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Von Rotraud Wieland
BIRKENWERDER | Es war einesdieser klassischen Salonkon-zerte, bei der die Villa Weigertin anheimelndes Kerzenlichtgetaucht und jeder Stuhl be-setzt war. „Mit 25 Überbu-chungen“, wie Hausherr Joa-chim Weigert stolz verkün-dete und damit die Bedeu-tung der Villa Weigert im Kul-turgeschehen des Ortes ah-nen ließ.
Es war eines der Konzerte,bei denen der Hausherr denZuhörern einmal mehr einam Musikhorizont entdeck-tes Talent vorstellte. BereitsEnde vorigen Jahres war diejunge Polin Katar-zyna Wasiak, dienach ihrem künstle-rischen Diplom ander HdK gerade ihrMasterstudium ander Musikhoch-schule „Hanns Eis-ler“ beendet, in derVilla Weigert aufge-treten. Mit Könnenund Ausstrahlunghatte sie so großenZuspruch geerntet,dass Joachim Wei-gert sie sofort noch einmalbuchte. Diesmal mit einemals „Romantischer Klavier-abend“ bezeichneten Pro-gramm.
Das beinhaltete weit mehrals nur eine Stilepoche, esschlug einen Bogen über dieJahrhunderte, von Johann Se-bastian Bach bis zur Mo-derne. Dabei ermöglichte dieIntimität eines Salonkonzer-tes, die Pianistin genau zu be-obachten.
Sehr jung ist sie und vongraziler Figur, vor allem im Ge-gensatz zu dem großen Flü-gel. Dem nähert sie sich fastehrfurchtsvoll, klappt die No-tenstütze zurück, denn siespielt auswendig, verrücktden Klavierhocker noch einwenig, berührt fast zärtlichdie Tasten, dann schlägt siesie an: zum ersten Stück desAbends, dem „ItalienischenKonzert“ von Johann Sebas-tian Bach. Ein Werk, das derMeister 1734 als „Clavier-
übung Teil II“ veröffentlichteund dem die von italieni-schen Komponisten inspi-rierte Idee zugrunde liegt, eshandle sich um den Klavier-auszug eines Orchesterwer-kes.
Nach dieser „Klavier-übung“ waren die Finger vonKatarzyna Wasiak so ge-schmeidig, dass sie die kom-positorischen Hürden vonBeethovens Waldstein-So-nate souverän bewältigten.Dieses dem Freund und För-derer Graf Waldstein gewid-mete Werk entfacht mitschnellen Läufen die Beetho-vensche Dramatik genauso,wie es sanft fließende Tempi
zum Klingen bringt,vor allem durch dasschöne anschmieg-same Leitmotiv deszweiten Satzes.
Erwies die Pianis-tin mit diesen Stü-cken ihre techni-sche Perfektion, sogab sie bei der So-nate b-Moll ihresLandsmannes Fré-déric Chopin Kör-perlichkeit und Ge-fühl ins Spiel. Vor al-
lem bei dem dritten Satz,dem Marche funèbre: Lento,dem bekannten Trauer-marsch. Diese Sonate, dieChopin rund um den Trauer-marsch komponiert hat, ge-hört zu den bekanntestenWerken des polnischen Mu-sikkünstlers. Claude Debus-sys Suite „Pour le piano“ undKarol Szymanowskis Ma-zurka – das eine mit virtuoserFingerfertigkeit für die franzö-sische Grazie, das andere vol-ler Expressivität – rundetendas Konzert ab.
Auf Wunsch des Hausherrninterpretierte die bereits mitvielen internationalen Prei-sen ausgezeichnete Künstle-rin noch Improvisationenüber zwei jüdische Themendes ukrainischen Komponis-ten Josef Elgieser. Es war dieeinzige Komposition, die sievom Blatt spielte.
info Das nächste Konzert in der VillaWeigert am 3. März, um 19.30 Uhr, mitdem Jazzensemble Triologic plus One“.
