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Menschliche Entwicklung und seelische Gesundheit verstehen
Jürgen MargrafUniversität Basel und Nationaler Forschungsschwerpunkt sesam
Swiss Etiological Study of Adjustment and Mental Health
© sesam 2008 - Seite 2
Warum?
© sesam 2008 - Seite 3
Halb voll oder halb leer?
© sesam 2008 - Seite 4
Überblick
> Was ist ein Nationaler Forschungsschwerpunkt?
> Warum psychische Gesundheit?
> Grenzen des Wissens
> Ziele, Vorgehen und erwartete Ergebnisse
© sesam 2008 - Seite 5
Nationale Forschungsschwerpunkte
> Ziele (Zitate SNF): – „Förderung langfristig angelegter Forschungsvorhaben zu Themen von
strategischer Bedeutung für die Zukunft der schweizerischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft“
– „exzellente und international sichtbare Forschung“
– Wissens- und Technologietransfer sowie Ausbildung und Frauenförderung
– „bessere Strukturierung der schweizerischen Forschungslandschaft“
> Ablauf:– Mittel vom Nationalrat bereitgestellt
– Offene Ausschreibung ohne thematische Eingrenzung (“bottom up”)
– SNF: mehrstufige Begutachtung, ausländische Experten: Skizzen und vollständige Anträge
– Staatssekretariat Bildung und Forschung: Forschungspolitische Bewertung
> Endgültige Entscheidung durch den Bundesrat
Financial Risk Management
Structural Biology
Neural Plasticity and Repair
Computer Aided Medical Interventions
Climate
Mitigation Syndroms of Global Change
Plant Survival
Molecular Oncology
Mobile Information and Communication
Quantum Photonics
Genetics
Materials with Novel Electronic Properties
Information Management
Nanoscale Science
sesam – Adjustment and Mental Health
Mediality – Historical PerspectivesDemocracy
Trade Regulation
Affective Sciences
NCCR‘s in 2005Iconic Criticism
Nationale Forschungsschwerpunkte 2005
© sesam 2008 - Seite 7
Standortvorteil Schweiz
Jean Piaget1896-1980
Manfred Bleuler1903-1987
Jules Angst*1926
Remo Largo*1943
Luc Ciompi*1929
> Besonders günstige Bedingungen• Hohe Stabilität der Bevölkerung (→ parallele langfristige
Untersuchung von drei Generationen mit geringer Ausfallquote)
• Exzellente technische und gesellschaftliche Infrastruktur («Ultraschall und Einwohnerverzeichnis»)
• Intensive Vernetzung der beteiligten Forschungsgruppen
• Langfristige Perspektive des NFS-Programms des Schweizerischen Nationalfonds
> Zuverlässige und aussagekräftige Ergebnisse sind nur unter diesen Bedingungen möglich
© sesam 2008 - Seite 8
Überblick
> Was ist ein Nationaler Forschungsschwerpunkt?
> Warum psychische Gesundheit?
> Grenzen des Wissens
> Ziele, Vorgehen und erwartete Ergebnisse
© sesam 2008 - Seite 9
Das Wichtigste?
© sesam 2008 - Seite 10
Anteil IV-Rentner nach Kantonen
JU
7.4
TI
7.3
NE
6.7
FR
5.9
GE
5.6
VS
5.6
BL
6.0
SG
6.1
VD
5.4
LU
5.2
SH
6.0
SO
5.7
GL
5.6
AR
5.3
BS
9.2
GR
4.9
AG
5.0
ZH
4.9
BE
4.6
AI
4.6
OW
4.5
TG
5.1
SZ
3.9
UR
4.3
ZG
3.8
NW
3.8
Ø CH: 5.4%
2 -
4 -
6 -
8 -
10 -
%
Bundesamt für Sozialversicherung 2006
© sesam 2008 - Seite 11
Zur Bedeutung der psychischen Gesundheit
> 8-10 mal häufiger IV-Rente bei Jüngeren mit psychischen Störungen
> 48.6 % Wahrscheinlichkeit, eine psychische Krankheit zu bekommen
> Deutlich mehr Suizide (rund 1400 jährlich) als Verkehrstote (rund 500)
> Jährliche Kosten durch Milliarden Franken – Behandlung psychischer Krankheiten: 2.3– Suizide und Suizidversuche: 2.4– Stress (ohne Behandlung): 4.2
Murrray & Lopez 1996; seco 2000; WHO 2001; BAG 200;, BSF 2003; Holenstein 2003; Rüesch & Manzoni 2003; Spycher, Margraf & Meyer 2005
Das Leiden der Betroffenen und ihrer Angehörigen wird mit Zahlen nur unzureichend ausgedrückt!
