm 139 Herr, du erforschest mich und kennest mich

EG 756 Psalm 145 Mein Geist ist in Ängsten

EG 770 Von allen Seiten umgibst du mich

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Eingangsgebet

Eingangsgebet Wie groß bist du, Herr unser Gott Schauen wir den Himmel an bei Nacht, so ahnen wir etwas von deiner Größe. Wir loben und preisen dich, Herr unser Gott. Wie hoch achtest du uns. Wie viel Verantwortung hast du uns in die Hand gelegt. Ich will euch geben was recht ist. Herr unser Gott, wir danken dir was du uns hast wieder wachsen lassen auf den Feldern in den Weinbergen und Gärten. Wir danken dir, dass du ohne Ansehen der Person hast wachsen lassen, einfach so, unverdient. Ich will euch geben was recht ist Wir vertrauen darauf, dass du uns gibst was recht ist. Klagegebet (von Anna Walter, Stuttgart) Du Gott, du ferner Gott Du Gott, du naher Gott Du Gott, du bist ein Gott, der sieht Ich klage an Mein Zeigefinger ist erhoben zur Mahnung Ich schaue euch an Bürger, Nachbarn, Politiker Ich schaue dich an Gott Seid ihr blind und taub Kümmert es euch nicht, was auf dem Land geschieht Mein Blick ist ernst und bestimmt. Seht ihr sie nicht Siehst du sie nicht, Gott Die geplagten und verachteten Bauern Denen die Großen mit immer neuen Gesetzen das Leben schwer machen Denen die Ansprüche der Bürger das Bauernhandwerk zum Hürdenlauf werden lassen. Seht ihr sie nicht Siehst du sie nicht, Gott

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Deren Kampf vergeblich ist Weg mit den Kleinen, wir wollen sie nicht Verkauft, versklavt, der Lebensfreude beraubt, ihr Wissen zählt nicht der Bitterkeit und Hoffnungslosigkeit überlassen schaut nach euch selbst, sagt ihr und kauft billig im Discounter ein. Das ist der Lauf der Welt, der Fortschritt Wer nicht wächst soll weichen Seht ihr sie nicht Siehst du sie nicht, Gott Ich gehe nicht wen von hier, ehe ihr Politiker recht handelt Und neue Wege einschlagt. Ich gehe nicht weg von hier, ehe du Bürger aufwachst Und dir das Bauernhandwerk etwas wert ist. Ich lasse dich nicht Gott, ehe dein Segen wieder fließt. Anspiel 1

Ehepaar Otto und Maria Schmidt sitzen wie jeden Morgen beim Frühstück und lesen die Zeitung. Otto Du Maria, guck mal wie viel Werbung heute schon wieder dabei ist. Maria Haja, das ist doch herrlich, da können wir gleich mal die Angebote studieren. Otto Mensch, da bei Netto ist das Rindfleisch günstig, ich glaub da holen wir was… Maria …Und sieh mal bei Penny gibt’s den Wein dazu im Angebot. Otto Wenn wir das alles gut miteinander vergleichen – Mensch, was wir da sparen können. Maria (träumt vor sich hin) Das reicht vielleicht mal einen schönen Urlaub oder endlich mal ein neues Auto? Otto (nachdenklich) Du, Maria , hast du dir auch mal überlegt, was da wohl für die Erzeuger / Bauern übrig bleibt? So billig können die doch gar nicht produzieren. Maria (nach einer Weile) Das stimmt Otto. Du hast Recht! Ich will euch geben was Recht ist.

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Anspiel 2

Anspiel zwischen Landwirt und Verbraucher Landwirt Der Frühling, die Felderbestellung, rückt näher. Leider sind die Preise 2017 für Saatgut, Dünger und Pflanzenschutzmittel wieder teurer geworden. Und das, nach einem Jahr mit geringen Erlösen in der Landwirtschaftlichen Produktion. Verbraucher Wie kommt man da als Landwirt zurecht? Landwirt Das ist keine erfreuliche Stimmung! Wenn man bedenkt, dass wir die Produktionskosten für ein ganzes Jahr vorfinanzieren. Verbraucher Finden dann die Bauernfamilien immer wieder neuen Mut zum Weitermachen? Landwirt Für uns Landwirte ist es wichtig und Lebensaufgabe, die Natur zu bebauen und zu bewahren sowie Nahrungsmittel zu erzeugen, um die Menschen und Tiere zu ernähren. Verbraucher Ja, Essen und Trinken brauchen wir jeden Tag. Wir Menschen denken oft nicht mehr darüber nach und halten es für selbstverständlich. Landwirt Wir arbeiten in der Natur, erzeugen hochwertige Nahrungsmittel und legen Wert auf regionale Marktnähe. Verbraucher Wir Verbraucher haben viele Möglichkeiten beim Einkaufen auszuwählen: sei es im Hofladen, beim Einzelhandel oder im Discounter. Landwirt Billige Lebensmittel und Sonderangebote bereiten uns große Sorgen. Die Erzeugerpreise sind zu niedrig, um die Produktionskosten zu decken. Verbraucher Ich als Verbraucher unterstütze die regionale Direktvermarktung. Viele Verbraucher, aber, kaufen nach Angebot

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und Preis-Leistung Lebensmittel ein. Bei mir hängt es auch vom verfügbaren Einkommen ab. Landwirt Auch ich als Landwirt kann langfristig aber nur mit einem sicheren Betriebseinkommen überleben. Manchmal frage ich mich, bekomme ich auch, was recht ist? Sprechmotette

Personen I. und II. sind Landwirte Personen III., IV. und V. sind Verbraucher Alle Ich will euch geben, was recht ist. I. Was ist denn recht? II. Ich habe in meinem Leben viel hart gearbeitet und musste

mich meist mit einem geringen Lohn abspeisen lassen. Das ist ungerecht.

I. Wer weiß denn noch, was unsere Arbeit wert ist, was die Lebensmittel wert sind, die wir im Schweiße unseres Angesichts produzieren? Die Erlöse, die wir bekommen, sind ungerecht.

II. Warum legen denn immer die Herren die Preise fest, die wir kriegen, die großen Lebensmittelketten, der anonyme Weltmarkt? Das ist ungerecht.

I. Uns fragt keiner, wie viel wir in unsere Arbeit investieren und was wir brauchen, um ein ordentliches Leben führen zu können. Das ist ungerecht.

Alle Ich will euch geben, was recht ist. II. Ich habe ja keine andere Wahl. Von was sollte ich sonst

leben? I. Ich möchte mir keine andere Arbeit suchen. Auf dem Feld

und im Weinberg zu arbeiten, das ist mein Beruf und der macht mir Freude.

II. Ich freue mich, dass meine Arbeit gebraucht wird. Gesunde Lebensmittel gehören zum Wichtigsten.

I. Ich bin gespannt, ob wir bekommen, was recht ist. Eine faire Entlohnung haben wir wirklich verdient.

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II. Ich glaube daran, dass wir wirklich bekommen, was recht ist. Die Hoffnung gebe ich nicht auf.

I. Zum Glück setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass nachhaltiges Wirtschaften und faire Preise für die Zukunft unserer Erde wichtig sind.

Alle Ich will euch geben, was recht ist. III. Als Verbraucher nutze ich gerne alle Schnäppchen, die

angeboten werden. Das ist doch nur recht und billig. IV. Mit meinem knappen Einkommen komme ich kaum über

die Runden. Da muss ich sparen, wo es geht. V. Ich schaue schon, wo die Lebensmittel erzeugt wurden

und ob die Erzeuger faire Preise bekommen, von denen sie auch leben können. Für gute Lebensmittel zahle ich gerne angemessene Preise.

Alle Ich will euch geben, was recht ist. II. Zum Glück gibt es immer mehr Menschen, die unsere

Arbeit schätzen und faire Preise dafür zahlen. I. Aber es ist unfair, dass ich nicht besser verdiene als

meine Kollegen, obwohl ich mehr an Zeit und Kapital investiert habe.

II. Für mich ist es entscheidend, dass ich so viel bekomme, um mit meiner Familie gut leben zu können.

Alle Ich will euch geben, was recht ist. Szenische Lesung/ Anspiel Matthäus 20,1-15

Personen: Erzähler, Besitzer, Verwalter, sechs Arbeiter Länge: ca. 5 Minuten Requisiten: Marktplatz, Weinberg, große Uhr, Schatulle mit gr. Geldstücken (mit Alufolie überzogene Bierdeckel) Erzähler Wir hören ein Gleichnis aus dem Matthäus- Evangelium. Jesus spricht zu seinen Jüngerinnen und Jüngern über das Reich Gottes und vergleicht es mit einem Weinbergbesitzer, der Arbeiter sucht, die in seinem Weinberg den Boden hacken, die Trauben ernten, Unkraut jäten, die Ranken festbinden und was

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es da sonst noch zu tun gibt. Früh am Morgen um 6 Uhr geht er auf den Marktplatz des Ortes. Dort stehen die Tagelöhner: Männer und Frauen, auch Kinder, die keine feste Arbeit haben. (Besitzer und Verwalter gehen zum Markt, wo einige Arbeiter auf dem Boden sitzen oder auf Stühlen hocken, weil sie sonst nicht zu sehen sind – eine große Uhr wird auf 6 Uhr gestellt) Besitzer Wer will heute in meinem Weinberg arbeiten? Arbeiter 1 Was zahlst du dafür? Besitzer Ich zahle den üblichen Tageslohn von einem Silberstück. Also, wer will bei mir arbeiten? Arbeiter 1+2 Ja, wir wollen arbeiten. Besitzer Dann geht mit meinem Verwalter zum Weinberg, er wird euch zeigen, was dort zu tun ist. (Besitzer ab, Arbeiter und Verwalter zum Weinberg) Verwalter Einer kann den Boden hacken, einer kann Unkraut jäten, einer kann die Reben festbinden. (Verwalter ab – Arbeiter arbeiten) Große Uhr wird gut sichtbar auf 9 Uhr gestellt Erzähler Um 9 Uhr ging der Besitzer des Weinbergs wieder auf den Marktplatz und sah dort noch ein paar Männer arbeitslos herumstehen. Besitzer Ihr könnt in meinem Weinberg arbeiten. Ich will euch angemessen bezahlen und euch geben, was recht ist. Wollt ihr? Arbeiter 3+4 Ja, wir wollen gerne arbeiten. Besitzer Dann geht. Mein Verwalter wird euch die Arbeit anweisen. (Besitzer ab – Arbeiter zum Weinberg) Verwalter Ihr könnt helfen, den Boden zu hacken und Unkraut zu jäten. Uhr wird auf 12 Uhr gestellt – dann auf 3 Uhr Erzähler Genauso machte es der Weinbergbesitzer um 12 Uhr und um 3 Uhr

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Uhr wird auf 5 Uhr gestellt Erzähler Selbst um 5 Uhr ging er noch einmal zum Marktplatz und sah dort noch einige Arbeiter herumstehen. Besitzer Warum tut ihr den ganzen Tag nichts? Arbeiter 5+6 Weil uns niemand eingestellt hat. Besitzer Geht auch ihr noch hin und arbeitet in meinem Weinberg. Mein Verwalter wird euch alles zeigen. (Arbeiter zum Weinberg, Verwalter zeigt ihnen die Arbeit) Uhr wird auf 6 Uhr gestellt Erzähler Dann wurde es Abend. Der Weinbergbesitzer rief seinen Verwalter zu sich. Besitzer Komm her. Rufe die Leute zusammen und zahle ihnen ihren Lohn. Fang bei denen an, die zuletzt gekomen sind und höre bei den ersten auf. (Besitzer gibt dem Verwalter eine Schatulle mit großen Silberstücken) Verwalter So, jetzt ist Feierabend. Kommt her und empfangt euren Lohn. Zuerst kommen die, die nur eine Stunde gearbeitet haben. Arbeiter stellen sich in einer Reihe auf. Verwalter zahlt den ersten ein Silberstück gut sichtbar aus. Verwalter Hier hast du ein Silberstück als Lohn für deine Arbeit. Arbeiter 5+6 nehmen das Geld, staunen und freuen sich Arbeiter 1 Was zahlt er denn denen, die erst um 5 Uhr angefangen haben? Arbeiter 2 Du, die bekommen jeder ein Silberstück. So viel Geld für so wenig Arbeit. Arbeiter 1 Klasse, dann bekommen wir sicherlich mehr. Verwalter zahlt auch dem 3.+ 4. Arbeiter ein Silberstück und zuletzt dem 1.+2. Arbeiter. Arbeiter 1 Das ist ungerecht, einfach ungerecht, dass wir nur ein einziges Silberstück bekommen.

