48
189 I N H A L T 5324 A. Staatskanzlei 190 Bek. 4. 2. 2016, Honorarkonsuln in der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Bek. 8. 2. 2016, Konsulate in der Bundesrepublik Deutsch- land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Bek. 8. 2. 2016, Konsulate in der Bundesrepublik Deutsch- land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Bek. 8. 2. 2016, Honorarkonsuln in der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ministerium für Inneres und Sport C. Finanzministerium D. Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung E. Ministerium für Wissenschaft und Kultur F. Kultusministerium G. Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr H. Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz I. Justizministerium K. Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz 190 Gem. RdErl. 24. 2. 2016, Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen an Land (Windenergieerlass) . . . . . . . . 28010 Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie 225 Bek. 4. 2. 2016, Teilaufhebung einer Erlaubnis nach § 19 BBergG (Kimmeridge GmbH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Bek. 4. 2. 2016, Teilaufhebung einer Erlaubnis nach § 19 BBergG (Kimmeridge GmbH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 Bek. 4. 2. 2016, Teilaufhebung einer Erlaubnis nach § 19 BBergG (Kimmeridge GmbH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr 226 Bek. 10. 2. 2016, Genehmigung des Hubschrauber-Sonder- landeplatzes „Ev. Bathildiskrankenhaus Bad Pyrmont“ . . . . 227 Bek. 10. 2. 2016, Feststellung gemäß § 3 a UVPG; Neubau der Bundesautobahn 1, Anschlusstelle „Riester Damm“, zwischen der Anschlussstelle Neuenkirchen-Vörden und der Anschlussstelle Bramsche, einschließlich der Anbin- dung an die Kreisstraße 149 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Staatliches Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig 227 Bek. 27. 1. 2016, Öffentliche Bekanntmachung einer Ge- nehmigung nach dem BImSchG (Rohstoffbetriebe Oker GmbH & Co. KG, Goslar) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Staatliches Gewerbeaufsichtsamt Hannover 227 Bek. 24. 2. 2016, Immissionsschutzrechtliche Entscheidung gemäß § 16 Abs. 1 BImSchG (Nienburger Geflügelspeziali- täten, Wietzen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Staatliches Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim 229 Bek. 9. 2. 2016, Feststellung gemäß § 3 a UVPG (Bioenergie Leinetal, Burgstemmmen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Bek. 9. 2. 2016, Feststellung gemäß § 3 a UVPG (Fleischerei Lars Bode, Bockenem) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Staatliches Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg 229 Bek. 8. 2. 2016, Feststellung gemäß § 3 a UVPG (New Power Pack Goldenstedt GmbH & Co. KG, Vechta) . . . . . . . . . . . . . 229 Bek. 11. 2. 2016, Feststellung gemäß § 3 a UVPG (Abfall- wirtschaftsbetrieb der Stadt Oldenburg) . . . . . . . . . . . . . . . . Staatliches Gewerbeaufsichtsamt Osnabrück 229 Bek. 9. 2. 2016, Feststellung gemäß § 3 a UVPG (Zoo Osna- brück gGmbH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsprechung 230 Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Staatsgerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66. (71.) Jahrgang Hannover, den 24. 2. 2016 Nummer 7

MBl. 2016 07 (24.02.2016)...2016/02/24  · Nds. MBl. Nr. 7/2016 190 A. Staatskanzlei Honorarkonsuln in der Bundesrepublik Deutschland Bek. d. StK v. 4. 2. 2016 — 203-11700-6 MAR

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Page 1: MBl. 2016 07 (24.02.2016)...2016/02/24  · Nds. MBl. Nr. 7/2016 190 A. Staatskanzlei Honorarkonsuln in der Bundesrepublik Deutschland Bek. d. StK v. 4. 2. 2016 — 203-11700-6 MAR

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I N H A L T

5324

A. Staatskanzlei

190Bek. 4. 2. 2016, Honorarkonsuln in der BundesrepublikDeutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

190Bek. 8. 2. 2016, Konsulate in der Bundesrepublik Deutsch-land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

190Bek. 8. 2. 2016, Konsulate in der Bundesrepublik Deutsch-land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

190Bek. 8. 2. 2016, Honorarkonsuln in der BundesrepublikDeutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

B. Ministerium für Inneres und Sport

C. Finanzministerium

D. Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung

E. Ministerium für Wissenschaft und Kultur

F. Kultusministerium

G. Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

H. Ministerium für Ernährung, Landwirtschaftund Verbraucherschutz

I. Justizministerium

K. Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz

190Gem. RdErl. 24. 2. 2016, Planung und Genehmigung vonWindenergieanlagen an Land (Windenergieerlass) . . . . . . . .28010

Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie

225Bek. 4. 2. 2016, Teilaufhebung einer Erlaubnis nach § 19BBergG (Kimmeridge GmbH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

225Bek. 4. 2. 2016, Teilaufhebung einer Erlaubnis nach § 19BBergG (Kimmeridge GmbH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

226Bek. 4. 2. 2016, Teilaufhebung einer Erlaubnis nach § 19BBergG (Kimmeridge GmbH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr

226Bek. 10. 2. 2016, Genehmigung des Hubschrauber-Sonder-landeplatzes „Ev. Bathildiskrankenhaus Bad Pyrmont“ . . . .

227

Bek. 10. 2. 2016, Feststellung gemäß § 3 a UVPG; Neubauder Bundesautobahn 1, Anschlusstelle „Riester Damm“,zwischen der Anschlussstelle Neuenkirchen-Vörden undder Anschlussstelle Bramsche, einschließlich der Anbin-dung an die Kreisstraße 149 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Staatliches Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig

227

Bek. 27. 1. 2016, Öffentliche Bekanntmachung einer Ge-nehmigung nach dem BImSchG (Rohstoffbetriebe OkerGmbH & Co. KG, Goslar) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Staatliches Gewerbeaufsichtsamt Hannover

227

Bek. 24. 2. 2016, Immissionsschutzrechtliche Entscheidunggemäß § 16 Abs. 1 BImSchG (Nienburger Geflügelspeziali-täten, Wietzen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Staatliches Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim

229Bek. 9. 2. 2016, Feststellung gemäß § 3 a UVPG (BioenergieLeinetal, Burgstemmmen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

229Bek. 9. 2. 2016, Feststellung gemäß § 3 a UVPG (FleischereiLars Bode, Bockenem) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Staatliches Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg

229Bek. 8. 2. 2016, Feststellung gemäß § 3 a UVPG (New PowerPack Goldenstedt GmbH & Co. KG, Vechta) . . . . . . . . . . . . .

229Bek. 11. 2. 2016, Feststellung gemäß § 3 a UVPG (Abfall-wirtschaftsbetrieb der Stadt Oldenburg) . . . . . . . . . . . . . . . .

Staatliches Gewerbeaufsichtsamt Osnabrück

229Bek. 9. 2. 2016, Feststellung gemäß § 3 a UVPG (Zoo Osna-brück gGmbH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rechtsprechung230Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .230Staatsgerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66. (71.) Jahrgang Hannover, den 24. 2. 2016 Nummer 7

Page 2: MBl. 2016 07 (24.02.2016)...2016/02/24  · Nds. MBl. Nr. 7/2016 190 A. Staatskanzlei Honorarkonsuln in der Bundesrepublik Deutschland Bek. d. StK v. 4. 2. 2016 — 203-11700-6 MAR

Nds. MBl. Nr. 7/2016

190

A. Staatskanzlei

Honorarkonsuln in der Bundesrepublik Deutschland

Bek. d. StK v. 4. 2. 2016— 203-11700-6 MAR —

Das Auswärtige Amt teilt mit, dass die honorarkonsularischeVertretung des Königreichs Marokko in Bremen eine neueAdresse hat:Slevogtstraße 4828209 Bremen.

Die übrigen Kontaktdaten bleiben unverändert.

— Nds. MBl. Nr. 7/2016 S. 190

Konsulate in der Bundesrepublik Deutschland

Bek. d. StK v. 8. 2. 2016— 203-11700-5 TUN —

Die Bundesregierung hat der zur Leiterin der berufskonsula-rischen Vertretung der Tunesischen Republik in Hamburg er-nannten Frau Sonia Ben Amor Ep Missaoui am 20. 11. 2015das Exequatur als Konsulin erteilt.

Der Konsularbezirk umfasst die Länder Hamburg, Bremen,Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Hol-stein.

Das dem bisherigen Konsul, Herrn Mohamed Imed Torje-mane, am 17. 3. 2010 erteilte Exequatur ist erloschen.

— Nds. MBl. Nr. 7/2016 S. 190

Konsulate in der Bundesrepublik Deutschland

Bek. d. StK v. 8. 2. 2016— 203-11700-5 VEN —

Die Bundesregierung hat der zur Leiterin der berufskonsula-rischen Vertretung der Bolivarischen Republik Venezuela inHamburg ernannten Frau Regzeida Elena Gonzalez Herreraam 4. 2. 2016 das Exequatur als Generalkonsulin erteilt.

Der Konsularbezirk umfasst die Länder Hamburg, Bremen,Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

Das dem bisherigen Generalkonsul, Herrn Bernardo JoséBorges Arnese, am 6. 1. 2014 erteilte Exequatur ist erloschen.

— Nds. MBl. Nr. 7/2016 S. 190

Honorarkonsuln in der Bundesrepublik Deutschland

Bek. d. StK v. 8. 2. 2016— 203-11700-6 PLW —

Das Auswärtige Amt teilt mit, dass die honorarkonsularischeVertretung der Republik Palau in Hamburg eine neue Adressehat:Grindelhof 6820146 Hamburg.

Die übrigen Kontaktdaten bleiben unverändert. Telefax undÖffnungszeiten entfallen künftig. Termine werden nach Ver-einbarung erteilt.

— Nds. MBl. Nr. 7/2016 S. 190

K. Ministerium für Umwelt, Energieund Klimaschutz

Planung und Genehmigung von Windenergieanlagenan Land (Windenergieerlass)

Gem. RdErl. d. MU, d. ML, d. MS, d. MW u. d. MIv. 24. 2. 2016

— MU-52-29211/1/300 —

— VORIS 28010 —

Für die Planung und Genehmigung von Windenergieanla-gen an Land in Niedersachsen werden die „Planung und Ge-nehmigung von Windenergieanlagen an Land in Niedersach-sen und Hinweise zur Zielsetzung und Anwendung“ — Anla-ge 1 — und der „Leitfaden Umsetzung des Artenschutzes beider Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen inNiedersachsen“ — Anlage 2 — verbindlich eingeführt.

Dieser Gem. RdErl. tritt am 25. 2. 2016 in Kraft und mit Ab-lauf des 31. 12. 2021 außer Kraft.

Andie Region Hannover, Landkreise, Städte, Gemeinden und Samtge-meindenden Zweckverband Großraum Braunschweigden Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten-und Naturschutzdie Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehrdie Ämter für regionale Landesentwicklung

— Nds. MBl. Nr. 7/2016 S. 190

Anlage 1

Planung und Genehmigung von Windenergieanlagenan Land in Niedersachsen und

Hinweise für die Zielsetzung und Anwendung

Inhaltsübersicht

1. Zielsetzung1.1 Energiewende1.2 Bedeutung der Windenergie, Ziel1.3 Nutzungs- und Schutzinteressen1.4 Zielsetzung1.5 Anwendungsbereich

2. Raumordnung und Bauleitplanung2.1 Privilegierung im Außenbereich2.2 Landes-Raumordnungsprogramm (LROP)2.3 Regionale Raumordnungsprogramme2.4 Flächennutzungs- und Bebauungspläne2.5 Rechtsprechung für die Planung2.6 Der Windenergie substanziell Raum geben2.7 Zielvorgabe für die Planung2.8 Harte Tabuzonen2.9 Angestrebte Entwicklungen2.10 Weiche Tabuzonen2.11 Gesetzlich geschützte Biotope, Naturdenkmale, geschützte

Landschaftsbestandteile2.12 Landschaftsschutzgebiete — Vermeidung von widersprüchlichen

Festsetzungen2.13 Einwirkungen in FFH- und Vogelschutzgebiete2.14 Repowering2.15 Windenergie und Wald2.16 Gewerbe- und Industriegebiete

3. Anlagenzulassung3.1 Genehmigungserfordernisse nach dem Bauordnungsrecht3.1.1 Keine Verfahrensfreistellung (§ 60 Abs. 1 NBauO) 3.1.2 Genehmigungsfreistellung (§ 62 NBauO) 3.1.3 Vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren (§ 63 NBauO) 3.1.4 Umfangreiches Baugenehmigungsverfahren (§ 64 NBauO) 3.2 Immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren3.2.1 Vereinfachtes/förmliches Genehmigungsverfahren3.2.2 Konzentrationswirkung3.2.3 Vorbescheid/Vorzeitiger Beginn3.2.4 Änderung einer Anlage

Page 3: MBl. 2016 07 (24.02.2016)...2016/02/24  · Nds. MBl. Nr. 7/2016 190 A. Staatskanzlei Honorarkonsuln in der Bundesrepublik Deutschland Bek. d. StK v. 4. 2. 2016 — 203-11700-6 MAR

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191

3.2.5 Überwachung3.3 Umweltverträglichkeitsprüfung3.3.1 Umweltverträglichkeits-Vorprüfung3.3.2 Umweltverträglichkeitsprüfung3.4 Materiellrechtliche Anforderungen3.4.1 Immissionsschutzrechtliche Anforderungen3.4.2 Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit3.4.3 Bauordnungsrechtliche Anforderungen3.4.4 Abstandsanforderungen3.5 Schutz bestimmter Teile von Natur und Landschaft, Eingriffsre-

gelung3.5.1 Landschaftsschutzgebiete3.5.2 Einwirkungen in FFH- und Vogelschutzgebiete3.5.3 Abstände zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft3.5.4 Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen

4. Artenschutz4.1 Artenschutz4.2 Anwendungsbereich4.3 Tötungs- und Verletzungsverbot (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG) 4.4 Naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative4.5 Störungsverbot (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG) 4.6 Schutz der Fortpflanzungs- und Ruhestätten (§ 44 Abs. 1 Nr. 3

BNatSchG) 4.7 Legalausnahme nach § 44 Abs. 5 BNatSchG (Privilegierung) 4.8 Ausnahmeprüfung nach § 45 Abs. 7 Nr. 5 BNatSchG4.9 Sachverhaltsermittlung

5. Leitfaden zum Artenschutz

6. Spezialregelungen6.1 Straßenrecht6.2 Schienenverkehr6.3 Gewässerschutz, Wasserschutz-, Heilquellenschutz-, Über-

schwemmungsgebiete, Wasserstraßen6.4 Bodenschutz6.5 Freileitungen6.6 Luftverkehrsrecht, Flugsicherungseinrichtungen6.6.1 Zustimmungspflichtige Windenergieanlagen6.6.2 Nicht zustimmungspflichtige Windenergieanlagen6.6.3 Flugsicherungseinrichtungen6.7 Belange des Flugbetriebs der Bundeswehr6.7.1 Nachttiefflugsystem6.8 Hinderniskennzeichnung6.9 Windenergieanlagen und Wetterbeobachtung durch den Deut-

schen Wetterdienst (DWD) 6.10 Denkmalschutz6.11 Bergbauliche Anlagen zur Erdöl- und Erdgasgewinnung, Fern-

gas- und Mineralölfernleitungen

Anlage 1 Flächenpotenziale und Regionalisierter Flächen-ansatzTabelle 1 Regionalisierter FlächenansatzTabelle 2 Flächenpotenzialberechnung — Gebiets-kategorien

Anlage 2 Tabelle 3 Überblick zu harten TabuzonenAnlage 3 Veranschaulichung Grenzabstandsbetrachtung

1. Zielsetzung

1.1 EnergiewendeEs besteht ein breiter gesellschaftlicher und politischer

Konsens in Deutschland über den Ausstieg aus der Atomener-gie und die Notwendigkeit der Transformation der Energiever-sorgung in ein System, das zum Schutz des Klimas künftignahezu vollständig ohne fossile Brenn- und Treibstoffe aus-kommt.

Das Land Niedersachsen will zum Gelingen der Energie-wende beitragen und seine Energieversorgung schrittweiseauf 100 Prozent erneuerbare Energiequellen umstellen. Mitder Umsetzung der Energiewende als Beitrag zur Eindäm-mung des Klimawandels geht zugleich ein Beitrag zum Erhaltdes heimischen Natur- und Artenhaushalts einher.

1.2 Bedeutung der Windenergie, ZielDie Windenergie als kostengünstige, etablierte und klima-

freundliche Technologie bildet das Kernstück der Energie-wende im Stromsektor. Deren weiterer Ausbau ist ein wesent-licher Bestandteil deutscher und niedersächsischer Energie-und Klimapolitik und ist von hohem öffentlichen Interesse.

Niedersachsen verfügt schon allein auf Grund seiner geo-grafischen Lage und Topografie über hervorragende Potenzialefür die Nutzung der Windenergie. Damit kommt Niedersach-sen eine besondere Verantwortung beim Ausbau der Wind-energie in Deutschland zu, die über die Deckung des nieder-sächsischen Strombedarfs hinausgeht. Dieser Verantwortungmüssen auch die Ausbauziele für die Windenergie in Nieder-sachsen entsprechen.

Entsprechend werden auch die Möglichkeiten der Offshore-Windenergie genutzt. Im niedersächsischen Küstenmeer (in-nerhalb der Zwölf-Seemeilen-Zone) sind die geeigneten Flä-chen bereits in Form von zwei Eignungsgebieten für die Er-probung der Windenergienutzung auf See gesichert. Der ge-plante Ausbau der Offshore-Windenergie in der Ausschließ-lichen Wirtschaftszone und im Küstenmeer der Nordsee wirdgrößtenteils über Niedersachsen an das landseitige Stromnetzanzubinden sein.

Zugleich müssen die Potenziale der Windenergienutzungan Land erschlossen werden. Mindestens 20 Gigawatt Wind-kraftleistung sollen deshalb bis 2050 in Niedersachsen errich-tet werden können. In Raumordnungsplänen (Regionalen Raum-ordnungsprogrammen) und Bauleitplänen können Flächenfür die Nutzung der Windenergie planerisch gesichert wer-den.

Darüber hinaus kommt der Windenergie auch eine wirt-schafts-, struktur- und arbeitsmarktpolitisch bedeutsame Rolleund Chance für Niedersachsen zu. Neben den großen Anla-genbauern und den universitären und außeruniversitärenWindenergieforschungszentren sind viele vorwiegend mittel-ständische Komponentenhersteller, Zulieferer, Serviceunter-nehmen und Projektentwickler in der Windkraftbranche tätig.Die Windenergie schafft Arbeitsplätze sowie regionale Wert-schöpfung, von der auch Kommunen und Bürger an den An-lagenstandorten profitieren. Besonders spürbar sind die posi-tiven Effekte in ehemals strukturschwachen Gebieten imländlichen und im küstennahen Raum.

1.3 Nutzungs- und SchutzinteressenWindenergieanlagen (WEA) können gleichwohl nachteilige

Auswirkungen auf den Menschen, die Kulturlandschaft, denNaturhaushalt und bestimmte Arten haben. Deshalb sind fürdie Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen ins-besondere die immissionsschutz-, die bau- und planungsrecht-lichen sowie die natur- und artenschutzrechtlichen Belangezu berücksichtigen. Nur eine sorgfältige Prüfung aller in Be-tracht kommenden Belange vor Ort kann schließlich zu einersachgerechten Entscheidung führen. Auf dieser Grundlage istes auch möglich, die Akzeptanz für diese ressourcen- und kli-maschonende Art der Energieerzeugung zu erhalten und zuverbessern.

1.4 Zielsetzung Die Regelungen dieses Gem. RdErl. sollen dazu dienen, den

weiteren für die Umsetzung der Energiewende erforderlichenAusbau der Windenergienutzung umwelt-, sozialverträglichund wirtschaftlich zu gestalten, das Konfliktpotenzial zu mi-nimieren und den Rechtsrahmen aufzuzeigen. Dazu zähltauch die angemessene Berücksichtigung der Belange von Na-turschutz und Landschaftspflege.

1.5 Anwendungsbereich Der Gem. RdErl. ist für die Kommunen verbindlich, soweit

sie im übertragenen Wirkungskreis als Immissionsschutz- undBauaufsichtsbehörden, Naturschutzbehörden oder sonstigenachgeordnete Behörden bei der Genehmigung und Überwa-chung von Windenergieanlagen tätig werden.

Soweit die Landkreise, kreisfreien Städte, die Region Han-nover und der Zweckverband Großraum Braunschweig sowiedie Städte und Gemeinden als Träger der Regionalplanungund der Bauleitplanung im eigenen Wirkungskreis tätig wer-den, dient der Gem. RdErl. als Orientierungshilfe zur Abwägung.Bestehende Regionale Raumordnungsprogramme bleiben un-berührt.

Für Planer und Investoren gibt er Hinweise zu frühzeitigenAbstimmungsmöglichkeiten mit den zuständigen Behördenund trägt somit zur Planungs- und Investitionssicherheit bei.

2. Raumordnung und Bauleitplanung

2.1 Privilegierung im Außenbereich Windenergieanlagen gehören bauplanungsrechtlich zu den

nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegierten Vorhaben im Au-ßenbereich. Sie sind dort zulässig, wenn öffentliche Belange

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nicht entgegenstehen und die ausreichende Erschließung ge-sichert ist. Neben dieser Privilegierung hat der Bundesgesetz-geber in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB einen Planungsvorbehaltaufgenommen, der es sowohl den Trägern der Regionalpla-nung als auch den Gemeinden ermöglicht, die Standorte füreinzelne Windenergieanlagen und Windparks räumlich zusteuern, um so die Errichtung von Windenergieanlagen an an-derer Stelle ausschließen zu können. Derzeit machen die Trä-ger der Regionalplanung und die Gemeinden von dieserMöglichkeit Gebrauch.

Das Land Niedersachsen hat von einem Gesetz zur Anwen-dung der Länderöffnungsklausel (§ 249 Abs. 3 BauGB) fürpauschalierte, generelle Abstandsregelungen zwischen Wind-energieanlagen und anderen baulichen Nutzungen abgese-hen.

2.2 Landes-Raumordnungsprogramm (LROP)Gemäß Anlage 1 der Verordnung über das Landes-Raum-

ordnungsprogramm Niedersachsen (LROP) sind für die Nut-zung von Windenergie geeignete raumbedeutsame Standortezu sichern und unter Berücksichtigung der Repowering-Mög-lichkeiten in den Regionalen Raumordnungsprogrammen alsVorranggebiete (§ 8 Abs. 7 Nr. 1 ROG) oder Eignungsgebiete(§ 8 Abs. 7 Nr. 3 ROG) für Windenergienutzung festzulegen(Abschnitt 4.2 [Energie] Ziffer 04 Satz 1 LROP). Das LROP legtaußerdem in Form eines Grundsatzes fest, dass in Vorrang-und Eignungsgebieten Windenergienutzung Höhenbegren-zungen nicht festgelegt werden sollen (Abschnitt 4.2 [Energie]Ziffer 04 Satz 5 LROP). Weiterhin werden im LROP Festle-gungen für Vorrang- und Eignungsgebiete getroffen, die aus-schließlich für Repowering-Maßnahmen zur Verfügung ste-hen sollen (Abschnitt 4.2 [Energie] Ziffer 04 Sätze 6 und 7LROP).

2.3 Regionale Raumordnungsprogramme Die Erstellung der Regionalen Raumordnungsprogramme

ist in Niedersachsen gemäß § 20 NROG eine kommunale Pla-nungsaufgabe. Diese wird von den Trägern der Regionalpla-nung — den Landkreisen, den kreisfreien Städten, dem Zweck-verband Großraum Braunschweig (ZGB) und der Region Han-nover — im eigenen Wirkungskreis vorgenommen. Die kreis-freien Städte können von der Aufstellung eines RegionalenRaumordnungsprogramms absehen (§ 5 Abs. 2 NROG). DiePlanung und Steuerung raumbedeutsamer Nutzungen kannin diesen Fällen über Flächennutzungspläne erfolgen. DieTräger der Regionalplanung besitzen einen großen Gestal-tungsspielraum bei der Erstellung der Programme. Dieser wirdeinerseits durch das LROP, welches als Planungsvorgabe desLandes umzusetzen ist, sowie andererseits durch die verschie-denen zu beachtenden fachrechtlichen Regelungen, beispiels-weise das Immissionsschutz-, Bau- und Naturschutzrecht,und die dazu ergangene Rechtsprechung begrenzt.

Die Träger der Regionalplanung können die Entwicklungder Windenergienutzung in ihrem Planungsraum durch dieFestlegung von— Vorranggebieten Windenergienutzung ohne Ausschluss-

wirkung,— Vorranggebieten Windenergienutzung mit Ausschlusswir-

kung (Vorranggebiete mit der gleichzeitigen Wirkung vonEignungsgebieten gemäß § 8 Abs. 7 Satz 2 ROG) oder

— Eignungsgebieten in Kombination mit Vorranggebietensteuern.

2.4 Flächennutzungs- und Bebauungspläne Die Bauleitplanung in Form der Aufstellung und Änderung

von Flächennutzungsplänen und ggf. konkretisierenden Be-bauungsplänen obliegt nach Artikel 28 GG i. V. m. § 2 BauGBder Planungshoheit der Städte und Gemeinden. Bauleitplänesind in eigener Verantwortung der Städte und Gemeinden auf-zustellen. Sie sind den Zielen des LROP und den Zielen derRegionalen Raumordnungsprogramme anzupassen (§ 1 Abs. 4BauGB). Grundsätze und sonstige Erfordernisse der Raumord-nung sind in die Abwägung einzustellen.

2.5 Rechtsprechung für die Planung Die Rechtsprechung hat in den letzten Jahren zahlreiche

Kriterien und Anforderungen an die Ausweisung von Flächenzur Windenergienutzung in der Regional- und Bauleitplanungformuliert und konkretisiert. Dabei standen Fragestellungenrund um die Flächennutzungsplanung mit Konzentrations-wirkung gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB (sog. Konzentrati-onsplanung), die zugleich mit dem Ausschluss von Winden-

ergieanlagen außerhalb der zugewiesenen Flächen im Außen-bereich (§ 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB) verbunden ist, im Mittel-punkt.

Das BVerwG hat mit seinen Urteilen vom 13. 12. 2012(4 CN 1/11, 4 CN 2/11) und vom 11. 4. 2013 (4 CN 2/12) dieAnforderungen an eine wirksame Konzentrationsplanungweitgehend präzisiert. Der Planungsträger hat demnach imRahmen eines schlüssigen, den gesamten Planungsraum be-trachtenden Konzepts der Windenergie substanziell Raum zuverschaffen. Dabei hat er zu unterscheiden zwischen hartenTabuzonen, in denen die Errichtung und der Betrieb von Win-denergieanlagen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründenausgeschlossen ist, und weichen Tabuzonen, in denen Wind-energieanlagen zwar möglich, aber nach den planerischenVorstellungen (auf Basis einheitlicher Kriterien für den ge-samten Planungsraum) nicht errichtet werden sollen. Dieletztlich ausgewiesenen Gebiete müssen aus rechtlichen undtatsächlichen Gründen für die Errichtung und den Betrieb vonWindenergieanlagen geeignet sein und dürfen keine Verhin-derungsplanung darstellen. Eine möglichst hohe Windhöffig-keit ist sowohl für einen wirtschaftlichen Anlagenbetrieb alsauch eine effiziente Windenergienutzung von grundlegenderBedeutung.

2.6 Der Windenergie substanziell Raum geben Entsprechend diesen Vorgaben der Rechtsprechung wird

der Windenergie im Rahmen der Abwägung beispielsweisedann substanziell Raum verschafft, wenn die Summe der Vor-rang-/Eignungsgebiete oder Konzentrationsflächen für dieWindkraft mit Ausschlusswirkung für andere Nutzungen ineinem solchen Verhältnis zum gesamten Planungsraum ab-züglich der Flächen für harte Tabuzonen steht, dass der vomBundesgesetzgeber gewollten Privilegierung der Windkraft-nutzung gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB hinreichend Rech-nung getragen wird. Dies kann durch entsprechende Fest-legungen in den Regionalen Raumordnungsprogrammen und/oder Darstellung im Flächennutzungsplan umgesetzt werden.

2.7 Zielvorgabe für die Planung Zur Verwirklichung des Landesziels, bis 2050 mindestens

20 Gigawatt (GW) Windenergieleistung Onshore zu installie-ren, kann die Landesregierung (LReg) im LROP Vorgaben zurUmsetzung dieses Ausbauzieles als verbindliches Planungs-ziel für die Regionalen Raumordnungsprogramme und bzw.oder die gemeindlichen Bauleitpläne festlegen. Von dieserMöglichkeit macht die LReg vorerst keinen Gebrauch, weilder geltende planungsrechtliche Rahmen ausreicht, um diesesAusbauziel zu unterstützen.

Die Berechnungen der Flächenpotenziale für die Windener-gienutzung mithilfe des Geoinformationssystems des MU ha-ben unter Zugrundelegung der sog. „harten Tabuzonen“ (sieheA n l a g e 2) und Ausschluss von FFH-Gebieten und Wald-flächen eine landesweite Potenzialfläche von insgesamt maxi-mal etwa 19,1 % der Landesfläche ergeben (siehe ggf. Erläute-rung in A n l a g e 1). Derzeit ist davon auszugehen, dass fürdie Realisierung von 20 GW im Jahr 2050 ca. 4 000 bis 5 000Anlagen oder ein Flächenbedarf von mindestens 1,4 % derLandesfläche*) und bezogen hierauf rd. 7,35 % der Potenzial-fläche erforderlich ist (rd. 67 000 ha).**)

**) Nach Mitteilung des DEWI zeigen aktuelle Untersuchungen, dassder Flächenbedarf für die Planung neuer Windparks derzeit in ei-ner Größenordnung von 3,7 ha/MW oder 0,27 MW/ha liegt. DieseWerte wurden anhand von Konzentrationszonen ermittelt, in de-nen lediglich der Turm der Windenergieanlagen sich innerhalbder ausgewiesenen Fläche befinden musste, die von den Flügelnüberstrichene Fläche sich dagegen auch außerhalb befinden durf-te. Die erhoffte gerichtliche Klärung durch das OVG Lüneburg, obdie gesamte von den Flügeln überstrichene Fläche innerhalb einerKonzentrationszone liegen muss oder lediglich der Mast der An-lage, hat mit dem Urteil vom 3. 12. 2014 — 12 LC 30/12 — zurFlugsicherung nicht stattgefunden. Unabhängig von der zu erwar-tenden Weiterentwicklung der WEA-Technologie (größerer Rotorbei gleichbleibender Nennleistung, etc.) ist nach Einschätzung desDEWI zu erwarten, dass der Flächenbedarfswert von Windparks— je nach Flächenzuschnitt und der projektspezifischen Situationam Standort — auch in Zukunft im Bereich 3 bis 4 ha/MW oder0,25 bis 0,34 MW/ha liegen wird, da bestimmte Mindestabständezwischen den Windenergieanlagen in einem Windpark einzuhal-ten sind. Sollte sich aus künftiger weiterer Rechtsprechung hierzuergeben, dass die Anlagen vollumfänglich innerhalb der ausgewie-senen Konzentrationszonen liegen müssen, wird sich ein höhererFlächenbedarf ergeben.

**) Der tatsächliche Flächenbedarf (Fundament, Zuwegung) beträgtmit etwa 0,5 ha/Anlage nur etwa 2 000 ha, was ca. 0,04 % der Lan-desfläche entspricht.

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Für die Träger der Regionalplanung und Gemeinden bedeu-tet dies, dass sie mindestens 7,35 % ihrer jeweiligen Potenzial-fläche (siehe Anlage 1) als Vorranggebiete für die Windener-gienutzung vorsehen müssten. Dabei sind planerisch bereitsausgewiesene Flächen für die Windenergienutzung einzu-rechnen. Die Tabelle 1 (Anlage 1) gibt den Trägern der Regio-nalplanung richtungsweisend einen Überblick über die jewei-lige Potenzialfläche im Planungsraum, die sich nach Abzugvon harten Tabuzonen, FFH-Gebieten und Waldflächen er-gibt, sowie das daraus jeweils abgeleitete 7,35 %-Ziel nachderzeitigem Stand.

Grundsätzlich ist dabei das Repowering-Potenzial in Nie-dersachsen möglichst umfänglich zu nutzen, um zusätzlichenFlächenverbrauch zu begrenzen.

2.8 Harte Tabuzonen Als Hilfestellung für die Regionalplanung bei der Kategori-

sierung der Tabuzonen und bei den einzelnen Arbeits- undAbwägungsschritten zur Ausarbeitung einer wirksamen Kon-zentrationsplanung hat das ML zusammen mit dem Nieder-sächsischen Landkreistag die „Arbeitshilfe Regionalplanungund Windenergie — Arbeitshilfe zur Steuerung der Wind-energienutzung mit Ausschlusswirkung in Regionalen Raum-ordnungsprogrammen (Kategorisierung harte und weiche Ta-buzonen)“ vom 15. 11. 2013 herausgegeben. Den Trägern derRegionalplanung in Niedersachsen wird empfohlen, diese Ar-beitshilfe (Stand 15. 11. 2013) im Hinblick auf die Durchfüh-rungswege der Planung (I. Einführung) heranzuziehen undhierbei i. S. einer möglichst rechtssicheren Planung dem dortdargestellten Weg 3 („harte Tabuzonen plus Potenzialflä-chen“) zu folgen.

Ein Überblick zu harten Tabuzonen nach derzeitiger Sach-und Rechtslage ist der Tabelle 3 (Anlage 2) zu entnehmen.

2.9 Angestrebte EntwicklungenDarüber hinaus soll eine planungsrechtliche Ausweisung

von Vorrang- oder Eignungsgebieten für Windenergieanlagenin folgenden Gebieten nicht vorgesehen werden:— Entwicklungszonen der gesetzlich festgesetzten Biosphä-

renreservate,— festgesetzte, ausgewiesene oder einstweilig sichergestell-

ten Naturdenkmale und geschützte Landschaftsbestandteile,— gesetzlich geschützte Biotope gemäß § 30 BNatSchG sowie

§ 24 NAGBNatSchG,— FFH- und Vogelschutzgebieten, soweit nicht bereits durch

Tabelle 2 abgedeckt (einschließlich von Funktionsräumen,um eine Verriegelung des Gebiets und eine Barrierewir-kung bei Flugbewegungen zu vermeiden, OVG Münster,Urteil vom 3. 8. 2009 — 8 A 4062/04 —); innerhalb dieserGebiete ist das Repowering von in den Gebieten liegendenAltanlagen möglich, wenn die Einrichtung und der Betriebnicht zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets inseinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maß-geblichen Bestandteilen führen.

Generelle Abstände zu diesen und nachfolgend behandel-ten Landschaftsschutzgebieten sind (naturschutz-)rechtlichnicht vorgesehen und auch landesseitig nicht vorgegeben oderbeabsichtigt, Abstände können aber gleichwohl im Einzelfallunter Berücksichtigung des konkreten Schutzzwecks nachAbwägung der Belange geboten sein.

2.10 Weiche Tabuzonen Weiche Tabuzonen können bei geeigneter Ausgestaltung

durch ihre Berücksichtigung der regionalen Besonderheiteneine effiziente Nutzung der Windenergie bei gleichzeitig best-möglicher Erfüllung der verschiedenen natur-, arten- und im-missionsschutzrechtlichen sowie sonstigen Schutzzweckeunterstützen. Da der Windenergie substanziell Raum zu ge-ben ist, dürfen sie jedoch nicht zur Verhinderung der Wind-energie eingesetzt werden. Weiche Tabuzonen im Rahmender Planung bedürfen daher einer sensiblen, sorgfältigen Prü-fung im Hinblick auf den konkreten Planungsraum. Eine un-geprüfte, unbegründete Übernahme pauschaler Mindestab-stände aus anderen Plänen, Arbeitshilfen oder anderen Quel-len ist nicht zulässig. Vielmehr muss eine Pauschalierung i. S.der Rechtsprechung aus den Erfordernissen/Gegebenheitendes jeweiligen Planungsraums abgeleitet werden. Insofern gibtes auch keine landesweite verbindliche Vorgabe für einen be-stimmten Siedlungsabstand.

Im Ergebnis des Planungsprozesses muss eine ausreichendgroße Fläche für die Windenergienutzung verbleiben. Sofernder Planungsträger im Rahmen der Prüfung erkennt, dassnach

1. Abzug der harten Tabuzonen und2. Abzug der von ihm gewählten weichen Tabuzonen und3. Durchführung der flächenbezogenen Abwägung auf den

verbleibenden Potenzialflächenmit den resultierenden durchsetzungsfähigen Konzentrations-zonen der Windenergienutzung nicht substanziell Raum ver-schafft würde, muss er die weichen Tabuzonen und dieflächenbezogene Abwägung nochmals überprüfen und ggf.abändern.

2.11 Gesetzlich geschützte Biotope, Naturdenkmale, geschützteLandschaftsbestandteile

In gesetzlich geschützten Biotopen (§ 30 BNatSchG, § 24NAGBNatSchG), Naturdenkmalen (§ 28 BNatSchG, § 21NAGBNatSchG) und geschützten Landschaftsbestandteilen(§ 29 BNatSchG, § 22 NAGBNatSchG) sind Windenergieanla-gen aufgrund der gesetzlichen Verbote der Zerstörung oder er-heblichen Beeinträchtigung in der Regel ausgeschlossen. Sieschließen jedoch eine Überplanung dieser kleinflächigen Be-reiche durch ein Vorrang-/Eignungsgebiet oder eine Konzen-trationszone nicht aus. Die Vereinbarkeit mit den geschütztenBereichen ist dann im Wege der immissionsschutzrechtlichenGenehmigung über eine entsprechende Standortwahl, Aus-gleichsmaßnahmen etc. sicherzustellen. Auf die gesetzlich ge-schützten Biotope, Naturdenkmale und geschützten Land-schaftsbestandteilen ist bereits in der Begründung zur Regio-nal- und Bauleitplanung geeignet hinzuweisen.

2.12 Landschaftsschutzgebiete — Vermeidung von wider-sprüchlichen Festsetzungen

Bei großflächiger Betroffenheit oder der (teilweisen) Funkti-onslosigkeit eines Landschaftsschutzgebiets (vgl. BayerischerVGH, Urteil vom 14. 1. 2003 — 1 N 01.2072 —) durch dieRealisierung der Planung ist eine Änderung der Schutzge-bietsverordnung erforderlich, bevor ein Flächennutzungs-plan beschlossen oder eine Festlegung durch das RegionaleRaumordnungsprogramm getroffen wird. Die Änderung derVerordnung kann in einer teilweisen oder vollständigen Auf-hebung bestehen. Eine Änderung der Verordnung kann fernerdadurch erfolgen, dass das Schutzgebiet in Zonen mit einementsprechend dem jeweiligen Schutzzweck abgestuften Schutzgegliedert wird (§ 22 Abs. 1 Satz 3 BNatSchG). Die Zonierungermöglicht z. B. die Freigabe von Teilflächen für die Winden-energienutzung, sofern keine oder weniger starke Interessen-konflikte zwischen der Windenergie und dem Schutzzweckder Verordnung bestehen, ohne die Teilfläche aus demSchutzgebiet herauszunehmen.

2.13 Einwirkungen in FFH- und Vogelschutzgebiete Im Rahmen der Regionalplanung sind die Vorschriften des

Naturschutzrechts, insbesondere § 34 BNatSchG, anzuwen-den (§ 7 Abs. 6 ROG). Entsprechendes gilt gemäß § 1 a Abs. 4BauGB für die Darstellung von Flächen für die Windenergie-nutzung in Bauleitplänen. In diesen Fällen ist somit die Ver-träglichkeitsprüfung nach § 34 BNatSchG in das Planungs-verfahren zu integrieren. Lässt diese eine erhebliche Beein-trächtigung nicht erwarten, so kommt eine Windenergienut-zung, ggf. i. V. m. Auflagen, in Betracht. Wird eine möglicheBeeinträchtigung eines FFH- und/oder Vogelschutzgebiets fest-gestellt, sind Ausnahmen nach § 34 Abs. 3 BNatSchG möglichund erfordern Kohärenzmaßnahmen. Hierzu wird auf denLeitfaden der EU-Kommission „Wind energy developmentand Natura 2000“ vom Oktober 2010 bzw. die deutsche Fas-sung von Dezember 2012 verwiesen.

2.14 Repowering Mit Fortschreibung des LROP vom 3. 10. 2012 wurde er-

möglicht, dass in den Regionalen Raumordnungsprogrammengeeignete, zusätzliche Vorrang- oder Eignungsgebiete Wind-energienutzung ausschließlich für Repowering-Maßnahmenfestgelegt werden können. An diese Vorgaben des LROP istder Auftrag zur Überprüfung und Fortschreibung der Raum-ordnungskonzepte insbesondere im Hinblick auf vorhandeneHöhenbegrenzungen geknüpft.

Für die Zulässigkeit der Errichtung der Repowering-Anla-gen ist die Sicherstellung des Rückbaus der Altanlagen nach-zuweisen.

2.15 Windenergie und Wald Wald soll nach einem Grundsatz im LROP wegen seiner

vielfältigen Funktionen, insbesondere wegen seiner klima-ökologischen Bedeutung, nicht für die Nutzung der Winden-ergie in Anspruch genommen werden. Flächen innerhalb desWaldes können für Windenergienutzung nur dann in An-spruch genommen werden, wenn

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— weitere Flächenpotenziale weder für neue Vorrang- nochfür neue Eignungsgebiete im Offenland zur Verfügung ste-hen und

— es sich um mit technischen Einrichtungen oder Bautenvorbelastete Flächen handelt.

Vorbelastungen dieser Art finden sich gemäß Begründungzum LROP regelmäßig bei Waldflächen im Bereich von— Industrie- und Gewerbeflächen und -brachen,— Bergbaufolgelandschaften (Halden, Zechengelände),— abgeschlossenen Deponieflächen sowie sonstigen anthro-

pogenen Ablagerungen und Aufschüttungen,— erschöpften Rohstoffabbauflächen,— Kraftwerksgeländen, Großsilos, Raffinerien usw.,— aufgegebenen Gleisgruppen,— Altlastenstandorten,— Munitionsdepots, Munitionsabfüllanstalten, Bunkeranla-

gen und sonstigen Konversionsflächen,— sonstigen infrastrukturell genutzten Sonderstandorten

(z. B. Teststrecken, großflächigen Kreuzungsbauwerken).In besonderen Einzelfällen sind weitere Vorbelastungssitua-

tionen i. S. dieser Regelung denkbar, die eine Abweichungvon obigem Grundsatz rechtfertigen können.

Windwurf, Waldbrand, Schneebruch und Schädlingskala-mitäten stellen dagegen natürliche Schadensereignisse dar,die über waldbauliche Maßnahmen im Rahmen ordnungsge-mäßer Forstwirtschaft behoben werden können.

2.16 Gewerbe- und IndustriegebieteWindenergieanlagen können in Gewerbe- oder Industriege-

bieten (§§ 8, 9 BauNVO) oder in Gebieten, die nach § 34 Abs. 2BauGB als solche zu beurteilen sind, als Gewerbebetriebe oderals Nebenanlagen (§ 14 BauNVO) zulässig sein. Eine Zulässig-keit kann auch auf Versorgungsflächen nach § 9 Abs. 1 Nr. 12BauGB gegeben sein.

3. AnlagenzulassungWindenergieanlagen sind Anlagen i. S. des § 3 Abs. 5

BImSchG und bauliche Anlagen i. S. des § 2 Abs. 1 Satz 1NBauO. Die Art des Genehmigungsverfahrens für deren Er-richtung und Betrieb hängt insbesondere von der Gesamthöheder im konkreten Fall vorgesehenen Anlage ab.

3.1 Genehmigungserfordernisse nach dem BauordnungsrechtInsbesondere in Abhängigkeit von der Höhe der Windener-

gieanlage ergeben sich nach der NBauO folgende zu unter-scheidende Genehmigungserfordernisse:3.1.1 Keine Verfahrensfreistellung (§ 60 Abs. 1 NBauO)

In Niedersachsen ist insbesondere im Hinblick auf mögli-che Beeinträchtigungen der Nachbarn und als Schutz der Bau-herrin oder des Bauherrn vor Fehlinvestitionen zurzeit keineWindenergieanlage verfahrensfrei gestellt.3.1.2 Genehmigungsfreistellung (§ 62 NBauO)

In Gewerbe- und Industriegebieten für bauliche Anlagennach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 oder 3 NBauO bis 30 m Höheoder als Nebenanlage nach Nr. 4 ist jeweils unter den in § 62NBauO genannten Voraussetzungen — insbesondere wenn sieden Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widersprechen— ein Teil der Windenergieanlagen genehmigungsfrei ge-stellt. Sind die Voraussetzungen erfüllt, ist eine entsprechen-de Mitteilung bei der Gemeinde einzureichen.3.1.3 Vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren (§ 63 NBauO)

Für Windenergieanlagen bis zu einer Gesamthöhe von 30 mist ansonsten ein vereinfachtes Baugenehmigungsverfahrennach § 63 NBauO erforderlich. Im Rahmen dieses vereinfach-ten Verfahrens prüft die Bauaufsichtsbehörde nur die Verein-barkeit der Bauvorlagen mit dem städtebaulichen Planungs-recht, den §§ 5 bis 7, 33 Abs. 2 Satz 3 und den §§ 47 und 50NBauO und den sonstigen Vorschriften des öffentlichen Bau-rechts i. S. des § 2 Abs. 16 NBauO. 3.1.4 Umfangreiches Baugenehmigungsverfahren (§ 64 NBauO)

Windenergieanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 30m sind nach § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 NBauO Sonderbauten undbedürfen deshalb eines Baugenehmigungsverfahrens nach§ 64 NBauO. Ab einer Gesamthöhe von mehr als 50 m ist eineGenehmigung nach dem BImSchG erforderlich, die die Bauge-nehmigung enthält (siehe Nummer 3.2). Dabei prüft die Bau-aufsichtsbehörde die Vereinbarkeit der Bauvorlagen mit demöffentlichen Baurecht. Eine umfangreiche bauaufsichtlichePrüfung erfolgt gemäß § 2 Abs. 5 Satz 2 NBauO auch im Ge-nehmigungsverfahren nach dem BImSchG.

3.2 Immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren3.2.1 Vereinfachtes/förmliches Genehmigungsverfahren

Gemäß § 4 BImSchG i. V. m. Nummer 1.6 des Anhangs 1der 4. BImSchV sind Windenergieanlagen als Sonderbautenimmissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig, sobald sieeine Gesamthöhe von mehr als 50 m haben.

Im Regelfall sind sie im vereinfachten Genehmigungsver-fahren nach § 19 BImSchG, d. h. in einem Verfahren ohne Öf-fentlichkeitsbeteiligung zuzulassen. Ein Verfahren mit Öffent-lichkeitsbeteiligung (förmliches Genehmigungsverfahren) fin-det aber statt, wenn eine Umweltverträglichkeitsprüfung nachden Regelungen des UVP-Rechts erforderlich ist — sei es imErgebnis einer Vorprüfung des Einzelfalles (vgl. § 2 Abs. 1Buchst. c der 4. BImSchV) oder sei es, dass ein Windpark mit20 oder mehr Windenergieanlagen errichtet werden soll (Num-mer 1.6.1 des Anhangs 1 der 4. BImSchV, Nummer 1.6.1 derAnlage 1 UVPG). Außerdem ist ein Verfahren mit Öffentlich-keitsbeteiligung auf Antrag des Trägers des Vorhabens durch-zuführen. Ein solches Vorgehen ist vor allem dann zuerwägen, wenn das Vorhaben in der Nachbarschaft umstrittenist. Die Beteiligung der Öffentlichkeit im Genehmigungsver-fahren kann helfen, Konflikte zu glätten und bietet dem An-tragsteller eine erhöhte Rechtssicherheit aufgrund der denEinwenderinnen und Einwendern vorgegebenen Einwen-dungs- und Rechtsmittelfristen.3.2.2 Konzentrationswirkung

Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errich-tung und zum Betrieb einer Anlage, wie auch die Genehmi-gung zur Änderung einer bestehenden Anlage (hierzu sieheNummer 3.2.4), schließt andere, die Anlage betreffende be-hördliche Entscheidungen, ein (sog. Konzentrationswirkung).Entscheidungen, die von dieser Grundregel nach § 13 BImSchGausgenommen sind, wie z. B. Planfeststellungen oder wasser-rechtliche Erlaubnisse und Bewilligungen, betreffen die Er-richtung von Windenergieanlagen in der Regel nicht. Diemaßgeblichen materiell-rechtlichen Anforderungen an Zulas-sungsentscheidungen aus anderen öffentlich-rechtlichen Vor-schriften gelten im immissionsschutzrechtlichen Genehmi-gungsverfahren weiter uneingeschränkt, jedoch bedarf eshierfür keines eigenen Verwaltungsverfahrens und keines ei-genen Verwaltungsaktes. Darüber hinaus dürfen andere öf-fentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeits-schutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nichtentgegenstehen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG).3.2.3 Vorbescheid/Vorzeitiger Beginn

Ähnlich wie im Baurecht mit einem Bauvorbescheid die Be-baubarkeit eines Grundstücks vorab geklärt werden kann,kann es auch im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungs-verfahren ggf. sinnvoll sein, die grundsätzliche Zulässigkeitder Errichtung einer Windkraftanlage an dem ausgewähltenStandort in einem Vorbescheidsverfahren nach § 9 BImSchGvorab zu klären.

