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Von Rotraud Wieland BIRKENWERDER | Es war eines dieser klassischen Salonkon- zerte, bei der die Villa Weigert in anheimelndes Kerzenlicht getaucht und jeder Stuhl be- setzt war. „Mit 25 Überbu- chungen“, wie Hausherr Joa- chim Weigert stolz verkün- dete und damit die Bedeu- tung der Villa Weigert im Kul- turgeschehen des Ortes ah- nen ließ. Es war eines der Konzerte, bei denen der Hausherr den Zuhörern einmal mehr ein am Musikhorizont entdeck- tes Talent vorstellte. Bereits Ende vorigen Jahres war die junge Polin Katar- zyna Wasiak, die nach ihrem künstle- rischen Diplom an der HdK gerade ihr Masterstudium an der Musikhoch- schule „Hanns Eis- ler“ beendet, in der Villa Weigert aufge- treten. Mit Können und Ausstrahlung hatte sie so großen Zuspruch geerntet, dass Joachim Wei- gert sie sofort noch einmal buchte. Diesmal mit einem als „Romantischer Klavier- abend“ bezeichneten Pro- gramm. Das beinhaltete weit mehr als nur eine Stilepoche, es schlug einen Bogen über die Jahrhunderte, von Johann Se- bastian Bach bis zur Mo- derne. Dabei ermöglichte die Intimität eines Salonkonzer- tes, die Pianistin genau zu be- obachten. Sehr jung ist sie und von graziler Figur, vor allem im Ge- gensatz zu dem großen Flü- gel. Dem nähert sie sich fast ehrfurchtsvoll, klappt die No- tenstütze zurück, denn sie spielt auswendig, verrückt den Klavierhocker noch ein wenig, berührt fast zärtlich die Tasten, dann schlägt sie sie an: zum ersten Stück des Abends, dem „Italienischen Konzert“ von Johann Sebas- tian Bach. Ein Werk, das der Meister 1734 als „Clavier- übung Teil II“ veröffentlichte und dem die von italieni- schen Komponisten inspi- rierte Idee zugrunde liegt, es handle sich um den Klavier- auszug eines Orchesterwer- kes. Nach dieser „Klavier- übung“ waren die Finger von Katarzyna Wasiak so ge- schmeidig, dass sie die kom- positorischen Hürden von Beethovens Waldstein-So- nate souverän bewältigten. Dieses dem Freund und För- derer Graf Waldstein gewid- mete Werk entfacht mit schnellen Läufen die Beetho- vensche Dramatik genauso, wie es sanft fließende Tempi zum Klingen bringt, vor allem durch das schöne anschmieg- same Leitmotiv des zweiten Satzes. Erwies die Pianis- tin mit diesen Stü- cken ihre techni- sche Perfektion, so gab sie bei der So- nate b-Moll ihres Landsmannes Fré- déric Chopin Kör- perlichkeit und Ge- fühl ins Spiel. Vor al- lem bei dem dritten Satz, dem Marche funèbre: Lento, dem bekannten Trauer- marsch. Diese Sonate, die Chopin rund um den Trauer- marsch komponiert hat, ge- hört zu den bekanntesten Werken des polnischen Mu- sikkünstlers. Claude Debus- sys Suite „Pour le piano“ und Karol Szymanowskis Ma- zurka – das eine mit virtuoser Fingerfertigkeit für die franzö- sische Grazie, das andere vol- ler Expressivität – rundeten das Konzert ab. Auf Wunsch des Hausherrn interpretierte die bereits mit vielen internationalen Prei- sen ausgezeichnete Künstle- rin noch Improvisationen über zwei jüdische Themen des ukrainischen Komponis- ten Josef Elgieser. Es war die einzige Komposition, die sie vom Blatt spielte. info Das nächste Konzert in der Villa Weigert am 3. März, um 19.30 Uhr, mit dem Jazzensemble Triologic plus One“. ZEHDENICK | Wenn Blues, Folk, Gospel, Country und Rock ver- schmelzen und das Ganze mit einem Schuss Voodoo ge- würzt wird, dann dürfen sich