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Arbeiter 2 Die anderen, die zuletzt gekommen sind, die haben nur eine Stunde lang gearbeitet. Aber du behandelst sie genauso wie uns. Dabei haben wir den ganzen Tag in der Hitze geschuftet. Wir wollen einen gerechten Lohn für unsere Mühe. Besitzer Mein Lieber, ich tue dir kein Unrecht. Hatten wir uns nicht auf ein Silberstück geeinigt? Das hast du bekommen, nimm es und geh. Ich will einmal dem Letzten hier genauso viel geben wie dir. Ist es nicht meine Sache, was ich mit meinem Geld mache. Oder bist du neidisch, weil ich so großzügig bin? Anmerkungen zum Predigtvorschlag 1

Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg (Mt. 20,1-15) Die Weinbergparabel im Matthäusevangelium gehört zu den bekanntesten und zugleich umstrittensten Parabeln der Verkündigung Jesu. Schon literarisch ist das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg ein Zeugnis hoher Erzählkunst, gespickt mit raffinierten Erzählelementen und überraschenden Wendungen. Kunstvoll aufgebaut schildert es drei überraschende Ereignisse: Erstens, das Anwerben der Arbeiter in einem pedantisch gleichbleibenden Zeitmaß – dies macht die Differenz der geleisteten Arbeit augenfällig. Überraschend ist hierbei vor allem das letzte Anwerben eine Stunde vor Arbeitsschluss. Ein solches Verhalten ist wirtschaftlich betrachtet in höchstem Maße unrentabel: Ehe die Arbeiter richtig eingearbeitet sind, ist die wenige verbleibende Arbeitszeit ohnehin vorüber. Aber gerade um diese letzte Gruppe scheint es im Gleichnis zu gehen. Nur mit ihnen führt der Weinbergbesitzer ein ausführliches Gespräch. Während die erste Gruppe einen damals üblichen mündlichen Arbeitsvertrag schließt, d.h. mit dem Besitzer wegen des Lohnes handelseinig wird, werden die späteren Arbeitnehmer nur einseitig darauf hingewiesen, der Arbeitgeber werde sie nach Gutdünken entlohnen. Dagegen ist bei den letzten von einem Lohn trotz des vorausgegangenen ausführlichen Gespräches erst gar nicht mehr die Rede.

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Dieses Erzählelement steigert die Überraschung des zweiten Ereignisses (Lohnauszahlung). Auch hier handelt der Weinbergbesitzer im Grunde höchst uneffektiv. Hätte er den Arbeitnehmern der ersten Stunde zuerst den vereinbarten Denar ausgezahlt, wären diese zufrieden und die anderen, glücklich über die Großzügigkeit des Besitzers, nach Hause gegangen. Dagegen scheint es jenem Weinbergbesitzer in der Geschichte eigens darauf anzukommen, dass seine Großzügigkeit allen, gerade auch den ersten bekannt wird. Damit provoziert er drittens die Empörung der scheinbar Benachteiligten und die ausführliche Entgegnung des Weinbergbesitzers. Bei allen mehrgipfligen Gleichnissen liegt der Akzent auf dem letzten Gipfel, hier auf der Frage: Bist du neidisch, weil ich so gütig bin? Dreigeteilt ist auch das Beziehungsgeflecht. Es besteht aus den Arbeitern, die früh die Arbeit beginnen, denjenigen, die später dazu kommen und schließlich dem Gutsherrn. Der Erzählverlauf ist so angelegt, dass sich die Zuhörenden Schritt für Schritt mit den Arbeitern, die den ganzen Tag im Weinberg gearbeitet hatten, identifizieren und ihre Empörung nachempfinden können. Offensichtich ist die Geschichte zu Menschen gesagt, die den „Murrenden“ gleichen, indem sie die Frohbotschaft Jesu kritisieren. Ihnen will Jesus zeigen, wie unberechtigt, unbarmherzig und lieblos ihre Kritik ist. Auch wenn der Fokus des Gleichnisses damit auf den letzten liegt, denen Großzügigkeit widerfährt, können wir die Geschichte am Erntebittgottesdienst nicht hören, ohne an die Situation der Landwirte zu denken, die eben nicht bekommen, „was Recht ist“ und vom Ertrag ihrer Arbeit nicht leben können. Ihnen geschieht – ganz im Gegensatz zu den Arbeitern der ersten Stunde, die mit einem Silbergroschen einen durchaus angemessenen, bzw. reichlichen Lohn zugesagt bekommen (ein Denar reicht für 13 Liter Weizen – also mehr, als eine Familie an einem Tag verzehren kann) – durchaus erhebliches Unrecht, das im Erntebittgottesdienst zur Sprache kommen soll.

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Zur Situation der Tagelöhner Morgens, wenn der Tag dämmert, stehen die Arbeitslosen heute, wie zur Zeit Jesu, in den orientalischen Ländern auf dem Marktplatz und warten darauf, Arbeit für den Tag zu finden. Die Landbesitzer und Leiter der Handwerksbetriebe holen sich ihre Arbeiter für den Tagesbedarf. Tagelöhner waren in der Antike die billigsten und rechtlosesten Arbeitskräfte. Sie standen noch unter den Sklaven, die der Besitzer nicht hungern lassen konnte, wenn ihr Wiederverkaufswert nicht sinken sollte. Tagelöhner waren sozusagen Sklaven auf eigenes Risiko. Ihr Hunger und ihre Krankheiten konnten den Herren gleichgültig sein, interessierte sie doch nur, dass die gedungenen Arbeiter für diesen einen Tag ihre Arbeit verrichten konnten. Um Willkür vorzubeugen, regelt die Thora, dass die Auszahlung am gleichen Abend erfolgen muss (3.Mose 19,13; 5. Mose 24,15), was offensichtlich nicht immer eingehalten wurde. Zur Frage der (Un-) Gerechtigkeit Was ungerecht ist, lässt man am besten unsere Kinder feststellen: Jede Achtjährige wird kräftig protestieren, wenn sie für die fünfstündige Mithilfe im Garten denselben Lohn erhalten soll, wie der Bruder, der der Mutter nur eine Stunde vor dem Abendessen hilft. Der Gleichheitsgrundsatz (justitia distributiva) ist eines der wichtigsten Grundrechte und findet sich an prominenter Stelle gleich am Anfang unserer Verfassung. Er verlangt, dass Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt wird. Auch im Arbeitsrecht gilt das Gleichheitsgebot. Der Grundsatz, dass dieselbe Arbeit denselben Lohn bedingt, gehört zu den wichtigsten Errungenschaften des Tarifrechtes – ebenso die besondere Ausformung, dass bei gleicher Arbeit Männer und Frauen den gleichen Lohn erhalten müssen. Gerechtigkeit und Barmherzigkeit bzw. Güte sind hier sich ausschließende Verhaltensweisen. Was allerdings vor Gericht und im Tarifrecht unverzichtbar ist, ist in vielen anderen Bereichen des Lebens nicht unbedingt als Maßstab für Gerechtigkeit zu sehen. Jede Mutter wird das sofort nachvollziehen können: Nicht für jedes Kind ist dieselbe Art und Intensität von Zuwendung oder Unterstützung lebensfördernd. Je nach Gaben und Veranlagungen braucht ein Kind mehr

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Unterstützung und Anleitung, während man ein anderes mit demselben Maß einengen oder in seiner Entwicklung behindern würde. Der Grundsatz: „Jedem das Gleiche“ würde hier für maximale Ungerechtigkeit sorgen. Gerecht ist in dieser Hinsicht vielmehr, wenn jedes Kind das an Zuwendung und Unterstützung bekommt, was ihm zum Leben und zu einer optimalen Entwicklung dient. In der Bibel findet man fast ausschließlich eine Vorstellung von Gerechtigkeit, die sich an der Beziehung orientiert. Gerecht ist, was der Beziehung, was dem Leben, dem gemeinsamen Leben dient. Gerechtigkeit und Güte bzw. Barmherzigkeit schließen sich bei jenem Verständnis in den meisten Fällen gerade nicht aus. In diesem Sinne handelt der Weinbergbesitzer eben nicht nur gütig, sondern wirklich gerecht, indem er jedem das gibt, was für diesen Tag nötig ist. Zu solcher Gerechtigkeit ruft das Gleichnis auf. Als Menschen, die Erntebittgottesdienst feiern, die staunen über die Großzügigkeit Gottes, der Gedeihen schenkt und Wachstum, können wir uns den Beziehungen, die damit gesetzt sind, nicht entziehen. Erzeuger und Verbraucher bilden eine Gemeinschaft. Wir leben in einer Welt und sind voneinander abhängig. Eine rechte und gerechte Lebensweise orientiert sich an dieser Beziehung. Jeder soll empfangen, was er zum Leben braucht. Das heißt aber auch, jeder soll für die erzeugten Produkte bezahlen, was Recht ist. Und dieses Recht richtet sich nicht nach Marktwerten oder Aktienkursen, nicht nach den Bedürfnissen des Marktes, sondern der Menschen. Einzelbeobachtungen Mt 20 beginnt mit einem Vergleich mit der Königsherrschaft Gottes. Um diese Gottesherrschaft und ihre Wirklichkeit dreht sich Jesu Verkündigung. Wie ist das Reich Gottes und wo ist es schon ansatzweise in der Welt angekommen und zu entdecken. Der Vergleich in V1 deutet das „gleich“ (οµοιοσ (V1) – ισουσ (V13)) am Ende des Gleichnisses. Die Bilder, die das Gleichnis verwendet, öffnen einen weiten Horizont. Die Bildmomente Wein, Weinberg, Weinbergbesitzer weisen in den biblischen Schriften wiederholt auf Gottes Herrschaft (Jes5, Mk12, Joh15 u.ö.) und reden zugleich von der Fülle (auch vom erfüllten Leben), die mit dem Reich Gottes verbunden ist.