Der beschleunigten Umsetzung eines Vorhabens dient dieZulassung des vorzeitigen Beginns (§ 8 a BImSchG). In diesemFall kann schon vor der Genehmigungserteilung mit der Er-richtung der Anlage bis hin zu den erforderlichen Maßnah-men zur Prüfung ihrer Betriebstüchtigkeit begonnen werden.Sie soll von der Genehmigungsbehörde gewährt werden,wenn eine positive Prognose zur Zulässigkeit des Vorhabensgetroffen werden kann, ein öffentliches Interesse oder ein be-rechtigtes Interesse des Antragstellers an dem vorzeitigen Be-ginn besteht und er verbindlich eventuell entstehende Scha-densersatzansprüche aufgrund der Errichtung der Anlage so-wie die Pflicht zur Wiederherstellung des früheren Zustandesübernimmt für den Fall, dass die Genehmigung doch nichtoder nur unter Auflagen erteilt werden kann. 3.2.4 Änderung einer Anlage

Die Änderung einer Anlage kann genehmigungspflichtigoder genehmigungsfrei sein.

Ob der Wechsel des Anlagentyps etc. eine Änderungsge-nehmigung erforderlich macht, wird im Anzeigeverfahrennach § 15 BImSchG entschieden. Dazu sind im Anzeigever-fahren alle Angaben erforderlich, um eine Abschätzung vor-nehmen zu können, ob von der geänderten Anlage schädlicheUmwelteinwirkungen ausgehen können. So wird regelmäßigdarauf zu achten sein, ob die Schall- und Schattenwurfgut-achten der bisher genehmigten Anlage noch zutreffend sind.

Wenn sich aufgrund der beabsichtigten Änderung Auswir-kungen auf die Schutzgüter nach § 1 BImSchG ergeben kön-nen (Menschen, Tiere und Pflanzen, Boden, Wasser, Atmos-

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phäre, Kultur- und sonstige Sachgüter), muss die Änderungmindestens einen Monat im Voraus bei der zuständigen Im-missionsschutzbehörde angezeigt werden. Der Anzeige sinddie erforderlich Unterlagen beizufügen, die es der zuständigenImmissionsschutzbehörde ermöglichen abzuschätzen, ob dasVorhaben genehmigungsfrei durchgeführt werden kann. Wirdüber das Genehmigungserfordernis nicht innerhalb von einemMonat nach Vorlage sämtlicher erforderlicher Unterlagendurch Bescheid entschieden, kann der Träger mit dem Vorha-ben beginnen (vgl. § 15 Abs. 1 BImSchG).

Ob eine Änderung genehmigungspflichtig ist, entscheidetdie Behörde danach, ob mit ihr nachteilige Auswirkungen ver-bunden sind (§ 16 Abs. 1 BImSchG). Der Maßstab der „nach-teiligen Auswirkungen“ ist allein auf die immissionsschutz-rechtlichen Pflichten nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu bezie-hen, also auf die Erfüllung der immissionsschutzrechtlichenGrundpflichten nach § 5 BImSchG sowie von Pflichten, diesich aus immissionsschutzrechtlichen Verordnungen nach§ 7 BImSchG ergeben. Sind diese von der Änderung nachtei-lig betroffen, gilt die Änderung als „erheblich“ und damit alseine wesentliche Änderung.

Keine Anlagenänderung liegt bei Maßnahmen zur Instand-setzung, Reparatur und Unterhaltung einer bestehenden An-lage vor, solange der Status der Anlage wie er sich in derGenehmigung dokumentiert, nicht verändert wird. Sie brau-chen deshalb auch nicht der Behörde angezeigt werden. Um-gekehrt verhält es sich beim sog. Repowering: Hier gehen dieMaßnahmen weit über die Änderung an einer bestehendenAnlage hinaus, sodass es sich um eine genehmigungspflichti-ge Neuerrichtung handelt, selbst wenn sie am selben Standorterfolgen soll.

Hinsichtlich der Art des durchzuführenden Genehmigungs-verfahrens folgt das Änderungsverfahren grundsätzlich demursprünglichen Verfahren: Wurde die Anlage im vereinfach-ten Verfahren gemäß § 19 BImSchG zugelassen, reicht diesesVerfahren auch für das Änderungsverfahren; war ein förmli-ches Genehmigungsverfahren durchzuführen, ist auch bei derAnlagenänderung das förmliche Verfahren angezeigt. Aller-dings kann in diesem Fall auf Antrag des Vorhabenträgers vonder Öffentlichkeitsbeteiligung abgesehen werden, wenn keineerheblichen (d. h. hier: gewichtigen) nachteiligen Auswirkun-gen auf die Umwelt zu besorgen sind (§ 16 Abs. 2 BImSchG).

Darüber hinaus kommt unabhängig von der immissions-schutzrechtlichen Prüfung bei Anlagenänderungen die Ge-nehmigungsbedürftigkeit nach den Vorschriften des jeweilsbetroffenen Fachrechts (insbesondere des Baurechts) in Be-tracht. Ein Wechsel des Anlagentyps bei Windenergieanlagenerfordert nicht immer eine Neugenehmigung. Entscheidendsind die Merkmale des Einzelfalles. Eine Neugenehmigung istimmer dann erforderlich, wenn die Modifikationen derart prä-gend sind, dass sich der Charakter des Kerns der betreffendenAnlage nach Durchführung der „Änderung“ grundlegend an-ders darstellt. Findet kein immissionsschutzrechtliches Ge-nehmigungsverfahren statt, können die betreffenden Ent-scheidungen nicht einkonzentriert werden, sondern sind inden Verfahren des betroffenen Fachrechts zu treffen.

3.2.5 Überwachung

Nach der Abnahmeprüfung einer neu errichteten oder ge-nehmigungspflichtig geänderten Anlage ist sie von der zustän-digen unteren Immissionsschutzbehörde zu überwachen. Wenndie Genehmigungsauflagen eine periodisch wiederkehrendeÜberprüfung einschließlich einer Vor-Ort-Inspektion durcheine sachverständige Person in höchstens vierjährigem Ab-stand vorsehen, kann die behördliche Überwachung auf dieKontrolle der diesbezüglichen Dokumentation eingeschränktwerden. Ist dies nicht der Fall, empfiehlt das MU als obersteImmissionsschutzbehörde des Landes, sich anlassunabhängigmindestens in einem fünfjährigen Turnus mit einer Vor-Ort-Besichtigung vom ordnungsgemäßen Zustand der Anlage undihres Betriebs zu überzeugen. Unberührt hiervon bleiben ex-tern veranlasste Überwachungstätigkeiten etwa aufgrund vonNachbarschaftsbeschwerden, Hinweisen anderer Behördenoder aus Anlass von Betriebsstörungen.

Die Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtli-chen Genehmigung beschränkt sich auf das Zulassungsver-fahren. Ist die Genehmigung erteilt, fällt die Überwachung derRechtskonformität des Anlagenbetriebs hinsichtlich der öf-fentlich-rechtlichen Pflichten und Obliegenheiten des Betrei-bers, die nicht im Immissionsschutzrecht gründen, an dienach den allgemeinen Zuständigkeitsregeln jeweils verant-wortlichen Behörden zurück.

3.3 Umweltverträglichkeitsprüfung3.3.1 Umweltverträglichkeits-Vorprüfung

Die UVP-Vorprüfung des Einzelfalles kann als standortbe-zogene nach § 3 c Satz 2 oder allgemeine Vorprüfung nach § 3 cSatz 1 UVPG durchzuführen sein. Die standortbezogene Vor-prüfung erfasst die gleichzeitige oder sukzessive Errichtungvon drei bis sechs Windenergieanlagen, deren Einwirkungsbe-reiche sich überschneiden und die als zusammengehörenderWindpark oder „Windfarm“ i. S. des UVPG zu betrachten sind.Sie reflektiert den Bezug des Vorhabens auf die Nachbarschaftzu besonders geschützten Gebieten, welche in Nummer 2 derAnlage 2 UVPG aufgelistet sind. Wirken die zu errichtendenWindenergieanlagen nicht auf ein Gebiet nach den Nummern2.3.1 bis 2.3.8 der Anlage 2 UVPG ein, braucht keine Umwelt-verträglichkeitsprüfung vorgenommen zu werden und er-übrigt sich die summarische Prüfung und Bewertung der all-gemeinen Merkmale des Vorhabens und seiner möglichenAuswirkungen.

Die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalles ist bei dergleichzeitigen oder sukzessiven Errichtung von 6 bis maximal19 Windenergieanlagen durchzuführen, die zusammen eine„Windfarm“ bilden. Hier sind neben den Standortkriterienauch die allgemeinen Merkmale des Vorhabens nach Num-mer 1 und die Merkmale seiner möglichen Auswirkungennach Nummer 3 der Anlage 2 UVPG zu beurteilen. In diesummarische Bewertung, ob eine UVP erforderlich ist, ist aucheinzustellen, inwieweit die Prüfwerte für Größe und Leistung,die die Vorprüfung eröffnen, überschritten werden (§ 3 c Satz 4UVPG). Ab 20 Windenergieanlagen, die zusammen eine„Windfarm“ bilden, ist eine UVP obligatorisch durchzufüh-ren.3.3.2 Umweltverträglichkeitsprüfung

Sollen Windenergieanlagen innerhalb des Geltungsbereichseines Bebauungsplans errichtet werden, ist für die Durchfüh-rung der UVP und der UVP-Vorprüfung eines Vorhabens dieUmweltprüfung zu beachten, die in dem vorlaufenden Bebau-ungsplanverfahren nach den Vorschriften des BauGB durch-geführt worden ist. Die UVP im Bebauungsplanverfahrenprüft die Standortverträglichkeit der im Plangebiet zulässigenVorhaben auf Grundlage der im Aufstellungszeitpunkt gelten-den einschlägigen, dem Umweltschutz dienenden Rechtsvor-schriften. Die städtebaulich bedeutsamen Umweltauswirkun-gen der nach dem Bebauungsplan-Entwurf zulässigen Vorha-ben werden in einem Umweltbericht beschrieben und bewer-tet, sodass das Ergebnis der Umweltprüfung in die bauleit-planerische Abwägung zum Beschluss des B-Plans fließt.

Die zeitlich nachfolgende bau- oder immissionsschutzrecht-liche Genehmigung der Errichtung und des Betriebs einer An-lage soll sich demgegenüber auf zusätzliche oder andereerhebliche Umweltauswirkungen des Vorhabens beschränken(§ 17 Abs. 3 UVPG). Hier geht es daher um die spezifischenUmweltauswirkungen des konkret geplanten Objekts wieetwa betriebsbedingte Immissionen oder erhebliche Belästi-gungen der Nachbarschaft oder der Allgemeinheit. Nur inAusnahmefällen, z. B. wenn die Umweltprüfung des B-Plansbestimmte Aspekte bewusst ausgeklammert hat oder wennoder aufgrund zeitlichen Ablaufs zwischen B-Plan-Beschlussund Realisierung des konkreten Vorhabens erhebliche Ände-rungen in der Standortumgebung eingetreten sind, die derUmweltbericht zum B-Plan noch nicht berücksichtigen konn-te, können Aspekte der Standortverträglichkeit nachholendbei der UVP und entsprechend auch bei der UVP-Vorprüfungberücksichtigt werden.

Die Umweltprüfung in der Bauleitplanung und die im er-läuterten Sinne eingeschränkte UVP im Anlagen-Zulassungs-verfahren sind gemäß § 2 Abs.1 Satz 4 UVPG zu einerGesamtbewertung aller Umweltauswirkungen zusammenzu-fassen. Diese Gesamtbewertung kann nur in der UVP in demabschließenden anlagenbezogenen Zulassung erfolgen und istvon der nach § 12 UVPG zuständigen Behörde vorzunehmen.

3.4 Materiellrechtliche Anforderungen3.4.1 Immissionsschutzrechtliche Anforderungen3.4.1.1 Immissionsschutzrechtliche Zulassungsvoraussetzun-

gen Als oberste Grundpflicht hat der Betreiber einer immissi-

onsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage zu ge-währleisten, dass von der Anlage keine schädlichen Umwelt-einwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteileund erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und dieNachbarschaft hervorgerufen werden (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG)und Vorsorge entsprechend dem Stand der Technik dafür zu

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treffen, dass dieser Schutz gewahrt bleibt (§ 5 Abs. 1 Nr. 2BImSchG). Unter schädlichen Umwelteinwirkungen verstehtdas BImSchG Immissionen als auf seine Schutzgüter — Men-schen, Tiere und Pflanzen, Boden, Wasser, Atmosphäre sowieKultur- und sonstige Sachgüter — einwirkende Luftverunrei-nigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strah-len und ähnliche (physikalisch messbare) Umwelteinwirkun-gen (vgl. § 3 Abs. 3 BImSchG). Immissionen, die ursächlichden Emissionen aus dem Betrieb einer Windkraftanlage zuge-rechnet werden können, kommen insbesondere im Hinblickauf Lärm und Schattenwurf in Betracht.3.4.1.2 Lärmbeurteilung

Die Beurteilung, ob schädliche Umweltauswirkungen odererhebliche Belästigungen durch Geräuschimmissionen zu be-fürchten sind, erfolgt auf Grundlage der Technischen Anlei-tung zum Schutz gegen Lärm — TA Lärm. Es ist dabeientsprechend der in der BauNVO zum Ausdruck kommendenWertung von einer abgestuften Schutzwürdigkeit der ver-schiedenen Baugebiete auszugehen. 3.4.1.3 Feststellung der Lärmemissionen

Antragsteller sollten den Genehmigungsbehörden gesicher-te Datenblätter vorlegen, in denen unabhängige Institute dasGeräuschverhalten der Anlage in allen regulären Betriebszu-ständen mindestens bis zum Erreichen der Nennleistung bele-gen. Die Anforderungen an die Emissionsdaten sind in derTechnischen Richtlinie für Windenergieanlagen, Teil 1: „Be-stimmung der Schallemissionswerte“, Revision 18, Stand:1. 2. 2008 (Herausgeber: FGW, Fördergesellschaft für Wind-energie e. V., Oranienburger Straße 45, 10117 Berlin) be-schrieben. Ergänzend zu den Vorgaben der Technischen Richt-linie FGW werden auch akustische Vermessungen durchMessstellen anerkannt, die ihre Kompetenz z. B. durch dieTeilnahme an regelmäßigen Ringversuchen zur akustischenVermessung von Windenergieanlagen nach TechnischerRichtlinie nachweisen.

Bei der Aufstellung von Prototypen (i. S. des § 6 Abs. 3 Satz 4SDLWindV) ist eine Garantieerklärung des Herstellers unterHeranziehung eines Sicherheitszuschlages von 2 dB auf dengarantierten maximalen Schallleistungspegel als Nachweisausreichend.3.4.1.4 Schallimmissionsprognose

Die Schallimmissionsprognose ist nach Abschnitt A.2 desAnhangs TA Lärm durchzuführen. Bei der Schallausbrei-tungsrechnung nach der E DIN ISO 9613-2 ist das alternativeVerfahren gemäß Absatz 7.3.2 zu verwenden. Bei Anwen-dung der Irrelevanzregelung der Nummer 3.2.1 Abs. 2 TALärm ist zu beachten, dass eine Vielzahl von Einzelanlagen,die auf einen Immissionspunkt einwirken, zu einer relevantenErhöhung des Immissionspegels führen können. In diesemFall ist eine Sonderfallprüfung durchzuführen. Die Irrelevanzeiner Anlage ist dabei im Einzelfall nachzuweisen. Die Ge-samtbelastung durch alle Anlagen darf nicht zu einer Über-schreitung der Immissionsrichtwerte von mehr als 1 dB(A)gemäß Nummer 3.2.1 Abs. 3 TA Lärm führen. Der Beurtei-lungspegel ist als ganzzahliger Wert anzugeben (siehe auchEmpfehlung der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immis-sionsschutz (LAI) der 101. Sitzung, 9. bis 11. 5. 2001). DieRundungsregeln gemäß Nummer 4.5.1 DIN 1333 sind anzu-wenden. Der Immissionsprognose ist grundsätzlich diejenigebestimmungsgemäße Betriebsart zugrunde zu legen, die zudem höchsten Beurteilungspegel führt. Bei pitch-gesteuertenAnlagen ist grundsätzlich das Geräuschverhalten zu berück-sichtigen, welches gemäß der Technischen Richtlinie bei ei-ner Windgeschwindigkeit von 10 m/s in 10 m Höhe über Boden,aber bei nicht mehr als 95 % der Nennleistung ermittelt wur-de. Bei üblichen Nabenhöhen von über 50 m liegt die Windge-schwindigkeit in Nabenhöhe dann bei etwa 12 bis 14 m/s,sodass bei den meisten Anlagen die Leistungsabgabe im Be-reich der Nennleistung liegt. Der maximal zulässige Emissi-onswert ist unter Beachtung des in der Prognose angesetztenEmissionsverhaltens der Anlage festzulegen. Wenn infolgeständig vorherrschender Fremdgeräusche keine zusätzlichenschädlichen Umwelteinwirkungen durch die zu beurteilendeAnlage zu berücksichtigen sind, kann in Anlehnung an dieRegelungen der Nummer 3.2.1 Abs. 5 TA Lärm verfahren wer-den.

Sind keine drei Windenergieanlagen eines Typs vermessen,ist hilfsweise der Immissionswert mit einem Zuschlag von 2 dBi. S. der oberen Vertrauensbereichsgrenze zu versehen.

Nach dem Stand der Technik haben die Emissionen vonneu zu errichtenden Anlagen keine immissionsrelevantenTonhaltigkeiten. Wird dennoch emissionsseitig eine Tonhal-

tigkeit festgestellt, erfolgt die Bestimmung des Beurteilungspe-gels am Immissionsort nach DIN 45681.3.4.1.5 Sicherstellung der Nichtüberschreitung des Immissi-

onsrichtwerts Anhand der Schallimmissionsprognose ist der Nachweis zu

führen, dass unter Berücksichtigung der oberen Vertrauens-grenze aller Unsicherheiten (insbesondere der Emissionsdatenund der Ausbreitungsrechnung) der nach TA Lärm ermittelteBeurteilungspegel mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 % denImmissionsrichtwert der TA Lärm am maßgeblichen Immissi-onsort nicht überschreitet. Soweit neuere Erkenntnisse zumPrognosemodell vorliegen, sind diese zu berücksichtigen. NachErrichtung der Anlage ist durch eine Bescheinigung zu bele-gen, dass die errichtete Anlage in ihren wesentlichen Elemen-ten und in ihrer Regelung mit derjenigen Anlage überein-stimmt, die der akustischen Planung zugrunde gelegt wordenist. Eine Abnahmemessung ist nicht erforderlich, wenn Er-kenntnisse vorliegen, die eine Emissionswertüberschreitungsicher ausschließen. Sollte eine Abnahmemessung erforder-lich sein, ist wie folgt zu verfahren: 3.4.1.6 Abnahmemessung

Der Nachweis gilt als geführt, wenn der im Rahmen der Ab-nahmemessung ermittelte Emissionswert (Schallleistungspe-gel + Tonhaltigkeits- und Impulszuschlag) den der Geneh-migung zugrunde gelegten Emissionswert nicht überschreitet.Es ist also zu prüfen:LWA (Abnahmemessung) + Kl + KT ¼ Le,

wobei Le, max sich ergibt aus:Le, max = Lw + 1,28 *

mit:

LWA (Abnahmemessung): gemessener Schallleistungspegel

Le, max : maximal zulässiger Schallleistungspegel

Lw : Deklarierter (mittlerer) Schallleistungspegel nach An-hang D des Teils 1 der Technischen Richtlinie für Windener-gieanlagen (Revision 18, Stand: 1. 2. 2008)

: Produktionsstreuung nach Anhang D des Teils 1 derTechnischen Richtlinie für Windenergieanlagen (Revision 18,Stand: 1. 2. 2008)

Kl : Impulszuschlag

KT : Tonzuschlag.

Um richtlinienkonforme Emissionsmessungen zu gewähr-leisten, muss jede Anlage mit einer kontinuierlichen Auf-zeichnung geeigneter Betriebsparameter (z. B. Windgeschwin-digkeit in Nabenhöhe, Leistung, Drehzahl) versehen sein. So-fern eine Anlage aus Gründen des Immissionsschutzes nachtsz. B. durch eine Leistungs- oder Drehzahlbegrenzung ge-räuschreduziert betrieben wird, müssen die Betriebsparameterin einer Form gespeichert werden, die rückwirkend für einenZeitraum von wenigstens sechs Monaten den Nachweis dertatsächlichen Betriebsweise ermöglicht. Diese Daten müssender Überwachungsbehörde auf Anfrage zur Verfügung gestelltwerden. Dort sind sie für die Betroffenen entsprechend denVorgaben des Umweltinformationsrechts einsehbar.

Im Rahmen der Abnahmemessung besteht auch die Mög-lichkeit von Immissionsmessungen gemäß Anhang A.3.3.7TA Lärm.3.4.1.7 Tieffrequente Geräusche

Für tieffrequente Geräusche sind in der TA Lärm ausdrück-lich eigene Mess- und Beurteilungsverfahren vorgesehen, diein der DIN 45680, Ausgabe März 1997 und dem zugehörigenBeiblatt 1 festgelegt sind. Für Schallwellen im Infraschallbe-reich unter 8 Hz ist durch Messungen an verschiedenen Anla-getypen nachgewiesen, dass dieser Schall in den für denLärmschutz im hörbaren Bereich notwendigen Abständen un-terhalb der Wahrnehmungsschwelle liegt. 3.4.1.8 Schattenwurf

Bewegter Schattenwurf der Rotorblätter von geringer Dauerist hinzunehmen. Von einer erheblichen Belästigung desMenschen ist erst auszugehen, wenn unter Berücksichtigungder Beiträge aller einwirkenden Windenergieanlagen der tägli-che oder der jährliche Immissionsrichtwert überschrittenwird. Der Immissionsrichtwert für die tägliche Beschattungs-dauer beträgt 30 Minuten, der Immissionsrichtwert für dieastronomisch maximal mögliche jährliche Beschattungsdauerbeträgt 30 Stunden. Dies entspricht einer tatsächlichen Be-schattungsdauer von etwa 8 Stunden pro Jahr.

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Im Fall einer prognostizierten Überschreitung der Immissi-onsrichtwerte ist durch technische Maßnahmen sicherzustel-len, dass die tatsächliche Beschattungsdauer 8 Stunden proJahr und 30 Minuten pro Tag nicht überschreitet. Für weitereEinzelheiten der Bewertung sind die „Hinweise zur Ermitt-lung und Beurteilung der optischen Immissionen von Wind-energieanlagen (WEA-Schattenwurf-Hinweise)“ der LAI vom13. 3. 2002 heranzuziehen (www.lai-immissionsschutz.de).3.4.1.9 „Optisch bedrängende“ Wirkung

Windenergieanlagen können gegen das als unbenannter öf-fentlicher Belang in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB verankerte Ge-bot der Rücksichtnahme verstoßen, wenn von den Drehbe-wegungen der Rotoren eine „optisch bedrängende“ Wirkungauf bewohnte Nachbargrundstücke im Außenbereich ausgeht(vgl. BVerwG, Beschl. vom 11. 12. 2006 — 4 B 72.06 —; BVerwGBeschl. vom 23. 12. 2010 — 4 B 36.10 —; OVG Münster, Urteilvom 9. 8. 2006 — 8 A 3726/05 —; Bayerischer VGH, Urteil vom29. 5. 2009 — 22 B 08.1785 —). Ob von einer Windenergiean-lage eine optisch bedrängende Wirkung auf eine Wohnbebau-ung ausgeht, ist stets anhand der Umstände des Einzelfalleszu prüfen. Zu berücksichtigende Bewertungskriterien sindbeispielsweise Höhe, Rotordurchmesser und Standort derWindenergieanlage, Lage von Aufenthaltsräumen und Fens-tern zur Anlage, Sichtverschattungen, Stellung des Rotors un-ter Berücksichtigung der Hauptwindrichtung, Blickwinkel, Vor-belastung durch bestehende Anlagen etc. (siehe OVG Müns-ter, Urteil vom 9. 8. 2006 — 8 A 3726/05 —).

Nach der Rechtsprechung lassen sich unter Berücksichti-gung dieser Bewertungskriterien für die Ergebnisse der Einzel-fallprüfungen grobe Anhaltswerte prognostizieren: Ist der Ab-stand zwischen einem Wohnhaus und einer Windenergiean-lage geringer als das Zweifache der Gesamthöhe der Anlage,dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu einer dominan-ten und optisch bedrängenden Wirkung der Anlage gelangen.Beträgt der Abstand das Zwei- bis Dreifache der Gesamthöheder Anlage, bedarf es regelmäßig einer besonders intensivenPrüfung des Einzelfalles. Diese vom OVG NRW aufgestelltenRegeln sind Faustformeln, die eine bestimmte Würdigung derUmstände nahe legen, aber die Prüfung des konkreten Einzel-falles nicht entbehrlich machen (siehe auch BVerwG, Beschl.vom 23. 12. 2010 — 4 B 36/10 —).

Weitere Einzelheiten zu den Voraussetzungen für eine im-missionsschutzrechtliche Genehmigung werden in Nummer 6„Spezialregelungen“ ausgeführt.3.4.2 Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit3.4.2.1 Bauplanungsrechtliche Zulässigkeitsvoraussetzungen

(§§ 30 bis 37 BauGB)§ 29 BauGB definiert den Begriff des planungsrechtlich rele-

vanten Vorhabens. Liegt ein Vorhaben i. S. des § 29 BauGBwie z. B. bei der Errichtung einer Windenergieanlage vor, sosind die — im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungs-verfahren und im Baugenehmigungsverfahren zu beachten-den — bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungender §§ 30 bis 37 BauGB zu beachten. Das BauGB unterschei-det im Wesentlichen drei Bereiche: Gebiete mit qualifiziertemBebauungsplan (§ 30 BauGB), im Zusammenhang bebauteOrtsteile (§ 34 BauGB) und Außenbereich (§ 35 BauGB). Überdie Zulässigkeit des Vorhabens entscheidet die Genehmigungs-behörde gemäß § 36 BauGB im Einvernehmen mit der Ge-meinde.

Als selbständige Anlagen sind Anlagen, die der Erforschung,Entwicklung oder Nutzung der Windenergie dienen, gemäߧ 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB im Außenbereich privilegiert. EineWindenergieanlage ist damit im Außenbereich zulässig, so-fern die ausreichende Erschließung gesichert ist und öffentli-che Belange nicht entgegenstehen.3.4.2.2 Entgegenstehen öffentlicher Belange (§ 35 Abs. 3 BauGB)

Der Errichtung einer Windenergieanlage im Außenbereichkönnen im Einzelfall öffentliche Belange entgegenstehen. Alsöffentliche Belange können insbesondere § 35 Abs. 3 Satz 1Nrn. 1 bis 8 BauGB entgegenstehen, beispielsweise wenn dasVorhaben mit Belangen des Naturschutzes und der Land-schaftspflege (Nr. 5) oder der Funktionsfähigkeit von Funk-stellen und Radaranlagen (Nr. 8) nicht vereinbar ist. Aller-dings führt nicht jede Beeinträchtigung öffentlicher Belangezur Unzulässigkeit des Vorhabens. Es muss vielmehr eine ein-zelfallbezogene Abwägung zwischen den berührten öffentli-chen Belangen in Hinblick auf das Vorhaben stattfinden.Dabei fällt die Privilegierung zugunsten des Vorhabens ins Ge-wicht.

Darüber hinaus stehen öffentliche Belange der Errichtungeiner Windenergieanlage in der Regel auch dann entgegen, so-

weit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oderals Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle(Konzentrationszone) erfolgt ist (§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB).

Innerhalb einer im Flächennutzungsplan dargestellten Kon-zentrationszone dürfen die Belange des § 35 Abs. 3 Satz 1BauGB, die bereits im Rahmen der Planung abgewogen wor-den sind, bei der Entscheidung über die Zulassung einer Win-denergieanlage nicht wieder als Genehmigungshindernisaktiviert werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. 5. 2010 —4 C 7/09 —). Es ist dabei davon auszugehen, dass im Rahmender Darstellung von Konzentrationszonen sämtliche, mit derWindenergienutzung konkurrierenden Belange bei der Flä-chennutzungsplanung abschließend mit abgewogen wordensind, weil die Konzentrationswirkung nur eintritt, wenn sicher-gestellt ist, dass sich die Windenergienutzung innerhalb dereigens für sie dargestellten Zone durchsetzt (BVerwG, Urteilvom 17. 12. 2002 — 4 C 15/01 —). Entgegenstehende Belangewerden deswegen für Windenergieanlagen in Konzentrations-zonen nur relevant, sofern sie auf der Ebene der Bauleitpla-nung noch nicht berücksichtigt werden konnten.3.4.2.3 Rückbauverpflichtung

Nach § 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB ist für Vorhaben nach § 35Abs. 1 Nrn. 2 bis 6 BauGB als weitere Zulässigkeitsvorausset-zung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhabennach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzu-bauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen. Rückbau ist dieBeseitigung der Anlage, welche der bisherigen Nutzung dien-te und insoweit die Herstellung des davor bestehenden Zu-standes. Zurückzubauen sind grundsätzlich alle ober- undunterirdischen Anlagen und Anlagenteile sowie die zugehöri-gen Nebenanlagen wie Leitungen, Wege und Plätze und sons-tige versiegelte Flächen. Die durch die Anlage bedingte Bo-denversiegelung ist so zu beseitigen, dass der Versiegelungsef-fekt, der z. B. das Versickern von Niederschlagswasser beein-trächtigt oder behindert, nicht mehr besteht.

Die rechtlich vorgesehene Rückbauverpflichtung nach § 35Abs. 5 Satz 2 BauGB soll die Genehmigungsbehörde z. B.durch Baulast oder beschränkt persönliche Dienstbarkeit(wenn die Grundstückseigentümerin oder der Grundstücksei-gentümer selbst Bauherrin oder Bauherr ist) oder in andererWeise (z. B. Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft, Versi-cherungslösung etc.) sicherstellen. Die Sicherheitsleistung sollden Rückbau der Windenergieanlage einschließlich des denBoden versiegelnden Fundaments am Ende der voraussichtli-chen Lebensdauer der Anlage vollständig abdecken.

Die Höhe der Sicherheitsleistung ergibt sich in der Regelaus der FormelNabenhöhe der WEA [m] x 1000 [Euro/m] = Betrag der Sicher-heitsleistung [Euro].

In begründeten Einzelfällen, d. h. bei Vorliegen außerge-wöhnlicher Konstellationen, kann eine abweichende Bemes-sung der Sicherheitsleistung vorgenommen werden.

Der Betrag der Sicherheitsleistung ist so kalkuliert, dass erdie im Zusammenhang mit den Rückbauaufwendungen anfal-lende Umsatzsteuer enthält.3.4.3 Bauordnungsrechtliche Anforderungen3.4.3.1 Technische Baubestimmungen

Die oberste Bauaufsichtsbehörde kann Regeln der Technik,die der Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Anforderungendes § 3 NBauO dienen, als Technische Baubestimmungen imNds. MBl. bekanntmachen. Dies erfolgt regelmäßig in der„Liste der technischen Baubestimmungen“. Die TechnischenBaubestimmungen sind nach § 83 Abs. 2 NBauO einzuhalten.Hierunter sind u. a. die Bemessungsregelungen zum Nach-weis der Standsicherheit von Turm und Gründung zu verste-hen (siehe Nummer 3.4.3.3).3.4.3.2 Bauprodukte und Bauarten

Weiterhin ist § 17 NBauO zu beachten, wonach Herstel-lung, Überwachung und Kennzeichnung von Bauproduktenbestimmten Regelungen unterliegen. Danach sind insbeson-dere die in den vom Deutschen Institut für Bautechnik her-ausgegebenen Bauregellisten A oder B veröffentlichten, alsTechnische Baubestimmungen geltenden, technischen Regelnheranzuziehen und auch die im ABl. der EU auf Grundlageder Bauproduktenverordnung (Verordnung (EU) Nr. 305/2011des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. 3. 2011zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermark-tung von Bauprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 89/106/EWG des Rates; ABl. EU Nr. L 88, S. 5) bekannt gemach-ten Produktennormen zugrunde zu legen. Mit Hilfe dieserProduktnormen sind geregelte Bauprodukte verwendbar. Aber

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auch ungeregelte Bauprodukte können mit einer erteilten All-gemeinen bauaufsichtlichen Zulassung oder einer EuropäischTechnischen Bewertung verwendet werden.

Für innovative Bauprodukte oder Bauarten, für die keinebekannt gemachten Technischen Baubestimmungen oder Zu-lassungen existieren oder falls von solchen wesentlich abge-wichen werden soll, ist eine Zustimmung im Einzelfall nach§ 20 oder § 21 NBauO bei der obersten Bauaufsichtsbehördezu beantragen.

Bauprodukte sind entweder mit dem Übereinstimmungs-zeichen (Ü-Zeichen) und/oder dem Konformitätszeichen derEuropäischen Union (CE-Zeichen) zu kennzeichnen.3.4.3.3 Standsicherheit

§ 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 10 NBauO regelt für Anlagen, die hö-her sind als 10 m, dass ein Nachweis über die Standsicherheitbauaufsichtlich zu prüfen ist. Für kleinere Windenergieanla-gen ist dies nicht erforderlich.

Der Nachweis der Standsicherheit des Turms und der Grün-dung, die Ermittlung der aus der Maschine auf den Turm unddie Gründung wirkenden Schnittgrößen sowie die Anforde-rungen bezüglich Inspektion und Wartung der Anlage zwecksSicherstellung der Standsicherheit des Turms und der Grün-dung über die vorgesehene Entwurfslebensdauer hat nach der„Richtlinie für Windenergieanlagen — Einwirkungen undStandsicherheitsnachweise für Turm und Gründung“ desDeutschen Instituts für Bautechnik Berlin in der jeweils gel-tenden Fassung zu erfolgen. Diese Richtlinie wurde in Nieder-sachsen als Technische Baubestimmung nach § 83 Abs. 2NBauO eingeführt und steht derzeit als Nummer 2.7.9 (nebstAnlagen 2.4/7 und 2.7/12) in der Liste der Technischen Bau-bestimmungen (LTB) (RdErl. des MS vom 30. 12. 2013, Nds.MBl. 2014 S. 211). In der Anlage 2.7/12 der LTB wird auchhinsichtlich der generell erforderlichen gutachtlichen Stel-lungnahmen eines Sachverständigen als Bestandteil der Bau-vorlagen hingewiesen. Geeignete sachverständige Stellen sinddort benannt.

Der Standsicherheitsnachweis umfasst auch die Überprü-fung des gegenseitigen Einflusses benachbarter Windenergie-anlagen oder vergleichbar hoher Bauwerke infolge erhöhterTurbulenzintensität und weist zulässige Abstände der bauli-chen Anlagen untereinander entsprechend der Richtlinie fürWindenergieanlagen nach. Bei Unterschreitung der Mindest-abstände nach Abschnitt 7.3.3 der „Richtlinie für Windener-gieanlagen — Einwirkungen und Standsicherheitsnachweisefür Turm und Gründung“ können standsicherheitsrelevanteAuswirkungen in Betracht kommen. Sollen diese Abständeunterschritten werden, ist entsprechend den Hinweisen inAnlage 2.7/12 Nr. 1 der LTB zu verfahren und vom Betreiberder neu hinzukommenden baulichen Anlage nachzuweisen,dass Gefährdungen oder unzumutbare Belästigungen i. S. von§ 12 Abs. 1 oder § 13 NBauO nicht bestehen.3.4.3.4 Typenprüfung

Für einen Teil der zu errichtenden Windenergieanlagenkann die Standsicherheit und die Feuerwiderstandsfähigkeitder Bauteile auf Grundlage der bekannt gemachten Techni-schen Baubestimmungen mit einer Typenprüfung nach § 65Abs. 8 NBauO nachgewiesen werden. Dies ist in einem befri-steten Bescheid festzustellen. Die beschiedene Typenprüfungist bei Vorlage eines Typenprüfberichtes einer hierfür aner-kannten Prüfstelle nicht vollumfänglich zu prüfen. Lediglichdie Gültigkeit der in der Typenprüfung getroffenen Annah-men, z. B. hinsichtlich des Baugrundes, ist von der unterenBauaufsichtsbehörde zu prüfen und die Umsetzung etwaigerAuflagen des Typenprüfberichtes zu überwachen.

Die zugehörigen Konstruktionszeichnungen, soweit sie nichtzum Umfang der Typenprüfung gehören, sind zu prüfen. DieAusführung der Bewehrungsarbeiten und die Montage desTurmes der Anlage sind zu überwachen.3.4.3.5 Baulicher Brandschutz

Für Anlagen von nicht mehr als 30 m Höhe sind gemäß § 65Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 3 Satz 2 NBauO die Anforde-rungen an den Brandschutz bauaufsichtlich nicht zu prüfen.

Für Anlagen mit einer Höhe über 30 m (Sonderbauten) istdie Einhaltung der Anforderungen an den Brandschutz in denBauvorlagen nachzuweisen und durch die Bauaufsichtsbehör-de zu prüfen (§ 65 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 3 Satz 2 Nr. 4NBauO).3.4.3.6 Vorbeugender Brandschutz

In Gebieten mit mittlerem bis hohem Waldbrandrisiko(Landkreise Celle, Gifhorn, Lüchow-Dannenberg, Uelzen, Lüne-burg und Heidekreis) ist aus Gründen des vorbeugenden

Brandschutzes grundsätzlich ein Abstand zu Waldflächen —die mit der Baumart Kiefer bestockt sind und mehr als 5 Hektarumfassen — im Umfang der 1,5-fachen Anlagengesamthöheeinzuhalten. Soll dieser Abstand unterschritten werden, somuss die Windenergieanlage über eine automatische Löschan-lage verfügen, die einen Vollbrand der Gondel wirksam ver-hindern kann.

Zur Waldbrandvorsorge wird in der waldbrandgefährdetenRegion des Ostniedersächsischen Tieflandes (siehe Landkreisein Absatz 1 Satz 1) das Automatisierte Waldbrand-Früherken-nungssystem (AWFS) betrieben, welches mittels hochauflö-sender Kameras eine flächendeckende Überwachung sicher-stellt. Das AWFS und etwaige Funkstrecken für das Systemdürfen durch den geplanten Betrieb der Windenergieanlagennicht erheblich eingeschränkt werden. Eine erhebliche Ein-schränkung liegt vor, wenn es durch den Betrieb der Winden-ergieanlage wiederholt zu Alarmmeldungen kommen würde,die ihre Ursache in der Luftverwirbelung durch die Rotorblät-ter haben, oder die Standortdichte der Windenergieanlagen sogroß wäre, dass die Konturen dahinterliegender Waldflächenfür das AWFS nicht mehr in ausreichender Genauigkeit zu er-kennen sind. Darüber hinaus darf die für die Datenübertra-gung notwendige Funkverbindung nicht beeinträchtigt wer-den. Die Ausübung der Überwachung muss nicht gänzlichausgeschlossen sein, es reicht bereits die zeitweise Störung.Ob eine erhebliche Beeinträchtigung des AWFS zu erwartenist, ist durch einen von der für den Betrieb des AWFS zustän-digen Behörde (ML) bestimmten Gutachter zu prüfen. Soferneine erhebliche Beeinträchtigung zu erwarten ist, müssen imGutachten die Maßnahmen genannt werden, die geeignet sinddie Funktionsfähigkeit (z. B. Installation einer weiteren Kame-ra oder Funkstation) wieder herzustellen. Diese Maßnahmensind als Auflage in den Genehmigungsbescheid aufzuneh-men. Kommt es zu einer Einschränkung, so ist diese auf Kos-ten des Betreibers zu kompensieren. Die Ausführung der dar-gestellten Maßnahmen und die Gewährleistung der Funktio-nalität während der gesamten WEA-Betriebsdauer sind durchden Betreiber sicherzustellen. Für die Anlage oder den Wind-park muss ferner ein Feuerwehrplan nach DIN 14095 erstelltwerden.3.4.4 Abstandsanforderungen3.4.4.1 Abstände

Bei Windenergieanlagen ergeben sich Abstandsforderungenaus mehreren Bereichen. Beim öffentlichen Baurecht sind ins-besondere die NBauO, die in Niedersachsen als TechnischeBaubestimmung eingeführte Richtlinie „Windenergieanlagen;Einwirkungen und Standsicherheitsnachweise für Turm undGründung“, das BauGB und das BImSchG maßgeblich.3.4.4.2 Grenzabstände (§ 5 NBauO)

Windenergieanlagen sind bauliche Anlagen, die Gebäudesein können oder von denen Wirkungen wie von Gebäudenausgehen; sie müssen daher gemäß § 5 Abs. 1 NBauO mit al-len auf ihren Außenflächen oberhalb der Geländeoberflächegelegenen Punkten von den Grenzen des Baugrundstücks Ab-stand halten. Dabei ist auf die Außenflächen der Bauteile derWindenergieanlage in allen möglichen Betriebszuständen ab-zustellen.

Der Abstand zur Grenze beträgt nach § 5 Abs. 2 NBauO0,5 H, mindestens jedoch 3 m. In Gewerbe- und Industriege-bieten sowie in Gebieten, die nach ihrer Bebauung diesen ent-sprechen, beträgt der Abstand 0,25 H, mindestens jedoch 3 m.Die 0,25 H-Regelung nach § 5 Abs. 2 Satz 2 NBauO findet nurfür im Bebauungsplan festgesetzte Gewerbe- und Industriege-biete Anwendung oder wenn sie diesen gemäß § 34 BauGBentsprechen. Auf anderen Planungsebenen festgesetzte Flä-chen (Flächennutzungsplan) oder Vorranggebiete (Regional-planung) sind für die Beurteilung dabei unerheblich.

Der erforderliche Abstand bei einem vorgeschriebenen Ab-standsmaß von 0,5 H ergibt sich bei einer Stellung eines Ro-torblattes von 26,565° gegen die Horizontale. Bei einem vor-geschriebenen Abstandsmaß von 0,25 H ist dagegen eine Ro-torblattstellung gegen die Horizontale von 14,036° maßge-bend (siehe A n l a g e 3).

Eine Abweichung des Drehpunktes der Rotorblätter von derMastachse (Exzentrizität der Rotorebene) vergrößert den vonden Rotorblättern in allen möglichen Betriebsstellungen er-reichbaren Luftraum (Rotationskörper) und ist daher zu be-rücksichtigen.

Aus der mathematischen Herleitung erhält man bei hori-zontalem Gelände gemäß einem nach § 5 NBauO vorgeschrie-benen Abstandsmaß von 0,5 H einen erforderlichen Grenzab-

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stand der Mastachse AM(0,5 H) oder bei einem vorgeschrie-benen Abstandsmaß von 0,25 H einen Grenzabstand vonAM(0,25 H), also den Radius des Kreises um diese Achse, deneine Grenze tangieren darf, genügend genau mit nachstehen-den Formeln (a) oder (b).

Beträgt das vorgeschriebene Grenzabstandsmaß 0,5 H, so gilt

AM(0,5 H) =(e2+(0,8944 . R)2)1/2+0,5 (HN+0,4472 . R) (a),

beträgt das vorgeschriebene Grenzabstandsmaß 0,25 H, so gilt

AM(0,25 H)=(e2+(0,9701 . R)2)1/2 +0,25 (HN+0,2425 . R) (b),

dabei bedeuten: HN Höhe der Nabe über der Geländeoberfläche,R Rotorradius,e Exzentrizität der Rotorebene.

Eine erläuternde grafische Darstellung findet sich in Anlage 3.Hinweise:

Die angegebenen Formeln sind nur maßgeblich zur Abstands-haltung von Windenergieanlagen gemäß § 5 NBauO zu denGrenzen des Baugrundstücks. Forderungen zur Abstandshal-tung aus anderen Bereichen, beispielsweise wegen Eisabwurf-gefahr oder unzumutbaren Beeinträchtigungen, fließen hier-bei nicht ein und wären gesondert zu berücksichtigen.

Einer Unterschreitung dieser Abstände kann die Bauauf-sichtsbehörde im Einzelfall zustimmen, wenn u. a. auch dieBelange der Nachbarn gewürdigt worden sind. Diese Abwei-chung bedarf gemäß § 66 NBauO eines gesonderten Antrags.Des Weiteren ist eine Einbeziehung von Nachbargrundstücken— mit Zustimmung der betroffenen Nachbargrundstückseig-ner und deren Verpflichtung, die Abstandsfläche von Bebau-ung freizuhalten — möglich. Die Verpflichtung ist abzusichern,in der Regel durch Eintragung einer Baulast.3.4.4.3 Abstände wegen Eisabwurfgefahr

Aufgrund der Besonderheiten einer Windenergieanlage mitdrehendem Rotor ergeben sich zudem Forderungen zur Ab-standshaltung wegen Eisabwurfgefahr. Gemäß Anhang 1Nr. 2.7.9 der Liste der Technischen Baubestimmungen ist dieRichtlinie „Windenergieanlagen; Einwirkungen und Standsi-cherheitsnachweise für Turm und Gründung“ in Niedersach-sen eingeführt (RdErl. des MS vom 30. 12. 2013, Nds. MBl.2014 S. 211). In Verbindung mit der dazugehörigen Anlage2.7/12 Nr. 2 gelten Abstände größer als

1,5 x (Rotordurchmesser + Nabenhöhe)

zu Verkehrswegen und Gebäuden im Allgemeinen als ausrei-chend.

Diese Abstände können gleichwohl unterschritten werden,sofern Einrichtungen installiert werden, durch die der Betriebder Windenergieanlage bei Eisansatz sicher ausgeschlossenwerden kann (z. B. Eisansatzerkennungssysteme) oder durchdie ein Eisansatz verhindert werden kann (z. B. Rotorblatthei-zung). Eine gutachtliche Stellungnahme eines Sachverständi-gen zur Funktionssicherheit dieser Einrichtungen ist als Teilder Bauvorlagen vorzulegen. Im Aufenthaltsbereich unter denRotorblättern einer Windenergieanlage mit technischen Ein-richtungen zur Außerbetriebnahme des Rotors bei Eisansatzist durch Hinweisschilder auf die verbleibende Gefährdungdurch Eisabfall bei Rotorstillstand oder Trudelbetrieb auf-merksam zu machen. Detaillierte Anforderungen zur Abwehrvon Gefahren durch Eisabwurf sind in Anlage 2.7/12 Nrn. 2,3.3 und 5 beschrieben. Demnach sind wegen der Gefahr desEisabwurfs Abstände zu Verkehrswegen und Gebäuden unbe-schadet der Anforderungen aus anderen Rechtsbereichen ein-zuhalten, soweit eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheitnicht auszuschließen ist.3.4.4.4 Abstände wegen unzumutbarer Belästigungen

Des Weiteren ist die Abstandshaltung aufgrund von unzu-mutbaren Belästigungen durch Immissionen (Schallschutz,Stroboskopeffekt) zu ermitteln, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3NBauO nicht entstehen dürfen. Dies gilt für kleine wie auchfür große Windenergieanlagen. Im Einzelfall müsste dies durchein Gutachten von Sachverständigen nachgewiesen werden.Die Abstände aufgrund von unzumutbaren Belästigungenkönnen wegen der vielen möglichen Faktoren im Einzelfallhier nicht konkret angegeben werden.

3.5 Schutz bestimmter Teile von Natur und Landschaft, Ein-griffsregelung

Für die Genehmigung von Anlagen kommen die in Num-mer 2.8 benannten harten Tabuzonen nicht in Betracht.

