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Herzlich Willkommen zum/r Seminar/Ringvorlesung - Menschenrechte im Sozial- und - Menschenrechte im Sozial- und Bildungsbereich - Bildungsbereich - Im WS 2011 / 2012

Menschenrechte im Sozial- und Bildungsbereich · Präsentation einer Berufsfelderkundung oder eine Projektarbeit (z.B. künstlerische Projekte, Fallstudien, Beobachtungen etc.) oder

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Herzlich Willkommen zum/r Seminar/Ringvorlesung

- Menschenrechte im Sozial- und - Menschenrechte im Sozial- und Bildungsbereich -Bildungsbereich -

Im WS 2011 / 2012

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Leistungen / Credits2 KP = regelmäßige Teilnahme und Mitarbeit sowie (mindestens) ein Kurzreferat/ Impulsreferat (10-20 Minuten) oder ein Thesenpapier oder die Vor- und Nachbereitung in dokumentierter Form (Sitzungsprotokoll, Seminartagebuch, Rezension etc.) oder eine Diskussionsleitung auf Basis eigener fachlicher Vorbereitung oder die Teilnahme an einer seminarbegleitenden Arbeits-, Projekt- oder Übungsgruppe oder eine den vorgenannten Möglichkeiten gleichwertige Leistung. 3 KP = regelmäßige Teilnahme und Mitarbeit sowie (mindestens) ein Referat (30-45 Minuten) oder eine Klausur (1-stündig) oder ein Kolloquium oder die Vorbereitung und Durchführung einer Sitzung oder die Präsentation einer Berufsfelderkundung oder eine Projektarbeit (z.B. künstlerische Projekte, Fallstudien, Beobachtungen etc.) oder die Teilnahme an einem Training oder eine den vorgenannten Möglichkeiten gleichwertige Leistung. 4 KP = regelmäßige Teilnahme und Mitarbeit sowie (mindestens) eine wissenschaftliche Hausarbeit (15-20 Seiten) oder ein Referat mit anschließender schriftlicher Ausarbeitung oder eine Klausur (2 stündig) oder eine den vorgenannten Möglichkeiten gleichwertige Leistung.

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Was sind eigentlich Menschenrechte?

Menschenrechte sind universal und individuell. Da die Rechte nicht erst durch den Staat verliehen werden müssen, sondern jeder Mensch sie von Geburt an inne hat, kann man sie als vorstaatlicher Natur ansehen. Menschenrechte, als eine Form des Rechts, regeln Verhältnisse zwischen Rechtssubjekten und Adressaten. Sie beziehen sich auf ein Rechtsobjekt, einen bestimmten Inhalt [Vgl. Fritzsche, K. Peter 2009: 'Menschenrechte', S. 15]

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10 Merkmale der Menschenrechte nach Klaus P. Fritzsche

1) Angeboren und unverlierbar: Jeder Mensch hat aufgrund seines bloßen Menschseins ein angeborenes Recht auf die Wahrung seiner Menschenrechte. So wie ihm diese zustehen, ohne, das er dafür bestimmte Bedingungen erfüllen muss oder Leistungen zu erbringen hat, können sie keinem Menschen wieder abgesprochen werden.

2) Vorstaatlich: Die Menschenrechte können als vorstaatlich verstanden werden, da sie den Bürgern nicht erst durch den Staat verliehen werden müssen. Dem Staat obliegt aber die Pflicht sie umzusetzen und zu schützen.

3) Individuell: Im Kern eines jeden Menschenrechtes stehen die Schutz- und Entwicklungsinteressen des Individuums.

4) Egalitär: Die Menschenrechte stehen allen Menschen gleichermaßen zu, unabhängig von Rasse, Farbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, nach Vermögen, Geburt oder sonstigem Status (vgl. Artikel 2 der AEMR).

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10 Merkmale der Menschenrechte nach Klaus P. Fritzsche

5) Moralisch: Die Menschenrechte haben einen moralischen Kern. Sie basieren auf einer moralischen Verpflichtung eines Jeden, die Rechte jeden anderen anzuerkennen. Es gibt Rechte, die auf dem Status der moralischen Rechte verankert sind und nicht zu starken juridischen Rechten entwickelt wurden.