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Dem gegenüber steht der Marktplatz als Ort, an dem sich die Tagelöhner versammeln, um angeheuert zu werden. Auch dieses Bildmotiv ist offen. Sicher ist damit die ganze Breite des „Marktes“ verbunden: kaufen und verkaufen, handeln und taxiert, eingeschätzt werden, sich selbst und das eigene Tun feilbieten, ein Urteil erhalten über den Wert der eigenen Arbeit, Preispolitik und die Gesetze des Marktes u.v.m.) Wichtig ist m.E., dass jener Hausherr (im griechischen Text ist im ersten Teil des Gleichnisses von οικοδεσποτησ die Rede, im zweiten von Κυριοσ) hinausgeht auf den Markt. Sich also in die Lebenswelt der Tagelöhner hineinbegibt, nicht im Weinberg bleibt und dort in Abgeschiedenheit wartet. Während er im zweiten Teil des Gleichnisses seinen Verwalter handeln (den Lohn auszahlen) lässt, ist er im ersten Teil selbst aktiv, geht hinaus auf den Marktplatz, verhandelt mit den Arbeitern und bietet einen großzügigen, bzw. rechten Lohn an. Auch wenn das Gleichnis eine lineare Zuweisung: der Weinbergbesitzer ist Gott verbietet, zeichnet die Geschichte damit doch Linien des göttlichen Handelns in Jesus Christus nach. Im ersten Gesprächsgang hören wir keine direkte Rede, quasi von außen wird das Geschehen erzählt. Der Hörer soll Beobachter bleiben, noch ein wenig neutral sozusagen. Dies ändert sich im zweiten Gespräch um die dritte Stunde. Jetzt werden die Arbeiter direkt angesprochen. Zur direkten Rede gehört der gerechte Lohn. Die exakte Entlohnung bleibt im Gegensatz zum ersten Gesprächsgang offen. Es ist nur eine Angabe zum Charakter des Lohnes: Ich gebe gerecht. Damit spricht der Weinbergbesitzer nicht nur über den Lohn, sondern macht auch eine Aussage über sich selbst. Hinzu kommt ein Denkanstoß für die Hörenden: Ein gerechter Lohn, was wird das sein? Was ist denn gerecht? Diese Frage steht ab jetzt im Raum. Für die längste Tagesspanne (sechste und neunte Stunde) verwendet das Gleichnis nur einen einzigen kurzen Satz, erzählt sozusagen im Zeitraffer. Damit wird angezeigt: Nicht die Arbeiter, auch nicht die Arbeit steht im Vordergrund, sondern das Handeln des Weinbergbesitzers.

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In der elften Stunde ändert sich die Erzählstruktur. Es handelt sich um eine besondere Stunde. Jetzt steht die Zeitangabe am Anfang des Satzes. Außerdem verkürzt sie den regelmäßigen Drei-Stunden-Takt. Zusätzlich hebt sie das „aber“ gegenüber den anderen Stunden heraus. Hinzu kommt ein erster kurzer Dialog. Nur diese Arbeiter bekommen die Gelegenheit, die Not ihrer Situation in Worte zu fassen, sie auszusprechen und laut werden zu lassen. Es ist die Not von Menschen, die übersehen, nicht gebraucht werden, keine Grundlage zum Leben bekommen. Wenn wir Erntebittgottesdienst feiern, geben wir den Landwirten, die zwar durchaus die Last und Hitze des Tages tragen, aber dennoch nicht angemessen beachtet und entlohnt werden, eine Stimme und die Möglichkeit, ihre Situation publik machen zu können. Mit V8 wechselt die Szenerie des Gleichnisses. Jetzt findet das Geschehen nicht mehr auf dem Markt, sondern im Weinberg statt (vgl. die Hinweise zu den mit der Bildebene verbundenen Deutungshorizonten). Auch in der Art des Erzählens findet nun ein Wechsel statt. Jetzt liegt das ganze Gewicht auf den direkten Reden. Die Zeitstruktur spiel keine Rolle mehr. Das Gleichnis ist in der 12. Stunde angekommen. Jetzt wird offenbar, was mit der Ankündigung des Weinbergbesitzers „ich gebe gerecht“ gemeint ist. Klar ist, es geht jetzt nicht mehr um die Logik des Marktes, sondern um die Qualität des Reiches Gottes (Weinberg). Alle werden als Empfangende charakterisiert (gleich drei Mal erscheint λαµβανω). Empfangen ist die Haupttätigkeit der Arbeiter in diesem Teil der Geschichte. Während von ihrer Arbeit kaum gesprochen wird, legt das Gleichnis Wert auf dieses Empfangen. Jetzt erhalten auch die Arbeiter der ersten Stunde die Gelegenheit, ihren Unmut in Worte zu fassen. Und der Weinbergbesitzer antwortet auch auf ihr „Murren“ (vgl.Ex15-17). Mit zweimal drei Sätzen reagiert er auf die Einwände. Je zwei rhetorische Fragen leiten die Redegänge ein. Der erste endet mit einem Befehl, der andere mit einer offenen Frage an das Publikum. Siehst du scheel, weil ich so gütig bin? Mit dieser Frage werden die Hörer entlassen und damit mit der Aufforderung, nach Gottes Güte im eigenen Leben Ausschau zu halten und diese Güte umzusetzen in den konkreten Vollzügen dieser Welt.

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Leben aus Gottes Güte – „denn dein Nächster ist wie Du!“ Hier treffen sich Bild- und Sachebene. Jesus erzählt ja nicht nur von einer lebensfördernden Gesellschaft, er erzählt vom Himmelreich. (der Weinbergbesitzer wird nicht zuletzt aufgrund alttestamentlicher Tradition vgl. Jes. 5,1-7; Ps. 80,9-15 mit Gott selbst in Verbindung gebracht. So beschreibt das Gleichnis das Verhältnis Gottes zu seinem Volk.) So ist Gott, so gütig. Damit verwandelt Jesus unsere Sichtwiese. Er öffnet die Augen für das Geheimnis des Lebens und für das Geheimnis Gottes. Gott ist anders, als wir uns ihn vorstellen. Er handelt anders, als wir erwarten. In den Worten der murrenden Ersten wird deutlich, wie viele Menschen bis heute ihr Leben verstehen: Als Arbeit und Verzicht, als Last und Kampf in der Hitze des Tages. Sie sehen nicht dankbar auf das, was sie bekommen haben, sondern vergleichen sich mit anderen. In Deutschland herrscht noch immer ein hohes Maß an Neidkultur. Das Gleichnis gipfelt im letzten Satz: Mein Freund, Siehst du deshalb scheel, weil ich so gütig bin (Luther) Man könnte auch übersetzen: wird dein Blick deshalb finster, ist dein Auge deshalb böse, weil ich so gut bin. Vom finsteren Blick, vom bösen Auge war in der Bibel schon einmal die Rede: In der Geschichte von Kain und Abel wird davon berichtet, dass Kains Blick sich verfinsterte (Gen.4,5). Kain verglich sich neidisch mit seinem Bruder. Wo das Vergleichen anfängt, ist der finstere Blick nicht weit. Missgunst und Dunkelheit zieht ins Leben ein und aus Mitmenschen werden Konkurrenten. Aber gerade so soll es nicht sein. Darauf kommt es Jesus an. Es geht ihm um ein Vergleichen, das eben gerade kein Gefälle herstellt. De Ersten murren: Du hast sie uns gleich gemacht. So ist es, möchte Jesus sagen: Als Menschen seid ihr gleich. Gleich darin, dass ihr alle der Güte bedürftig seid. Gleich darin, dass ihr alle Empfangende seid (Jesus gebraucht nicht das Wort verdienen, sondern empfangen, als der Lohn ausgezahlt wird), gleich darin, dass ihr alle Gottes Ebenbilde seid. Es ist wahr: Gott hat die Menschen einander gleich gemacht, damit das Vergleichen aufhören kann. „Liebe deinen Nächsten, denn er ist wie du!“

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übersetzt Martin Buber das Liebesgebot. Dort wo ich die Gleichheit in der Bedürftigkeit der Menschen anerkenne, kann nur die Liebe und Güte im Handeln und Denken folgen. Denn Güte kennt keinen Neid. Wer sich mit anderen vergleicht, wird blind für den Reichtum des eigenen Lebens und unzufrieden mit sich selbst. Die Arbeiter der ersten Stunde waren ja froh, als sie angeworben wurden. So hatten sie die Gewissheit, für einen Tag genug zu haben und die Familie ernähren zu können. Durch die provozierende Art, in der Jesus erzählt, zwingt er die Hörerinnen, genauer hinzuschauen und die Güte Gottes zu entdecken, die im eigenen Leben liegt. Diejenigen, die Arbeit und Brot haben, sollten erkennen, dass Arbeit nicht nur Plage und Last, sondern auch Erfüllung bedeutet. Schon Thomas Mann formuliert: „Arbeit ist schwer, ist oft genug ein freudloses und mühseliges Stochern, aber nicht arbeiten – das ist die Hölle.“ Wer untätig auf dem Markt herumsteht, ist sicher nicht glücklich. Oft genug stellt sich das Gefühl ein, überflüssig zu sein, das Leben ist sinnlos. Von diesem Glück der Arbeit, gerade der Arbeit in und mit der Natur wissen viele Landwirte zu berichten. Man wird in der Predigt darauf zu achten haben, dass die Ungerechtigkeit im Umgang mit den Landwirten deutlich zur Sprache kommt, und dennoch nicht verschwiegen wird, was an Gutem, an Großzügigkeit Gottes auch in ihrem Tun liegt. Gerufen zu werden, berufen zu werden, geworben zu werden, das macht erst den Wert des Menschen aus. Deshalb liegt auf den Gesprächen des Weinbergbesitzers solch ein Gewicht. Endlich wird nicht nur über die ersten oder die letzten geredet, jetzt sind sie gefragt im doppelten Sinne des Wortes, angesehen, geachtet, ihre Würde ist wiederhergestellt. Wie sich der Weinbergbesitzer zum unmöglichen Zeitpunkt noch aufmacht, um Arbeiter zu finden, so auch Gott: Er tritt in unser Leben, wenn wir es am wenigsten erwarten, aber am meisten benötigen. Gott sucht das Verlorene und gibt Menschen, die keine Hoffnung und keine Perspektive haben, die Würde zurück. Damals bei Kain und Abel ist die Geschichte vom bösen Blick schlimm ausgegangen. Der Schatten der Missgunst hat sich nicht verzogen, sondern er hat sich zusammengeballt zum Brudermord.