Schweiz:
© sesam 2008 - Seite 12
Die Brandmarkung des Geldfälscher Veit Stoss
(Nürnberg 1503)
Link & Phelan 2001, Gaebel et al. 2004
Stigmatisierung> Verknüpfung eines Personenmerkmals
(„psychisch krank“) mit einem negativen sozialen Stereotyp oder Vorurteil („ist gefährlich“)
> Statusverlust
> Diskriminierung
> Besonders stark bei psychischen Krankheiten
> Weitreichende Skepsis ist selbst bei Ärzten gut belegt (auch Psychiater, Psychologen)
> Selbststigmatisierung und -abwertung
© sesam 2008 - Seite 13
Stigmatisierung
> Zu den Grundrechten zählen u.a. wählen, heiraten, Kinder haben
> USA 2002: Verlust von Grundrechten durch „psychisch krank“ in den Gesetzen der Einzelstaaten– Nicht wählen: 25 von 50 Staaten– Kein Sorgerecht für Kinder: 23 Staaten– Vergleich 1989-1999: Verschlechterung
> Als Basis ausreichend: Aussage eines Zeugen (Experten)
Hemmens et al. 2002
© sesam 2008 - Seite 14
Stigmatisierung in der Schweiz
Zwangsbehandlung
Lauber et al. 2000, 2002
Wie viel Prozent der Bevölkerung befürworten bei psychischer Krankheitdie folgenden Massnahmen?
%0 20 40 60 80 100
Führerschein-entzug
Wahlrecht entziehen
Schwangerschafts-abbruch vorschlagen
19-35
26-39
60-70
71-79
© sesam 2008 - Seite 15
Überblick
> Was ist ein Nationaler Forschungsschwerpunkt?
> Warum ist das Thema wichtig?
> Grenzen des Wissens
> Ziele, Vorgehen und erwartete Ergebnisse
© sesam 2008 - Seite 16
Ursachen: Klassen ätiologischer Faktoren
Vulnerabilität,Prädisposition
Schützende und gesundheitsfördernde Faktoren
Aufrecht-erhaltende
Bedingungen
Margraf, 2000
AuslösendeBedingungen
© sesam 2008 - Seite 17
Gene und Umwelt: Aktuelles Verständnis
Modifiziert nach Hamer, Science 2002; Caspi et al. Science 2003
Verhalten+ Erleben
Epigenetische Prozesse
Individuum
Umweltebenen
Sozioökologisch
Sozioökonomisch
Freizeit/Sozia-le Aktivitäten
Umweltbereiche
Arbeit / Bildung
Familie/Freunde
Umwelt
Psychosozial
mRNAC
G A AG
T
A
G
CA
T
A
Gen-Netzwerke
A
A
T C
G A AG
T
A
C
Methyl
© sesam 2008 - Seite 18
Ursachenforschung benötigt die Entwicklungsperspektive
Kritische biopsychosoziale Schnittstellen
Kompetenzen und Risikoprozesse
K+R
K+R
K+R
Empfängnis Gestation Säugling Vorschule SchuleFrühe
Jugend
Erwachsenen-alter
K+R
SpäteJugend
Kom
pete
nzen
twic
klun
g
Entwicklungspfade auf der Basis von Gen-Umwelt-Interaktionen
NIMH Blueprint for Change, 2001
© sesam 2008 - Seite 19
Probleme der Ursachenforschung
Lösung> Prospektive Längsschnittstudie
„Disziplinäre Insularität“
Henne-Ei-Problem
Kinder und Ältere in Forschung vernachlässigt
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© sesam 2008 - Seite 20
Überblick
> Was ist ein Nationaler Forschungsschwerpunkt?