ZEHDENICK | Wenn Blues, Folk,Gospel, Country und Rock ver-schmelzen und das Ganzemit einem Schuss Voodoo ge-würzt wird, dann dürfen sichdie Musikfreunde auf Spen-cer Bohren freuen. Der ameri-kanische Musiker und Sängergibt am Sonntag in der Klos-terscheune Zehdenick einKonzert. Auf seiner Tournee„American Rootsmusic“packt Bohren, der in den USAan Schulen und UniversitätenVorlesungen über die Ge-schichte des Blues hält, seinealte Gibson-Akustikgitarreund eine Lap-Steel-Guitaraus den dreißiger Jahren aus.
info Das Konzert am Sonntag beginntum 16 Uhr. Das Tickettelefon ist unterS (0 33 07) 31 07 77 geschaltet.
Der RathenowerGeschäftswelt und demLehnitzerErholungsheim sindzwei wesentliche Kapitelin dem neuenSammelband gewidmet.
Von Marlies Schnaibel
HAVELLAND/OBERHAVEL | 1371war's, da schenkte MarkgrafOtto der Faule der Stadt Rathe-now zwei Juden. Das bedeu-tet: Die beiden Juden durftensich in Rathenow niederlas-sen und haben ihre Steuernnichtmehr an den Kurfürs-ten, sondern an die Stadt be-zahlt. Darin lag das Ge-schenk.
Es ist eines der ganz frühenZeugnisse jüdischen Lebensin Brandenburg. Die Ratheno-werin Bettina Götze hat sieaufgespürt für ihren Beitrag,den sie zu dem Sammelband„Jüdisches Brandenburg. Ge-schichte und Gegenwart“ bei-gesteuert hat. Der ist jetzt imAuftrag des Moses-Mendels-sohn-Zentrums für europä-isch-jüdische Studien erschie-nen, herausgegeben hat ihnIrene A. Diekmann im Verlagfür Berlin-Brandenburg.
Das umfangreiche undreich bebilderte Buch willLängs- und Querschnittedurch die Geschichte verbin-den und vom alltäglichen, oftunspektakulären Leben derJuden berichten. Längs-schnitte bieten die Kapitel zueinzelnen Orten wie Rathe-now, Potsdam, Neuruppin,Luckenwalde und Prenzlau;Querschnitte sind Beiträge zujüdischen Studenten der Via-drina in Frankfurt/Oder, zu jü-dischen Tabakhändlern oderdem Perleberger Judenhof, zuKurt Tucholsky in Rheinsbergund zu Theodor Fontanes Hal-tung zur Judenfrage.
Hier findet sich auch derumfangreiche Beitrag des Ora-nienburger Historikers Bodo
Becker, der über das jüdischeErholungsheim in Lehnitzschreibt, das eng mit dem Na-men Frieda Glücksmann ver-bunden ist. Die 1899 gegrün-dete Einrichtung verband Er-holungsheim, Kinderheim,Hauswirtschaftsschule undTagungszentrum und konntebis 1938 geführt werden.
Oberhavel ist außerdemmit einem Beitrag von PeterBöthig vertreten, der überLola Landau und Armin T.Wegner schreibt, die Schrift-steller haben ab 1920 in Neu-globsow gelebt und gearbei-tet. Wegner war ein gefeierterSchriftsteller, auf VorschlagThomas Manns erhielt er1926 einen Ehrenpreis derDeutschen Akademie fürSprache und Dichtung; dochNeuglobsow war keine Idylle,nach 1933 fand sich am Orts-eingang das Schild: „Judenkehren hier um! Sie sind inNeuglobsow-Dagow sehr un-erwünscht.“ Wegnerstammte aus einer preußi-schen Offiziersfamilie, aberseine Frau war Jüdin.
Aber zurück zu 1371. Bet-tina Götze hat die Aktenlagezusammengetragen, die istüber die Jahrhunderte dürf-tig. Auf die frühe Vertreibungfolgte nach 1510 die Neuan-siedlung, da werden in Rathe-now die Juden Aron und Mo-schee erwähnt. Dann findet
sich 1691 ein Dokument, indem Isaak David für sich undseine Brüder um einenSchutzbrief bat.
Die Faktenlage ist dünn,lässt aber auf ebenso dünneBesiedlung durch Judenschließen. 1777 lebten acht jü-dische Familien in Rathenow,um 1800 waren es 13. Alsnach 1812 in Preußen einEdikt erlassen wurde, um dierechtliche Stellung der Judenzu regeln, erhielten auch dieRathenower Juden Staatsbür-gerbriefe. Dafür mussten siefeststehende Familiennamenannehmen, eine Liste zeigt,wie aus Jacob Levin ein JacobLesser, aus Moses Levy einMoses Löwe oder aus Salo-mon Seelig ein Salomon See-ligmann wurde.