3.5.1 Landschaftsschutzgebiete

In Landschaftsschutzgebieten ist die Genehmigung vonWindenergieanlagen ausgeschlossen, wenn die jeweilige Schutz-gebietsverordnung entsprechende Bauverbote enthält unddies nicht mit dem Schutzzweck gemäß der Schutzgebietsver-ordnung zu vereinbaren ist.

Eine Genehmigung von Anlagen kann in diesen Gebietengleichwohl über eine Befreiung nach § 67 Abs. 1 Nr. 1BNatSchG im Rahmen von Einzelfallentscheidungen möglichsein. Eine solche Befreiung erfordert eine einzelfallbezogeneAbwägung der unterschiedlichen Belange des öffentlichen In-teresses an Naturschutz und Landschaftspflege mit dem öf-fentlichen Interesse an der Umstellung der Energieversorgungauf erneuerbare Energien sowie Beiträgen zum Klimaschutz.Eine Befreiung kann an Auflagen gekoppelt werden. Im Wegeder Befreiung können gleichwohl nur singuläre, keine großflä-chigen Eingriffe zugelassen werden (VGH Baden-Württem-berg, Urteil vom 5. 4. 1990 — 8 S 2303/89 —). In diesenFällen ist es erforderlich, dass die Erteilung einer Befreiungvon den Bestimmungen rechtlich möglich ist, weil objektiveine Befreiungslage gegeben ist und dies unter Beteiligung derzuständigen Naturschutzbehörde festgestellt wurde („Planungin eine Befreiungslage hinein“), (VGH Baden-Württemberg,Urteil vom 13. 10. 2005 — 3 S 2521/04 — Rn. 43). Die Befrei-ung darf nach Umfang und Häufigkeit nicht dazu führen, dassdie Schutzgebietsverordnung gegenstandslos wird oder sie ihrenZweck ganz oder teilweise nicht mehr erreichen kann (Schu-macher/Fischer-Hüflte, Kommentar zum BNatSchG, § 67 An-merkung 5).

Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege ste-hen einem Vorhaben insbesondere dann entgegen, wenn die-ses in nicht durch Ausnahmegenehmigung oder Befreiung zubehebender Weise in Widerspruch zu einer geltenden Land-schaftsschutzverordnung steht (OVG NRW, Urteil vom 5. 9.2006 — 8 A 1971/04 —; ständige Rechtsprechung BVerwG,Beschl. vom 2. 2. 2000 — 4 B 104/99 —). In der Regel werdenWindenergieanlagen in Landschaftsschutzgebieten nur er-richtet werden können, wenn die Verordnung für die betroffe-nen Flächen zuvor verändert oder aufgehoben wurde (siehehierzu Nummer 2.12. „Landschaftsschutzgebiete — Vermei-dung von widersprüchlichen Festsetzungen“).

Eine Windenergienutzung kommt außerdem in Betracht,wenn zu diesem Zweck entsprechende Ausnahmetatbeständein die Landschaftsschutzverordnung aufgenommen wurden.Die Errichtung von Einzelanlagen in Landschaftsschutzgebie-ten kommt insbesondere in Teilbereichen großräumiger Land-schaftsschutzgebiete mit einer im Einzelfall weniger hochwer-tigen Funktion für den Naturschutz und die Landschaftspfle-ge sowie die Erholung in Betracht, soweit die Vereinbarkeitmit der Schutzfunktion des Landschaftsschutzgebiets insge-samt gegeben ist.

3.5.2 Einwirkungen in FFH- und Vogelschutzgebiete

Windenergieanlagen dürfen nicht zu erheblichen Beein-trächtigungen des Schutzzwecks oder der Erhaltungsziele vonFFH-Gebieten und Vogelschutzgebieten führen. Für Winden-ergieanlagen, deren Einwirkungsbereich in diese hineinreichen,ist im Genehmigungsverfahren eine Vorprüfung der FFH-Ver-träglichkeit und ggf. eine FFH-Verträglichkeitsprüfung durch-zuführen.

3.5.3 Abstände zu geschützten Teilen von Natur und Land-schaft

Generelle Abstände zu den in Nummer 2 benannten ge-schützten Teilen von Natur und Landschaft sind (natur-schutz-)rechtlich nicht vorgesehen und auch landesseitignicht vorgegeben oder beabsichtigt. Abstände können abergleichwohl im Einzelfall unter Berücksichtigung des konkre-ten Schutzzwecks nach Abwägung der Belange geboten sein.

3.5.4 Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen

3.5.4.1 Verursacherpflichten

Der Verursacher eines Eingriffs ist gemäß § 15 Abs. 1 und 2BNatSchG verpflichtet, vermeidbare Beeinträchtigungen vonNatur und Landschaft zu unterlassen und unvermeidbare Be-einträchtigungen durch Maßnahmen des Naturschutzes undder Landschaftspflege auszugleichen (Ausgleichsmaßnahmen)oder zu ersetzen (Ersatzmaßnahmen). In den Fällen, in denendie Beeinträchtigungen nicht zu vermeiden oder nicht in an-gemessener Frist auszugleichen oder zu ersetzen sind, der Ein-griff aber gleichwohl zugelassen oder durchgeführt wird, hatder Verursacher Ersatz in Geld zu leisten (Ersatzgeld).

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3.5.4.2 ErsatzzahlungDie Voraussetzungen für die Festsetzung einer Ersatzzah-

lung sind im Fall von Windenergieanlagen in der Regel bezo-gen auf das Landschaftsbild, weniger für Boden, Biotope oderArten gegeben. Kann nur ein Teil der Eingriffsfolgen kompen-siert werden, so ist dieser Teil zu kompensieren und für denübrigen Teil eine Ersatzzahlung festzusetzen. Insgesamt sol-len die Aufwendungen für Kompensationsmaßnahmen undErsatzzahlung 7 % der Investitionssumme nicht überschreiten.Die Investitionskosten umfassen den Kaufpreis für die Anlagesowie die zugehörigen Investitionsnebenkosten. Der Vorha-benträger ist verpflichtet, die Kosten für die Planung und Aus-führung des Vorhabens einschließlich der Beschaffungskos-ten für die Grundstücke nachzuweisen, sofern er eine Über-schreitung der vorgenannten maximalen Aufwendungen fürKompensationsmaßnahmen und Ersatzzahlung geltend ma-chen will.

Das BNatSchG rechnet nur solche Maßnahmen den Aus-gleichs- und Ersatzmaßnahmen zu, die eine Wiederherstel-lung oder mindestens eine landschaftsgerechte Neugestaltungdes Landschaftsbildes bewirken (§ 15 Abs. 2 BNatSchG). EineWiederherstellung lässt sich im Fall von Windenergieanlagenaufgrund ihrer optischen Wirkungen in der Regel nicht errei-chen. Auch eine landschaftsgerechte Neugestaltung ist zu-meist nicht möglich. Diese verlangt, dass ein Zustand herge-stellt wird, der den vorher vorhandenen Zustand in weitestmöglicher Annäherung fortführt, d. h. in gleicher Art, mitgleichen Funktionen und ohne Preisgabe wesentlicher Fakto-ren des optischen Beziehungsgefüges (BVerwG, Urteil vom27. 9. 1990 — 4 C 44.87 —). Entscheidend ist, dass die Wir-kungen des Eingriffsvorhabens selbst in den Hintergrund tre-ten und das Landschaftsbild nicht negativ dominieren oderprägen, sondern unter der Schwelle der Erheblichkeit bleiben.

Scheiden Wiederherstellung und landschaftsgerechte Neu-gestaltung aus, ist eine Ersatzzahlung festzulegen (§ 15 Abs. 6Satz 1 BNatSchG). Die Ersatzzahlung bemisst sich nach dendurchschnittlichen Kosten der nicht durchführbaren Aus-gleichs- und Ersatzmaßnahmen einschließlich der erforderli-chen durchschnittlichen Kosten für deren Planung undUnterhaltung sowie die Flächenbereitstellung unter Einbezie-hung der Personal- und sonstigen Verwaltungskosten (§ 15Abs. 6 Satz 2 BNatSchG). Bemisst sich die Ersatzzahlung nach§ 15 Abs. 6 Satz 2 BNatSchG, sind die erforderlichen durch-schnittlichen Kosten für die Flächenbereitstellung auf derGrundlage der Bodenrichtwerte nach § 196 BauGB festzustel-len.

Sind diese Kosten nicht feststellbar, bemisst sich die Ersatz-zahlung allein nach Dauer und Schwere des Eingriffs und be-trägt höchstens 7 % der Kosten für Planung und Ausführungdes Vorhabens einschließlich der Beschaffungskosten fürGrundstücke (§ 6 Abs. 1 NAGBNatSchG). Die Kosten für eineNetzanbindung sind nur dann in die Berechnung der Ersatz-zahlung einzurechnen, wenn die Anbindung das Landschafts-bild beeinträchtigt.

Die Höhe der Ersatzzahlung muss Dauer und Schwere desEingriffs oder der Eingriffsfolgen berücksichtigen. Die gesetzli-che Obergrenze für die Höhe der Ersatzzahlung wird nur dannauszuschöpfen sein, wenn der Eingriff dauerhaft besonderswertvolle Funktionen oder Werte von Natur und Landschaftzerstört. Hierzu zählen insbesondere solche Funktionen undWerte, die nach den anerkannten Bewertungsmethoden derLandesnaturschutzverwaltung als besonders wertvoll einge-stuft sind. Dazu zählen auch Landschaftsbildeinheiten, dieweitgehend der naturraumtypischen Eigenart entsprechen, imjeweiligen Naturraum von überdurchschnittlicher Bedeutungund frei von einer Vorbelastung sind. Diese Kriterien erfüllenallerdings nur noch sehr wenige Gebiete. Da nicht diese, son-dern vorrangig vorbelastete Bereiche für Windenergieanlagenin Anspruch genommen werden, beträgt die Ersatzzahlungzumeist deutlich weniger als 7 % der Gesamtinvestitionskos-ten. Als dauerhaft zu bewerten ist eine Wirkdauer von 25 Jah-ren und mehr.3.5.4.2.1 Anrechenbarkeit von Abbau oder Eingrünung das

Landschaftsbild störender Anlagen sowie der Vor-nahme bestimmter Bepflanzungen

Die Eingrünung oder der Abbau von baulichen Anlagen(z. B. andere mastenartige Bauwerke, Freileitungen, Ortsrän-der), die das Landschaftsbild stören oder beeinträchtigen, so-wie bestimmte Bepflanzungen können unter Umständen alsBeitrag zur Minderung von Beeinträchtigungen des Land-schaftsbildes gesehen werden. Als geeignete Maßnahmen sindAnpflanzungen in größerer Entfernung zu nennen, die Teileder Windenergieanlage verdecken oder weniger dominant er-

scheinen lassen und damit die Schwere der Beeinträchtigun-gen verringern. Im Nahbereich der Windenergieanlage sollteauf Anpflanzungen, die das Kollisionsrisiko für Vögel oderFledermäuse erhöhen könnten, verzichtet werden.

Möglicherweise kann dies auch erreicht werden mit der Er-gänzung oder Entwicklung naturraumtypischer Landschafts-bestandteile (z. B. lückenhafter Feldgehölze, einer unterbroche-nen Allee usw.), der Wiederherstellung kulturhistorischerLandschaftsbestandteile, der Entwicklung von Randstreifen,die in ein System das Landschaftsbild verbessernder Maßnah-men eingebunden sind.

Die Maßnahmen sind auf Ausgleichs- und Ersatzmaßnah-men für erhebliche Beeinträchtigungen der Leistungs- undFunktionsfähigkeit des Naturhaushaltes anrechenbar, soferneine solche Mehrfachfunktion gegeben ist.

Erfordernis, Art und Umfang und vor allem die Lage derAnpflanzungen müssen nachvollziehbar begründet werden.Nur dann können Maßnahmen auf die Höhe der Ersatzzah-lung angerechnet werden. Der Abzug kann auf der Grundlageplausibler Kostenschätzungen vor Durchführung der Maß-nahmen erfolgen. Nach Vorlage der tatsächlich entstandenenKosten kann der Betrag von der entrichteten Ersatzzahlungabgezogen und erstattet werden.3.5.4.2.2 Bemessung der Ersatzzahlung

Die Einzelheiten zur Bemessung der Ersatzzahlung werdenin einem gesonderten Erlass des MU geregelt, nachdem mögli-che Berechnungsverfahren in einem Dialogprozess unter Be-teiligung der Kommunalen Spitzenverbände und der Wind-energiebranche erörtert wurden. Ziel ist die Entwicklung ei-ner von beiden Seiten getragenen einheitlichen und verbindli-chen Methodik zur Festsetzung der Ersatzzahlung durch dieunteren Naturschutzbehörden in Niedersachsen. 3.5.4.3 Eingriffsbewältigung im Bebauungsplan

Soweit Windenergieanlagen im Geltungsbereich eines qua-lifizierten Bebauungsplanes errichtet werden, ist über dieAusgleichs- und Ersatzmaßnahmen im Rahmen der baurecht-lichen Abwägung abschließend zu entscheiden, die §§ 14 bis17 BNatSchG sind gemäß § 18 Abs. 2 BNatSchG nicht anzu-wenden.

Für Vorhaben im Außenbereich nach § 35 BauGB sowie fürBebauungspläne, soweit sie eine Planfeststellung ersetzen,bleibt die Geltung der §§ 14 bis 17 BNatSchG unberührt.

4. Artenschutz

4.1 Artenschutz Die artenschutzrechtlichen Verbote der §§ 44 ff. BNatSchG

gelten in der Raumordnung, der Regionalplanung und derBauleitplanung nicht unmittelbar. Eine Festlegung bei diesenPlanungen, die wegen entgegenstehender artenschutzrechtli-cher Verbote nicht vollzugsfähig ist, wäre jedoch unwirksam.Insofern ist bereits auf der Planungsebene die Beachtung derartenschutzrechtlichen Voraussetzungen erforderlich.

4.2 Anwendungsbereich Die Verbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG gelten nur dem

Schutz der besonders und streng geschützten Arten. WelcheArten besonders oder streng geschützt sind, ergibt sich aus § 7Abs. 2 Nr. 13 und 14 BNatSchG.

Besonders geschützt sind:— Arten der Anhänge A und B der Verordnung (EG) Nr. 338/97,— Arten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie,— Arten nach Artikel 1 der EU-Vogelschutzrichtlinie,— Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Abs. 1

BNatSchG aufgeführt sind.Streng geschützt ist eine Teilmenge dieser besonders ge-

schützten Arten, und zwar— Arten des Anhangs A der Verordnung (EG) Nr. 338/97,— Arten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie,— Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Abs. 2

BNatSchG aufgeführt sind.

4.3 Tötungs- und Verletzungsverbot (§ 44 Abs. 1 Nr. 1BNatSchG)

Bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanla-gen ist zu prüfen, ob die Möglichkeit einer Tötung oder Verlet-zung aufgrund der Kollision mit Rotoren oder Masten und/oder — bei Fledermäusen — vergleichbar kausaler Unfälle(„Barotrauma“) nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG dem Vorha-ben entgegensteht.

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Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte und derständigen Rechtsprechung des BVerwG ist der Tatbestand desTötungsverbots aufgrund der bei einem Bauvorhaben nie völ-lig auszuschließenden Gefahr von Kollisionen geschützterTiere erst dann erfüllt, wenn das Vorhaben dieses Risiko in ei-ner für die betroffene Tierart signifikanten Weise erhöht. Da-bei sind Maßnahmen, mit denen solche Kollisionen vermie-den werden können, in die Betrachtung einzubeziehen(grundlegend BVerwG, Urteil vom 9. 7. 2008 — 9 A 14.07 —;BVerwG, Urteil vom 28. 3. 2013 — 9 A 22/11 — mit weiterenNachweisen). Die Rechtsprechung des BVerwG zum Tötungs-verbot gilt nicht nur für das Risiko von Kollisionen im Stra-ßenverkehr, sondern auch für Kollisionen durch den Bau vonWindenergieanlagen (BVerwG, Urteil vom 8. 1. 2014 — 9 A 4/13— Rn. 99).

Hiernach ist das Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1BNatSchG individuenbezogen zu verstehen. Es ist schon dannerfüllt, wenn die Tötung eines Individuums der besonders ge-schützten Arten nicht im engeren Sinne absichtlich erfolgt,sondern sich als unausweichliche Konsequenz eines im Übri-gen rechtmäßigen Verwaltungshandelns erweist. Da bei le-bensnaher Betrachtung aber nie völlig auszuschließen ist,dass einzelne Individuen besonders geschützter Arten durchKollisionen mit Windenergieanlagen zu Schaden kommenkönnen, muss dies nach Auffassung des BVerwG als unver-meidlich ebenso hingenommen werden wie Verluste im Rah-men des allgemeinen Naturgeschehens. Daher bedarf es einereinschränkenden Auslegung der Vorschrift dahingehend, dassder Tötungstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG nur er-füllt ist, wenn sich das Tötungsrisiko für die betroffenen Tier-arten durch das Vorhaben in signifikanter Weise erhöht (vgl.BVerwG, Urteil vom 12. 3. 2008 — 9 A 3.06 —; Urteil vom 9. 7.2008 — 9 A 14.07 —; Urteil vom 18. 3. 2009 — 9 A 39.07 — ;Urteil vom 14. 7. 2011 — 9 A 12.10 —; ebenso OVG Lüne-burg, Beschl. vom 18. 4. 2011 — 12 ME 274/10 —; Beschl.vom 25. 7. 2011 — 4 ME 175/11 —; Verwaltungsgericht Han-nover, Urteil vom 22. 11. 2012 — 12 A 2305/11 —).

Das Tötungsverbot ist dann verletzt, wenn das Tötungsrisi-ko durch das Vorhaben „signifikant“, d. h. in qualitativ deutli-cher, bezeichnender oder bedeutsamer Weise erhöht wird.(OVG Lüneburg, Urteil vom 10. 11. 2008, — 7 KS 1/05 — jurisRz. 88). Ein nur theoretisches Tötungsrisiko ist unbeacht-lich.

Das BVerwG stellt in seinem Urteil zur Erläuterung des all-gemeinen Lebensrisikos als Rahmen auf das allgemeine Na-turgeschehen ab, z. B. Opfer einer anderen Art zu werden.

Der Umstand, ob ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko vor-liegt, ist im Einzelfall in Bezug auf die Lage der geplantenMaßnahme, die jeweiligen Vorkommen und die Biologie derArten zu betrachten (Prüfung der Tötungswahrscheinlichkeitim Einzelfall).

Als unvermeidbar sind solche Tierverluste anzusehen, dietrotz geeigneter Vermeidungsmaßnahmen, welche das Tö-tungsrisiko unter die Signifikanzgrenze bringen, auftreten.

Der Signifikanzansatz des BVerwG ist inzwischen flächen-deckend von der obergerichtlichen Rechtsprechung übernom-men worden. Es handelt sich bei dem Begriff der „Signifikanz“um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der juristischenAuslegung bedarf und dessen Konturen bislang noch unscharfsind. Das gilt insbesondere für die Frage, nach welchen Krite-rien zu beurteilen ist, ob die Signifikanzschwelle überschrit-ten wird. Dies ist nicht schon dann der Fall, wenn überhauptTiere der besonders geschützten Arten im Eingriffsbereichvorkommen. Erforderlich ist vielmehr, dass am jeweiligenStandort Bedingungen vorherrschen, die das Risiko der Tö-tung von Individuen der Arten, die ihrer Verhaltensweisenwegen durch den Betrieb von Windenergieanlagen besondersgefährdet sind (siehe hierzu Leitfaden „Umsetzung des Arten-schutzes bei der Planung und Genehmigung von Windener-gieanlagen in Niedersachsen“ (Abbildung 3 zu WEA-empfind-lichen Brut- und Rastvogelarten in Niedersachsen und Abbil-dung 4 WEA-empfindliche Fledermausarten), in einer deutlichspürbaren Weise erhöhen.

Für die Beurteilung der Frage, ob im konkreten Einzelfallvon einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko ausgegangenwerden muss, kommt es auf die Ergebnisse der den konkretenStandort betreffenden naturschutzfachlichen Erhebungen ei-nerseits und das allgemeine Gefährdungspotenzial solcherAnlagen mit Blick auf die spezifischen Arten andererseits (vgl.BVerwG, Urteil vom 14. 7. 2011 — 9 A 12.10 — ; Urteil vom18. 3. 2009 — 9 A 39.07 —) und damit auf die Umstände desEinzelfalles und die jeweilige Tierart an.

Zwei grundsätzlich mögliche Fallgruppen müssen dabeiunterschieden werden:

a) durch die zeitgleiche Anwesenheit zahlreicher Individuen,erhöht sich das Risiko, dass ein einzelnes geschütztes Indi-viduum einer der Windenergieanlagen gegenüber sensiblenArt, getötet wird oder

b) wegen regelmäßiger oder häufiger Nutzung am Anlagen-standort erhöht sich das Tötungsrisiko.

Die Anwesenheit solcher Arten macht zwangsläufig vertief-te, artenschutzrechtliche Untersuchungen im Eingriffsbereicherforderlich, auf deren Basis eine Risikobewertung des Vorha-bens zu erfolgen hat.

Anhaltspunkte für eine mögliche Konfliktlage können sichaus dem Unterschreiten fachlich vorgeschlagener Schutzab-stände ergeben.

Soweit der fachlich empfohlene Abstand unterschritten wirdist dies ein Anhalt dafür, dass eine signifikante Erhöhung desTötungsrisikos vorliegen könnte. Das Einhalten der empfohle-nen Abstände indiziert das Fehlen eines relevanten Tötungsri-sikos.

Gegen das Tötungsverbot wird dann nicht verstoßen, wenndas Vorhaben nach naturschutzfachlicher Einschätzung unterBerücksichtigung von Vermeidungsmaßnahmen kein signifi-kant erhöhtes Risiko kollisionsbedingter Verluste von Indivi-duen verursacht, also unter der Gefahrenschwelle in einemRisikobereich bleibt, der im Naturraum immer gegeben ist,vergleichbar dem ebenfalls stets gegebenen Risiko, dass ein-zelne Individuen einer Art im Rahmen des allgemeinen Na-turgeschehens Opfer einer anderen Art werden (vgl. BVerwG,Urteil vom 9. 7. 2008 — 9 A 14.07 — Rn. 91). Ein Verstoß ge-gen das Tötungs- und Verletzungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1BNatSchG scheidet nicht deshalb aus, weil der Verlust an Ein-zelexemplaren möglicherweise durch eine „Populationsre-serve“ wieder ausgeglichen werden kann (vgl. Verwaltungs-gericht Kassel, Beschl. vom 8. 5. 2012 — 4 K 749/11.KS —, be-stätigt durch den Hessischen Verwaltungsgerichtshof, Beschl.vom 17. 12. 2013 — 9 A 1540/12.Z —). Im Unterschied zumStörungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG ist die Popula-tionsrelevanz oder Populationswirksamkeit beim Tötungs- undVerletzungsverbot nicht Tatbestandsmerkmal. Dies bedeutet,dass das Tötungs- und Verletzungsverbot auch dann verletztsein kann, wenn sich durch die Tötung einzelner Individuender Erhaltungszustand der lokalen Population der betroffenenArt nicht verschlechtert (OVG Magdeburg, Urteil vom 26. 10.2011 — 2 L 6/09 —).

4.4 Naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative

Bei der Bewertung, ob im Einzelfall ein signifikant erhöhtesTötungsrisiko anzunehmen ist, hat das BVerwG der Genehmi-gungsbehörde einen naturschutzfachlichen Einschätzungs-spielraum („Einschätzungsprärogative“) eingeräumt, soweit sichzu ökologischen Fragestellungen noch kein allgemein an-erkannter Stand der Fachwissenschaft herausgebildet hat(BVerwG, Urteil vom 9. 7. 2008; BVerwG, Urteil vom 27. 6.2013 — 4 C 1/12 —; BVerwG, Urteil vom 21. 11. 2013 —7 C 40/11 —; OVG Lüneburg, Beschl. vom 18. 4. 2011 —12 ME 274/10 —). Der Beurteilungsspielraum kann sich so-wohl auf die Erfassung des Bestandes der geschützten Artenals auch auf die Bewertung der Risiken beziehen, denen diesebei der Realisierung des genehmigungspflichtigen Vorhabensausgesetzt sind. Die Einschätzung muss aber auf einer gesicher-ten Tatsachenbasis beruhen. Das heißt, es muss aufgrund ei-ner „hinreichend gesicherten Tatsachenbasis feststehen, dassgerade an dem konkreten Standort der zu errichtenden Wind-energieanlage und nicht nur in dessen näherer und weitererUmgebung zu bestimmten Zeiten schlagopfergefährdete Tierein einer Zahl auftreten, die Kollisionen von mehr als einzel-nen Individuen mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten lassen“(OVG Magdeburg, Urteil vom 16. 5. 2013 — 2 L 106/10 —;ZNER 2013, S. 328). Die Einschätzung muss zudem natur-schutzfachlich vertretbar sein und darf nicht auf unzulängli-chen oder ungeeigneten Bewertungsverfahren beruhen (Ver-waltungsgericht Hannover, Urteil vom 22. 11. 2012, Rn. 42 ff.).Die Behörde muss daher den aktuellen Stand der Wissen-schaft — ggf. durch Einholung fachgutachtlicher Stellungnah-men — ermitteln und berücksichtigen.

Wenn ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko nicht mit hin-reichender Sicherheit anzunehmen ist, sind Maßnahmen zurVerminderung nicht erforderlich, da diese dazu dienen, dasRisiko betriebsbedingter Tötungen unter die Signifikanzschwellezu senken.

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4.5 Störungsverbot (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG)Der Tatbestand setzt voraus, dass eine Störung wild leben-

der Tiere der streng geschützten Arten vorliegt und dass dieseStörung erheblich ist. Die Erheblichkeit wird in der Vorschriftdefiniert. Eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durchdie Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population ei-ner Art verschlechtert. Es muss vor der Zulassung der Anlagezunächst festgestellt werden, ob eine Störung durch den Bauoder Betrieb der Windenergieanlagen zu erwarten ist. Ist das derFall, muss geklärt werden, ob die Störung eine Verschlechte-rung des Erhaltungszustandes der lokalen Population bewirkt.

„Störung“ ist jede unmittelbare Einwirkung auf ein Tier, dieeine Verhaltensänderung des Tieres bewirkt. Sie kann durchVergrämung (z. B. durch Schall, Licht, Wärme oder sonstigeBeunruhigungen und Scheuchwirkungen) aber auch durchvorhabenbedingte Zerschneidungs- und Trennwirkungen aus-gelöst werden. Nicht erfasst sind hingegen alle von einer un-mittelbaren Einwirkung auf die betroffenen Tiere verursach-ten nachteiligen Auswirkungen, wie das etwa bei der Inan-spruchnahme von Flächen in Jagd- oder sonstigen Nahrungs-habitaten der Fall ist (Lau in: Frenz/Müggenborg [Hrsg.],BNatSchG, § 44, Rn. 11; insoweit ist die Eingriffsregelung ein-schlägig). Die Erheblichkeitsschwelle ist überschritten, wenndie Beeinträchtigung durch Scheuchwirkung eine derart insGewicht fallende Störung bedeutet, dass nicht genügendRaum für ungestörte Brutplätze der geschützten Art verbleibt(Hinsch, ZUR 2001, S. 191 ff., S. 195 mit Hinweis auf OVGLüneburg, Urteil vom 10. 1. 2008 — 12 LB 22/07 —).

Die Vergrämung, Verbreitung oder Verdrängung einzelnerTiere aus ihren bislang genutzten Bereichen ist nicht populati-onsrelevant, solange die Tiere ohne weiteres in für sie nutzba-re störungsarme Räume ausweichen können (Gellermann in:Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band 2, § 44 BNatSchG Rn. 12).Stehen solche Ausweichräume nicht zur Verfügung, kannnach der Rechtsprechung durch entsprechende Kompensati-onsmaßnahmen Sorge dafür getragen werden, dass sich derErhaltungszustand der lokalen Population nicht verschlech-tert und damit die Störung unter der Erheblichkeitsschwellebleibt. Für Rastvögel wird eine Störung außerhalb von bedeu-tenden Rastvogellebensräumen in der Regel nicht gegeben sein.

4.6 Schutz der Fortpflanzungs- und Ruhestätten (§ 44 Abs. 1Nr. 3 BNatSchG)

Nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG (siehe Urteilvom 28. 3. 2013 — 9 A 22/11 —) ist der Begriff der „Fortpflan-zungsstätte“ in § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG restriktiv auszule-gen. Dies folgt zum einen aus der scharfen systematischenTrennung zwischen der Teilregelung des Beschädigungs- undZerstörungstatbestandes in § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG, derdie eingriffsbetroffenen Lebensstätten nennt, und der ergän-zenden Regelung in § 44 Abs. 5 BNatSchG, die im Rahmen ei-ner funktionalen Betrachtung den räumlichen Zusammen-hang einbezieht.

Geschützt ist daher nur der als Ort der Fortpflanzung oderRuhe dienende Gegenstand, wie etwa Nester, Höhlenbäumeu. ä., und die diesen unmittelbar zugrunde liegende Struktur,wie etwa Horstbäume, Brutfelsen, Sandflächen, Dachrinnenu. ä., nicht jedoch auch das weitere räumliche Umfeld (Lau in:Frenz/Müggenborg [Hrsg.], BNatSchG, § 44 Rn. 17). Es mussunterschieden werden zwischen Fortpflanzungsstätten undBrutgebiet. Potenzielle Lebensstätten fallen nicht unter denVerbotstatbestand (Kratsch in: Schumacher/Fischer-Hüftle,BNatSchG, 2. Auflage, § 44 Rn. 35). Auch Nahrungs- undJagdbereiche unterliegen als solche nicht dem Beeinträchti-gungsverbot von Fortpflanzungs- und Ruhestätten. Ausnahms-weise kann ihre Beschädigung tatbestandsmäßig sein, wenndadurch die Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestättevollständig entfällt, etwa weil die Vernichtung der Nahrungs-stätte zum Verhungern der Nachkommenschaft führt (Schütte/Gerbig in: Schlacke, GK-BNatSchG, § 44 Rn. 30).

In zeitlicher Hinsicht betrifft die Verbotsnorm primär diePhase aktueller Nutzung der Lebensstätte; der Schutz ist zu-sätzlich auszudehnen auf Abwesenheitszeiten der sie nutzen-den Tiere einer Art, wenn nach den Lebensgewohnheiten derArt eine regelmäßig wiederkehrende Nutzung der Art zu er-warten ist (BVerwG, Urteil vom 28. 3. 2013, Rn. 118). BeiTierarten, die die Fortpflanzungsstätte nicht erneut nutzen,erfüllt also die Zerstörung außerhalb der Nutzzeiten nicht denVerbotstatbestand. Es ist unproblematisch, wenn z. B. Nesterdes Kiebitz oder der Feldlerche während der herbstlichenFeldbestellung zerstört werden, da diese Arten jedes Jahr eineneue Nistmulde anlegen (Gellermann in: Landmann/Rohmer,Umweltrecht, Band 2, § 44 BNatSchG Rn. 15 ff., 17).

Nach herrschender Auffassung in der rechtswissenschaftli-chen Literatur setzen die Tatbestandsmerkmale „Beschädi-gung“ und „Zerstörung“ eine Verletzung der Substanz derLebensstätte voraus (Louis, NuR 2009, S. 91 ff., 95). Der Be-trieb der Windenergieanlagen stellt keine Beeinträchtigungoder Zerstörung von Lebensstätten dar, weil beide Tatbe-standsmerkmale neben der Beeinträchtigung der Funktionsfä-higkeit eine körperliche Einwirkung auf die geschütztenStätten voraussetzen, die sich nachteilig auf deren Funktionauswirkt. Bei den optischen und akustischen Wirkungen vonWindenergieanlagen, die eine Scheuchwirkung auf die Vögelhaben können, ist eine solche unmittelbare Einwirkung aufdie Fortpflanzungsstätten nicht gegeben, weil eine physischeEinwirkung auf die Lebensstätte nicht stattfindet (Gatz, Wind-energieanlagen in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis, 2. Auf-lage 2013, Rn. 288; Hinsch, ZUR 2001, 191 ff., 195; Louis,a. a. O., S. 95; Lau in: Frenz/Müggenborg, a. a. O., § 44 Rn. 18).Das Beschädigungs-und Zerstörungsverbot spielt daher nurbei der Errichtung von Windenergieanlagen eine Rolle, nichtjedoch beim Betrieb der Windenergieanlagen (Gatz, a. a. O.Rn. 288).

Soweit das Zugriffsverbot in der Bauphase einschlägig ist,kann die Verwirklichung des Tatbestandes durch Bauzeiten-beschränkungen oder durch eine ökologische Baubegleitungvermieden werden. Der Verbotstatbestand ist nicht erfüllt,wenn z. B. einem Vogelpaar weitere geeignete Nistplätze inseinem Brutrevier zur Verfügung stehen oder durch Aus-gleichsmaßnahmen ohne zeitlichen Bruch bereitgestellt wer-den (BVerwG, Urteil vom 18. 3. 2009 — 9 A 39.07 — und VGHBaden-Württemberg, Urteil vom 23. 9. 2013 — 3 S 284/11 —).

4.7 Legalausnahme nach § 44 Abs. 5 BNatSchG (Privilegie-rung)

§ 44 Abs. 5 BNatSchG nimmt Beeinträchtigungen europäi-scher Vogelarten sowie der in Anhang IV Buchst. a der FFH-Richtlinie aufgeführten Tierarten von den Verboten des § 44Abs. 1 Nrn. 1 und 3 BNatSchG aus, sofern es sich um „unver-meidbare Beeinträchtigungen“ handelt, unda) diese Folge eines nach § 15 zulässigen Eingriffs in Natur

und Landschaft oder eines nach den Vorschriften des BauGBzulässigen Vorhabens i. S. des § 18 Abs. 2 Satz 1 sind und

b) die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorha-ben betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten imräumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.

Da Windenergieanlagen in der Regel die in Buchstabe a ge-nannten Voraussetzungen erfüllen dürften, kommt es daraufan, ob die ökologische Funktion der betroffenen Fortpflan-zungs- oder Ruhestätte weiterhin erfüllt wird. § 44 Abs. 5 Satz 2BNatSchG lässt die Festsetzung vorgezogener Ausgleichsmaß-nahmen zu, wenn diese zur Gewährleistung der ökologischenFunktion geeignet oder erforderlich sind.

Die Ausnahme des § 44 Abs. 5 BNatSchG ist nicht anwend-bar für das Töten oder Verletzen von Tieren, deren Fortpflan-zungs- und Ruhestätten nicht im Wirkbereich des Vorhabensliegen. Das betrifft etwa Tiere während des Zuges oder wäh-rend der Rast. Soweit das Tötungsrisiko das „allgemeine Le-bensrisiko“ überschreitet, ist die Zulassung des Vorhabensnur aufgrund einer Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchGmöglich.

4.8 Ausnahmeprüfung nach § 45 Abs. 7 Nr. 5 BNatSchGNach § 45 Abs. 7 Nr. 5 BNatSchG können Ausnahmen aus

anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichenInteresses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicherArt gewährt werden.

Da das öffentliche Interesse zwingend und überwiegendsein muss, reicht demnach nicht jedes öffentliche Interesse so-zialer oder wirtschaftlicher Art aus. Zwingend sind die Grün-de des öffentlichen Interesses nicht allein deshalb, wenn aufallgemeine politische Ziele ohne räumliche, zeitliche undsachlich-funktionale Konkretisierung verwiesen wird. DemKriterium „zwingend“ kommt folglich der Bedeutungsgehaltder Geeignetheit und Erforderlichkeit zu (Lau, in: Franz/Müggen-borg, Kommentar zum BNatSchG, § 45, Rn. 18).

Zur Feststellung, ob zwingende Gründe vorliegen, ist in ei-ner einzelfallbezogenen Abwägungsentscheidung das Gewichtder zu erwartenden Beeinträchtigungen für die artenschutz-rechtlichen Schutzgüter mit den für das Vorhaben streitendenöffentlichen Interessen gegenüberzustellen. Öffentliche Grün-de können z. B. Erhöhung der Verkehrssicherheit, Entlastungder Gemeinde im Hinblick auf Lärm- und Schadstoffbelastungder Anwohner oder die Aufgabe der Windenergie substanziellRaum zu schaffen. Langfristigen Nutzungsinteressen kommt

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ein höherer Stellenwert zu als Nutzungen, die nur mit kurz-fristigen Vorteilen verbunden sind (Lütkes, in: Lütkes/Ewer,Kommentar zum BNatSchG, § 45, Rn. 45 f.).

Die Abwägung zwischen den zwingenden Gründen desüberwiegenden öffentlichen Interesses und den artenschutz-rechtlichen Schutzgüter erfordert einzelfallrelevante Betrach-tungen.

Von dem Verbot des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG können imEinzelfall nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nrn. 1 bis 5 BNatSchG Aus-nahmen unter der Voraussetzung zugelassen werden, dasskeine zumutbaren Alternativen gegeben sind und sich der Er-haltungszustand der Populationen der betroffenen Artennicht verschlechtert.

4.9 Sachverhaltsermittlung Nach der gefestigten Rechtsprechung des BVerwG wie sie

auch das BVerwG-Urteil vom 9. 7. 2008 zitiert, setzt die Prü-fung, ob einem Planvorhaben naturschutzrechtliche Verbote,insbesondere solche nach § 44 BNatSchG entgegenstehen,eine ausreichende Ermittlung und Bestandsaufnahme imPlanbereich vorhandener Tierarten und ihrer Lebensräumevoraus. Das verpflichtet eine Behörde nicht, ein lückenlosesArteninventar zu erstellen. Die Untersuchungstiefe hängt viel-mehr maßgeblich von den naturräumlichen Gegebenheitenim Einzelfall ab. Der individuumsbezogene Ansatz der arten-schutzrechtlichen Vorschriften verlangt jedoch Ermittlungen,deren Ergebnisse die Behörde in die Lage versetzen, die tatbe-standlichen Voraussetzungen der Verbotstatbestände zu über-prüfen. Hierfür benötigt sie Daten, denen sich in Bezug aufdas Plangebiet die Häufigkeit und Verteilung der geschätztenArten sowie deren Lebensräume entnehmen lassen.

Regelmäßig wird eine belastbare Erkenntnisgrundlage ne-ben einer Bestandserfassung vor Ort auch eine Auswertungbereits vorhandener Erkenntnisse und Literatur zum Pla-nungsgebiet sowie den dort nachgewiesenen oder möglicher-weise vorkommenden Arten, deren artenspezifischen Verhal-tensweisen und den für diese Arten typischen Habitatsstruk-turen voraussetzen.

Die artenschutzrechtliche Prüfung hat bei der Erfassungund bei der Bewertung möglicher Betroffenheiten nach aus-schließlich wissenschaftlichen Kriterien und den Regeln guterwissenschaftlicher Praxis zu erfolgen.

5. Leitfaden zum ArtenschutzEine Konkretisierung der Anforderungen und Pflichten in

Bezug auf den Artenschutz bei der Planung und Errichtungvon Windenergieanlagen ergibt sich aus dem Leitfaden „Um-setzung des Artenschutzes bei der Planung und Genehmigungvon Windenergieanlagen in Niedersachsen“ vom 23. 11. 2015(Anlage 2 des Gem. RdErl. des MU, des ML, des MS, des MWund des MI vom 24. 2. 2016, Nds. MBl. S. 190) in der jeweilsgeltenden Fassung.

Dieser Leitfaden ist verbindlich anzuwenden. Auf Num-mer 1.5 (Anwendungsbereich) wird hingewiesen.

6. Spezialregelungen

6.1 Straßenrecht Im Umfeld von Straßen ergeben sich Mindestabstände vor

allem aus Gründen der Sicherheit und Leichtigkeit des Ver-kehrs. Längs von Bundesfern-, Landes- und Kreisstraßen sindaußerhalb der Ortsdurchfahrten die straßenrechtlichen An-bauverbote (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FStrG, § 24 Abs. 1 Satz 1Nr. 1 NStrG) und Anbaubeschränkungen (§ 9 Abs. 2 Satz 1Nr. 1 FStrG, § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 NStrG) zu beachten. Inder Anbaubeschränkungszone (bei Bundesautobahnen einBereich von 100 m, bei Bundesstraßen von 40 m, bei Landes-und Kreisstraßen von 40 m; jeweils vom äußeren Fahrbahn-rand) kann eine Genehmigung mit Zustimmung der oberstenLandesstraßenbaubehörde (bei Bundesautobahnen und Bun-desstraßen gemäß § 9 Abs. 2 FStrG) oder im Benehmen mitder Straßenbaubehörde (bei Landes- und Kreisstraßen gemäߧ 24 Abs. 2 NStrG) erteilt werden. Die Anbauverbotszone (beiBundesautobahnen ein Bereich von 40 m, bei Bundesstraßenvon 20 m, bei Landes- und Kreisstraßen von 20 m; jeweilsvom äußeren Fahrbahnrand) ist in jedem Fall von der Wind-energieanlage einschließlich ihres Rotors freizuhalten.

In den Verfahren zu § 24 Abs. 2 NStrG oder § 9 Abs. 2FStrG darf sich die zuständige Straßenbaubehörde nur zu Be-langen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, Ausbau-absichten und Straßenbaugestaltung äußern (§ 24 Abs. 3 NStrGoder § 9 Abs. 3 FStrG).

Für die Bewertung der Gefahr durch Eisabwurf wird aufNummer 3.4.4.3 verwiesen.

6.2 Schienenverkehr Verbindliche Abstandsregelungen oder ein technisches Re-

gelwerk für Mindestabstände zu Anlagen des Schienenver-kehrs existieren im Bahnrecht nicht. Gleichwohl sind bei derErrichtung von Windenergieanlagen Anforderungen an Sicher-heitsabstände zu bestehenden Eisenbahnbetriebsanlagen zubeachten, um nachteilige Auswirkungen für die Sicherheitund den Ablauf des Bahnbetriebs zu vermeiden. So ergebensich Forderungen zur Abstandshaltung wegen Eisabwurfge-fahr aufgrund der Richtlinie „Windenergieanlagen; Einwir-kungen und Standsicherheitsnachweise für Turm und Grün-dung“, die Abstände größer als 1,5 x (Rotordurchmesser +Nabenhöhe) zu Verkehrswegen und Gebäuden als ausrei-chend erachtet. Diese Abstände können gleichwohl unter-schritten werden, sofern Einrichtungen installiert werden,durch die der Betrieb der Windenergieanlage bei Eisansatz si-cher ausgeschlossen werden kann oder durch die ein Eisan-satz verhindert werden kann (z. B. Rotorblattheizung). Siehedazu Nummer 3.4.4.3.

Als Träger öffentlicher Belange ist das Eisenbahn-Bundes-amt im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zu beteiligen,sofern Eisenbahnbetriebsanlagen betroffen sein könnten. An-stelle des Eisenbahn-Bundesamtes ist für die Eisenbahninfra-strukturen nichtbundeseigener Eisenbahnen in Niedersach-sen die LEA Gesellschaft für Landeseisenbahnaufsicht mbHzu beteiligen. Das Eisenbahn-Bundesamt empfiehlt derzeit,vorbehaltlich der technischen Entwicklung und künftiger Er-fahrungen, einen Abstand von Windkraftanlagen zu Gleisan-lagen in Höhe des zweifachen Rotordurchmessers, mindes-tens aber in Höhe der Gesamtanlagenhöhe.

Die Stellungnahme des Eisenbahn-Bundesamtes oder derLEA Gesellschaft für Landeseisenbahnaufsicht mbH hat fürdie immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbehörde keinerechtliche Bindungswirkung.

Bezüglich Bahnstromfernleitungen wird auf Nummer 6.5„Freileitungen“ verwiesen.

6.3 Gewässerschutz, Wasserschutz-, Heilquellenschutz-, Über-schwemmungsgebiete, Wasserstraßen

Auf Grundlage des Wasserrechts begegnet die Errichtungvon Windenergieanlagen in Gewässernähe oder in Schutzge-bieten mit wasserwirtschaftlichen Zielsetzungen bestimmtenEinschränkungen.

Im Rahmen der Anlagenzulassung ist gemäß § 36 WHG si-cherzustellen, dass Anlagen so errichtet, betrieben, unterhal-ten und stillgelegt werden, dass keine schädlichen Gewässer-veränderungen zu erwarten sind und die Gewässerunterhal-tung nicht mehr erschwert wird, als es den Umständen nachunvermeidbar ist. In den 5 m breiten Gewässerrandstreifenvon Gewässern erster und zweiter Ordnung (§ 38 WHGi. V. m. § 58 NWG) dürfen im Außenbereich keine Windener-gieanlagen errichtet werden. Der Gewässerrandstreifen ist so-mit vom Fundament freizuhalten.

Bei der Zulassung von Windenergieanlagen in festgesetztenWasser- und Heilquellenschutzgebieten sind erhöhte wasser-rechtliche Anforderungen zu beachten. Insbesondere beimBau sind die Vorbereitung der Baustelle, das Durchführen vonBohrungen, Eingriffe in die Deckschichten und eventuelleTiefgründungen aber auch beim Betrieb der Umgang mit Was-ser gefährdenden Stoffen dabei wichtige Kriterien. Für Wind-energieanlagen als Anlagen zum Umgang mit wassergefähr-denden Stoffen (konkrete technische Anforderungen ergebensich aus der VAwS [künftig AwSV] in der jeweils geltendenFassung) gilt allgemein, dass sie so beschaffen sein, so errich-tet, unterhalten und betrieben werden müssen, dass einenachteilige Veränderung der Eigenschaften von Gewässern —dazu zählt auch das Grundwasser — nicht zu besorgen ist.Vorsorglich sind diese Anlagen nach der AwSV in denSchutzzonen I und II unzulässig. Für Schutzzonen III kanndie jeweilige Verordnung zur Festsetzung von Schutzgebietenabweichende Regelungen treffen.

In der Schutzzone I von Wasserschutzgebieten (§ 91 NWG,§ 51 WHG) und Heilquellenschutzgebieten (§ 94 NWG,§ 53 WHG) dürfen keine Windenergieanlagen oder anderebauliche Anlagen sowie Anlagen zum Umgang mit wasserge-fährdenden Stoffen errichtet und betrieben werden. Die Schutz-zone I ist somit ausnahmslos von Windenergieanlagen (Fun-dament) freizuhalten.

In der Schutzzone II von Wasserschutzgebieten und Heil-quellenschutzgebieten kommt die Errichtung von Windener-gieanlagen aufgrund der in der Regel geringen Fließstreckeoder Zeit/Entfernung zur Wassergewinnungsanlage ebenfallsnicht in Betracht. Eine Genehmigung von Windenergieanla-

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gen ist gemäß § 52 Abs. 1 WHG nur auf Antrag im Rahmen ei-ner Einzelfallprüfung der zuständigen unteren Wasserbe-hörde möglich, wenn diese zum Ergebnis führt, dass das Vor-haben mit dem Schutzziel der jeweiligen Wasserschutzge-bietsverordnung vereinbar ist.

In der Schutzzone III von Wasserschutzgebieten und Heil-quellenschutzgebieten sind Windenergieanlagen beschränktzulässig. Durch Auflagen, in begründeten Fällen auch Sicher-heitsabstände zur Schutzzone II, ist zu gewährleisten, dasskeine nachteiligen Einwirkungen auf das geschützte Grund-wasser zu besorgen sind. Als mögliche Standorte sollten be-vorzugt die äußeren Bereiche der Schutzzone III oder dieSchutzzone III B betrachtet werden.

Auch außerhalb von Wasserschutzgebieten besteht einewasserrechtliche Anzeige- oder Erlaubnispflicht gemäß § 49WHG, sofern die Errichtung einer Windenergieanlage mit Ar-beiten verbunden ist, die so tief in den Boden eindringen, dasssie sich unmittelbar oder mittelbar auf die Beschaffenheit desGrundwassers auswirken können.

In Überschwemmungsgebieten (§ 115 NWG, § 76 WHG) undin vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebieten (§§ 78Abs. 6, 76 Abs. 3 WHG) kann die Planung und Errichtung vonWindenergieanlagen unter den Voraussetzungen des § 78Abs. 3 und Abs. 6 WHG als Ausnahmeentscheidung zulässigsein.

