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0 FAKULTÄTSVERTRETUNG THEOLOGIE DER KARL FRANZENS UNIVERSITÄT GRAZ Metaphysik Reinhold Esterbauer SS 09 Alle Rechte, insbesondere das Recht auf Vervielfältigung und Verbreitung, vorbehalten. Alle Angaben ohne Gewähr.

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FAKULTÄTSVERTRETUNG THEOLOGIE

DER KARL FRANZENS UNIVERSITÄT GRAZ

Metaphysik

Reinhold Esterbauer

SS 09

Alle Rechte, insbesondere das Recht auf Vervielfältigung und Verbreitung, vorbehalten.

Alle Angaben ohne Gewähr.

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Alle vom Prof. verwendeten und ins Internet gestellten Folien sind gekennzeichnet und an ihrer jeweils passenden Stelle im Text, bzw. im Anhang zu finden. Zusätzlich sind für die Prüfung 75 Seiten als Pflichtlektüre aus der Literaturliste zu lesen.

1. Was ist Metaphysik?

1.1 Name

griech.: ta meta ta physika „das, was nach der Natur/dem Natürlichen kommt“ -> was heißt das?

verschiedene Interpretationsmöglichkeiten: 1 bibliothekarische ~: Andronikos v. Rhodos (†70 v.) ordnet Schriften des

Aristoteles (†322 v.), die letzten 14 Bücher, die er nicht zuordnen kann, aber inhaltlich zusammenhängen, nennt er Metaphysik. Nikolaus von Damaskus auch (zeitgleich mit Andronikos) (Aristoteles nennt sie „prote philosophia“)

2 didaktische ~: man soll zuerst die „Physik“ studieren, sie als Grundlage wichtig ist, dann „Metaphysik“ (Physik aber andere Bedeutung, bezeichnet Naturphilosophie)

3 inhaltliche/sachliche ~: Metaphysik ist das, was über Naturhaftes/Sinnliches hinausgeht (= neuplatonische Sichtweise)

1.2 Begriffsgeschichte

a. Vorsokratik (ca. 600 v.): Frage nach dem Grund von allem: Was hat es mit der Wirklichkeit als Ganzer auf sich? -> Was ist das Seiende, das die Welt daran hindert, ins Nichts zurückzufallen? (Ebenenwechsel wichtig: der Grund des Ganzen / für das Ganze kann nicht Teil des Ganzen sein)

b. Platon(iker): Ideen + (Über)Idee des Guten. Methexis – Teilhabe (der Dinge an den Ideen) lt. Platon sind Ideen von Geburt an im Menschen,

Erkenntnis = Erinnerung an Ideen, d.h.: die Idee begründet das konkrete Einzelne, die Idee ist das eigentlich Wirkliche. c. Aristoteles: geht nicht davon aus, dass die Idee das eigentlich Wirkliche ist;

geht von einem gedanklich findbaren Begründungsverhältnis aus

Metaphysik (3h / SS 2009)

3 Bestimmungen:

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1. Erkenntnis des Übersinnlichen geht von der Erkenntnis des Sinnlichen aus 2. Frage der Metaphysik zielt auf Ursachenlehre ab -> Ausgangspunkt das Einzelne, nicht die Idee (wie bei Platon) -> kann ich von Prinzipien wieder auf das Über-/Ursprungs-Prinzip fragen? Wird damit zur Theologie! -> Ist nur aufgrund von Vernunft (ohne Offenbarung) Gott denkbar? -> ja (= theologike episteme – theologische Wissenschaft)

3. „Frage nach dem Seienden als solches / einem solchen / einem Seienden“ griech.: on he on (lat.: ens qua ens)

-> es wird nach Gesamtheit, nicht nach Teil gefragt (bei Heidegger: Ontotheologie)

Thomas von Aquin: Identifikation des Urgrundes allen Seins mit dem christlichen Schöpfer. Metaphysik ist für Thomas Theologie insofern sie Gott + Engel behandelt; „prima philosophia“ -> will Ursache für das Seiende finden/begründen Francesco Suarez: 1597 „disputationes metaphysicae“ -> 1. selbstständige Metaphysik seit Aristoteles’ Zweiteilung: -> ausgehend vom Seienden

-> Gott als Urgrund

1.3 Einteilung der Metaphysik nach Christian Wolff

letztgenannte Grundkonzeption (s. Suarez) wird im 17./18. Jahrhundert aufgelöst

Francis Bacon (†1726): Einteilung der Metaphysik in: a) Lehre von Gott b) Lehre vom Menschen c) Lehre von der Natur

Metaphysik wird zu einer formalen Wissenschaft (zu einer reinen Prinzipienlehre), danach erst zu einer inhaltlichen Wissenschaft

Lehre von Gott, nicht mehr Lehre vom Grund alles Seienden; Gott steht gleichrangig neben anderen Themen der Metaphysik (z.B. Mensch, Natur, etc.)

Wolff systematisiert und teilt Metaphysik nach folgendem Schema ein:

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Änderungen zum alten Schema:

1 Einteilung in formale (generalis) und inhaltliche (specialis) Metaphysik 2 Konzept nicht mehr so gedacht, dass der letzte Grund Gott; theologia gleichrangig mit psychologia und cosmologia (Gott nicht mehr Kernfrage) 3 man geht nicht mehr vom real Seienden aus, sondern vom

Denkmöglichen / vom Widerspruchsfreien -> Wechsel von Erfahrungs- auf Denkebene/Möglichkeitsebene

1. Frage also: Denkbarkeit / log. Widerspruchsfreiheit -> abstrakt; Metaphysik nähert sich Erkenntnis-Theorie -> Erfahrung nicht mehr notwendig (ist dann rationalistisch)

Einteilung von Wolff hatte großen Einfluss, bis heute spürbar

1.4 Begriffsklärung: Metaphysik, Ontologie, philosophische Gotteslehre

Metaphysik (im engeren Sinn): sehr uneinheitlicher Begriff, kann als Methode gelten mit der man die Welt verstehen kann/will, kann als Ontologie verstanden werden oder für alles Sichtbare

(Metaphysik im weiteren Sinn: Überbegriff für Ontologie + philosophische Gotteslehre)

Ontologie (heute):Lehre von Seiendem + Sein, Lehre von der Wirklichkeit

philosophische Gotteslehre: theologia naturalis / theologia rationalis. Sie will allein mit Mitteln der Vernunft nach Gott fragen. Offenbarung, Hl. Schriften etc gelten hier nicht als Erkenntnisquellen.

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früher (Aristoteles, Thomas, etc.): philosophische Gotteslehre war krönender Abschluss der Metaphysik; heute nach Wolff: Abtrennung von Metaphysik + philosophischer Gotteslehre

2. Wie ist Metaphysik heute möglich?

Sie stößt auf große Kritik!

Kann Metaphysik überhaupt wissenschaftlich sein, wenn sie über Empirie hinausgeht? unser Wahrheitsverständnis heute: alles, was in Experimenten beweisbar ist

1 Metaphysik nicht mehr wissenschaftlich, weil Erfahrungsbezug ausgeklammert wird 2 Metaphysik experimentell nicht beweisbar 3 verschiedene Metaphysik-Traditionen 4 empirische Zugänglichkeit von Wirklichkeit wird immer größer, deshalb muss Metaphysik weniger bzw. unbedeutender werden

2.1 Infragestellungen der Metaphysik

2.1.1 Kritik Kants

2 Generationen nach Wolff; wesentlich von rationalistischer Auffassung der Metaphysik bestimmt; 2 Lehrer Kants: Knutzen (unbedeutend), Baumgarten; beide Wolffianer

Kant lernte erfahrungsentzogene Metaphysik -> sagt selber, dass er durch englischen Empirismus (Locke, Hume) aus dem „dogmatischen Schlummer geweckt worden ist“.

Frage: Wie sind rationalistische Schul-Metaphysik und empiristische Vorgehensweise verknüpfbar? -> nur in Begriffen denken ist nach Kant nicht möglich – eine Theorie muss sowohl von der Erfahrungs- als auch von der Vernunftebene geprüft werden; sonst nur bloßes Herumtappen auf der Begriffsebene!

-> ist Metaphysik aber auf anderer Basis möglich?

Metaphysik: ist eine Naturanlage des Menschen (woher komme ich? wohin gehe ich? etc.). Früher war Metaphysik anscheinend nicht in der Lage, zwischen wahr und falsch zu unterscheiden

Kants Frage: kann ich Metaphysik als Wissenschaft betreiben?

wie kann man metaphysische Dinge erkennen? -> erkenntnistheoretischer Zugang

Urteile (d.h. Sätze, Aussagen)kann man nach Kant folgendermaßen unterscheiden:

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synthetisch - analytisch a priori – a posteriori

Anschauung Begriff

2 Fragen: gibt es a) synthetisch-apriorische Urteile? b) analytisch-aposteriorische Urteile?

ad b) die Kugel ist per definitionem rund, weiß ich vor der Erfahrung – durch Erfahrung kann ich feststellen: es stimmt. -> die Erfahrung ist für diese Aussage aber nicht notwendig / wichtig

ad a) wichtig! Frage anders formuliert: kann ich auf neue Dinge draufkommen ohne Erfahrung?

Kant: (rationalistische) Metaphysik ist als Wissenschaft möglich, wenn ich synthetisch apriorische Urteile haben kann. Kant: solche Urteile sind möglich, aber nur in der Mathematik! Nicht in der Metaphysik, wie er sie kennt!

Warum? -> 2 Charakteristika für wissenschaftliche Aussagen: - Notwendigkeit (d.h. ohne Alternative) - Allgemeingültigkeit

Wie läuft Vorgang der Gegenstandserkenntnis? (Rationalismus würde sagen: nur Vernunft nötig; Empirismus würde sagen: nur durch Erfahrung; beides ist nach Kant einseitig) -> lt. Kant immer sowohl anschauliche (empirische) als auch begriffliche (rationalistische) Seite der Erkenntnis -> wie kommen Anschauung und Begriff zusammen?

Sinnlichkeit - Verstand ↓ ↓

Mensch trägt an die Wirklichkeit Ordnungsstrukturen heran, diese liegen nicht in der Wirklichkeit selbst, sondern im erkennenden Subjekt und helfen, das Chaos der Eindrücke zu ordnen. (-> Kategorien!)

Beispiel: Man stellt sich zuerst die Erde aus dem Weltall vor, dann das ganze Sonnensystem, dann die Milchstraße, dann das ganze Universum -> letztlich stellen wir uns selbst das Universum räumlich vor (womöglich wie eine Kugel); wenn es aber eine geometrische Form ist, dann stellt sich die Frage: was ist außerhalb? -> das „Universum“ ist per definitionem „alles“, d.h. die Frage nach dem was außerhalb ist, ist nicht zulässig / nicht möglich, bzw. die geometrische Vorstellung von „allem“ auch nicht

synthetisch: „zusammengesetzte“ Urteile, Urteile mit Erkenntnisgewinn analytisch: Eigenschaften schon im Begriff enthalten, bereits vor der Erfahrung ohne weiteres möglich (z.B. runde Kugel; ist Tautologie) a priori: vor der Erfahrung a posteriori: nach der Erfahrung

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-> wir tragen also Räumlichkeit selbst an die Dinge heran

Raum und Zeit sind solche Ordnungsstrukturen: reine (apriorische) Anschauungsformen -> sind nicht subjektiv, sondern diese Ausstattung kommt zum Menschsein dazu!

Zitat: „Gedanken ohne Inhalt sind leer und Anschauungen ohne Begriffe sind blind.“ (Kant) -> ebenso notwendig Begriffe sinnlich zu machen wie Anschauung begrifflich / verstehbar

„Allgemeinheit“ und „Notwendigkeit“ kommen aus dem Verstand, nicht aus (vll. zufälligen) optischen Eindrücken -> sinnlich Erkanntes allein macht noch keine Wissenschaft aus, ist unstrukturiert

Wenn aber Erkenntnis-Komponenten aus dem Subjekt hinzukommen, kann ich die Dinge, wie sie an sich sind, „Dinge an sich“ nicht erkennen (nur, wie sie „für uns“ sind, d.h. die „Dinge als Erscheinung“ für mich)

-> Ding an sich wird nicht erkannt (gilt für ganze Erkenntnis, nicht nur für die Metaphysik; -> prinzipieller Weltzugang, dies ist nicht veränderbar)

wichtig ist lt. Kant: Grenzen zwischen Sinnlichkeit und Verstand sind einzuhalten, sonst kommt man in Widersprüchlichkeiten

wissenschaftliche Erkenntnis: 1. muss sinnlich sein 2. braucht Begründung, die auf Sinnlichkeit bezogen ist 3. resultierende Urteile sind notwendig und allgemein 4. Ding nicht an sich erkennbar, sondern nur als Erscheinung

-> wenn in Metaphysik diese vier Punkte erfüllt sind, dann ist sie eine Wissenschaft / als Wissenschaft betreibbar

ad 1.) damalige Metaphysik ist erfahrungsenthoben, reine Spekulation mit bloßen Begriffen! -> also keine Sinnlichkeit vorhanden

damit schon entschieden: Metaphysik keine Wissenschaft, sondern Scheinwissen -> Wissenschaft ohne Sinnlichkeit: Dogmatismus

Was muss gegeben sein, dass es zu Erkenntnis kommt? Die Antwort entspricht der Bedingung der Möglichkeit der Erkenntnis.

einzig mögliche Metaphysik: (abgesehen von der Mathematik) das Reden über die Bedingung der Möglichkeit der Erkenntnis!