6) Rechtlich: Im Gegensatz zu den schwachen moralischen Menschenrechten gibt es auch diejenigen, die durch ihre Konkretisierung als Grundrechte oder als Elemente des Völkerrechts zu starken Rechten geworden sind.

7) Universell: Das Universelle der Menschenrechte liegt in ihrem Geltungsanspruch, der für alle Menschen gleich ist. Durch kulturelle Unterschiede, Traditionen und politische Ideologien wird dieses Merkmal der Menschenrechte stark gebremst oder sogar aufgehoben.

8) Fundamental: Als fundamental können Menschenrechte angesehen werden, da sie nur die Lebensbereiche schützen, die als besonders schutz- und entwicklungsbedürftig angesehen werden. Da dies durch gesellschaftliche Veränderungen ein dynamischer Prozess ist, müssen die Menschenrechte auch modifiziert werden können.

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10 Merkmale der Menschenrechte nach Klaus P. Fritzsche

9) Unteilbar und interdependent: Die Unteilbarkeit und Interdependenz der Menschenrechte wurde 1993 von der Wiener Weltkonferenz formuliert. Die Unteilbarkeit zielt darauf ab, dass die Menschenrechte als Gesamtpaket betrachtet werden, ohne dass sie nach Wertigkeiten unterschieden werden. Die Interdependenz weist darauf hin, dass die Menschenrechte sich wechselseitig bedingen und dadurch voneinander abhängig sind.

10) Kritisch: Menschenrechte sind zum einen Ideale, dienen aber auch als politische und rechtliche Instrumente um Veränderungen herbei zu führen. [Vgl. Fritzsche, K. Peter 2009: 'Menschenrechte', S. 15]

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Kategorisierung der Menschenrechte

Die Fülle der Menschenrechte lässt sich durch verschiedene Kategorisierungen gliedern. So findet sich einen Aufteilung in:

- Abwehrrechte: Schutz des Individuums vor bedrohlicher, unwillkürlicher Macht, vor allem des Staates / Teilnahmerechte: Das Individuum soll in der Lage sein, den Staat mitzugestalten / Teilhaberechte: Sicherung solcher Lebensbedingungen, die die Wahrnehmung der anderen Rechte erst ermöglicht.

Diese Rechte finden sich auch unter den Begrifflichkeiten Abwehr-, Partizipations- und Leistungsrechte. [Vgl. Fritzsche, K. Peter 2009: 'Menschenrechte', S. 20]

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Historische Annäherung

Generationenmodell:

„Die Generationentypologie geht von einer inhaltlichen Erweiterung und Entwicklung der Menschenrechte aus.“ [ K. Peter 2009: 'Menschenrechte', S. 25. Aus Karel Vasek: ' A30-year struggle'. In: 'UNESCO-COURIER' November 1977]

Es findet eine Unterscheidung in „1. Generation“ (bürgerliche und politische Abwehr- und Teilnahmerechte), „2. Generation“ (Teilhaberechte) und „3.Generation“ (kollektive Rechte) statt. Dieses Modell zeigt auf, dass Menschenrechte kein starres Gebilde darstellen, sondern sich im Rahmen der Zeitgeschichte und ihrer Gegebenheiten entwickeln und verändern.

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Historische Annäherung

- Das Stufenmodell sieht die Begründung der Menschenrechte in der antiken griechischen Philosophie. Schon damals entstand die Idee der Gleichheit aller Menschen.

- Zu Zeiten der Naturrechtsphilosophen, allen voran John Locke, entwickelte sich aus der philosophischen Menschenrechtsidee politische Instrumente – politische Umsetzung im Rahmen der Nationalstaaten.

- England hatte schon 1215 mit der „Magna Charta Libertatum“ erste Schritte in diese Richtung getan. Es folgten dort 1628 die „Petition of Rights“ und 1679 die „Habeas-Corpus-Akte“. 1776 folgten die Vereinigten Statten von Amerika mit direkter Bezugnahme auf John Locke mit den „Virginia Bill of Rights“ und der Unabhängigkeitserklärung. Frankreich verfasste 1789 die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte - Déclaration desdroits de l'homme et du citoyen. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war die politische und rechtliche Umsetzung der philosophischen Idee der Menschenrechte weitgehend abgeschlossen.

- Die letzte Stufe des Modells bildet die Universalisierung.