Gemäß § 61 BNatSchG ist die Errichtung von baulichen An-lagen im Außenbereich an Bundeswasserstraßen und Gewäs-sern erster Ordnung sowie an stehenden Gewässern mit einerGröße von mehr als 1 ha im Abstand bis 50 m von der Uferli-nie (gemessen vom Mastfuß) nicht zulässig. Abweichend da-von kann auf Antrag unter den Voraussetzungen des § 61 Abs. 3BNatSchG eine Ausnahme zugelassen werden.

Der gleiche Abstand (50 m gemessen vom Mastfuß) giltnach niedersächsischem Deichrecht zur landseitigen Grenzeeines Haupt-, Hochwasser- und Schutzdeiches. Die Deichbe-hörde kann widerrufliche Ausnahmen genehmigen, wenn dasVerbot im Einzelfall zu einer offenbar nicht beabsichtigtenHärte führen würde und die Ausnahme mit den Belangen derDeichsicherheit vereinbar ist.

Nach § 31 WaStrG sind Windenergieanlagen am Ufer einerBundeswasserstraße dem Wasser- und Schifffahrtsamt anzu-zeigen, da die Errichtung, die Veränderung und der Betriebvon Anlagen am Ufer einer Bundeswasserstraße einer strom-und schifffahrtspolizeilichen Genehmigung bedarf, wenn durchdie beabsichtigte Maßnahme eine Beeinträchtigung des fürdie Schifffahrt erforderlichen Zustandes der Bundeswasser-straßen oder der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zuerwarten ist.

6.4 Bodenschutz Windenergieanlagen an Land beanspruchen Böden für die

Fundamentfläche, Zuwegung sowie die Anbindung mittelsErdkabeln an das Stromnetz. Neben diesen dauerhaft in An-spruch genommenen Bodenflächen werden während der Er-richtung weitere Bodenflächen für die Montage und Material-lagerung genutzt.

Das BBodSchG stellt auf die nachhaltige Sicherung oderWiederherstellung der Bodenfunktionen ab. Bei Einwirkun-gen auf den Boden sollen Beeinträchtigungen seiner natürli-chen Funktionen sowie seiner Funktion als Archiv der Natur-und Kulturgeschichte so weit wie möglich vermieden werden(§§ 1, 2 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 BBodSchG).

Bodenschutzfachliche Anforderungen bestehen insbeson-dere im Hinblick auf — die Berücksichtigung von Böden entsprechend ihrer natür-

lichen Funktionen und der Archivfunktion i. S. von § 2Abs. 2 Nrn. 1 und 2 BBodSchG sowie ihrer Empfindlichkeitinsbesondere gegenüber Verdichtung und Erosion, mögli-cher Vorbelastungen und vorhandener Hintergrundwerte,

— die Ausschöpfung der Möglichkeiten zur Vermeidung vonBeeinträchtigungen, u. a. durch Beschränkung von Voll-versiegelung, Vermeidung von Bodenverdichtungen durchgeeignete Vorkehrungen bei der Durchführung von Vorha-ben (z. B. Anlage und Rückbau von Baustraßen, Abgren-zung von Lagerflächen).

Bei der Ausführung der Baumaßnahmen, die sowohl die Er-richtung der Anlagen als auch die Zuwegung betreffen, sinddie Belange des Bodenschutzes gemäß § 4 Abs. 1 und 2 i. V. m.§ 1 BBodSchG zu berücksichtigen. Bei allen Bodenarbeiten,die der Sicherung, der Zwischenlagerung und der Wiederver-wertung (einschließlich der Aufnahme aus der Zwischenlage-rung) von Oberbodenmaterial dienen, sind gemäß § 12 BBodSchV

die entsprechenden Vorgaben der DIN 18915 und der DIN 19731(insbesondere Nummern 7.2 und 7.3) einzuhalten (vgl. § 12BBodSchV, konkretisiert durch die „Vollzugshilfe zu den An-forderungen an das Aufbringen und Einbringen von Materiali-en auf oder in den Boden [§ 12 BBodSchV]“ vom 11. 9. 2002der Bund/Länderarbeitsgemeinschaft Bodenschutz, www.labo-deutschland.de).

Böden werden als Bestandteil des Naturhaushalts von dernaturschutzrechtlichen Eingriffsregelung erfasst. Windener-gieanlagen sind in der Regel mit Eingriffen i. S. des BNatSchGverbunden, die auch den Boden betreffen. Bei der Bewälti-gung des Eingriffs ist auch das Schutzgut Boden zu betrach-ten, d. h. Bestand und Auswirkungen sind hinsichtlich desBodens und der Bodenfunktionen zu beschreiben und ent-sprechende bodenbezogene Ausgleichs- und Ersatzmaßnah-men insbesondere zur Kompensation der Beeinträchtigungder Bodenfunktionen durch die Versiegelung durchzuführen.

Die Bodenschutzbehörden i. S. des § 10 Abs. 1 NBodSchGsind in allen Planungs- und Vorhabensphasen durch die ver-fahrensführende Behörde zu beteiligen. Damit wird sicherge-stellt, dass einerseits den Belangen des Bodenschutzes ange-messen Rechnung getragen wird und dass andererseits Bödenbesonderer Standorte (z. B. sulfatsaure Böden) abfallrechtlichund bautechnisch angemessen berücksichtigt werden. Für dieVorhabensphase des Rückbaus hat die Bodenschutzbehördedafür Sorge zu tragen, dass eine uneingeschränkte landwirt-schaftliche Folgenutzung und eine weitgehende Wiederher-stellung der Bodenfunktionen gemäß § 2 Abs. 2 BBodSchGsichergestellt wird.

Die Zulassungsbehörde kann die Bauausführung auf pla-nungs- und zulassungskonforme Umsetzung überwachen. Ge-nerell wird empfohlen, die Belange des Bodenschutzes zurVermeidung schädlicher Bodenveränderungen auch auf land-wirtschaftlich genutzten Flächen durch eine eigenständigeund in der Baupraxis bewährte bodenkundliche Baubeglei-tung vertreten zu lassen. Das gilt insbesondere bei Vorkommenvon empfindlichen Böden, wie z. B. organischen, sulfatsaurenoder verdichtungsempfindlichen Böden. So kann gewährleis-tet werden, dass die in Planung und Zulassung festgelegtenBodenschutzmaßnahmen umgesetzt werden.

6.5 Freileitungen Die Abstände zwischen Windenergieanlagen und Freilei-

tungen sowie das Erfordernis von Schwingungsschutzmaß-nahmen sind in den jeweils geltenden Normen nach DIN EN50423-3-4 (VDE 0210-12) und DIN EN 50341-3-4 (VDE 0210-3)geregelt. Die Anforderungen der jeweils geltenden Norm sindzu erfüllen. Nach der derzeit geltenden Fassung der DIN EN50341-3-4 (VDE 0210-12) vom Januar 2011 ist zwischen Wind-energieanlagen und Freileitungen ein horizontaler Mindestab-stand zwischen Rotorblattspitze in ungünstigster Stellung undäußerstem ruhenden Leiter für Freileitungen ohne Schwin-gungsschutzmaßnahmen 3 x Rotordurchmesser und für Frei-leitungen mit Schwingungsschutzmaßnahmen 1 x Rotordurch-messer einzuhalten.

Wenn sichergestellt ist, dass die Freileitung außerhalb derNachlaufströmung der Windenergieanlage liegt, kann aufschwingungsdämpfende Maßnahmen verzichtet werden. Auf-wendungen für ggf. erforderliche Schwingungsschutzmaß-nahmen (Dämpfungseinrichtungen) sind nach dem Verur-sacherprinzip zu tragen.

Für Freileitungen aller Spannungsebenen gilt, dass bei un-günstiger Stellung des Rotors die Blattspitze nicht in denSchutzstreifen der Freileitung (DIN EN 50341-3-4 [VDE 0210-3])ragen darf.

6.6 Luftverkehrsrecht, FlugsicherungseinrichtungenBei der Planung, Genehmigung und Errichtung von Wind-

energieanlagen sind luftverkehrsrechtliche Aspekte zu beachten.Das Luftverkehrsrecht in Deutschland ist grundsätzlich

Bundesrecht. Lediglich die in § 31 Abs. 2 LuftVG genanntenAufgaben werden von den Ländern in Bundesauftragsverwal-tung unter Fachaufsicht des Bundes (Artikel 85 GG) ausge-führt.

Die zivilen (Land) und die militärischen (Bund) Luftfahrtbe-hörden sind Ansprechpartner für die Einleitung der notwen-digen Überprüfungen.

Eine Übersichtskarte zu den regionalen Zuständigkeiten derzivilen Landesluftfahrtbehörde, der NLStBV, ist im Internetunter www.luftverkehr.niedersachsen.de einzusehen.

Die Aufgaben der militärischen Luftfahrtbehörde nimmtbundesweit das Luftfahrtamt der Bundeswehr (LufABw), Ab-teilung I, Referat 1 d, Flughafenstraße 1, 51147 Köln wahr.

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Für Verfahren, in denen eine Zustimmung der Luftfahrtbe-hörde nach § 14 LuftVG zur Errichtung eines Bauwerkes über100 m über Grund erforderlich ist, werden die militärischenflugbetrieblichen Belange ausschließlich durch das LufABwAbteilung III, Referat 3 II e, gegenüber der Deutschen Flugsi-cherung vertreten. Das Bundesamt für Infrastruktur, Umwelt-schutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (BAIUDBw),Referat Infra l 3, wird — neben den weiteren Interessen derBundeswehr — lediglich die Betroffenheit nach § 18 a LuftVG,d. h. flugsicherungstechnische Belange gegenüber der Geneh-migungsbehörde vertreten. Für Bauwerke, welche mit einerGesamthöhe von unter 100 m über Grund errichtet werden,ist weiterhin das BAIUDBw, Referat Infra l 3, sowohl für flug-betriebliche als auch flugsicherungstechnische Belange zu-ständig. Für die dann ggf. erforderliche Erteilung einerDuldungsverfügung nach § 16 a LuftVG (z. B. in Form einerTag- und Nachtkennzeichnung einer Windenergieanlage) istjedoch das LufABw Abteilung l, Referat 1 d, zuständig.

Das LuftVG erhebt je nach Standort und Höhe von Winden-ergieanlagen unterschiedliche formelle und materielle Anfor-derungen.

Im Sinne einer zügigen und effizienten Sachbearbeitungwird empfohlen, die Luftfahrtbehörden möglichst frühzeitigeinzubinden. 6.6.1 Zustimmungspflichtige Windenergieanlagen

In welchen Fällen die Errichtung von Windenergieanlageninnerhalb und außerhalb von Bauschutzbereichen der Zu-stimmungspflicht durch die zuständigen Luftfahrtbehördenunterliegen, regeln die §§ 12, 14 und 17 LuftVG.

Das Zustimmungsverfahren ist ein besonderes verwaltungs-internes Zwischenverfahren, das von der jeweiligen Genehmi-gungsbehörde durch Ersuchen an die Luftfahrtbehördeneinzuleiten ist. Die Luftfahrtbehörden sind im eigenen Interes-se angehalten, an sie gerichtete Ersuchen schnellstmöglich zubehandeln und unmittelbar an die zuständigen Stellen weiter-zuleiten.

Die Zustimmung darf nur zur Abwehr von Gefahren für dieSicherheit des Luftverkehrs (§ 29 Abs. 1 Satz 1 LuftVG), dieaus dem Standort der beantragten Windenergieanlage im be-schränkten oder unbeschränkten Bauschutzbereich und derAuswirkungen auf den hier operierenden konkreten Luftver-kehr (§§ 12, 17 LuftVG) oder aus der Höhe der geplanten Win-denergieanlage und der Auswirkungen auf den konkretenStreckenflugverkehr (§ 14 LuftVG) resultieren, versagt wer-den. Eine Zustimmungsversagung aus anderen Gründen, ins-besondere solche, die dem Anwendungsbereich des § 18 aLuftVG unterfallen ist nicht zulässig (VerwaltungsgerichtAachen, Urteil vom 24. 7. 2013 — 6 K 248/09 —). Wird dieZustimmung rechtmäßig versagt, hat die Genehmigungsbe-hörde keine Möglichkeit die beantragte Genehmigung zu er-teilen; sie ist verpflichtet den Antrag aufgrund der versagtenZustimmung abzulehnen. Die Genehmigungsbehörde kann indiesem Fall jedoch auf Anfrage des Antragstellers die sonstigeGenehmigungsfähigkeit des Vorhabens prüfen und das Ergeb-nis im Rahmen des Ablehnungsbescheids mitteilen.

Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn sie nicht binnen zweiMonaten nach Eingang des vollständigen Antrags bei der Luft-fahrtbehörde gegenüber der Genehmigungsbehörde ausdrück-lich unter Angabe der Gründe verweigert wird (§ 12 Abs. 2Satz 2 LuftVG).

Unter der Voraussetzung, dass die fachliche Beurteilung in-nerhalb dieser Frist wegen des Ausmaßes der erforderlichenPrüfungen nicht möglich ist, kann die Genehmigungsbehördedie Frist im Benehmen mit dem Bundesaufsichtsamt für Flug-sicherung (BAF) angemessen verlängern.

Die luftverkehrsrechtliche Zustimmung kann davon abhän-gig gemacht werden, dass die Genehmigung unter Auflagenerteilt wird.6.6.2 Nicht zustimmungspflichtige Windenergieanlagen

Auch Windenergieanlagen, die nicht der Zustimmungs-pflicht der §§ 12, 14, 17 LuftVG unterfallen, können unter Be-rücksichtigung ihres genauen Standortes, der Anlagenpara-meter, des konkreten Flugbetriebs usw. die Sicherheit desLuftverkehrs beeinträchtigen. Die Luftfahrtbehörde gibt imGenehmigungsverfahren für eine derartige Windenergieanlageinnerhalb der immissionsschutzrechtlichen Monatsfrist eineStellungnahme ab (§ 11 der 9. BImSchV), ob eine solche Be-einträchtigung zu erwarten und ggf. eine Kennzeichnung alsLuftfahrthindernis erforderlich ist. Die luftfahrtbehördlicheStellungnahme für nicht zustimmungspflichtige Windener-gieanlagen ist für die Genehmigungsbehörden nicht bindend.

6.6.3 FlugsicherungseinrichtungenUnabhängig von der Frage der Zustimmungspflichtigkeit

dürfen Windenergieanlagen gemäß § 18 a Abs. 1 Satz 1 LuftVGnicht errichtet werden, wenn dadurch Flugsicherungseinrich-tungen (Flugnavigationsanlagen wie z. B. Drehfunkfeuer oderInstrumentenlandesysteme) gestört werden können. Die Frageeiner möglichen Störung von Flugsicherungseinrichtungen istausschließlich im Rahmen des § 18 a LuftVG zu prüfen undhat keine Auswirkungen auf die zwingend davon zu unter-scheidende Frage der Zustimmungsfähigkeit nach §§ 12, 14oder 17 LuftVG.

Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO empfiehltin ihrer Doc 015 „Europäisches Anleitungsmaterial zum Um-gang mit Anlagenschutzbereichen“ (www.icao.int), dass ge-plante Windenergievorhaben bis zu einer Entfernung von15 km von der Navigationsanlage geprüft werden sollten. Ein-gehendere Prüfungen sind laut dieser Empfehlung bei Wind-energieanlagen in einem Umkreis von 600 m erforderlich oderim Fall von Windenergieanlagen, die in eine Fläche mit einerNeigung von 1 Grad hineinragen, die sich von der Mitte desAntennensystems am Boden bis zu einer Entfernung von 3 kmerstreckt, oder die in eine 52 m hohe Horizontalfläche hinein-ragen, die sich über eine Entfernung von 3 km bis 15 km er-streckt. Wenn das Gelände nicht als flach angesehen werdenkann, beispielsweise an einem Hang, sollten alle Windener-gieprojekte bis zu einer Entfernung von 15 km geprüft werdenoder der Anlagenschutzbereich an die tatsächliche Gelände-beschaffenheit angepasst werden.

Die zivilen Luftfahrtbehörden unterrichten das Bundesauf-sichtsamt für Flugsicherung (BAF), wenn sie von der Planungvon Windenergieanlagen an Standorten innerhalb von Berei-chen von Flugsicherungseinrichtungen Kenntnis erhalten.Die Luftfahrtbehörden selbst nehmen in diesem Zusammen-hang keine materiellinhaltliche Prüfung vor. Sie sind angehal-ten, die ihrerseits notwendigen Unterrichtungen schnellst-möglich vorzunehmen. Ob eine Störung zu erwarten ist, ent-scheidet das BAF auf der Grundlage einer gutachterlichenStellungnahme der Flugsicherungsorganisation.

Für Windenergieanlagen innerhalb militärischer Schutzbe-reiche werden alle oben genannten Aufgaben von militäri-schen Dienststellen wahrgenommen (siehe Nummer 6.6).

Die Luftfahrtbehörden oder die zuständigen militärischeDienststellen informieren die Genehmigungsbehörde, sobaldsie über die Entscheidung in Kenntnis gesetzt werden.

Angesichts der Konzentrationswirkung des § 13 BImSchGliegt die Prüfungs- und Letztentscheidungsbefugnis sämtli-cher genehmigungsrelevanter Umstände grundsätzlich bei derImmissionsschutzbehörde. Dies gilt jedoch nicht für die Ent-scheidung des BAF nach § 18 a Abs. 1 Satz 2 LuftVG. DerenEntscheidung gilt als verwaltungsinterne, bindende fach-rechtliche Maßnahme, die nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG un-mittelbar auch von der Immissionsschutzbehörde zu beachtenist (OVG Lüneburg, Urteil vom 3. 12. 2014 — 12 LC 30/12 —Rn. 81 ff. [83]).

Großraumradaranlagen sind keine Flugsicherungsanlageni. S. des § 18 a LuftVG, jedoch Radaranlagen i. S. des § 35Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB.

6.7 Belange des Flugbetriebs der Bundeswehr Nach § 30 Abs. 2 LuftVG nehmen in den Fällen der §§ 12,

13 und 15 bis 19 LuftVG (nicht auch für § 14 LuftVG, für des-sen Anwendung die zivile Luftfahrtbehörde allein zuständigbleibt) die Dienststellen der Bundeswehr für ihren Dienstbe-reich die oben genannten Aufgaben der Luftfahrtbehördenund Flugsicherungsorganisationen wahr (siehe Nummer 6.6).In diesen Fällen gelten die obigen Ausführungen entspre-chend.

Neben Windenergieanlagen, die innerhalb von Bauschutz-bereichen militärischer Flugplätze sowie innerhalb von Schutz-bereichen militärischer Flugsicherungseinrichtungen geplantwerden, können Windenergieanlagen auch mit militärischemFlugbetrieb in niedrigen Flughöhen in Konflikt geraten. Mili-tärische Tiefflüge über Land sind zulässig im Nachttiefflugsys-tem und in besonders festgelegten Gebieten für u. a. Hub-schrauber.6.7.1 Nachttiefflugsystem

Das Nachttiefflugsystem wurde von der Bundeswehr ge-meinsam mit dem damaligen Bundesministerium für Ver-kehr, Bau und Stadtentwicklung, den Landesregierungen undder Flugsicherungsorganisation entwickelt. Bereits in der Pla-nungsphase späterer Festsetzungs- oder Genehmigungsverfah-ren für Windenergieprojekte können konkrete Aussagen überdie Vereinbarkeit mit dem Nachttiefflugsystem getroffen wer-

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den. Die Bundeswehr stellt Daten und Karten des Nachttief-flugsystems zur Verfügung und kann im Fall möglicher In-teressenskonflikte geeignete Alternativstandorte identifizie-ren. In der Regel kommt zudem eine Anhebung des betroffe-nen Nachttiefflugsystems in Betracht. Im Fall einer Über-schreitung der sich aus dem aktuellen Nachttiefflugsystem er-gebenden Bauhöhen durch das Windenergieprojekt sollte da-her vorrangig in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr dieMöglichkeit einer entsprechenden Anhebung des Systems ge-prüft werden.

6.8 Hinderniskennzeichnung Windenergieanlagen sind als Luftfahrthindernisse zu kenn-

zeichnen, wenn eine Höhe von 100 m über Grund oder überder Wasseroberfläche überschritten wird. Art und Umfang derKennzeichnung richten sich nach der Allgemeinen Verwal-tungsvorschrift zur Kennzeichnung von Luftfahrthindernis-sen (BAnz AT 01.09.2015 B4 oder NFL I 143/07) in der jeweilsgeltenden Fassung. Die Überwachung in Bezug auf die Hin-derniskennzeichnung obliegt den unteren Bauaufsichtsbehör-den. Im Rahmen der gesetzlichen Zulässigkeit sollte eineKennzeichnung verwendet werden, die vom Boden aus be-trachtet möglichst unauffällig ist und die Gefährdung vonZugvögeln minimiert.

6.9 Windenergieanlagen und Wetterbeobachtung durch denDeutschen Wetterdienst (DWD)

Der DWD betreibt zur Erfüllung seines gesetzlichen Auf-trags (§ 4 DWD-Gesetz) ein umfangreiches Messnetz zur Erfas-sung der meteorologischen Größen. Ein wesentlicher Bestand-teil ist hierbei der aus vier Systemen bestehende Windprofi-lerverbund des DWD (Standorte: Lindenberg [BB], Ziegendorf[MV], Nordholz [NI] und Bayreuth [BY]) sowie der 17 Systemeumfassende, deutschlandweite Niederschlagsradar- oder Wet-terradarverbund.

Der DWD ist als Träger öffentlicher Belange im Rahmen derimmissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren für denBau und Betrieb von Windenergieanlagen gemäß § 11 der9. BImSchV zu beteiligen (Deutscher Wetterdienst Frankfur-ter Straße 135, 63067 Offenbach). Der DWD ist zudem gehal-ten, insbesondere durch die Angabe der Koordinaten vonMessanlagen und der voraussichtlich erforderlichen Schutz-zonen Standortplanungen für Windenergieanlagen bereits ineinem frühen Stadium zielgerichtet zu unterstützen. Im Ge-nehmigungsverfahren ist u. a. zu prüfen, ob dem konkretenVorhaben an dem vorgesehenen Standort im Außenbereichder öffentliche Belang der Störung der Funktionsfähigkeit vonRadaranlagen gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB entgegen-steht. Diese Prüfung erfolgt in zwei Schritten: Zunächst wirdermittelt, ob das Vorhaben zu irgendeiner Beeinträchtigungder Funktionsfähigkeit einer Wetterradaranlage führen wür-de, sei sie geringfügig oder schwerwiegend. Ist das zu bejahen,so ist anschließend eine sog. nachvollziehende Abwägungvorzunehmen, d. h., die vorgegebenen gesetzlichen Wertun-gen des § 35 BauGB werden auf den konkreten Fall umgesetztund es wird festgestellt, ob in diesem Fall das Vorhaben oderdie unbeeinträchtigte Funktionsfähigkeit der Wetterradaran-lage Vorrang hat. Bei dieser Abwägung ist insbesondere diePrivilegierung des Vorhabens im Außenbereich und ein Ange-wiesensein auf einen bestimmten Standort auf der einen Seitesowie die Auswirkung des Vorhabens auf das Gesamtsystemund die Aufgabenwahrnehmung des DWD auf der anderenSeite von Bedeutung.

6.10 Denkmalschutz Windenergieanlagen dürfen in der Umgebung eines Bau-

denkmals nicht errichtet, geändert oder beseitigt werden,wenn dadurch das Erscheinungsbild des Baudenkmals beein-trächtigt wird (§ 8 Niedersächsisches Denkmalschutzgesetz,im Folgenden: NDSchG).

Die Prüfung, ob ein angrenzendes Bauvorhaben zu einer Be-einträchtigung des Denkmals i. S. des § 8 NDSchG führt, ob-liegt der unteren Denkmalschutzbehörde, das heißt den Ge-meinden, denen die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehör-de obliegt, im Übrigen den Landkreisen (§ 19 NDSchG).

In jedem Fall muss durch die zuständige Denkmalschutzbe-hörde geprüft werden, ob ein Bodendenkmal durch das Vor-haben betroffen ist. Sofern eine solche Betroffenheit vorliegt,ist eine Grabungsgenehmigung gemäß § 13 NDSchG zu bean-tragen. Die entstehenden Kosten für Untersuchung, Bergungund Dokumentation sind vom Antragsteller zu tragen.

Ein Eingriff in ein Kulturdenkmal (Baudenkmale, Boden-denkmale, bewegliche Denkmale und Denkmale der Erdge-schichte gemäß § 3 NDSchG) kann gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2

NDSchG genehmigungsfähig sein, soweit in der Abwägungein öffentliches Interesse anderer Art, zum Beispiel der Ein-satz erneuerbarer Energien, das Interesse an der unveränder-ten Erhaltung des Kulturdenkmals überwiegt oder den Ein-griff zwingend verlangt. Denkmalrechtliche Genehmigungensind gemäß § 10 NDSchG dann erforderlich, wenn ein Kultur-denkmal durch die geplanten Maßnahmen erheblich beein-trächtigt oder zerstört wird.

Entsprechend der Vorgaben des UNESCO-Übereinkom-mens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt sowie§ 2 Abs. 3 NDSchG kommt den Stätten des UNESCO-Weltkul-turerbes ein besonderer Schutz zu.

Der Bewertung der Denkmalschutzbehörde bezüglich derBeeinträchtigung durch eine geplante Windenergieanlagekommt für die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbe-hörde keine rechtliche Bindungswirkung zu. Sie ist bei derAbwägung der unterschiedlichen öffentlichen Belange ange-messen zu berücksichtigen.

6.11 Bergbauliche Anlagen zur Erdöl- und Erdgasgewinnung,Ferngas- und Mineralölfernleitungen

Bei der Errichtung von Windenergieanlagen sind Schutzan-forderungen bestehender Anlagen der Erdöl-, Erdgas- und Un-tergrundspeicherindustrie (oberirdische Betriebsanlagen, un-terirdisch verlegte Feldleitungen) zu beachten. So weist dieRundverfügung 4.45 des LBEG „Abstand von Windkraftanla-gen (WEA) zu Einrichtungen des Bergbaus“ — Verfügung vom12.01.2005 — 05/05 — B VI a 8.2 XXVIII anlagenbezogene Si-cherheitsabstände aus, deren Einhaltung einen sicheren Be-trieb der bergbaulichen Einrichtungen sowie der Transport-fernleitungen gewährleisten soll. Sicherheitsabstände sind imEinzelfall durch fachgutachterliche Beurteilung zu konkreti-sieren.

Als Träger öffentlicher Belange ist das LBEG im Rahmendes Genehmigungsverfahrens zu beteiligen, sobald bergbauli-che Anlagen zur Erdöl- und Erdgasgewinnung oder Unter-grundspeicherung sowie Ferngas- und Mineralölfeldleitungenbetroffen sein könnten.

A n l a g e 1

Flächenpotenziale und Regionalisierter Flächenansatz

Tabelle 1 Regionalisierter Flächenansatz Mithilfe des Geoinformationssystems des MU wurden Flä-

chenpotenziale für die Windenergienutzung für Niedersach-sen und für die einzelnen Regionalplanungsräume ermittelt.Die jeweilige Potenzialfläche ergibt sich durch Abzug der so-genannten harten Tabuzonen (siehe Anlage 2), sämtlicherFFH-Gebiete sowie der waldbelegten Flächen von der Gesamt-fläche des jeweiligen Planungsraumes. Dabei wurden die ver-schiedenen Gebietskategorien entsprechend der in Tabelle 2dargestellten Datenquellen berücksichtigt. Industrie- und Ge-werbegebietsflächen sind — obwohl diese nicht zu den hartenTabuzonen zählen — nicht in den ermittelten Potenzialflä-chen enthalten, da eine Windenergienutzung auf diesen untergewissen Konstellationen zwar möglich aber nicht in umfäng-licher Form realistisch ist.

Auf dieser Grundlage ergibt sich eine landesweite Potenzial-fläche von insgesamt maximal etwa 19,1 % der Landesfläche(919 290 ha). Angesichts unterschiedlicher regionaler Gegeben-heiten ist diese Potenzialfläche nicht gleichmäßig über die Re-gionalplanungsräume verteilt — sowohl absolut als auch inRelation zur jeweiligen Planungsraumfläche.

Auf den ermittelten Potenzialflächen werden regelmäßigweitere konkurrierende Nutzungs- oder Schutzbelange beste-hen, die im Rahmen der Planung — ggf. in Form geeigneterweicher Tabukriterien — zu berücksichtigen sind. Stellt jederPlanungsträger letztlich mindestens 7,35 % seiner jeweiligenPotenzialfläche für die Windenergienutzung bereit, würde derfür die Realisierung des Landesziels insgesamt erforderlicheFlächenbedarf von mindestens 1,4% der Landesfläche erreicht.Diese individuellen Werte sind in der Tabelle 1 für alle Regio-nalplanungsräume dargestellt. Bei den Flächenangaben handeltes sich um Orientierungswerte und nicht um verbindliche Vor-gaben für die aktuelle Regionale Raumordnungs- oder Bauleit-planung.

Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass lokal spe-zifischere oder aktuellere Informationen zu bestehenden har-ten Tabuzonen vorhanden sind. Sind diese beispielsweiseumfänglicher anzunehmen als die in Tabelle 1 genannten Flä-chen, so werden die der Planung zugrunde zu legende Poten-zialfläche für die Windenergienutzung und auch der darausabgeleitete Orientierungswert entsprechend geringer ausfallen.

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1) Planungsraum abzüglich der harten Tabuzonen, der FFH-Gebiete und Waldflächen. Darüber hinaus sind Industrie- und Gewerbegebietsflächenebenfalls nicht in der ermittelten Potenzialfläche enthalten, da eine Windenergienutzung auf diesen unter gewissen Konstellationen möglich abernicht in umfänglicher Form realistisch ist.

2) Bei den Flächenangaben handelt es sich nicht um verbindliche Vorgaben für die aktuelle Regionale Raumordnungs- oder Bauleitplanung. Die Ru-brik gibt für die jeweiligen Planungsräume die Zielgrößen an, welche bei einer proportionalen anteilsmäßigen Verteilung des Flächenbedarfs fürdas landesweite Ausbauziel von 20 GW Windenergie an Land (siehe Nummer 2.7) auf die jeweiligen Planungsräume entfielen. Insofern dienen sieals in der Planung zu beurteilendes und abzuwägendes Kriterium im Hinblick auf die rechtliche Maßgabe, dass der Windenergie substanziellRaum zu verschaffen ist.

Landkreise/Regionen,kreisfreie Städte undZweckverbandsgebiet

Landkreisfläche[ha]

Potenzialfläche1)[ha]

7,35-Prozent-Ziel2)[ha]

entspricht Anteil derGesamtfläche [%]

Ammerland 73 004,1 5 819,5 427,7 0,59

Aurich 129 384,7 14 070,2 1 034,2 0,80

Celle 154 982,5 26 847,4 1 973,3 1,27

Cloppenburg 141 946,3 18 427,2 1 354,4 0,95

Cuxhaven 205 784,0 56 828,7 4 176,9 2,03

Delmenhorst 6 243,2 192,8 14,2 0,23

Diepholz 198 943,5 31 610,2 2 323,4 1,17

Emden 11 236,2 1 761,9 129,5 1,15

Emsland 288 218,1 45 826,5 3 368,2 1,17

Friesland 61 785,4 5 332,6 391,9 0,63

Göttingen 100 090,3 21 506,7 1 580,7 1,58

Göttingen (Stadt) 11 685,8 1 380,2 101,4 0,87

Grafschaft Bentheim 98 143,0 10 271,7 755,0 0,77

Hameln-Pyrmont 79 689,3 14 825,8 1 089,7 1,37

Hannover 229 540,8 59 478,7 4 371,7 1,90

Harburg 124 770,2 20 632,9 1 516,5 1,22

Heidekreis 188 001,5 26 931,5 1 979,5 1,05

Hildesheim 120 751,2 35 134,7 2 582,4 2,14

Holzminden 69 369,7 7 412,4 544,8 0,79

Leer 108 597,4 16 227,6 1 192,7 1,10

Lüchow-Dannenberg 122 636,2 20 482,2 1 505,4 1,23

Lüneburg 132 711,5 18 611,0 1 367,9 1,03

Nienburg 139 972,2 32 569,9 2 393,9 1,71

Northeim 126 788,8 29 658,1 2 179,9 1,72

Oldenburg 106 402,6 12 020,5 883,5 0,83

Oldenburg (Stadt) 10 303,0 500,0 36,8 0,36

Osnabrück 212 038,1 13 574,3 997,7 0,47

Osnabrück (Stadt) 11 970,5 41,7 3,1 0,03

Osterholz 65 213,6 8 247,8 606,2 0,93

Osterode am Harz 63 647,1 6 599,3 485,1 0,76

Rotenburg 207 310,7 71 454,0 5 251,9 2,53

Schaumburg 67 516,0 9 333,9 686,0 1,02

Stade 126 591,6 30 483,2 2 240,5 1,77

Uelzen 146 186,8 40 889,7 3 005,4 2,06

Vechta 81 357,6 9 420,0 692,4 0,85

Verden 78 875,4 16 958,2 1 246,4 1,58

Wesermarsch 82 693,1 15 502,1 1 139,4 1,38

Wilhelmshaven 10 685,4 784,9 57,7 0,54

Wittmund 65 863,0 9 609,2 706,3 1,07

ZGB 509 057,7 143 553,3 10 551,2 2,07

Summe 4 769.988,2 910 812,7 66 944,7 1,40

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Tabelle 2 Flächenpotenzialberechnung — Gebietskategorien

A n l a g e 2

Tabelle 3 Überblick zu harten TabuzonenZusammenfassender Überblick zu den harten Tabuzonen nach derzeitiger Sach- und Rechtslage (Ausschlusskriterien für die

Windenergienutzung):Die nachfolgenden Tabelleninhalte zu den harten Tabuzonen sind auch in der Arbeitshilfe „Regionalplanung und Windenergie“ML/NLT (Stand: 15. 11. 2013) enthalten.

1. Siedlung

1) Es wird von einer Windenergieanlage der aktuellen Anlagengeneration ausgegangen (Leistung 2,5 bis 3 MW, Nabenhöhe 150 m, Rotordurchmes-ser 100 bis 120 m). Der Abstand bemisst sich von der Mastfußmitte.

Gebietskategorien Datenquelle Abzug vonPlanungsraumfläche

Pufferabstand (m)(Abzug von Planungsraumfläche)

Nat

ur

un

d La

nds

chaf

t, U

mw

elt

Nationalpark NUMIS ja

Naturschutzgebiet NUMIS ja

Biosphärenreservatsgebiet NUMIS ja

Natura 2000 Gebiete ja

Vogelschutzgebiete NUMIS ja

FFH-Gebiet NUMIS ja

Landschaftsschutzgebiete NUMIS nein

Wald ATKIS ja

Stehende Gewässer w 1 ha ATKIS ja 50

Gewässer erster Ordnung ATKIS ja 50

Heilquellenschutzgebiete,Trinkwasserschutzgebiete (Zone 1)

NUMIS ja

Heilquellenschutzgebiete,Trinkwasserschutzgebiete (Zone 2)

NUMIS ja

Hochwasserdeiche NLWKN ja 50 (landseitig)

Überschwemmungsgebiete NUMIS nein

Infr

astr

uk

tur

BAB (fiktive Breite 40 m) ATKIS ja 40

Bundesstraßen, Landes- und Kreisstraßen(fiktive Breite 20 m)

ATKIS ja 20

Freileitungen ATKIS ja

Flugverkehrsflächen ja

Truppenübungsplätze ja

Bundeswasserstraßen ATKIS ja 50

Schienenverkehr(fiktive Breite 10 m)

ATKIS ja

Sied

lun

g

Allgemeine und reine Wohngebiete ATKIS ja 400

Einzelwohngebäudeund Splittersiedlungen

ALKIS/ATKIS

Campingplätze ATKIS

Gewerbe- und Industriegebiete ATKIS ja

Rohstoffsicherungsgebiete ohne Torf LROP ja

Kriterium Harte Tabuzone Begründung/Hinweise zu den harten Tabuzonen

Siedlungsbereich mit Wohnnutzung(§§ 30, 34 BauGB)

§ 5 BImSchG i. V. m. TA Lärm und nachbarliches Rücksicht-nahmegebot nach § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB, „optisch bedrängende Wirkung“ (OVG NRW, 8 A 2764/09)

Fläche: ja

Abstand (m): 2 H = 4001)

Einzelhäuser und Splittersiedlungenim Außenbereich (§ 35 BauGB)

§ 5 BImSchG i. V. m. TA Lärm und nachbarliches Rücksicht-nahmegebot nach § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB, „optisch bedrängende Wirkung“ (OVG NRW 8 A 2764/09)

Fläche: ja

Abstand (m): 2 H = 4001)

Wochenendhaus-, Ferienhaus-und Campingplatzgebiete

§ 5 BImSchG i. V. m. TA Lärm und nachbarliches Rücksicht-nahmegebot nach § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB, „optisch bedrängende Wirkung“ (OVG NRW, 8 A 2764/09)

Fläche: ja

Abstand (m): 2 H = 4001)

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2. Infrastruktur2)

2) Abstände in der zeichnerischen Darstellung in 1 : 50 000 teilweise nicht darstellbar (textliche Auseinandersetzung/Hinweise in der Begründung).

Sonderfälle/Klärung im Verfahren durch die Träger der Regionalplanung:— Zivile und militärische Luftfahrt:

Insbesondere die §§ 12, 14, 16 a, 17, 18 a und 18 b LuftVG können der Errichtung von Windenergieanlagen entgegenstehen.Einbindung der zivilen und militärischen Luftfahrtbehörden in die Ausarbeitung des Planungskonzepts.

— Weitere militärische Einrichtungen:Der Errichtung von Windenergieanlagen können weitere Belange der Bundeswehr entgegenstehen (z. B. Beschränkungen nachdem Schutzbereichsgesetz). Einbindung des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundes-wehr, Referat Infra I 3, Fontainengraben 200, 53123 Bonn, in die Ausarbeitung des Planungskonzepts.

— Wetterradar des DWD:Einbindung des DWD in die Ausarbeitung des Planungskonzepts im Umkreisradius von 15 km um Wetterradarstationen desDWD.

— Hoheitlicher und sonstiger Richtfunk:Einbindung der Bundesnetzagentur in die Ausarbeitung des Planungskonzepts zur Ermittlung und Berücksichtigung von ho-heitlichen und privaten Richtfunkeinrichtungen/-strecken.

3. Natur und Landschaft, Umwelt

Kriterium Harte Tabuzone Begründung/Hinweise zu den harten Tabuzonen

Bundesautobahnen Anbauverbotszone nach § 9 FStrG

Fläche/Trasse: ja

Abstand (m): 40

Bundes-, Landes- und Kreisstraßen Anbauverbotszone nach § 9 FStrG oder § 24 NStrG

Fläche/Trasse: ja

Abstand (m): 20

Gleisanlagen und Schienenwege

Fläche/Trasse: ja

Abstand (m):

Bundeswasserstraßen Freihaltung von Gewässern und Uferzonen nach § 61 BNatSchG

Fläche/Trasse: ja

Abstand (m): 50

Hoch- und Höchstspannungsleitungen(ab 110 kV)

Fläche/Trasse: ja

Abstand (m):

Luftverkehr/Flugplätze § 21 a Abs. 2 Satz 1 LuftVO und Gemeinsame Grundsätze desBundes und der Länder für die Anlage und den Betrieb vonFlugplätzen für Flugzeuge im Sichtflugbetrieb (NfL I 92/13):Hindernisverbot innerhalb von Platzrunden und Mindestabstand von 400 m zum Gegenanflug von Platzrunden und/oder 850 mzu den anderen Teilen von Platzrunden (inklusive Kurventeilen).

Fläche/Trasse: ja

Abstand (m): Einzelfall

Kriterium Harte Tabuzone Begründung/Hinweise zu den harten Tabuzonen

Naturschutzgebiet, einstweilig sicher-gestelltes Naturschutzgebiet

§ 23 BNatSchG, entsprechend der gebietsspezifischen Empfindlichkeit und des Schutzzwecks können zudem harte Abstände erforderlich sein

Fläche: ja

Abstand (m):

Nationalpark,Nationales Naturmonument

§ 24 BNatSchG i. V. m. § 23 BNatSchG

Fläche: ja

Abstand (m):

Biosphärenreservat(Kern- und Pflegezone)

§ 25 BNatSchG i. V. m. §§ 23, 26 BNatSchG, harte Tabuzoneentsprechend der Zonierung

Fläche: ja

Abstand (m):

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4. Raumordnung

Natura 2000-Gebiet soweit mit nichtzu vereinbarendem Schutzzweck/Erhaltungszielen (vor allem Schutz von Vogel- und Fledermausarten)

§ 31 ff. BNatSchG i. V. m einzelgebietlichem Schutzzweck undErhaltungszielen

Fläche: ja

Abstand (m):

Landschaftsschutzgebiet(mit Bauverbot und/oder nichtzu vereinbarendem Schutzzweck)

§ 26 BNatSchG i. V. m einzelgebietlicher Verordnung

Fläche: ja

Abstand (m):

Fließgewässer erster Ordnungund stehende Gewässer (¾ 1 ha)2)

Freihaltung Gewässer und Uferzonen nach § 61 BNatSchGvom Fundament

Fläche: ja

Abstand (m): 50

Kriterium Harte Tabuzone Begründung/Hinweise zu den harten Tabuzonen

Kriterium Harte Tabuzone Begründung/Hinweise zu den harten Tabuzonen

Haupt-, Hochwasser- undSchutzdeiche

Abstand zur landseitigen Grenze eines Haupt-, Hochwasser-und Schutzdeiches gemäß §16 NDG

Fläche: ja

Abstand (m): 50

Wasserschutzgebiet (Zone I)2) § 51 WHG i. V. m einzelgebietlicher Verordnung und Arbeitsblatt W 101 des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches DVGW

Fläche: ja

Abstand (m):

Wasserschutzgebiet (Zone II)2) § 51 WHG i. V. m einzelgebietlicher Verordnung und DVGW-Arbeitsblatt W 101, Befreiungsmöglichkeit gemäß § 52 WHG(siehe Nummer 6.3)

Fläche: ja

Abstand (m):

Heilquellenschutzgebiet (Zone I)2) § 53 WHG i. V. m einzelgebietlicher Verordnung

Fläche: ja

Abstand (m):

Heilquellenschutzgebiet(Zone II)2)

§ 53 WHG i. V. m einzelgebietlicher Verordnung, Befreiungsmög-lichkeit gemäß § 52 WHG (siehe Nummer 6.3)

Fläche: ja

Abstand (m):

Kriterium Harte Tabuzone Begründung/ Hinweis

Vorranggebiete (VR) der Landesplanung/LROPDer Windenergie stehen entgegen:VR Rohstoffgewinnung, VR Güter-verkehrszentrum, VR Seehafen/Binnen-hafen, VR Verkehrsflughafen, VR Groß-kraftwerk, VR Haupteisenbahnstrecke, VR sonstige Eisenbahnstrecke;VR Autobahn, VR Hauptverkehrs-straße, VR Hauptverkehrsstraße(vierspurig), VR Schifffahrt,VR Leitungstrasse, VR Entsorgungradioaktiver Abfälle.

LROP 2008/2012 i. V. m. den §§ 4, 5 und 8 Abs. 7 ROG

Fläche: ja

Abstand (m):

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A n l a g e 3

Veranschaulichung Grenzabstandsbetrachtung

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Anlage 2

LeitfadenUmsetzung des Artenschutzes bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen

in Niedersachsen

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Grundlagen2.1 Naturschutzrechtliche Grundlagen (Artenschutz)2.2 Naturschutzfachliche Grundlagen

3. Windenergieanlagenempfindliche Arten/Artengruppen in Nie-dersachsen

4. Artenschutzprüfung (ASP)4.1 Artenschutzprüfung in der Regionalplanung4.4.1 Verbot Nr. 1: Tötungsverbot (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG) 4.4.2 Verbot Nr. 2: Störungsverbot (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG)4.4.3 Verbot Nr. 3: Beschädigungs-/Zerstörungsverbot von Fortpflan-

zungs-/Ruhestätten (§ 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG)4.2 Artenschutzprüfung in der Flächennutzungsplanung4.3 Artenschutzprüfung im immissionsschutzrechtlichen Geneh-

migungsverfahren4.4 Hinweise zu den artenschutzrechtlichen Zugriffsverboten im

Zusammenhang mit Windenergieanlagen

5. Sachverhaltsermittlung der möglichen Betroffenheit vonwindenergieanlagenempfindlichen Arten

5.1 Avifauna5.1.1 Anforderungen an Untersuchungen der Avifauna5.1.2 Untersuchungsraum5.1.3 Avifaunistische Erfassung im Zulassungsverfahren5.1.4 Avifaunistischer Untersuchungsbedarf auf der Ebene der Re-

gional- und Flächennutzungsplanung5.2 Fledermäuse5.2.1 Anforderungen an die Untersuchung5.2.2 Windenergieanlagenempfindliche Fledermausarten5.2.3 Fledermauserfassung im Zulassungsverfahren5.2.4 Anforderungen an die Technische Ausstattung5.2.5 Fledermauserfassung auf der Ebene der Regional- und Flächen-

nutzungsplanung5.3 Datenaktualität

6. FFH-Verträglichkeitsprüfung in Regional- und Flächennut-zungsplanung, Genehmigungsverfahren

7. Artspezifische Vermeidungs- und Schadensbegrenzungsmaß-nahmen/vorgezogene artenschutzrechtliche Ausgleichsmaß-nahmen bezüglich Windenergieanlagen

8. Anforderungen an ein Monitoring

9. Schlussbestimmungen

1. Einleitung

Die Energiewende ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabevon höchster Priorität. Im Hinblick auf den Klimaschutz so-wie die mit der Nutzung der Atomkraft verbundenen Risikenist sie ohne Alternative. Der mit der Energiewende verbundeneAusbau der erneuerbaren Energien ermöglicht zudem Innovatio-nen und neue Technologien und erbringt Wertschöpfung vor Ort.

Die Windenergie als vergleichsweise kostengünstige undetablierte Technologie bildet das Kernstück der Energiewendeim Stromsektor. Deren Ausbau ist ein wesentlicher Bestand-teil nachhaltiger Klima- und Energiepolitik und dient als Bei-trag zur Eindämmung des Klimawandels. Gleichwohl kanndieses Ziel nur unter Beachtung des Artenschutzrechts er-reicht werden, um zugleich auch ein Beitrag zum Erhalt desheimischen Natur- und Artenhaushalts zu sein.

Die wichtigste Voraussetzung für die Weiterentwicklungder Windenergie ist die Planungssicherheit für die Investoren,um so neue Projekte voranzubringen. Niedersachsen hat da-her die Erarbeitung eines verbindlichen Erlasses für die Pla-nung und Genehmigung von Windenergieprojekten forciert,um Planungssicherheit und Transparenz zu schaffen undgleichzeitig einen möglichst umwelt- und sozialverträglichenAusbau von Windenergienutzung zu unterstützen.

Auf der Grundlage der Regelungen des Windenergieerlassesist dieser Leitfaden für die „Umsetzung des Artenschutzes beiPlanung und Genehmigung von Windenergieanlagen für Nie-dersachsen“ im Dialogprozess von einer Unter-Arbeitsgruppemit Vertretern und Vertreterinnen der Umweltverbände, derWindenergiebranche, der Fachbehörde für Naturschutz, derunteren Naturschutzbehörde, des Niedersächsischen Land-kreistages, Planungsbüros und Mitarbeiterinnen und Mitar-beitern des Ministerium für Umwelt, Energie und Klima-schutz erarbeitet worden.

Für die Mitwirkung in der Unterarbeitsgruppe wird ge-dankt:Elke Meier, Dr. Stefan Ott, Dieter Pasternack, Svenja Stelse-Heine, Ivo Niermann, Jan Strack, Elke Sellmann, Jürgen Ber-lin, Martin Sprötge, Roland Hagendorff, Wilhelm Breuer, RolandHeuser, Christina Grebe, Sebastian Biermann, Dr. ChristophSchmidt-Eriksen, Jörn Hoffmann-Loß, Konstantin Knorr, Dr.Heinz Düttmann, Sabine Dannenberg, Manfred Weyer, PeterWilhelm, Bettina Kader.

Für den Inhalt des vorliegenden Leitfadens zeichnet aus-schließlich das Niedersächsische Ministerium für Umwelt,Energie und Klimaschutz verantwortlich.

Dieser Leitfaden ist gemäß der Nummer 5 der Anlage 1 zumGem. RdErl. des MU, des ML, des MS, des MW und des MI„Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen anLand (Windenergieerlass)“ vom 24. 2. 2016 (Nds. MBl. S. 190)verbindlich anzuwenden.