die Musikfreunde auf Spen- cer Bohren freuen. Der ameri- kanische Musiker und Sänger gibt am Sonntag in der Klos- terscheune Zehdenick ein Konzert. Auf seiner Tournee „American Rootsmusic“ packt Bohren, der in den USA an Schulen und Universitäten Vorlesungen über die Ge- schichte des Blues hält, seine alte Gibson-Akustikgitarre und eine Lap-Steel-Guitar aus den dreißiger Jahren aus. info Das Konzert am Sonntag beginnt um 16 Uhr. Das Tickettelefon ist unter (0 33 07) 31 07 77 geschaltet. Der Rathenower Geschäftswelt und dem Lehnitzer Erholungsheim sind zwei wesentliche Kapitel in dem neuen Sammelband gewidmet. Von Marlies Schnaibel HAVELLAND/OBERHAVEL | 1371 war's, da schenkte Markgraf Otto der Faule der Stadt Rathe- now zwei Juden. Das bedeu- tet: Die beiden Juden durften sich in Rathenow niederlas- sen und haben ihre Steuern nichtmehr an den Kurfürs- ten, sondern an die Stadt be- zahlt. Darin lag das Ge- schenk. Es ist eines der ganz frühen Zeugnisse jüdischen Lebens in Brandenburg. Die Ratheno- werin Bettina Götze hat sie aufgespürt für ihren Beitrag, den sie zu dem Sammelband „Jüdisches Brandenburg. Ge- schichte und Gegenwart“ bei- gesteuert hat. Der ist jetzt im Auftrag des Moses-Mendels- sohn-Zentrums für europä- isch-jüdische Studien erschie- nen, herausgegeben hat ihn Irene A. Diekmann im Verlag für Berlin-Brandenburg. Das umfangreiche und reich bebilderte Buch will Längs- und Querschnitte durch die Geschichte verbin- den und vom alltäglichen, oft unspektakulären Leben der Juden berichten. Längs- schnitte bieten die Kapitel zu einzelnen Orten wie Rathe- now, Potsdam, Neuruppin, Luckenwalde und Prenzlau; Querschnitte sind Beiträge zu jüdischen Studenten der Via- drina in Frankfurt/Oder, zu jü- dischen Tabakhändlern oder dem Perleberger Judenhof, zu Kurt Tucholsky in Rheinsberg und zu Theodor Fontanes Hal- tung zur Judenfrage. Hier findet sich auch der umfangreiche Beitrag des Ora- nienburger Historikers Bodo Becker, der über das jüdische Erholungsheim in Lehnitz schreibt, das eng mit dem Na- men Frieda Glücksmann ver- bunden ist. Die 1899 gegrün- dete Einrichtung verband Er- holungsheim, Kinderheim, Hauswirtschaftsschule und Tagungszentrum und konnte bis 1938 geführt werden. Oberhavel ist außerdem mit einem Beitrag von Peter Böthig vertreten, der über Lola Landau und Armin T. Wegner schreibt, die Schrift- steller haben ab 1920 in Neu- globsow gelebt und gearbei- tet. Wegner war ein gefeierter Schriftsteller, auf Vorschlag Thomas Manns erhielt er 1926 einen Ehrenpreis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung; doch Neuglobsow war keine Idylle, nach 1933 fand sich am Orts- eingang das Schild: „Juden kehren hier um! Sie sind in Neuglobsow-Dagow sehr un- erwünscht.“ Wegner stammte aus einer preußi- schen Offiziersfamilie, aber seine Frau war Jüdin. Aber zurück zu 1371. Bet- tina Götze hat die Aktenlage zusammengetragen, die ist über die Jahrhunderte dürf- tig. Auf die frühe Vertreibung folgte nach 1510 die Neuan- siedlung, da werden in Rathe- now die Juden Aron und Mo- schee erwähnt. Dann findet sich 1691 ein Dokument, in dem Isaak David für sich und seine Brüder um einen Schutzbrief bat. Die Faktenlage ist dünn, lässt aber auf ebenso dünne Besiedlung durch Juden schließen. 