Gott ist nicht sinnlicher Gegenstand, also gibt es auch keine Wissenschaft über ihn (Kant); Fragen dadurch nicht uninteressant oder erledigt, aber: sie stehen am falschen Ort! -> auf Grundlage der theoretischen Vernunft Thema nicht behandelbar

-> Ortwechsel notwendig zur praktischen Vernunft: -> ist Sittlichkeit denkbar ohne Freiheit des Menschen? Unsterblichkeit der Seele? Existenz Gottes?

also: Gott ist zu postulieren! (Kant)

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-> sonst keine Ethik / Moral / Sittlichkeit -> ich muss ihn im Sinne des kategorischen Imperativs postulieren

Kritik an Kant: 1. sehr enger Erkenntnisbegriff (nämlich nur wenn sinnlich, d.h. auch keine Intuition möglich) -> Naturwissenschaft seiner Zeit war Vorbild für Erkenntnis (in dieser Hinsicht Metaphysik natürlich ungenügend)

[Weiterentwicklung des Idealismus (philosophische Strömung): -> es gibt nicht nur eine sinnliche, sondern auch eine rein intellektuelle Anschauung! (zB. mystische Erfahrung)]

1 Grenzen des Anschauungsbegriffs 2 Naturwissenschaft als Prototyp der Erkenntnis sinnvoll? 3 Kant bleibt in Wolff’schem Schema hängen (obwohl seine Transzendentalphilosophie diese ablöst)

2.1.2 Kritik Nietzsches

Vorgeschichte: Schoppenhauer geht vom metaphysischen Verlangen des Menschen aus, er hat das Bedürfnis sich mit diesen Dingen auseinanderzusetzen -> wichtig für Nietzsche, übernimmt zuerst diese Theorie und kritisiert sie schlussendlich aufs heftigste

er sagt zuerst: es ist sinnlos, Metaphysik abzuschaffen, bzw. abschaffen zu wollen, weil der Mensch es braucht. Später widerruft er: etwas ist falsch als metaphysisches Bedürfnis interpretiert worden

„fröhliche Wissenschaft“: Metaphysik ist ein Nachschössling der Religion wenn diese in die Krise kommt -> im Zeitalter der Religionen gibt es noch eine „andere“ Welt (wo Gerechtigkeit besteht etc.)

-> wenn Religion stirbt, entsteht hier eine Leere -> aus Gefühl, dass etwas fehlt, wächst Vorstellung von Vernunftprinzipien (mit Religion verwandt, denn mit diesen Vernunftgründen wird wieder eine „andere“ Welt gedacht – obwohl Gott nicht mehr vorkommt)

Dieser Begründungsversuch der Metaphysik von Schoppenhauer muss noch einmal revidiert werden: -> wo funktioniert Bedürfnisthese nicht mehr? lt. Nietzsche: Mensch braucht Halt, aber der Halt, den der Mensch sucht, ist ein Zeichen der Schwäche!

-> hätten Menschen Freiheit / Selbstbestimmung, hätten sie kein Bedürfnis nach Metaphysik mehr

Metaphysischer Unterbau nicht nur in Religion, sondern auch in der Wissenschaft -> verzweifelte Suche nach sicherem Wissen! -> nach Betrachtung der Realität sagt Nietzsche: nur die Schwachen brauchen das –> Mensch soll in sich selbst Sicherheit finden, nicht im Äußeren -> Metaphysik täuscht Menschen und konserviert Instinkt der Schwäche – das ist auszumerzen! (-> der Freigeist hat es geschafft, dieses Bedürfnis abzutöten)

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2.1.3 Kritik des Positivismus

Positivisten: beschränken die Erkenntnis auf die Interpretation positiver, empirischer Befunde -> grundsätzliches Misstrauen gegenüber Metaphysik; Verdacht auf sinnlose Aussagen, da sie nichts bezeichnen

Grob gesagt 2 Arten von sinnvollen (also wahrheitsfähigen) Aussagen im Positivismus erkennbar:

• analytische Aussagen: alle Aussagen der Logik / Mathematik, die ein geschlossenes System darstellen, mithilfe dessen man sagen kann, was wahr und falsch ist. • synthetische Urteile aposteriori: Erweiterungsurteile in Bezug auf die Empirie, zB. sind Sätze der Physik wahr, da sie an der Empirie überprüft werden. (-> Urteile müssen einem Verifikationsprinzip unterstellt sein; d.h. man sucht nach einem Nachweis, dass ein behaupteter Sachverhalt wahr ist)

Empirisches Sinnkriterium: soll ein Kriterium darstellen, womit man wissenschaftliche von nichtwissenschaftlichen Sätzen unterscheiden kann

-> metaphysische Sätze entsprechen diesem Sinnkriterium nicht, da sie empirisch nicht nachgewiesen werden können (zB. die Seele eines Menschen)

Problem: ist das Sinnkriterium selbst ein wissenschaftlicher/wahrheitsfähiger Satz? Er kann selbst nicht empirisch nachgewiesen werden, daher ist er ein sinnloser Satz -> damit auch alles weitere sinnlos und das Sinnkriterium nicht aufrechtzuerhalten.

Der Wiener Kreis versuchte das Sinnkriterium zu verändern / abzuschwächen, um ihm letztlich doch einen Sinn zu geben, gelang aber in dieser Form nicht. Es wurden noch weitere Kriterien aufgestellt, weswegen Metaphysik nicht gelingen kann, zB. von

Hans Reichenbach: „Der Aufstieg der wissenschaftlichen Philosophie“ 1953 -> die ganze Philosophie ist von der Metaphysik zu befreien und den Naturwissenschaften anzugleichen – Metaphysik hinderlich an den Arbeiten der Wissenschaften.

3 Vorwürfe gegenüber der Metaphysik:

⇒ Metaphysik ist Produkt menschlicher Ungeduld und das Ergebnis von zu schnellen Schlüssen gegenüber problematischer Fragen; die meisten der behandelten Fragen sind aber prinzipiell nicht lösbar. Man sollte aufhören, diese Fragen zu stellen, bzw. wenn man schon diese Fragen stellt, sollte man die vermeintlichen Antworten nicht als Wissenschaft hinstellen ⇒ Metaphysische Fragen haben keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit, denn Verallgemeinerungen von Einzelbeobachtungen, die intersubjektiv nicht nachprüfbar sind, sind nicht legitim.

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⇒ Metaphysik ist das Ergebnis des Wunschdenkens des Menschen, nicht sterben zu müssen.

-> Begriff der Hinterwelten: Welten, die gerechter, besser, etc. sind als diese Welt. Kann es eine Wissenschaft dieser Hinterwelten geben? (Metaphysiker ~ Hinterwelter)

2.1.4 Kritik Heideggers

-> keine fundamentale Metaphysik-Kritik. Er tut sie nicht als sinnlos ab, sondern sie ist vielmehr die bestimmende Disziplin des abendländischen Denkens überhaupt. (ausgehend von Platon, vor ihm anderes Denken vorherrschend) lt. Heidegger ist metaphysisches Denken nicht auf die Philosophie beschränkt, sondern kommt auch in der Naturwissenschaft vor; diese ist ein Produkt der Metaphysik, und wird auch wie sie betrieben.

Konzeption von Wahrheit:

gr. „alétheia“ – Wahrheit -> „lethe“ –vergessen „a“ – Negierung

Etymologisch gesehen ist dies eine falsche Herleitung, aber Heidegger verwendet den Begriff so und übersetzt den griechischen Begriff „Wahrheit“ als „etwas aus dem Vergessen bringen, entbergen“, d.h. etwas nicht Bekanntes zur Bekanntheit bringen. (-> Metaphysik also ist das Sichtbarmachen der bestehenden Grundstruktur der Wirklichkeit)

-> Seiendes in Offenheit bringen Bei Verstehen der Wirklichkeit als Ganzes (wie es die Metaphysik tut), gehen wir davon aus dass die Wirklichkeit auch nur einen einzigen Grund hat – das muss aber nicht notwendig so sein.

-> abendländisches Denken hat einen ontotheologischen Grundzug: man geht vom einzelnen Seienden aus, man denkt den Logos und führt diesen Grund zurück auf eines, das man dann Gott nennt. Das muss aber nicht so sein.

-> Heidegger ortet Schwäche der Seinsvergessenheit: Er betrachtet Einheitsgrund, und fragt sich, wie dieser zu Denken sei. Er vermutet, dass Gott hier verdinglicht wird, zB. als summum ens etc. -> Grundfehler, den Grund für das Seiende auch wieder als Seiendes zu denken. Man muss es als Sein denken! -> wie ist das denkbar, ohne das Sein zu verdinglichen?

-> lt. Heidegger hat das metaphysische Denken ein Denken des Zugriffs, der Manipulation möglich gemacht (sichtbar am Technik-Verständnis, das nur durch Metaphysik möglich gemacht wurde); wenn man dem technisierten Denken entkommen will, muss man ein radikal anderes Denken annehmen. -> woher dieses Denken nehmen? Es wurde in der Dichtung bereits von Hölderlin angedeutet… (Heidegger war Hölderlin-Fan ☺)

Wir können aber unser Denken nicht einfach ändern, gerade dann würden wir wieder dem Denken von Machbarkeit unterliegen. Heidegger versucht jetzt, das Sein geschichtlich zu denken – es spricht sich gegenüber den Menschen in jeder geschichtlichen Epoche anders aus und die Wirklichkeit wird je anders entborgen. Man muss also warten, bis das Sein in der fortlaufenden Geschichte auf andere Weise sich entbirgt. Jedoch ist in jeder Epoche die ontologische Differenz (Unterschied zwischen Sein und Seiendem) unbedingt aufrechtzuerhalten!

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Seine Sicht der Dinge bringt ihm viel Kritik ein, zB. den Vorwurf der Geschichtsmythologie (der gewissermaßen ein „mehr“ an Metaphysik wäre)

Kritik: Wie kann man mit einer solchen Konzeption gerade den Vorwürfen der Erfahrungsentzogenheit entkommen? -> vom Regen in die Traufe. Seine Sprache ist sehr spezifisch und schwer vermittelbar – im besten Fall ist es Poesie, aber hart an der Grenze zu einer verwendbaren Fachterminologie. Positivisten: Heidegger = sinnlos, da wiederum Erfahrungsbezug fehlt.

2.2 Metaphysische Rückgebundenheit von Metaphysikkritik

Es ist sehr schwer, Metaphysik zu kritisieren, ohne selbst Metaphysik zu verwenden. Auch sehr schwer, eine allgemeine Definition von Metaphysik zu finden, da gewisse Kritiken nur auf eine spezifische Verwendung / Vorkommensweise von Metaphysik zutreffen. Metaphysische Konzeptionen beinhalten verschiedene Positionen, Entscheidungen für gewissen Weltbilder, etc. -> mit rein logischen Mitteln nicht aus der Welt zu schaffen, wäre selbst wieder eine Entscheidungdie Metaphysik impliziert, bzw. dass der Weltzugang anders nicht möglich ist.

Wichtige Fragestellungen immer: Welche Positionen gibt es? Welche Konsequenzen haben sie?

Wohinter man vermutlich nicht zurückgehen darf: • die von Kant eingeforderte Erfahrungsbezogenheit • die von Nietzsche verlangte Abkehr von der vermeintlichen Hinterwelt

jedoch: wie konkret diese Forderungen aussehen, bleibt offen. Bei Kant zB. kann man fragen, ob denn der Erfahrungsbezug ein naturwissenschaftlicher sein muss.

1 indispensabler Erfahrungsbezug, jedoch weiterer Erfahrungsbezug (als bei Kant) 2 Metaphysik nicht so leicht zu verabschieden (aufgrund des Hinweises, dass Metaphysikkritik immer noch Metaphysikreste aufweist) 3 Metaphysik hat aber auch Gefahrenpotential, zB. bei Begründung von politischen Positionen (zB. bei Hegel die Begründung für den Imperialismus Europas). Metaphysik ist wie Metaphysikkritik ideologieanfällig!

2.3 Neuansätze von Metaphysik

Frage: Wie kann man heute noch passend Metaphysik betreiben?

1. transzendentalphilosophischer Ansatz:

z.B. bei Weissmahr: Metaphysik ist Versuch, Aussagen über die Teile der Wirklichkeit zu machen, die der Empirie nicht zugänglich sind; Wirklichkeitszugang muss also ein anderer (als der „normaler“ Wissenschaften) sein. aber welcher? Annahme: es gibt wahre Aussagen, die empirisch nicht überprüfbar sind

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zB möglich durch Retorsion: jemand (1) sagt: alles ist determiniert, der Mensch ist nicht frei, es gibt keine Freiheit; diese Person (1) redet mit einer anderen Person (2), die sagt, es gibt Freiheit (etc.) → (2) fragt nach (1) zurück, wieso er ihn dann überzeugen wolle, da seiner

Ansicht nach (2) ja determiniert ist (d.h. eben so gebaut, dass er keinen Determinismus vertreten kann) Ein retorsives Argument kann gegen denjenigen selber angewendet werden.

(Determinismus: empirisch nicht nachzuweisen; obwohl: Determinist wird natürlich was anderes behaupten.) Weissmahr geht es um Bedingung der Möglichkeit von empirischen Aussagen → „solche Aussagen stecken implizit in empirischen Aussagen drin“ „Metaphysik ist philosophische Disziplin, die hintergründiges Grundwissen systematisch zur Sprache bringen will“ Suche von notwendig wahren Sätzen, die in empirischen Aussagen enthalten sind (zB: „die Tafel ist grün.“ Voraussetzung: es gibt Gegenstände / es gibt den Sprecher, etc.), diese müssen mit empirischen Sätzen wahr sein. Die Voraussetzungen sind Möglichkeitsbedingungen, die aber nicht mitgedacht werden in der Naturwissenschaft.

⇒ es ist schwierig, aber wir haben keine Wahl:

→ „schwierig, aber es bleibt uns nix anderes übrig“

(Bedingung der tatsächlichen Erkenntnis: „transzendental“ transzendentale Sätze: „Sätze über die Bedingung der Möglichkeit empirischer Sätze“) Aufgabe der Metaphysik wäre es also, die Möglichkeitsbedingungen von Erkenntnis zu thematisieren, die sonst unthematisiert blieben. Gegenstandsbereich: nicht empirisch, Empirie gerät aus dem Blickfeld (beschränkt sich nach wolffscher Einteilung auf „metaphysica generalis“)

2. Metaphysik als Postulatenlehre

zB. Schmiedinger: „Metaphysik ist eine mögliche Form, die sich mit der Wirklichkeit in ihrer Gesamtheit beschäftigt.“ Frage auch hier: Ist Metaphysik als Wissenschaft möglich und wenn ja, wie?

.

i. innerhalb der Fachwissenschaften: Physik: „Was ist Materie?“ => dies ist eine Grundfrage, mit der die Physik operiert, die sie selbst aber nicht erörtern kann. Physik hat keinen Begriff von Materie. → man geht davon aus, dass die Natur geordnet ist, sonst wäre Physik

nicht möglich ii. wenn auch bisherige Typen von Metaphysik kritisiert worden sind, gibt es ja

vielleicht irgendwann eine kritikresistente Metaphysik. Es gibt unausweichliche Fragen, die aber in der Naturwissenschaft nicht fassbar sind. iii. mit welcher Berechtigung wird Wissenschaft auf Naturwissenschaft beschränkt?

