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www.fliegermagazin.de #1.2011 7 Rakete zum Reisen: 180 Knoten »cruise« – da wird Europa klein. Zur Wartung nach Litauen ist die »Lima Yankee« keine drei Stunden unterwegs 6 www.fliegermagazin.de #1.2011 TEXT Peter Wolter FOTOS Christina Scheunemann E in Jaguar, aha. Und eine Frau, die ihn putzt. Sie wird damit durch den Dreck gebratzt sein, deshalb hat er darauf bestanden, dass sie ihn säu- bert. Doch wo ist der Mann zu dem Auto? Man weiß nie, was Leute machen, die MENSCH & MASCHINE F-1 ROCKET EVOLUTION VON TEAMROCKET INC. Rock me, Baby! Kunstflug, IFR und schnell reisen: Die F-1 Rocket Evolution kann alles, was die populäre Van’s RV-4 kann, auf der sie basiert – bloß besser einen S-Type fahren, aber man weiß eigent- lich immer: Es ist ein Mann. »Das ist mein Auto«, stellt Andrea Kaste- lic klar, »Fränki kommt gleich.« Man weiß gar nichts, wenn man mit konventionellen Vorstellungen im Kopf den Hangar von Andrea Kastelic und Frank Krau- se betritt. Der Raum gehört zu einer langen Flugzeughalle auf dem Flugplatz Itzehoe Hungriger Wolf. Er gehört den beiden, wie alle Hallensegmente hier den jeweiligen Flugzeugbesitzern gehören. Viele haben ihre Stellplätze liebevoll eingerichtet, mit Kühlschrank, Holzboden oder Blumen auf dem Rasen davor. Andrea und Frank haben Bilder an den Wänden: »Bis dahin kannten wir uns noch nicht«, sagt Andrea und weist auf eines der Fotos, die aneinandergereiht Stationen in ihrer und Franks Biografie wie- dergeben. Bis zu diesem Foto sieht man die Münchnerin mit einer Cessna auf Hawaii, einem Jaguar, auch in Uniform. Dazwischen Pläne von etwas – »nein, kein Hangar« –, das sich als Tankstelle entpuppt. Parallel da- runter hängen Fotos von Frank: im Alpha Jet, beim Restaurieren eines Jaguars, in Uni- form. »Und ab hier«, erzählt Andrea, »ist es unser gemeinsames Leben«. Auf den weite- ren Fotos erkennt man sie und ihren Part- ner unter anderem mit einem halbfertigen Flugzeug. Und in Uniform: als Piloten von Hapag-Lloyd. Beide fliegen Boeing 737; sie haben sich im Cockpit kennengelernt. »Aber auch davor hatte unser Leben erstaunliche Parallelen«, sagt die frühere Architektin. Ih- re erste Karriere und seine als Bundeswehr- pilot gehören nicht dazu, wohl aber der Sinn für Stil, für das Besondere und die Fähigkeit, Träume mit Leidenschaſt zu verwirklichen. Einer davon steht vor uns: die nachtblaue F-1 Rocket Evolution mit litauischem Kenn- zeichen. Fränk, der seinen Namen augen- zwinkernd mit »ä« schreibt, wollte nach lan- ge zurückliegenden UL-Erfahrungen wieder privat fliegen und begann deshalb vor drei FOTO: PETER WOLTER

Mensch & Maschine - fliegermagazin.de · #5.2010 11 Fotos: l orem I P sum dolor 10 #1.2011 GPS ein GNS 430, ebenfalls von Garmin ein SL 30 für Funk und NAV sowie ein GTX-330-Transponder,

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www.fliegermagazin.de #1.2011 7

Rakete zum Reisen: 180 Knoten »cruise« – da wird Europa klein. Zur Wartung nach Litauen ist die »Lima Yankee« keine drei Stunden unterwegs

6 www.fliegermagazin.de #1.2011

TexT Peter WolterFoTos Christina Scheunemann

Ein Jaguar, aha. Und eine Frau, die ihn putzt. Sie wird damit durch den Dreck gebratzt sein, deshalb hat er darauf bestanden, dass sie ihn säu-bert. Doch wo ist der Mann zu dem

Auto? Man weiß nie, was Leute machen, die

Mensch & Maschine

F-1 RockEt Evolutionvon tEamRockEt inc.

Rock me, Baby!Kunstflug, IFR und schnell reisen: Die F-1 Rocket Evolution kann alles, was die populäre Van’s RV-4 kann, auf der sie basiert – bloß besser

einen S-Type fahren, aber man weiß eigent-lich immer: Es ist ein Mann.