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In der Geschichte, die Jesus erzählt ist das anders. Sie hat keinen Schluss, sie ist nach hinten offen. Wichtig ist: Jesus erzählt nicht nur vom Jenseits. Das Reich Gottes ist mitten unter euch, sagt er. Er erzählt Geschichten aus dem Alltag, weil sich daran erweist, wie wir mit Gottes Willen umgehen. Das Reich Gottes ist dort, wo Menschen sich auch heute an Gottes Gerechtigkeit ausrichten, wo Menschen erkennen, was ihnen geschenkt ist und alles daransetzen, dass auch der Mitmensch das bekommt, was er zu einem würdigen Leben braucht. Gottes Gerechtigkeit – auch wenn sie so ganz anders ist als unsere – passt eben doch gut in unsere Welt, weil sie die Welt verändert hin zu einer Welt, wie Gott sie will. Predigtvorschlag 1

Stellen Sie sich vor, liebe Gemeinde, die Tagelöhner kommen am Abend jenes denkwürdigen Tages nach Hause zu ihren Familien. Die warten schon: Die Frau und die Kinder, dass der Vater den Tagelohn heimbringt, den Silbergroschen denn den braucht man, um das Getreide zu kaufen, mit dem die Hausfrau das Mehl mahlen und das Brot backen kann, sonst gibt es nichts zu essen. Da ist nun also der erste Tagelöhner. Mit zornrotem Gesicht und laut schimpfend poltert er in die Stube. “Was ist denn jetzt wieder los?” fragen sie. „Hast du keine Arbeit bekommen, nichts mitgebracht?“ Und die Kleinen beginnen schon zu weinen bei dem Gedanken an einen weiteren Tag ohne Brot dafür mit umso größerem Hunger. Wütend wirft der Vater den Silbergroschen auf den Tisch und schreit: „So eine Gemeinheit!“ „Aber wieso?“, fragt die Frau verwundert, „da ist doch das Geld!“ Die Augen der Kinder beginnen zu glänzen, als das Geldstück auf dem Tisch herumkullert. Aber da brüllt der Vater schon wieder: „Den ganzen Tag haben wir uns geschunden. Schier umgekommen sind wir in der Hitze. Zwölf Stunden lang!“ „Na und?“, fragt die erstaunte Ehefrau: „Ist das nicht jeden Tag so?“

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„Was heißt da na und?, na und? Die anderen, die sind erst eine Stunde vor Feierabend aufgetaucht, als es schon längst nicht mehr so heiß war und als ohnehin das meiste schon geschafft war. Nur eine einzige Stunde haben sie gearbeitet. Von Rechts wegen hätten sie nur den 12. Teil eines Silbergroschens kriegen dürfen. Aber sie wurden vor uns ausgezahlt. Und was haben sie gekriegt: Einen ganzen Silbergroschen. Ha, habe ich gedacht, wenn der Weinbergbesitzer so großzügig ist, dann bekommen wir 12 Silbergroschen, wenn es mit rechten Dingen zugeht. Und was ist. Einen einzigen, lumpigen Silbergroschen hab ich erhalten, und dabei hab ich doch den ganzen Tag geackert und geschuftet.“ So oder ähnlich mag es zugegangen sein bei der Rückkehr des ersten Tagelöhners. Der Tag und die Stimmung am Familientisch waren dahin. Aber nun zu dem, der als Letzter zur Arbeit gekommen war. Strahlend kommt er nach Hause und zeigt seinen silbernen Groschen wie einen Schatz. „Was soll denn das?“, versucht ihn die Frau zu bremsen: „du tust ja gerade als hättest du eine Million im Lotto gewonnen. Ein Silbergroschen Tageslohn, das ist großzügig, aber normal. Der Tariflohn, nichts Besonderes!“ „Doch, doch!“, fällt der aufgeregte Vater seiner Frau ins Wort: „Stell dir vor, ich habe den ganzen Tag keine Arbeit gefunden. Auf dem Marktplatz sind wir herumgestanden und haben gewartet und gewartet, dass einer käme, der uns braucht. Aber nichts war’s. Ich hab mir schon ausgemalt, wie das ist, wenn ich ohne Geld nach Hause komme. Dein enttäuschtes Gesicht hab ich vor mir gesehen und die Tränen der Kinder. Aber dann kam da doch noch einer, ein vornehmer Herr. Er braucht noch ein paar Leute, damit vor Feierabend sein Weinberg fertig wird, hat er gesagt. Natürlich bin ich gleich mitgekommen. Als dann Feierabend war, hab ich gedacht: O je, was werde ich da kriegen, eine kleine Münze vielleicht. Einen Heller. Wenn überhaupt. Mehr ist nicht drin. Und dann werden wir aufgerufen. Ich als erster. so hat es der Chef angeordnet. Und wie ich gucke, was ich in der Hand habe, da ist es ein ganzer Silbergroschen. So viel als hätte ich den ganzen Tag gearbeitet!“

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Die Mutter staunt: „Das muss aber ein guter Mensch sein, der Weinbergbesitzer. Der hat gewusst, dass wir alle Hunger haben und den Silbergroschen zum Leben brauchen. Wie schön, dass es noch solche Chefs gibt!“ Und so wurde es ein glücklicher Abend. Ein Silbergroschen jeweils, und so unterschiedliche Reaktionen. Freude bei den Einen und bittere Enttäuschung bei den anderen. Wie ungeschickt vom Weinbergbesitzer, könnte man einwenden. Warum hat er auch die letzten zuerst ausbezahlt. Hätte er den Ersten Am Anfang ihren Silbergroschen gegeben, wären die nach Hause gegangen, müde von des Tages Arbeit, aber doch zufrieden und auch ein wenig glücklich, dass sie Arbeit und Lohn hatten für diesen Tag. Aber nein, der Weinbergbesitzer musste ja die Letzten zuerst ausbezahlen, und damit hat er den Aufstand der ersten riskiert. Denn wer kann sie nicht verstehen, die Wut und den Ärger jener ersten, die 12 Stunden lang bei sengender Hitze gearbeitet haben, und am Ende doch nicht mehr bekommen als die, die sich nur eine Stunde lang die Hände schmutzig gemacht haben. Wenn es so zugehen würde in den Arbeitsverhältnissen dieser Erde, bei Bosch oder Porsche oder Daimler, bei der Gemeindeverwaltung, im Handwerk oder in der Landwirtschaft, keiner würde mehr um 6 Uhr auf der Matte stehen und den Arbeitsvertrag einhalten, wenn man doch mit einer Stunde Arbeit dasselbe verdienen kann. Aber halt. Geht es nicht in Wirklichkeit genau so ungerecht zu in unserer Gesellschaft? Die Landwirte unter uns können in Lied davon singen. Sie bekommen eben nicht, was Recht ist. Sie schuften oft 16 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche ohne Urlaub und Wochenende und am Ende bekommen sie nichts für ihre Mühe. Sie leben von der Substanz. Die Erträge für Milch und Getreide decken die Kosten schon lange nicht mehr, und am Abend eines jeden Tages sind sie ärmer als am Morgen. Und es gilt ja nicht nur für die Landwirte. Lebensmittelspekulationen treiben die Getreidepreise für Menschen in den armen Ländern dieser Erde so in die Höhe, dass die sich den täglichen Reis oder das tägliche Brot schon lange nicht mehr leisten können. Und die Überschüsse unserer billigen Lebensmittel ruinieren hier und dort die Lebensgrundlagen der Landwirte.

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Die Gesetze des Marktes teilen Menschen ein in Gewinner und Verlierer. In solche, deren Arbeit geachtet und angesehen wird und in solche, die sich und ihre Leistung umsonst feilbieten, die abqualifiziert werden. Längst nicht alle bekommen, was Recht ist, was sie von Rechts wegen verdienen und erst recht nicht, was sie zum Leben brauchen. Allerdings: Jesus erzählt hier ja keine Erdengeschichte, er erzählt eine Himmelsgeschichte. Und im Himmel, da herrscht ein anderes Tarifsystem, da geht es nach anderen Voraussetzungen. Schlimm genug, so liegt es mir auf der Zunge, reicht es denn nicht, dass es hier auf der Erde so schreiende Ungerechtigkeit gibt, muss es im Himmel, muss es bei Gott nun auch noch so sein? Unrecht, Ungerechtigkeit? Wer die Geschichte genau betrachtet, der merkt, es geht gar nicht um Recht oder Unrecht, um Gerechtigkeit; es geht um die Güte. Auf den letzten Satz läuft alles hinaus: Mein Freund, Siehst du deshalb scheel, weil ich so gütig bin - so übersetzt Luther. Man könnte auch sagen, wird dein Blick deshalb finster, ist dein Auge - so wörtlich übersetzt deshalb böse, weil ich so gut bin. So sagt es der Weinbergbesitzer zu jenem ersten Arbeiter. Wir erinnern uns, der finstere Blick, das böse Auge, davon war in der Bibel schon einmal die Rede. Bei Kain und Abel fällt dasselbe Wort. Der finstere Blick ist der Blick des Vergleichens. Der Blick, mit dem ich auf das schaue, was ein anderer hat und ich nicht bekommen kann. Mein Freund, siehst du deshalb scheel, weil ich so gütig bin. Verfinstert sich dein Blick, wird dein Auge böse, weil ich so gut bin, das ist die Frage, die Gott an uns richtet - heute Morgen - an jeden von uns. Mein Freund, nennt er uns. Und damit stellt er die Vertrautheit wieder her, die uns der finstere Blick manchmal verstellt. Schließlich ist es der Weinbergbesitzer, der in der Geschichte immer wieder hinaus geht auf den Marktplatz. Vor meinen Augen öffnet sich ein weites Bild: In Jesus bleibt Gott nicht für sich, er geht hinaus – dorthin, wo ich bin. Dorthin, wo die Gesetze des Marktes gelten und

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mich klein machen und knechten. Dorthin, wo es darum geht, dass ich mich und meine Arbeit anbiete, dass qualifiziert und abqualifiziert wird. Eben dorthin kommt Gott. Eben dort sucht er uns, Sie und mich. Eben dort ruft er uns. Und er ruft uns in seinen Weinberg. An den Ort, an dem Lebendigkeit herrscht und Fülle, in ein Leben, in dem es wohl Arbeit gibt, auch harte Arbeit, aber eben Arbeit, die satt macht und zufrieden, glücklich und froh. Wenn wir die Ernte sehen, die auf unseren Feldern steht, dann bekommen wir eine Ahnung davon. Viel haben die Landwirte investiert an Mühe und Arbeit, an Einsatz, Ressourcen und Geld. Mehr noch aber wurde geschenkt: Dass etwas gewachsen ist, wir Menschen können das unsere dazu tun, bewirken können wir es nicht. Und die Freude, die die Arbeit in und mit der Natur auch manchmal macht, ist nicht auch das ein Geschenk, das von der Güte redet? Dass unsere Arbeit in anderen Bereichen Erfolg hat, wir können uns darum bemühen, das Gelingen schenkt Gott. Dass aus Kindern und Enkeln etwas wird, wir haben es nicht in der Hand trotz aller Liebe und Mühe, die wir in die Erziehung legen. Mehr als wir verdienen, schenkt Gott. Empfangende sind wir. Die ersten und die Letzten, darauf will Jesus unser Augenmerk richten. Mein Freund, sagt Gott zu Ihnen und zu mir: Mein Freund, ich kümmere mich nicht nur um andere, ich kümmere mich in gleicher Weise auch um dich. Die Ungerechtigkeit dieser Welt, deine Not, das was Dir Mühe und Sorge macht -sie bleibt mir nicht verborgen. Aber nun sieh doch: Ich komme zu dir. Mein Ohr ist offen für dich. Du darfst aussprechen, was dir auf der Seele liegt, darfst murren und meckern. Das halte ich mit dir aus. Und dann, wenn du genug geschimpft und geklagt hast, dann werde ich dir die Augen öffnen für meine Güte. Damit dein Blick hell wird und dir eben nicht das Leben verfinstert. Damals bei Kain und Abel ist die Geschichte vom bösen Blick schlimm ausgegangen. Der Schatten der Missgunst hat sich nicht verzogen, sondern er hat sich zusammengeballt zum Brudermord.