Was heißt Wissenschaft? Auch Geschichts-, Literaturwissenschaft sind nicht quantifizierbar. Ein weiterer (weniger enger) Wissenschaftsbegriff wird notwendig; nur dann Metaphysik als Wissenschaft möglich und ohne den Vorwurf der bloßen Spekulation

⇒ aber: wie soll Metaphysik dann betrieben werden? Schmiedinger: als Postulatenlehre, weil:

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i. jede Theorie von einem relativen Standpunkt ausgeht

Postulat: mehr als Hypothese; aber auch hypothetisch, weil nicht beweisbar aber: gewisse Dinge müssen postuliert werden! zB. kategorischer Imperativ nur dann möglich, wenn Mensch frei ist; • wenn kategorischer Imperativ richtig ist, muss ich Freiheit des Menschen unbedingt postulieren! (ohne es beweisen zu können) → wenn ich den Wissenschaften Wahrheitsfindung zutraue, muss ich Postulate haben die die wissenschaftlichen Grundbegriffe notwendig begleiten

• solche Postulate bleiben aber an Art und Weise, wie Naturwissenschaften betrieben werden, geknüpft • Metaphysik hat Aufgabe, diese Postulate zu reflektieren (→ Fragen also auch geschichtlich kontingent)

• iv. es unmöglich ist, alles zu systematisieren (zB. Leid: dadurch wird alles verharmlost) Postulatenlehre:

iii. Vernunft keine einheitliche, sondern eine gebrochene ist

ii. mit Systematisierung bestimmte Dinge zugedeckt und andere bevorzugt werden

mit dem Tod Hegels ist die Systemlehre der Philosophie nie wieder so stark geworden; Systemdenken obsolet geworden, damit aber Frage nach dem Ganzen nicht gestorben → führt aber diese Frage nicht zu Systemdenken?

wenn ich davon ausgehe, dass Fachwissenschaften partiell / abstrakt vorgehen, und ich Metaphysik an ein solches System dranhänge, dann wird auch innerhalb der Metaphysik die Frage nach dem Ganzen verschwinden.

3. analytische Philosophie

zB. Rudolf Carnap: 1931 Aufsatz „Die Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“ → will zeigen, dass Heidegger Texte sinnlos sind Sinnkriterium: ein Satz ist nur dann sinnvoll, wenn er empirisch überprüfbar ist. Quine [kwain]: „alle Sprecher müssen ontologische Verpflichtungen eingehen, um zu behaupten, dass ihre Aussagen wahr sind“ → die Behauptung, dass es etwas gibt, hat die ontologische Grundfrage aufgeworfen

analytische Philosophie begann mit starker Metaphysik-Kritik, ist jetzt wieder salonfähig geworden → es geht nicht so sehr um den Sinn des Ganzen, sondern um Einzelfragen die mit analytischen Methoden bearbeitet werden. Analytische Phil.: Einzige Aufgabe der Metaphysik: Sprachanalyse. Dies lässt sich mit Quine aber nicht aufrecht erhalten. Metaphysik in der analytischen Philosophie heute kein Problem mehr → dort wird aber lieber von „Ontologie“ gesprochen, weil sozusagen „Zweitwelt“ abgelehnt wird

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4. skeptische Metaphysik

zB. Schlette: Metaphysik als „kleine Metaphysik“ zu betreiben; „große Metaphysik“ schon überzogen worden

3 kantsche Postulate: Unsterblichkeit der Seele, Gott, Freiheit

→ Postulate: unbegründbar, immer diskutiert und nie entschieden worden zB: Gottesfrage: er sagt „ich weiß es nicht“ und das muss man ernst nehmen (weder Beweis noch Gegenbeweis zu finden)

→ Unzugänglichkeit Freiheit: verborgen, nicht beweisbar (auch

Determinismus nicht) Unsterblichkeit der Seele: s.o.

• werden in Aporien geführt, diese Fragen sind unentscheidbar • ist das nicht Abschaffung der Metaphysik? noch nicht.

→ in Unentscheidbarkeit liegt noch tieferer Sinn!

⇒ skeptische Sicht: es gibt keine geschlossenen Metaphysik-Systeme, weil sie zu schnell zu Theologie werden

→ Agnostizismus: System nicht schließbar → Vorteil der „kleinen Metaphysik“: bringt große, gefährliche Systeme zu Fall. Die metaphysischen Fragen sollen bleiben, aber nicht entschieden werden. „Rätselhaftigkeit ist fundamentale Wahrheit, alles andere Interpretation“

• Vorwurf: destruiert alle Systeme; lässt sich mit „kleiner Metaphysik“ leben?

⇒ Schlette sagt ja: zB. „negative Sinnrichtung“

• es gibt einen Sinn, nur ist er verborgen • das lehnt aber Schlette auch ab! • „politische“ Sinngebung

→ Ernstnehmen der Sinnlosigkeit des Streitens über Metaphysik, weil Lösung verborgen ist

Restsinn: kein Streit, weil sinnlos

skeptische Metaphysik also: i. Zurückführung auf ein Mindestmaß von Metaphysik ii. „metaphysica generalis“ wird abgelehnt iii. „metaphysica spezialis“ ist unmöglich (→ dies kriegt politischen Sinn!)

„Praxis der Unentscheidbarkeit ist keine der Untätigkeit!“

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(die Frage ist: ist die Sinnfrage als universelle Frage nicht zu weit

zurückgenommen?)

2.4 Sachbestimmung und Thematik von Metaphysik

Metaphysik nur dann sinnvoll, wenn ein Gegenstandsbereich gefunden wird, den spezifisch nur Metaphysik behandelt -> diesen gibt es in dem Sinn nicht, weil sie ja „alles / die Wirklichkeit als Ganzes“ thematisiert. (-> Metaphysik beschäftigt sich mit Fragen, deren Nicht-Stellung das Erfolgsrezept der Fachwissenschaften ist)

lt. Kant ist sie nicht möglich, da sie erfahrungsenthoben ist.

1. Schritt: alle Wissenschaften durchgehen und alle Disziplinen zusammenfügen (-> Gesamtheit kommt aber nicht durch bloße Summe aller Teile zustande…!) 2. Schritt: Frage nach der Gesamtheit notwendig, dafür auch eine selbstständige Perspektive! Das führt zum 3. Schritt: Finden einer eigenen Methode von Metaphysik notwendig.

Grundlage für diese Methodik ist die Abstraktion von der Erfahrungswelt mithilfe einer bestimmten Perspektive (zB. mit Brille der Quantizität, man blendet dabei andere Sachen aus)

• Metaphysik = Reflektion unserer Erfahrungswelt als solcher (in ihrer Gesamtheit) • Daher wird Metaphysik zur Ontologie, weil sie vom Seienden ausgeht

2.5 Ontologie und ursprüngliche Erfahrung

• in welcher Erfahrung der Lebenswelt wird mir die Wirklichkeit als Ganze zur Frage? • wo tauchen Probleme auf, die Fragen an die Wirklichkeit an sich stellen?

„Konzept der ursprünglichen Erfahrung“ (-> Erfahrung soll möglichst ursprünglich hervortreten)

1. ursprüngliche Erfahrungen werden nicht hergestellt, sondern widerfahren einer Person • nicht wie in naturwissenschaftlichen Experimenten, wo Erfahrungen erzwungen werden; es soll ja gerade jene sein, die nicht von mir provoziert wird, sondern die sich mir stellt aus der Wirklichkeit selbst heraus (dort gibt nicht das Subjekt die Prämissen vor) • nicht planbar, entzieht sich der Kontrolle, zB. der Tod eines lieben Menschen, plötzliches Verlieben in jemanden

2. ursprüngliche Erfahrung trifft immer ein Individuum als solches

zeigt sich darin, dass man nicht vertreten werden kann (zB. in einer Beziehung), sie ist nicht funktionsbezogen

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• aus der Sicht des betroffenen Individuums: meist eminent wichtige Bedeutung für den Lebenslauf (kann nicht leicht vereinfacht / objektiviert werden) • in naturwissenschaftlichen Experimenten wird das Individuum ausgespart, hier ist die Erfahrung von Individuum zu Individuum verschieden

3. ursprüngliche Erfahrung verändert die erfahrene Person • eventuell ändert sich das Wirklichkeitsverständnis, damit auch die Person (zB. durch Krankheit / Begegnung ändert sich grundlegender Lebensvollzug wie etwa Arbeit, Glaube, etc.)

4. Schlagseite: durch Verlust der Objektivität ist die Erfahrung nicht mehr verallgemeinerbar, nur noch mitteilbar (dann brauche ich ein solches System ja nicht mehr)

• Es müsste etwas subjektiv Erkennbares sein, aber basierend auf etwas mitteilbarem Allgemeinen (zwar immer zwischen 2 Personen verschiedene Erfahrungen, aber trotzdem möglich darüber zu sprechen – zumindest bei den meisten)

5. ursprüngliche Erfahrung = unausweichlich • Mensch darauf angewiesen, sich im Leben zurechtzufinden -> jeder hat Sinnkonzeption für sein Leben, ursprüngliche Erfahrungen berühren diese (können bestätigt oder dann verworfen werden) • man kann nur darauf reagieren: deuten, damit umgehen lernen, akzeptieren, etc.

6. ursprüngliche Erfahrungen erfassen Verstehen und Erkennen • Wirklichkeit bricht über jemanden herein und stellt vor eine Frage, oft weiß man nicht wie einem geschieht, man muss sich orientieren (Wirklichkeit wird fraglich)

Missverständnis: Solche Fragen sind normalerweise nicht endgültig zu beantworten, die Erfahrung vom Ereignis nicht zu trennen, die Betroffenheit etwas Dauerhaftes -> keine vorschnellen Rezepte möglich! (und auf solche Fragen Antworten zu geben auch nicht Aufgabe der Philosophie)

Analyse solcher Erfahrungen die Grundlage für eine erfahrungsbezogene Metaphysik. Wie ist jetzt der Zusammenhang zwischen zB. Tod eines geliebten Menschen und mir? -> Auseinandersetzung mit dem Tod (und aller damit gestellten Fragen)

3. Seinsfrage

-> „warum gibt es überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?“

3 wichtige Momente:

1. diese Frage ist universell („überhaupt“) 2. warum gibt es „etwas“? Seiendes als Seiendes befragt / Wirklichkeit als Wirklichkeit befragt

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3. „warum“ gibt es etwas? Finden von plausiblem Grund bzw. plausibler Ursache der Wirklichkeit; -> man fragt deshalb auch immer nach dem Grund seiner selbst, weil ich ja Teil der Wirklichkeit bin (außer man ist Solipsist); siehe Augustinus: „Ich bin mir selbst zur Frage geworden.“

4. Ontologische Differenz und der „Begriff“ des Seins

-> ontologische Differenz: Unterschied zwischen Sein und Seiendem:

Auf der einen Seite: alles Existierende, die Wirklichkeit als Ganze = das Seiende. Auf der anderen Seite: das Sein an sich, welches der Grund für alles Seiende, für die Wirklichkeit ist Das Sein = Grund dafür, dass es etwas und nicht nichts gibt.

andere Differenz: ontische Differenz -> Unterschied zwischen Seiendem und Seiendem -> keine Schwierigkeit, zwei Seiende miteinander in Bezug / in Differenz zu bringen. Zwei Seiende befinden sich auf derselben ontologischen Ebene. (anders Seiendes und Sein -> unterschiedliche ontologische Ebene!) Warum Flasche halb voll? -> weil Besitzer die Hälfte getrunken hat -> Differenz zwischen Flasche und Besitzerin, die eine Seiende bewirkt etwas am anderen Seienden

-> die meisten Fachwissenschaften arbeiten auf dieser Ebene (zB. in der Physik erklärt man nichts durch einen „Geist von außen“ etc., Begründung nur physikalisch, man bleibt auf der selben ontologischen Ebene)

! Auf der ontischen Ebene kann man nie Frage nach dem Ganzen stellen (da der Grund für alles Seiende kein Seiendes sein kann) !

was genau begründet also Seiendes? -> das Sein. Was ist das?

1. Sein = Nichts? • Es ist denkmöglich, dass es nichts gibt; nur der Umschlag von Nichts zu Seiendem kann nicht Nichts als Ursache haben!

2. Sein = Wesen überhaupt? • „Wesen aller Wesenheiten“ -> „Seiendheit“: entitas -> dann nurmehr ein Wesen für alles. -> macht jede Differenz unmöglich, wobei der Begriff „Wesen“ gerade dafür gebraucht wird!

3. Sein = Verbalsubstantiv? (!) • wenn es nur ein Substantiv wäre, wäre es schon wieder ein Seiendes... • • gibt es ein Substantiv, das kein Seiendes / Etwas ist?

• Ja, und zwar als Verbalsubstantiv: „das Singen“ – kein Etwas, sondern ein Tun / Prozess • „ein Seiendes ist“

→ die Tätigkeit / der Vollzug der Seienden ist das Sein (das Sein der Seienden, insofern es eine Tätigkeit ist) • aber: Verbalsubstantiva hypostasierbar: „das Singen“ ist nicht nur bloß die Tätigkeit, sondern, wenn man das Singen als eine Idee denkt, wird es eigenständig!

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Wenn aber die Tätigkeit als Seiendes verstanden wird, wird die ontologische Differenz verwischt...

! Grund für Seiendes muss als Tätigkeit verstanden werden !

ens (das Seiende)

Esse commune =sein (insofern es allen Seienden gemeinsam ist)

-> kann ich das esse commune denken /fassen, ohne es als Seiendes zu hypostasieren, es aber trotzdem als eigenständig denken?

-> (ipse) esse substistenz! -> das Sein (immer nur als Tätigkeit zu denken!), das Selbststand bekommt

-> Versuch, ontologisch Gott zu denken!

Gott ist esse a se = Sein aus sich, nicht von woanders her

ens ab alio: Seiendes kann sich nicht selbst ins Sein bringen, Ursache von woanders her nötig

Gott ist kein Seiendes, sondern er muss „Sein“ sein, nicht das Nichts; hat das „Sein“ aus sich, deswegen ist er ewig. Sobald ich das Sein begrifflich fassen will, wird es Seiendes, bekommt eine Grenze (durch die Definition). -> Seinsbegriff = eigentlich ein Unbegriff, da er sich nicht gegenüber etwas anderem abgrenzt! die begriffliche Fassung führt in Aporien; ist gebrauchbar, aber als Begriff eigentlich zu verneinen (nur die Begrifflichkeit!)

-> im Prinzip ist der Begriff „Seiendes“ schon ein Begriff; aber nur im Inneren des Begriffs differenzierbar, da es außerhalb nichts gibt.