»Das ist mein Auto«, stellt Andrea Kaste-lic klar, »Fränki kommt gleich.«

Man weiß gar nichts, wenn man mit konventionellen Vorstellungen im Kopf den Hangar von Andrea Kastelic und Frank Krau-se betritt. Der Raum gehört zu einer langen Flugzeughalle auf dem Flugplatz Itzehoe

Hungriger Wolf. Er gehört den beiden, wie alle Hallensegmente hier den jeweiligen Flugzeugbesitzern gehören. Viele haben ihre Stellplätze liebevoll eingerichtet, mit Kühlschrank, Holzboden oder Blumen auf dem Rasen davor. Andrea und Frank haben Bilder an den Wänden: »Bis dahin kannten wir uns noch nicht«, sagt Andrea und weist auf eines der Fotos, die aneinandergereiht

Stationen in ihrer und Franks Biografie wie-dergeben. Bis zu diesem Foto sieht man die Münchnerin mit einer Cessna auf Hawaii, einem Jaguar, auch in Uniform. Dazwischen Pläne von etwas – »nein, kein Hangar« –, das sich als Tankstelle entpuppt. Parallel da-runter hängen Fotos von Frank: im Alpha Jet, beim Restaurieren eines Jaguars, in Uni-form. »Und ab hier«, erzählt Andrea, »ist es

unser gemeinsames Leben«. Auf den weite-ren Fotos erkennt man sie und ihren Part-ner unter anderem mit einem halbfertigen Flugzeug. Und in Uniform: als Piloten von Hapag-Lloyd. Beide fliegen Boeing 737; sie haben sich im Cockpit kennengelernt. »Aber auch davor hatte unser Leben erstaunliche Parallelen«, sagt die frühere Architektin. Ih-re erste Karriere und seine als Bundeswehr-

pilot gehören nicht dazu, wohl aber der Sinn für Stil, für das Besondere und die Fähigkeit, Träume mit Leidenschaft zu verwirklichen.

Einer davon steht vor uns: die nachtblaue F-1 Rocket Evolution mit litauischem Kenn-zeichen. Fränk, der seinen Namen augen-zwinkernd mit »ä« schreibt, wollte nach lan-ge zurückliegenden UL-Erfahrungen wieder privat fliegen und begann deshalb vor drei

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Schön wenig Flugzeug für schön viel Dampf: Durch ihren schmalen Tandemrumpf wirkt die Rocket wie ein Racer. Bei drei Kilo-gramm pro PS geht tatsächlich die Post ab

Rocket Team: Frank Krause und Andrea Kastelic. Mit ihrem Traum-flugzeug sind die beiden am liebsten gemeinsam unterwegs

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Jahren, ein passendes Muster zu suchen. Schnell, kunstflug- und reisetauglich soll-te es sein. Also kein UL. Aber auch keine Cessna: »Damit wollte ich mal eine Wolke anfliegen, die schräg über mir war. Aber als ich Vollgas gab und die Nase hoch nahm … Die Wolke war dort oben und ich da unten – frustrierend!«

In die engere Wahl kam schließlich die RV-4 von Van’s Aircraft. Das populäre US-Kitplane war auch wegen seines Tandem-cockpits für Fränk interessant, denn als ehemaliger Kampfjet-Pilot liebt er das Inli-ne-Feeling. Bei seinen Recherchen zur RV-4

um die Ecke kam, wollte ich dabei sein. Mein großer Traum war immer, mit einer kleinen Maschine richtig weit weg zu fliegen, und zwar IFR, also sicher, wenn das Wetter mal schwierig wird. Als Fränki dann aber sagte, er wollte selbst bauen, wär ich beinahe wie-der ausgestiegen. Ich wollte jetzt fliegen, nicht erst in sieben bis zehn Jahren.«

Eine schnellere Lösung zeichnete sich durch das ab, was in der Kitplane-Szene Buil-der Support genannt wird und im Internet leicht zu findet ist: Firmen, die beim Bau helfen. Rechtlich ist das Thema etwas heikel, denn eigentlich müssen »Experimentals«

stieß er auf deren Weiterentwicklung, die Rocket. »Die kann alles, was die RV-4 kann, nur besser«, sagt der 46-Jährige. Sie kann vor allem Begeisterung entfachen: Als er sei-ne Entdeckung Andrea vorstellte, schlug die Rocket bei ihr voll ein. »Bis dahin war es sein Projekt«, sagt sie, »aber als er mit dem Ding