1777 lebten acht jü- dische Familien in Rathenow, um 1800 waren es 13. Als nach 1812 in Preußen ein Edikt erlassen wurde, um die rechtliche Stellung der Juden zu regeln, erhielten auch die Rathenower Juden Staatsbür- gerbriefe. Dafür mussten sie feststehende Familiennamen annehmen, eine Liste zeigt, wie aus Jacob Levin ein Jacob Lesser, aus Moses Levy ein Moses Löwe oder aus Salo- mon Seelig ein Salomon See- ligmann wurde. Das 19. Jahrhundert brachte schrittweise Anerken- nung. Jüdische Geschäfte etablieren sich, das Kaufhaus Conitzer, das Schuhhaus Kad- den oder das Herrenartikelge- schäft Kornblum hatten ei- nen guten Ruf. Nach 1933 wurden diese Geschäfte je- doch arisiert. Viele Juden flo- hen, andere wurden in Kon- zentrationslager und Ghettos verschickt; ein einziger, Johan- nes Danielsohn, kehrte aus Theresienstadt nach Rathe- now zurück. Egon Kornblum war 1939 von Genua nach Shanghai ge- fahren, damals dem letzten Ort auf der Welt, der Juden ohne Visum aufnahm. Er überlebte, ging in die USA, nach Israel und Westdeutsch- land. 1987 hatte er erstmals wieder Rathenow besucht, da- nach kam er regelmäßig, um über das Schicksal seiner Fa- milie zu berichten und die Er- innerung an das jüdische Le- ben in Rathenow wachzuhal- ten. Die Stadt trägt mit dem Friedhof, der ehemaligen Sy- nagoge und dem einstigen Hachschara-Landwerklager ihre eigenen Facetten zum jü- dischen Leben in Branden- burg bei. KONZERT Von Marlies Schnaibel PARETZ | In Paretz wird zur Schlittenfahrt eingeladen. Und das bei jedem Wetter. Nämlich in der Scheune. Dort ist ein 90 Jahre alter Schlitten aufgestellt, mit dem einst Prinz Heinrich durch die win- terliche Landschaft fuhr. Prinz Heinrich von Preu- ßen war Bruder des letzten deutschen Kaisers, er war von 1893 bis zu seinem Tode 1929 Besitzer von Paretz. Ihm ist das diesjährige Preußische Winterfest in Paretz gewid- met. Das wird alljährlich Ende Februar mit einem Mix aus Kultur und Geschichte ge- feiert und markiert den Be- ginn der Saison im und um das Schloss Paretz. Das Schloss geht damit in die zweite Saison nach dem Luise- jahr, das dem Ort 200 Jahre nach dem Tod der populären Preußenkönigin sensatio- nelle 70 000 Besucher be- schert hatte. Im Jahr drauf wa- ren es nur 15 000; gar nicht so schlecht, waren das doch 2 600 mehr als vor Luise. „Aber wir wollen schon ein paar mehr“, blickt Matthias Marr, Kastellan des Schlosses Paretz, voraus. Zahlen um 17 000 bis 18 000 hält er für realistisch. 2011 war von den Verant- wortlichen mit Spannung er- wartet worden: Bleiben die Besucher nach der spektaku- lären und international be- achteten Sonderausstellung zu den Kleidern der Königin Luise weg oder gibt es einen Nachsog? „Beides“, sagt Mat- thias Marr und erklärt die Ant- wort: Die Busreisen blieben nahezu aus, die Einzelbesu- cher kamen vermehrt. Ein Trend, den Tourismusfach- leute und Museumsstrategen registrieren, aber noch nicht ganz begründen können. Ob im Bus, in der Gruppe oder als Einzelbesucher – im Ort wird den Gästen wieder über das ganze Jahr viel gebo- ten. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin- Brandenburg bleibt mit dem Schloss die Touristenattrak- tion. Das Winterfest zählt da- bei zu den festen Größen im Veranstaltungskalender, der in diesem Jahr Mite Mai auch einen Workshop und einen historischen Ball zur Königin- Luise- und Jane-Austen-Zeit bietet. Der Öffnungsrhythmus wird 2012 etwas verändert. Be- reits ab 1. April ist das Schloss nicht nur an Wochenenden, sondern auch dienstags bis freitags geöffnet und kann bei Führungen erkundet werden. Die Wartezeit bis zum Rund- gangbeginn kann in der Re- mise mit der Kutschen- und Schlittensammlung und im Küchentrakt, wo ein sehens- werter Film über die Sanie- rung des Schlosses läuft, über- brückt werden. Geändert sind die Öffnungs- zeiten auch an diesem Sonn- tag, dann ist das Schloss abends wegen des Winterfes- tes bis 19 Uhr offen. Das Fest bezieht sich auf das ganze Dorf. Um 10 Uhr beginnt in der Kirche ein Gottesdienst, um 12 Uhr hält Stefan Schim- mel in der Scheune seinen Vortrag über den Schlitten von Prinz Heinrich, der der Nachwelt mehr als eine Mütze hinterlassen hat. Im Saal am Schloss können Kin- der mit Ton werkeln oder Lampions basteln. Um 14 Uhr liest Peter Nüchterlein aus seinem Buch „Die Wäch- ter der Nacht“, danach wird das Schauspiel „Die kleine Hexe“ gezeigt. Nachtwächter Habedank führt zweimal durchs Dorf: Um 16 Uhr be- ginnt ein Rundgang für Kin- der, um 18 Uhr für die großen Besucher. Gottesdienst in der Synagoge des Hauses in Lehnitz. Im Centrum Judaicum wird am Donnerstag das Buch „Jüdisches Branden- burg“ vorgestellt. Bettina Götze geht dazu den Spuren der Familie von Jacob Levin nach, der 1812 nach dem Emanzipationsedikt zu Jacob Lesser wurde. Der Weg der Familie führte von Rathenow nach Berlin. Die Lesung im Centrum Judaicum, Oranienburger Straße 28 von Berlin, beginnt um 11 Uhr. Traumzauber am Baum HENNIGSDORF | Mit „Der Traumzauberbaum 3“ geht Reinhard Lakomys erfolgrei- ches Kinderprogramm in eine weitere Runde. Am 10. März ist er ab 15 Uhr mit seinem Personal, zu dem wieder Moosmutzel, Agga Knack und Waldwuffel gehö- ren, in Hennigsdorf zu Gast. Martenstein beim Mühlenhaupt BERGSDORF | Seine Texte sind witzig, nachdenklich, sarkas- tisch, skurril, manchmal auch wütend. Sie stellen die Regeln der politischen Kor- rektheit auf den Kopf und balancieren oft auf dem schmalen Grat zwischen Literatur und Nonsens. Und am Besten ist er, wenn Ha- rald Martenstein den Intel- lektuellen und Pseudointel- lektuellen den Spiegel vor- hält. Am Sonnabend, dem 25. Februar, ist er im Kurt- Mühlenhaupt-Museum Bergsdorf zu Gast. Ab 15 Uhr liest er dann aus seinem neuen Buch „Ansichten eines Hausschweins“. Frühbarock in der Nikolaikirche SPANDAU | Das Ensemble Ventosum Paris und der Mottetenchor geben am Dienstag in der Spandauer Nikolaikirche ein Konzert. Ab 19.30 Uhr erklingt mor- gen Musik des Frühbarocks, darunter von Monteverdi, Gabrieli und Schütz. Gösta Funck wird einige Cembalo- werke beisteuern. Von Waldstein-Sonate bis Trauermarsch Polnische Pianistin Katarzyna Wasiak zu Gast 1697: Titelkupfer des ersten Bandes des Talmuds. REPROS: MAZ (3) Paretz lädt zum Winterfest – bei jedem Wetter. Vor zwei Jahren lag Schnee. FOTO: MARLIES SCHNAIBEL 1934: Joseph und Bertha Kadden in ihrem Rathenower Geschäft. Vom Schutzjuden zum Staatsbürger KULTURNOTIZEN American Rootsmusic Steuerzahler, Händler, Künstler Ein Buch sammelt Spuren jüdischen Lebens in Brandenburg Winterfest mit Nachtwächter Paretzschloss beginnt Veranstaltungssaison / Vortrag über Prinzen-Schlitten Salonkultur mit Katarzyna Wasiak. FOTO: KARL PFITZMANN Spencer Bohren: Mann für den Blues. FOTO: PROMO Der Hausherr stellte den Zuhörern einmal mehr ein am Musik- horizont entdecktes Talent vor 17 | Der Havelländer / Kultur MAZ | MONTAG, 20. FEBRUAR 2012