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Kritik an den Menschenrechten

Es gab schon während der Festschreibung der AEMR immer wieder Kritik an dieser. Fritzsche skizziert verschiedene Typen der Kritik [Vgl. Fritzsche, K. Peter 2009: 'Menschenrechte', S. 42-44]:

- Die Kritik derer, die den Menschenrechten weitgehende Macht- und Wirkungslosigkeit zuschreiben. Fritzsche nennt dies den generalisierten Ohnmachtsverdacht.

- Die Kritik am ideologischen Charakter der Menschenrechte, bzw. der Benutzung der Menschenrechte zu ideologische Zwecken.

- Die Kritik am universellen Geltungsanspruch der Menschenrechte.

- Kritik daran, dass der Zusammenhang zwischen Rechten und Pflichten als ein integraler Bestandteil der Menschenrechte und der AEMR vernachlässigt wird.

- Kritik am vorherrschenden Konzept der Menschenrechte, da sie eindimensional und nicht ausreichend seien. Hinzu kommt auch die Kritik an der noch vorherrschenden Ausrichtung der Menschenrechte auf den Staat.

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Menschenrechte und Soziale Arbeit

- Das Thema Menschenrechte erhält in den letzten Jahren zunehmend – u. a. in der Diskussion um Professionalisierung in der sozialen Arbeit – eine vermehrte Aufmerksamkeit.

Die Relevanz der in Konventionen umgesetzten Menschenrechte (wie die UN-Behindertenrechtskonvention, der UN-Kinderrechtskonvention, etc.) für die jeweiligen 'tatsächlichen' Praktiken (der sozialen Arbeit, der Juristen, etc.) sowie in ihren Auswirkungen auf die Empfänger dieser Rechte wird noch zu prüfen sein.

- Es muss konstatiert werden, dass die Verknüpfung von Menschenrechten mit der sozialen Arbeit als eine neue 'Reflexionsfolie' bzw. als neuer Referenzrahmen einen attraktiven Gedanken darstellt, dem – auch in der sozialarbeiterischen Ausbildung – zunehmend mehr Bedeutung zukommt (z. B. durch eigene Master-Studiengänge).

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Dilemmata und Herausforderungen in der Sozialen Arbeit in Bezug auf die MenschenrechteSozialarbeiter bewegen sich in ihrer Arbeit fortwährend in Spannungsfeldern zwischen verschiedenen Interessengruppen. Dies führt immer wieder zu Problemen und Schwierigkeiten. Beispiele:

- Die Loyalität von SozialarbeiterInnen liegt zwischen widerstreitenden Interessensgruppen.

- SozialarbeiterInnen operieren in der Praxis sowohl in der Rolle des Helfers, als auch der des Überwachers.

- Ein Konflikt entsteht zwischen der Pflicht von SozialarbeiterInnen, die Interessen derjenigen zu schützen, mit denen sie arbeiten und den gesellschaftlichen Anforderungen von Effizienz und Nutzen zu entsprechen.

- Die Ressourcen einer Gesellschaft sind begrenzt.

- Das Konfliktpotenzial für die sozialarbeiterische Praxis liegt in der Vielzahl und Unterschiedlichkeit der festgelegten Rechte, die alle gleichwertig sind, deren reale Umsetzung aber in der Praxis nicht immer gleichzeitig möglich ist. So ist es sowohl Aufgabe des Sozialarbeiters als auch des Klienten Prioritäten zu setzen.

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Europäische Menschenrechtskonvention

- Verabschiedet am 04.11.1950, zuletzt geändert durch Protokoll Nr. 11 vom 11.5.1994

- Für die Bundesrepublik Deutschland gültig durch Gesetz vom 7. August 1952 (BGBl. 1952 Teil II S. 685); die Konvention ist am 3. 9. 1953 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten.

- Sie umfasst 49 Paragraphen, aufgeteilt in drei Abschnitte (Abschnitt I: Rechte und Freiheiten / Abschnitt II: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte / Abschnitt III: Verschiedene Bestimmungen)

- In der Bundesrepublik Deutschland steht die Menschenrechtskonvention im Rang eines einfachen Gesetzes (BGBl II 2002, 1054). Da jedoch die Grundrechtsgewährleistung der EMRK weitgehend der des Grundgesetzes entspricht, hat das Bundesverfassungsgericht 1987 ausgeführt, dass andere gesetzliche Bestimmungen der Bundesrepublik (wie beispielsweise die Strafprozessordnung) im Lichte der EMRK auszulegen seien. Damit kommt de facto der EMRK im deutschen Recht ein übergesetzlicher Rang zu. In anderen Ländern, z. B. Österreich ist die EMRK jedoch dem Grundgesetz gleichgesetzt!