> Warum psychische Gesundheit?
> Grenzen des Wissens
> Ziele, Vorgehen und erwartete Ergebnisse
© sesam 2008 - Seite 21
Zentrale Fragestellung und Ziele
Ziele:
1. Gesundheitsfördernde und schützende Faktoren identifizieren
2. Konstellationen im Lebenskontext verstehen, die einer gesunden psychischen Entwicklung entgegenstehen
3. Stigmatisierung reduzieren
4. Grundlagen für wirksame Prävention, Behandlung und Bewältigungsstrategien bei psychischen Krankheiten und Lebenskrisen entwickeln
Zentrale Frage:
Verständnis der biopsychosozialen Wechselwirkungen und Ursachen, die seelischer Gesundheit und menschlicher Entwicklung zugrunde liegen
© sesam 2008 - Seite 22
Längsschnitt: 3‘000 Familien
Qu
ers
chni
tt
Schwanger-schaft
Geburt 2 6 8
Kind
4 10 12 14 12 18 20 Jahre
Eltern
Ø 30 32 40 50 Jahre
Gross-eltern
Ø 55 57 65 75 Jahre
Phase 1
2007 2009 2017 2027
Kernstudie: Überblick
Vorbereitungsphase (gerade abgeschlossen): Organisation, Methodendefinition, Ethikanträge
Vo
rbe
reitu
ng
© sesam 2008 - Seite 23
Eine Kernstudie und zwei Arten von Teilprojekten
Phase 1 (years 1-4) Phase 2
H: Parental neglect Pryce et al.
sesam subprojects with separate samples
B: Risk reduction Bodenmann et al. (300 families)
C: Psychobiological programming Hellhammer et al. (200 f.)
E: Pregnancy and mental health Holzgreve et al. (105 families)
I: Mesolimbic dopaminergic funct. Schächinger et al. (120 f.)
F: Transgenerational risk patterns Müller-Spahn et al. (120 families)
L: Triadic family functioning Stadlmayr et al. (150 families)
sesam core study and embedded subprojects (3'000 families)
D: Grandparental investment Hertwig et al.
G: Genetics Papassotiropoulos et al.
J: Parental memory Schneider et al.
K: Social determinants Siegrist et al.
sesam subproject in animal sample (ended in year 2)
M: Autonomic nervous system Wilhelm et al.
N: Data base Dittrich et al.
O: Preeclampsia Holzgreve & Surbeck
© sesam 2008 - Seite 24
Nationales Netzwerk
Hauptorte:
> Basel
> Bern
> Fribourg
> Genève
> Lausanne
> Zürich
Disziplinen:
> Epidemiologie> Familienforschung> Gynäkologie und Geburtshilfe > Kinder- und Jugendpsychiatrie> Medizinsoziologie> Pharmakogenetik> Psychiatrie> Psychologie> Psychobiologie> Verhaltensgenetik> Verhaltensneurobiologie
> Weitere Kooperationen im Aufbau> Administration, Stiftungen, Wirtschaft> Intensive internationale Vernetzung
© sesam 2008 - Seite 25
Geplante Untersuchungen
Sozial> Soziodemographie> Soziale Umwelt> Alltagsleben/Life
Chart
Gesundheit> Schutzfaktoren> Medizinische Informationen> Psychische Gesundheit
Entwicklung> Meilensteine> Schwangerschaft/Geburt> Bindung/Eltern-Kind-Interaktion
Biologisch> Psychophysiologische/neuroendokrine
(Re-)Aktivität> Genotyp, Gen-Umwelt-Interaktion
Psychologisch> Persönlichkeit> Stress/Bewältigung> Kognition/Gedächtnis
© sesam 2008 - Seite 26
Ein konkretes Beispiel
> Stress in der Schwangerschaft/Elterliche Psychopathologie– Befragung der Eltern mit strukturierten, diagnostischen Interviews– Psychobiologische Reaktionen der Mutter unter Stress – Fragebogen zu psychosozialen Belastungen in Schwangerschaft
> Prädiktor für Angst und Depression im Kindes-, Jugend- oder Erwachsenenalter?