„Sein“ und „Seiendes“ sind „transzendentale Begriffe“ (nicht im Sinne Kants): Begriffe, die gewöhnliche Begriffe übersteigen

Begriffe als Begriffe geben noch keine Auskunft darüber, ob Dinge überhaupt existieren! „essentialistisch“: man zieht sich auf die Möglichkeit zurück (zB. von Einhörnern)

Begriff der Analogie: wenn ich über Sein nachdenke, kann ich nicht darüber reden wie über einen Sessel (weil transzendentaler Begriff) -> „ähnliches Reden“ (weder gleich noch völlig different) muss angesetzt werden; nicht dasselbe, aber ähnliche Struktur.

zB. analog von Gott reden: man redet von Gott wie vom Menschen

via positiva: „Gott ist gut“

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via negativa: „Gott ist nicht auf die Weise gut, wie der Mensch gut ist -> man unterscheidet Gott vom Menschen, Unterschied wird betont

via eminentiae: „Gott ist die Güte“, das Gute schlechthin -> Vorhergehendes wird überstiegen!

5. Konstitution des Seienden

Seinsbegriff wird verwendet, um den Grund für Seiendes zu benennen. Wie ist der Begriff aber inhaltlich zu denken? Wie ist es denkbar, dass Seiendes ist? (muss sich für Sessel, Baum, Flugzeug, etc., also alles Seiende denken lassen) Wir müssen das Begründungsverhältnis zwischen Sein und Seienden genauer reflektieren – wie wird ein Seiendes mit einem Sein begründet? Wie kommt es vom Nichts ins Sein? Wie bleibt ein Seiendes im Sein und fällt nicht zurück ins Nichts? Das Begründungsverhältnis von Nichts zu Etwas nennt man Konstitution.

5.1 Konstitution

Verhältnis des Seienden im Sein = 1:1? -> aber wenn man das konkret Seiende danach fragt, ob das so ist, so sieht man: Es ist vierdimensional, 4 Seinsgründe. (man spricht von einer Konstitutions“geschichte“ des Seienden) Sichtwort Billardkugeln: Gegenstand fällt auf den Boden -> ich werfe als Sein Seiendes auf den Boden, etc. ich rekonstruiere zB., warum die Kugel am Boden liegt und nicht mehr auf dem Billardtisch liegt.

Wenn ich aber frage: Wie ist Seiendes in seiner Gesamtwirklichkeit zu rekonstruieren, so kann ich nicht so tun als ob es Seiendes immer schon gäbe. Denken wir, es gibt kein Seiendes -> wie müssen wir das Zustandekommen von Seiendem denken? Wie kommt Seiendes ins Sein? (der Umschlag von Nichts ins Sein) -> eigentlich keine Geschichte, also nicht zeitlich zu sehen, sondern nur eine logische Abfolge einzelner Gründe, die zugleich erfolgen und Seiendes zum Sein bringen. -> dafür, dass es uns gibt, gibt es ontologische Gründe. Wie wirken einzelne bestehende Seine aufeinander, um ein weiteres Sein zu schaffen? Was sind die Gründe dafür, dass es überhaupt etwas gibt?

Wenn ich nach der Konstitution frage, dann darf ich diese Kausalität / Konstitution nicht missverstehen -> deswegen sind neue Begriffe eingeführt worden:

Ursache: Ein Ding, das auf ein anderes Ding einwirkt – die Ursache ist ein Seiendes und bewirkt etwas

Grund: Dasjenige, was kein Ding / Seiendes ist, aber mit eine Intention dafür, dass es Seiendes gibt – Übergang von Nichts zu Etwas – Sein ist der Grund für Seiendes – Sein ist kein Seiendes.

Konstitutionsmomente sind Gründe, aber keine Ursachen. Ontisch kann ich sagen, warum es Billardkugeln gibt, ontologisch gesehen fragt man nach der Wirklichkeit – warum sind sie nicht Nichts?

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Wir denken immer auf ontischen Ebenen zB. in den Naturwissenschaften: Warum verhältetwas sich so und so? Die Ursachen sind innerhalb des Faches zu finden.

-> Im Verhältnis zwischen Sein und Seiendem müssen wir die ontologische Differenz berücksichtigen:

5.2 Seinskonstituenten

-> in 4 Dimensionen sichtbar, jedoch immer nur im Verband zu denken. (nicht verschiedene Typen!)

Wenn ein Seiendes ist (was zur Definition gehört, also alles Seiende ist), dann kann ich zurückfragen, was es ist. Es gibt nichts, von dem man nicht sagen könnte, was es ist. Selbst Grenzfälle, wo wir es nicht genau wissen: wir können immer sagen, dass es etwas ist. Seiendes ist immer schon als etwas Bestimmtes begründet. (es gibt kein neutral Seiendes) -> Nichts ist denkbar, ohne dass es etwas Bestimmtes wäre. 1. Moment: Dem Seienden ist vom Sein gegeben, etwas Bestimmtes zu sein, ein Wesen. Gegenprobe: Das Wesen dieser Mineralwasserflasche ist nicht selbst Seiendes (keine doppelte Flasche… wir können das Wesen nicht sehen, AUSSER es realisiert sich in der Mineralwasserflasche) -> das Wesen steht nicht neben der Mineralwasserflasche. (für Platoniker schon!)

Was sind also konkrete Bestimmungsstücke eines jeden Seienden? Was macht Seiendes zu einem Seienden? (Antwort auf die Frage „was macht dieses Etwas zu einem Seienden?“ ist anders als die Frage, was dieses „Seiende zu einem Seienden“ macht.)

5.2.1 Wesen / essentia

Bei der Frage nach dem Wesen, fragt man danach, was etwas ist. Allgemeinbegriff. -> damit wird Mineralwasserflasche noch nicht hinlänglich beschrieben, sie ist eine Flasche wie viele.

Wir können bei der Frage, was etwas ist, nicht stehenbleiben. Die Bestimmung des Wesens kann nur ein Aspekt der Frage sein. Der Wesensbegriff ist vielmehr die Voraussetzung dafür, dass etwas ist.

Das Wesen der Mineralwasserflasche ist in diesem einen Objekt „hier vor mir“ in jeder einzelnen realisiert. Wesen = der Oberbegriff, der jeder Mineralwasserflasche zukommt. -> wäre Wesen ein einzelnes Seiendes, so wäre die ursprüngliche Ebene zugemacht. Wie hat dieses Etwas mit diesem Etwas nun eine Relation? Das muss man sich anhand der empirischen Tatsachen anschauen.

Achtung Nr. 1: Ontologische Differenz darf man nicht auf der Seinsebene denken, sonst gäbe es eine Parallelwelt – eine zweite ontische Ebene.

Achtung Nr. 2:

Seiendes darf nicht Seiendes zum Grund haben. (Ontologie, die nach dem Grund für Seiendes sucht, heißt Fundamentalontologie)

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Frage: Was bleibt vom Wesen nach dem Verbrennen? (nach Aristoteles: substantielle Veränderung, vergeht dann als Flasche)

5.2.2 Einzelheit / singularitas Jedes Seiende ist singulär indem es bestimmbar ist als zB. Mineralwasserflasche. Seiende sind immer einzelne Seiende. Wir haben in der Welt immer einzelne Dinge vor uns – das Wesen realisiert sich im Einzelnen, es ist immer individuiert. Man geht nicht vom Allgemeinen aus, sondern vom Einzlenen. 5.2.3 Diesessein / haecceitas

= Kunstwort. Selbst bei zwei ganz gleichen Flaschen kann ich unterscheiden, ob es diese oder jene ist, da sie nicht ident sind. Es wäre möglich, dass die Vereinzelung so wäre, dass es tausend gleiche Flasche gibt (bei Lebewesen: Stichwort Klonen) – selbst wenn das der Fall und ihre Einzelheit nicht feststellbar wäre, sind sie doch nicht dieselben. (beim Menschen anschaulicher – auch geklonte Menschen sind Individuen)

5.2.4 Dasein / existentia

Bei den obigen Überlegungen haben wir noch nicht mitgedacht, dass die Dinge überhaupt real existieren – das fehlende Bestimmungsstück ist die reale Existenz. -> zB. Einhörner: Dieses kann Wesen, Einzelheit und Diesessein aufweisen, jedoch nicht die reale Existenz, also ihr Dasein. letztes Bestimmungsstück: Seiendes gibt es! Dasein / Existenz aber etwas anderes als Vorhandensein; Vorhandensein sagt nichts über Vollzugsweise des Daseins aus, es wird nur gefragt: Gibt es das oder nicht? Dasein heißt in diesem Fall nicht bloßes Vorhandensein.

-> Man braucht alle 4 Bestimmungsstücke um Seiendes als Seiendes denken zu können!

5.3 Verhältnis der Seinsgründe

-> wenn schon 4 Seinsgründe zu unterscheiden sind, in welcher Relation stehen sie zueinander?

Seinsgründe geben dem Seienden gemeinsam Grund; sie sind nicht Gründe für das Sein, sondern Gründe des Seins (im Sinne eines genitivus subjectivus) (-> das Sein gibt ja dem Seienden Grund!)

-> der Grund realisiert sich im Seienden. Seinsgründe sind zwar formal zu unterscheiden, sind aber ontisch dasselbe -> es kann ja kein „halbbegründetes Seiendes“ geben.

-> alle 4 Momente gleich konstitutiv / ursprünglich! -> Seinsgründe sind keine selbständigen Substanzen / selbstständig Seiende - continentia unitiva !

Wirkten die Seinsgründe nicht, fiele das Seiende ins Nichts zurück.

Nächste Fragestellung: wie gelingt der Umschwung von Nichts zum Sein?

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wie bleibt das Geschaffene im Sein? (zugrundeliegend die Frage, wie ich ein philosophisches Konzept für die Theologie fruchtbar machen kann)

-> Antwort zu finden im Verhältnis der Seinsgründe zueinander. 3 Grundpositionen, bei denen das Verhältnis zwischen essentia und existentia unterschiedlich gedacht werden kann:

a) thomistisch •was muss womit zusammenkommen, damit Schöpfung entsteht? → es muss einen realen Unterschied zwischen den

Seinsgründen geben (diese ist: die distinctio realis zwischen essentia und existentia) • Gott bringt im Schöpfungsakt Verbindung der Seinsgründe

zustande; dadurch gibt es konkrete einzelne Seiende. → wenn creatio ex nihilo konsequent gedacht wird, darf

auch keine Möglichkeit der Schöpfung vorhanden sein! • Problem: Seinsgründe werden sozusagen zum „Urstoff“, aus denen Gott die Welt schafft.

• Problem: wenn die beiden eins sind, wo setzt Gott an? Ansatz also bei haecceitas, drittes Moment für die Schöpfung notwendig. (Ansatzpunkt für göttlichen Akt schwieriger zu denken; Versuchung, die Welt ewig zu denken)

→ Vermittlungsposition!

endlich ← möglich

b) scotistisch: •distinctio formalis zwischen existentia und essentia → existentia gegenüber essentia kein eigenständiger Sachverhalt! Es ist nur eine formale Unterscheidung im Denken, nicht in der Realität.

c) suarezianisch: •distinctio rationis cum fundamento in re = Unterscheidung im Verstand mit einem Fundament in der Sache. •essentia und existentia sind nur durch Vernunft zu unterscheiden und prinzipiell eins; aber der Anhaltspunkt für die Unterscheidung findet sich in der Sache selbst.

-> alle 3 Positionen denken die Schöpfung „bloß“ personal -> alle 3 Positionen wollen von unten nach oben (vom Einzelnen zum Allgemeinen), nicht von oben nach unten (wäre ja Theologie!)

6. Kontingenz

-> das Seiende hat einen Anfang; wie kann der Beginn der Seienden gedacht werden? Wenn Wesen und Dasein untrennbar wären, wäre Seiendes ewig (und das geht nicht!) -> was ist der Grund, dass Seiendes jetzt ist? Wodurch ist Seiendes vergänglich?

a) logische Ebene: notwendig > faktisch > möglich

Kontingenz:

d.h. zur Kontingenz (Endlichkeit) bedarf es Möglichkeit und Nicht-Notwendigkeit.

b) ontologische Ebene: Spannung zwischen Wesen und Dasein

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-> es ist nicht notwendig, dass einem Wesen Existenz zukommt -> in Gott ist Wesen und Dasein eins! (-> dass uns Sein zukommt, ist etwas, dass wir selbst nicht tun können!)

1. Kontingenzbegriff für viele Gottesbeweise der Beginn (3. Weg von Thomas) 2. Frage des Kontingenzbegriffs ist eine Frage seiner Bewertung 3. negativ -Charakteristika für Kontingenz -> positiv – Charakteristika für Gott

• Welt scheinbar klein gemacht, damit Gott groß wird • spezifisches Verständnis von Schöpfung • • „Religion wird zur Kontingenzbewältigungspraxis“ (Hermann

Lübbe)

→ Kontingenzbeweis dann auch anders.

(3. + 4. muss man komplementär sehen, da beide Berechtigung haben.)

7. Kategorien

7.1 Übergang von der Fundamentalontologie zum Seienden als einem solchen

-> hier gehen wir davon aus: Seiendes ist nun einmal; nicht vertikale sondern horizontale Fragestellung -> ens qua ens – nicht Frage nach dem Grund des Seienden, sondern nach dem Seiendsein des Seienden, dem Seienden als Seienden -> Frage nach den Kategorien!

Kategorien: große Einteilungskategorien der Wirklichkeit

2 Schwierigkeiten: 1 Kategorialität sieht gewöhnlich von Individualität ab, diese wird nicht mehr berücksichtigt; zB. Mensch wird nur quantifiziert 2 Ideologische Gefahr, wenn eine Brille für die ganze Ansicht der Welt ausreicht

4. positiv – Charakteristika für Kontingenz -> positiv – Charakteristika hinsichtlich Einzigartigkeit / Individualität / Unverwechselbarkeit des kontingenten Daseins

• ich „darf“ sein (anderer Ansatz für Religionsphilosophie • Gott nicht primär der Große, sonder derjenige der das Individuum frei schafft

7.2 Kategorien als Aussageweisen

kategoria – Begriff von Aristoteles aus dem Rechtswesen übernommen kata agora -> vom öffentlichen Platz herab

-> Rechtsprechung des Richters

kategoria: Aussageweise, die von anderen Aussageweisen abzugrenzen ist -> Kategorien: oberste Aussage-/ Betrachtungsweisen, nach denen einzelne Dinge beurteilt werden können oberste Gattungsbegriffe (die nicht voneinander abhängig und nicht übersteigbar sind, ohne den Gattungsbegriff zu verlieren)

Wenn ich über Dinge Aussagen tätige, kann ich diese in Schemata ordnen -> solche Aussageweisen nach Aristoteles nicht nur Sprachformen, sondern Wirklichkeitsformen!