- Der EMRK sind alle 47 Mitglieder des Europarats beigetreten.

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Aktuelle MenschenrechtsdiskurseDie Funktionsbestimmung von Sozialer Arbeit als „Menschenrechtsprofession“ hat in den letzten Jahren auf internationaler Ebene viel Zustimmung bekommen, wird jedoch in Deutschland eher mit Skepsis betrachtet. Ungeachtet dessen wurde im Jahr 2002 z. B. in Berlin der Master „Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession“ initiiert.

Federführend in der Diskussion über „Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession“ ist in Deutschland Silvia Staub-Bernasconi. Auch andere haben sich sowohl unterstützend als auch kritisch zu dieser Professionsbestimmung geäußert, so z. B.

- Friedrich Albrecht, - Eric Mührel / Dieter Röh,

- Gerhild Fliedner,

- Nikolaus Dimmel,

- Helga Cremer-Schäfer

- etc.

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Fazit

Die Frage danach, wie sich soziale Arbeit zu den Menschenrechten positionieren will / kann, ist somit eine, die sich im Spannungsfeld zwischen den 'moralisierenden' Effekten mit all den damit verbundenen Auswirkungen und dem Aufbau eines nahezu weltweiten Referenzrahmen, der Standards für die Profession festlegt bzw. an dem sich soziale Arbeit 'messen' und hinterfragen lassen muss. Diese Fragen zu diskutieren und gemeinsam zu Antworten (oder neuen Fragen) zu kommen, ist ein zentrales Anliegen dieser...

- Ringvorlesung 'Menschenrechte im Sozial- und Bildungsbereich' -

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Gerichtsurteile des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

– Urteile mit übernationaler Bedeutung

Im folgenden sind Urteile gegen andere Staaten aufgeführt, deren Bedeutung über den innerstaatlichen Bereich hinausgeht.

Belgischer Sprachenfall. /. Belgien, Urteil vom 23. Juli 1968, Serie A Nr. 6. Dass ein Gesetz für den Schulunterricht die Sprache der Mehrheit der Bevölkerung in der entsprechenden Region vorschreibt, stellt keine unzulässige Diskriminierung dar. Es besteht auch kein Anspruch gegen den Staat, bestimmte Bildungseinrichtungen zu schaffen. Er muss aber den Zugang zu vorhandenen Einrichtungen gewährleisten. Der Unterricht muss zumindest in einer Landessprache abgehalten werden. Abschlüsse müssen staatlich anerkannt werden.

Artico. /. Italien, Urteil vom 13. Mai 1980, Serie A, Nr. 37. „The Court recalls that the Convention is intended to guarantee not rights that are theoretical or illusory but rights that are practical and effective„ (a. a. O. § 33). (Das Gericht erinnert daran, dass die Konvention es nicht beabsichtigt, theoretische oder scheinbare Rechte zu gewähren, sondern solche, die praktisch und effektiv sind.)

Foucher. /. Frankreich, Urteil vom 17. Februar 1997. Der nicht durch einen Verteidiger verteidigte Beschuldigte in einem Strafverfahren hat ein eigenes Recht auf Akteneinsicht.

Coëme. /. Belgien, Urteil vom 22. Juni 2000. Art. 6 EMRK fordert, dass das gerichtliche Verfahren durch das Gesetz so genau bestimmt ist, dass der Betroffene vorhersehen kann, wie sich einzelne Verfahrenshandlungen auswirken.cite_ref-32cite_ref-32[33]

Kudła. /. Polen, Urteil vom 26. Oktober 2000. Das innerstaatliche Recht muss für die Rüge einer menschenrechtswidrigen Verfahrensdauer einen wirksamen Rechtsbehelf vorsehen.