Spannweite 7,57 mFlügelfläche 9,48 m2

Länge 6,40 mLeermasse 634 kgMTOM 998 kgTankinhalt 200 lMotor/Leistung Lycoming IO-540

(mod.)/320 PS

Propeller Hartzell, 2-Blatt (»blended airfoil«), constant speed, Metall, 2,032 m

Vmin 52 kts IAS

VReise (75%) 180 kts IASVcruise economy (65%) 160 kts IASVmax horizontal 210 kts IASVne 240 kts IASBestes Steigen 3000 ft/minSicheres Lastvielfaches +6/–3 gMaterialwert + Builder Support ca. 123 000 Euro

Technische DaTen

F-1 Rocket Evolution

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vom Halter zu mindestens 51 Prozent selbst gefertigt sein. Allerdings hindert niemand einen Erbauer daran, seine fertige Maschine zu verkaufen. Wer nun nicht warten möch-te, bis irgendwann mal das gesuchte Muster flugfertig angeboten wird, kauft einen Bau-satz, übergibt ihn professionellen Helfern, bezahlt deren Arbeit und erhält ein fertiges Flugzeug. Im Fall der Itzehoer Rocket heißt der Builder Support Termikas, eine Firma im litauischen Prienai. Der Betrieb ist nach EASA 145 zugelassen, auf Yak spezialisiert, wartet und repariert aber auch Flugzeuge anderer Marken sowie Motoren und Propeller.

als Andrea und Fränk jedoch einen Rocket-Bausatz kaufen wollten, hatte der texanische Anbieter Mark Frederick (TeamRocket) die

Produktion bereits eingestellt (siehe Kasten Seite 12: »Die Evolution der Rocket«). Un-verhofft meldete sich im Herbst 2008 Jim Richmond, Eigentümer des US-Flugzeug-herstellers CubCrafters: Er habe noch einen Rocket-Bausatz und wolle ihn loswerden. Richmond war bereits der dritte Besitzer. An-drea und Fränk schlugen blind zu und ließen ihren Schatz von Yakima im US-Bundsstaat Washington zu Termikas nach Litauen ver-frachten. Im Mai 2009 legten die Auftrags-bauer los, alle vier Wochen schaute Fränk in Prienai vorbei, sprach mit den Leuten und arbeitete mit. Ein Jahr später war »Midnight Pearl« fertig. »Bei der Farbe hat er mich wie-der gefragt«, verrät Andrea mit Seitenblick zu Fränk, dem der Mercedes-Farbton Mid-night Blue Pearl genauso gut gefällt wie ihr. Zuvor war die Austattung des Flugzeugs

weitgehend seine Sache. Bloß wenn er mal wieder ein neues Panel-Layout vorschlug, das den ästhetischen Ansprüchen der Ex-Architektin nicht genügte, legte sie ihr Veto ein: »Nicht symmetrisch – abgelehnt!« Bei der Avionik hingegen war die Verkehrspilo-tin für alles zu haben: »Ich wollte eine richti-ge IFR-Ausstattung mit zwei getrennten Sys-temen für die beiden Fluglagesensoren.

Schauen wir uns das endgültige Panel an: zwei zentrale Bildschirme von Grand Rapid Technology (GRT) für alle Flug- und Motordaten mit unabhängigen Kreisel-plattformen und Synthetic Vision, links als

»Mein großer Traum war immer, mit einer kleinen Maschine weit weg zu fliegen«Andrea KastelicPIC in der Rocket, Co in der Boeing 737

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GPS ein GNS 430, ebenfalls von Garmin ein SL 30 für Funk und NAV sowie ein GTX-330-Transponder, rechts ein Engine Informati-on System, darüber der Autopilot.