2. Grundlagen

2.1 Naturschutzrechtliche Grundlagen (Artenschutz)Die Notwendigkeit zur Durchführung einer Artenschutz-

prüfung (ASP) im Rahmen von Planungsverfahren für dieAusweisung von Windkonzentrationszonen oder bei der im-missionsschutzrechtlichen Genehmigung von Windenergie-anlagen (WEA) ergibt sich aus den unmittelbar geltendenRegelungen des § 44 Abs. 1 BNatSchG i. V. m. §§ 44 Abs. 5und 6 und 45 Abs. 7 BNatSchG. Damit sind die entsprechen-den Artenschutzbestimmungen der Richtlinie 92/43/EWG desRates vom 21. 5. 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebens-räume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (Flora-Fauna-Habitat -Richtlinie — FFH-RL —) (Artikel 12, 13 und 16 FFH-RL)und der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlamentsund des Rates vom 30. 11. 2009 über die Erhaltung der wildle-benden Vogelarten (EU-Vogelschutzrichtlinie — V-RL —) (Arti-kel 5, 9 und 13 V-RL) in nationales Recht umgesetzt worden.Bei Zuwiderhandlungen gegen die Artenschutzbestimmun-gen sind die §§ 69 ff. BNatSchG zu beachten.

Herausgeber: Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energieund KlimaschutzArchivstraße 2, 30159 HannoverTelefon: 0511 120-0 Ablauf und Inhalte einer Artenschutzprüfung

Eine ASP lässt sich in drei Stufen unterteilen:

Stufe I: Vorprüfung (Artenspektrum, Wirkfaktoren)In dieser Stufe wird durch eine berschlägige Prognose ge-klärt, ob im Planungsgebiet und ggf. bei welchen FFH-Artendes Anhangs IV FFH-RL und bei welchen europäischen Vo-gelarten artenschutzrechtliche Konflikte auftreten können.Um dies beurteilen zu können, sind alle verfügbaren Infor-mationen zum betroffenen Artenspektrum einzuholen. Vordem Hintergrund des Vorhabentyps und der Örtlichkeit sindalle relevanten Wirkfaktoren des Vorhabens einzubeziehen.Immer wenn die Möglichkeit besteht, dass eines der arten-schutzrechtlichen Zugriffsverbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG(s. u.) erfüllt wird, ist für die betreffenden Arten eine vertie-fende Art-für-Art-Betrachtung in Stufe II erforderlich. Zugriffsverbote:1. Verletzen oder Töten von Individuen, sofern sich das

Kollisionsrisiko gegenüber dem allgemeinen Lebensrisi-ko signifikant erhöht

2. Störung der lokalen Population 3. Beeinträchtigung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten

inklusive essentieller Nahrungs- und Jagdbereiche sowieFlugrouten und Wanderkorridore.

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Abbildung 1 (Quelle: modifiziert nach dem Leitfaden „Umset-zung des Arten- und Habitatschutzes bei der Planung und Ge-nehmigung von Windenergieanlagen in Nordrhein-Westfa-len“ Fassung v. 12. 11. 2013 [NRW-Leitfaden])

Ein Ausnahmeverfahren ist nur dann erforderlich, wennein Vorhaben trotz Vermeidungsmaßnahmen inklusive vorge-zogener Ausgleichsmaßnahmen gegen Zugriffsverbote ver-stößt. Vorsorglich kann der Vorhabenträger bereits parallelzur vertiefenden Prüfung (Stufe II) alle notwendigen Vorberei-tungen für ein Ausnahmeverfahren (Stufe III) treffen. Auf die-se Weise lassen sich mögliche zeitliche Verzögerungen durchein im Verlauf der Prüfung gegebenenfalls erforderlich wer-dendes Ausnahmeverfahren vermeiden oder zumindest ver-ringern.

Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG sind Projekte vor ihrerZulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mitden Erhaltungszielen oder dem Schutzzweck eines Natura2000-Gebietes zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zu-sammenwirken mit anderen Projekten geeignet sind, das Ge-biet erheblich zu beeinträchtigen (im Folgenden „FFH-Ver-träglichkeitsprüfung“ [FFH-VP], die sich sowohl auf die FFH-Gebiete als auch auf Vogelschutzgebiete bezieht).

Unabhängig vom wirkungsbezogenen Projektbegriff liegtzumindest in den Fällena) eines Repowering-Vorhabens in einem Vogelschutzgebiet

(VSG), b) bei Neuerrichtung und eines Repowering im 300 m-Regel-

abstand zu Natura 2000-Gebieten sowie c) auch im begründeten Einzelfall eines größeren Abstands

zu den Natura 2000-Gebieten darüber hinaus ein Projektvor, das somit eine FFH-VP erforderlich macht:— Errichtung von immissionsschutzrechtlich genehmi-

gungspflichtigen WEA mit einer Gesamthöhe von mehrals 50 m (vgl. Nummer 1.6 der 4. BImSchV),

— Errichtung von baurechtlich genehmigungspflichtigenWEA als baulichen Anlagen mit mehr als 30 m Höhe.

Bei der FFH-VP bzw. der Vorprüfung und der ASP handeltes sich um eigenständige Prüfverfahren, die nicht durch diejeweils andere Prüfung ersetzt werden können. Im Einwir-kungsbereich auf Natura 2000-Gebiete müssen daher beidePrüfungen durchgeführt werden, wobei die jeweiligen Prüf-schritte soweit wie möglich miteinander verbunden werdensollten. Da die im Rahmen einer FFH-VP zu klärenden WEA-spezifischen, den Artenschutz betreffenden Fragestellungengrundsätzlich über die ASP inhaltlich mit geklärt werden kön-nen, konzentriert sich der vorliegende Leitfaden auf die fachli-chen Anforderungen des Artenschutzregimes.

Sofern im Zusammenhang mit betriebsbedingten Auswir-kungen von WEA keine artenschutzrechtlichen Verbote er-füllt sind, ist diesbezüglich im Regelfall auch nicht von einererheblichen Beeinträchtigung von FFH-Gebieten im Sinne derFFH-Richtlinie auszugehen (siehe auch Kapitel 6).

Stufe II: Vertiefende Prüfung der VerbotstatbeständeHier werden die Zugriffsverbote artspezifisch im Sinne ei-ner Art-für-Art-Betrachtung geprüft sowie ggf. erforderlicheVermeidungsmaßnahmen inklusive vorgezogener Ausgleichs-maßnahmen konzipiert. Anschließend wird geprüft, bei wel-chen Arten trotz dieser Maßnahmen gegen die artenschutz-rechtlichen Verbote verstoßen wird. Hierzu ist ggf. ein speziel-les Artenschutz-Gutachten einzuholen.

Stufe III: AusnahmeverfahrenIn dieser Stufe wird geprüft, ob die drei Ausnahmevoraus-setzungen des ß 45 Abs. 7 BNatSchG (zwingende Gründe,Alternativlosigkeit, keine Verschlechterung des Erhaltungs-zustandes) vorliegen und insofern eine Ausnahme von denVerboten zugelassen werden kann.

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Ablauf und Inhalte einer FFH-Verträglichkeitsprüfung:

Abbildung 2

5. Sind die notwendigen Maß-

nahmen zur Sicherung des

Zusammenhanges des Euro-

päischen ökologischen Net-

leistet?

Prüfung von Projekten und Plänen

VERTRÄGLICHKEITSPRÜFUNG

gemäß § 34 Abs. 1 und 2 und § 36 BNatSchG

I. Kann ausgeschlossen werden, dass ein Projekt oder

Plan, auch im Zusammenwirken mit anderen Projek-

ten oder Plänen, zu einer erheblichen Beeinträchti-

gung eines Gebietes von gemeinschaftlicher Bedeu-

tung oder eines Europäischen Vogelschutzgebietes in

seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck

maßgeblichen Bestandteilen führt?

1. Gibt es zumutbare Alternativen, den verfolgten

Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren

Beeinträchtigungen zu erreichen?

ja keine

Verträglichkeitsprüfung

erforderlich

ja Ablehnung des

Projektes; Vorhabensträger

kann Alternative verfolgen,

die dann gemäß Abbildung

links

nein

II. Durchführung der Verträglichkeitsprüfung:

Erfassung der für die Erhaltungsziele oder den

Schutzzweck maßgeblichen Bestandsteile

Prognose der zu erwartenden Beeinträchtigun-

gen eines Gebietes in seinen für die Erhal-

tungsziele oder den Schutzzweck maßgebli-

chen Bestandteilen

Bestimmung der Erheblichkeit der Beeinträchti-

gungen

erhebliche

Beeinträchtigung

sind zu erwarten

erhebliche

Beeinträchtigungen

sind nicht zu erwarten

III. Projekt oder Plan ist unzulässig,

Prüfung von Ausnahmen s. Abb. rechts

ja nein Ablehnung

ja nein

4. Werden als zwingende Gründe des

überwiegenden öffentlichen Interesses

solche im Zusammenhang mit der Ge-

sundheit des Menschen, der öffentlichen

Sicherheit, einschl. der Verteidigung und

des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder

den maßgeblich günstigen Auswirkun-

gen des Projektes oder Planes auf die

Umwelt geltend gemacht?

ja

PRÜFUNG VON AUSNAHMEN

gemäß § 34 Abs. 3 ff. und § 36 BNatSchG

nein

nein

2. Ist das Projekt oder der Plan aus zwingenden

Gründen des überwiegenden öffentlichen Interes-

ses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftli-

cher Art, notwendig?

3. Können von dem Projekt oder Plan im Gebiet

vorkommende prioritäre natürliche Lebensraumty-

pen oder prioritäre Arten betroffen sein?

ja

nein Ablehnung

6. Einholung der Stellungnahme der Kommissi-

on über das jeweilige Fachministerium und

das BMUB, die bei der Entscheidung zu be-

rücksichtigen sind.

7. Entscheidung unter Berücksichtigung zwingender

Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses

einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher

Art

Zulassung/Durchführung

des Projektes oder Planes

nein Ablehnung des

Projektes oder Planes

8. Unterrichtung der

Kommission über das jeweilige

Fachministerium und das BMUB

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2.2 Naturschutzfachliche Grundlagen hinsichtlich des Vogel-schutzes

Auf der Planungsebene helfen bei den WEA-empfindlichenVogelarten artspezifische Empfehlungen für die planerischeBerücksichtigung der Hauptaktivitätszentren um Brut- und Rast-plätze (siehe Abbildung 3). Durch die Empfehlungen sollen kei-ne Zonen geschaffen werden, in denen die Errichtung vonWEA ausgeschlossen werden soll. Das Einhalten der empfoh-lenen Abstände indiziert das Fehlen eines relevanten Tötungs-risikos, d. h. bei Einhaltung der entsprechenden Empfehlun-gen wird im Regelfall ein Eintritt der Verbotstatbestände des§ 44 Abs. 1 BNatSchG vermieden (z. B. OVG Magdeburg, Ur-teil vom 26. 10. 2011 — 2 L 6/09 —; VG Kassel, Urteil vom8. 5. 2012 — 4 K 749/11.KS —). Soweit der fachlich empfoh-lene Abstand unterschritten wird, könnte dies ein Anhalt füreine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos sein. In diesemFall ist eine Einzelfallprüfung angezeigt.

3. Windenergieanlagenempfindliche Arten/Artengruppen in Nieder-sachsenDie speziellen betriebsbedingten Auswirkungen von WEA

betreffen insbesondere Vögel und Fledermäuse. Nicht alle Vo-

gel- und Fledermausarten sind gleichermaßen durch WEA ge-fährdet. Bestimmte Arten gelten als überdurchschnittlich ge-fährdet, diese werden als Windenergieempfindliche (kurz WEA-empfindliche) Arten bezeichnet. Dabei sind zwei betriebsbe-dingte Auswirkungen von WEA für verschiedene Vogel- undFledermausarten zu unterscheiden, die im Zusammenhangmit den artenschutzrechtlichen Zugriffsverboten des § 44Abs. 1 BNatSchG besonders relevant sind:

— Verbot Nr. 1: letale Kollisionen einschließlich der Tötungdurch Barotrauma, sofern sich hierdurch ein signifikanterhöhtes Tötungsrisiko für die Individuen ergibt.

— Verbot Nr. 2: erhebliche Störwirkungen, sofern sich derErhaltungszustand der lokalen Population verschlechternkann. Hierbei ist zu beachten, dass nach der Rechtspre-chung des BVerwG der Begriff der lokalen Population demBegriff des lokalen Vorkommens entspricht (Urteil vom16. 3. 2006 — 4 A 1075.04 —).

Die WEA-empfindlichen Arten sind in den Abbildungen 3und 4 zusammengestellt. Über die genannten Arten hinauskönnen im Einzelfall weitere Arten betroffen und Gegenstandder naturschutzfachlichen und -rechtlichen Prüfung sein.

WEA-empfindliche Brut- und Rastvogelarten in Niedersachsen mit Angaben zu Prüfradien bei der Planung und Genehmigungsolcher Anlagen. Die Angaben zu Prüfradien beruhen auf Empfehlungen der Nds. Fachbehörde für Naturschutz (NLWKN).

Lfd. Nr. Untersuchungsradien Betroffenheit

Art, Artengruppe Radius 1des Untersuchungsgebietsum die geplante WEA fürvertiefende Prüfung

Radius 2erweitertes Untersuchungs-gebiet (bei relevanten Hin-weisen auf regelmäßig genutz-te, essentielle Nahrungs-habitate und Flugkorridore)

Tötungs-verbot

§ 44 Abs. 1 Nr. 1

Störungs-verbot

§ 44 Abs. 1 Nr. 2

1 Baumfalke 500 m 3000 m x

2 Bekassine 500 m 1 000 m (x) x

3 Birkhuhn 1 000 m x

4 Fischadler 1 000 m 4 000 m x x

5 Flussseeschwalbe(Brutkolonien)

1 000 m 3 000 m x

6 Goldregenpfeifer(Brutplätze)

1 000 m 6 000 m x x

6 a Goldregenpfeifer(Rastplätze)

1 200 m x

7 Graureiher 1 000 m 3 000 m x

8 Großer Brachvogel 500 m 1 000 m (x) x

9 Kiebitz 500 m 1 000 m (x) x

10 Kornweihe 1 000 m 3 000 m x

11 Kranich 500 m x

11 a Kranich (Rastplätze) 1 200 m x

12 Möwen (Brutkolonien)

Lach-, Sturm-, Herings-und Silbermöwe

1 000 m 3 000 m x

13 Mornellregenpfeifer 1 200 m x

14 Nordische Wildgänse(Schlafplätze)

1 200 m (x) x

15 Rohrdommel 1 000 m 3 000 m x

16 Rohrweihe 1 000 m 3 000 m x

17 Rotmilan 1 500 m 4 000 m x

18 Rotschenkel 500 m 1 000 m (x) x

19 Schwarzmilan 1 000 m 3 000 m x

20 Schwarzstorch 3 000 m 10 000 m x

21 Seeadler 3 000 m 6 000 m x

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Abbildung 3

WEA-empfindliche Fledermausarten

Abbildung 4

Die Festlegung der WEA-empfindlichen Vogel- und Fleder-mausarten ist nicht als abschließend zu betrachten. Es kanndie Notwendigkeit bestehen, sie zukünftig bei einem verbes-serten Kenntnisstand bezüglich der Arten (z. B. bei den Fle-dermäusen) oder der betrachteten Wirkpfade (Kollisionen,Meideverhalten und Störungen) anzupassen. Eine Anpassungwird alle drei Jahre vom MU initiiert.

4. Artenschutzprüfung

4.1 Artenschutzprüfung in der Regionalplanung

Eine rechtliche Verpflichtung zur Durchführung einer Ar-tenschutzprüfung besteht für die Regionalen Raumordnungs-programme (RROP) nicht, sondern erst für die nachgelagertenPlanungs- und Zulassungsverfahren. Bei der Ausweisung vonWEA-Vorrangzonen auf Ebene der regionalen Raumplanungist es allerdings sinnvoll, die Artenschutzbelange i. S. einer über-schlägigen Vorabschätzung zu berücksichtigen, soweit sie aufdieser Ebene bereits ersichtlich sind. Auf diese Weise lassensich regionalplanerische Festsetzungen vermeiden, die in nach-geordneten Verfahren aus Artenschutzgründen nicht umge-

setzt werden können. Bei vorhabenbezogenen Regionalplan-änderungen empfiehlt es sich, soweit möglich bereits auf derEbene der Regionalplanung die in parallel geführten Planungs-und Zulassungsverfahren ermittelten Grundlagen der Arten-schutzprüfung zu berücksichtigen.

Im Rahmen der Regionalplanung sollen bedeutsame Vor-kommen von WEA-empfindlichen Fledermaus- und europäi-schen Vogelarten bei raumwirksamen Planungen auch außer-halb von Schutzgebieten berücksichtigt und nach Möglichkeiterhalten werden. Im Rahmen der Regionalplanung sind Inter-essenkonflikte mit „verfahrenskritischen Vorkommen“ dieserArten möglichst durch die Wahl von Alternativen zu vermei-den. „Verfahrenskritisch“ bedeutet in diesem Zusammenhang,dass in den späteren Zulassungsverfahren möglicherweisekeine artenschutzrechtliche Ausnahme nach § 45 Abs. 7BNatSchG erteilt werden darf. Hierbei ist allerdings auch zuberücksichtigen, dass in den späteren Planungs- und Zulas-sungsverfahren eine Ausnahme nur erforderlich ist, wenn einVerstoß gegen artenschutzrechtliche Zugriffsverbote nichtdurch geeignete Vermeidungs- oder Ausgleichsmaßnahmenverhindert werden kann.

22 Singschwan(Schlafplätze)

1 000 m 3 000 m x

23 Sumpfohreule 1 000 m 3 000 m x

24 Trauerseeschwalbe (Brutkolonien)

1 000 m 3 000 m x

25 Uferschnepfe 500 m 1 000 m x

26 Uhu 1 000 m 3 000 m x

27 Wachtelkönig 500 m x

28 Waldschnepfe 500 m x

29 Wanderfalke 1 000 m x

30 Weißstorch 1 000 m 2 000 m x

31 Wespenbussard 1 000 m x

32 Wiedehopf 1 000 m 1 500 m x

33 Wiesenweihe 1 000 m 3 000 m x

34 Ziegenmelker 500 m x

35 Zwergdommel 1 000 m x

36 Zwergschwan(Schlafplätze)

1 000 m 3 000 m x x

(X) Betroffenheit ist nur zu bestimmten Jahreszeiten gegeben

Kollisionsgefährdet Je nach lokalem Vorkommen/Verbreitung kollisionsgefährdet

Mögliche artenschutzrechtliche Betroffenheit bei derbaubedingten Beseitigung von Gehölzen durcha) Habitatverlust/Verlust von Fortpflanzungs- und

Ruhestätten und/oderb) maßgebliche Störung von Funktionsbeziehungen

und Nahrungshabitatenwie z. B. für

Großer Abendsegler Mückenfledermaus Bechsteinfledermaus

Kleiner Abendsegler Teichfledermaus Braunes Langohr

Zwergfledermaus Mopsfledermaus

Rauhautfledermaus Nordfledermaus

Breitflügelfledermaus

Zweifarbfledermaus

Lfd. Nr. Untersuchungsradien Betroffenheit

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Bei WEA-empfindlichen Arten (Abbildungen 3 und 4) miteinem landesweit günstigen Erhaltungszustand können Vor-kommen verfahrenskritisch sein, die einen signifikanten An-teil am landesweiten bzw. regionalen Gesamtbestand aufwei-sen, oder bei denen Beeinträchtigungen auf Ebene der biogeo-grafischen Region in Niedersachsen möglich sind. Bei WEA-empfindlichen Arten mit einem landesweit unzureichendenErhaltungszustand können auch kleinere Vorkommen landes-bzw. regionalbedeutsam sein.

Auf der Website der Fachbehörde für Naturschutz

http://www.nlwkn.niedersachsen.de/portal/live.php?naviga-tion_id=8083&article_id=46103&_psmand=26

können sich Interessierte die vorliegenden Daten herunterla-den.

4.2 Artenschutzprüfung in der FlächennutzungsplanungDer Flächennutzungsplan muss der Privilegierungsent-

scheidung des Gesetzgebers Rechnung tragen und für dieWindenergienutzung in substanzieller Weise Raum schaffen(vgl. zuletzt OVG Münster, Urteil vom 20. 11. 2012, 8 A 252/10).Bei der Änderung oder Aufstellung eines Flächennutzungs-plans für Konzentrationszonen für WEA ist eine Artenschutz-prüfung durchzuführen. Anderenfalls könnte der FNP auf-grund eines rechtlichen Hindernisses nicht vollzugsfähig sein.

In Anlehnung an die Darlegungslast der Eingriffsregelung(vgl. § 17 Abs. 4 BNatSchG) sind zur Vorbereitung der Ent-scheidungen und Maßnahmen, soweit auf dieser Planungs-ebene bereits möglich, in einem für die Beurteilung des Ein-griffs angemessenen Umfang, Angaben zu machen.

Gegebenenfalls sind Ausführungen zur Darlegung der Aus-nahmevoraussetzungen (zwingende Gründe des überwiegen-den öffentlichen Interesses, Alternativenprüfung, Prognosezum Erhaltungszustand der Populationen, ggf. Beschreibungder kompensatorischen Maßnahmen), vorzulegen.

Je nach Komplexität des Sachverhaltes können diese Anga-ben zum Beispiel in einem gesonderten Artenschutzgutachtendargelegt werden. Zur Darlegung der artenschutzrechtlichenSachverhalte kann das Protokoll einer Artenschutzprüfung„Teil A. Angaben zum Plan/Vorhaben“ und ggf. als Anlagedazu der ergänzende „Teil B. Anlage Art-für-Art Protokoll“verwendet werden. In diesem Zusammenhang kann die Ge-meinde als Trägerin des Verfahrens auch auf die Daten Dritter(z. B. der späteren Betreiber) zurückgreifen.

Bei Flächennutzungsplänen für WEA-Konzentrationszo-nen ist die ASP (Stufen I bis III), soweit auf dieser Planungs-ebene bereits ersichtlich, im Rahmen der Umweltprüfungabzuarbeiten. Dies gilt insbesondere dann, wenn die konkre-ten Anlagenstandorte und -typen bereits bekannt sind. Stehendiese Details hingegen noch nicht fest, ist eine vollständigeBearbeitung vor allem der baubedingten Auswirkungen aufFNP-Ebene nicht sinnvoll und auch nicht möglich. Da Infor-mationen über bedeutende Fledermauslebensräume zumeistnicht von vornherein vorliegen, müssen entsprechende syste-matische Untersuchungen spätestens auf der Ebene des Zulas-sungsverfahrens durchgeführt werden. Auf dieser Grundlagekann entschieden werden, ob eine Windenergienutzung mög-lich ist.

Des Weiteren können artenschutzrechtliche Konflikte mitFledermäusen im Regelfall durch geeignete Abschaltszenarien

gelöst werden (siehe Nummer 7). Aus diesen Gründen genügtbei der Änderung oder Aufstellung eines FNP für Konzentrati-onszonen für WEA in der Regel ein Hinweis, dass die Bewälti-gung der artenschutzrechtlichen Sachverhalte bezüglich derFledermäuse auf nachgelagerter Ebene im Genehmigungsver-fahren abschließend erfolgt. Bei einer solchen Abschichtungder Bearbeitung müssen die notwendige Sachverhaltsermitt-lung sowie ggf. erforderliche Vermeidungsmaßnahmen (z. B.Abschaltszenarien) in den folgenden Planungen bzw. im Ge-nehmigungsverfahren nachgeholt werden. Das zuvor be-schriebene Vorgehen ist im Erläuterungsteil zum FNP darzu-stellen und zu begründen.

4.3 Artenschutzprüfung im immissionsschutzrechtlichenGenehmigungsverfahren

Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung von WEAkann nur erteilt werden, wenn anlagenbezogene artenschutz-rechtliche Vorschriften der Errichtung und dem Betrieb derAnlage nicht entgegenstehen; die Genehmigung kann Neben-bestimmungen enthalten, die die Einhaltung der artenschutz-rechtlichen Vorschriften sicherstellen. Aufgrund der Konzen-trationswirkung erfasst die immissionsschutzrechtliche Ge-nehmigung auch die ggf. erforderlichen Ausnahmen nach§ 45 Abs. 7 BNatSchG.

Soll die Windenergieanlage innerhalb eines im Flächennut-zungsplan dargestellten oder im Bebauungsplan festgesetztenSondergebietes für Windenergie errichtet werden, können dieim Hinblick auf die Anwendung des § 44 BNatSchG erforder-lichen Untersuchungen als erbracht gelten, wenna) die Vorschrift des § 44 BNatSchG bereits in der Bauleitpla-

nung vorausschauend einbezogen und in Übereinstim-mung mit der Naturschutzbehörde im Umweltbericht einVerstoß gegen die artenschutzrechtlichen Verbote ausge-schlossen wurde und

b) keine Anhaltspunkte erkennbar sind (z. B. erhebliche Ver-änderungen von Natur und Landschaft im Bereich derAufstellungsflächen), die im immissionsschutzrechtli-chen Zulassungsverfahren zu einer anderen Beurteilungführen könnten.

Unter diesen Voraussetzungen kann mit Verweis auf die be-reits vorgenommene Prüfung auf eine erneute Sachverhaltser-mittlung verzichtet werden (Vermeidung von Doppelarbeit).

In den Fällen, in denen bei der Aufstellung/Änderung desFNP keine vollständige ASP durchgeführt wurde, müssen imGenehmigungsverfahren die „offenen Punkte“ abgearbeitet wer-den. Neben betriebsbedingten Auswirkungen (z. B. auf Fleder-mäuse) sind hier vor allem die baubedingten Auswirkungenzu bearbeiten. Unter „baubedingten Auswirkungen“ werdenim Zusammenhang mit WEA insbesondere direkte Beein-trächtigungen der Fortpflanzungs- und Ruhestätten entschei-dungsrelevanter gemeinschaftsrechtlich geschützter Arten durchdie Bautätigkeit oder durch baubedingte Störungen verstan-den. Bezüglich der baubedingten Auswirkungen von WEAwird auf die sonst üblichen Prüfmethoden und -verfahren ver-wiesen. Entsprechende Beeinträchtigungen lassen sich in derRegel durch geeignete Vermeidungsmaßnahmen (z. B. durchBauzeitenbeschränkungen) oder durch vorgezogene Aus-gleichsmaßnahmen erfolgreich ausschließen. Je nach Einzel-fall kann die Vermeidung von Beeinträchtigungen auch imRahmen einer Umweltbaubegleitung geleistet werden.

Hieraus ergibt sich folgende Fallunterscheidung für die Abarbeitung der artenschutzrechtlichen Fragestellungen in der Bauleit-planung bzw. beim immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren:

Abbildung 5 (modifiziert nach NRW-Leitfaden)

1 a. Neuplanung/Änderung Konzentrationszone Z vollständige ASP im FNP-Verfahren(bzgl. Kartieraufwand s. Kap. 5)

im WEA-Genehmigungsbescheid Z Verweis auf ASP im FNP

1 b. Neuplanung/Änderung Konzentrationszone Z vorbereitende ASP im FNP-Verfahrenim WEA-Genehmigungsbescheid Z Abschluss der ASP im Genehmigungsverfahren

(bzgl. Kartieraufwand s. Kap. 5)

2. Keine/alte Konzentrationszone Z i. d. R. ohne/unzureichende ASPim WEA-Genehmigungsverfahren Z ASP im Genehmigungsverfahren

(bzgl. Kartieraufwand s. Kap. 5)

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4.4 Hinweise zu den artenschutzrechtlichen Zugriffsverbo-ten im Zusammenhang mit Windenergieanlagen

4.4.1 Verbot Nr. 1: Tötungsverbot (§ 44 Abs. 1 Nr. 1BNatSchG)

Bei der Planung und Genehmigung von WEA ist zu prüfen,ob die Möglichkeit einer Tötung oder Verletzung aufgrund derKollision mit Rotoren oder Masten und/oder — bei Fleder-mäusen — vergleichbar kausaler Unfälle („Barotrauma“) nach§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG dem Vorhaben entgegenstehen.Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte und derständigen Rechtsprechung des BVerwG ist der Tatbestand desTötungsverbots aufgrund der bei einem Bauvorhaben nie völ-lig auszuschließenden Gefahr von Kollisionen geschützterTiere erst dann erfüllt, wenn das Vorhaben dieses Risiko in ei-ner für die betroffene Tierart signifikanten Weise erhöht. Da-bei sind Maßnahmen, mit denen solche Kollisionen vermie-denwerden können, in die Betrachtung einzubeziehen (grundle-gend BVerwG, Urteil vom 9. 7. 2008 — 9 A 14.07 —; BVerwG,Urteil vom 28. 3. 2013 — 9 A 22/11 — m. w. N.). Die Recht-sprechung des BVerwG zum Tötungsverbot gilt nicht nur fürdas Risiko von Kollisionen im Straßenverkehr, sondern auchfür Kollisionen durch den Bau von WEA (BVerwG Urteil vom8. 1. 2014 — 9 A 4/13 — Rn. 99).

Hiernach ist das Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1BNatSchG individuenbezogen zu verstehen. Es ist schon dannerfüllt, wenn die Tötung eines Exemplars der besonders ge-schützten Arten nicht im engeren Sinne absichtlich erfolgt,sondern sich als unausweichliche Konsequenz eines im Übri-gen rechtmäßigen Verwaltungshandelns erweist.

Da bei lebensnaher Betrachtung aber nie völlig auszuschlie-ßen ist, dass einzelne Individuen besonders geschützter Artendurch Kollisionen mit WEA zu Schaden kommen können,muss dies nach Auffassung des BVerwG als unvermeidlichebenso hingenommen werden wie Verluste im Rahmen desallgemeinen Naturgeschehens. Daher bedarf es einer ein-schränkenden Auslegung der Vorschrift dahingehend, dassder Tötungstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG nur er-füllt ist, wenn sich das Tötungsrisiko für die betroffenen Tier-arten durch das Vorhaben in signifikanter Weise erhöht (vgl.BVerwG, Urteil vom 12. 3. 2008 — 9 A 3.06 —; Urteil vom9. 7. 2008 — 9 A 14.07 —; Urteil vom 18. 3. 2009 — 9 A 39.07—; Urteil vom 14. 7. 2011 — 9 A 12.10 —; ebenso OVG Lüne-burg, Beschl. vom 18. 4. 2011 — 12 ME 274/10 —; Beschl.vom 25. 7. 2011 — 4 ME 175/11 —; Verwaltungsgericht Han-nover, Urteil vom 22. 11. 2012 — 12 A 2305/11 —).

Das Tötungsverbot ist dann verletzt, wenn das Tötungsrisi-ko durch das Vorhaben „signifikant“, d. h. in qualitativ deutli-cher, bezeichnender bzw. bedeutsamer Weise erhöht wird.(OVG Lüneburg, Urteil vom 10. 11. 2008 — 7 KS 1/05 — jurisRz. 88). Ein nur theoretisches Tötungsrisiko ist unbeachtlich.Das BVerwG stellt in seinem Urteil zur Erläuterung des allge-meinen Lebensrisikos als Rahmen auf das allgemeine Naturge-schehen ab, zum Beispiel Opfer einer anderen Art zu werden.Der Umstand, ob ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko vorliegt,ist im Einzelfall im Bezug auf die Lage der geplanten Maßnah-me, die jeweiligen Vorkommen und die Biologie der Arten zu be-trachten (Prüfung der Tötungswahrscheinlichkeit im Einzelfall).

Als unvermeidbar sind solche Tierverluste anzusehen, dietrotz geeigneter Vermeidungsmaßnahmen, welche das Tötungs-risiko unter die Signifikanzgrenze bringen, auftreten. Die„Schwelle des allgemeinen Lebensrisikos“ wird vom BVerwGals „Bagatellgrenze“ verstanden (BVerwG Beschl. vom 6. 3. 20149 — C 6.12 — Rn. 58). Hält sich das bau-, anlagen- oder be-triebsbedingte Tötungsrisiko innerhalb des allgemeinen Le-bensrisikos, dem die Individuen der jeweiligen Art ohnehinunterliegen, oder wird es durch Vermeidungsmaßnahmen un-ter diese Schwelle gesenkt, kann nach „dem Maßstab der prak-tischen Vernunft keine weitere artenschutzrechtliche Verant-wortlichkeit bestehen“ (BVerwG Urteil vom 8. 1. 2014 —9 A 4/13 — Rn. 99; BVerwG, Beschl. vom 6. 3. 2014 — 9 C 6/12— Rn. 58). Bei der Sachverhaltsermittlung muss daher auchgeprüft werden, wie hoch die Verletzungs- und Tötungsrateder betroffenen Art „normalerweise“ ist und ob die Bagatell-grenze des allgemeinen Lebensrisikos — trotz möglicher Ver-meidungsmaßnahmen — mit hinreichender Wahrscheinlich-keit überschritten wird (Verwaltungsgericht Arnsberg, Urteilvom 22. 11. 2012 — 7 K 2633/10 — Rn. 103 ff.).

Der Signifikanzansatz des BVerwG ist inzwischen flächen-deckend von der obergerichtlichen Rechtsprechung übernom-men worden. Es handelt sich bei dem Begriff der „Signifikanz“um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der juristischenAuslegung bedarf und dessen Konturen bislang noch unscharfsind. Das gilt insbesondere für die Frage, nach welchen Krite-

rien zu beurteilen ist, ob die Signifikanzschwelle überschrit-ten wird. Dies ist nicht schon dann der Fall, wenn überhauptTiere der besonders geschützten Arten im Eingriffbereich vor-kommen. Erforderlich ist vielmehr, dass am jeweiligen Stand-ort Bedingungen vorherrschen, die das Risiko der Tötung vonIndividuen der Arten, die ihrer Verhaltensweisen wegendurch den Betrieb von WEA besonders gefährdet sind in einerdeutlich spürbaren Weise erhöhen.

Für die Beurteilung der Frage, ob im konkreten Einzelfallvon einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko ausgegangenwerden muss, kommt es auf die Ergebnisse der den konkretenStandort betreffenden naturschutzfachlichen Erhebungen ei-nerseits und das allgemeine Gefährdungspotenzial solcherAnlagen mit Blick auf die spezifischen Arten andererseits (vgl.BVerwG, Urteil vom 14. 7. 2011 — 9 A 12.10 — Rn. 99) unddamit auf die Umstände des Einzelfalles und die jeweiligeTierart an.

Zwei grundsätzliche mögliche Fallgruppen müssen dabeiunterschieden werden:a) durch die zeitgleiche Anwesenheit zahlreicher Individuen

erhöht sich das Risiko, dass ein einzelnes geschütztes Indi-viduum einer der WEA gegenüber sensiblen Art getötetwird oder

b) wegen regelmäßiger oder häufiger Nutzung am Anlagen-standort erhöht sich das Tötungsrisiko.

Die Anwesenheit solcher Arten macht zwangsläufig vertief-te, artenschutzrechtliche Untersuchungen im Eingriffsbereicherforderlich, auf deren Basis eine Risikobewertung des Vorha-bens zu erfolgen hat. Anhaltspunkte für eine mögliche Kon-fliktlage können sich aus dem Unterschreiten fachlichvorgeschlagener Schutzabstände ergeben1). Soweit der fach-lich empfohlene Abstand unterschritten wird ist dies ein An-halt dafür, dass eine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikosvorliegen könnte. Das Einhalten der empfohlenen Abständeindiziert das Fehlen eines relevanten Tötungsrisikos.

Gegen das Tötungsverbot wird dann nicht verstoßen, wenndas Vorhaben nach naturschutzfachlicher Einschätzung unterBerücksichtigung von Vermeidungsmaßnahmen kein signifi-kant erhöhtes Risiko kollisionsbedingter Verluste von Einzel-individuen verursacht, also unter der Gefahrenschwelle in ei-nem Risikobereich bleibt, der im Naturraum immer gegebenist, vergleichbar dem ebenfalls stets gegebenen Risiko, dasseinzelne Individuen einer Art im Rahmen des allgemeinenNaturgeschehens Opfer einer anderen Art werden (vgl. BVerwG,Urteil vom 9. 7. 2008 — 9 A 14.07 — Rn. 91). Ein Verstoß ge-gen das Tötungs- und Verletzungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1BNatSchG scheidet nicht deshalb aus, weil der Verlust an Ein-zelindividuen möglicherweise durch eine „Populationsreserve“wieder ausgeglichen werden kann (vergl. VerwaltungsgerichtKassel, Beschl. vom 8. 5. 2012 — 4 K 749/11.KS —, bestätigtHessischer VGH, Beschl. vom 17. 12. 2013 — 9 A 1540/12.Z —).

Im Unterschied zum Störungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 2BNatSchG ist die Populationsrelevanz oder Populationswirk-samkeit beim Tötungs- und Verletzungsverbot nicht Tatbe-standsmerkmal. Dies bedeutet, dass das Tötungs- und Ver-letzungsverbot auch dann verletzt sein kann, wenn sich durchdie Tötung einzelner Individuen der Erhaltungszustand derlokalen Population der betroffenen Art nicht verschlechtert(OVG Magdeburg, Urteil vom 26. 10. 2011 — 2 L 6/09 —).

Umstände, die für die Beurteilung der „Signifikanz“ eineRolle spielen, sind insbes. artspezifische Verhaltensweisen,häufige Frequentierung des Gefahrenbereichs der WEA unddie Wirksamkeit der vorgesehenen Schutzmaßnahmen (BVer-wG, Urteil vom 14. 7. 2011 — 9 A 12.10 — Rn. 99). Eine deut-liche Steigerung des Tötungsrisikos kann nur angenommenwerden, wenn es sich um Tiere solcher Arten handelt, die auf-grund ihrer Verhaltensweisen gerade im Bereich der Anlagenungewöhnlich stark von deren Risiken betroffen sind, und dieRisiken sich nicht durch Vermeidungs- oder Minderungsmaß-nahmen beherrschen lassen (OVG Lüneburg, Beschl. vom25. 7. 2011 — 4 ME 175/11 — Rn. 6).

Bei der Auswertung statistischer Totfund-Zahlen ist zu be-rücksichtigen, dass die Häufigkeit von Kollisionen bei einzel-nen Vogelarten auf die weite Verbreitung dieser Vogelartenzurückzuführen sein kann und daher nicht grundsätzlich einIndiz für eine besonders erhöhte Kollisionsgefährdung dieserArten im Verhältnis zu anderen Vogelarten darstellen muss(vergl. Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 25. 10. 2012 —13 K 4740/09 — Rn. 58 ff., 61). Gleichwohl entbindet dieseAussage die Genehmigungsbehörde nicht von der Prüfung desindividuellen Tötungsverbots.

1) Hinsch ZUR 2011, 191, 193 f.

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4.4.2 Verbot Nr. 2: Störungsverbot (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG)Der Tatbestand setzt voraus, dass eine Störung wildleben-

der Tiere der strenggeschützten Arten vorliegt und dass dieseStörung erheblich ist. Die Erheblichkeit wird in der Vorschriftdefiniert. Eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durchdie Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population ei-ner Art verschlechtert. Es muss vor der Zulassung der Anlagezunächst festgestellt werden, ob eine Störung durch den Bauoder Betrieb der WEA zu erwarten ist. Ist das der Fall, mussgeklärt werden, ob die Störung eine Verschlechterung des Er-haltungszustandes der lokalen Population bewirkt.

„Störung“ ist jede unmittelbare Einwirkung auf ein Tier, dieeine Verhaltensänderung des Tieres bewirkt. Sie kann durchVergrämung (z. B. durch Schall, Licht, Wärme oder sonstigeBeunruhigungen und Scheuchwirkungen) aber auch durchvorhabenbedingte Zerschneidungs- und Trennwirkungenausgelöst werden.

Das BVerwG geht von einem eng begrenzten Begriff der ge-schützten Fortpflanzungs- und Ruhestätten aus. Damit ist esnicht vereinbar, den Fall, dass sich vielleicht irgendwann kei-ne neuen Brutpaare mehr ansiedeln, als tatbestandsmäßig i. S.einer Zerstörung oder Beschädigung der Fortpflanzungsstätteanzusehen.

Daher behandelt das OVG Münster in seiner Entscheidungvom 6. 11. 2012 (8 B 441/12) den ihm vorgelegten Fall nichtunter dem Gesichtspunkt der Zerstörung oder Beschädigungvon Fortpflanzungsstätten, sondern — zutreffend — unterdem Gesichtspunkt des Störungsverbots.

Im Guidance Document der EU-Kommission („Leitfadenzum strengen Schutzsystem für Tierarten von gemeinschaftli-chem Interesse im Rahmen der FFH-Richtlinie 92/43/EWG“,2007, Kap. II.3.4.c) wird zwar eine „weitere“ Definition derFortpflanzungs- und Ruhestätten befürwortet. Der weitereAnsatz wird aber mit der Einschränkung vertreten, dass ersich eher für Arten mit einem kleinen Aktionsradius eigne.Bei Arten, die größere Lebensräume beanspruchen, vertrittauch die EU-Kommission die Auffassung, die Fortpflanzungs-und Ruhestätte müsse sich auf „einen klar abgegrenztenRaum“ beschränken. In diesem Rahmen kann nach Auffas-sung der Kommission der Tatbestand der „Beschädigung“ alsmaterielle Verschlechterung einer Fortpflanzungs- und Ruhe-stätte verstanden werden, die auch schleichend erfolgen kön-ne (Beispiel: wiederholtes Verfüllen von Teilen der Laich-gewässer des Kammmolches, wodurch insgesamt die Funkti-on als Fortpflanzungsstätte beeinträchtigt wird). ZwingendeVoraussetzung für die Annahme einer (schleichenden) Be-schädigung ist aber nach Auffassung der Kommission, dasssich der Ursachenzusammenhang zwischen der menschli-chen Aktivität und der Beschädigung einer Fortpflanzungs-oder Ruhestätte „klar herstellen lässt“.

Nicht erfasst sind alle von einer unmittelbaren Einwirkungauf die betroffenen Tiere verursachten nachteiligen Auswir-kungen, wie das etwa bei der Inanspruchnahme von Flächenin Jagd- oder sonstigen Nahrungshabitaten der Fall ist2).

Die Erheblichkeitsschwelle ist überschritten, wenn die Be-einträchtigung durch Scheuchwirkung eine derart ins Ge-wicht fallende Störung bedeutet, dass nicht genügend Raumfür ungestörte Brutplätze der geschützten Art verbleibt (OVGLüneburg, Urteil vom 10. 1. 2008 — 12 LB 22/07 —).

Die Vergrämung, Verbreitung oder Verdrängung einzelnerTiere aus ihren bislang genutzten Bereichen ist nicht populati-onsrelevant, solange die Tiere ohne weiteres in für sie nutzba-re störungsarme Räume ausweichen können3). Stehen solcheAusweichräume nicht zur Verfügung, kann nach der Recht-sprechung durch entsprechende KompensationsmaßnahmenSorge dafür getragen werden, dass sich der Erhaltungszustandder lokalen Population nicht verschlechtert und damit dieStörung unter der Erheblichkeitsschwelle bleibt. Für Rastvö-gel wird eine Störung außerhalb von bedeutenden Rastvogel-lebensräumen in der Regel nicht gegeben sein.4.4.3 Verbot Nr. 3: Beschädigungs-/Zerstörungsverbot von

Fortpflanzungs-/Ruhestätten (§ 44 Abs. 1 Nr. 3BNatSchG)

Nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG (siehe Urteilvom 28. 3. 2013 — 9 A 22/11 —) ist der Begriff der „Fortpflan-zungsstätte“ in § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG restriktiv auszu-legen. Dies folgt zum einen aus der scharfen systematischen

2) Lau in: Frenz/Müggenborg (Hrsg), BNatSchG, § 44, Rn. 11; insoweitist die Eingriffsregelung einschlägig.

3) Gellermann in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band 2, § 44BNatSchG Rn. 12.

Trennung zwischen der Teilregelung des Beschädigungs- undZerstörungstatbestandes in § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG, derdie eingriffsbetroffenen Lebensstätten nennt, und der ergän-zenden Regelung in § 44 Abs. 5 BNatSchG, die im Rahmen ei-ner funktionalen Betrachtung den räumlichen Zusammen-hang einbezieht.

Geschützt ist daher nur der als Ort der Fortpflanzung oderRuhe dienende Gegenstand, wie etwa Nester, Höhlenbäumeu. Ä., und die diesen unmittelbar zugrunde liegende Struktur,wie etwa Horstbäume, Brutfelsen, Sandflächen, Dachrinnenu. Ä., nicht jedoch auch das weitere räumliche Umfeld4). Esmuss unterschieden werden zwischen Fortpflanzungsstättenund Brutgebiet.

Potenzielle Lebensstätten fallen nicht unter den Verbotstatbe-stand5). Auch Nahrungs- und Jagdbereiche unterliegen als sol-che nicht dem Beeinträchtigungsverbot von Fortpflanzungs- undRuhestätten. Ausnahmsweise kann ihre Beschädigung tatbe-standsmäßig sein, wenn dadurch die Funktion der Fortpflan-zungs- oder Ruhestätte vollständig entfällt, etwa weil dieVernichtung der Nahrungsstätte zum Verhungern der Nach-kommenschaft führt6).

In zeitlicher Hinsicht betrifft die Verbotsnorm primär diePhase aktueller Nutzung der Lebensstätte; der Schutz ist zu-sätzlich auszudehnen auf Abwesenheitszeiten der sie nutzen-den Tiere einer Art, wenn nach den Lebensgewohnheiten derArt eine regelmäßig wiederkehrende Nutzung der Art zu er-warten ist (BVerwG, Urteil vom 28. 3. 2013, Rn. 118). BeiTierarten, die die Fortpflanzungsstätte nicht erneut nutzen,erfüllt also die Zerstörung außerhalb der Nutzzeiten nicht denVerbotstatbestand. Es ist unproblematisch, wenn z. B. Nesterdes Kiebitz oder der Feldlerche während der herbstlichenFeldbestellung zerstört werden, da diese Arten jedes Jahr eineneue Nistmulde anlegen7).

Nach herrschender Auffassung in der rechtswissenschaftli-chen Literatur setzen die Tatbestandsmerkmale „Beschädi-gung“ und „Zerstörung“ eine Verletzung der Substanz derLebensstätte voraus8). Der Betrieb der WEA stellt keine Beein-trächtigung oder Zerstörung von Lebensstätten dar, weil beideTatbestandsmerkmale neben der Beeinträchtigung der Funkti-onsfähigkeit eine körperliche Einwirkung auf die geschütztenStätten voraussetzen, die sich nachteilig auf deren Funktionauswirkt. Bei den optischen und akustischen Wirkungen vonWEA, die eine Scheuchwirkung auf die Vögel haben können,ist eine solche unmittelbare Einwirkung auf die Fortpflan-zungsstätten nicht gegeben, weil eine physische Einwirkungauf die Lebensstätte nicht stattfindet9). Das Beschädigungs-und Zerstörungsverbot spielt daher nur bei der Errichtungvon WEA eine Rolle, nicht jedoch beim Betrieb der WEA10).

Soweit das Zugriffsverbot in der Bauphase einschlägig ist,kann die Verwirklichung des Tatbestandes durch Bauzeiten-beschränkungen oder durch eine ökologische Baubegleitungvermieden werden. Der Verbotstatbestand ist nicht erfüllt,wenn z. B. einem Vogelpaar weitere geeignete Nistplätze inseinem Brutrevier zur Verfügung stehen oder durch Aus-gleichsmaßnahmen ohne zeitlichen Bruch bereitgestellt wer-den (BVerwG, Urteil vom 18. 3. 2009 — 9 A 39.07 — und VGHBaden-Württemberg, Urteil vom 23. 9. 2013 — 3 S 284/11 —).

Im Sinne einer Regelfallvermutung ist bei allen Arten da-von auszugehen, dass der Betrieb von WEA grundsätzlich zukeiner Beschädigung oder Zerstörung von Fortpflanzungs-und Ruhestätten führt. Diese Regelfallvermutung kann beineuen Erkenntnissen und mit entsprechender Begründung imEinzelfall widerlegt werden.