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In der Geschichte, die Jesus erzählt ist das anders. Sie hat keinen Schluss, sie ist nach hinten offen. Und wer weiß, vielleicht ändert sich ja die Stimmung bei jenem ersten Arbeiter zu Hause: Und nach einiger Zeit nimmt er vorsichtig den Groschen in die Hand und zeigt ihn seinen Kindern: „Seht ihn euch genau an!“, sagt er. Wir sind reich. Wir haben genug für diesen Tag zum Leben. Und das habe ich nicht verdient. Ich habe es nicht verdient, dass ich heute Morgen gleich ganz früh eingestellt wurde. Ich habe es nicht verdient, dass ich die Kraft hatte, zwölf Stunden hart zu arbeiten in der großen Hitze. Ich habe es nicht verdient, dass ich heute Abend zufrieden ins Bett falle mit dem Wissen, ich wurde gebraucht. All das habe ich nicht verdient!“ „Und die andern?“, fragt seine Frau vorsichtig, „diejenigen, die nur eine Stunde gearbeitet haben? Bist du auf die nicht mehr neidisch?“ „Die“, sagt der Mann, „die haben es auch nicht verdient. Sie haben es nicht verdient, dass sie den ganzen Tag auf dem Marktplatz stehen mussten mit dem Gefühl nicht gebraucht zu werden und mit der Angst, wovon werden wir morgen leben? O.K., vielleicht haben sie ihren Silbergroschen wirklich nicht verdient. Aber darum geht‘s gar nicht. Sie hatten es nicht besser als ich. Im Gegenteil. Arbeit gehört doch zum Leben dazu. Und Arbeit im Weinberg hat ihren eigenen Reiz. Ich habe es gut gehabt bei meiner Arbeit heute. Und am Ende hat der Besitzer mich Freund genannt, so als gehörte ich zu seiner Familie. Das ist doch großartig, und das habe ich nicht verdient!“ Wie gesagt, vielleicht ist sie so ausgegangen, jene Geschichte. Jesus jedenfalls, er ist davon überzeugt, dass es so ausgehen kann - bei Ihnen und bei mir. Dass aus unserem Schielen nach dem eigenen Glück ein offener Blick werden kann, der das Leben hell macht, weil ich um die Güte weiß, die mir geschenkt ist und weil ich das Wohl des anderen im Blick habe. Mit seiner offenen Geschichte lädt Jesus uns ein zum dankbaren Staunen: Das habe ich nicht verdient. Dass unsere Erde Nahrung gibt, dass genug Lebensmittel da sind in hervorragender Qualität, habe ich nicht verdient. Dass Menschen sich bereit finden, den Beruf des Landwirts zu erlernen und auszuüben und auf Urlaub und freie Tage zu verzichten, um sich um

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die Tiere und Pflanzen zu kümmern – es ist mehr, als ich erwarten kann. Dass ich genug Kraft habe für den heuteigen Tag und auch für die stressigen Tage der Ernte – all das habe ich nicht in mir selbst, ich darf es empfangen aus einer anderen Hand. Dass es Menschen gibt, die sich um mich sorgen und denen ich wichtig bin, habe ich nicht verdient. Und auch, dass Gott mich brauchen kann mit meiner Arbeit, dass er mit mir die Erde erhält und pflegt und mich ruft, um seine Güte anderen Menschen erfahrbar zu machen – auch das habe ich nicht verdient. Dass Gott mich sucht immer wieder, wenn ich untätig und unglücklich auf dem Marktplatz des Lebens stehe und nicht recht weiß, wozu ich auf der Welt bin - das ist doch das größte Gut, das in mein Leben fällt. Dass Gott mich so sehr achtet, dass er mich seinen Freund, Mitglied seiner Familie nennt, auch das habe ich nicht verdient. Aber es adelt mich. Und dieser Adel verpflichtet. Ich bin eben nicht nur Arbeiter. Ich gehöre auch zu denen, die Gott ruft, dafür zu sorgen, dass alle bekommen, was Recht ist. Dazu kann und soll ich beitragen. Dazu jedenfalls lädt Jesus mich ein: Ich muss den Blick eben nicht finster senken mit den Worten: Ach, da kann man eh nichts machen. Ich kann und soll die Augen auftun und schauen, wo ich gerechte Preise für Nahrungsmittel bezahlen kann. Ich kann und soll verantwortlich mit den Ressourcen dieser Erde umgehen. Ich kann und soll das Wort ergreifen für Landwirte, die mit so viel Einsatz und Verantwortung für Tiere und Pflanzen sorgen. All das und noch viel mehr kann und soll ich tun, damit alle bekommen, was Recht ist – auch durch mich. AMEN

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Wer mag, kann noch einen Text von Dorothee Sölle zitieren: „Nicht du sollst meine Probleme lösen, sondern ich deine, Gott der Arbeitslosen. Nicht du sollst die Hungrigen satt machen, sondern ich soll deine Kinder behüten vor dem Terror der Banken und Militärs. Nicht du sollst den Flüchtlingen Raum geben, sondern ich soll dich aufnehmen, schlechtversteckter Gott der Elenden. Du hast mich geträumt Gott, wie ich den aufrechten Gang übe und niederknien lerne, schöner als ich jetzt bin, glücklicher als ich mich traue, freier als bei uns erlaubt. Hör nicht auf mich zu träumen, Gott. Ich will nicht aufhören mich zu erinnern, dass ich dein Baum bin, gepflanzt an den Wasserbächen des Lebens.“

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Predigtvorschlag 2

Liebe Gemeinde! „Ich will euch geben, was recht ist“! So lautet das Motto des diesjährigen Erntebittgottesdienstes. Zugegeben, ein etwas provokantes Thema angesichts der Lohnsituation in der bäuerlichen Landwirtschaft. Ist es gerecht, wenn Landwirte heute immer mehr Leistung erbringen müssen, um einen entsprechenden Lohn zu erhalten? Wie fühlten sich wohl Milchbauern als sie für den Liter Milch nur noch gut 20 Cent erhielten? Wie fühlten sie sich, als Vollmilch im Supermarkt billiger zu haben war als manches Mineralwasser. Und was ist, wenn eine Ernte regelrecht verhagelt wird oder durch Frostschäden oder andere Katastrophen starke Einbußen oder gar Totalausfälle erfährt? Und wie oft spielt gerade auch das Klima verrückt, so dass der erhoffte, gewünschte, ja ersehnte Lohn ausbleibt? „Ich will euch geben, was recht ist“! Ein Bibelwort, das herausfordert über Recht und Gerechtigkeit nochmals neu und tiefer nachzudenken. Tauchen wir ein in diese Geschichte und lassen wir uns von Gottes Gerechtigkeit berühren, anstecken und erneuern. Denn darum geht es! Gleich zu Beginn dieses Gleichnisses heißt es: „Das Himmelreich gleicht einem Hausherrn ...“. Jesus beschreibt hier also nicht, wie es in dieser Welt zugehen soll. Es ist keine Beispielgeschichte für unser Wirtschafts- und Sozialsystem, auch nicht für unsere Lohn- und Gehaltsstrukturen. Auch wenn wir davon einiges für uns lernen könnten. Jesus sagt ganz klar: So geht es zu im Reich Gottes. Wir haben hier also kein Muster für einen Tarifvertrag vor uns und doch würde es auch einem Lehrbuch für Volkswirtschaft nicht schaden, wenn das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg als Motto vornean stünde. Denn, wenn wir das Gleichnis recht verstehen, dann geht es doch darum, dass jeder zu seinem Recht kommt. Dass auch die Letzten in der Leistungsgesellschaft so viel zählen wie die Ersten. Wie stünde es sonst um diejenigen, die nichts leisten oder nichts leisten

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können? Die alten, kranken und behinderten Menschen. Die Kinder, die noch nicht arbeiten, sondern spielen sollen? Es wäre doch nicht Gerechtigkeit, sondern ein Alptraum, wenn wir nur noch die anerkennen würden, die fit und leistungsstark sind. Für jede und jeden von uns kann morgen ja alles schon anders sein. Unsere Stärke kann in Schwäche umschlagen. Was dann? Wo nur Leistung zählt, wird das Leben sinnlos, wenn man nichts mehr leisten kann. Wir leben nicht nur von dem, was wir hervorbringen, sondern wir leben vielmehr von dem, was uns geschenkt wird. Und darin sind wir alle gleich. Das ist unsere Würde, unser Wert. Den haben wir uns nicht erworben, sondern der ist uns geschenkt. Geschenkt in Jesus Christus, der ihn für uns erworben hat. Um diesen Wert des Lebens geht es auch in dieser besonderen Geschichte. Darum ist diese Gleichniserzählung Jesu in der Bibel auch umrahmt von der Frage des Petrus an Jesus: „Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt, was wird uns dafür gegeben?“ (Matth 19,27ff) Und die Antwort Jesu darauf ist klar und eindeutig: Ich gebe euch das Leben. „Wer Häuser oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Kinder oder Äcker verlässt um meines Namens willen, der wird’s hundertfach empfangen und das ewige Leben ererben. Aber viele, die die Ersten sind, werden die Letzten und die Letzten werden die Ersten sein“ (Matth 19,29-30). Eine Antwort, die Jesus verbunden hat mit dem Hinweis auf sein Leiden, Sterben und Auferstehen, das sich dann an diese Gleichniserzählung anschließt! (Matth 20,17-19.28). Jesus sagt also in diesem Gleichnis als Antwort auf die Frage des Petrus ganz klar: (1) Arbeit gibt’s Der Weinberg ist groß. Der Arbeiter zu wenig. So geht der Gutsbesitzer schon früh morgens los, um Leute einzustellen. Er fragt nicht: „Wie alt bist du?“ Das Alter spielt dabei keine Rolle. Er kennt keine Pensionsgrenze und keine Volljährigkeit. Hier wird keiner aussortiert. Hier wird jeder engagiert. Bei diesem Herrn findet jeder Arbeit. So geht er dann noch einmal los um neun Uhr, um 12 Uhr, um 15 Uhr und um 17 Uhr. Jedesmal trifft er wieder Leute an. „Warum arbeitet ihr nicht?“ - „Uns wollte keiner haben.“