MAZ | MONTAG, 20. FEBRUAR 2012 Steuerzahler, Von · PDF fileund eine Lap-Steel-Guitar aus den dreißiger Jahren aus. ... Götze geht dazu den Spuren der Familie von Jacob Levin nach,

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Page 1: MAZ | MONTAG, 20. FEBRUAR 2012 Steuerzahler, Von · PDF fileund eine Lap-Steel-Guitar aus den dreißiger Jahren aus. ... Götze geht dazu den Spuren der Familie von Jacob Levin nach,

Von Rotraud Wieland

BIRKENWERDER | Es war einesdieser klassischen Salonkon-zerte, bei der die Villa Weigertin anheimelndes Kerzenlichtgetaucht und jeder Stuhl be-setzt war. „Mit 25 Überbu-chungen“, wie Hausherr Joa-chim Weigert stolz verkün-dete und damit die Bedeu-tung der Villa Weigert im Kul-turgeschehen des Ortes ah-nen ließ.

Es war eines der Konzerte,bei denen der Hausherr denZuhörern einmal mehr einam Musikhorizont entdeck-tes Talent vorstellte. BereitsEnde vorigen Jahres war diejunge Polin Katar-zyna Wasiak, dienach ihrem künstle-rischen Diplom ander HdK gerade ihrMasterstudium ander Musikhoch-schule „Hanns Eis-ler“ beendet, in derVilla Weigert aufge-treten. Mit Könnenund Ausstrahlunghatte sie so großenZuspruch geerntet,dass Joachim Wei-gert sie sofort noch einmalbuchte. Diesmal mit einemals „Romantischer Klavier-abend“ bezeichneten Pro-gramm.

Das beinhaltete weit mehrals nur eine Stilepoche, esschlug einen Bogen über dieJahrhunderte, von Johann Se-bastian Bach bis zur Mo-derne. Dabei ermöglichte dieIntimität eines Salonkonzer-tes, die Pianistin genau zu be-obachten.

Sehr jung ist sie und vongraziler Figur, vor allem im Ge-gensatz zu dem großen Flü-gel. Dem nähert sie sich fastehrfurchtsvoll, klappt die No-tenstütze zurück, denn siespielt auswendig, verrücktden Klavierhocker noch einwenig, berührt fast zärtlichdie Tasten, dann schlägt siesie an: zum ersten Stück desAbends, dem „ItalienischenKonzert“ von Johann Sebas-tian Bach. Ein Werk, das derMeister 1734 als „Clavier-

übung Teil II“ veröffentlichteund dem die von italieni-schen Komponisten inspi-rierte Idee zugrunde liegt, eshandle sich um den Klavier-auszug eines Orchesterwer-kes.

Nach dieser „Klavier-übung“ waren die Finger vonKatarzyna Wasiak so ge-schmeidig, dass sie die kom-positorischen Hürden vonBeethovens Waldstein-So-nate souverän bewältigten.Dieses dem Freund und För-derer Graf Waldstein gewid-mete Werk entfacht mitschnellen Läufen die Beetho-vensche Dramatik genauso,wie es sanft fließende Tempi

zum Klingen bringt,vor allem durch dasschöne anschmieg-same Leitmotiv deszweiten Satzes.

Erwies die Pianis-tin mit diesen Stü-cken ihre techni-sche Perfektion, sogab sie bei der So-nate b-Moll ihresLandsmannes Fré-déric Chopin Kör-perlichkeit und Ge-fühl ins Spiel. Vor al-

lem bei dem dritten Satz,dem Marche funèbre: Lento,dem bekannten Trauer-marsch. Diese Sonate, dieChopin rund um den Trauer-marsch komponiert hat, ge-hört zu den bekanntestenWerken des polnischen Mu-sikkünstlers. Claude Debus-sys Suite „Pour le piano“ undKarol Szymanowskis Ma-zurka – das eine mit virtuoserFingerfertigkeit für die franzö-sische Grazie, das andere vol-ler Expressivität – rundetendas Konzert ab.

Auf Wunsch des Hausherrninterpretierte die bereits mitvielen internationalen Prei-sen ausgezeichnete Künstle-rin noch Improvisationenüber zwei jüdische Themendes ukrainischen Komponis-ten Josef Elgieser. Es war dieeinzige Komposition, die sievom Blatt spielte.

info Das nächste Konzert in der VillaWeigert am 3. März, um 19.30 Uhr, mitdem Jazzensemble Triologic plus One“.