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(Kategorien also nicht nur Sprachphilosophie! -> obwohl der Zugang natürlich durch die Sprache besteht, aber die Sprache trägt nichts an die Wirklichkeit heran.)

-> ich bekomme Kategorien, wenn ich Urteile betrachte -> Kategorien werden auf Dinge angewandt (es ist nicht so, dass diese Seiende in die eine Kategorie hineingehören, wieder andere Seiende in eine andere Kategorie)

Aristoteles macht prinzipielle Unterscheidung unterschiedlicher Seinsweisen in selbstständig und unselbstständig (prinzipielle Unterscheidung der Wirklichkeit)

-> nach erster Unterscheidung weiter differenzierbar zB. Mensch: selbstständig oder unselbstständig? -> selbstständig, er besteht für sich selbst: Substanz -> Haarfarbe jedoch für sein Menschsein unerheblich, sein Menschsein entscheidet sich nicht darin

Substanz: 1. Kategorie ( = was etwas ist) Akzidenzien: können sich verändern, unbeschadet der Substanz

7.3 Kategorien als reine Verstandesbegriffe

Kant (1724 – 1804): Anliegen, Sinnlichkeit und Verstand zusammenzubringen -> lt. Kant sind Kategorien „reine“ Begriffe, die dem Verstand entspringen und zugleich Empirie begründen (-> haben für sinnliche Erkenntnis Bedeutung)

-> Begriffe: • einerseits empirische Begriffe (zB. Häuser, Flugzeuge, etc.) möglich • andererseits Begriffe ohne Erfahrung: „reine“ Begriffe, sind a priori d.h. vor aller Erfahrung -> Kategorien; diese sind Voraussetzung für Gegenstands-Erkenntnis

→ Vorgaben, die im Verstand zu finden sind! durch sie wird erst Gegenstands-Erkenntnis möglich

Durch das Chaos der Sinneseindrücke könnte man keine Erfahrung machen, daher Kategorien erste „Filter“ in der Wahrnehmung, zum Beispiel sind Raum und Zeit solche Filter. (-> es gibt keine Erkenntnis jenseits der Zeit oder außerhalb eines Ortes!)

-> „Räumlichkeit“ ist kein sinnlicher Begriff, sondern ein „reiner“ Verstandesbegriff -> ihn bekommt man nicht aus der Erfahrung, sondern man trägt ihn bereits an die Wirklichkeit heran – ist somit Voraussetzung / Bedingung der Erfahrung!

-> synthesis der beiden Bereiche (Bereich der Begriffe und Bereich der Anschauung) nötig, wann vollzieht sie sich? -> in der Urteilsbildung, denn es ist etwas, was der Verstand vollzieht.

! Das Urteil hat die Aufgabe, die Mannigfaltigkeit der Eindrücke unter die Einheit der Aussage zu bringen !

Wodurch geht das? Durch ein bereits vorhandenes Einteilungsschema -> die Kategorien. Die Einbildungskraft erzeugt diese Schemata, da die Einheit von sinnlichen Eindrücken gewünscht ist.

Wenn ich also herausfinden möchte, welche Kategorien es gibt, muss ich Urteile analysieren.

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Wie ist das möglich? Durch

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metaphysische Deduktion

: Ableitung der Kategorien aus Urteilen, die vielfältige Erfahrung zusammenfassen wollen transzendentale Deduktion: Begründung der Kategorien aus der Bedingung der

Möglichkeit von Erkenntnis überhaupt; es geht nicht anders, als von Kategorien ausgehen zu müssen. Die Instanz die die Anschauungen und die Begriffe zusammen bringen kann ist die Einbildungskraft; sie erzeugt die Schemata. Diese vereinheitlichen die sinnlichen Eindrücke (derer es viele gibt).

Kategorien für Kant nicht unmittelbar auf etwas anwendbar, sind keine Brillen – sie ordnen aber die Vielzahl der Impressionen damit ich überhaupt sagen kann, was etwas ist. Sind aber auch nicht transzendental möglich, das wäre, wenn ich Kategorien bloß auf Kategorien anwenden könnte, also beim bloßen Denken bleiben würde. Das funktioniert nicht, weil die Kategorie nach Kant immer den Schematismus auf Sinnliches braucht.

-> Kategorien nicht auf Kategorien anwendbar, nur auf Sinnliches

2 wichtige Dinge, um Fehlformen zu vermeiden: 1 Kategorien gehen nicht auf Gegenstände, sondern bringen Gegenstandserkenntnis erst zustande (Kategorien Instanzen, durch die ein Gegenstand erst zum Gegenstand wird) 2 Kategorien nicht auf sich selbst anwendbar

-> das „Ding an sich“ nicht erkennbar, da ich zur Wirklichkeit immer nur anhand meiner Erkenntnisweise Zugang habe (und diese trägt meine Kategorien an die Sinneseindrücke heran); Wirklichkeit nur als Wirklichkeit für mich erfassbar.

7.4 Kategorientafeln

7.4.1 Aristoteles' Kategorientafel

2-10: akzidentell (zufällig) -> für die Selbstständigkeit eines Seienden nicht notwendig, Akzidenzien immer Seinsweisen an einer Substanz

-> nach Galileo 2. Kategorie die wichtigste Kategorie: „was messbar ist messen, was nicht messbar ist messbar machen.“ bei Aristoteles kommt dann heraus: ousía als Grundträger, 9 weitere verschiedene Möglichkeiten der Seinsweisen

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7.4.2. Kants Kategorientafel

Urteilstafel nach Kant ->

Perspektiven der Urteilseinteilung!

[Folie:]

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Kategorientafel nach Kant -> Urteilsformen (auch) so verstehbar, dass sie auf eine bestimmte Art und Weise Gegenstandserkenntnis bestimmen. bei Kant: aristotelische Zentralkategorie (Substanz) weg; Substanz bei ihm in der Relation; die Zentraldifferenz bei Aristoteles = eine Kategorie bei Kant

[Folie:]

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7.5 Vergleich von Aristoteles' Kategorienlehre mit derjenigen Kants

Kant und Aristoteles nehmen die Kategorien als allgemeine Begriffe, die Voraussetzung dafür sind, dass partikuläre Einzelne eingeteilt werden können. -> oberste Gattungen für beide unübersteigbar und schließen sich gegenseitig aus. (-> Kant wirft Aristoteles unpräzise Arbeit vor!)

2 Kategorien bei Aristoteles: Raum und Zeit -> von Kant kategorisch ausgeschlossen, weil sie in der Anschauung inbegriffen sind (als „reine Anschauungsformen“)

Problem bei Kant: wieso er auf Urteilstafel zurückgreift, begründet Kant nicht; ebenso wenig, wieso er sie in Gruppen einteilt.

andere Frage: Ist Anschauung nur immer sinnliche Anschauung? -> für Kant Erkenntnis immer sinnliche Erkenntnis und immer Gegenstandserkenntnis. Frage des Idealismus: Gibt es transzendentale Anschauung?

8. Substanzmetaphysik

-> philosophische Fundierung dogmatischer Grundeinsichten ging über Metaphysik!

8.1 Substanz und Akzidenz

ousia: zugleich Wesen und Substanz bei Aristoteles

Problem: Doppelheit von Wesen und Substanz -> etwas Bestimmtes = etwas Selbstständiges und umgekehrt Frage ist, inwieweit von allgemeiner Bestimmung, was etwas ist, auf Einzelheit zu schließen ist. Lösung von Aristoteles: Substanz-Begriff ist nochmal zu differenzieren!

bei Platon: das Erste und Allgemeine = die Idee -> substantia prima die Realisation (die Teilhabe an) der Idee -> substantia secunda Aristoteles dreht um: das primär Seiende ist nicht die Idee, sondern das Vereinzelte! -> die abstrakte Idee / das Allgemeine = substantia secunda

[Ideologiegefahr, akzidentelle Dinge zur Substanz zu rechnen: blond und blauäugig, etc.]

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Frage: Ist Substanz ohne Akzidenz denkbar? -> Nein, individuelles Einzelsein ohne Differenzen ist nicht mehr individuell.

Ist Akzidenz ohne Substanz denkbar? Natürlich nicht, da es per definitionem nicht selbstständig ist.

Scholastik: substantia: ens in/per se = in sich stehend, selbstständig (ens quod ipsum est)

accidens: ens in alio unselbstständig, abhängig von der Substanz (ens quo substantia determinatur)

Selbstständigkeit der Substanz wird relativiert, weil es ja nicht ohne Akzidenz bestehen kann. -> auch Substanz wird durch abgezogene Akzidenz destruiert! (Baum minus Blätter minus Rinde, etc. -> wann noch ein Baum?)

subsistens esse

commune

-> substantia:

ens in/per se -> accidens:

reale / physicum (-> für Aufrechterhaltung der Substanz notwendig!)

(ontologische Differenz)

8.2 Inhärenz

Frage: wie schaut nun Verhältnis zwischen Substanz und Akzidenz aus? Antwort von zwei Seiten möglich:

a) Relation aus Perspektive der Akzidenz: Inhärenz

„inhaerere“ – lat.: hängen, haften an

Akzidenzien inhärieren Substanzen, sie hängen notwendigermaßen an ihnen (wie Eigenschaften), zB. Mineralwasserflasche nie relationslos denkbar (die Flasche könnte nie ohne Relation z.B. zu dem stehen, worauf sie steht, bzw. zu dem der sie hält); auch die Relation ohne ein bestimmtes Bestehendes undenkbar

•es gibt weder relationslose Substanz, noch Relation ohne Substanz!

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[„Subjekt“ ursprünglich nicht Gegensatz zum Objekt, sondern wörtlich „das Daruntergeworfene, das Darunterliegende“; heute nicht mehr so verwendet. Subjekt hatte früher einen Aspekt des Substanzbegriffes, siehe Aristoteles: ousía (Wesen) + hypokeímenon (das Darunterliegende)]

b) Relation aus Perspektive der Substanz:

•Bestimmung, die Substanz durch Akzidenz erfährt, wird meist vergessen • endliche Substanz realisiert / verwirklicht sich durch

Akzidenzen • innere, seinsmäßige Entsprechung / Angewiesenheit aufeinander

Aristoteles: wie kann ich Veränderliches und Beständiges zusammendenken? • ich denke etwas Beständiges, und an diesem gibt es Veränderungen. (zB auffüllen der Mineralwasserflasche mit Saft -> ist dann Saftflasche, sie hat dann ein anderes Wesen) • genauso mit Brettern, die zu einem Tisch zusammengezimmert werden – Baum sein, Brett sein, Tisch sein -> unterschiedliche substanzielle Bestimmungen, Substanzen sind anders geworden, nicht nur die Eigenschaften an der Substanz; Quantität wird verändert, Brett bleibt Brett.

8.3 Substanz und Identität bzw. Differenz

Substanz integrierende Funktion, integriert als das Bleibende die Eigenschaften, die hinzukommen: Größe, Farbe, Lage, aktiv / passiv, etc. Diese Eigenschaften sind an einem Punkt gebündelt -> Substanz. Jedoch kann man sagen, eine akzidentelle Veränderung verändert auch immer die Substanz – je nachdem wie die Akzidenzien ausschauen, kommt aufgrund der notwendigen inneren Entsprechung von Substanz und Akzidenz auch die Substanz nicht ungeschoren davon.

Ich muss folgendes denken: Inwieweit kann ich auch innerhalb der Substanz von einer Identität ausgehen? Identität liegt ja bei der Substanz…

• Problem: es muss sich Differenz von Akzidenz und Substanz in der Identität mitdenken lassen; schwierig, denn man unterscheidet ja bewusst -> man kann aber nicht trennen! • beim Menschen z.B. unterschiedlicher Lebensvollzug in den verschiedenen Stadien des Lebens gegeben – trotzdem gleicher Mensch. (existentia und essentia unterschieden!)

-> Identität durch die Zeiten hindurch möglich; Substanz muss als veränderungsfähige Instanz denkbar sein, jedoch immer als Einheit / integrativer Punkt von Eigenschaften. -> Substanz: einigende Instanz -> ich bin der gleiche, obwohl ich mich verändert habe.

Nach Aristoteles bleibt nur noch, die Substanz zu dynamisieren; Grenze zwischen Substanz und Akzidenz unaufhebbar, dritte Möglichkeit auch ausgeschlossen. Unter diesem Blickpunkt muss man aber sagen, Substanz ist nicht immer Substanz – hängt auch von der Perspektive ab (zB. Haare eines Menschen: Akzidenz. Wenn er sie aber verliert: Substanz (weil jetzt eigenständig; sie inhärieren dann nicht mehr am Menschen)

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Oder: man ordnet in ein größeres Ganzes ein; zB. im Hinblick auf den Kosmos ist ein Obstgarten nur Akzidenz, etc.

Substanzen vollziehen ihr jeweiliges Substanzsein anders, haben verschiedene Seinsweisen (z.B. Substanz Mensch hat eine andere Identität als Substanz Stein); eine Substanz auf höherer Ebene hat einen höheren Integritätsgrad als etwas anderes, zB.: das Spalten von Steinen zerstört deren Integrität als Stein nicht so sehr wie das Töten eines Tieres! -> je nach Komplexität verschieden.

8.4 Natürliche und künstliche Substanzen?

Bei Aristoteles galt nur Natürliches als Substanz. (d.h. alles natürlich gewachsene; = „Entelechie“ von griech. en + telos -> Zweck in sich) Für ihn wäre das Mineralwasserflaschenbeispiel ungültig, weil es nichts Natürliches, deswegen auch keine Substanz ist; das Ziel der Flasche liegt nicht in ihm, sondern wird von außen an das Ding herangetragen. Substanzbegriff in 3 Momente aufzuspalten:

1 Es ist etwas Bestimmtes. 2 Es muss eine Entelechie sein. (heute nicht zwingend!) 3 Es soll selbstständig / unabhängig sein.

Daraus folgt der Versuch, den klassischen Substanzbegriff auf Künstliches anzuwenden. Beispiel: Münchner Jesuitenschule. -> das Haus ist nichts gewachsenes, sondern vom Menschen gemacht. Substanz oder Akzidenz? Eine klassische Substanz ist es folglich nicht, jedoch auch nichts Unselbstständiges! Brucker hat den Begriff des „Mitseins“ eingeführt – das Variable / Akzidentelle wird in das Haus integriert. Es hat so etwas wie eine Substanz, es ist aber nicht von sich aus geworden. Das Mitsein ist ein Mittelbegriff zwischen Akzidenz und Substanz; das künstlich Hergestellte ist dann als Selbstständiges benenn- und denkbar.