Das 19. Jahrhundertbrachte schrittweise Anerken-nung. Jüdische Geschäfteetablieren sich, das KaufhausConitzer, das Schuhhaus Kad-den oder das Herrenartikelge-schäft Kornblum hatten ei-nen guten Ruf. Nach 1933wurden diese Geschäfte je-doch arisiert. Viele Juden flo-hen, andere wurden in Kon-zentrationslager und Ghettosverschickt; ein einziger, Johan-nes Danielsohn, kehrte ausTheresienstadt nach Rathe-now zurück.
Egon Kornblum war 1939von Genua nach Shanghai ge-fahren, damals dem letztenOrt auf der Welt, der Judenohne Visum aufnahm. Erüberlebte, ging in die USA,nach Israel und Westdeutsch-land. 1987 hatte er erstmalswieder Rathenow besucht, da-nach kam er regelmäßig, umüber das Schicksal seiner Fa-milie zu berichten und die Er-innerung an das jüdische Le-ben in Rathenow wachzuhal-ten. Die Stadt trägt mit demFriedhof, der ehemaligen Sy-nagoge und dem einstigenHachschara-Landwerklagerihre eigenen Facetten zum jü-dischen Leben in Branden-burg bei.
KONZERT
Von Marlies Schnaibel
PARETZ | In Paretz wird zurSchlittenfahrt eingeladen.Und das bei jedem Wetter.Nämlich in der Scheune. Dortist ein 90 Jahre alter Schlittenaufgestellt, mit dem einstPrinz Heinrich durch die win-terliche Landschaft fuhr.
Prinz Heinrich von Preu-ßen war Bruder des letztendeutschen Kaisers, er war von1893 bis zu seinem Tode 1929Besitzer von Paretz. Ihm istdas diesjährige PreußischeWinterfest in Paretz gewid-met. Das wird alljährlichEnde Februar mit einem Mixaus Kultur und Geschichte ge-feiert und markiert den Be-ginn der Saison im und umdas Schloss Paretz. DasSchloss geht damit in die
zweite Saison nach dem Luise-jahr, das dem Ort 200 Jahrenach dem Tod der populärenPreußenkönigin sensatio-nelle 70 000 Besucher be-schert hatte. Im Jahr drauf wa-ren es nur 15 000; gar nicht soschlecht, waren das doch2 600 mehr als vor Luise.„Aber wir wollen schon einpaar mehr“, blickt MatthiasMarr, Kastellan des SchlossesParetz, voraus. Zahlen um17 000 bis 18 000 hält er fürrealistisch.
2011 war von den Verant-wortlichen mit Spannung er-wartet worden: Bleiben dieBesucher nach der spektaku-lären und international be-achteten Sonderausstellungzu den Kleidern der KöniginLuise weg oder gibt es einenNachsog? „Beides“, sagt Mat-
thias Marr und erklärt die Ant-wort: Die Busreisen bliebennahezu aus, die Einzelbesu-cher kamen vermehrt. EinTrend, den Tourismusfach-leute und Museumsstrategenregistrieren, aber noch nichtganz begründen können.
Ob im Bus, in der Gruppeoder als Einzelbesucher – imOrt wird den Gästen wiederüber das ganze Jahr viel gebo-ten. Die Stiftung PreußischeSchlösser und Gärten Berlin-Brandenburg bleibt mit demSchloss die Touristenattrak-tion. Das Winterfest zählt da-bei zu den festen Größen imVeranstaltungskalender, derin diesem Jahr Mite Mai aucheinen Workshop und einenhistorischen Ball zur Königin-Luise- und Jane-Austen-Zeitbietet.
Der Öffnungsrhythmuswird 2012 etwas verändert. Be-reits ab 1. April ist das Schlossnicht nur an Wochenenden,sondern auch dienstags bisfreitags geöffnet und kann beiFührungen erkundet werden.Die Wartezeit bis zum Rund-gangbeginn kann in der Re-mise mit der Kutschen- undSchlittensammlung und imKüchentrakt, wo ein sehens-werter Film über die Sanie-rung des Schlosses läuft, über-brückt werden.