ZEHDENICK | Wenn Blues, Folk,Gospel, Country und Rock ver-schmelzen und das Ganzemit einem Schuss Voodoo ge-würzt wird, dann dürfen sichdie Musikfreunde auf Spen-cer Bohren freuen. Der ameri-kanische Musiker und Sängergibt am Sonntag in der Klos-terscheune Zehdenick einKonzert. Auf seiner Tournee„American Rootsmusic“packt Bohren, der in den USAan Schulen und UniversitätenVorlesungen über die Ge-schichte des Blues hält, seinealte Gibson-Akustikgitarreund eine Lap-Steel-Guitaraus den dreißiger Jahren aus.

info Das Konzert am Sonntag beginntum 16 Uhr. Das Tickettelefon ist unterS (0 33 07) 31 07 77 geschaltet.

Der RathenowerGeschäftswelt und demLehnitzerErholungsheim sindzwei wesentliche Kapitelin dem neuenSammelband gewidmet.

Von Marlies Schnaibel

HAVELLAND/OBERHAVEL | 1371war's, da schenkte MarkgrafOtto der Faule der Stadt Rathe-now zwei Juden. Das bedeu-tet: Die beiden Juden durftensich in Rathenow niederlas-sen und haben ihre Steuernnichtmehr an den Kurfürs-ten, sondern an die Stadt be-zahlt. Darin lag das Ge-schenk.

Es ist eines der ganz frühenZeugnisse jüdischen Lebensin Brandenburg. Die Ratheno-werin Bettina Götze hat sieaufgespürt für ihren Beitrag,den sie zu dem Sammelband„Jüdisches Brandenburg. Ge-schichte und Gegenwart“ bei-gesteuert hat. Der ist jetzt imAuftrag des Moses-Mendels-sohn-Zentrums für europä-isch-jüdische Studien erschie-nen, herausgegeben hat ihnIrene A. Diekmann im Verlagfür Berlin-Brandenburg.

Das umfangreiche undreich bebilderte Buch willLängs- und Querschnittedurch die Geschichte verbin-den und vom alltäglichen, oftunspektakulären Leben derJuden berichten. Längs-schnitte bieten die Kapitel zueinzelnen Orten wie Rathe-now, Potsdam, Neuruppin,Luckenwalde und Prenzlau;Querschnitte sind Beiträge zujüdischen Studenten der Via-drina in Frankfurt/Oder, zu jü-dischen Tabakhändlern oderdem Perleberger Judenhof, zuKurt Tucholsky in Rheinsbergund zu Theodor Fontanes Hal-tung zur Judenfrage.

Hier findet sich auch derumfangreiche Beitrag des Ora-nienburger Historikers Bodo

Becker, der über das jüdischeErholungsheim in Lehnitzschreibt, das eng mit dem Na-men Frieda Glücksmann ver-bunden ist. Die 1899 gegrün-dete Einrichtung verband Er-holungsheim, Kinderheim,Hauswirtschaftsschule undTagungszentrum und konntebis 1938 geführt werden.

Oberhavel ist außerdemmit einem Beitrag von PeterBöthig vertreten, der überLola Landau und Armin T.Wegner schreibt, die Schrift-steller haben ab 1920 in Neu-globsow gelebt und gearbei-tet. Wegner war ein gefeierterSchriftsteller, auf VorschlagThomas Manns erhielt er1926 einen Ehrenpreis derDeutschen Akademie fürSprache und Dichtung; dochNeuglobsow war keine Idylle,nach 1933 fand sich am Orts-eingang das Schild: „Judenkehren hier um! Sie sind inNeuglobsow-Dagow sehr un-erwünscht.“ Wegnerstammte aus einer preußi-schen Offiziersfamilie, aberseine Frau war Jüdin.

Aber zurück zu 1371. Bet-tina Götze hat die Aktenlagezusammengetragen, die istüber die Jahrhunderte dürf-tig. Auf die frühe Vertreibungfolgte nach 1510 die Neuan-siedlung, da werden in Rathe-now die Juden Aron und Mo-schee erwähnt. Dann findet

sich 1691 ein Dokument, indem Isaak David für sich undseine Brüder um einenSchutzbrief bat.