5. Sachverhaltsermittlung der möglichen Betroffenheit von wind-energieanlagenempfindlichen ArtenNach der gefestigten Rechtsprechung des BVerwG setzt die

Prüfung der Artenschutzbelange eine ausreichende Ermitt-lung und Bestandsaufnahme voraus. Erforderlich sind in derASP Daten, aus denen sich in Bezug auf das Vorhabengebietdie Häufigkeit und Verteilung der betroffenen Arten sowie de-ren Lebensstätten entnehmen lassen.

4) Lau in: Frenz/Müggenborg (Hrsg.), BNatSchG, § 44 Rn. 17.5) Kratsch in: Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 2. Aufl., § 44

Rn. 35.6) Schütte/Gerbig in: Schlacke, GK-BNatSchG, § 44 Rn. 30.7) Gellermann in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band 2, § 44

BNatSchG Rn. 15 ff., 17.8) Louis, NuR 2009, 91 ff., 95.9) Gatz, Windenergieanlagen in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis,

2. Aufl. 2013, Rn. 288; Hinsch, ZUR 2001, 191 ff., 195; Louis,a.a.O., S. 95; Lau in: Frenz/Müggenborg, a.a.O., § 44 Rn. 18.

10) Gatz, a.a.O. Rn. 288.

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Nur in Kenntnis dieser Fakten kann beurteilt werden, obdie Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG erfüllt sind.

Das verpflichtet den Antragsteller jedoch nicht, ein lücken-loses Arteninventar zu erstellen. Methodik und Untersuchungs-tiefe unterliegen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit undhängen maßgeblich von den naturräumlichen Gegebenheitenund den zu erwartenden Beeinträchtigungen ab. Hinweisez. B. durch fachkundige Dritte sind nur beachtlich, wenn siehinreichend substanziiert sind. Untersuchungen „ins Blauehinein“ sind nicht veranlasst (BVerwG vom 9. 7. 2008 —9 A 14.07 — Rn. 54).

5.1 AvifaunaDie in Niedersachsen vorkommenden WEA-empfindlichen

Vogelarten sind in Nummer 3 aufgeführt (siehe auch Abbil-dung 3). Ob das Störungs- und/oder Tötungsrisiko einer Art si-gnifikant erhöht ist, ist im Einzelfall art- und standortspezi-fisch zu beurteilen. 5.1.1 Anforderungen an Untersuchungen der Avifauna

Das zu untersuchende Artenspektrum, die Anzahl der Bege-hungen sowie die Erfassungsmethoden unterliegen dem Ver-hältnismäßigkeitsgrundsatz und hängen im Einzelfall insbe-sondere von der Größe und Lage des Untersuchungsraums so-wie dessen naturräumlicher Ausstattung und den artspezifi-schen Erfordernissen ab. Maßgeblich ist auch, ob zu demGebiet bereits hinreichend aktuelle und aussagekräftige Er-gebnisse aus früheren Untersuchungen vorliegen. Für die Pla-nung von Vorrang- und Sondergebieten sowie für immissions-schutzrechtliche Zulassungsverfahren für WEA wird im Fol-genden ein landesweit einheitlicher Standard für derartigeUntersuchungen vorgegeben, der nicht unterschritten werdensoll. In begründeten Fällen kann davon in Abstimmung mitder unteren Naturschutzbehörde abgewichen werden.

Alle Untersuchungen sind von fachlich versierten Ornitho-logen zu geeigneten Jahres- und Tageszeiten sowie unter ge-eigneten Witterungsbedingungen durchzuführen. Erfassungs-tage und -zeiten sowie zum jeweiligen Zeitpunkt vorherr-schende Witterungsverhältnisse sind tabellarisch zu doku-mentieren.5.1.2 Untersuchungsraum

Der Untersuchungsraum für Standarduntersuchungen soll-te unter Berücksichtigung der relevanten naturräumlichen Be-dingungen, des zu erwartenden Arteninventars und der zuvermutenden tierökologischen Funktionen einzelfallbezogenabgegrenzt werden.

Als Anhaltswert sollte er je Einzelanlage bzw. um die äuße-ren Anlagen gemessen (Vorhabenfläche) für Brutvogelkartie-rungen mindestens 500 m umfassen, um alle gefährdetenArten, die Meideverhalten gegenüber WEA zeigen, vollstän-dig zu erfassen.

Zur Erfassung von kollisionsgefährdeten Greif- und Großvo-gelarten umfasst das Kartiergebiet als Anhaltswert 1 000 mum die Vorhabenfläche und entspricht damit in der Regeldem Radius 1 zur vertiefenden Prüfung aus Nummer 3 (Abbil-dung 3) (Regeluntersuchungsgebiet für Greif- und Großvögel).

Für Gastvogelerfassungen sollte der Untersuchungsraum alsAnhaltswert je Einzelanlage bzw. um die äußeren Anlagen ge-messen mindestens 1 000 m umfassen.

Eine Vergrößerung des Untersuchungsgebietes kann insbe-sondere dann erforderlich sein, wenn zugleich Flächen be-trachtet werden sollen, die ggf. für Ausgleichs- und Ersatz-maßnahmen benötigt werden könnten. 5.1.3 Avifaunistische Erfassung im Zulassungsverfahren5.1.3.1 Brutvogelerfassung

Die Brutvogelbestandsaufnahme sollte zwölf Bestandserfas-sungen (in strukturarmen Agrarlandschaften mindestenssechs) auf der gesamten Fläche, verteilt auf die gesamte Brut-zeit (Ende März bis Mitte Juli), umfassen. Hierbei sind artspe-zifische Besonderheiten zu beachten (z. B. bei VorkommenEulen oder Wiesenweihe). Zwischen den einzelnen Erfas-sungstagen sollten Abstände von mindestens einer Woche lie-gen. Die ermittelten Brutvogelreviere und Neststandorte sindin Kartenausschnitten (M. 1 : 10 000, ggf. auch 1 : 5 000)darzustellen11).

11) Nähere zu berücksichtigende artspezifische Vorgaben und Hinwei-se zur Erfassungsmethodik finden sich im Methodenhandbuch vonSüdbeck, P. H. Andretzke, S. Fischer, K. Gedeon, T. Schikore, K.Schröder & C. Sudfeldt (Hrsg. 2005): Methodenstandards zur Erfas-sung der Brutvögel Deutschlands, Radolfzell.

In Kombination mit der Standardkartierung (Revierkartie-rung an zwölf Geländetagen) sollte ein Mindestmaß an Raum-nutzungsanalyse (Standardraumnutzungskartierung) inner-halb des Regeluntersuchungsgebiets für Greif- und Großvogel-arten (1 000 m-Radius) durchgeführt werden. Hierbei sind inder Regel vier Stunden Dauerbeobachtung pro Geländeterminunter Beachtung der artspezifischen Hauptaktivitätszeiten an-zusetzen. Die Ergebnisse sind für die Entscheidung, ob einevertiefende Raumnutzungskartierung erforderlich ist, mit her-an zuziehen. Es wird empfohlen, die Naturschutzbehörde ander Entscheidung zu beteiligen

Für im Gebiet vorkommende kollisionsgefährdete oder stör-empfindliche Greif- und Großvogelarten sowie Gastvogelar-ten, bei denen entweder1. deren Brutplatz im Standarduntersuchungsgebiet bzw. im

Radius 1 (zu vertiefender Prüfbereich um den Brutplatz,siehe Nummer 3 — Abbildung 3 —) liegt, und die Stan-dardraumnutzungskartierung ergeben hat, das regelmäßiggenutzte Nahrungshabitate oder Flugrouten der Art vomVorhaben betroffen sein können; oder

2. für die konkrete Hinweise vorliegen, dass regelmäßig ge-nutzte Flugkorridore oder regelmäßig genutzte Nahrungs-habitate des Radius 2 (erweiterter Prüfbereiche, sieheNummer 3 — Abbildung 3 —) von der Vorhabensflächebetroffen sein können, (Hinweis: Regelmäßig genutzte Nahrungshabitate oderFlugkorridore können nur innerhalb des Standarduntersu-chungsgebiets bzw. des Radius 1 oder des erweitertenPrüfbereichs [Radius 2] liegen. Außerhalb der Prüfberei-che kann eine sporadische Nutzung durch die betreffendeArt zwar vorkommen, da dieser Nutzung aber die Regel-mäßigkeit fehlt, können hier keine artenschutzrechtlichenVerbotstatbestände ausgelöst werden.); oder

3. bedeutende Schlafplätze von Gastvögeln im Radius 2 nachNummer 3 (Abbildung 3) liegen,

sind artspezifisch und problembezogen vertiefte Raumnut-zungsanalysen durchzuführen.

Diese müssen folgende Leistungen umfassen:— Berücksichtigung vorliegender Daten sowie Informationen

sachverständiger Dritter (z. B. über aktuelle und frühereNeststandorte, bevorzugte Nahrungshabitate).

— Potenzialanalyse der Hauptnahrungsgebiete und Flugkor-ridore (potenzieller Gefährdungsraum) durch Auswertungvorhandener Daten (u. a. Landschaftsstruktur etc.). Kannim Rahmen dieser Prüfung ein artenschutzrechtlicherKonflikt zuverlässig ausgeschlossen werden, weil regelmä-ßig genutzte Nahrungshabitate und Flugkorridore nichtbetroffen sind, endet die vertiefende Raumnutzungsana-lyse mit diesem Ergebnis. Es empfiehlt sich, die Natur-schutzbehörde an der Entscheidung zu beteiligen.

— Ergeben sich im Rahmen dieser Prüfung Hinweise auf re-gelmäßig genutzte, essenzielle Nahrungshabitate und Flug-korridore, die durch das Vorhaben erheblich beeinträch-tigt werden können, so dient die vorgenannte Analyse despotenziellen Gefährdungsraums zur Vorbereitung einerproblemorientierten, vertiefenden Raumnutzungskartie-rung. Festlegung von Dauerbeobachtungspunkten; diesesind so zu wählen, dass aus den Beobachtungsdaten Aus-sagen über das Kollisions- und oder Störrisiko des betroffe-nen Brutbestandes getroffen werden können.

— Dauerbeobachtung der vom geplanten Vorhaben betroffe-nen Individuen der betreffenden Art während der gesam-ten Brutzeit im potenziellen Gefährdungsraum. Je nach derartspezifischen Dauer der Brutzeit (inklusive Balz undAusflug der Jungen) sind im Regelfall zwischen minde-stens 14 Tagen (z. B. Rotmilan) und maximal 70 Tagen(z. B. Seeadler) mindestens 6 Stunden pro Beobachtungs-punkt. Die Zahl der zeitgleich zu besetzenden Beobach-tungspunkte richtet sich nach den topografischen Gege-benheiten und der vorhabenspezifischen Fragestellung fürdie Untersuchung. Für eine belastbare Raumnutzungsana-lyse sind erfahrungsgemäß in der Regel drei zeitgleich be-setzte Dauerbeobachtungspunkte erforderlich. Entsprechendergibt sich bei 6 Stunden Beobachtungszeit pro Beobach-tungspunkt und 14 Beobachtungstagen eine Gesamtbeob-achtungszeit von 252 Stunden. Im Regelfall ist dabei dieFunktionsbeziehung zwischen dem Brutplatz (bzw. Schlaf-platz) und der Vorhabenfläche zu untersuchen um zu klä-ren, ob die Vorhabenfläche regelmäßig genutzte Flug-routen und/oder regelmäßig genutzte Nahrungshabitateenthält oder berührt. Bei nachtaktiven Arten ist die Beob-achtungszeit und Methodik an die spezifischen Beobach-

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tungsbedingungen anzupassen. In der Hauptaktivitäts-phase der betreffenden Art ist die Untersuchung verdich-tet durchzuführen.

— Zu erfassen und kartografisch darzustellen sind die aufge-suchten Nahrungshabitate sowie die Flugwege (Dokumen-tation der Flächennutzung für die Berechnung einesPräferenzindexes). Sind mastartige Strukturen mit be-kannter Höhe im Gelände vorhanden, die eine zuverlässi-ge Einschätzung der Flughöhe ermöglichen, so kann dieAufzeichnung der Flugdauer in der ermittelten Flughöhehilfreich für die Bewertung von Kollisionsrisiken sein. So-fern Angaben zur Flughöhe gemacht werden, sollten dreiHöhenklassen unterschieden werden (z. B. deutlich unter-halb, deutlich in bzw. deutlich oberhalb der Rotorreich-weite der geplanten Anlagen). Für die Angaben zurFlughöhe sind die Hilfsmittel anzugeben, mit denen dieAngaben getroffen wurden.

— Zu erfassen sind die quantitative und qualitative Bedeu-tung einzelner Nutzungstypen und Distanzklassen.

— Die für die jeweilige Art relevante Bewirtschaftung undeinzelne Bewirtschaftungsereignisse sind zu dokumentie-ren.

— Es sind flächendeckende Aussagen zur Raumnutzung be-zogen auf den potenziellen Gefährdungsraum zu treffen.

— Die Anforderungen sind zweckmäßigerweise mit der Na-turschutzbehörde abzustimmen.

Die Unterlagen des Vorhabenträgers sind im Hinblick aufdie Bewertung des Kollisionsrisikos nur ausreichend, wenna) die empfohlene Zahl der Beobachtungstage eingehalten, b) die Beobachtungstage auf die sensible Phase der betroffe-

nen Art angemessen verteilt wurden und c) eine Raumnutzungsanalyse erfolgte.

Im Regelfall ist zudem eine erfolgreiche Brut der betroffe-nen Brutpaare erforderlich. Aussagekräftige Raumnutzungs-analysen sollten immer dann eine erfolgreiche Brut für imGebiet vorkommende kollisionsgefährdete oder störempfindli-che Greif- und Großvogelarten umfassen, wenn der Anlagen-standort a) im Radius 1 (siehe Nummer 3 — Abbildung 3 —) zum

Horst liegt oder b) zu Nahrungshabitaten im Radius 2 (siehe Nummer 3 —

Abbildung 3 —) führt und dabei der geplante Windparkregelmäßig durchflogen werden müsste (Hauptflugroute).

In der Planungspraxis stellt sich die Frage, wie bei Brutabbrü-chen in den in Buchst. a und b genannten Fällen zu verfahrenist. Bei Brutabbrüchen, die auf mangelhafte, nicht kurzfristigbehebbare Lebensraumbedingungen zurückgehen, ist eineRaumnutzungsanalyse auch ohne eine erfolgreiche Brut durch-führbar. Alle im Laufe der Untersuchungssaison anfallendenDaten sollen für die Analyse herangezogen werden. GehenBrutabbrüche nicht auf mangelhafte, nicht zu behebende Le-bensraumbedingungen zurück (z. B. absichtliche Störung)wird empfohlen, innerhalb eines Zeitraums von drei Jahrendurch eine erfolgreiche Brut zu belastbaren Raumnutzungsda-ten zu kommen. In den ersten beiden Jahren mit Brutabbrü-chen kann die Raumnutzungserhebung auch aus Kosten-gründen unmittelbar nach Feststellung des Brutabbruchs ab-gebrochen werden. Im dritten Jahr mit Brutabbruch wirdempfohlen die Beobachtungen über die komplette Saison fort-zuführen, um ein möglichst umfangreiches Bild von derRaumnutzung zu gewinnen.5.1.3.2 Gastvogelerfassung

Die Gastvogelerfassung sollte mindestens 14-tägig bis maxi-mal wöchentlich eine Erhebung im gesamten Untersuchungs-raum (1 000 m Radius), im Regelfall von der ersten Juli-Woche bis zur letzten April-Woche umfassen. Die Zahl derdurchzuführenden Termine ist abhängig von der aus derräumlichen Lage, der topografischen Ausstattung und deneventuellen Vorkenntnissen über die zu erwartende Bedeu-tung eines Untersuchungsraums für rastende oder überwin-ternde Gastvögel. Regional bedingte Abweichungen könnensinnvoll sein, z. B. um Schwerpunkte der Untersuchung aufdie Überwinterung von nordischen Gänsen, die Rastperiodevon Kranichen oder den Durchzug von Kiebitzen zu setzen. Insolchen Hauptdurchzugs- oder Überwinterungsphasen kön-nen auch zwei Geländetage pro Woche sinnvoll sein. Anzahlder rastenden Vögel und räumliche Verteilung der rastendenVogeltrupps sind in einem Kartenausschnitt (M. 1 : 10 000,ggf. auch 1 : 5 000) zu dokumentieren.

5.1.3.3 VogelzugEs können spezifische Erfassungen des Zuggeschehens er-

forderlich sein. Im Untersuchungsgebiet und in den mit ihmräumlich korrespondierenden Schutzgebieten, soweit derenSchutzzweck den Erhalt bedeutender Gastvogellebensräumenbeinhaltet, sind lokale Austauschbewegungen zwischen denSchlafplätzen nordischer Gastvogelarten und Kranichen undderen Hauptnahrungsgebieten zu berücksichtigen, wenn be-gründet davon ausgegangen werden muss, dass entsprechen-de lokale Austauschbewegungen durch ein Vorhaben erheb-lich beeinträchtigt werden können.5.1.4 Avifaunistischer Untersuchungsbedarf auf der Ebene

der Regional- und FlächennutzungsplanungAuf der Ebene der Regional- und Flächennutzungsplanung

sollten vorrangig vorhandene Daten, insbesondere zu den inNummer 3 (Abbildung 3) genannten Brutvogelarten sowie zubedeutsamen Gastvogelvorkommen auszuwerten sein. Bei dervergleichenden Bewertung der Potenzialflächen für die Wind-energienutzung sollten diese Daten berücksichtigt werden.

Da für gefährdete Brutvögel des Offenlandes der Planunghäufig keine aktuellen Daten zur Verfügung stehen, sind inder Regel ergänzende Übersichtskartierungen erforderlich.Zielsetzung derartiger Erfassungen ist es, eine vergleichendeBewertung von Potenzialflächen zu ermöglichen, um die Aus-weisung von Sondergebieten begründen zu können.

Die Übersichtskartierung der Brutvögel sollte mindestensvier Bestandserfassungen auf der gesamten Fläche, verteilt aufdie gesamte Brutzeit (Ende März bis Mitte Juli), umfassen.Hierbei sind insbesondere die gefährdeten Brutvögel des Of-fenlandes zu erfassen.

5.2 FledermäuseFür rund die Hälfte aller einheimischen Fledermausarten

kann durch den Betrieb von WEA ein erhöhtes Kollisionsrisi-ko bestehen. Aufgrund des bestehenden Individuenbezugesim Zusammenhang mit den Tötungsverbot gemäß § 44 Abs. 1Nr. 1 BNatSchG ist daher eingehend zu prüfen, ob ein signifi-kant erhöhtes Tötungsrisiko für die Arten durch die Realisie-rung eines Vorhabens zu erwarten ist. Zusätzlich zu einembetriebsbedingten Tötungsrisiko kann es baubedingt zu einerSchädigung von Quartieren oder Nahrungshabitaten, sowiezur möglichen Tötung von Tieren bei der Entnahme vonQuartieren kommen.

Ein erhöhtes betriebsbedingtes Tötungsrisiko ist vor allemdann gegeben, wenn sich 1. eine geplante WEA im Bereich eines regelmäßig von den

kollisionsgefährdeten Fledermausarten genutzten Aktivi-tätsschwerpunkt befindet,

2. ein Fledermausquartier in einem Abstand kleiner 200 mzu einer geplanten WEA befindet,

3. an einer geplanten WEA ein verdichteter Durchzug oderAufenthalt von Fledermäusen im Herbst oder Frühjahrfestzustellen ist.

Der nachfolgend beschriebene Untersuchungsumfang fürFledermausgutachten hat sich an den oben genannten projekt-und anlagenbezogenen möglichen Risiken eines Vorhabensauszurichten. Zudem ist zu differenzieren, ob es sich um Un-tersuchungen auf der Zulassungsebene oder der Ebene der Re-gional- und Flächennutzungsplanung handelt.

Die folgenden Aussagen beziehen sich ausschließlich aufStandorte außerhalb von Waldflächen. Für Untersuchungenvon WEA-Standorten in Wäldern sind aufgrund der spezifi-schen Fragestellungen erweiternde Untersuchungsmethodenerforderlich, die hier nicht Gegenstand der Beschreibung ei-ner Mindesterfassungstiefe in Bezug auf Fledermäuse ist.5.2.1 Anforderungen an die Untersuchung

Das zu untersuchende Artenspektrum, die Anzahl der Bege-hungen sowie die Erfassungsmethoden unterliegen ebensowie bei avifaunistischen Untersuchungen dem Verhältnismä-ßigkeitsgrundsatz und hängen im Einzelfall insbesondere vonder Größe und Lage des Untersuchungsraums sowie dessennaturräumlicher Ausstattung und den artspezifischen Erfor-dernissen ab. Maßgeblich ist auch, ob zu dem Gebiet bereitshinreichend aktuelle und aussagekräftige Ergebnisse aus frü-heren Untersuchungen vorliegen. Für die Regional- und Bau-leitplanung sowie für immissionsschutzrechtliche Zulassungs-verfahren für WEA wird im Folgenden ein landesweit einheit-licher Standard für derartige Untersuchungen empfohlen, dernicht unterschritten werden sollte.

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Im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Zulassungs-verfahren für WEA sind der Umfang und die Anforderungender für den Landschaftsraum erforderlichen methodischenUntersuchungstiefe zuvor mit der Naturschutzbehörde abzu-stimmen.

Alle Untersuchungen sind von fachlich versierten Fleder-mauskundlerinnen und Fledermauskundlern zu geeignetenJahres-, Tages- und Nachtzeiten sowie unter geeigneten Witte-rungsbedingungen durchzuführen. Erfassungstage/-nächte und-zeiten sowie zum jeweiligen Zeitpunkt vorherrschende Wit-terungsverhältnisse sind tabellarisch zu dokumentieren.

Die verwendeten Erfassungsgeräte, Auswertungs- und Be-wertungsmethoden sowie die ggf. für Vorprüfungen verwen-dete Analysesoftware sind zu dokumentieren und zu be-schreiben.

Eine Betroffenheit von Fledermäusen sollte aus Gründender Rechtssicherheit vor einer Zulassung der Anlagen einge-hend geklärt werden; die Klärung kann nicht erst Gegenstandeines Höhen-/Gondelmonitorings nach Zulassung der WEAsein (siehe Nummer 8 — Höhen-/Gondelmonitoring —). EinMonitoring dient dazu, bei Unsicherheit über die Wirksam-keit von Schutz- und Kompensationsmaßnahmen weitere Er-kenntnisse über die Beeinträchtigungen zu gewinnen, um dieDurchführung des Vorhabens zu steuern. Es stellt aber keinzulässiges Mittel dar, um behördliche Ermittlungs- und Er-kenntnisdefizite zu kompensieren (BVerwG, Urteil vom 17. 1.2007 — 9 A 20/05 — Rn. 55; BVerwG, Urteil vom 14. 7. 2011— 9 A 12/10 — Rn. 105). Außerdem kann im Rahmen der na-turschutzrechtlichen Einschätzungsprärogative nicht ohneausreichende Sachverhaltsermittlung von erhöhten Aktivi-tätsdichten und einem daraus folgenden signifikant erhöhtenTötungsrisiko ausgegangen werden (OVG Magdeburg, Urteilvom 13. 3. 2014 — 2 L 212/11 — Rn. 29).

Generell ist davon auszugehen, dass überall in Niedersach-sen mit dem Vorkommen von Fledermausarten zu rechnenist, die anlage-, bau- oder betriebsbedingt gefährdet werdenkönnten. Daher bedarf es in jedem Falle einer fledermaus-kundlichen Untersuchung der entscheidungserheblichen Fle-dermausarten.5.2.2 Windenergieanlagenempfindliche Fledermausarten

Die in Niedersachsen vorkommenden WEA-empfindlichenFledermausarten sind in Nummer 3 (Abbildung 4) dargestellt.Ob das Tötungsrisiko einer Art signifikant erhöht ist, ist imEinzelfall art- und standortspezifisch zu beurteilen. 5.2.3 Fledermauserfassung im Zulassungsverfahren5.2.3.1 Bodengebundene Untersuchungen

Durch den Bau oder den Betrieb von WEA können sowohlTiere der sommerlichen Lokalpopulation als auch ziehendeTiere betroffen sein. Während der Zugzeiten ist eine Unter-scheidung von Tieren der sommerlichen Lokalpopulation undziehender Tiere akustisch oder visuell nicht immer möglich.Mit Ausnahme des küstennahen Raumes und der Niederun-gen der größeren Flüsse, sind die Kenntnisse über die Migrati-on von Fledermäusen unvollständig, sodass die benötigtenerforderlichen Informationen zur Risikoabschätzung in derRegel durch Erfassungen ermittelt werden müssen.

Der Untersuchungsraum sollte unter Berücksichtigung derrelevanten naturräumlichen Bedingungen und der zu vermu-tenden tierökologischen Funktionen einzelfallbezogen abge-grenzt werden. Als Orientierungswert sollte dieser je Ein-zelanlage bzw. um die äußeren Anlagen gemessen mindestens500 m umfassen.

Es ist somit sicherzustellen, dass alle Quartiere in der Regelim 500 m Radius erfasst werden und der Spielraum für mögli-cherweise erforderliche Verschiebungen von einzelnen Anla-genstandorten hinreichend beurteilt werden kann. Ebenfallsist sicherzustellen, dass die erforderlichen Erschließungsmaß-nahmen (Zuwegung, Kranstellflächen, Kabelwegebau) in derAbgrenzung des Untersuchungsgebiets berücksichtigt werden(Prüfung anlage- und baubedingter Risiken). Infrage kommtder Einsatz des gesamten akustischen Methodenspektrums —hochwertige automatische Erfassungssysteme und -einheiten,sowie kombinierte Mischer- und Zeitdehnungsdetektoren(siehe hierzu Nummer 5.2.4 Anforderungen an die Techni-sche Ausstattung).

Die mobile Detektoruntersuchung und die Suche nachQuartieren sind im Wesentlichen erforderlich für die Erfas-sung der vorkommenden Arten und ihrer im Untersuchungs-raum befindlichen Fortpflanzungs- und Ruhestätten. Fernergilt es die räumlichen Funktionsbeziehungen von Flugrouten,Nahrungshabitaten und möglichen Quartierstandorten zu er-mitteln und zu bewerten.

Mit Hilfe von stationären Erfassungseinheiten ist an den ge-planten Anlagenstandplätzen zu ermitteln, ob diese sich an ei-nem Aktivitätsschwerpunkt der Fledermäuse befinden. Umeine direkte quantitative und qualitative Vergleichbarkeit derakustischen Daten an den zu untersuchenden Standorten zugewährleisten, ist die Verwendung systemgleicher Geräte-und Mikrofonempfindlichkeiten erforderlich.

Ergänzt werden diese artenschutzrechtlich erforderlichenSachverhaltsermittlungen zusätzlich durch den Einsatz vonDaueraufzeichnungssystemen in der geplanten Windparkflä-che im Zeitraum vom 1. April bis 15. November.

Dauererfassungssysteme sollen eine kontinuierliche Erfas-sung der Fledermausaktivität gewährleisten und ergänzen dieDaten der automatischen stationären Erfassung. So kann ver-mieden werden, dass konzentrierte Zugereignisse, die sich aufwenige Tage im Jahr beschränken können, durch das Rasterder Geländetermine für die stationäre Erfassung oder die dermobilen Detektorkartierungen fallen.5.2.3.2 Standarduntersuchung

Das Untersuchungsprogramm im Zulassungsverfahren soll-te daher in der Regel wie folgt festgelegt werden:— Dauererfassung: Je Plangebiet sind Dauererfassungssyste-

me von mindestens 1. April bis 15. November im Geländezu installieren. (Anforderung: Artdetermination soweit wiemöglich.) Hierzu eignen sich Systeme wie z. B. Avisoft,Batcorder, Wildlife acoustic, AnaBat, Pettersson, welchez. B. an Pfählen u. ä. im Vorhabengebiet angebracht wer-den können. Als Regel sollte gelten: ein bis vier geplanteWEA: ein Dauererfassungssystem, ab fünf bis neun geplan-ter WEA: zwei Dauererfassungssysteme, ab zehn ge-planter WEA: drei Dauererfassungssysteme.

— Stationäre Erfassung: Zwischen Mitte April und Mitte Ok-tober werden an 14 Terminen (3 Termine im Frühjahr(15. April bis 31. Mai), 5 Termine im Sommer (1. Juni bis15. Aug), sowie 6 Terminen im Spätsommer/Herbst (5 Be-gehungen vom 15. August bis 30. September, eine Bege-hung zwischen 1. bis 15. Oktober) je geplantem WEA-Standort über die ganze Nacht automatische akustische Er-fassungsgeräte aufgestellt. Diese müssen das gesamte Fre-quenzspektrum aller kollisionsgefährdeten Arten abdeckenund eine Bestimmung soweit wie möglich auf Artniveauzulassen. 1 bis 2 Ergänzungstermine im Oktober, soferndas Plangebiet in vermuteten Zuggebieten liegt wie z. B.küstennaher Raum, Umgebung größerer Still- und Fließge-wässer. Die Daten der stationären Erfassungen bilden einewesentliche Grundlage zur Beurteilung des Konfliktpoten-zials hinsichtlich des möglichen Schlagrisikos und der Fle-dermausaktivitäten an den konkret geplanten Standortenund damit für die Beurteilung sowie der Ableitung vonggf. notwendigen Monitoring- und Abschaltzeiten.

— Mobile Detektoruntersuchungen: Standortbezogene Un-tersuchungen der örtlichen Fledermauspopulationen wieoben (14 Termine/Nächte, siehe unter „stationäre Erfas-sung“) zur Ausflugs- und Nachtzeit. Im Anschluss an dieerste Nachthälfte sind alle potenziellen Quartier-/Balzbe-reiche noch einmal aufzusuchen. Gleiches gilt für die mor-gendliche Schwärm- und Einflugphase. Die mobile Detek-toruntersuchung dient im Wesentlichen der Erfassungender Aktivitätsschwerpunkte, räumlichen Funktionsbezie-hungen und Quartiere im Vorhabengebiet und seiner en-geren Umgebung. Im September und Oktober sollte jenach Lokalität (z. B. im Umfeld von größeren Gewässern)schon nachmittags begonnen werden. Aus den so gewon-nenen Daten müssen ggf. Hinweise zur Parkkonfigurationabgeleitet werden können (Eingriffsvermeidung) bzw. beiVorkommen von Quartieren auch Fragen der grundsätzli-chen Nutzbarkeit von Potenzialflächen beantwortet wer-den. Da die Fledermausarten unterschiedliche nächtliche Akti-vitätsmuster aufweisen, wird empfohlen, bei ganzen Näch-ten pro Erfassungsnacht zwei nächtliche Durchgängedurchzuführen: ein Durchgang spätestens mit Beginn desAusflug zur Erfassung der (früh fliegenden) Abendsegler-arten und einen zweiter Erfassungsdurchgang mit Beginnder zweiten Nachthälfte (ab ca. 1 bis 2 Uhr) für die Arten,die später oder während der gesamten Nacht aktiv sind.Die Dauer der Begehungen erstreckt sich bis zur morgend-lichen Rückflug- oder Schwarmphase um ggf. möglicheQuartierstandorte ausfindig zu machen.Die Untersuchungen sind methodisch vorrangig auf dasArtenspektrum der eingriffsrelevanten Fledermausartenausgerichtet. Durch den Bau von Zufahrten und die Anla-

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ge von Kranstellflächen können ggf. Baumbestände (Ein-zelbäume, Hecken etc.) in Anspruch genommen werden.Die vorgenannten Gehölzstrukturen sind im Hinblick aufdie Verbotsnorm des § 44 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 BNatSchGzu prüfen.

5.2.3.3 Alternative UntersuchungsmethodeAls alternatives Untersuchungsprogramm im Zulassungs-

verfahren besteht einzelfallbezogen und mit Zustimmung deruntere Naturschutzbehörde und ggf. unter Einbeziehung derFachbehörde für Naturschutz die Möglichkeit, den Umfangder Detektoruntersuchung auf minimal acht Begehungen proJahr zu reduzieren, wenn gleichzeitig sichergestellt ist, dassjeweils durch eine stationäre Dauererfassung pro geplantenWEA-Standort die erforderliche Sachverhaltsermittlung wei-terhin gewährleistet ist.5.2.4 Anforderungen an die Technische Ausstattung

Die technische Ausstattung hat sich an dem aktuellenStand der Technik auszurichten, welcher sich in den letztenJahren entscheidend verbessert und gefestigt hat. Abhängigvon der jeweiligen Fragestellung können Mischer-, Teiler-oder Zeitdehnungsdetektoren sowie Echtzeit- und Vollfre-quenzsysteme eingesetzt werden. Vielfach ist es bei ergebnis-orientierter Bearbeitung sinnvoll, unterschiedliche Technikenzu kombinieren. Vom Grundsatz her sollten alle Arten einerErfassung auf dem Artniveau bestimmbar sein. MitgeführteEchtzeitsysteme (z. B. Avisoft, Batlogger etc.) sind in der Regelmit einem GPS gekoppelt und erlauben die Nachkontrolleund Absicherung der Feldbefunde.

Während der mobilen Detektorerfassung sollte (zusätzlich)ein mobiles Dauererfassungsgerät, gekoppelt mit einem GPS-Empfänger mitgeführt werden, um für den Gutachter einenachträgliche Bestimmung der Feldbefunde zu ermöglichen.Das mitführen mindestens eines kombinierten Mischer- undZeitdehnungsdetektors ist obligat. Dies gilt für alle Erfassun-gen, gleich auf welcher Planungsebene. Eine Auswertung derDaten der stationären Erfassungssysteme, wie auch der Detek-torerfassungen sollte nicht ausschließlich durch automatischeAnalyse- und Bestimmungssoftware erfolgen, da die Ergebnis-se der Auswertungen oftmals bei den derzeit verfügbaren Pro-grammen und Systemen zu realitätsfernen Artdeterminatio-nen führen. Sämtliche Rufauswertungen und Artdetermina-tionen sind daher gleichfalls manuell auf ihre Validität zuprüfen. 5.2.5 Fledermauserfassung auf der Ebene der Regional- und

FlächennutzungsplanungDa Informationen über bedeutende Fledermauslebensräu-

me zumeist nicht von vornherein vorliegen, müssen entspre-chende systematische Untersuchungen spätestens auf der Ebenedes Zulassungsverfahrens durchgeführt werden. Auf dieserGrundlage kann entschieden werden, ob oder unter welchenBedingungen eine Windenergienutzung möglich ist. Im Regel-fall können mit dem Abschalten der Anlagen zu Zeiten mitprognostizierten hohen Fledermausaktivitäten artenschutz-rechtliche Konflikte vermieden werden. Befinden sich jedochWinterquartiere oder bedeutende Wochenstuben in einemVorhabengebiet, kann die Nutzbarkeit der Flächen erheblicheEinschränkungen erfahren.

Auf der Ebene der Regional- und Flächennutzungsplanungsollte für die zur Ausweisung vorgesehenen Potenzialflächengeprüft werden, ob bedeutende Fledermausvorkommen be-kannt sind (z. B. Wochenstuben, Männchenkolonien, Winter-quartiere) und ob aufgrund der gebietsspezifischen, struktu-rellen Ausstattung der Flächen Aktivitätsschwerpunkte mitbesonderer Bedeutung betroffen seien können. Im Interesseder Planungssicherheit empfiehlt es sich, zumindest auf derEbene des Flächennutzungsplans, die Bedeutung der betroffe-nen Bereiche für Fledermäuse zu klären, sofern nicht vonvornherein eine Betroffenheit bedeutender Fledermauslebens-räume ausgeschlossen werden kann.

5.3 Datenaktualität Wenn zu einem Vorhabengebiet bereits hinreichend aktuel-

le und aussagekräftige Ergebnisse aus früheren Untersuchun-gen vorliegen sind weitere Datenerhebungen nicht notwen-dig. Diese Untersuchungsergebnisse dürfen nicht älter als sie-ben Jahre sein, sollten aber optimaler Weise nicht älter alsfünf Jahre sein.

Ältere Daten liefern wichtige Hinweise zur Beurteilung derartenschutzrechtlichen Fragestellungen (z. B. zu regelmäßiggenutzten Fortpflanzungs-/Ruhestätten, zu Rast- und Zugvö-geln, zu Offenlandarten mit wechselnden Standorten undschwankendem Bestand (z. B. Weihen und Wachtelkönig) so-

wie zu Gemeinschaftsschlafplätzen von Milanen und Wei-hen). Bei Greifvogelarten, Uhu und Schwarzstorch ist dieAbschätzung des Störungs- und Schädigungsrisikos auch aufWechselnester auszulegen. Die Wechselhorste von Greifvogel-arten und Uhu verlieren nach drei Jahren der Nichtnutzungihre Funktion als Niststätten. Bei Wechselnestern des Schwarz-storches sind Nester der letzten fünf Jahre zu berücksichtigen.

Im Rahmen von ASP und FFH-VP werden mit einem hohenArbeits- und Finanzaufwand qualitativ hochwertige Datenzum Vorkommen von Vögeln und Fledermäusen erhoben. Esist sinnvoll, dass diese Daten auch für andere Auswertungen(z. B. für andere Planungs- und Genehmigungsverfahren)nutzbar gemacht werden. Aus diesem Grund wird dringendempfohlen, dass alle im Zusammenhang mit WEA-Planungenerhobenen Bestandsdaten nach Abschluss des Projekts demNLWKN zur Aufnahme in den landesweiten Datenbestandübermittelt werden.

6. FFH-Verträglichkeitsprüfung in Regional- und Flächennutzungs-planung, Genehmigungsverfahren

Natura-2000-Gebiete (FFH- und Vogelschutzgebiete) geltengemäß Nummer 2.8 i. V. m. Tabelle 3 der Anlage 2 des Wind-energieerlasses auf Ebene der Raumplanung als „harte Tabu-zone“, soweit die Errichtung von WEA nicht mit dem Schutz-zweck/Erhaltungsziel vereinbar ist (u. a. Schutz von Vogelund Fledermausarten). Darüber hinaus soll eine planungs-rechtliche Ausweisung von Vorrang- bzw. Eignungsgebietenfür WEA in den hierdurch nicht bereits erfassten Natura2000-Gebieten nicht vorgesehen werden.

Allerdings ist in diesen Gebieten das Repowering von Alt-anlagen möglich, wenn die Einrichtung und der Betrieb nichtzu erheblichen Beeinträchtigungen des Natura 2000-Gebietesin seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maß-geblichen Bestandteilen führen.

WEA dürfen nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen derfür Schutzzweck bzw. der Erhaltungsziele maßgeblichen Be-standteile von FFH-Gebieten und Vogelschutzgebieten füh-ren. Für WEA, deren Einwirkungsbereich in diese hinein-reichen, ist im Genehmigungsverfahren eine Vorprüfung derFFH-Verträglichkeit und ggf. eine FFH-Verträglichkeitsprü-fung vorzunehmen.

Bei WEA-Planungen im unmittelbaren Umfeld von Natura2000-Gebieten kann die Einhaltung eines Puffers zu Teilendes Gebietes oder zum gesamten Gebiet notwendig werden.Die Prüfung und Umsetzung eines solchen Puffers ist schutz-gutspezifisch und einzelfallbezogen vorzunehmen.

Ist eine FFH-VP auf raumplanerischer Ebene oder im Rah-men der Genehmigung erforderlich, ist diese im Zusammen-hang mit der strategischen Umweltprüfung (SUP) oder Um-weltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchzuführen. Die ver-schiedenen Planungsebenen ermöglichen eine Abschichtungder Prüfungstiefe.

Besteht (noch) keine planerische Steuerung der Windener-gienutzung mit Ausschlusswirkung, so ist die FFH-VP im je-weiligen Genehmigungsverfahren durchzuführen.

7. Artspezifische Vermeidungs- und Schadensbegrenzungsmaßnah-men/vorgezogene artenschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmenbezüglich Windenergieanlagen

Gegebenfalls lässt sich das Eintreten der artenschutzrechtli-chen Verbotstatbestände durch geeignete Vermeidungsmaß-nahmen erfolgreich abwenden. Dies können herkömmlicheVermeidungs- und Minderungsmaßnahmen sein. Hierzu zäh-len zum Beispiel Änderungen der Projektgestaltung, insbeson-dere Meidung der Fortpflanzungs- und Ruhestätten (Brut-oder Rastplatznahe Aktivitätszentren) der WEA-empfindlichenArten, optimierte Aufstellung der einzelnen Anlagen oderBauzeitenbeschränkungen.

Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen müssen artspe-zifisch ausgestaltet sein, auf geeigneten Standorten durchge-führt werden und dienen der ununterbrochenen Sicherungder ökologischen Funktion von betroffenen Fortpflanzungs-und Ruhestätten für die Dauer der Vorhabenswirkungen. Dar-über hinaus können sie i. S. von Vermeidungsmaßnahmendazu beitragen, erhebliche Störungen von lokalen Populatio-nen abzuwenden bzw. zu reduzieren bzw. die mögliche Stei-gerung eines Kollisionsrisikos für die betreffenden Arten unterein signifikantes Niveau sinken zu lassen. Vermeidungs- undVerminderungsmaßnahmen können bei der Prüfung der Ver-träglichkeit des Projekts nach Artikel 6 Abs. 3 FFH-RL berück-sichtigt werden.

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Analog dazu gibt es bei der Betrachtung im Rahmen derFFH-Verträglichkeitsprüfung die Möglichkeit Schadensbe-grenzungsmaßnahmen in das Projekt mit einzubeziehen.

Sie müssen je nach erforderlicher Wirkung (funktional/zeit-lich) vor der Durchführung des Projekts umgesetzt werdenund spätestens zum Zeitpunkt der auftretenden Beeinträchti-gungen des Natura 2000-Gebietes wirksam sein. Das Projektist zulässig, wenn durch die Schadensbegrenzungsmaßnah-men nachweislich sichergestellt wird, dass das Gebiet in sei-nen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeb-lichen Bestandteilen (in VSG in der Regel die WEA-empfindli-chen Vogelarten) nicht erheblich beeinträchtigt wird. Scha-densbegrenzungsmaßnahmen sind Schutzmaßnahmen, mitdenen schädliche Auswirkungen auf ein Natura-2000-Gebietvermindert werden sollen, sodass die Beeinträchtigung desNatura-2000-Gebietes minimiert wird, es somit zu einer redu-zierten Einwirkung kommt.

Die folgende Aufzählung möglicher Vermeidungs- undSchadensbegrenzungsmaßnahmen zeigt exemplarisch auf,welche Maßnahmen geeignet sein können, das Eintreten derartenschutzrechtlichen Verbotstatbestände im Rahmen vonASP zu verhindern. Sie können auch geeignet sein, die Erheb-lichkeitsschwelle im Rahmen von FFH-VP nicht zu über-schreiten. Die Maßnahmen können je nach Einzelfall mit-einander kombiniert oder alternativ zu einander konzipiertwerden, deren Anwendbarkeit im Einzelfall auf ihre Wirk-samkeit und Vollzugsfähigkeit zu beurteilen ist:7.1 Projektmodifizierung (in Planung und Projektierung)

Ausrichtung der WEA und kleinräumige Verschiebungeinzelner WEA: Im Bereich starken Vogelzugaufkommens,der vor allem in südwestlicher Richtung (Herbst) bzw.nordöstlicher Richtung (Frühjahr) erfolgt, kann die Aus-richtung weitgehend parallel zur Vogelzugrichtung mög-liche Barrierewirkungen und das Kollisionsrisiko deut-lich reduzieren.Durch eine geeignete Nabenhöhe sollten Vermeidungs-und Verminderungseffekte gewährleistet sein, sodass einmöglichst großer Abstand zwischen Geländeoberflächeund unterer Rotorspitze erreicht werden kann.

7.2 Temporäre Betriebszeitenbeschränkungen zur Minimie-rung des VogelschlagrisikosKollosionsgefährdete Vogelarten: Kurzfristige Betriebszei-tenbeschränkung von WEA drei Tage ab Beginn bei bo-denwendenden Bearbeitungen und Erntearbeiten ineinem Umkreis von mindestens 100 m vom Mastfußwährend der Brutzeit. Die Maßnahmenwirksamkeit setztvertragliche Vereinbarungen zwischen Betreiber derWEA und den Flächenbewirtschaftern zwingend vorausund ist im Rahmen eines maßnahmenbezogenen Monito-rings zu überwachen. Die Abschaltungen sind insbeson-dere bis zum 15. Juli sinnvoll.

7.3 Abschaltalgorithmen bei Windenergieempfindlichen Fle-dermaus-ArtenEine signifikante Erhöhung des Kollisionsrisikos kann imRegelfall durch eine Abschaltung von WEA in Nächtenmit geringen Windgeschwindigkeiten (v 6 m/sec) inGondelhöhe, Temperaturen w 10° C und keinem Regenwirksam vermieden werden (alle Kriterien müssen zugleicherfüllt sein). Die Maßnahme wird naturschutzfachlichderzeit als einzig wirksame Minimierungsmaßnahme an-gesehen. Darüber hinaus können aufgrund von natur-räumlichen Gegebenheiten in Niedersachsen für die bei-den Abendsegler-Arten und die Rauhautfledermaus un-ter Vorsorge- und Vermeidungsgesichtspunkten auch beihöheren Windgeschwindigkeiten Abschaltzeiten erfor-derlich sein. Durch ein Gondelmonitoring (siehe Num-mer 8) können die Abschaltzeiten ggf. nachträglich „be-triebsfreundlich“ optimiert werden.Bezüglich der Abschaltszenarien für WEA-empfindlicheFledermausarten sind folgende Vorgehensweisen denk-bar:a) Auf der Grundlage von detaillierten Fledermausunter-

suchungen im Vorfeld der Genehmigung wird ein aufden Einzelfall abgestimmtes, art- und vorkommenspe-zifisches Abschaltszenario festgelegt. Ein Gondelmo-nitoring im laufenden Betrieb ist dann nicht erfor-derlich. Es bietet sich aber an, wenn die Abschaltzeitenggf. nachträglich „betriebsfreundlich“ optimiert wer-den sollen. Für die Abschaltzeiten kommen die fol-genden Zeiträume infrage:

— Frühjahrszug/Bezug der Wochenstuben 1. April bis30. April,

— Wochenstubenzeit 1. Mai bis 31.Juli,— Herbstzug/Bezug der Winterquartiere 15. Juli bis

31. Oktober.7.4 Gestaltung des Mastfußbereiches

Kollisionsgefährdete Vogelarten: Reduzierung der Mast-fußflächen und Kranstellplätze auf das unbedingt erfor-derliche Maß.Kollisionsgefährdete Vogelarten: Abstimmung notwendi-ger landschaftspflegerischer Maßnahmen der Mastfuß-Umgebung und Kranstellflächen mit artspezifischen An-forderungen. Keine Entwicklung von Strukturen, die aufWEA-empfindliche Arten attraktive Wirkungen ausüben(z. B. Teiche, Baumreihen, Hecken) bzw. Gestaltung mög-lichst unattraktiver Mastfußbereiches für Nahrung su-chende Vogelarten. Dies kann im Einzelfall durch dieSteuerung der landwirtschaftlichen Nutzung oder aberdurch die Anlage dichter bodendeckender Gehölze ge-schehen. Die Maßnahmen dürfen allerdings nicht dazuführen, dass Zugriffsverbote bei anderen Arten ausgelöstwerden. Deshalb sind auch mögliche Zielkonflikte mitFledermäusen zu beachten. (Es dürfen keine Nahrungs-habitate oder Strukturen geschaffen werden, durch dieFledermäuse angelockt oder direkt zu den WEA hingelei-tet werden.)Exemplarisch für einen vorgezogenen artenschutzrechtli-chen Ausgleich sind folgende Maßnahmen denkbar:— Anlage von attraktiven Nahrungshabitaten abseits

der Anlagen als Schadenbegrenzungsmaßnahme:Hier bieten sich für die betroffenen Arten vor Inbe-triebnahme der Anlage solche Maßnahmen an, diederen Habitatansprüchen genügen. Hinweise hierzukönnen den Vollzugshinweisen der Fachbehörde fürNaturschutz entnommen werden. Die Beurteilungder Wirksamkeit der Maßnahme setzt Kenntnisse zurRaumnutzung der entsprechenden Arten vor Ortzwingend voraus. Nur so kann abgeschätzt werden,ob eine Lenkung der Nahrungssuchflüge in sichere,anlagenferne Bereiche gelingen wird und die Maß-nahme zur Verbesserung der Nahrungsressourcenbeitragen kann.