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So sucht er seine Leute auch heute. Er sucht sie in der Frühe des Lebens, wenn die Familie und der Beruf noch vor einem liegt. Er sucht sie in der Mitte des Lebens, wenn die Hitze ganz besonders groß ist und er tut es besonders am Abend des Lebens, wenn die Schatten immer länger werden. Bei ihm ist es nie zu früh und nie zu spät. Wenn einer sagt: Ich bin nicht gesucht. Ich bin nicht gewollt. Ich bin nicht gewünscht. Schon damals nicht bei meinen Eltern. Auch nicht in meiner Klasse, auch nicht im Geschäft. Nein, ich bin nicht gewollt. Wer so sagt, dem gilt heute Morgen ganz besonders der Gruß dieses Herrn, der sagt: Ich such dich! Ich will dich! Ich brauch dich! Geh hin in meinen Weinberg. Ich will dir geben, was recht ist! Arbeit gibt’s genug. Hier und überall. Und es gibt nichts Schöneres und Besseres, als diesem Herrn zu gehören und in seinem Weinberg arbeiten zu dürfen. Haben wir schon unseren Platz darin gefunden? Arbeit gibt’s genug! Der Herr selber lädt uns dazu ein. Aber auch das andere gibt’s: (2) Lohn gibt’s Lohnt gibt’s im Weinberg des Herrn. Sechs Uhr Abends. Ein Tisch wird aufgestellt. Hinter dem Tisch sitzt der Verwalter, auf dem Tisch liegt das Geld, vor dem Tisch sammeln sich die Arbeiter. Dann die kurze Anweisung: Kurzarbeiter zuerst. Die treten an den Tisch, strecken die Hand aus und kriegen – ein Silberstück. Einen vollen Tageslohn! Große Augen richten sich auf den großzügigen Herrn. Dann machen sich die Kurzarbeiter strahlend auf den Weg. Da rennt einer. Hinunter ins Dorf. Auf dem Heimweg geht er noch schnell zum Aldi, kauft für seine Familie ein. Dann nix wie heim. Dort angekommen legt er Brot und Butter und alles, was er eingekauft hat in Tüten auf einen Tisch. Als die Frau ihn erstaunt anschaut, erklärt er ihr: „Ich habe für eine Stunde Arbeit einen vollen Tageslohn bekommen. Das war ein nobler, ein großzügiger Herr, bei dem ich heute arbeiten durfte. Der lässt sich nicht lumpen.“ Nein, Gott lässt sich nicht lumpen. Der zahlt volles Gehalt. Selbst für den Kurzarbeiter. Ganz unabhängig von der tatsächlich erbrachten Leistung. Bei diesem Herrn erhält jeder vollen Lohn. Gottes Mindestlohn ist der volle Lohn. Er gibt genau das, was einer zum Leben braucht. Er gibt das Leben. Und kein bisschen weniger. Das Leben. Jetzt und in Ewigkeit. Schauen wir uns das Silberstück

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genauer an. Es hat zwei Seiten, wie jede Münze. Auf der einen Seite steht: „Vergebung der Schuld“. Das ist also eine bewältigte Vergangenheit. Was auch immer wir an Lasten und Schulden mit uns schleppen, Gott streicht es durch. Und die Kehrseite der Medaille ist beschriftet: „Ewiges Leben.“ Also eine strahlende Zukunft. Eine Zukunft bei Gott und mit Gott. Ab sofort. Und über den Tod hinaus. Bei Gott geht es nicht nach Tarifordnung, sondern nach der Gnadenordnung. Denn wer genau hinschaut, der sieht: Das ist ja nicht mein Lohn, sondern Jesu Lohn. Die Lohntüten wurden getauscht. Das, was er am Karfreitag in der Nacht für uns erworben hat, das hat er mir gegeben: Seinen vollen Lohn. Ich hab es nicht verdient und sie auch nicht. Dieser Lohn ist nicht unser Verdienst, sondern sein Geschenk. Sein Geschenk an dich und mich! Und wer zuletzt kommt, den bestraft nicht das Leben, sondern den belohnt das Leben. Hier ist Gnade und Barmherzigkeit für alle, die den Eindruck haben, hier im Leben zu kurz gekommen zu sein. Jesus gibt mehr Lohn als man erwarten kann! Gott sei Dank: Lohn gibt’s! Und noch ein Drittes gibt’s: (3) Ärger gibt’s. Drei Minuten nach sechs Uhr Abends. Die weiter hinten in der Schlange haben mitgekriegt, was vorne passiert ist. Ein ganzes Silberstück! Schnell rechnen sie hoch. Dann bekommen wir doch mindestens 10 Silberstücke. Oder 12. Wahnsinn. Voller Erwartung kommen sie nach vorne. Und jeder von ihnen bekommt – ein Silberstück. Sofort geht natürlich das Murren und Protestieren los. „Gewerkschaft! Sozialgericht! Bildzeitung. Das ist himmelschreiendes Unrecht, was hier geschieht. So eine Sauerei! Wir protestieren!“ Der Gutsbesitzer schaut den lautesten Schreihals an. „Mein lieber Freund. Bin ich ungerecht? Ich gebe dir doch genau das, was wir ausgemacht haben. Du kriegst den vollen Lohn. Und ansonsten: Wenn ich gütig bin, wenn ich großzügig bin – was ärgerst du dich drüber? Kann ich mit meinem Geld nicht machen, was ich will? Warum bist du so kleinkariert, dass du den andern nicht auch das Leben gönnst?“ Klar – in unseren Augen ist eine solche Bezahlung ungerecht. Überhaupt finden wir's ja ungerecht, wenn andere mehr kriegen als

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wir. Wenn einer schneller Karriere macht. Wenn jemand eine glücklichere Familie hat. Wenn jemand neben mir erfolgreicher ist. Der Neid steckt bekanntlich in uns allen. Und wir tun uns schwer damit, sehr schwer. Wir vergleichen, rechnen und berechnen. Das liegt uns im Blut. Aber Gott vergleicht und rechnet nicht. Er sieht jeden Einzelnen, sieht seine Bedürftigkeit. Und er gibt einem jeden das, was er braucht zum Leben. Jeder hat ein Recht auf Leben. Die Bäuerin in einem ostafrikanischen Dorf, genauso wie das Kind auf den Straßen in Aleppo. Der Fabrikarbeiter genauso wie der reiche Unternehmer. Gott sieht jeden und er macht keine Unterschiede. Weder zwischen arm und reich, noch zwischen alt und jung. Mit seinem Blick der Liebe, Güte und Barmherzigkeit schaut er uns alle an und fragt uns: „Blickt dein Auge neidisch, weil ich so gütig bin?“ Er stellt uns alle auf eine Stufe, die Großen wie die Kleinen, die Mächtigen wie die Ohnmächtigen, die Frauen wie die Männer, Junge wie Alte, Arme wie Reiche und sagt: „So werden die Letzten Erste und die Ersten Letzte sein“. Das, ihr Lieben, ist die Revolution der Güte Gottes. Die Revolution, die Jesus in diese Welt brachte. Verdienen lässt sich diese Güte Gottes nicht, weder durch einen zwölfstündigen noch durch einen einstündigen Arbeitstag. Darum: Ärger muss es nicht geben. Er will dir und mir vollen Lohn zahlen. Nicht weil wir es verdient haben, sondern weil wir es ihm wert sind. Jeder ist ein Christus wert. Das sagt er Dir und mir durch dieses Gleichnis zu. Er schenkt uns das Leben, ewiges Leben. Wo ist solch ein Herr zu finden, der was Jesus tat mir tut? Mich erkauft von Tod und Sünden durch sein heil’ges, teures Blut. Ja, unser Herr ist gut, barmherzig und großzügig zugleich. Er gibt allen, was recht ist: mehr Lohn als man erwarten kann hier in der Zeit und in alle Ewigkeit. Amen.

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Fürbitten

Fürbitte Großer Gott, Schöpfer von Himmel und Erde, Gib‘ uns immer wieder dir neu zu vertrauen. Du hältst die Welt in deiner Hand. In deiner Hand steht Wachstum und Gedeihen. Wir bitten dich, Herr unser Gott, für die Menschheit weltweit, bei denen es dieses Jahr wenig zu ernten gibt oder bei denen das Geld nicht reicht für genügend Lebensmittel. Schenke du Freude und Dankbarkeit bei allem Ernten und bewahre uns vor Hektik, Habgier oder Unfall. Segne nun die Ernte und alle, die an ihr arbeiten.

Fürbitte bei Erntebittgottesdienst zu Dürre am Horn von Afrika Wir beten für die Menschen am Horn von Afrika, die unter der Dürre leiden, besonders in Somalia, in Äthiopien und in Kenia. Du siehst die Verzweiflung und die Erschöpfung der Hungernden, die so sehr auf Regen hoffen. Die Lebensmittelpreise steigen, die Weideflächen werden knapp, der Grundwasserspiegel sinkt – so trifft der Klimawandel die Ärmsten der Armen mit immer neuer Wucht. Wir bitten dich: Segne die Arbeit der Katastrophenhilfe, die in dieser Dürre Menschenleben rettet.

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Lass die Zusammenschlüsse und Partnerschaften vor Ort kluge Wege finden, wie sie Hilfe verteilen und Hunger und Durst gemeinsam stillen. Sei mit Deinem Trost bei den Familien, die das Sterben ihrer Lieben in dieser Dürre ertragen müssen. Steh ihnen bei und stelle ihnen Menschen an die Seite, die Anteil nehmen an ihrem Leid. Wecke mehr Bereitschaft zur internationalen Hilfe, und mehr Weitsicht im Umgang mit den Wetterextremen, weil der Klimawandel uns alle angeht! Quelle: www.brot-fuer-die-welt.de/gemeinden/fuerbitte/2017-duerre-am-horn-von-afrika/ Aus der Sicht des Landwirts (L. Kümmerle)

Ein Beitrag von Lothar Kümmerle, Landwirt „Da macht man was mit!!“ Landwirt – ein Beruf mit Tradition! Landwirt – ein Beruf mit Zukunft? Über sinkende Lebensmittelpreise und das Einkaufsverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher wurde schon viel geschrieben. Wenig im Blick sind wir als Landwirte mit den menschlichen und betrieblichen Spannungen, in denen wir stehen. Viele Landwirte haben ihren Betrieb übernommen, der oft schon über mehrere Generationen im Besitz der Familie war. Oft stand im Mittelpunkt die Verantwortung für die Fortführung der Tradition und des Betriebs, weniger die eigene berufliche Perspektive. Pflichtbewusstsein und Verantwortungsbewusstsein stand an erster Stelle. Als Mensch und nicht nur in erster Linie als Landwirt stehen wir in velen Spannungsfeldern. o Wir müssen vergrößern, um überleben zu können. Dabei kommt

es zu Konkurrenzsituationen im Dorf, wenn jeder vergrößern muss, aber nur eine begrenzte Auswahl an Flächen zur Verfügung steht. Die Spannungen wachsen.