Die Faktenlage ist dünn,lässt aber auf ebenso dünneBesiedlung durch Judenschließen. 1777 lebten acht jü-dische Familien in Rathenow,um 1800 waren es 13. Alsnach 1812 in Preußen einEdikt erlassen wurde, um dierechtliche Stellung der Judenzu regeln, erhielten auch dieRathenower Juden Staatsbür-gerbriefe. Dafür mussten siefeststehende Familiennamenannehmen, eine Liste zeigt,wie aus Jacob Levin ein JacobLesser, aus Moses Levy einMoses Löwe oder aus Salo-mon Seelig ein Salomon See-ligmann wurde.

Das 19. Jahrhundertbrachte schrittweise Anerken-nung. Jüdische Geschäfteetablieren sich, das KaufhausConitzer, das Schuhhaus Kad-den oder das Herrenartikelge-schäft Kornblum hatten ei-nen guten Ruf. Nach 1933wurden diese Geschäfte je-doch arisiert. Viele Juden flo-hen, andere wurden in Kon-zentrationslager und Ghettosverschickt; ein einziger, Johan-nes Danielsohn, kehrte ausTheresienstadt nach Rathe-now zurück.

Egon Kornblum war 1939von Genua nach Shanghai ge-fahren, damals dem letztenOrt auf der Welt, der Judenohne Visum aufnahm. Erüberlebte, ging in die USA,nach Israel und Westdeutsch-land. 1987 hatte er erstmalswieder Rathenow besucht, da-nach kam er regelmäßig, umüber das Schicksal seiner Fa-milie zu berichten und die Er-innerung an das jüdische Le-ben in Rathenow wachzuhal-ten. Die Stadt trägt mit demFriedhof, der ehemaligen Sy-nagoge und dem einstigenHachschara-Landwerklagerihre eigenen Facetten zum jü-dischen Leben in Branden-burg bei.

KONZERT

Von Marlies Schnaibel

PARETZ | In Paretz wird zurSchlittenfahrt eingeladen.Und das bei jedem Wetter.Nämlich in der Scheune. Dortist ein 90 Jahre alter Schlittenaufgestellt, mit dem einstPrinz Heinrich durch die win-terliche Landschaft fuhr.

Prinz Heinrich von Preu-ßen war Bruder des letztendeutschen Kaisers, er war von1893 bis zu seinem Tode 1929Besitzer von Paretz. Ihm istdas diesjährige PreußischeWinterfest in Paretz gewid-met. Das wird alljährlichEnde Februar mit einem Mixaus Kultur und Geschichte ge-feiert und markiert den Be-ginn der Saison im und umdas Schloss Paretz. DasSchloss geht damit in die

zweite Saison nach dem Luise-jahr, das dem Ort 200 Jahrenach dem Tod der populärenPreußenkönigin sensatio-nelle 70 000 Besucher be-schert hatte. Im Jahr drauf wa-ren es nur 15 000; gar nicht soschlecht, waren das doch2 600 mehr als vor Luise.„Aber wir wollen schon einpaar mehr“, blickt MatthiasMarr, Kastellan des SchlossesParetz, voraus. Zahlen um17 000 bis 18 000 hält er fürrealistisch.

2011 war von den Verant-wortlichen mit Spannung er-wartet worden: Bleiben dieBesucher nach der spektaku-lären und international be-achteten Sonderausstellungzu den Kleidern der KöniginLuise weg oder gibt es einenNachsog? „Beides“, sagt Mat-

thias Marr und erklärt die Ant-wort: Die Busreisen bliebennahezu aus, die Einzelbesu-cher kamen vermehrt. EinTrend, den Tourismusfach-leute und Museumsstrategenregistrieren, aber noch nichtganz begründen können.

Ob im Bus, in der Gruppeoder als Einzelbesucher – imOrt wird den Gästen wiederüber das ganze Jahr viel gebo-ten. Die Stiftung PreußischeSchlösser und Gärten Berlin-Brandenburg bleibt mit demSchloss die Touristenattrak-tion. Das Winterfest zählt da-bei zu den festen Größen imVeranstaltungskalender, derin diesem Jahr Mite Mai aucheinen Workshop und einenhistorischen Ball zur Königin-Luise- und Jane-Austen-Zeitbietet.

Der Öffnungsrhythmuswird 2012 etwas verändert. Be-reits ab 1. April ist das Schlossnicht nur an Wochenenden,sondern auch dienstags bisfreitags geöffnet und kann beiFührungen erkundet werden.Die Wartezeit bis zum Rund-gangbeginn kann in der Re-mise mit der Kutschen- undSchlittensammlung und imKüchentrakt, wo ein sehens-werter Film über die Sanie-rung des Schlosses läuft, über-brückt werden.