Beim Antrieb hat sich Fränk ein paar Extrawünsche erfüllt. Der Lycoming IO-540 ist feingewuchtet, er bekam eine 6- in-1-Auspuffanlage, Kolben mit 10:1- statt 8:1-Verdichtung, ein Christen-Rückenflug-schmiersystem sowie eine Einspritzanlage mit größerem Fuelcontroller. Die Ansaug-luft führt nicht mehr durch die Ölwan-ne, sondern außerhalb davon zu den Zy-lindern (cold air induction); die Ein- und Auslasskanäle sind nachbearbeitet. Ein Ram-Air-System misst die Menge der An-saugluft, die von der Fluggeschwindigkeit abhängt, und passt die eingespritzte Ben-zinmenge an. Dazu regelt eine elektroni-sche Doppelzündung drehzahlabhängig den Zündzeitpunkt. Zwei große Batterien sorgen unabhängig voneinander dafür, dass die Zündung auch dann nicht ausfällt, wenn der Generator versagt – ihre Kapazi-tät reicht, um die Tanks leerzufliegen. Vor dem Start wird per Voltmeter gecheckt, ob die Batterien auch wirklich voll sind. Nütz-licher Luxus: Will der Pilot den Motor in heißem Zustand starten, kann er den über-hitzten Sprit über ein »perch valve« in die Tanks zurückpumpen und kalten ansaugen lassen.

Von all diesen feinen Zutaten ahnt man beim Anblick der geschmeidigen Cowling nichts. Höchstens die drei runden, strö-mungsoptimierten Lufteinlässe deuten auf Leistungssteigerung hin; normalerweise haben Rockets rechteckige Einlässe. Rund 320 PS dürfte der modifizierte IO-540 leis-ten, der Serienmotor bringt es auf 285 PS.

Vielleicht ist es das Fahrwerk der Mid-night Pearl, das noch am ehesten an eine RV-4 erinnert. Wie für Van’s typisch ragen die Beine nach hinten. Die Streben beste-hen aus Titanstäben mit anlaminiertem Hartholz zur Dämpfung, ummantelt von GfK-Verkleidungen. Kunststoff findet man an der Maschine sonst nur bei einigen sphä-risch geformten Teilen wie der Cowling, den Randbögen oder Radverkleidungen.

Ansonsten ist die Rocket ganz aus Me-tall gefertigt. Wie gut? Sehr gut, sagt Fränk. Jedenfalls muss man bei einem Blechflie-ger wie diesem nicht befürchten, dass ohne

mierung. LED-Blitz-, Navigations- und Lan-delichter runden den Eindruck ab, dass kein Detail vernachlässigt wurde.

Wie leichtfüßig die Evolution ohne den Rechteckflügel ihrer Vorgänger erscheint! Identische Rippen über die gesamte Spann-weite – dieses Zugeständnis an den Ama-teurbau muss nicht gemacht werden, wenn die Tragfläche vorgefertigt vom Hersteller kommt. Auch Flügelschränkung sowie ver-wundene Landeklappen und Querruder sind für einen industriellen Hersteller kein The-ma. Gegenüber dem »Hershey bar«-Flügel hat die Evo-Fläche 0,91 Meter mehr Spann-weite bei 0,19 Meter weniger Flächeninhalt. Die Stallspeed ist mit Trapezfläche niedriger, die Topspeed höher, die Rollrate allerdings schlechter. Zum schnittigen Aussehen trägt auch die flachere Windschutzscheibe bei, die optional erhältlich war. Sie reicht weiter nach vorn als die Standardscheibe. Doch das ist nur Racer-Look – Geschwindigkeit bringt das »sloped windshield« nicht.

Qualitätssicherung mit Hartz 4 laminiert wurde. Rund 35 000 Euro hat die Fertigstel-lung gekostet, zirka 88 000 Euro beträgt der Materialwert. Damit wurde das Einzelstück etwa doppelt so teuer wie eine normale RV-4. Dass die Itzehoer Rocket eine litauische Kennung erhielt, lag auf der Hand: Jede andere Registrierung wäre teurer gewesen, Litauen gehört zur EU, im Gegensatz zu N-registrierten Maschinen erfordern Lima-Yankee-zugelassene keine andere Lizenz als Flugzeuge mit deutschem Callsign. Ein-zige Einschränkung: LY-Flugzeug müssen zu mindestens einem Prozent einem litau-ischen Staatsbürger gehören. Im Fall der LY-ICE ist das ein Mitarbeiter von Termikas.