• ist aber nicht weiter rezipiert worden. Weiterer Versuch: soziale Größen benennen. Ist ein Verein eine Substanz? • Fazit: Versuche im Prinzip gescheitert.

Warum überhaupt der Versuch? Man wollte metaphysische Methode retten, weil sie Probleme hatte, weiterhin wirklich ernst genommen zu werden. Das Grundparadigma der Welt ist dynamischer geworden, deswegen ist die Anpassung der traditionellen Schule an die Moderne nicht möglich.

Alfred Whitehead († 1947): „Process and Reality“ -> Versuch, Substanz als Bewegendes zu denken; die Welt ist ein Netz von Seienden („entities“), die alle miteinander verbunden sind / wechselwirken -> kleine Einheiten werden von größeren umfasst („Kleine Monaden-Lehre“); entities sind dabei immer selbstständig Seiende, größte Einheit: Gott

-> diese Ideen wurden in Prozess-Theologie übernommen (diese versucht, Gott in Veränderlichkeit zu denken, zB. durch Menschwerdung, bzw. dem „Tod in Gott“) -> Frage nach der künstlichen Substanz keine klassische Frage.

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8.5 Substantialität Gottes

Ausgangsfrage: Ist Gott Substanz? Wenn ja, kann er Akzidenz haben? -> ontologische Differenz ist nicht aufrechtzuerhalten, wenn er ein Seiendes ist…

Damit es überhaupt geht, muss Gott als Grenzfall angesiedelt werden; denn hätte er sonst Akzidenzien, wäre er endlich…

Beispiel zur Lösung: Thomas von Aquin leugnet die Möglichkeit, Gott als Substanz zu bezeichnen, denn Gott ist keine Gattung! Substanzen können nämlich immer in Gruppen zusammengefasst werden (in Kategorien) -> das kann man aber mit Gott nicht machen; die Kategorien der normalen Substanz-Metaphysik sind nicht auf Gott anwendbar.

Dies formuliert er in Anlehnung an Dionysius Aeropagita („de divinis nominibus“), auch er sagt dass Gott supersubstantiale Wesenheit ist; d.h. er ist schon irgendwie Substanz, aber darüber. -> Gott aber nur nicht fassbar in einem kategorialen Substanzverständnis! Thomas: Gott ist substantia supersubstantialis. (Übersubstantialität Gottes)

Spinoza († 1677): Welt ist eine große Substanz; diese wird mit Gott identifiziert. Gott ist die Substanz der Welt – Auftreten + Veränderung der Welt sind akzidentelle Veränderungen an Gott!

„Natur ist die Substanz, die Gott ist.“

Gott ist der Träger der Wirklichkeit / der Welt -> pantheistischer Entwurf: alles ist Gott; es ist keine Schöpfung im christlichen Sinn zu denken (Schöpfung nicht Gegenüber Gottes)

Begriff der Transsubstantiation: formuliert vom 4. Laterankonzil 1215, bedeutet die Wesensverwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi in der Hl. Messe; die Substanzen ändern sich, die Akzidenzien bleiben die gleichen -> Leib/Blut Christi schmeckt z.B. nach wie vor wie Brot/Wein.

(ähnliche Auseinandersetzung in der Christologie: was ist dogmatisiert worden – nur die Sache oder auch die Terminologie?)

8.6 Grenzen der Substanzmetaphysik

Es bestand der Versuch, durch den Begriff des „Mitseins“ alles in die Substanz-Metaphysik einzuordnen.

1. Weltverständnis hat sich geändert • Ist die Substanz-Metaphysik innerhalb der Virtualisierung aufrechtzuerhalten? • Heute vielfältige Reduktion auf Digitalisierbarkeit, sie ist das einzige Kriterium der Wirklichkeit (esse est computari)

2. Versuche, physikalische/biologische Erkenntnisse metaphysisch zu fundieren

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• zB. frühe 80er-Jahre: Versuch, Kategorien-Lehre des Aristoteles auf Quantenphysik zu übertragen (Harmonisierung zweier Weltbilder aber auf herbe Kritik gestoßen) • Substanzdenken ist kein Gesetzesdenken! Z.B. Magnetfeld ist keine Substanz im klassischen Sinn, jedoch ist die Relations-Kategorie bei Aristoteles nur von verschiedenen Substanzen auszusagen -> zwei Magnetfelder sind nicht zwei Substanzen, stehen aber in Relation zueinander! (auch jede Form von Energie keine Substanz…) -> hier greifen keine klassischen Kategorien mehr. • Beispiel: Kausalitätsprinzip -> naturwissenschaftliche Kausalität ist etwas anderes als metaphysische Kausalität; neues Denken gefragt!

Grundlegende Änderungen: Notwendigkeitsbegriff (ist kein Naturgesetz mehr!), Kausalitätsbegriff, Dinglichkeit im Vergleich zu Veränderung

Whitehead: versucht Ontologie jenseits von Substanz-Metaphysik; entities nicht vor kategorialer Bestimmung gedacht; weiteres Grundprinzip: alle entities stehen miteinander in Relation; auch Gott veränderlich

3. in klassischer Metaphysik nicht gelungen, im Verhältnis von Substanz und Akzidenz einen Konsens zu finden

• sieht man am besten im Vergleich der Kategorientafeln von Aristoteles und Kant -> Hauptunterscheidung des Aristoteles ist eine unter anderen bei Kant (Frage wandert in die Erkenntnis-Theorie)

4. Descartes († 1650): Substanz-Begriff vor Kant schon versucht weiterzuentwickeln • Substanz-Sein heißt Getrennt-Sein vom Anderen; getrennte Existenzform, die von anderen unabhängig ist (ontologisch unabhängig)

• Mit diesem Ansatz wieder nur eine Substanz denkbar: Gott • Alles andere abhängig zumindest dadurch, dass es von Gott geschaffen ist

Descartes unterscheidet zwischen res extensa (ausgedehntes Ding) und res cogitans (denkendes Ding) -> Grunddifferenz der Welt (bei Aristoteles: selbstständig / unselbstständig) -> da sie unabhängig sind, sind sie auch Substanzen, aber nur im übertragenen Sinn, weil sie zumindest von Gott abhängig sind

res extensa: alle Ausdehnung / alles natürlich sinnlich Wahrnehmbare / eine Substanz res cogitans: Descartes selbst unentschlossen; eine Substanz oder Vielzahl, gibt unterschiedliche Aussagen (weitere Frage: Wesen und Substanz gleichzusetzen?)

• Verdinglichung des Substanz-Begriffes (auch Leiblichkeit des Menschen wird verdinglicht), weil es immer als res – Sache, Ding angesprochen; sein Substanz-Begriff dem heutigen ähnlich, nicht dem aus dem Mittelalter:

• da Substanz als Ding gedacht wird, kann ich mir als Subjekt das Ding zum Objekt machen; das können alle, daher der Begriff „objektivieren“ (d.h. das Subjekt subtrahieren) • Verdinglichung hat sich erst mit Descartes durchgesetzt; Hauptzugang zur Wirklichkeit durch Betrachtung der Dinge (Welt ist eine Ansammlung von Dingen)

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5. Engführung des Substanz-Begriffes auf Ding-Begriff führt auch zu anderen Problemen • Mensch dann auch als Ding zu denken (tun wir aber eh oft, z.B. wenn wir uns auf die Waage stellen)

9. Transzendentalien

9.1 Übergang zur Universalontologie

• gibt es Eigenschaften von Seienden, die ihnen schon zukommen insofern sie nur sind? (völlig allgemeine Eigenschaften) Eigenschaften für das Ganze, die jedem Seienden unterschiedslos zukommen? • wenn es sie gibt: woher haben die Seienden sie?

→ weil sie im Sein konstituiert sind

(wichtig: es sind keine Gattungsbegriffe!)

Möglichkeiten:

1. proprietates metaphysicae / transcendentales • metaphysische / ontologische Eigenschaften (keine kategorialen Eigenschaften!); übersteigen Kategorien • sind mit der Konstitution des Seienden mitgegeben; sind nicht zwischen unterschiedlichen Seienden differenzierbar • „proprietas“: „Eigenkraft“

Ich – Er / Sie (-> dann auch Relation zwischen Relation zu denken…)

→ zwei Relationen zwischen Menschen: Ich – Du ⇒ neue Kategorien durch personal-dialogische Philosophie:

Wenn Selbststand mit Wesen seit Aristoteles zusammengedacht wird, wird der Mensch als Substanz gedacht -> wenn Substanz dann immer mehr als Ding gedacht wird, reicht das nicht mehr um den Menschen hinreichend zu beschreiben -> personal-dialogisches Denken will das wieder trennen.

⇒ Menschen ontologisch anders denken als Dinge (durch Relations-Kategorie): Menschen niemals selbstständig / unabhängig, sondern prinzipiell in Relation / abhängig.

⇒ so ist nur ein Teil des Menschen zu erfassen jüdische Philosophie im 19. Jhdt.:

2. modi communes ⇒ „gemeinsame Weisen“ -> Modus, der dem Seienden allgemein zukommt, der allen gemeinsam ist (wobei: Modalität wäre eine Kategorie)

3. attributa transcendentalia ⇒ wenn man Kategorien als Seiende ansetzt, kann man sie übersteigen und nur eine Kategorie angeben: Seiendes

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→ das wäre aber keine Definition mehr, da es alles in sich enthält -

> Seiendes wäre dann oberster Gattungsbegriff

Wie können Transzendentalien erkannt werden?

1. Modell:

Ontologische Entsprechung der Fähigkeiten der Menschen in der Wirklichkeit -> Ansatz bei der Anthropologie: Seelenlehre -> welche Möglichkeiten gibt es für Menschen, sich der Wirklichkeit zuzuwenden?

1 Wirklichkeit erkennen 2 Irgendetwas in Bezug auf die Wirklichkeit wollen (3. Gefühl als erkenntnismäßiger Zugang umstritten, vll. Sonderform von 1.)

Wenn ein Mensch diese Zugangsweisen hat: bietet die Wirklichkeit eine Entsprechung? -> gibt es Strukturen der Erkennbarkeit der Wirklichkeit, sodass menschliche Erkenntnisweisen und Struktur der Erkennbarkeit der Wirklich sich entsprechen (und sich damit ermöglich)? • Wenn Transzendentalien wirklich universale Dinge sind, muss die Welt im Ganzen eine erkennbare / wollbare Welt sein! (Zugangsweg muss universalisierbar sein)

→ „der Mensch ist auf eine gewisse Weise alles“ → Dann muss auch alles erkennbar / wollbar / fühlbar sein!

2. Modell: Transzendentalphilosophie

Erkenntnis der Transzendentalien: 1 wenn ich nach Bedingung der Möglichkeit des Erkenntnisaktes frage, werden immer bestimmte Möglichkeits-Bedingungen mitgesetzt! 2 Erkenntnisakt ist für jede Erkenntnis gleich

→ Universale Struktur von Erkenntnis

Bsp.: ich sehe Textmarker: simpler Erkenntnisakt, Ding als Marker erkannt; welche Bedingungen sind mitgesetzt?

• Ich existiere. (das sage ich nicht extra, aber es wird unthematisch mitgesetzt) • Der Marker existiert. (alles selbstverständlich, denn wenn das Erkannte nicht existiert, habe ich nichts erkannt)

• kommen also jedem Erkannten zu, sind universal.

3. Modell: Rückbesinnung auf Transzendenz des Daseins

wir vollziehen / eröffnen, wenn wir etwas erkennen, immer einen Ganzheitshorizont • wenn ich etwas als etwas Bestimmtes erkenne, mache ich mit dieser Behauptung einen Horizont auf (was der Marker zB. einmal gewesen ist) → zB. großer Horizont der Dinglichkeit wird aufgetan

• geht noch einen Schritt weiter: das Ganze ist erfahrbar!

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→ Erfahrbarkeit der Ganzheit nur durch Meditation / Sammlung möglich (wegen Begrenztheit des Menschen nur bloße Möglichkeit; nie alles, aber zumindest größere Horizonte möglich)

(Kann ein endliches Wesen Unendliches erkennen? (nicht verwechseln: Transzendentalien sind nicht Universalien) )

9.2 Einheit und Vielheit

Jedes Seiende ist ontologisch eine Einheit:

„omne ens est unum“ (bonum / verum / pulchrum) Jedes Seiende ist eine Einheit. (egtl: ein Eines)

„ens et unum convertuntur“ Das Seiende ist mit dem Einen / der Einheit vertauschbar.

Doppelte Bestimmung möglich:

1. Einheit nach Innen / Einheit nach Außen • Seiende in sich ungeteilt (indivisum in se) • • Nach außen aber notwendig geteilt (nämlich von anderen „Einheiten“ getrennt)

• Trennungen sind aber nicht fixiert; sowohl Tisch als auch Tischbein sind einzeln ansprechbar • Muss für jedes Seiende gelten wenn Einheit ein universales Attribut ist!

2. Identität und Differenz • Aristoteles: Konstanz und Werden in einem; Teile jeder Einheit sind differenzierbar (Baum ist eine Einheit, Ast ist auch eine Einheit; im Baum, der eine Einheit ist, gibt es Differenz) -> Wechselspiel von Identität und Differenz, keine Fixierung möglich

(gibt es unendliche Teilbarkeit? Dass man sozusagen die Wirklichkeit in letzte Bausteine aufgliedern kann?)

verschiedene Konzepte von Einheit möglich:

1. transzendentale Einheit → bedeutet integrative Einheit / geeinte Einheit aller Einheiten auf einer höheren Ebene, Musterbeispiel: Organismus

2. summative Einheit • nur lose Verbindung einzelner Teile zu einer Einheit • ist keine transzendentale, sondern nur eine bloß numerische Einheit (1+1+1+1+… etc. – Kategorie der Quantität)

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3. Einheit der Gleichschaltung • Absehen von Eigentümlichkeiten der Einzelelemente: Einheit als Ganzheit zu formulieren -> Totalität • Erzwungene Ganzheit führt zu Totalitarismus (zB.: ein Menschen-Entwurf gilt für alle, Verlust von Freiheit und Identität die Folge)

4. hierarchische Einheit: • Einheit durch Subordination (Unterordnung) • Durch Gewalt oder freiwillig, auf jeden Fall aber hierarchisch; braucht gewöhnlich eine straffe Organisation

[welche Einheit ist das Ziel der Ökumene?]