> Regulationsstörungen beim Säugling– Tagebücher zu Schrei-, Schlaf-, Fütterverhalten des Kindes– Eltern-Kind-Interaktion, Bindung des Kindes an Bezugsperson
© sesam 2008 - Seite 27
R. Lutz: Indikatoren von Gesundheit oder Krankheit.
In Margraf et al. (Hrsg.), Gesundheits- oder Krankheitstheorie? Berlin: Springer, 1998
Wie psychisch gesund sind Sie?
> Ich geniesse mein Leben> Ich bin oft unbeschwert und gut aufgelegt.> Ich fühle mich von den Leuten, die mir wichtig sind, gemocht und verstanden.> Alles in allem bin ich zufrieden mit meinem Leben.> Im allgemeinen bin ich zuversichtlich.> Ich kann mich schnell und sicher entscheiden.> Es gelingt mir gut, meine Bedürfnisse zu erfüllen.> Ich glaube, dass mein Leben einen Sinn hat.> Vieles, was ich tue, macht mir Freude.> Ich bin in guter körperlicher und seelischer Verfassung.> Ich fühle mich dem Leben und seinen Schwierigkeiten eigentlich gut gewachsen.> Viele Erfahrungen, die ich mache, bringen mich persönlich weiter.> Ich bin ein ruhiger, ausgeglichener Mensch.
Je mehr Ja-Antworten, desto psychisch gesünder sind Sie.
© sesam 2008 - Seite 28
Rekrutierung der Teilnehmerinnen
Okt 07 Jan 08 Apr 08 Jul 08 Okt 08 Jan 09 Apr 09 Jul 09 Okt 10 Apr 10 Jan 10
Pilotphase(3 Monate)
Basel (2.25 Jahre)
Bern, Zürich, Lausanne, Genf (2 Jahre)Pilotphase(3 Monate)
© sesam 2008 - Seite 29
Ansprache der schwangeren Frauen
•sesam-Informationsmaterial•Ansprache durch Arzt/Ärztin
12. SSW
•Einholen der Einverständnis-erklärung (Eltern, Grosseltern)•Weitere Informationen
16. SSW
•Ansprache und Informationdurch sesam-Mitarbeiterin•Schriftliche Information•Aufklärung und Anfrage
• Erster Erhebungszeitpunkt20. SSW
Fragen zu Gründen der Ablehnung(Repräsentativität)
Ablehnung
Ableh-nung
Abl
ehnu
ng
© sesam 2008 - Seite 30
Erwartete Ergebnisse
Kurzfristige Resultate und Zusatznutzen> Querschnittsuntersuchung von drei Generationen> Längsschnittuntersuchung vor/nach Geburt> Interdisziplinäre Integration schweizerischer Universitäten und Spitäler> Nachwuchs- und Frauenförderung
Langfristige Resultate> Antworten auf wissenschaftliche Grundfragen zu seelischer Gesundheit und
menschlicher Entwicklung> Nachhaltige Strukturbildung und Stärkung des Forschungsplatzes Schweiz> Daten von heute für Fragen von morgen
© sesam 2008 - Seite 31
Psychische Krankheit
Psychische Gesundheit
PathogeneFaktoren
machen krank
SalutogeneFaktoren
halten gesund
Auf das Gleichgewicht kommt es an!
>Gesundheit und Krankheit sind keine Alles-oder-Nichts-Phänomene
>Konkretes Zusammenspiel der Ursachen muss erkannt werden
© sesam 2008 - Seite 32
Forschung von Menschen für Menschen
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© sesam 2008 - Seite 33
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