Beim Rundgang um den Tandem-sitzer beeindruckt immer wieder die irisierende Lackierung, die den Farbton je nach Lichteinfall unter-

schiedlich erscheinen lässt. Da entstehen Ef-fekte wie beim Blick durch welliges Wasser auf den Boden eines Pools. Die Bauausfüh-rung kann sich ebenfalls sehen lassen. So sind alle normalerweise offenen Stirn- und Innenflächen an den Rudern und Flaps ge-schlossen, ebenso die angrenzenden Trag- und Leitwerkspartien. Das hat aerodynami-sche Vorteile. Auch die Verkleidungen über den Ansteuerungen und Anlenkungen von Flaps und Rudern auf der Flügelunterseite zeugen vom Streben nach Widerstandmini-

Hochwertige Accessoires: LEDs als Positions- und Landelichter. Das Pitotrohr liegt weit außerhalb des Propel-lerstrahls. Die Rad- und Strebenverkleidungen machen aerodynamisch das Beste aus dem Festfahrwerk

Emanzipiert: Die Rocket Evo erinnert nur noch entfernt an die RV-4. Flache Frontscheibe und »turtledeck« verschlanken die Silhouette

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Dicke Backen: Besser kann man einen IO-540 kaum verpacken! Die runden Einlässe versorgen ihn optimal mit Kühl- und Ansaugluft

»Die Rocket erinnert mich oft an die T-37,wie sie in der Luft liegt, wie manKurven fliegt«Frank KrauseEx-Bundeswehrpilot

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Steigen wir ein. Fränk nimmt vorn Platz, ich hinten. Grau in verschiedenen Tönen, von edel bis militärisch, dominiert den In-nenraum; Funktionalität, aber keineswegs Schlichheit. Heizung – klar; Ledersitze – schon eher Luxus, aber sogar die sind heiz-bar. »Das wollten wir, weil man ja auch sehr hoch fliegt«, sagt Andrea, bevor ich die Hau-be nach vorn schiebe. Inline – ja! Alles an-dere kommt beim Duell gegen die Luft viel zu breit daher. Ein Panel und Bremsen gibt es nur vorn. Sonst sind alle Bedienelemen-te doppelt. Der »military style stick grip« am Knüppel hat jede Menge Knöpfe: einen grünen, um den Autopiloten zu narkotisie-ren, und fünf weitere: für Funk, Höhen- und Querrudertrimmung, Klappen und zur Ver-änderung der Bildschirmdarstellung. Einer ist nicht belegt. »Damit«, so Fränk, »könnte man … na ja, vielleicht eine Bordkanone mit Farbbomben-Munition bedienen.«

Wenn wir jetzt zu einer Reise starten wollten, dürften wir direkt hinterm Rück-sitz 20 Kilogramm Gepäck unterbringen, im erhöhten Bereich des Stauraums weite-re 15 Kilo. Außerdem passen in die beiden Bodenfächer links und rechts des hinteren Knüppels Schuhe, Trinkflaschen oder ähn-lich große Gegenstände.

Zur Piste 03, von der wir mehr als die hal-be Länge verschenken: Das 500-Meter-As-phaltstück im Norden reicht. Mit 3000 Fuß pro Minute steigen wir aus der Platzrunde. Vollgas, 30,5 Inch Ladedruck und 2630 Um-drehungen pro Minute in 2000 Fuß: 210 Knoten! Als ich die Drehzahl auf »2400/24« reduziere, was einem Powersetting von 75 Prozent entspricht, sind es immer noch 180 Knoten. Ein amerikanischer Rocket-Besitzer hat mal gesagt, er wolle drei Meilen pro Mi-nute zurücklegen: that’s it. Wer lieber spar-sam unterwegs ist , benügt sich mit 150 bis 160 Knoten – bei 40 Litern in der Stunde sind die 200-Liter-Tanks nach 800 Nauti-schen Meilen leer.

Fliegerisch stellt die F-1 Rocket Evolu-tion keine hohen Ansprüche an den Piloten. Der Strömungsabriss kün-digt sich durch Unruhe an, »clean«

senkt sich bei 59 Knoten IAS die Nase, mit vollen Klappen bei 52. Kurven erfordern so gut wie keinen Seitenrudereinsatz; auf den kommt’s nur bei bei Start und Landung an – Taildragger eben. Der Geschwindigkeits-bereich ist allerdings so groß, dass ein fes-tes Trimmblech am Seitenruder unmöglich immer passen kann. Deshalb soll noch eine

Fläche 20 Grad weniger.« Aber das scheint dem Mann vor mir nicht so wichtig zu sein wie das Fluggefühl: »Die Rocket erinnert mich oft an die T-37, wie sie in der Luft liegt, wie man Kurven fliegt …« Ganz so schnell wie der Jet, den Fränk aus seiner Bundes-wehrzeit kennt, ist sein erstes eigenes Flug-zeug zwar nicht, aber für die 500-Meilen-Strecke nach Prienai braucht er damit nicht mal drei Stunden. Kein großes Ding, wenn einmal im Jahr der Litauen-Trip ansteht, um von Termikas die Wartung erledigen zu las-sen – die man bei einem Experimental aber auch selbst machen dürfte.