Einheit in dem hier verwendeten (metaphysischen) Sinne nicht Gegensatz zur Vielfalt, zB. Geld: 100 Ein-Euro-Münzen sind nicht ein 100-Euro Schein. Einheit kann in sich Vielheit haben, die ausdifferenziert ist; Vielheit und Einheit wachsen proportional!

•je größer die integrierte Vielheit ist, desto größer auch die Einheit!

9.3 Wahrheit

Frage: Wie kann sich der Mensch auf die oben genannten Einheiten beziehen? Durch zwei Bezüge:

1 durch Erkennen oder 2 aus Freiheit des Willens

-> beide aus der Perspektive des Menschen aus gedacht, nicht umgekehrt; die Wirklichkeit muss erkennbar und wollbar sein! Jedoch: Man muss wissen, was man will – man kann nicht ins Nichts wollen Erkennen wird gewollt, und für Wollen ist die Erkenntnis dessen, was gewollt ist, Voraussetzung.

Hier: Einheit von Erkennen und Wollen auseinandergenommen Jedoch: -> das Erkannte und das Gewollte sind nur ein Seiendes.

• nicht Mensch sondern Wirklichkeit ins Zentrum gerückt – was heißt es für die Wirklichkeit, dass sie gewollt werden kann?

Wollbarkeit und Erkennbarkeit: ontologische Bestimmungen der Wirklichkeit Erkennbarkeit der Wirklichkeit wird Wahrheit genannt, Wollbarkeit der Wirklichkeit wird Güte/Gutheit genannt.

„omne ens est verum“ – alles Seiende ist wahr.

Es gibt 1. logische Wahrheit 2. ontische Wahrheit 3. ontologische Wahrheit

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ad 1) – logische Wahrheit

ein Begriff allein ist nicht wahrheitsfähig (zB.: DVD-Player – hier kann man mit keinem wahr oder falsch ansetzen) ein Satz allein ist auch nicht wahrheitsfähig (zB.: Treffen wir uns? – auch hier keine Aussage möglich) Ort für logische Wahrheit ist das Urteil! -> bei Subjekt – Kopula – Prädikat – Sätzen kann ich einen Wahrheitsgehalt erfragen.

Es gibt verschiedene Wahrheitstheorien:

1) Adäquationstheorie / Korrespondenztheorie • Angleichen von Satz und Tatsache wird angestrebt, zB.: die Tafel ist grün. -> Tatsache und Urteil korrespondieren.

2) Abbildtheorie • Wirklichkeit wird mit Sprache abgebildet (dafür ist aber spezielle Sprachphilosophie notwendig)

• Ludwig Wittgenstein († 1951)

3) Konsenstheorie • zB. Jürgen Habermas: setzt auf stichhaltiges, stärkeres, treffenderes Argument, dass sich schlussendlich durchsetzen wird • dafür aber ideale Sprechsituation notwendig

4) Kohärenztheorie • Übereinstimmung innerhalb der Sprache selbst • Man versucht, nicht überprüfbare Sätze mit schon verifizierten Sätzen zu vergleichen

Alte, wahre Sätze sind das Wahrheitskriterium für neue Sätze

Ad 2) ontische Wahrheit

Jetzt: Seitenwechsel von Sprache zu Wirklichkeit Frage nach Wahrheit / Erkennbarkeit der Wirklichkeit

Wahrheit ist eine transzendentale Eigenschaft der Wirklichkeit.

• Wenn die Wirklichkeit nicht erkennbar wäre, würde es eine leere Erkenntnisgeben • Alles was ist, kann Gegenstand meiner Erkenntnis werden. • Seiende sind prinzipiell erkennbar; wären sie es nicht, hätten wir keinen Eindruck von irgendetwas! → Wenn es nichts gibt, was der Sprache entsprechen kann, ist der

Satz weder wahr noch falsch d.h.: ontische Wahrheit ist für logische Wahrheit Voraussetzung! • alétheia: „Offenheit“, Wahrheit (Heidegger übersetzt: „Unverborgenheit“)

Heidegger: Wahrheitsbegriff vom griechischen her gedacht

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Vorbemerkungen zu 3):

Aristoteles: Seele ist formbar; die Erkenntnis z.B. eines Autos ist eine Wesenserkenntnis; sie prägt meine Seele so, dass sie selbst „autohaft“ wird („der Mensch ist in gewisser Hinsicht alles“) und ich ein Auto erkennen kann.

Frage: warum kann ich von Dingen Gruppen bilden? • Dinge haben bestimmtes Wesen / Grundmuster, und meine Seele prägt sich das ein • Dann muss ich aber so ansetzen: wenn ich das Auto im Bewusstsein und erkannt habe, dann gehe ich davon aus, dass ich die Dinge im Prinzip so erkenne, wie sie sind (Täuschung ist dabei ein Sonderfall) • Damit komme ich zu so etwas wie einer Einheit von Denken und Sein (!) • Mensch erkennt aber immer nur partiell: Wirklichkeit in ihrer Gesamtheit nie einholbar

Ad 3) – ontologische Wahrheit

Diese meint nicht die Wahrheit des Seienden (wie die ontische Wahrheit), sondern als ihren Grund die Wahrheit des Seins selbst. Das Seiende ist ontisch wahr, d.h. von sich aus fähig, vom Wissen des Geistes erfasst und vollzogen zu werden. Der Geist ist fähig, das Seiende wissend zu ergreifen, die ontische Wahrheit in logischer Wahrheit zu vollziehen – das Seiende ist also hingeordnet auf geistiges Erkennen, und dieses ist angewiesen auf das Seiende. Es besteht also wechselseitige Beziehung.

⇒ Das Seiende wird so als das Andere gegenüber dem Geist gedacht (und umgekehrt), im Gegensatz Objekt – Subjekt. Das geht aber nur unter der Bedingung vorgängiger Einheit. Bestünde nämlich ein reines Gegenüber, so wäre das Seiende dem Geist und der Geist dem Seienden als schlechthin Anderes entgegengesetzt.

→ Wenn sie aber ganz entgegengesetzt wären: Wie wäre dann Wissen, auch nur Fragen möglich? Wie könnte das Seiende als geistig Erkennbares auf den Geist und die Erkenntnis des Geistes auf Seiendes bezogen sein? Dies ist nur möglich auf Grund vorausgegangener Einheit.

• Diese Einheit ist das Sein, sowohl Subjekt (Geist) als auch Objekt (Seiendes) sind. Das Sein hat sich uns also ursprünglich im geistigen Vollzug des Wissens erschlossen: in der Identität von Sein und Wissen. Das Sein erweist sich als sich-wissendes Sein und das Wissen als Sich-Wissen des Seins. Das Sein ist nicht etwas Anderes gegenüber dem Wissen, sondern dasjenige, was im Vollzug seiner selbst sich weiß und wissend bei sich ist. (und umgekehrt) • Diese Einheit von Sein und Geist im geistigen Selbstvollzug des Seins ist die ontologische Wahrheit. Sie ist der Grund der ontischen und logischen Wahrheit: Die Wahrheit nicht nur des Seienden und nicht nur des Wissens um Seiendes, sondern die Wahrheit des Seins, das im identischen Vollzug um sich weiß und von sich gewusst wird.

→ Fazit: Die generelle Identität von Denken und Sein nennt man die ontologische Wahrheit. Sie ist nur für den Gottesbegriff relevant, denn nur in ihm fallen Denken und Sein zusammen.

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9.4 Gutheit; Übel

Der Zugang zur Wirklichkeit läuft nicht nur über die Erkenntnis, sondern auch über das Wollen; dies setzt Freiheit voraus.

„appetitus“: Strebevermögen, zeigt sich in Zuneigung oder Abneigung

personal gesprochen: das Hin auf den anderen Menschen, die Zusammenfassung: Liebe.

→ Jede Person „liebenswert“.

Wieder ganz allgemein: das Seiende ist prinzipiell anstrebbar, es kann gewollt werden. Thomas von Aquin weitet aus:

• die ganze Welt ist wollbar, trotz faktischer Einschränkung durch die Wirklichkeit • Offenheit der Wirklichkeit im Bezug auf die Erkenntnis parallel zu sehen mit der Offenheit der Wollbarkeit (nur Möglichkeit, ist nicht gleich faktisch der Fall)

-> unser Strebevermögen aber auch endlich – wir wissen gar nicht, was wir alles wollen könnten! (siehe Werbung)

Wirklichkeit (d.h. alles Seiende) ist „appetibile“, erstrebbar

Ethische Gutheit / Güte: das ethisch Gute hat Gegenbegriff -> Übel

Transzendentale Gutheit: Eigenschaft eines jeden Seienden, hat keinen Gegenbegriff, weil kein Seiendes denkbar ist, dass nicht erstrebbar ist! (abgesehen vom Nicht-Sein des Seienden; ist es nämlich nicht in dieser Form gut, dann ist es gar nicht) Erstrebt wird immer das Gute (zumindest das subjektiv aktuell Gute), so schlecht das auf der ethischen Ebene sein mag

Das Seiende, insofern es wollbar ist, löst auch immer einen Erkenntnis-Prozess aus -> die Wollbarkeit des Seienden hat eine Sogkraft… ethische Fragestellung auf einer anderen Ebene. Was wird eigentlich moralisch bewertet? -> das gewollte Ziel und seine Verwirklichung

ohne Anziehungskraft des Seienden wären keine moralischen Urteile möglich

-> wie ist das transzendentale Bonum erkennbar? Erkennbarkeit unterschiedlich zu verorten:

1 in der Vernunft: Fähigkeit, Eigenschaft des Bonum der Wirklichkeit zu erkennen 2 im Gefühl: nicht bloße Stimmung, sondern vage Erkenntnis-Kraft, ein Wert des Gutseins der Wirklichkeit ist fühlbar

weiteres Problem bei Erkennbarkeit der Wirklichkeit: von der Beschreibung zu etwas Normativem: naturalistischer Fehlschluss (traditionelle Metaphysik geht von Verbindung von sein und sollen aus: „agere sequitur esse“ – „das Tun folgt dem Sein“)

→ kann ich aus dem Wesen erschließen, was sein soll? (zB. von Bestimmung des Menschen auf Tötungsverbot zu schließen)

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Gegenschule: Rechtspositivismus -woher kommen die Normen? -> es wird darüber abgestimmt, was Norm ist.

Problem der Theodizee (Leibniz): Verbindung von einem allgütigen und gleichzeitigallmächtigen Gott

Umwandlung in Anthropodizee (Rechtfertigung des Menschen angesichts derWelt) nötig?

In der Philosophie müssen wir theologische Fragen auszuklammern, und die Dinge nur mitontologischer Brille betrachten:

wird nicht Negativität (die nicht zu leugnen ist) durch ontologische Güte unterden Tisch gekehrt?

Beim malum metahpysicum geht man vom Bonum aus und denkt Malum als Seinsmangel: Privationstheorie: dem Seienden ist etwas von seiner Vollkommenheit genommen

• „privatio boni“: Raub des Guten (Augustinus) • dadurch gewinnt man, dass das Böse keine Grundbestimmung der Wirklichkeit ist -> da man das Negative in der Welt aber nicht leugnen kann, wird es als Mangel an Gutem verstanden • geht auch anders, zB. in dualistischen Systemen (wie Zoroastrismus, etc.) • Malum hier eine akzidentelle Bestimmung, nichts selbstständiges! (ich kann mit dem Begriff etwas nur peripher bestimmen, nicht von seinem Wesen her) • Malum aber nicht nur privatio, sondern auch Übersteigerung des Guten

• wo Verantwortung für Malum anzusetzen?

1. heute Vorwurf der Verharmlosung des Übels 2. aufrechterhalten lässt sich eine solche Transzendentalienlehre nur wenn man moralische Dinge ganz weglässt

Malum metaphysicum: durch Endlichkeit der Dinge Unvollkommenheit konstitutiv (also das Fehlen der absoluten Seinsvollkommenheit)

Malum physicum: in der Natur zu finden; vor aller moralischen Beurteilung ein nicht-sein-sollendes (zB. warum gibt es ein „Fressen und Gefressen-Werden“?)

Drei Begriffe des Malum:

Malum morale: gemäß gewisser Normen, Handlungen zu verurteilen -> Ethik

im Selbstvollzug des Menschen: Endlichkeit wird als Mangel empfunden

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(9.5 und 9.6 bitte mit entsprechender Lektüre oder anderen Skripten vergleichen – wurde anhand von Literatur erarbeitet und entspricht vermutlich nicht 1:1 dem Vorgetragenen.)

9.5 Schönheit

Umstritten, ob Schönheit wirklich eine Transzendentalie ist, bzw. ob sie mit Einheit, Wahrheit und Güte gleich zu werten ist. Mit ihr muss gleichzeitig eine Fähigkeit des Menschen, es zu erkennen, genannt werden; bei der Schönheit wäre dies das Fühlen.

Thomas: pulchra enim dicuntur quae visa placent (S.th. I, 5, 4, ad 1) Schön werden nämlich Dinge genannt, die bei ihrem Anblick gefallen.

Wenn Schönheit eine Transzendentalie ist, müsste sie eine Eigenschaft sein, die aus der Wirklichkeit selbst heraus bereits erkennbar sein muss, d.h. als Eigenschaft der Wirklichkeit selbst, die in einem Grundvollzug des Menschen erkennbar ist. Was man aber Gefühl nennt ist keine neue, wesenseigene Fähigkeit des Menschen, es hat auch keine ihm eigene Intentionalität, d.h. keinen neuen und anderen Objektbezug als Erkennen und Streben – auf diesem Hintergrund scheint es schwierig, von Schönheit als Transzendentalie zu reden. Es kann daher scheinbar das Seiende nicht auf weiterführende Weise erschließen; nichtsdestotrotz ist das Gefühl für den Menschen in seiner lebendigen Ganzheit von großer Bedeutung.

Der geschichtliche Verlauf geht jedoch in die Subjektivität; bei A.G. Baumgarten († 1762) ist die Frage nach den Erkenntnismöglichkeiten eine vage. Er begründet die Ästhetik als eine Art Schwesterndisziplin zur Logik, die neben den Leistungen der Vernunft gesicherte Erkenntnisse zu vermitteln vermag. Ästhetik ist also primär eine Wahrnehmungs-und Erkenntnislehre.

Auch Kant hat sich mit der Schönheit beschäftigt: Was ist ein ästhetisches Urteil für ein Urteil? Es ist subjektiv, aber so als ob es objektiv wäre; es ist ein Geschmacksurteil. Ein Geschmacksurteil trägt zur Erkenntnis des Seienden nichts bei. (z.B. Mode, Kunst, etc. – alles subjektive Urteile) Geschmacksurteile sind zwar subjektiv, man kann aber dazu Urteile fällen.