Geändert sind die Öffnungs-zeiten auch an diesem Sonn-tag, dann ist das Schlossabends wegen des Winterfes-tes bis 19 Uhr offen. Das Festbezieht sich auf das ganzeDorf. Um 10 Uhr beginnt inder Kirche ein Gottesdienst,um 12 Uhr hält Stefan Schim-mel in der Scheune seinenVortrag über den Schlittenvon Prinz Heinrich, der derNachwelt mehr als eineMütze hinterlassen hat. ImSaal am Schloss können Kin-der mit Ton werkeln oderLampions basteln. Um14 Uhr liest Peter Nüchterleinaus seinem Buch „Die Wäch-ter der Nacht“, danach wirddas Schauspiel „Die kleineHexe“ gezeigt. NachtwächterHabedank führt zweimaldurchs Dorf: Um 16 Uhr be-ginnt ein Rundgang für Kin-der, um 18 Uhr für die großenBesucher.
Gottesdienst in der Synagoge des Hauses in Lehnitz.
K Im Centrum Judaicumwird am Donnerstag dasBuch „Jüdisches Branden-burg“ vorgestellt. BettinaGötze geht dazu den Spurender Familie von Jacob Levinnach, der 1812 nach demEmanzipationsedikt zu JacobLesser wurde. Der Weg derFamilie führte von Rathenownach Berlin.K Die Lesung im CentrumJudaicum, OranienburgerStraße 28 von Berlin, beginntum 11 Uhr.
Traumzauberam BaumHENNIGSDORF | Mit „DerTraumzauberbaum 3“ gehtReinhard Lakomys erfolgrei-ches Kinderprogramm ineine weitere Runde. Am10. März ist er ab 15 Uhr mitseinem Personal, zu demwieder Moosmutzel, AggaKnack und Waldwuffel gehö-ren, in Hennigsdorf zu Gast.
Martensteinbeim MühlenhauptBERGSDORF | Seine Texte sindwitzig, nachdenklich, sarkas-tisch, skurril, manchmalauch wütend. Sie stellen dieRegeln der politischen Kor-rektheit auf den Kopf undbalancieren oft auf demschmalen Grat zwischenLiteratur und Nonsens. Und
am Besten ist er, wenn Ha-rald Martenstein den Intel-lektuellen und Pseudointel-lektuellen den Spiegel vor-hält. Am Sonnabend, dem25. Februar, ist er im Kurt-Mühlenhaupt-MuseumBergsdorf zu Gast. Ab 15 Uhrliest er dann aus seinemneuen Buch „Ansichteneines Hausschweins“.
Frühbarock inder NikolaikircheSPANDAU | Das EnsembleVentosum Paris und derMottetenchor geben amDienstag in der SpandauerNikolaikirche ein Konzert.Ab 19.30 Uhr erklingt mor-gen Musik des Frühbarocks,darunter von Monteverdi,Gabrieli und Schütz. GöstaFunck wird einige Cembalo-werke beisteuern.
Von Waldstein-Sonatebis Trauermarsch
Polnische Pianistin Katarzyna Wasiak zu Gast
1697: Titelkupfer des ersten Bandes des Talmuds. REPROS: MAZ (3)
Paretz lädt zum Winterfest – bei jedem Wetter. Vor zwei Jahren lag Schnee. FOTO: MARLIES SCHNAIBEL
1934: Joseph und Bertha Kadden in ihrem Rathenower Geschäft.
Vom Schutzjudenzum Staatsbürger
KULTURNOTIZEN
AmericanRootsmusic
Steuerzahler,Händler, Künstler
Ein Buch sammelt Spuren jüdischen Lebens in Brandenburg
Winterfest mit NachtwächterParetzschloss beginnt Veranstaltungssaison / Vortrag über Prinzen-Schlitten
Salonkultur mit Katarzyna Wasiak. FOTO: KARL PFITZMANN
Spencer Bohren: Mann für denBlues. FOTO: PROMO
Der Hausherr
stellte den
Zuhörern
einmal mehr
ein am
Musik-
horizont
entdecktes
Talent vor
17|Der Havelländer / KulturMAZ | MONTAG, 20. FEBRUAR 2012