Wir melden uns zur Landung, der Fluglei-ter nennt uns »Lima Yanky« – nicht »Charly Echo« wie er es bei einer Cessna oder Piper tun würde. Die Speeds im Anflug hingegen sind ziemlich gewöhnlich: 100 Knoten in Gegenrichtung zur »03«, 85 mit halb ausge-fahrenen Klappen im rechten Queranflug, 60 Knoten full flaps im Endanflug.

Schnell reisen, IFR, Kunstflug: Vielleicht gibt es dafür ein Flugzeug, das ein bisschen weniger kostet – je nachdem, was man un-ter »schnell« versteht. Aber gibt es fürs glei-che Geld ein heißeres als diese nachtblaue Schönheit?

Die evoluTion Der rockeT

Vom Bausatz zum Flugzeug : Andrea beim Verladen in Yakima/USA; ein Termikas-Mitarbeiter mit der Spezial-Cowling; Fränk als Seifenkisten-Pilot in Litauen

Mensch & Maschine

Solide IFR-Ausstattung – zwei große Displays von GRT dominieren das Panel, links ein

Garmin GNS 430 (1). Das Spornrad entkoppelt sich in engen Kurven vom Seitenruder (2).

In den Stauraum passen 35 Kilo Gepäck (3)

Keine Zauberei: 60 Knoten und volle Klappen im Endanflug – zur Landung kommt die Rocket auch nicht schneller rein als eine Cessna 172

elektrische Seitenrudertrimmung einge-baut werden. Das Flugzeug liegt satt in der Luft, die Knüppelkräfte sind höher, als man es von so einer kunstflugtauglichen Maschi-ne dieser Auslegung erwartet. Fränk über-nimmt und fliegt einen Loop mit 2 g, dann eine Rolle, alles sehr rund und harmonisch, »Gentlemen’s Kunstflug«, wie er sagt. »Mit dem Rechteckflügel schafft sie 140 Grad pro Sekunde«, kommentiert er, »mit der Evo-

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Entstanden ist die Rocket ursprünglich aus der RV-3 von Van’s

Aircraft. Bei diesem Kitplane-Einsitzer ragt die tropfenförmige

Kabinenhaube über den Rumpf hinaus. Der Amerikaner John

Harmond zog den hinteren Rumpfrücken höher, sodass die

Haube ohne Anstieg geradlinig daran ansetzt (»turtledeck«).

Vor allem aber waren ihm die Vierzylinder-Motoren mit 150

bis 180 PS zu schwach, für die der Ganzmetall-Tiefdecker

ausgelegt war: Harmon baute einen Sechszylinder-Lycoming

mit 285 PS ein. Außerdem kürzte und verstärkte er die Flügel

und montierte ein größeres, stabileres Leitwerk – entstanden

war die Harmon Rocket. Als dann die RV-4 rauskam, überar-

beitete er den Zweisitzer in ähnlicher Weise: Jetzt hieß das

Flugzeug Harmon Rocket II. Von diesem Typ hat der Texaner

Mark Frederick einige Exemplare fertiggestellt, auch Bruce

Bohannons Steigzeit-Rekordmaschine Flying Tiger, bevor ihm

in den neunziger Jahren die Idee kam, den Bausatz selbst

anzubieten, und zwar als Quickbuild Kit. Fertigungspartner für

die nun F-1 Rocket genannte Maschine war die tschechische

Firma High Performance Aircraft (HPA). Dort entstand auch

ein neuer Flügel mit trapezförmigem Grundriss, der den

Rechteckflügel (»Hershey bar« – nach dem klobigen ameri-

kanischen Schokoriegel) ablöste. Mit der Trapezfläche wurde

der Zusatz Evolution oder kurz Evo in die Typenbezeichnung

aufgenommen. Seit dem Ende der Zusammenarbeit von

Fredericks Firma TeamRocket und HPA im Jahr 2008 verkauft

der Amerikaner keine kompletten Kits mehr. Rümpfe und

Leitwerke sollen allerdings noch erhältlich sein, die Fläche

kann man von HPA bekommen und einige Teile von Van’s. Mit

entsprechendem Aufwand dürfte es also noch möglich sein,

sich eine F-1 Rocket Evolution zu bauen oder bauen zu lassen.

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