Geändert sind die Öffnungs-zeiten auch an diesem Sonn-tag, dann ist das Schlossabends wegen des Winterfes-tes bis 19 Uhr offen. Das Festbezieht sich auf das ganzeDorf. Um 10 Uhr beginnt inder Kirche ein Gottesdienst,um 12 Uhr hält Stefan Schim-mel in der Scheune seinenVortrag über den Schlittenvon Prinz Heinrich, der derNachwelt mehr als eineMütze hinterlassen hat. ImSaal am Schloss können Kin-der mit Ton werkeln oderLampions basteln. Um14 Uhr liest Peter Nüchterleinaus seinem Buch „Die Wäch-ter der Nacht“, danach wirddas Schauspiel „Die kleineHexe“ gezeigt. NachtwächterHabedank führt zweimaldurchs Dorf: Um 16 Uhr be-ginnt ein Rundgang für Kin-der, um 18 Uhr für die großenBesucher.

Gottesdienst in der Synagoge des Hauses in Lehnitz.

K Im Centrum Judaicumwird am Donnerstag dasBuch „Jüdisches Branden-burg“ vorgestellt. BettinaGötze geht dazu den Spurender Familie von Jacob Levinnach, der 1812 nach demEmanzipationsedikt zu JacobLesser wurde. Der Weg derFamilie führte von Rathenownach Berlin.K Die Lesung im CentrumJudaicum, OranienburgerStraße 28 von Berlin, beginntum 11 Uhr.

Traumzauberam BaumHENNIGSDORF | Mit „DerTraumzauberbaum 3“ gehtReinhard Lakomys erfolgrei-ches Kinderprogramm ineine weitere Runde. Am10. März ist er ab 15 Uhr mitseinem Personal, zu demwieder Moosmutzel, AggaKnack und Waldwuffel gehö-ren, in Hennigsdorf zu Gast.

Martensteinbeim MühlenhauptBERGSDORF | Seine Texte sindwitzig, nachdenklich, sarkas-tisch, skurril, manchmalauch wütend. Sie stellen dieRegeln der politischen Kor-rektheit auf den Kopf undbalancieren oft auf demschmalen Grat zwischenLiteratur und Nonsens. Und

am Besten ist er, wenn Ha-rald Martenstein den Intel-lektuellen und Pseudointel-lektuellen den Spiegel vor-hält. Am Sonnabend, dem25. Februar, ist er im Kurt-Mühlenhaupt-MuseumBergsdorf zu Gast. Ab 15 Uhrliest er dann aus seinemneuen Buch „Ansichteneines Hausschweins“.

Frühbarock inder NikolaikircheSPANDAU | Das EnsembleVentosum Paris und derMottetenchor geben amDienstag in der SpandauerNikolaikirche ein Konzert.Ab 19.30 Uhr erklingt mor-gen Musik des Frühbarocks,darunter von Monteverdi,Gabrieli und Schütz. GöstaFunck wird einige Cembalo-werke beisteuern.

Von Waldstein-Sonatebis Trauermarsch

Polnische Pianistin Katarzyna Wasiak zu Gast

1697: Titelkupfer des ersten Bandes des Talmuds. REPROS: MAZ (3)

Paretz lädt zum Winterfest – bei jedem Wetter. Vor zwei Jahren lag Schnee. FOTO: MARLIES SCHNAIBEL

1934: Joseph und Bertha Kadden in ihrem Rathenower Geschäft.

Vom Schutzjudenzum Staatsbürger

KULTURNOTIZEN

AmericanRootsmusic

Steuerzahler,Händler, Künstler

Ein Buch sammelt Spuren jüdischen Lebens in Brandenburg

Winterfest mit NachtwächterParetzschloss beginnt Veranstaltungssaison / Vortrag über Prinzen-Schlitten

Salonkultur mit Katarzyna Wasiak. FOTO: KARL PFITZMANN

Spencer Bohren: Mann für denBlues. FOTO: PROMO

Der Hausherr

stellte den

Zuhörern

einmal mehr

ein am

Musik-

horizont

entdecktes

Talent vor

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