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o Bürokratie und Auflagen, die gemacht werden, steigen ins Uferlose.

o Durch die notwendige Vergrößerung der Betriebe und die wachsende Bürokratie kommt es zu einer steigenden Arbeitsbelastung in den Familien. Dabei steigt oft nicht das Einkommen, dafür aber die Belastung der Gesundheit und das Konfliktpotenzial in den Familien.

o Durch das Generieren von neuen Einkommensformen wie Hofläden, Hofcafés oder Pensionspferdehaltung, die das Überleben eines Betriebs sichern könnten, steigt die Belastung weiter.

o Gegenüber der Gesellschaft wächst der Rechtfertigungsdruck in alle Richtungen. Wenn aus dem Apfel der Wurm glotzt, isst niemand den Apfel. Wenn der Landwirt den Apfel spritzt, hacken alle auf dem Landwirt herum. Wenn der Landwirt für seine qualitativ hochwertigen Produkte einen angemessenen Preis verlangt, ist es allen zu teuer. Sind die Billigprodukte in der Qualität mangelhaft, gibt es oft nur einen kurzen Aufschrei, bis der nächste Lebensmittelskandal kommt.

Wie gehe ich als Mensch mit diesen Spannungen um? Was wird daraus werden, wenn die Weitergabe des Hofes an die nächste Generation vor der Tür steht? Hat die Arbeit in der Landwirtschaft noch eine Zukunft? Gottes Zusage „Ich will euch geben, was recht ist“ macht uns Hoffnung, dass es Wege gibt, auf denen wir weitergehen können. Ob das immer der Erhalt des Betriebes ist oder ob der Weg in die Aufgabe des Betriebes führt, ist auch davon abhängig, was Gott an Weisheit und an Möglichkeiten schenkt.

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Die Spekulation mit Nahrungsmitteln sinnvoll einschränken (E. Proissl)

Ein Beitrag von Eberhard Proissl Die Preise für wichtige Grundnahrungsmittel schwanken immer stärker und sind in den letzten Jahren mehrfach nach oben explodiert. Besonders dramatisch ist dies für die Verbraucher in den ärmeren Ländern. Während in Deutschland die Menschen im Schnitt zehn Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben, sind es in einigen Ländern des globalen Südens bis zu 75 Prozent. Aber auch für die Erzeuger ist diese Situation sehr unbefriedigend. Sie benötigen stabile Rahmenbedingungen und Planungssicherheit, um investieren zu können.

Eine wichtige Ursache für die schwankenden Preise ist die stark angewachsene Spekulation auf den Rohstoffbörsen. An sich sind Warenterminbörsen eine sinnvolle Einrichtung, da sie sowohl die Produzenten als auch die Händler gegen Preisschwankungen absichern und damit Planungssicherheit geben. Dieser Zweck wird jedoch seit etwa fünfzehn Jahren durch zunehmende Spekulationsgeschäfte von Finanzakteuren auf den Rohstoffmärkten beeinträchtigt. Daher ist es notwendig, diese Märkte zu regulieren und damit die Spekulationsmöglichkeiten einzuschränken.

Bereits im Jahr 2013 haben hierzu das Evangelische Bauernwerk und Brot für die Welt ein gemeinsames Positionspapier herausgegeben und sind mit einer Reihe von Forderungen an die Politik herangetreten. Darin fordern sie unter anderem,

• Spekulation mit Nahrungsmitteln außerhalb der Börsen zu verbieten;

• auf den Warenterminmärkten nur Händlerinnen und Händler zuzulassen, die im realen Agrarhandel tätig sind ;

• die Märkte für Agrarrohstoffe weitestgehend von anderen Finanzmarktsegmenten abzukoppeln, so dass Geschäftsbanken nicht mit den Einlagen ihrer Kund/innen auf den Warenterminmärkten spekulieren könnten;

• eine strenge Regulierung der Spekulanten auf den europäischen und internationalen Nahrungsmittelmärkten vorzunehmen.

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Im Jahr 2014 hat die Europäische Union auf politische Forderungen reagiert und die Finanzmarkt-Richtlinie neu gefasst. Damit sollten die rechtlichen Voraussetzungen für die Mitgliedsländer geschaffen werden, verbindliche Obergrenzen für Finanzinvestoren an Warenterminmärkten festzulegen. Auf diese Weise versprach man sich, die exzessive Spekulation mit Agrarrohstoffen zu verringern.

Am 01.12.2016 hat die EU-Kommission die Regulierungsstandards verabschiedet, mit denen die Finanzmarkt-Richtlinie umgesetzt werden soll. Unter dem Druck der Finanzmarkt-Lobby wird dabei das ursprüngliche Ziel einer wirksamen Regulierung ziemlich verwässert. Zwar können nationale Aufsichtsbehörden ab dem 01.01.2018 „Positionslimits“ und damit Obergrenzen festlegen, welchen Anteil an einem gehandelten Rohstoff ein Händler oder eine Gruppe von Händlern erwerben darf. Aber unter bestimmten Voraussetzungen darf der Anteil bis zu 35 Prozent ausmachen. Ein einzelner Spekulant könnte also bis zu 35 Prozent des auf dem freien Markt lieferbaren Weizens oder eines anderen Nahrungsmittels halten. Wenige Händler könnten damit den Finanzmarkt eines Rohstoffes kontrollieren und erheblichen Einfluss auf die Preisentwicklung nehmen. Eine ausreichende Einschränkung der Spekulation würde m.E. erfordern, die zulässigen Obergrenzen für Nahrungsmittel auf 10 bis 15 Prozent zu begrenzen, wie dies zahlreiche Nichtregierungsorganisationen fordern.

Am 15.02.2017 hat sich das EU-Parlament mit dem Thema befasst. Es fand sich dabei keine absolute Mehrheit der Abgeordneten zu einem Beschlussantrag, der die EU-Kommission gezwungen hätte, die Regeln zur Eindämmung der Nahrungsmittelspekulation zu überarbeiten. Es bleibt nun zu hoffen, dass die nationalen Aufsichtsbehörden bei der Festlegung von Obergrenzen ihren Ermessensspielraum verantwortungsvoll nutzen, um den Einfluss von Spekulanten auf die Nahrungsmittelpreise zu beschränken.

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…wirf es hinaus! (P. Dieterich)

Ein Beitrag von Paul Dieterich, Prälat i.R. „ich will euch geben, was recht ist“ (Matthäus 20,5) diese Bemerkung des Mannes, unter denen, die auf dem Markt herumstehen, Arbeiter für seine Ernte sucht, wurde mir als Wort für eine Besinnung gegeben. Die Leute, die sich zu ganz verschiedenen Tageszeiten zur Arbeit in der Ernte anwerben lassen, trauen offenbar dem, der sie brauchen kann, zu, dass er es mit ihrem Lohn recht machen wird. Einige sind allerdings abends bei der Auszahlung des Lohnes sehr unzufrieden: wir haben den ganzen Tag in der Hitze geschuftet und bekommen nun den gleichen Lohn wie diese faulen Typen, die kurz vor Torschluss ankamen und kaum einen Bruchteil von dem geschafft haben wie wir? Das schlägt doch jeder Gerechtigkeit ins Gesicht! Wenn ich nun mit diesem Wort „Ich will euch geben, was recht ist“ denen ein schlechtes Gewissen machen würde, die für einen angemessenen Lohn für die ländliche Arbeit kämpfen, dann wäre das ziemlich fatal. Denn auch die Arbeit des Bauern soll so sein, dass sie sich lohnt. „Der Arbeiter ist seins Lohnes wert“ (Lukas 10,7), auch der Landwirt. Es ist gedankenlos oder gar geheuchelt, wenn den selben, die gegen Massentierhaltung protestieren, egal ist, was das ländliche Produkt kostet. Und wenn ein Volk zusieht, wie die Zahl der Bauern immer geringer wird, dann tut es sich einen schlechten Dienst. Denn Bauern verkörpern ein elementares Wissen um Saat und Ernte, Wachsen und Reifen, gegen allen Machbarkeitswahn, der ein Volk dumm macht. Es hat gute Gründe, wenn Bauernvertretungen ebenso um angemessenen Lohn für Bauern kämpfen wie andere Berufsgruppen auch. Aber dieses Wort „Ich will euch geben, was recht ist“ kann uns helfen, dann doch mit dem, was letztlich bei all dem Arbeiten und Ringen herauskommt, zufrieden zu sein. Nicht umsonst hat Kierkegaard einmal gesagt: „Alle Not kommt vom Vergleichen“. Das gilt in allen Berufen, gewiss auch im Pfarrberuf. Wer auf dem Dorf

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aufgewachsen ist, wo jeder jeden kennt und jeder weiß, was der andere hat, der weiß, was Neid anrichten kann. Paul Gerhardt lehrt uns schon morgens singen: „Lass mich mit Freude / ohn alles Neiden / sehen den Segen, / den du wirst legen / in meines Bruders und Nähesten Haus. Geiziges Brennen, unchristliches Rennen / nach Gut mit Sünde, / das tilge geschwinde / von meinem Herzen und wirf es hinaus“ (EG 449, Vers 6) Wir sind in allen Berufen auch viel besser in der Zusammenarbeit, wenn „geiziges Brennen, unchristliches Rennen“ uns nicht bestimmen. Und gute Zusammenarbeit haben wir, nicht zuletzt auf dem Land, alle nötig. Wir sind auch für unsere Allernächsten, für Frau und Kinder, viel verträglicher, wenn der Neid uns nicht bestimmt und wenn wir das, was wir erwirtschaften, als Gottes gute Gabe an uns verstehen. „Geben, was (ge)-recht ist“. Faire Preise zur finanziellen Vergütung bäuerlicher Arbeit? (C. Dirscherl)

Ein Beitrag von Dr. Clemens Dirscherl, Evang. Bauernwerk Die Frage nach einer landwirtschaftlichen Entlohnung ist typisch für eine moderne agrarwirtschaftliche Einbindung in ein marktwirtschaftliches System. Über Jahrhunderte war der Agrarsektor von der bäuerlichen Familienwirtschaft geprägt. Die Organisation richtete sich nach dem familiären System subsistenzwirtschaftlicher Versorgung und dem Umfang des familieneigenen Arbeitseinsatzes. Die Entlohnung von Produktivkräften, wie der Arbeitskraft, gar Verzinsung des eingesetzten Kapitals stellte sich überhaupt nicht. In der bäuerlichen Familie lebte eine bestimmte Anzahl von Personen; deren existenziellen Grundbedürfnisse mussten gesichert werden: Ernährung, Wohnen, Kleidung, der alltägliche Bedarf an Gebrauchsgegenständen – also die Ansprüche als Konsument nach einem entsprechend kulturhistorisch gegebenem Lebensstandard. Dafür brachten sich alle Familienmitglieder auch in die Produktion ein: Erwachsene wie Kinder, Alte wie Gebrechliche oder Behinderte, jeder nach seinem Leistungsvermögen.