— Passive Umsiedlung durch Habitatoptimierung/-neu-anlage abseits der Anlagen entsprechend der Emp-fehlung in Nummer 3 (Abbildung 3) als Schadens-begrenzungsmaßnahme oder als vorgezogene Aus-gleichsmaßnahme:WEA-empfindliche Vogelarten: Sofern Brut- oder es-sentielle Rast- und Nahrungshabitate durch Meide-effekte oder Störungen verloren gehen, sind derenLebensstätten, im räumlichen Zusammenhang durchentsprechende lebensraumgestaltende Maßnahmenaufzuwerten und zu optimieren. Hinweise hierzukönnen den Vollzugshinweisen der Fachbehörde fürNaturschutz entnommen werden:http://www.nlwkn.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=8083&article_id=46103&_psmand=26.

8. Anforderungen an ein MonitoringDie Regelungen beziehen sich auf ein Monitoring nach In-

betriebnahme von Anlagen. Das Monitoring ist ein geeignetesInstrument mit dem auch die Wirksamkeit des Maßnahmen-konzeptes überprüft wird.

Im Rahmen der Überprüfung der Umsetzung von Maßnah-men kann festgestellt werden, inwiefern diese dauerhaft dieangestrebten Lebensraumfunktionen erfüllen. Dies betrifft ins-besondere solche Maßnahmen, die von einer regelmäßig wie-derkehrenden Pflege abhängen oder die beim Betrieb vonWEA regelmäßig durchzuführen sind.

Die Suche von Schlagopfern ist zeitaufwändig und mit vie-len methodischen Schwierigkeiten behaftet. Daher kann eineSchlagopfersuche grundsätzlich nicht Bestandteil des Monito-rings werden. Ausnahmsweise kann eine Schlagopfersuchebei Repowering oder Parkerweiterung geeignet sein.

Eine Schlagopfersuche ist nicht geeignet, Ermittlungsdefizi-te im Rahmen der Anlagengenehmigung auszugleichen.

Soll die Anlage auch bei geringeren als den in der Genehmi-gung festgelegten Windgeschwindigkeiten betrieben werden,ist dies vom Ergebnis eines zweijährigen Gondelmonitorings

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abhängig zu machen. Dieses umfasst automatisierte Messun-gen der Fledermausaktivität in den Zeiträumen April bis EndeOktober12). Die Mikrofone sind auf Gondelhöhe nach untenauszurichten. Wenn aus der Anzahl der akustischen Ereignis-se auf die Anzahl der voraussichtlichen Schlagopferzahlen ge-schlossen werden soll, sind die Detektoren (Batcorder, AnaBatund Avisoft) u. a.13) zu kalibrieren.

Kann anhand der Ergebnisse dieser Untersuchungen belegtwerden, dass die Anlagen auch bei geringerer Windgeschwin-digkeit ohne signifikant steigendes Tötungsrisiko betriebenwerden können, sind die Abschaltzeiten entsprechend zu re-duzieren. Dies kann bereits am Ende des ersten Jahres gesche-hen. Hierzu sind die Ergebnisse des Monitorings vorzulegenund mit den Wetterdaten bezogen auf die betreffenden Anla-genstandorte abzugleichen. In den meisten Fällen kann ver-mutlich eine Einschränkung der Abschaltzeiten erreicht wer-den. In Betriebsprotokollen ist anschließend nachzuweisen,dass die Abschaltzeiten eingehalten werden.

12) Nach den Bedingungen des Forschungsvorhabens von Brinkmann,R.; Behr, O.; I. Niermann & M. Reich (Hrsg.) (2011): Entwicklungvon Methoden zur Untersuchung und Reduktion des Kollisionsrisi-kos von Fledermäusen an Onshore-Windenergieanlagen. Ergebnisseeines Forschungsvorhabens. Schriftenreihe Institut für Umweltpla-nung, Leibniz Universität Hannover „Umwelt und Raum“ Band 4.

13) Entsprechend den Vorgaben von Brinkmann et al. (2011) bzw.Specht (2013): http://www.avisoft.com/Inbetriebnahme%20und%20Kalibrierung%20des%20WEA-Fledermausmonitoring-Systems.pdf.

Um bei der akustischen Erfassung der Fledermausaktivitätim Rotor- und Gondelbereich zu einheitlichen und vergleich-baren Ergebnissen zu gelangen, ist für die Untersuchungennur solche Technik zulässig, die eine artenspezifische Erfas-sung der Rufe der Fledermäuse ermöglicht. Folgende Parame-ter der verwendeten Technik und witterungsbedingte Aktivi-tätswerte sind anzugeben:— verwendete Detektorentypen, Analysesoftware und sons-

tige Aufzeichnungstechnik (Hersteller, Serientyp, Wirkungs-weise),

— Empfindlichkeitseinstellung,— Anbringungsort, -höhe, Ausrichtung und Empfangswinkel

des Mikrofons,— Aufzeichnungs- und Ausfallzeiten,— Nabenhöhe, Länge der Rotorblätter.

Auch hierbei wird empfohlen, dass die ermittelten Untersu-chungsergebnisse und Gutachten sowohl der Genehmigungs-behörde sowie ggf. auch im Rahmen einer externen Prüfungoder Datenzusammenführung den unteren Naturschutzbehör-den und der Fachbehörde für Naturschutz zur Verfügung ge-stellt werden.

9. SchlussbestimmungenDer Leitfaden wird alle drei Jahre evaluiert und entspre-

chend der Ergebnisse der Evaluation fortgeschrieben. Sofernvor in Krafttreten des Leitfadens der Untersuchungsrahmenfür ein Vorhaben zwischen unterer Naturschutzbehörde undAntragssteller bereits abgestimmt worden ist, sind keine wei-tergehenden Untersuchungen erforderlich, wenn von diesenkein entscheidungsrelevanter Erkenntnisgewinn zu erwarten ist.

Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie

Teilaufhebung einer Erlaubnis nach § 19 BBergG(Kimmeridge GmbH)

Bek. d. LBEG v. 4. 2. 2016— L2.7/L67211/01-12 04/2016-0001 —

Die der Kimmeridge GmbH gemäß § 22 BBergG zum 1. 1.2014 übertragene Erlaubnis, in dem Feld „Oldendorf“ Kohlen-wasserstoffe aufzusuchen, ist nach § 19 Abs. 1 Satz 1 BBergGteilweise aufgehoben worden.

Die verbliebene Erlaubnisfeldfläche wird umrissen durchnachstehende Koordinaten der Feldeseckpunkte in Gauß-Krü-ger-Koordinaten:

(Punkte 2 über 257 bis 662 entsprechen der idealisiertenLandesgrenze zu Hamburg).

Nach der teilweisen Aufhebung der Erlaubnis beträgt diegegenwärtige Staatsvorbehaltsfläche des Erlaubnisfeldes mitder Bezeichnung „Oldendorf Verkleinerung“ 406 860 200 m².

Die Wirksamkeit dieser Teilaufhebung tritt gemäß § 19 Abs. 2BBergG mit dem Tag dieser Bekanntgabe ein.

— Nds. MBl. Nr. 7/2016 S. 225

Teilaufhebung einer Erlaubnis nach § 19 BBergG(Kimmeridge GmbH)

Bek. d. LBEG v. 4. 2. 2016— L2.7/L67211/01-12 05/2016-0001 —

Die der Kimmeridge GmbH gemäß § 22 BBergG zum 1. 1.2014 übertragene Erlaubnis, in dem Feld „Lüneburg“ Kohlen-wasserstoffe aufzusuchen, ist nach § 19 Abs. 1 Satz 1 BBergGteilweise aufgehoben worden.

Die verbliebene Erlaubnisfeldfläche wird umrissen durch nach-stehende Koordinaten der Feldeseckpunkte in Gauß-Krüger-Koordinaten:

(Punkte 1 bis 256 entsprechen der idealisierten Landesgren-ze zu Schleswig-Holstein).

Nach der teilweisen Aufhebung der Erlaubnis beträgt diegegenwärtige Staatsvorbehaltsfläche des Erlaubnisfeldes mitder Bezeichnung „Lüneburg-Verkleinerung“ 419 857 600 m².

Die Wirksamkeit dieser Teilaufhebung tritt gemäß § 19 Abs. 2BBergG mit dem Tag dieser Bekanntgabe ein.

— Nds. MBl. Nr. 7/2016 S. 225

Nummer Rechtswert Hochwert

1 3566620,000 5919715,000

2 3566620,000 5921895,000

257 3569906,170 5926333,840

662 3586975,762 5923196,659

663 3590502,120 5911907,142

664 3586700,000 5902800,000

665 3584400,000 5894015,000

666 3570460,000 5908935,000

Nummer Rechtswert Hochwert

1 3586975,76 5923196,66

256 3604674,39 5915513,73

257 3616315,00 5900800,00

258 3596369,72 5893122,21

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Nds. MBl. Nr. 7/2016

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Teilaufhebung einer Erlaubnis nach § 19 BBergG(Kimmeridge GmbH)

Bek. d. LBEG v. 4. 2. 2016— L2.7/L67211/01-12 10/2016-0001 —

Die der Kimmeridge GmbH gemäß § 22 BBergG zum 1. 1. 2014 übertragene Erlaubnis, in dem Feld „Heemsen“ Kohlenwasserstoffeaufzusuchen, ist nach § 19 Abs. 1 Satz 1 BBergG teilweise aufgehoben worden.

Die verbliebene Erlaubnisfeldfläche wird umrissen durch nachstehende Koordinaten der Feldeseckpunkte in Gauß-Krüger-Koor-dinaten:

Nach der teilweisen Aufhebung der Erlaubnis beträgt die gegenwärtige Staatsvorbehaltsfläche des Erlaubnisfeldes mit der Be-zeichnung „Heemsen-Verkleinerung“ 244 999 900 m².

Die Wirksamkeit dieser Teilaufhebung tritt gemäß § 19 Abs. 2 BBergG mit dem Tag dieser Bekanntgabe ein.

— Nds. MBl. Nr. 7/2016 S. 226

Niedersächsische Landesbehördefür Straßenbau und Verkehr

Genehmigung des Hubschrauber-Sonderlandeplatzes„Ev. Bathildiskrankenhaus Bad Pyrmont“

Bek. d. NLStBV v. 10. 2. 2016 — 14.30312-2 (20) —

Bezug: Bek. d. MW v. 24. 1. 2008 (Nds. MBl. S. 337)

Die NLStBV, Geschäftsbereich Wolfenbüttel, hat die Genehmi-gung zum Betrieb des Landeplatzes gegenüber der AGAPLESIONEvangelisches Bathildiskrankenhaus Bad Pyrmont gGmbH mitBescheid vom 22. 12. 2015 mit Ablauf des 31. 1. 2016 wider-rufen.

— Nds. MBl. Nr. 7/2016 S. 226

Nummer Rechtswert Hochwert Nummer Rechtswert Hochwert

1 3512650,00 5849700,00 23 3532570,00 5842000,00

2 3515677,69 5850608,66 24 3532000,00 5842000,00

3 3517718,05 5848362,38 25 3532000,00 5838500,00

4 3518939,42 5849299,56 26 3537500,00 5838500,00

5 3516701,82 5851516,65 27 3537500,00 5842000,00

6 3518870,00 5857350,00 28 3538050,00 5842000,00

7 3522330,00 5859450,00 29 3538100,00 5840470,00

8 3532650,00 5852550,00 30 3544900,00 5841850,00

9 3532700,00 5849030,00 31 3544900,00 5840180,00

10 3537700,00 5849030,00 32 3544900,00 5837300,00

11 3537730,00 5845900,00 33 3546850,00 5837250,00

12 3535840,00 5845870,00 34 3546250,00 5835700,00

13 3535595,00 5845665,00 35 3543000,00 5835400,00

14 3535540,00 5845720,00 36 3543000,00 5832700,00

15 3535040,00 5845140,00 37 3540400,00 5832770,00

16 3534985,00 5845040,00 38 3533500,00 5832770,00

17 3534920,00 5845115,00 39 3533087,00 5832592,00

18 3533367,00 5843869,00 40 3530955,00 5832770,00

19 3533080,00 5843867,00 41 3526691,00 5833481,00

20 3532710,00 5843877,00 42 3521982,00 5833214,00

21 3532526,00 5843924,00 43 3516208,00 5832592,00

22 3532527,00 5843870,00 44 3513040,00 5845000,00

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Nds. MBl. Nr. 7/2016

227

Feststellung gemäß § 3 a UVPG;Neubau der Bundesautobahn 1,

Anschlussstelle „Riester Damm“, zwischender Anschlussstelle Neuenkirchen-Vörden

und der Anschlussstelle Bramsche,einschließlich der Anbindung an die Kreisstraße 149

Bek. d. NLStBV v. 10. 2. 2016— 3314-31027-1-11/A1 —

Die NLStBV, Geschäftsbereich Osnabrück, Mercatorstraße 11,49080 Osnabrück, hat die NLStBV, Dezernat 33 Planfeststel-lung, nach § 5 UVPG i. d. F. vom 24. 2. 2010 (BGBl. I S. 94),zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 21. 12.2015 (BGBl. I S. 2490), darum ersucht festzustellen, ob fürden Neubau der Bundesautobahn 1, Anschlussstelle „RiesterDamm“, zwischen der Anschlussstelle Neuenkirchen-Vördenund der Anschlussstelle Bramsche, einschließlich der Anbin-dung an die Kreisstraße 149 die Pflicht zur Durchführung ei-ner Umweltverträglichkeitsprüfung besteht.

Im Rahmen dieser Prüfung ist gemäß § 3 e i. V. m. § 3 cUVPG eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalles durchge-führt worden.

Nach der Vorprüfung der entscheidungserheblichen Datenund Unterlagen wird hiermit für das o. g. Vorhaben gemäß § 3 aUVPG festgestellt, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfungnicht erforderlich ist.

Diese Feststellung ist gemäß § 3 a UVPG nicht selbständiganfechtbar.

— Nds. MBl. Nr. 7/2016 S. 227

Staatliches Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig

Öffentliche Bekanntmachungeiner Genehmigung nach dem BImSchG

(Rohstoffbetriebe Oker GmbH & Co. KG, Goslar)

Bek. d. GAA Braunschweig v. 27. 1. 2016— BS 15-129 —

Gemäß § 21 a der 9. BImSchV vom 29. 5. 1992 (BGBl. IS. 1001), in der derzeit geltenden Fassung, wird die Entschei-dung über den Antrag der Firma Rohstoffbetriebe Oker GmbH& Co. KG, Harlingeroder Straße 4, 38644 Goslar, hiermit öffent-lich bekannt gemacht. Der vollständige Bescheid und seineBegründung können in der Zeit

vom 25. 2. bis 9. 3. 2016

in den folgenden Stellen zu den dort angegebenen Zeiten ein-gesehen werden:— Staatliches Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig,

Ludwig-Winter-Straße 2,38120 Braunschweig,Einsichtmöglichkeit:montags bis donnerstags von 8.00 bis 15.30 Uhr,freitags und an Tagenvor Feiertagen von 8.00 bis 14.30 Uhr;

— Stadt Wolfenbüttel,Zimmer K 1—101,Klosterstraße 1,38300 Wolfenbüttel,Einsichtmöglichkeit:montags bis freitags von 8.30 bis 12.00 Uhr,nachmittags nach Vereinbarung.

Diese Bek. und die Genehmigung sind auch im Internet unterhttp://www.gewerbeaufsicht.niedersachsen.de und dort überden Pfad „Bekanntmachungen w Braunschweig — Göttingen“einsehbar.

— Nds. MBl. Nr. 7/2016 S. 227

Anlage

Tenor1. Der Firma Rohstoffbetriebe Oker GmbH & Co. KG, Harlin-geroder Straße 4, 38644 Goslar wurde gemäß § 16 Abs. 1BImSchG, in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. 5. 2013(BGBl. I S. 1274), in der derzeit geltenden Fassung, in Verbin-dung mit Nr. 2.1.1 G der Anlage 1 der 4. BImSchV vom 2. 5.2013 (BGBl. I S. 973), in der derzeit geltenden Fassung, am27. 1. 2016 die Genehmigung zur Änderung der folgendenAnlage erteilt:Steinbruch mit einer Abbaufläche von 10 Hektar oder mehr.

Die Änderung umfasst:die Vergrößerung des Kalksteinbruchs „Wendessen“ von 18 haauf 23,3 ha nach Süden und Osten (siehe Lageplan und Ab-bauplan unter Nr. 2 der Antragsunterlagen).2. Gemäß § 13 BImSchG schließt diese Genehmigung dienach der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO) vom 3. 4.2012 (Nds. GVBl. S. 46), erforderliche Baugenehmigung ein.3. Die Kosten des Verfahrens sind von der Antragstellerin zutragen.II. Der Bescheid ist mit Auflagen und Nebenbestimmungenverbunden.III. Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nachZustellung Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruchist schriftlich oder zur Niederschrift beim Staatlichen Gewer-beaufsichtsamt Braunschweig, Ludwig-Winter-Straße 2, 38120Braunschweig, einzulegen.

Staatliches Gewerbeaufsichtsamt Hannover

Immissionsschutzrechtliche Entscheidunggemäß § 16 Abs. 1 BImSchG

(Nienburger Geflügelspezialitäten, Wietzen)

Bek. d. GAA Hannover v. 24. 2. 2016— H025405514-241114 —

Der Firma Oldenburger Geflügelspezialitäten GmbH & Co.KG, Brögeler Straße 110, 49393 Lohne, wurde auf ihren An-trag vom 18. 4. 2012 für ihren Betrieb der Nienburger Geflügel-spezialitäten, Zweigniederlassung der Oldenburger Geflügel-spezialitäten GmbH & Co. KG, Schulstraße 8, 31613 Wietzen,gemäß § 16 Abs. 1 i. V. m. § 10 BImSchG vom GAA Hannoverals zuständiger Genehmigungsbehörde am 8. 2. 2016 die Ge-nehmigung zur wesentlichen Änderung einer Anlage zumSchlachten und Verarbeiten von Geflügel in der Zweignieder-lassung Wietzen erteilt. Die wesentliche Änderung beinhaltetdie Erhöhung der Schlacht- und Verarbeitungsleistung auf250 000 Tiere pro Tag. Dazu wird die Schlachtung in dem be-stehenden Betrieb eingestellt und es soll ein neuer Geflügel-schlacht- und -verarbeitungsbetrieb, einschließlich aller erfor-derlichen Nebeneinrichtungen, errichtet werden. Standortder neuen Anlage ist das Grundstück in der Gemarkung Holte,Flur 4, Flurstücke 146/3, 134/9, 134/5.

Der verfügende Teil der Genehmigung und die Rechtsbe-helfsbelehrung werden in der Anlage bekannt gemacht. AufMaßgaben und Nebenbestimmungen im Abschnitt II des Be-scheides wird hingewiesen.

Der vollständige Bescheid, einschließlich der Begründung,liegt in der Zeit

vom 25. 2. bis 9. 3. 2016 (einschließlich)

a) beim Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt Hannover, Am List-holze 74, 30177 Hannover, Foyer,montags bis donnerstags von 7.30 bis 16.00 Uhr,freitags von 7.30 bis 13.30 Uhr;

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Nds. MBl. Nr. 7/2016

228

b) bei der Samtgemeinde Marklohe, Rathausstraße 14, 31608Marklohe, Zimmer 11, 12,

montags und dienstags von 8.30 bis 12.00 Uhr und 14.00 bis 15.30 Uhr,

mittwochs und freitags von 8.30 bis 12.00 Uhr,donnerstags von 8.30 bis 12.00 Uhr und

14.00 bis 18.00 Uhr

(darüber hinaus ist eine Einsichtnahme nach Abspracheunter Tel. 05201 6025-0 möglich),

öffentlich aus und kann während der vorgenannten Dienst-stunden von jedermann eingesehen werden.

Mit Ablauf des 9. 3. 2016 gilt der Bescheid gegenüber Ein-wenderinnen und Einwendern und Dritten, die keine Einwen-dungen erhoben haben, als zugestellt.

Vom 25. 2. 2016 bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist kön-nen der Bescheid und seine Begründung von Personen, dieEinwendungen erhoben haben, beim Staatlichen Gewerbeauf-sichtsamt Hannover, Am Listholze 74, 30177 Hannover, schrift-lich angefordert werden.

Der Bekanntmachungstext sowie der vollständige Genehmi-gungsbescheid sind im Internet unter www.gewerbeaufsicht.niedersachsen.de und dort über den Pfad „Bekanntmachun-gen w Hannover — Hildesheim“ einsehbar.

Die maßgeblichen Vorschriften zur Öffentlichkeitsbeteili-gung ergeben sich aus § 10 BImSchG, dem Zweiten Abschnittder 9. BImSchV und § 9 UVPG.

— Nds. MBl. Nr. 7/2016 S. 227

Anlage

I. Entscheidung

1. Gemäß § 16 Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes(BImSchG) i. V. m. Nr. 7.2.1 (G/E) und Nr. 10.25 (V) des An-hangs der 4. BImSchV wird der Firma

Oldenburger Geflügelspezialitäten GmbH & Co. KG,Brögeler Straße 110,

49393 Lohne,

die Genehmigung zur wesentlichen Änderung einer

Anlage zum Schlachten und Verarbeiten von Geflügel

im Betrieb der

Nienburger Geflügelspezialitäten,Zweigniederlassung der Oldenburger Geflügelspezialitäten

GmbH & Co. KG,Schulstraße 8,31613 Wietzen

erteilt.Standort der Anlage ist das Grundstück:

PLZ, Ort: 31613 WietzenStraße, Haus-Nr.: Schulstraße 8Gemarkung: HolteFlur: 4Flurstücke: 156/6, 156/1, 157/7, 157/9, 146/3, 134/9,

134/5.2. Die wesentliche Änderung beinhaltet die Erhöhung desSchlachtdurchsatzes von derzeit 270 Tonnen Lebendgewichtje Tag auf 625 Tonnen je Tag, was max. 250 000 Tieren je Tagentspricht. Dazu wird eine neue Schlachtlinie errichtet undbetrieben. Die Gesamtanlage besteht im Wesentlichen künftigaus folgenden Betriebseinheiten:— Teilbetrieb 1 (Neu)

BE 00.01 Technische Gebäudeausrüstung, Versorgung Gas-Wasser-ElektrikBE 00.02 Löschwasserbevorratung, PumpstationBE 00.04 SozialräumeBE 00.06 Abwasservorbehandlung/FlotationBE 01.01 Anlieferung (Lebendtierannahme, Containerrei-nigung und LKW-Containerbeladung)

BE 01.02 Schlachtung (Betäubung und Schlachtkette)BE 01.03 BratfertigungBE 01.04 VorkühlungBE 01.05 Sortierung, Zerlegung und WeiterverarbeitungBE 01.06 Gewürz- und MarinadehalleBE 01.08 Verpackung und VersandBE 01.12 Verpackungsmittel, Hilfs- und BetriebsstoffeBE 01.13 Kistenlagerung und -wäscheBE 01.15 SchlachtabfälleBE 01.19 Abluftbehandlungsanlage BE 03.01 Kältezentrale

— Teilbetrieb 2 (Bestand)BE 00.03 Büroräume/VerwaltungBE 00.05 LKW-Stellplätze in der HalleBE 00.06 AbwasservorbehandlungBE 00.07 WerkstättenBE 01.16 Frosten und KühlenBE 01.17 LagerungBE 01.18 Saisonale Produktion (Geflügelverarbeitung, keineSchlachtung)BE 02.01 Kältezentrale

3. Die Antragsunterlagen (Anlage 1*) sind Bestandteil dieserGenehmigung.4. Die Anlage ist entsprechend der Antragsunterlagen (Anla-ge 1*) zu errichten und zu betreiben, soweit durch die in Ab-schnitt II aufgeführten Nebenbestimmungen nichts anderesbestimmt wird.5. Diese Genehmigung erlischt für alle Anlagenteile diesesBescheides, die nicht innerhalb von drei Jahren nach Eintrittder Rechtskraft der Genehmigung in Betrieb genommen wur-den.6. Weitere bisher für die Anlage erteilte Entscheidungen(Genehmigungen, Anordnungen, Anzeigen usw.) behaltenweiterhin ihre Gültigkeit, soweit sie durch diese Genehmi-gung nicht geändert werden.7. Gemäß § 13 BImSchG schließt diese Genehmigung ande-re, die Anlage betreffende behördliche Entscheidungen ein,insbesondere die nach § 75 Niedersächsische Bauordnung zuerteilende Baugenehmigung. 8. Die Prüfung der Antragsunterlagen im Rahmen einer All-gemeinen Vorprüfung des Einzelfalls hat ergeben, dass eineUmweltverträglichkeitsprüfung gemäß § 3 c Abs. 1 des Um-weltverträglichkeitsprüfungsgesetzes (UVPG) nicht erforder-lich ist.9. Die im Genehmigungsverfahren erhobenen Einwendun-gen sind durch Nebenbestimmungen im Abschnitt II berück-sichtigt worden. Soweit sie nicht berücksichtigt wurden, wer-den die Einwendungen zurückgewiesen.10. Nachträgliche Auflagen zu den wasserrechtlichen As-pekten bleiben gem. § 12 Abs. 2 a BImSchG vorbehalten.11. Für die Anlage ist das BVT-Merkblatt „Integrierte Ver-meidung und Verminderung der Umweltverschmutzung,BVT-Merkblatt zu Tierschlachtungen/Anlagen zur Verarbei-tung von tierischen Nebenprodukten (VTN), November 2003“maßgeblich.12. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Überdie Höhe der Kosten ergeht ein gesonderter Bescheid.

II. Nebenbestimmungen*)

III. Begründung*)

IV. RechtsbehelfsbelehrungGegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach

Zustellung Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruchist schriftlich oder zur Niederschrift beim Staatlichen Gewer-beaufsichtsamt Hannover, Am Listholze 74, 30177 Hannovereinzulegen.

Hinweise*)

*) Hier nicht abgedruckt.

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Nds. MBl. Nr. 7/2016

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Staatliches Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim

Feststellung gemäß § 3 a UVPG(Bioenergie Leinetal, Burgstemmen)

Bek. d. GAA Hildesheim v. 9. 2. 2016— HI-15-024-01-11.5 —

Das Unternehmen Bioenergie Leinetal, Obere Straße 8, 31178Burgstemmen, hat mit Schreiben vom 7. 9. 2015 die Erteilungeiner Genehmigung gemäß den §§ 16 und 19 BImSchG in derderzeit geltenden Fassung für die Änderung der bestehendenAnlage zur Erzeugung von Biogas am Standort 31033 Brüg-gen, Außenbereich, Gemarkung Brüggen, Flur 5, Flurstück 59/2,beantragt. Die Änderung umfasst die Erweiterung der beste-henden Verbrennungsmotorenanlage zur Erzeugung von Stromfür den Einsatz von Biogas (BHKW) um ein zweites BHKW.Die bisherige Feuerungswärmeleistung von 0,61 MW steigtdadurch auf 1,22 MW.

Im Rahmen dieses Genehmigungsverfahrens ist gemäß § 3 ci. V. m. Nummer 1.2.2.2 der Anlage 1 UVPG in der derzeit gel-tenden Fassung durch eine Vorprüfung des Einzelfalles zu er-mitteln, ob für das beantragte Vorhaben die Durchführungeiner Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist.

Die Vorprüfung hat ergeben, dass eine Umweltverträglich-keitsprüfung nicht erforderlich ist.

Diese Feststellung wird hiermit öffentlich bekannt gemacht.Sie ist nicht selbständig anfechtbar.

— Nds. MBl. Nr. 7/2016 S. 229

Feststellung gemäß § 3 a UVPG(Fleischerei Lars Bode, Bockenem)

Bek. d. GAA Hildesheim v. 9. 2. 2016— HI-15-025-01-11.5 —

Das Unternehmen Fleischerei Lars Bode, Inhaber Lars Bode,Stobenstraße 18, 31167 Bockenem, hat mit Schreiben vom 1. 10.2015 die Erteilung einer Genehmigung gemäß den §§ 4 und19 BImSchG in der derzeit geltenden Fassung für die Erwei-terung der bereits nach Baurecht genehmigten Fleischerei amStandort 31167 Bockenem, Stobenstraße 18, GemarkungBockenem, Flur 8, Flurstück 209/230, beantragt. Die Schlacht-kapazität soll auf 36 t/w erhöht werden.

Im Rahmen dieses Genehmigungsverfahrens ist gemäß § 3 ci. V. m. Nummer 7.13.2 der Anlage 1 UVPG in der derzeit gel-tenden Fassung durch eine Vorprüfung des Einzelfalles zu er-mitteln, ob für das beantragte Vorhaben die Durchführungeiner Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist.

Die Vorprüfung hat ergeben, dass eine Umweltverträglich-keitsprüfung nicht erforderlich ist.

Diese Feststellung wird hiermit öffentlich bekannt gemacht.Sie ist nicht selbständig anfechtbar.

— Nds. MBl. Nr. 7/2016 S. 229

Staatliches Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg

Feststellung gemäß § 3 a UVPG(New Power Pack Goldenstedt GmbH & Co. KG, Vechta)

Bek. d. GAA Oldenburg v. 8. 2. 2016— OL 15-116-02/Lin-1.2.3.2-1 —

Die Firma New Power Pack Goldenstedt GmbH & Co. KG,Kopernikusstraße 23, 49377 Vechta, hat mit Schreiben vom13. 8. 2015 die Erteilung einer Genehmigung gemäß den §§ 16und 19 BImSchG in der derzeit geltenden Fassung für die Än-

derung einer Anlage zur Erzeugung von Strom und Warmwas-ser in einer Verbrennungsmotoranlage unter Verwendung vonnaturbelassenem Erdgas mit einer Feuerungswärmeleistungvon 1 306 kW (Nummer 1.2.3.2 des Anhangs 1 der 4. BImSchV)am Standort in 49424 Goldenstedt, Bei der Riede 2, Gemar-kung Goldenstedt, Flur 49, Flurstück 51/14, beantragt.

Gegenstand der wesentlichen Änderung sind:— die Installation eines Ersatz-BHKW mit einer Feuerungs-

wärmeleistung von 1 306 KW,— die Errichtung und der Betrieb einer Gärresttrocknungsan-

lage mit einer Durchsatzleistung von 16,2 t pro Tag,— die Stilllegung der Holzvergasungs- und Holztrocknungs-

anlage.Im Rahmen dieses Genehmigungsverfahrens ist gemäß § 3 c

i. V. m. Nummer 1.2.3.2 der Anlage 1 UVPG in der derzeit gel-tenden Fassung durch eine Vorprüfung des Einzelfalles zu er-mitteln, ob für das beantragte Vorhaben die Durchführungeiner Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist.

Die Vorprüfung hat ergeben, dass eine Umweltverträglich-keitsprüfung in diesem Verfahren nicht erforderlich ist.

Diese Feststellung wird hiermit öffentlich bekannt gemacht.Sie ist nicht selbständig anfechtbar.

— Nds. MBl. Nr. 7/2016 S. 229

Feststellung gemäß § 3 a UVPG(Abfallwirtschaftsbetrieb der Stadt Oldenburg)

Bek. d. GAA Oldenburg v. 11. 2. 2016— 40211-1/8.1.3-AWB Oldenburg; OL 16-024-01 Mr —

Der Abfallwirtschaftsbetrieb der Stadt Oldenburg, Wehde-straße 70, 26123 Oldenburg, hat mit Schreiben vom 17. 11. 2015die Erteilung einer Genehmigung gemäß den §§ 4 und 19BImSchG in der derzeit geltenden Fassung für die Errichtungund den Betrieb einer Anlage zum Abfackeln von Deponiegasam Standort in 26133 Oldenburg, Eidechsenstraße 50, Gemar-kung Osternburg, Flur 3/4, Flurstück 1996/237, beantragt.

Im Rahmen dieses Genehmigungsverfahrens ist gemäß § 3 ci. V. m. Nummer 8.1.3 der Anlage 1 UVPG in der derzeit gel-tenden Fassung durch eine standortbezogene Vorprüfung desEinzelfalles zu ermitteln, ob für das beantragte Vorhaben dieDurchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung erforder-lich ist.

Die Vorprüfung hat ergeben, dass eine Umweltverträglich-keitsprüfung in diesem Verfahren nicht erforderlich ist.

Diese Feststellung wird hiermit öffentlich bekannt gemacht.Sie ist nicht selbständig anfechtbar.

— Nds. MBl. Nr. 7/2016 S. 229

Staatliches Gewerbeaufsichtsamt Osnabrück

Feststellung gemäß § 3 a UVPG(Zoo Osnabrück gGmbH)

Bek. d. GAA Osnabrück v. 9. 2. 2016— 15-028-01/Ev —

Die Zoo Osnabrück gGmbH, Klaus-Strick-Weg 12, 49082 Os-nabrück, hat mit Antrag vom 30. 10. 2015 gemäß § 16 Abs. 1und § 19 BImSchG in der derzeit geltenden Fassung die Ertei-lung einer Genehmigung zur Erweiterung ihrer Heizzentraleeinschließlich der Errichtung einer Verbrennungsmotoran-lage für Erdgas beantragt. Standort der Anlage ist das Grund-stück in 49082 Osnabrück, Klaus-Strick-Weg, GemarkungNahne, Flur 9, Flurstück 36/9.

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Nds. MBl. Nr. 7/2016

230

Im Rahmen dieses Genehmigungsverfahrens ist gemäß § 3 ci. V. m. Nummer 1.2.3.2 der Anlage 1 UVPG in der derzeit gel-tenden Fassung durch eine standortbezogene Vorprüfung desEinzelfalles zu ermitteln, ob für das beantragte Vorhaben dieDurchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung erforder-lich ist.

Die Vorprüfung hat ergeben, dass eine Umweltverträglich-keitsprüfung nicht erforderlich ist.

Diese Feststellung wird hiermit öffentlich bekannt gemacht.Sie ist nicht selbständig anfechtbar.

— Nds. MBl. Nr. 7/2016 S. 229

Rechtsprechung

Bundesverfassungsgericht

L e i t s ä t z ezum Beschluss des Ersten Senats vom 12. 1. 2016

— 1 BvR 3102/13 —

1. Der Ausschluss juristischer Personen von der Bestellungzum Insolvenzverwalter durch § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO ver-stößt weder gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit(Art. 12 Abs. 1 GG) noch gegen das Grundrecht auf Gleich-behandlung (Art. 3 Abs. 1 GG).

2. Mit der Durchsetzung berechtigter Forderungen dient dasInsolvenzverfahren auch der Verwirklichung des Justiz-gewährungsanspruchs und ist in die Garantie effektivenRechtsschutzes einbezogen.

— Nds. MBl. Nr. 7/2016 S. 230

Staatsgerichtshof

L e i t s ä t z ezum Urteil vom 29. 1. 2016

— StGH 1 bis 3/15 —

1. Unverzüglich im Sinne des Art. 24 Abs. 1 NV ist ein Ant-wortverhalten der Landesregierung, das dem Zweck desparlamentarischen Fragerechts unter Berücksichtigungkonkurrierender Aufgaben der Landesregierung und ihrerpersonell-organisatorischen Möglichkeiten gerecht wird.

2. Dem parlamentarischen Fragerecht kommt ein hoher Stel-lenwert zu. Es soll dem Abgeordneten die notwendigen In-formationen zur Wahrnehmung seiner Aufgaben verschaf-fen und dadurch die Entwicklung von Initiativen einer-seits und eine wirksame Kontrolle der Regierungstätigkeitdurch das Parlament andererseits ermöglichen.

3. Die Landesregierung hat im Spannungsverhältnis zwischenVollständigkeit und Unverzüglichkeit einer Antwort aufKleine Anfragen die Recherchetiefe unter Berücksichti-gung der mutmaßlichen Interessen des Fragestellers sach-gerecht zu bestimmen, den Beantwortungsvorgang zweck-mäßig zu organisieren und im Konfliktfall zwischen derPflicht zur unverzüglichen Antwort und konkurrierendenAufgaben der Landesregierung verfassungskonform zupriorisieren. Bei der Erfüllung und Abwägung dieser Pflich-ten kommen der Landesregierung Einschätzungsspielräu-me zu.

4. Beantwortet die Landesregierung Kleine Anfragen inner-halb eines Monats, besteht eine Vermutung für die Unver-züglichkeit der Antwort. Im Übrigen unterliegt ihr Ant-wortverhalten unter Berücksichtigung der ihr eingeräum-ten Einschätzungsspielräume im Hinblick auf den Zeitbe-darf einer Plausibilitätskontrolle. Die Landesregierung hatnachvollziehbar darzulegen, aufgrund welcher Umständesie an einer früheren Antwort gehindert war. Die Anforde-rungen an die Plausibilität der darzulegenden Hinderungs-gründe steigen dabei mit zunehmender Entfernung vonder Monatsfrist kontinuierlich an.

UrteilIn dem Verfassungsstreitverfahren

StGH 1/15der Frau ...,

StGH 2/151. des Herrn ...,2. der Frau ...,

StGH 3/151. des Herrn ...,2. der Frau ...,3. des Herrn ...,

— Antragsteller —

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt ...,

gegen

die Niedersächsische Landesregierung,

— Antragsgegnerin —

wegen Auskunft nach Art. 24 Abs. 1 der NiedersächsischenVerfassung

hat der Niedersächsische Staatsgerichtshof auf die mündlicheVerhandlung vom 6. November 2015

für Recht erkannt:Die Antragsgegnerin hat die Antragsteller der VerfahrenStGH 1, 2 und 3/15 in deren Recht aus Art. 24 Abs. 1 derNiedersächsischen Verfassung dadurch verletzt, dass sie dieKleinen Anfragen vom 19. August 2014 (Az.: II/725-923)und vom 6. Oktober 2014 (LT-Drs. 17/2141 sowie LT-Drs.17/2140) nicht unverzüglich beantwortet hat.

G r ü n d e

A.Gegenstand aller drei Organstreitverfahren ist die Frage, ob

die Landesregierung ihrer verfassungsrechtlichen Pflicht zurunverzüglichen Beantwortung der Anfragen von Mitgliederndes Landtages aus Art. 24 Abs. 1 der Niedersächsischen Ver-fassung — NV — nachgekommen ist.

Im Verfahren StGH 1/15 beantwortete die Antragsgegnerineine das Aktenvorlageverhalten in drei Legislaturperioden be-treffende Kleine Anfrage der Abgeordneten ... nach knappsechs Monaten und in den Verfahren StGH 2/15 und 3/15Kleine Anfragen der Abgeordneten ... und ... (StGH 2/15) bzw...., ... und ... (StGH 3/15) zu Problemen der Flüchtlingsunter-bringung jeweils nach gut viereinhalb Monaten.

Im Einzelnen liegen den zur gemeinsamen Verhandlungverbundenen Verfahren StGH 1/15 (I.), StGH 2/15 (II.) undStGH 3/15 (III.) folgende Sachverhalte zugrunde:

I.Am 19. August 2014 richtete die der ...-Fraktion angehören-

de Abgeordnete ... an die Antragsgegnerin eine Kleine Anfragezur schriftlichen Beantwortung mit dem Titel „Ist der Kernbe-reich der exekutiven Willensbildung der rot-grünen Landesre-gierung größer als der ihrer Vorgänger?“ (Az.: II/725-923). DieseAnfrage umfasste acht Einzelfragen, mit denen im Wesentli-chen die Anzahl der in den letzten drei Legislaturperiodennach Art. 24 Abs. 2 und 3 NV vorgelegten und zurückgehalte-nen Aktenseiten sowie die Begründungen für die Verweigerungvon Aktenvorlagen erforscht werden sollten. Auslöser der An-frage war das sogenannte P.-Verfahren vor dem Staatsgerichts-hof (StGH 7/13). In diesem hatten Mitglieder der ...-Landtags-fraktion der Antragsgegnerin vorgeworfen, sie habe sich beider Behandlung von Aktenvorlagebegehren nach Art. 24 Abs. 2NV zu weitgehend auf das Vorlageverweigerungsrecht nachArt. 24 Abs. 3 NV berufen. Die Antragsgegnerin hatte dem un-ter anderem entgegen gehalten, ihr Vorlageverhalten unter-scheide sich nicht von dem der ...-geführten Vorgängerre-gierung. Anhand der erwarteten Antworten wollte die Antrag-stellerin diese Aussage überprüfen.

Die genannte Kleine Anfrage ging bei der Niedersächsi-schen Staatskanzlei am 28. August 2014 ein. Bis zum 9. Sep-tember 2014 sichtete das dort zuständige Referat 201 dieeinschlägigen Vorgänge und ordnete sie einzelnen Referatender Staatskanzlei oder den mit den jeweiligen Aktenvorlage-begehren vorbefassten Ministerien zu. Mit Schreiben vom10. September 2014 teilte die Staatskanzlei dem Präsidentendes Landtages mit, dass eine Beantwortung der Anfrage bin-

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Nds. MBl. Nr. 7/2016

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nen Monatsfrist unmöglich sei, und bat um Fristverlängerungbis Ende November 2014. Gleichzeitig leitete das Referat 201mit Fristsetzung zum 10. Oktober 2014 eine Ressortabfrageein. Fehlende Aktenübersendungsschreiben an den Landtagsollten dem Referat 201 übermittelt und die Anzahl der je-weils vorgelegten, der zurückgehaltenen und der vorgelegten,aber als vertraulich gekennzeichneten Seiten anhand der Ori-ginalvorgänge ausgezählt werden. Vier Vorgänge, für die dasReferat 201 der Staatskanzlei federführend gewesen war, prüf-te es bis zum 26. September 2014 selbst; alsdann leitete esauch hier eine Ressortabfrage mit Fristsetzung zum 15. Okto-ber 2014 ein.

Tatsächlich trafen die Zulieferungen der beteiligten Res-sorts nur teilweise fristgemäß ein. Einige kamen wenige Tageverspätet, andere, wie diejenigen des Ministeriums A. und desMinisteriums B. erst nach Mahnung. Die Beiträge des Ministe-riums C. lagen vollständig erst am 30. Oktober 2014 und die-jenigen des Ministeriums B. am 7. November 2014 vor. Hin-sichtlich einzelner beteiligter Ministerien ergaben sich Nach-forderungen oder Rückfragen, deren Bearbeitung sich teils bisin den November hinein, im Fall des Ministeriums C. bis zum24. November 2014 hinzog. Mit Schreiben vom 27. November2014 teilte die Staatskanzlei dem Präsidenten des Landtagesmit, die Bearbeitung verzögere sich bis Ende Januar 2015, alsoum zwei weitere Monate. Zu diesem Zeitpunkt lagen derStaatskanzlei alle erbetenen Zuarbeiten vor. Der zuständigeSachbearbeiter hatte diese in einer übersichtlichen Tabellezusammengefasst.

Am 26. Januar 2015 stellte das Referat 201 einen erstenAntwortentwurf fertig. Mit Schreiben vom 3. Februar 2015 kün-digte die Staatskanzlei dem Präsidenten des Landtages eineweitere Verzögerung der Antwort bis voraussichtlich Ende Fe-bruar 2015 an. Bis zum 16. Februar 2015 stimmte sie den Ant-wortentwurf intern und mit den Ministerien ab und leiteteihn am 23. Februar 2015 an den Landtag weiter.

Die Antwort selbst umfasst gut zwei Druckseiten und diezentrale neunseitige Tabelle, in der die betroffenen 76 Vorla-gebegehren mit den Angaben zu den Fragen 1 bis 5 der Klei-nen Anfrage vom 19. August 2014 aufgeführt sind. ImVorspann ihrer Antwort erläutert die Antragsgegnerin, dassund warum die Zahl der übersandten und zurückgehaltenenSeiten teils nicht vollständig rekonstruierbar gewesen sei. DieFragen 6 bis 8 beantwortet sie jeweils in zwei bis vier Absät-zen. Zu Frage 6 weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass dieBegründungen für die Auskunftsverweigerung dem Landtagselbst vorlägen, gibt hierfür Daten an und resümiert, die Grün-de der Vorlageverweigerungen seien von Fall zu Fall unter-schiedlich und daher keiner Generalisierung zugänglich.Tendenziell seien die Begründungen in der aktuellen Legisla-turperiode ausführlicher geworden.

Bereits am 20. Februar 2015, also drei Tage vor Eingang derAntwort beim Landtag, hat die Antragstellerin das Organ-streitverfahren eingeleitet. Zur Begründung trägt sie vor, dieAntragsgegnerin verletze ihr Recht aus Art. 24 Abs. 1 NV aufunverzügliche Beantwortung ihrer Anfrage. „Unverzüglich“bedeute „ohne schuldhaftes Zögern“ und erfordere eine Ab-wägung zwischen den Arbeitskapazitäten der Regierung unddem Informationsrecht der Abgeordneten. Letzteres habe ei-nen hohen Stellenwert. Selbst verfassungsrechtliche Verpflich-tungen der Regierung seien dem Informationsrecht der Ab-geordneten nicht stets gleichrangig. Vielmehr bedürfe es in je-dem Einzelfall einer Bewertung und Abwägung der konkur-rierenden Pflichten mit dem Informationsinteresse. Die An-tragsgegnerin habe das Unverzüglichkeitsgebot für sich selbstin § 33 Abs. 2 ihrer Geschäftsordnung dahingehend konkreti-siert, dass Kleine Anfragen zur schriftlichen Beantwortung re-gelmäßig binnen Monatsfrist zu bearbeiten seien. Hierfürmüssten ggf. Mitarbeiter verschiedener Stellen zusammenge-zogen werden. Unbeachtlich sei die Überlastung einzelner Re-ferate oder Mitarbeiter; maßgeblich sei die Organisationsver-pflichtung der Regierung insgesamt. Sei eine Verzögerung ab-sehbar, müsse die Antragsgegnerin stets auch die Möglichkeiteiner Vorbehaltsantwort oder einer vorgezogenen Teilantwortprüfen. Eine Bearbeitungszeit von mehr als einem Monat be-dürfe sowohl einer besonderen Rechtfertigung als auch derausführlichen Begründung.

Hier liege ein Organisationsverschulden schon darin, dassnur einer von zwölf Mitarbeitern des Referats 201 der Staats-kanzlei mit der Bearbeitung der Kleinen Anfrage betraut wor-den sei. Es fehle eine konkrete Darstellung der jeweils kon-kurrierenden Aufgaben der zuständigen Mitarbeiter und de-ren ordnungsgemäßer Abwägung mit der Antwortpflicht; auchfehle eine Aussage zu angeordneten bzw. eventuell anzuord-

nenden Überstunden. Vieles spreche dafür, dass die Antrags-gegnerin die Antwort hinausgezögert habe, weil ihr derenErgebnis unangenehm gewesen sei. Die von der Antragsgegne-rin erstellte Bearbeitungsübersicht belege auch im Detail un-nötige Verzögerungen. Die teilweise mehrfachen Mahnungender Ministerien und der nachgeordneten Behörden begründe-ten schon für sich genommen die Vermutung eines der An-tragsgegnerin zurechenbaren Organisationsverschuldens. Fürmehrere Zeiträume ohne irgendeine Bearbeitungsaktivität fehlees gänzlich an Begründungen. Der lange Bearbeitungsstill-stand zwischen dem 27. November 2014 und dem 26. Januar2015 sei auch durch die Ergänzung von Aktenvorlagen nachMaßgabe des Urteils im Verfahren StGH 7/13 nicht gerechtfer-tigt.

Die Antragstellerin beantragt,festzustellen, dass die Antragsgegnerin sie in ihrem Rechtaus Art. 24 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung da-durch verletzt hat, dass sie ihre Kleine Anfrage vom19. August 2014 (Az.: II/725-923) nicht unverzüglich be-antwortet hat.

Die Antragsgegnerin beantragt,den Antrag abzulehnen.

Sie macht geltend, die Pflicht der Regierung zur unverzügli-chen Beantwortung parlamentarischer Anfragen genieße kei-nen Vorrang, sondern sei anderen Regierungspflichten gleich-geordnet. Daher seien schon bei der der Verschuldensfragevorgelagerten Prüfung, ob die Regierung objektiv eine Anfrageschneller habe beantworten können, auch konkurrierendeAufgaben in den Blick zu nehmen.