O'Halloran und Francis. /. Vereinigtes Königreich, Urteil vom 29. Juni 2007. Die Pflicht, nach einem Geschwindigkeitsverstoß den Fahrer des Fahrzeugs gegenüber einer Behörde zu benennen, stellt keine Verletzung des Rechts zu schweigen dar. Der EGMR ändert seine Rechtsprechung zu nemo tenetur.[34]

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GerichtsurteileDie folgende Auflistung enthält eine Auswahl wesentlicher Entscheidungen des EGMR, die gegen Deutschland ergangen sind.

Achtung des Privatlebens:

von Hannover /. Deutschland, Nr. 59320/00, 24. Juni 2004. Gegenstand der Entscheidung war die Veröffentlichung von heimlichen Aufnahmen aus dem Privatleben von Caroline von Hannover in der Presse, die von deutschen Gerichten als zulässig eingestuft wurde. Nach Auffassung des EGMR ist bei der erforderlichen Abwägung zwischen dem Schutz des Privatlebens und der Freiheit der Meinungsäußerung maßgeblich, inwieweit die veröffentlichten Fotos zu einer Debatte beitragen, für die ein Allgemeininteresse geltend gemacht werden kann. Da die Fotos die Klägerin ausschließlich in Situationen zeigen, bei denen sie kein öffentliches Amt ausübt, sondern rein privaten Tätigkeiten nachgeht, ist dem Recht auf Achtung des Privatlebens gemäß Art. 8 hier Vorrang einzuräumen. Durch die von den deutschen Gerichten festgestellte Zulässigkeit der Veröffentlichung dieser Bilder wurde die Klägerin in diesem Recht verletzt.cite_ref-34cite_ref-34[35]

Eigentumsschutz:

Jahn u. a.. /. Deutschland, Nr. 46720/99, 72203/01 und 72552/01, 30. Juni 2005. Die im Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz statuierte Pflicht zur entschädigungslosen Abtretung von Bodenreformgrundstücken an den Staat, sofern die Betroffenen zum 15. März 1990 oder in den letzten zehn Jahren davor nicht in der Land-, Forst- oder Nahrungsmittelwirtschaft tätig waren oder in der DDR keiner Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) angehört hatten, stellt keine Verletzung von Artikel 1 des Protokolls Nr. 1 (Schutz des Eigentums) dar. In Anbetracht der Umstände ist vor dem einmaligen Hintergrunds der deutschen Wiedervereinigung dem Gebot entsprochen worden, eine gerechte Abwägung zwischen dem Schutz des Eigentums und den Erfordernissen des Allgemeininteresses vorzunehmen. Auch Art. 14 (Diskriminierungsverbot) ist nicht verletzt.[36]

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GerichtsurteileFolterverbot::

Jalloh. /. Deutschland, Nr. 54810/00, 11. Juli 2006. Die zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln, um einen potentiellen Dealer zum Erbrechen verschluckter Drogen zu veranlassen, verstößt gegen das Folterverbot in Art. 3. Die Verurteilung des Betroffenen auf Grundlage der hierdurch gewonnenen Beweise verletzt seine Selbstbelastungsfreiheit (Nemo-Tenetur-Grundsatz) und daher das Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs. 1.cite_ref-36cite_ref-36[37]

Gäfgen . /. Deutschland, Nr. 22978/05, 1. Juni 2010. Die Androhung einer vorsätzlichen Misshandlung in einem Polizeiverhör ist unabhängig vom Verhalten des Betroffenen und der Beweggründe der Behörden als unmenschliche Behandlung im Sinne von Art. 3 einzustufen. Der Opferstatus des Betroffenen ist trotz Bestrafung der verantwortlichen Polizeibeamten nicht entfallen, insbesondere da die ausgesprochene Sanktion nicht den notwendigen Abschreckungseffekt hatte, um vergleichbaren Konventionsverletzungen vorzubeugen, und daher keine ausreichende Abhilfe für die konventionswidrige Behandlung gewährt wurde. Die Verwendung der dadurch erlangten Beweismittel verletzt allerdings nicht das Recht auf ein faires Verfahren, da dies keinen Einfluss auf Urteil und Strafmaß hatte, sondern die Verurteilung auf ein neues Geständnis des Betroffenen gestützt wurde.[38]

Sicherungsverwahrung:

M. /. Deutschland, Nr. 19359/04, 17. Dezember 2009. Die nachträgliche Verlängerung der Sicherungsverwahrung in Gestalt des Wegfalls der Zehnjahresfrist in § 67 d Absatz 3 StGB, die auch auf vor dieser Neuregelung erfolgte Anordnungen angewandt wurde, verletzt das Recht auf Freiheit (Art. 5 Abs. 1) und das Rückwirkungsverbot (Art. 7 Abs. 1).[39] Großkopf. /. Deutschland, Nr. 24478/03, 21. Oktober 2010. Eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, die im Urteil angeordnet wird, stellt keine Verletzung des Rechts auf Freiheit (Art. 5 Abs. 1) dar.cite_ref-39cite_ref-39[40]

Haidn. /. Deutschland, Nr. 6587/04, 13. Januar 2011. Eine Unterbringung im Gefängnis zu Präventionszwecken nach Verbüßung der Haftstrafe, die nicht im ursprünglichen Urteil, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt durch die Strafvollstreckungskammer gemäß den Vorschriften des Bayerischen Unterbringungsgesetzes und § 66b StGB (nachträgliche Sicherungsverwahrung) angeordnet wurde, verletzt das Recht auf Freiheit (Art. 5 Abs. 1).[41]

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GerichtsurteileSorge- und Umgangsrecht:

Görgülü. /. Deutschland, Nr. 74969/01, 26. Mai 2004. In einem Sorgerechtsverfahren sind auch die langfristigen Auswirkungen zu berücksichtigen, die eine dauerhafte Trennung von seinem leiblichen Vater für ein Kind haben könnten. Soweit es um die Versagung des Umgangs mit dem Kind geht, hält der EGMR fest, dass nur außergewöhnliche Umstände die Auflösung der Familienbande des Kindes rechtfertigen können, da deren Aufrechterhaltung dem Wohl des Kindes dient. Weder der erste noch der zweite Gesichtspunkt wurde von den deutschen Gerichten beachtet, weshalb Art. 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) verletzt wurde.cite_ref-41cite_ref-41[42]

Zaunegger. /. Deutschland, Nr. 22028/04, 3. Dezember 2009. Der generelle Ausschluss einer gerichtlichen Prüfung des alleinigen Sorgerechts der Mutter, wie er sich aus §§ 1626 a Absatz 2, 1672 Absatz 1 BGB ergibt, ist im Hinblick auf den damit verfolgten Zweck, den Schutz der Interessen des unehelichen Kindes, nicht verhältnismäßig und stellt aus Sicht des Vaters eine Verletzung des Diskriminierungsverbots nach Art. 14 in Verbindung mit Art. 8 dar.cite_ref-42cite_ref-42[43]

Anayo. /. Deutschland, Nr. 20578/07, 21. Dezember 2010. Im vorliegenden Fall wurde dem biologischen Vater von den deutschen Gerichten der Umgang mit seinen Kindern verweigert, da dieser – obwohl er sich darum bemüht hat – nach der Geburt nie Kontakt zu seinen Kindern hatte und deshalb keine sozial-familiäre Beziehung im Sinne von § 1685 Abs. 2 BGB zwischen ihm und den Kindern bestand. Jedoch kann auch der Wunsch, eine familiäre Beziehung aufzubauen, in den Geltungsbereich von Artikel 8 fallen, wenn die Tatsache, dass noch kein Familienleben besteht, nicht dem Beschwerdeführer zuzuschreiben ist. Daher hätten hier die Belange des biologischen Vaters in die Abwägung eingestellt werden müssen. Da die Gerichte es unterlassen haben, zu prüfen, ob der Kontakt zwischen den Kindern und dem biologischen Vater unter den besonderen Umständen des Falls im Interesse der Kinder läge, ist Artikel 8 verletzt.[44]

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Internet-Quellen [Stand:21.10.11]:● http://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ischer_Gerichtshof_f

%C3%BCr_Menschenrechte

● http://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ische_Menschenrechtskonvention#Rang_im_nationalen_Recht_und_nationale_Umsetzung_der_Urteile_des_EGMR

● http://www.vaeter-aktuell.de/europa/EMRK-Text.htm

● http://www.egmr.org/

● http://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ischer_Gerichtshof_f%C3%BCr_Menschenrechte#Urteile_mit_.C3.BCbernationaler_Bedeutung

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Literatur-Quellen:● Fritzsche, K. Peter: Menschenrechte. 2., aktualisierte Auflage. Paderborn: Schöningh