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Über die aktuelle Grundsicherung hinaus wurde auch ein vorratswirtschaftliches System der Risikoabsicherung gepflegt: für jahreszeitlich oder klimatisch bedingte Versorgungsengpässe wurden Nahrungsüberschüsse in unterschiedlicher Be- und Verarbeitungsreife konserviert und gelagert. War eine Grundsicherung bis zu einem bestimmten Niveau gegeben, wurden weitere Initiativen für mehr Produktion, gar Marktüberschüsse, nur in begrenztem Umfang wahrgenommen. Von daher beschreibt die Bezeichnung Agrikultur (englisch/französisch: agriculture, italienisch/spanisch: agricole) von der Bezeichnung her sehr gut dieses ganzheitliche System bäuerlicher Arbeit und Lebenssicherung – nämlich vom lateinischen „colere“ abstammend: pflegen, hegen, fürsorgen. Solch ein, auch heute noch in traditionellen Agrargesellschaften anzutreffendes System der „Familienwirtschaft“ (Alexander Tschajanow) wird auch als „bäuerliche Hauswirtschaft“, „selbstgenügsame Eigenwirtschaft“ oder „häusliche Produktionsweise“ bezeichnet. Residuale Wertemuster finden sich hierfür bis heute auch in unserer modernen Landwirtschaft: das Mitleben von Behinderten auf dem Hof, die Versorgung der Altenteiler im Rahmen der Hofübergabeordnung, die Einbindung der Kinder bei Arbeitsspitzen, eigenbedarfswirtschaftliche Versorgungsleistungen, z. B. beim Brenn- oder Bauholz aus dem eigenen Wald, dem Haus- oder Obstgarten, dem Einmachen bzw. Einkochen von Früchten und Gemüse, der hofeigenen Milch, Brennerei oder Mosterei. Die Frage nach einer fairen, gerechten Bewertung geleisteter Arbeit stellt sich da gar nicht. Ähnlich auch wie bis heute im System der Familien- und Hausarbeit mit unterschiedlichen Versorgungsleistungen: Haushalt, Kochen, Kindererziehung, Alten- und Krankenpflege, usw. . Monetäre Entlohnung ist typisch für ein arbeitsteiliges Marktsystem, bei dem die Einheit von Produzent und Konsument aufgebrochen und durch Angebots- und Nachfrageseite ersetzt ist. Heute tritt der landwirtschaftliche Betrieb als einzelner Anbieter von Waren am Markt an; neben vielen anderen aus ganz Deutschland, ja Europa – sogar weltweit. Tierische Erzeugnisse (Milch, Eier, Fleisch) und

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pflanzliche Erzeugnisse (Getreide, Obst, Gemüse, Weintrauben) werden zumeist im Urzustand als „Rohstoff“ an ein sogenanntes nachgelagertes Erfassungsunternehmen angeboten zur Be- und Weiterverarbeitung – im Fachchargon auch „Veredelung“ genannt. Dabei wird der Landwirt nicht für seinen Arbeitseinsatz bezahlt bzw. seine qualitative Arbeitsleistung entlohnt, wie bei erwerbstätigen Unternehmern, sondern für das Endprodukt nach der Menge und einer bestimmt definierten Qualitätseigenschaft, je nach Erzeugnis, also z.B. pro Kilo Milch, Schlachtgewicht, Trauben. Wie lange dafür gearbeitet wurde, wie gründlich, sorgfältig die Arbeit in den einzelnen Schritten verrichtet wurde, interessiert nicht. Letztlich zählt das „Stückergebnis“ des standardisierten Endprodukts als Resultat aus dem gesamten Arbeitsprozess, unabhängig vom standortbezogenen, betrieblichen, auch individuellen Arbeitseinsatz. Ob der eine Anbieter (Landwirt) für sein Arbeitserzeugnis pro Mengenertrag mehr Zeit, Arbeitsaufwand benötigt als sein Mitbewerber (Berufskollege) interessiert nicht: weder dessen Person, noch Alter oder berufliche Qualifikation des Produzenten, noch der besondere Standort des Betriebes (Grünlandgebiet, Steillage, Distanz zum Abnehmer) bzw. seine technische Ausstattung (Stallung, Arbeitsgerätschaften, maschineller Besatz). In einem überregionalen, ja globalen Markt zählt also der „komparative Kostenvorteil“, nach dem der einzelne Landwirt in der Lage ist, mit seinem Betrieb Waren zu produzieren und am Markt anzubieten. Das kann im Vergleich zu anderen Betrieben günstiger oder weniger günstiger ausfallen. So vermag der eine Landwirt den Liter Milch gerade noch für 22 Cent zu produzieren, der andere bräuchte 28 Cent, wieder ein anderer 32 Cent und der nächste noch mehr um einen Ausgleich seiner Produktionskosten zu erreichen. Grundsätzlich interessiert die Molkerei nur der Beschaffungswert pro Liter Rohmilch als Ausgangsstoff für die Weiter- und Bearbeitung. Dabei kann es durchaus, gerade auch in aktueller Zeit, qualitative Mehrwertkomponenten geben, wie Milch aus gentechnikfreier Fütterung, Heumilch, sogenannte Weidemilch, „Vollmilch“, aus ökologischer Erzeugung („Biomilch“, „Demetermilch“) oder Milch aus besonders klassifizierten Haltungsstandards („Tierwohl“). Dafür gibt es dann einen Zuschlag. Doch auch dann gilt der Grundsatz: Die betrieblichen Gestehungskosten des Rohstoffes sind nicht

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maßgeblich für die monetäre Bewertung und finanzielle Vergütung. Damit tritt der Mensch mit seiner persönlichen Eigenart, seinem individuellen Berufsethos und seiner Arbeitsmotivation, seiner familiären, lokalen bzw. regionalen Verbundenheit, seinem besonderen Verhältnis zu Tieren, Umwelt oder Landschaft in den Hintergrund gegenüber dem gelieferten Grundprodukt. Die Frage der Gerechtigkeit oder Fairness bezieht sich also auf eine materielle Leistungsbeziehung von Angebot und Abnahme, je nach einem entsprechenden nachfrageinduzierten qualitativen Erwartungshorizont. Zusätzlich kommen dann noch die allgemeinen Marktbedingungen hinzu: Wie viel Ware in gleicher oder ähnlicher Beschaffenheit sind mengenmäßig vorhanden. In einer zunehmend globaler gewordenen Wirtschaft werden dabei nicht nur regionale, nationale oder europäische Marktkonstellationen einbezogen, sondern sogar der sogenannte „Weltmarktpreis“ spielt als formaler Orientierungsrahmen eine Rolle: führt eine Dürre in Australien zur Futterknappheit bei Kühen mit entsprechend reduziertem Milchaufkommen, kann dies denn Milchpreis steigen lassen. Ebenso, wenn die Nachfrage steigt, z. B. durch Milchexporte nach Asien. Umgekehrt führt ein Überangebot an Milch zu tendenziell fallenden Preisen. Bei solchen Marktgleich- bzw. -ungleichgewichten spielt „Gerechtigkeit“ und „Fairness“ überhaupt keine Rolle. Wie der einzelne Bauer sich an steigenden Preisen erfreut oder an fallenden Preisen leidet, welche Auswirkungen damit für die „Wertschätzung“ von Milch als wertvolles Lebensmittel verbunden ist, welche betrieblichen Auswirkungen solche Preisveränderungen Vorort haben – all dies scheint ökonomisch irrelevant. Konkret kann also in Zeiten gut belieferter Märkte die Arbeitsleistung des einzelnen Landwirts geringer honoriert werden, obwohl er gleich viel, gleich engagiert, sorgfältig und gründlich seine Arbeit verrichtet, wie in Zeiten, wenn am Markt knappe Verhältnisse existieren. Es stellt sich also realpolitisch unter den gegebenen marktwirtschaftlichen Bedingungen die Frage, inwiefern eine Arbeitsleistung, die individuell unter spezifischen Bedingungen erbracht wurde, mit dem betrieblich wie immer definierten Maßstab

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von Gerechtigkeit erfasst werden kann. Ähnlich verhält es sich aber doch auch mit der Bewertung vieler anderer Arbeitsleistungen – z. B. des Pfarrberufes: Der eine Pfarrer engagiert sich ungemein innerhalb seiner Kirchengemeinde, bereitet gründlich die Predigten vor, recherchiert dafür und gestaltet mit besonderem liturgischen und rhetorischen Aufwand einen qualitativ höchst ansprechenden Gottesdienst, was durch eine hohe regelmäßige Besucherzahl anerkannt wird. Der Kollege ist aufgrund seines persönlichen Profils oder vielleicht auch seiner biografischen Prägung oder situativen Lebensumständen weniger dazu in der Lage und bietet einen „ordentlichen“ Durchschnittsgottesdienst an, dessen Besucherzahlen eher bescheiden ausfallen. Gleichwohl erhalten beide Pfarrer die gleiche Besoldung, trotz unterschiedlichem Arbeitseinsatz. Es zählt lediglich das Ergebnis: der Standard, einen wöchentlichen Gottesdienst anzubieten, unabhängig von den dahinter stehenden Bedingungskonstellationen. Glücklicherweise ist die Marktkomponente eines komparativen Kostenvorteils bis heute als Vergleichsmaßstab noch nicht in den Kirchengemeinden eingeführt: gleichwohl gibt es vielleicht sogar Überlegungen, wie aufgrund unterschiedlichen räumlich bedingten Gemeindestrukturen künftig solche Bewertungsmaßstäbe Verwendung finden könnten. Geben was (ge)recht ist: die finanzielle Vergütung landwirtschaftlicher Arbeit richtet sich demnach in einer Marktwirtschaft nach Faktoren, welche außerhalb der persönlichen Gerechtigkeitsebene und der individuellen Bewertung menschlicher Leistung liegt. Um solche Kategorien sozialethischer, tierethischer oder umweltethischer Art zu berücksichtigen, tritt die Agrarpolitik auf den Plan mittels entsprechender Förderprogramme, bezogen auf Fläche, ökologische Leistung, soziale Grundkomponenten wie Betriebsgröße oder auch Standort, um den rein ökonomisch fixierten Produktpreis zu ergänzen und andere, gesellschaftlich gewünschte Bewertungsmaßstäbe zugrunde zu legen. Über deren Zukunft wird innerhalb der agrarpolitischen Debatte um die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik in Europa nach 2020 gegenwärtig heftig debattiert. Und im Hinblick auf die bäuerlichen Familien mit ihrer ungleichgewichtigen bzw. vielleicht auch als „ungerecht“ zu bezeichnende Position gegenüber der abnehmenden Hand (z. B. Molkerei) werden ebenfalls Überlegungen angestellt, wie auf der

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Erzeugerseite solche strukturell ungleichen, „ungerechten“ Kräfteverhältnisse am Markt neu zu gestalten sind, z. B. um über zusammengefasste Lieferanteneinheiten zu einer Balance fairerer Handelsbeziehungen zu kommen. Darüber wird gerade innerhalb des Milchsektors ebenfalls heftig debattiert. Was also innerhalb eines Bibeltextes und alltäglichen Sprachgebrauchs bzw. intuitiven Verständnisses relativ einfach als „gerecht“ und „ungerecht“ zu benennen sein mag, nämlich faire bzw. gerechte Bewertungsmaßstäbe im unmittelbaren Umgang miteinander, ist für das Marktsystem mit seinen wirtschaftlichen Leistungsbeziehungen in wettbewerbswirtschaftlichem Kontext wesentlich schwieriger: da handelt es sich weniger um individuelle Gerechtigkeitsbeziehungen als strukturelle, die in ihrer Komplexität eine Umsetzung biblischer Texte schwerer machen als die rein persönlichen Beziehungen von Fairness.

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