Schon auf der ersten Ebene der Prüfung zeige sich dabei,dass die Antwort bedingt durch die Bemühung um gleichzeiti-ge Erfüllung konkurrierender, aber grundsätzlich gleichwerti-ger Regierungsaufgaben nicht zögerlich erfolgt sei. Parlamen-tarische Anfragen würden von derjenigen Stelle bearbeitet,die für ihren Gegenstand nach dem Geschäftsverteilungsplansachlich zuständig sei. Diese Organisation sei zweckmäßig,um eine fachlich fundierte Antwort zu gewährleisten. DiePrüftätigkeit sei teilweise sehr aufwendig gewesen, da die da-mit befassten Bearbeiter alle betroffenen Akten erneut unterteils widrigen Bedingungen hätten heraussuchen und dieBlätter bzw. Seiten manuell durchzählen müssen. Im Zeit-raum vom 27. November 2014 bis zum 26. Januar 2015 sei dieBearbeitung der Anfrage deshalb nicht vorangetrieben wor-den, weil die damit befassten Bearbeiter im Interesse der par-lamentarischen Information vorrangig sämtliche aktuellenAktenvorlagen, insbesondere in Sachen P. und E., anhand derVorgaben des Staatsgerichtshofs im Verfahren StGH 7/13überprüft hätten. Teilweise sei es dabei um Zehntausende vonSeiten gegangen. Anderweitige, ebenfalls wichtige Tätigkeitenseien hinzugekommen, Urlaubsabwesenheiten einzelner Mit-arbeiter hätten überbrückt werden müssen. Zur Verstärkungdes Referats 201 geeignete, brachliegende Arbeitskapazitätenin anderen Bereichen habe es nicht gegeben. Das Referat 201sei gleichwohl am 27. Oktober 2014 mit einem zusätzlichenJuristen aus dem Referat 206 der Staatskanzlei verstärkt wor-den; der Abzug weiteren Personals aus anderen Bereichen seinicht vertretbar gewesen.

Selbst wenn man die Antwort für verzögert und damit ei-nen objektiven Pflichtenverstoß für gegeben halte, fehle es je-denfalls an der subjektiven Vorwerfbarkeit im Sinne einerFahrlässigkeit eines bestimmten Regierungsmitglieds. EineZurechnung des Verschuldens einzelner Ministerialmitarbei-ter sehe Art. 24 Abs. 1 NV nicht vor. Die von der Antragstelle-rin angedachte Vorbehalts- oder Teilantwort zerreiße den vomAnfragenden bestimmten inneren Zusammenhang seiner Fra-gen und widerspreche der Pflicht zur vollständigen Antwort.Die Monatsfrist des § 33 Abs. 2 GGO habe keinen Verfas-sungsrang und scheide damit als Maßstab einer Kontrolledurch den Staatsgerichtshof aus. Auch sei sie nicht einmal einrechtstatsächliches Indiz, weil Anfragen binnen eines Monatsregelmäßig nicht beantwortet werden könnten. Eine verfas-sungsrechtliche Pflicht zur Begründung von Verzögerungengebe es nach dem Wortlaut des Art. 24 Abs. 1 NV nicht; sie seiauch nicht sinnvoll.

II.Nach Übergriffen von Mitarbeitern privater Wachdienste

auf Bewohner von Flüchtlingsunterkünften in Nordrhein-Westfalen stellten die der ...-Fraktion angehörenden Abgeord-neten ... und ... am 6. Oktober 2014 eine Kleine Anfrage zumThema „Was tut die Landesregierung, um Flüchtlinge in Nie-dersächsischen Sammelunterkünften zu schützen?“ (LT-Drs.

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17/2141). Die Anfrage umfasste 25 Einzelfragen, darunter dieFragen 15 bis 17, in denen es um die Namen der Wachdienst-firmen in privat betriebenen niedersächsischen Sammelunter-künften ging, und die Fragen 20 und 21, die einen konkretenVorfall in einer Sammelunterkunft in Wolfsburg betrafen.

Die Anfrage ging am 16. Oktober 2014 per E-Mail beim zu-ständigen Ministerium für Inneres und Sport ein. Vom 17. biszum 24. Oktober 2014 klärte dieses die interne Zuständig-keitsverteilung und betraute dann die Sachbearbeiterin ... mitder Federführung. Diese hatte im Rahmen der ihr ebenfallsobliegenden Sachbearbeitung der Kleinen Anfrage der LT-Drs.17/2140, die Gegenstand des Verfahrens StGH 3/15 ist, am23. Oktober 2014 mit Fristsetzung zum 24. November 2014die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbändeum Auskünfte zu den dortigen Fragen gebeten.

Mit Schreiben vom 27. Oktober 2014 teilte das Ministeriumfür Inneres und Sport dem Präsidenten des Landtages mit,eine Beantwortung der Anfrage binnen Monatsfrist sei un-möglich, und bat um Fristverlängerung bis zum 15. Januar2015. Am 28. Oktober 2014 forderte die Sachbearbeiterin ...Antwortbeiträge vom Referatsteil 62.2 sowie zu den Fragen 20und 21 von der Abteilung 2 (Polizei) an. Die Stellungnahmeder Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbändezur Kleinen Anfrage LT-Drs. 17/2140 ging am 2. Dezember2014, die der Abteilung 2 am 4. Dezember 2014 und die desReferatsteils 62.2 am 17. Dezember 2014 bei der Sachbearbei-terin ein. Da dieser die Antwort der Arbeitsgemeinschaft derkommunalen Spitzenverbände für den Gegenstand der Anfra-ge LT-Drs. 17/2141 nicht ausreichte, bat sie am 19. Dezember2014 die Kommunen zu den Fragen 15 bis 17 der Anfrage LT-Drs. 17/2141 und zu anderen Anfragen direkt um Stellung-nahmen. Hierfür setzte sie eine Frist bis zum 12. Januar 2015.39 der 51 angeschriebenen Kommunen antworteten. Die letzteangekündigte Rückmeldung traf am 15. Januar 2015 ein. AmFolgetag bat das Ministerium für Inneres und Sport den Präsi-denten des Landtages um eine weitere Fristverlängerung biszum 27. Februar 2015. Am 23. Februar 2015 legte die Sachbe-arbeiterin einen ersten vollständigen Antwortentwurf vor.

Am 27. Februar 2015 beantwortete das Ministerium für In-neres und Sport nach interner Abstimmung die Anfrage. DasAntwortschreiben (LT-Drs. 17/3068) umfasst insgesamt fünf-einhalb Seiten; die Fragen werden darin jeweils in ein bis vierAbsätzen beantwortet.

Bereits am 20. Februar 2015 haben die Antragsteller dasvorliegende Organstreitverfahren eingeleitet. In rechtlicherHinsicht entspricht ihre Begründung den Ausführungen derAntragstellerin im Verfahren StGH 1/15. In tatsächlicher Hin-sicht rügen die Antragsteller auch hier ein Organisationsver-schulden der Regierung. Es sei schon nicht zulässig gewesen,die Beantwortung der aktuellen Anfrage allein der Sachbe-arbeiterin ... und damit einer einzigen Mitarbeiterin in einem14 Bedienstete umfassenden Referat aufzuerlegen, zumal die-se nach Bekunden der Antragsgegnerin chronisch überlastetgewesen sei. Die Zuweisung weiterer Aufgaben im Verlaufeder folgenden Wochen habe die Situation „sehenden Auges“verschärft; entlastende Maßnahmen seien ausgeblieben. DasMinisterium für Inneres und Sport habe sein Personal zwarseit März 2013 massiv verstärkt, dieses jedoch im Rahmenvon Prestigeprojekten und nicht zur Erfüllung der primärenverfassungsrechtlichen Pflichten eingesetzt. Anzulasten seiender Antragsgegnerin zudem Priorisierungs- und Abwägungs-fehler. Während das Referat 62 auch bei weniger bedeutsa-men Aufträgen offenbar alle ihm gesetzten, knappen Fristenhabe einhalten können, habe es die Anfrage der Antragstellerimmer wieder hintangestellt. Schuldhaft zögerlich sei auchdie Bearbeitung der Anfrage selbst gewesen, vornehmlich diezeitintensive, aber nicht zielführende Beteiligung der Arbeits-gemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände, der Abstandvon 17 Tagen zwischen dem Eingang der Stellungnahme derArbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände undder Nachfrage bei den Kommunen selbst, die Notwendigkeitwiederholter Erinnerungen anderer Referate des Ministeriumsfür Inneres und Sport und zuletzt die auch durch Krankheiteiner Sachbearbeiterin nicht erklärte Dauer der Auswertungder Rückmeldungen aus den Kommunen.

Die Antragsteller beantragen,festzustellen, dass die Antragsgegnerin sie in ihrem Rechtaus Art. 24 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung da-durch verletzt hat, dass sie ihre Kleine Anfrage vom 6. Ok-tober 2014 (LT-Drs. 17/2141) nicht unverzüglich beant-wortet hat.

Die Antragsgegnerin beantragt,den Antrag abzulehnen.

Sie beruft sich im Wesentlichen auf ihre Ausführungen imVerfahren StGH 1/15. Darüber hinaus macht sie geltend, dasfür die Flüchtlingsaufnahme und Flüchtlingsversorgung ver-antwortliche Referat 62 des Ministeriums für Inneres undSport sei durch den bereits im Jahr 2014 drastischen, Anfang2015 nochmals massiv beschleunigten Anstieg der Asylbe-werberzahlen und die damit verbundenen Zusatzaufgaben ex-trem belastet gewesen. In diesem Zusammenhang habe dasReferat dringende Gesetzgebungsvorhaben begleiten müssen.Die qualitativen Anforderungen an die Arbeit des Referats sei-en deutlich gestiegen. Ferner habe das öffentliche und politi-sche Interesse an der Arbeit des Referats zu Mehrarbeit und zueiner Erhöhung des Koordinierungsaufwands geführt. Selbstumfangreiche Personalverstärkungen durch das Ministeriumfür Inneres und Sport hätten dies nicht auffangen können.Konkret habe die zuständige Sachbearbeiterin ... parallel zurBearbeitung der verfahrensgegenständlichen Anfrage eineVielzahl — im Einzelnen aufgezählter — konkurrierenderAufgaben bewältigen müssen. Brachliegende Arbeitskapazitätzur weiteren Verstärkung des Referats habe es nach vorange-gangenen Personalabbaumaßnahmen nicht gegeben. Nur diezuständige Sachbearbeiterin habe die verfahrensgegenständli-che Anfrage kompetent beantworten können. Zunächst habediese die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenver-bände beteiligt, da von letzterer aufgrund der von Kommunezu Kommune unterschiedlichen Zuständigkeit für Fragen derFlüchtlingsunterbringung schneller zuverlässige Antwortenzu erwarten gewesen seien als von den Kommunen selbst. DasMinisterium für Inneres und Sport habe die Anfrage der LT-Drs. 17/2141 mündlich anlässlich einer Konferenz am 21. Ok-tober 2014 in das Auskunftsersuchen zur Anfrage der LT-Drs.17/2140 einbezogen und den Spitzenverbänden übergeben.Erst nachdem diese überraschend am 2. Dezember 2014 er-klärt hätten, keine Auskunft geben zu können, sei eine Beteili-gung der Kommunen erforderlich geworden. Diese habe dieSachbearbeiterin ... wegen anderweitiger Aufgaben bis zum19. Dezember 2014 zurückgestellt.

III.Ebenfalls am 6. Oktober 2014 und damit zeitgleich mit der

Fragestellung, die dem Verfahren StGH 2/15 zugrunde liegt,richteten die der ...-Fraktion angehörenden Abgeordneten ...,... und ... an die Antragsgegnerin eine weitere das Asylrechtbetreffende Kleine Anfrage mit der Überschrift „Krisen in derWelt — Die Flüchtlingszahlen steigen — Wie ist die Lage inNiedersachsen?“ (LT-Drs. 17/2140). Die Anfrage umfasste ins-gesamt 35 Einzelfragen, darunter die Fragen 6 bis 10 zur Zahlder Unterbringungsplätze der Kommunen, die Fragen 17 bis21, 28 und 29 zur Abschiebepraxis und die Fragen 32 und 33zu syrischen Flüchtlingen.

Auch diese Anfrage ging am 16. Oktober 2014 per E-Mailbeim Ministerium für Inneres und Sport ein. Am 17. Oktober2014 forderte die auch hier mit der Bearbeitung betrauteSachbearbeiterin ... Antwortbeiträge zu diversen Fragen beimReferat 61, beim Referatsteil 62.2 und bei der Geschäftsstelleder Härtefallkommission an. Mit Schreiben vom 23. Oktober2014 ersuchte die Sachbearbeiterin die Arbeitsgemeinschaftder kommunalen Spitzenverbände um Auskünfte zu den Fra-gen 6 bis 10 und setzte hierfür eine Frist zum 24. November2014. Am 24. Oktober 2014 beteiligte der um Beiträge zu denFragen 30 und 31 gebetene Sachbearbeiter ... seinerseits dieLandesaufnahmebehörde Niedersachsen. Anfang Novembergingen erste Beiträge des Referats 61, der Härtefallkommissionund der Landesaufnahmebehörde ein. Am 2. Dezember 2014folgte die Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände.Am 15. Dezember 2014 lieferte das Referat 61 teilweise Ant-worten, teilte jedoch mit, dass zu den Fragen 17 bis 21 nochumfangreiche Zusammenführungen der Antwortbeiträge derkommunalen Ausländerbehörden erforderlich seien. Diesereichte das Referat 61 unter Vorbehalt am 12. Januar 2015nach. Antwortbeiträge zu den Fragen 32 und 33 brachte esauch zu diesem Zeitpunkt nicht bei. Am 23. Oktober 2014und 16. Dezember 2014 sowie schließlich am 23. Januar 2015bat das Ministerium für Inneres und Sport den Präsidentendes Landtages um Verlängerung der Antwortfrist. Am 23. Fe-bruar 2015 legte die Sachbearbeiterin ... dem Ministerbüro ei-nen Antwortentwurf vor. Am 27. Februar 2015 beantwortetedas Ministerium für Inneres und Sport die Anfrage. Das Ant-wortschreiben umfasst insgesamt siebeneinhalb Seiten sowieeine Tabelle zur Verteilung der Flüchtlinge auf die Kommu-nen.

Bereits am 20. Februar 2015 haben die Antragsteller das Or-ganstreitverfahren eingeleitet. Der Vortrag der Beteiligten ent-spricht im Wesentlichen demjenigen im Verfahren StGH 2/15.

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Die Antragsteller beantragen,festzustellen, dass die Antragsgegnerin sie in ihrem Rechtaus Art. 24 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung da-durch verletzt hat, dass sie ihre Kleine Anfrage vom 6. Ok-tober 2014 (LT-Drs. 17/2140) nicht unverzüglich beant-wortet hat.

Die Antragsgegnerin beantragt,den Antrag abzulehnen.

Der Niedersächsische Landtag hat davon abgesehen, eineStellungnahme gegenüber dem Staatsgerichtshof abzugeben.

Der Staatsgerichtshof hat die Bearbeitungsvorgänge der Staats-kanzlei und des Ministeriums für Inneres und Sport eingese-hen.

B.Die Anträge sind zulässig. Antragsberechtigung und An-

tragsbefugnis der Antragsteller ergeben sich aus Art. 24 Abs.1, 54 Nr. 1 NV in Verbindung mit §§ 8 Nr. 6, 30 StGHG, § 64Abs. 1 BVerfGG.

Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller entfällt nichtdeshalb, weil diese vor Einleitung des Organstreitverfahrensdie Beantwortung ihrer Anfrage nicht (noch einmal) im parla-mentarischen Raum angemahnt haben. Eine dahingehendeallgemeine verfassungsrechtliche Obliegenheit besteht nicht(BVerfG, Urt. v. 12. 7. 1994 — 2 BvE 3/92 u. a. —, BVerfGE 90,286 [339 f.]; Urt. v. 22. 11. 2001 — 2 BvE 6/99 —, BVerfGE104, 151 [198]). Besonderheiten, die ausnahmsweise eine an-dere Betrachtung erfordern könnten, liegen nicht vor.

Das Rechtsschutzbedürfnis ist auch nicht durch die zwi-schenzeitliche Beantwortung der Anfragen entfallen. Das Or-ganstreitverfahren ist nicht allein auf die Durchsetzungbestimmter Auskunftsrechte der Antragsteller, sondern im In-teresse künftigen Rechtsfriedens auch auf die objektive Klä-rung der Frage gerichtet, ob die Dauer bis zur Antworter-teilung dem Anspruch der Antragsteller auf die unverzüglicheBeantwortung ihrer Anfragen gerecht geworden ist (vgl. Nds.StGH, Urt. v. 22. 10. 2012 — StGH1/12 —, juris Rn. 50 m. w. N.).Diese Frage ist zwischen den Beteiligten nach wie vor streitigund daher klärungsbedürftig.

C.Die Anträge sind begründet.

I.Nach Art. 24 Abs. 1 NV hat die Landesregierung Anfragen

von Mitgliedern des Landtages im Landtag und in seinen Aus-schüssen „nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig“zu beantworten.

Obwohl eine unverzügliche Antwort auf parlamentarischeAnfragen durchgängig geschuldet ist, haben sich Rechtspre-chung und Literatur im verfassungsrechtlichen Zusammen-hang bislang nur am Rande oder ausnahmsweise (BbgVerfG,Urt. v. 20. 11. 1997 — 16/97 —, juris Rn. 15) mit der Definiti-on und Auslegung des Begriffs unverzüglich auseinanderge-setzt.

Die dabei in Bezug genommene Legaldefinition in § 121BGB als eines Handelns „ohne schuldhaftes Zögern“ kann imverfassungsrechtlichen Zusammenhang nur bedingt nutzbargemacht werden. „Schuldhaftes Zögern“ ist namentlich nichterst dann gegeben, wenn einzelne Minister oder Mitarbeiterder Ministerialverwaltung subjektiv vorwerfbar handeln oderunterlassen. Art. 24 Abs. 1 NV nimmt anders als das Zivilrechtkeine Zurechnung von Handlungsfolgen zu bestimmten Per-sonen vor, sondern definiert objektiv die Rechte und Pflichtenvon Staatsorganen im Verhältnis zueinander im Interesse ei-ner ausgewogenen Gewaltenteilung. Unverzüglich ist vor die-sem Hintergrund ein Antwortverhalten der als Einheit zusehenden Regierung, das dem Zweck des parlamentarischenFragerechts (1.) unter Berücksichtigung konkurrierender Auf-gaben der Regierung (2.) und ihrer personell-organisatorischenMöglichkeiten (3.) gerecht wird. Der Regierung kommen dabei— ausgehend von einer Monatsfrist als „Regelbeantwortungs-frist“ — Einschätzungsspielräume zu, deren Nutzung zulasteneiner umgehenden Beantwortung mit zunehmendem Zeitab-lauf erhöhten Plausibilitätsanforderungen und damit im Ver-fahren vor dem Staatsgerichtshof auch gesteigerten Darle-gungspflichten genügen muss (4.).1. Nach Art. 7 NV ist Aufgabe des Landtages neben der Ge-setzgebung, der Beschlussfassung über den Landeshaushalt,der Wahl des Ministerpräsidenten und der Mitwirkung beider Regierungsbildung vor allem die Überwachung der voll-

ziehenden Gewalt nach Maßgabe der Verfassung. Angesichtsdes strukturellen Informationsvorsprungs der Regierung ist esder Sinn des Art. 24 Abs. 1 NV, dem Abgeordneten die not-wendigen Informationen zur Wahrnehmung seiner Aufgabenzu verschaffen und dadurch die Entwicklung von Initiativeneinerseits und eine wirksame Kontrolle der Regierungstätig-keit durch das Parlament andererseits zu ermöglichen (vgl.BVerfG, Urt. v. 21. 10. 2014 — 2 BvE 5/11 —, juris Rn. 38 ff.;Beschl. v. 25. 3. 1981 — 2 BvE 1/79 —, BVerfGE 57, 1 [5];Beschl. v. 18. 7. 1961 — 2 BvE 1/61 —, BVerfGE 13, 123 [125];Nds. StGH, Beschl. v. 25. 1. 1997 — StGH 1/97 —, juris Rn. 32).Dem parlamentarischen Fragerecht kommt daher nach derRechtsprechung des Staatsgerichtshofs ein hoher Stellenwertzu (Beschl. v. 17. 1. 2008 — StGH 1/07 —, StGHE 4, 194 [199]).Weil politische Themen oftmals im Zeitfenster großen öffent-lichen Interesses entwickelt werden, gehört der Wettbewerbum die Initiative zur Verfassungswirklichkeit. Bloßer Zeitab-lauf kann die politische Initiative entwerten oder zu ihrer, diepolitische Mitgestaltung der Opposition unterminierenden,Überholung durch eine Regierungsinitiative führen. Zudemkann das Parlament seine Kontrollfunktion nur sinnvoll aus-üben, wenn die Regierung parlamentarische Anfragen zeitnahbeantwortet. Da die Initiativbildung aus dem parlamentarischenRaum, die Funktion einer lebendigen Opposition und dieKontrolle der vollziehenden Gewalt durch das demokratischlegitimierte Parlament zentrale Institute der Demokratie bil-den, sind die Anforderungen, denen die Regierung zur Ge-währleistung einer unverzüglichen Antwort gerecht werdenmuss, hoch anzusetzen.

Zugleich sind die Abgeordneten und ihre Fraktionen gehal-ten, die Effektivität des wichtigen Instruments der KleinenAnfrage durch einen nach Anlass, Anzahl und Umfang ver-antwortungsbewussten Umgang dauerhaft zu sichern.

Die Pflicht der Regierung zu einer unverzüglichen Antwortsteht in einem natürlichen Spannungsverhältnis zur gleicher-maßen von Art. 24 Abs. 1 NV begründeten Pflicht zur voll-ständigen Antwort nach bestem Wissen. Bei gegebenem An-lass ist nach diesen Tatbestandsmerkmalen die Regierung ver-pflichtet, über den Gegenstand der Frage Nachforschungenanzustellen und den Sachverhalt in zumutbarer Weise aufzu-klären. Sie muss sich das Wissen und den Kenntnisstand je-denfalls der Ministerien und der diesen nachgeordnetenBehörden und, sofern die Frage hierzu Anlass bietet, auch derBehörden der mittelbaren Staatsverwaltung verschaffen. Beiunzureichender Aktenlage muss sich die Regierung zusätzlichum die Beschaffung von Informationen aus nichtaktenförmi-gen Quellen bemühen (Nds. StGH, Urt. v. 22. 10. 2012 —StGH 1/12 —, juris Rn. 54 f.). Da Recherchetiefe und Antwort-geschwindigkeit einander beeinflussen und es damit die eine,allein Art. 24 NV gerecht werdende Antwort nicht gibt, hatdie Regierung beide Pflichten unter Berücksichtigung dermutmaßlichen Interessen des Fragestellers gegeneinander ab-zuwägen. Ziel der Pflichtenabwägung ist die sachgerechte Be-stimmung des Ermittlungsaufwands. Hierbei kommt derRegierung eine gerichtlich nur beschränkt überprüfbare Ein-schätzungsprärogative zu (BayVerfGH, Urt. v. 17. 7. 2001 —Vf. 56-Iva-00 —, NVwZ 2002, 715 [716 f.]; NWVerfGH, Urt.v. 4. 10. 1993 — VerfGH 15/92 —, NVwZ 1994, 678 [680]; Bo-gan, in: Epping u. a., Hannoverscher Kommentar zur Nieder-sächsischen Verfassung, 2012, Art. 24 Rn. 12; Hederich,NdsVBl. 2013, 271 [276]). Naheliegende und schnell verfüg-bare Erkenntnismittel muss sich die Regierung sofort erschlie-ßen, umständliche und extrem zeitaufwendige Recherchen musssie mit Blick auf die Erkenntnischancen und den Zeitbedarfhinterfragen.

Im Rahmen der Abwägung zwischen vollständiger und zü-giger Bearbeitung kann es in besonderen Ausnahmefällen ge-boten sein, eine aus verschiedenen Unterfragen bestehendeAnfrage zunächst nur teilweise oder unter dem Vorbehaltweiterer Nachforschungen zu beantworten (vgl. zu letzterem:Nds. StGH, Urt. v. 22. 10. 2012 — StGH 1/12 —, juris Rn. 64).Dies gilt etwa dann, wenn offensichtlich ist, dass der Frage-steller sich über den mit seiner Anfrage verbundenen Beant-wortungsaufwand im Unklaren war und eine Teil- oder Vor-behaltsantwort seinen Interessen besser gerecht wird. Beste-hen insoweit Zweifel, kann eine Rückfrage bei dem Fragestel-ler angezeigt sein (vgl. LVerfG M-V, Urt. v. 23. 1. 2014 —VerfG 8/13 —, juris Rn. 34). Im Regelfall darf die Regierungsich aber darauf verlassen, dass der Fragesteller seine Anfragesorgfältig formuliert und bewusst einheitlich unter Inkaufnah-me des damit verbundenen Rechercheaufwands gestellt hat,und deshalb mit einer Teil- oder Vorbehaltsantwort nicht ein-verstanden ist.

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2. Die Aufgabe, parlamentarische Fragen zu beantworten,konkurriert mit anderen Regierungsaufgaben, sodass die Re-gierung Priorisierungen vorzunehmen hat, sofern sie nichtalle Angelegenheiten gleichermaßen fördern kann. Neben denin der Verfassung ausdrücklich genannten Aufgaben gehörtzu den konkurrierenden Regierungsaufgaben ganz allgemeindie Ausübung der vollziehenden Gewalt (Art. 28 Abs. 1 NV).Hinzu kommen Aufgabenzuweisungen aus dem gegenüberder Niedersächsischen Verfassung höherrangigen Bundes-und Unionsrecht. Diese Aufgaben sind nicht durchgängig aus-drücklich in den einschlägigen Rechtsnormen benannt; derRegierung obliegen so auch ungeschriebene, von der Recht-sprechung anerkannte Aufgaben wie die Aufgabe der Öffent-lichkeitsarbeit als Teil der Staatsleitung (vgl. BVerfG, Beschl.v. 26. 6. 2002 — 1 BvR 670/91 —, BVerfGE 105, 279 [301 f.]m. w. N.).

Da das Setzen und Abwägen politischer Prioritäten ein Kern-element regierenden Gestaltens ist, kommt der Regierungauch bei der Bestimmung der Erledigungsreihenfolge eineEinschätzungsprärogative zu. Bei deren Ausübung hat die Re-gierung allerdings zu berücksichtigen, dass die ihr obliegen-den Pflichten nicht gleichrangig sind. Kriterien bei der verfas-sungskonformen Prioritätensetzung sind die Stellung derpflichtbegründenden Norm in der Normenhierarchie und dasGewicht, das der Normgeber einer beschleunigten Erledigungbeigemessen hat. Besonders hoch ist das Gewicht etwa beistaatskonstituierenden Aufgaben wie der Regierungsbildung,Art. 29 Abs. 2 NV, und bei fristgebundenen oder gleichfallsmit dem Zusatz „unverzüglich“ versehenen Aufgaben. Weite-re Kriterien sind die Bedeutung und Dringlichkeit der Aufgabeim Einzelfall, nicht zuletzt aber auch der Zeitraum, währenddessen die anstehende Aufgabe unerledigt geblieben ist.3. Um die Pflicht zur Antwort in einer der Bedeutung desFragerechts angemessenen und unter Berücksichtigung kon-kurrierender Anforderungen vertretbaren Zeit zu erfüllen,trifft die Regierung neben der Pflicht zum sachgerechten Aus-gleich der genannten Belange die Pflicht zur zweckmäßigenOrganisation des Beantwortungsvorgangs.

Auf einer dem konkreten Antwortvorgang vorgelagertenEbene erfordert die Organisationspflicht bereits bei der allge-meinen Personalbedarfsbemessung, Kapazitäten für die Be-antwortung parlamentarischer Anfragen in dem erfahrungs-gemäß zu erwartenden Umfang einzuplanen. Nicht erforder-lich ist es, mit Blick auf die bloße Möglichkeit kurzfristiger Be-lastungsspitzen permanent personelle Überkapazitäten vorzu-halten (a. A. offenbar Lennartz/Kiefer, DÖV 2006, 185 [192]);vielmehr ist in solchen Fällen zu prüfen, ob der mit der Beant-wortung betraute Bearbeiter von anderen Aufgaben zu entlas-ten ist.

Die Organisationspflicht determiniert alsdann den eigentli-chen Beantwortungsvorgang. Die Bearbeitung muss Sachbear-beitern zugewiesen werden, die aufgrund ihrer Vorkenntnissein der Lage sind, die ihnen übertragene Aufgabe ohne langeEinarbeitungszeit zu erledigen. Sofern die Antwort Informa-tionen Dritter erfordert, gehört es zu der der Regierung zuzu-rechnenden Organisationspflicht des federführenden Ressorts,diese Informationen zügig bei derjenigen Stelle abzufragen,bei der sie voraussichtlich vorhanden sind, die Fragen so zuformulieren, dass die Antwort ohne weitere Rückfragen ver-wertbar ist und — notfalls eindringlich — auf eine Antwort inangemessener Zeit hinzuwirken. Bei der Organisation des Be-antwortungsvorgangs einschließlich der Personalbedarfspla-nung hat die Regierung wiederum eine Einschätzungspräroga-tive.4. Ein fester Zeitrahmen, in dem parlamentarische Anfragenzu beantworten sind, lässt sich angesichts dieser vielfältigen,die Antwortgeschwindigkeit bedingenden Faktoren aus derVerfassung nicht ableiten. Allerdings ergeben sich zeitlich ge-staffelte Anforderungen an die Beschleunigungspflicht der Re-gierung bei der Antworterteilung und an die Darlegungslastder Beteiligten im gerichtlichen Verfahren.a) Ein fester Zeitrahmen ergibt sich nicht aus § 33 Abs. 2Satz 1 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Landesregie-rung und der Ministerien (GGO), wonach das fachlich zustän-dige Ministerium Kleine Anfragen innerhalb eines Monatsbeantwortet. Als interner Organisationsakt vermag die GGOVerfassungsrecht nicht verbindlich zu konkretisieren. Aller-dings ist diese Regelung Ausdruck einer Selbsteinschätzungder Regierung, „Standardanfragen“ — d. h. Anfragen mit einermäßigen Anzahl von Unterfragen, die keine aufwendigen Re-cherchen zumal bei nachgeordneten Behörden erfordern —bei normaler Belastungssituation des zuständigen Ministeri-ums innerhalb der genannten Zeit beantworten zu können.

Vor dem Hintergrund, dass in den meisten Bundesländern Re-gelantwortfristen zwischen drei und fünf Wochen etabliertsind (Bayern: § 72 Abs. 1 Satz 2 GO LT; Brandenburg: § 58Abs. 3 Satz 2 GO LT; Nordrhein-Westfalen: § 92 Abs. 3 GO LT;Sachsen: § 56 Abs. 6 Satz 1 GO LT; Sachsen-Anhalt: § 44Abs. 2 Satz 1 GO LT; Baden-Württemberg: § 61 Abs. 5 GO LT;Berlin: Art. 45 Abs. 1 Satz 4 VvB; Rheinland-Pfalz: § 97 Abs. 4Satz 1 GO LT; Bremen: § 29 Abs. 2 Satz 1 GO der Bürger-schaft) und dass die Regierung die selbst gesetzte Antwortfristnach eigenen Angaben in der Mehrzahl der Fälle einhält (LT-Drs.17/3047), ist diese Selbsteinschätzung auch realistisch. Dem-entsprechend darf ein Fragesteller bei einer „Standardanfrage“auf die Einhaltung der Monatsfrist vertrauen. Angesichts des-sen muss die Regierung ihre Personalplanung und die inter-nen Abläufe bei der Beantwortung einer Kleinen Anfrage soeinrichten, dass die Frist des § 33 Abs. 2 Satz 1 GGO in der be-schriebenen Standardsituation eingehalten werden kann.

Wird eine Anfrage innerhalb der bislang nicht beanstande-ten Monatsfrist beantwortet, so besteht eine Vermutung fürdie Unverzüglichkeit der Antwort. Nur dann, wenn ein Abge-ordneter mit der Fragestellung eine deutliche Erwartung hin-sichtlich einer kürzeren Antwortfrist äußert, diese Erwartungberechtigt und der Regierung die Beantwortung innerhalb dererwarteten kürzeren Frist möglich und zumutbar ist, kannausnahmsweise auch die Beantwortung innerhalb der Mo-natsfrist nicht unverzüglich sein. Der fragestellende Abgeord-nete trägt in diesem Fall die Darlegungslast; der Staatsge-richtshof beschränkt sich auf eine Missbrauchskontrolle.b) Der Umfang und auch die fehlende Klarheit einer Anfra-ge, der mit ihr verbundene Beantwortungsaufwand sowie ggf.besondere Belastungssituationen des mit der Beantwortungbetrauten Ministeriums können einer Beantwortung inner-halb der Monatsfrist entgegenstehen. In diesen Fällen unter-liegt das Handeln der Regierung unter Berücksichtigung derihr eingeräumten Einschätzungsspielräume einer Plausibili-tätskontrolle durch den Staatsgerichtshof. Die Regierung hatim Organstreitverfahren nachvollziehbar darzulegen, auf-grund welcher Umstände sie auch bei Erfüllung der bestehen-den Abwägungs- und Organisationspflichten an einer frühe-ren Antwort gehindert wurde. Dies erfordert für den Fall einerBerufung auf vorrangig zu erledigende Aufgaben indes keinen„stundenzettelartigen“ Nachweis der Beschäftigung jedes ein-zelnen für den Beantwortungsvorgang einsetzbaren Mitarbei-ters. Hinreichend, aber auch erforderlich ist vielmehr, dassAufgaben benannt werden, für deren vorrangige Behandlunggute Gründe sprechen, und bei denen einleuchtet, dass sie dieKapazität der für die Antworterteilung realistischer Weise inBetracht kommenden Mitarbeiter in einem die schnellere Be-antwortung ausschließenden Umfang gebunden haben. DieAnforderungen an die Plausibilität der darzulegenden Hinde-rungsgründe steigen dabei mit zunehmender Entfernung vonder Monatsfrist kontinuierlich an.

Beruft sich die Regierung auf den Zeitbedarf erforderlicherZuarbeiten der einbezogenen Referate anderer als des feder-führenden Ministeriums, so unterliegt deren Verhalten den-selben Plausibilisierungserfordernissen. Die Pflicht zur unver-züglichen Antwort trifft nicht bestimmte Minister oder Mini-sterialbeamte, sondern die Regierung insgesamt. In deren Ver-antwortungssphäre fällt das Verhalten der gesamten Minis-terialverwaltung.

Bei Einbeziehung von Behörden, über die die Ministerial-verwaltung lediglich Aufsichtsbefugnisse ausübt, genügt dieRegierung ihrer Plausibilisierungspflicht bereits dann, wennsie eine hinreichende Wahrnehmung dieser Aufsichtsbefug-nisse darlegt.

II.Diesen Anforderungen wird das Antwortverhalten der An-

tragsgegnerin in keinem der drei Verfahren gerecht.

1. StGH 1/15Bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage zum Thema „Ist

der Kernbereich der exekutiven Willensbildung der rot-grü-nen Landesregierung größer als der ihrer Vorgänger?“ (Az.: II/725-923) hat die Antragsgegnerin ihre Pflichten zur zweckmä-ßigen Organisation des Beantwortungsvorgangs und zur ver-fassungskonformen Prioritätensetzung verletzt.

Die Auswertung der betroffenen 76 Aktenvorgänge aus dreiLegislaturperioden verursachte aus den von der Antragsgeg-nerin vorgetragenen Gründen zwar einen ganz erheblichenAufwand, weshalb nicht von einer „Standardanfrage“ auszu-gehen ist. Dieser Aufwand rechtfertigte aber nicht die Gesamt-dauer der Beantwortung von sechs Monaten. Offen bleiben

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kann, ob plausible Gründe für die Dauer der Zuarbeit aus denvon der Staatskanzlei beteiligten Ministerien bis zum 24. No-vember 2014 dargelegt sind. Dagegen spricht die Vielzahl teilsunbeantworteter Mahnungen des zuständigen Sachbearbei-ters, ferner der Umstand, dass die Bitte um Zuarbeit im Minis-terium D. aufgrund eines Büroversehens zunächst unbearbei-tet blieb.

Selbst wenn man davon ausginge, dass die Antwortbeiträgeerst am 24. November 2014 vollständig vorliegen konnten,wäre die nachfolgende Verzögerung der Beantwortung inmehrfacher Hinsicht nicht plausibel als verfassungsrechtlichlegitimiert erklärt.

Dies gilt zunächst für die Entscheidung, die ausstehendeFormulierung der Antwort in dem Zeitraum vom 24. Novem-ber 2014 bis zum 26. Januar 2015 gänzlich hinter die Bearbei-tung aktueller Aktenvorlagebegehren nach Maßgabe des Ur-teils des Staatsgerichtshofs vom 24. Oktober 2014 — StGH 7/13— zurückzustellen.

Es ist schon nicht nachvollziehbar, dass ein Abschluss derBearbeitung der streitgegenständlichen Kleinen Anfrage nichtparallel zu diesen Aufgaben möglich gewesen wäre. Die zeit-aufwendige Routinearbeit der Aktensichtung und Vorlageer-gänzung oblag, vom P.-Verfahren einmal abgesehen, demjeweiligen Fachreferat der beteiligten Ministerien. Die Arbeit,die das Referat 201 der Staatskanzlei, und dort keineswegs al-lein oder auch nur vorrangig der Sachbearbeiter der KleinenAnfrage, zu erledigen hatte, war im Wesentlichen koordinie-render Natur. Die Koordinierungstätigkeit kennt „Stoßzeiten“,aber auch Phasen, in denen die überwiegend redaktionelle Be-arbeitung der streitgegenständlichen Antwort hätte erfolgenkönnen, zumal der noch zu leistende Arbeitsaufwand für denAbschluss der Antwort der Regierung gering war. Die für dieAntwort zentrale Tabelle der 76 Aktenvorlagebegehren mitBlattangaben war am 24. November 2014 fertiggestellt, wes-halb der eigentliche Antwortentwurf, wie der spätere Verfah-rensablauf zeigt, allenfalls wenige Tage in Anspruch genom-men hätte. Auch die im Anschluss noch durchzuführendeninternen Abstimmungen hätten Arbeitskraft nicht durchge-hend, sondern nur punktuell gebunden.

Zudem hätte die Erstellung des Entwurfs nicht zwingendauf Sachbearbeiterebene erfolgen müssen. Für das einschlägi-ge Aufgabengebiet „Staats- und verfassungsrechtliche Angele-genheiten des Landes ... sowie ihrer Verfassungsorgane“waren drei Referenten zuständig und fachlich kompetent.Dass keiner der Sachbearbeiter oder der Referenten in zweiMonaten die Zeit gehabt hätte, angesichts der vollständig vor-liegenden Ausgangsdaten und ihrer übersichtlichen Zusam-menfassung in der zentralen Tabelle einen zweiseitigen Ant-wortentwurf zu fertigen, ist nicht plausibel erklärbar.

Auch für die weitere Verzögerung der Antworterteilung biszum 23. Februar 2015 sind einleuchtende Gründe nicht er-sichtlich. Am Ende der Bearbeitungspause, dem 26. Januar2015, war die Anfrage bereits seit rund fünf Monaten unbe-antwortet geblieben, so dass eine beschleunigte Beantwortunghöchste Priorität hätte genießen müssen. Stattdessen verstrichbis zu ihrer Beantwortung fast ein weiterer Monat — der Zeit-raum also, in dem bei pflichtgemäßer Behördenorganisationeine Standardanfrage vom Eingang bis zur Schlusszeichnunghätte bearbeitet werden müssen. Weder der aus den Akten er-kennbare Umfang der noch ausstehenden Arbeiten an demEntwurf, noch die vorgetragene Belastung des zuständigenSachbearbeiters und der zur Antwort befähigten Referentenlassen Hinderungsgründe erkennen, die einer Abstimmungund Ausfertigung binnen weniger Tage entgegengestandenhätten. Nicht plausibel erklärt ist namentlich, dass der Leiterder Staatskanzlei den Entwurf bereits am 17. Februar 2015 ab-gezeichnet hat, die elektronische Weiterleitung an den Land-tag jedoch erst am 23. Februar 2015 erfolgte.

2. StGH 2/15Auch bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage zum The-

ma „Was tut die Landesregierung, um Flüchtlinge in Nieder-sächsischen Sammelunterkünften zu schützen?“ (LT-Drs. 17/2141) hat die Antragsgegnerin ihre Pflicht zur zweckmäßigenOrganisation des Beantwortungsvorgangs und zur verfassungs-konformen Prioritätensetzung verletzt.

Der Staatsgerichtshof lässt offen, ob ein (erster) Verstoß schondarin liegt, dass das Ministerium für Inneres und Sport dernach eigener Darstellung der Antragsgegnerin erheblich über-lasteten Sachbearbeiterin ... nicht nur die Beantwortung derin ihre fachliche Zuständigkeit fallenden Einzelfragen, son-dern auch die Federführung bei der Beantwortung der gesam-ten Anfrage übertragen hat.

Jedenfalls entsprachen weder der Zeitpunkt noch die Artund Weise der Beteiligung des kommunalen Bereichs den An-forderungen an eine zweckmäßige Organisation des Beant-wortungsvorgangs.

Nach dem schriftsätzlichen Vortrag der Antragsgegnerin be-teiligte das Ministerium für Inneres und Sport die Arbeitsge-meinschaft der kommunalen Spitzenverbände zunächst —am 23. Oktober 2014 — nur zur Kleinen Anfrage der LT-Drs.17/2140, und zwar mit der Erwägung, dass „diese bereits ein-geleitete Unterstützungsanfrage zur Beantwortung der Klei-nen Anfrage 2141 ebenfalls herangezogen werden könnte“.Für diese Erwartung bestand indes kein Anlass. Die Unterfra-gen 6 bis 10 der Anfrage der LT-Drs. 17/2140 betrafen, ohneDifferenzierung nach dem Betreiber, allein die Anzahl der be-stehenden und geplanten Unterbringungsplätze für Flücht-linge. Allein diese Information hatte die Antragsgegnerinschriftlich von der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spit-zenverbände abgefragt. Die Unterfragen 15 und 17 der Anfrageder LT-Drs. 17/2141 hatten hingegen den Wachdienst in denprivaten Unterkünften, die Unterfrage 16 die Anzahl der pri-vat betriebenen Sammelunterkünfte (nicht: Unterbringungs-plätze) zum Gegenstand. Die Antragsgegnerin hat in dermündlichen Verhandlung zwar erklärt, es habe entgegen demschriftlichen Vortrag am 21. Oktober 2014 ein in den Aktennicht dokumentiertes Gespräch mit der Arbeitsgemeinschaftder kommunalen Spitzenverbände gegeben, anlässlich dessendie Bitte um Zuarbeit von der Anfrage der LT-Drs. 17/2140 aufdie Anfrage der LT-Drs. 17/2141 erweitert und diese in Kopieübergeben worden sei. Das offizielle Anfrageschreiben des Mi-nisteriums für Inneres und Sport vom 23. Oktober 2014 er-wähnt die Anfrage der LT-Drs. 17/2141 jedoch mit keinem Wort.Angesichts dessen konnte die Arbeitsgemeinschaft der kom-munalen Spitzenverbände davon ausgehen, dass das Ministe-rium nun doch nur um Beantwortung der Anfrage der LT-Drs.17/2140 gebeten hatte. Ein solches Verständnis kommt auchim Antwortschreiben der Arbeitsgemeinschaft der kommuna-len Spitzenverbände vom 1. Dezember 2014 zum Ausdruck,das die Anfrage der LT-Drs. 17/2141 nicht einmal erwähnt.

Im Übrigen vergingen selbst nach Eingang der Antwort derArbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände am2. Dezember 2014 nochmals zwei Wochen, bis am 19. Dezem-ber 2014 die Kommunen selbst zur Anfrage der LT-Drs. 17/2141beteiligt wurden. Der Inhalt des Beteiligungsschreibens an dieKommunen ist, auch wenn es Fragen zu den Anfragen der LT-Drs. 17/2258, 17/2237 und 17/2233 einbezieht, so übersicht-lich, dass seine Erarbeitung aufgrund der Erfahrung der Minis-terialverwaltung nur wenige Stunden gedauert haben kann.Insgesamt erfolgte die Beteiligung der Kommunen damit sie-ben Wochen später, als dies objektiv möglich und damit unterdem Gesichtspunkt der Unverzüglichkeit auch geschuldet war.

Schließlich hat die Antragsgegnerin bei der Abfassung undAbstimmung des Antwortschreibens in der Zeit vom 15. Janu-ar bis zum 23. Februar 2015 gegen ihre Pflicht zur verfas-sungskonformen Prioritätensetzung verstoßen. Angesichts derMitte Januar bereits drei Monate währenden Bearbeitung hät-te eine zügige Erstellung der Antwort, für die alle Zuarbeitenvorlagen, hohe Priorität genießen müssen.

Die Priorisierung zumindest eines Teils der in diesem Zeit-raum der zuständigen Sachbearbeiterin mit kurzen Fristen zu-gewiesenen anderweitigen Aufgaben ist nicht plausibel ge-rechtfertigt. Auffällig ist, dass die Antragsgegnerin schon am16. Januar 2015 und damit zu einem Zeitpunkt, in dem nochgar nicht alle als konkurrierend genannten Arbeitsaufträge beider Sachbearbeiterin eingegangen waren, der Landtagsverwal-tung eine Verzögerung der Antwort bis zum 27. Februar 2015,und damit um weitere eineinhalb Monate, angekündigt hat.Ferner fällt auf, dass die Antragsgegnerin unmittelbar nachKenntnis von dem vorliegenden Organstreitverfahren binneneines einzigen Tages in der Lage war, unter Hintanstellungkonkurrierender Aufgaben einen Antwortentwurf zu fertigenund diesen binnen vier Tagen intern abzustimmen.

Im Einzelnen mag für die von der Antragsgegnerin genann-ten Aufgaben zwar abstrakt ein landesverfassungs- oder sogarbundesrechtlicher Vorrang begründbar sein. Konkret ist abernicht ersichtlich, dass nicht beispielsweise die Abgabe einesVotums für die erst am 25./26. März 2015 stattfindende Inte-grationsministerkonferenz um einen Tag hätte verschobenwerden können.

Hätten andererseits tatsächlich über viereinhalb Monatehinweg alle genannten Aufgaben eine der Beantwortung einerKleinen Anfrage vorgehende Priorität genossen, so hätte es derAntragsgegnerin oblegen, das Referat 62 personell weiter zuverstärken.

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3. StGH 3/15Auch bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage zum The-

ma „Krisen in der Welt — Die Flüchtlingszahlen steigen —Wie ist die Lage in Niedersachsen?“ (LT-Drs. 17/2140) hat dieAntragsgegnerin ihre Pflicht zur zweckmäßigen Organisationdes Beantwortungsvorgangs und zur verfassungskonformenPrioritätensetzung verletzt.

Der Staatsgerichtshof verweist insoweit zunächst auf dieAusführungen im Verfahren StGH 2/15 zur Prioritätensetzungund zum Personaleinsatz. Hinzu kommt hier eine erheblicheVerzögerung der Zuarbeit des Referats 61 des Ministeriumsfür Inneres und Sport zu den Fragen 17 bis 21 sowie 32 und33. Antwortbeiträge zu diesen Fragen hatte das Referat 62 be-reits am 17. Oktober 2014 erbeten; der Antwortbeitrag zu denFragen 17 bis 21 ging jedoch erst am 12. Januar 2015, der zuden Fragen 32 und 33 noch später ein. Plausible Gründe hier-für hat die Antragsgegnerin nicht dargelegt. Die von ihr gel-tend gemachte langwierige Beteiligung der Ausländerbehör-den und der Landesaufnahmebehörde bei der Beantwortungder Fragen 17 bis 21 macht zwar eine gewisse Verzögerungdurch die Zuarbeit plausibel, nicht aber eine Antwortdauervon drei Monaten. Immerhin war es möglich, im VerfahrenStGH 2/15 von den Kommunen binnen knapp vier WochenAuskünfte einzuholen, obwohl diese nach dem Vortrag derAntragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung wegen derunterschiedlichen internen Zuständigkeitsregelungen und derÜberlastung der Kommunen bei der Flüchtlingsunterbrin-gung schwer zu erlangen waren. Einen Sachgrund für die ver-spätete Beantwortung der Fragen 32 und 33 hat die Antrags-gegnerin nicht vorgetragen.

Nach alldem ist festzustellen, dass die Beantwortung derhier streitgegenständlichen Kleinen Anfragen bei einer Bear-beitungsdauer von sechs und viereinhalb Monaten nicht „un-verzüglich“ und damit unter Verstoß gegen Art. 24 Abs. 1 NVerfolgte.

D.Die Verfahren sind nach § 21 Abs. 1 NStGHG kostenfrei;

Auslagen der Beteiligten werden gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2NStGHG nicht erstattet.

— Nds. MBl. Nr. 7/2016 S. 230