Wie ist die Kunstproduktion ontologisch zu verstehen? 18. Jahrhundert: Bezüglich dem Kunsthandwerk gab es die Meinung, dass das Genie nur das Schöne der Natur erahnen und dann nachahmen und somit das Kunstschöne schaffen könne.

Auch in der Kunstproduktion ereignet sich eine Subjektivierung. Laut Kant ist „der Künstler ist ein Günstling der Natur“. Sehr schwer wäre es, hier ein ontologisches Kriterium zu finden – heute ist das Kriterium für die Kunst oft der Markt. Zunächst ist die Schönheit eine Eigenschaft der Wirklichkeit. Da aber die Meinungen auf die Frage, was denn schön sei, auseinander gehen, verlagert sich Ästhetik von einer vagen Erkenntnisform ins Subjekt.

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Die Frage nach der Schönheit als Eigenschaft als Wirklichkeit: Wenn ich das Gefühl annehme, so wäre das Gefühl ein Reiz zum Guten oder zum Schönen. (Vorphänomen) Wenn die Erkenntnis gelungen ist, oder der Wille befriedigt wird, dann stellt sich ein Gefühlphänomen ein. (Nachphänomen) Doch beide Wege werden der Schönheit nicht gerecht, andere Ebene notwendig – auch die empirische Schönheit wäre hier nicht passend. (würde von außen heran getragen werden).

Schönheit wurde dann eingesetzt in die ontologische Differenz – Konstitutionstheorie: Schönheit wäre das Aufleuchten des Seins im Seienden. Weil das Seiende am Sein partizipiert, kann auch der Grund im Gegründeten sichtbar werden; das Faktum selbst macht es zu einem Schönen.

Max Scheler: Wodurch wird das Gefühl der Schönheit ausgelöst? Es gibt jeweils separate Entsprechungen der drei verschiedenen Eigenschaften der Wirklichkeit:

Erkennbarkeit – Erkennen Erstrebbarkeit – Willen Schönheit – Gefühl

Da jedes Seiendes ein Gewolltes ist, ist in dieser Einheit von Einheit, Wahrheit und Güte gefühlsmäßig spürbar; daher hat das Seiende einen Glanz, der Grund der Wirklichkeit leuchtet in diesem Glanz auf.

Daraus folgt: Das Zusammenspiel der drei wäre es, was das Sein zum Leuchten bringt. Wenn Einheit, Wahrheit und Güte einander in einem Seienden entsprechen, gäbe es so etwas wie das Fühlen der überbordenden Seinsfülle im Seienden. Doch wir wissen nicht alles von der Wirklichkeit, dadurch wird so etwas wie eine Möglichkeit, eine Erfüllung der Wirklichkeit sichtbar und spürbar. Aufgrund ihrer Endlichkeit sind die Dinge noch zu erforschen, zu erstreben, zu erkennen. Weil das alles nicht erfüllt ist – gibt es so eine Art „Vorschuss“ – die Schönheit. Sie zeigt an, dass die Welt noch nicht erfüllt ist, dass sie in Endlichkeit gegründet ist und dass das Sein im Seienden erfasst werden kann. Dass die Seinsfülle nicht erreicht ist, das wäre durch dieses Gefühl erreichbar. Das wäre das Urschöne, das sich gestuft erkennen lässt. Dasjenige, das uns weiter treiben lässt, ist die Wirklichkeit als Schöne.

Nicht nur die Erkennbarkeit lässt Wirklichkeit erkennen, sondern auch dass sich die Wirklichkeit „aufdrängt“: Sie macht sich uns gegenüber bemerkbar, Schönes zieht in seinen Bann. Da es attraktiv ist, wende ich mich ihm zu. Was ist mit dem Hässlichen? Die Frage nach der Ästhetik des Hässlichen entsteht erst bei Rosenkranz im 19. Jahrhundert. Abscheu und Ekel: Die Grundbestimmung ist auch hier gemacht, man wendet sich ab. Es ist eine Fehlform des Schönen, ein Fehlform der Ordnung.

Heute ist die Schönheit keine ontologische Bestimmung, die subjektiviert wird – zur Kunst gehört heute beides, schöne und hässliche Kunst. Nicht mehr ist die Schönheit eine Bestimmung der Wirklichkeit, das hat sich verschoben. Der ontologische Weg ist hier nicht mehr gehbar – genauso wenig die Güte der Welt angesichts der Theodizeefrage.

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9. 6. Die Einheit der Transzendentalien

Frage: Wie gehören die Transzendentalien zusammen? Die Transzendentalien sind Eigenschaften eines jeden Seienden; es ist kein Seiendes denkbar, dem eine Transzendentalie fehlt. ens et unum convertentur – Sein als Seiendes ist austauschbar. Ich kann nicht sagen: Hier sind die schönen, hier die wahren und dort die guten Dinge. Zentral ist: Jedes Seiendes ist ein Gutes, ein Wahres, ein Schönes.

Wir können nur nach einem Seienden fragen, wenn ich schon weiß, worum es sich (zumindest im Ansatz) handelt; d.h. wenn ich Nichtsein und Anderssein ausschließen kann. -> Damit ist dieses Seiende ein Eines. Wenn wir nach diesem Einen dann fragen, setzen wir voraus, dass es geistigem Erkennen oder Wissen grundsätzlich zugänglich ist, d.h. dass es ein Wahres ist. Schon im Fragen, erst recht in allem weiteren Wollen und Handeln setzen wir das Seiende als mögliches Ziel des Wollens voraus: als ein Gutes. So erschließt das Seiende im geistigen Vollzug seine transzendentalen Bestimmungen.

In diesem geistigen Vollzug werden die transzendentalen Bestimmungen jedoch nicht nur vorausgesetzt, sondern auch verwirklicht. Er ist der Vollzug der Einheit des Seienden. Je mehr also sich ein Seiendes in dieser Weise vollziehen kann, umso intensiver ist seine innere Einheit mit Wissen und Wollen.

→ Ungeistig (also bloß materiell) Seiendes kann sich nicht wissend und wollend vollziehen. Es ist angewiesen auf den Geist, durch den es im Anderen zu geistigem Bewusstsein gebracht wird (damit ist es ein Wahres) und durch den es gewollt wird (damit ist es ein Gutes). Durch diesen geistigen Akt wird es in seinem eigenen Sein, aber vermittelt durch Anderes, zu sich selbst gebracht.

→ Genauso ist der endliche Geist in seinem Selbstvollzug auf Anderes angewiesen. Er kann nur wissen, wenn er um Anderes (Wahres) weiß; er kann nur wollen, wen er Anderes (Gutes) will. Nur vermittelt durch Anderes kommt er zu sich selbst und kann sein geistiges Sein entfalten. (Dynamische Identität des Seins)

In diesem Zusammenhang muss auch die Schönheit erwähnt werden. Die Einheit der Transzendentalien – als Einheit von Wahrheit und Gutheit – schafft sich einen wesenseigenen Ausdruck in der Schönheit, die selbst als transzendentale Eigenschaft des Seins anzusprechen ist, jedoch also solche eine eigene Stellung gegenüber den anderen Transzendentalien hat. Das Schöne hat ontologisch scheinbar keinen eigenen Inhalt – sie besteht vielmehr in der Verschränkung von Wahrheit und Gutheit.

Man kann sagen: Das Schöne ist das Wahre, insofern es ein Erkenntnisstreben erfüllt und das Gute, insofern ein Wollen darin erfüllt zur Ruhe kommt.

→ In diesem Sinn ist die Schönheit spezifischer Ausdruck der Einheit aller Transzendentalien: Einheit von Wahrheit und Gutheit ist Schönheit.

10. Analogie

I. Was heißt Analogie von Ausdrücken? II. Was heißt Analogie sprachlich?

III. Was heißt Analogie ontologisch?

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Ad I.) griech. analogía:

unterschiedliches, richtiges Verhältnis (wovon bleibt offen) zweier Begriffe, die zueinander in Bezug gestellt sind.

Ad II.)

analoges Verhältnis von zwei Wörtern:

Bedeutung von Wörtern kann mit der Zeit wechseln, es bleibt oft aber ein Bezug zur Ursprungsbedeutung – Wörter dann ähnlich, aber nicht identisch (Übereinstimmung und Differenz vorhanden).

Wichtige Begriffe:

a) äquivok ist ein Wort, das verschiedene Bedeutungen hat. (z.B.: Strauß: Vogel, Blumen, Name, etc.) b) univok ist ein Begriff der, nur eine bzw. eine eindeutige Bedeutung hat; kommt eher selten vor. (Siehe Fremdwörterbücher: Es gibt fast immer mehrere Bedeutungen.)

c) synonym sind zwei verschiedene Wörter, die das Gleiche bezeichnen. d) analog ist ein Begriff, der sowohl äquivoke als auch univoke Anteile besitzt; er bewahrt zwar seine Bedeutung, wird aber in wesentlich verschiedenem Sinn ausgesagt: In der Sinneinheit kommt er mit dem univoken Begriff, in der Verschiedenheit der Anwendung mit dem äquivoken Wort überein.

Ad III.) Hier vergleicht man Ähnlichkeiten nicht mehr auf der sprachlichen, sondern auf der ontologischen Ebene. Die Identität, bzw. Differenz muss also in der Bestimmung des Seienden selbst liegen.

Wie kann ich Analogie zwischen Seienden ausmachen? -> Jedes Seiende vollzieht das Sein unterschiedlich (hier liegt die Differenz),

jedoch hat jedes Seiende auch Anteil am esse commune (hier liegt die Identität). Sowohl Identität als auch Differenz erhalten Seiende aus der ontologischen Differenz! (d.h. sie sind ähnlich, da sie Anteil am Sein selbst haben, aber auch unähnlich, weil sie ihr jeweiliges Sein anders vollziehen.)

Diese Analogie heißt analogia entis (Analogie des Seins). Die unmittelbare Folge daraus ist die analogia entium (Analogie der Seienden); durch ihre Ähnlichkeit und Unähnlichkeit ist es möglich, Seiende miteinander zu vergleichen. -> z.B. Individuen: Sie sind als Menschen auf der gleichen Seinsebene, vollziehen ihr Sein aber vollkommen unterschiedlich. Wie Menschen (Hunde, Autos, etc.) leben/sind, ist analog zueinander.

Wie wird jetzt aber der Überstieg vom sinnlich Wahrnehmbaren auf den Gottesbegriff getan? Wie kann man den Überstieg vom Seiendem zum Sein gewährleisten?

Prominente Beispiele: Die quinque viae des Thomas von Aquin arbeiten alle mit der Analogie des Seins; er identifiziert das esse commune mit dem esse subsistens (dieses wird wiederum als eigenständiges Sein, als Gott aufgefasst).

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Seine Gottesbeweise funktionieren nur, wenn das Verhältnis zwischen Seiendem und dem Sein (= Gott) ein analoges Verhältnis ist. (Der Analogiebegriff wird zu einem erkenntnistheoretischen Begriff.)

3 Schritte des erkenntnistheoretischen Weges vom Menschen zu Gott:

1. via positiva: Hier geht es um den Versuch, Identität auszusagen zwischen Gott und Mensch. Man nimmt als Ausgangspunkt Eigenschaften des Menschen und sagt, Gott ist genauso; hier wird die Identität betont.

z.B. „Der Mensch ist gut“ – „Gott ist gut.“ Theologisch würde hier von Ebenbildlichkeit gesprochen.

2. via negativa: Hier verneint man dasjenige, was vom Menschen ausgesagt wird, um Gottes Dasein als das Sein schlechthin Rechnung zu tragen – alles, was er ist, ist er fundamental anders als jeder Mensch. z.B.: „Gott ist nicht gut, d.h. Gott ist nicht gut so wie der Mensch gut ist.“

(Hier setzt ein Spiel zwischen zwei Aussagen ein, die widersprüchlich sind – man muss Identität und Differenz gleichzeitig denken.)

3. via eminentiae: Im letzten Schritt will man eine positive Aussage über Gott machen, ohne jedoch den zweiten Schritt auszulassen.

z.B. „Gott ist die Güte (schlechthin).“ Das heißt, er ist gut in vollendeter Weise, sein Gutsein übersteigt das Gutsein der Menschen.

(Vorsicht: Analogieschlüsse sind nicht stringent logisch! Ein Schluss per analogiam ist nicht im gleichen Maße aussagekräftig wie ein deduktiver Schluss, er ist sehr kontextabhängig und auch schwerer zu begründen. Trotzdem werden sie in der Wissenschaft oft angewandt.)

In den Texten des 4. Laterankonzil (1215) findet man eine Bestimmung des Analogiebegriffes in der Anwendung auf Gott gegen die Irrlehren des Joachim von Fiore:

„Quia inter Creatorem et creaturam non potest tanta similitudo notari, quin inter eos maior sit dissimilitudo notanda.”

„Denn zwischen dem Schöpfer und dem Geschöpf ist kann man keine so große Ähnlichkeit feststellen, dass zwischen ihnen keine noch größere Unähnlichkeit festzustellen wäre.“

-> d.h. also direkte Proportionalität! In Bezug auf Gott bedeutet das: Je mehr ich von ihm weiß, desto mehr weiß ich, was ich nicht wissen kann. Das Wissen und das Nichtwissen nehmen gleichzeitig zu – Gott ist im Letzten nie erforschbar; je tiefer ich in das Geheimnis eindringe, desto mehr erkenne ich, dass ich nichts weiß, bzw. dass Gotteserkenntnis nie letztgültig ist. In dieser Passage wird die Differenz stark betont, um die euphorische Stimmung abzuwehren, die Philosophie könnte Gott vollständig erfassen.

Hier ist auch der Überstieg von Metaphysik zu philosophischer Gotteslehre zu verankern.

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11. Prädikabilien

Als Prädikabilien werden Begriffe bezeichnet, die dazu dienen, die Art und Weise zu bezeichnen, wie über einen Gegenstand gesprochen werden kann. Im Gegensatz dazu stehen die Kategorien (auch Prädikamente), die inhaltlich über einen Gegenstand ausgesagt werden.

Frage: Wie kann ich ein Individuum fassen? Durch Benennung; man muss die Unterschiede der Individuen namhaft

machen. Frage: Wie bilde ich den Begriff einer Gruppe?

Das wären allgemeine Begriffe – hier muss ich definieren.

Welche Werkzeuge brauche ich, um zu definieren? -> Prädikabilien (3 davon)

Ich nehme eine Gruppe von Individuen und untersuche sie daraufhin, was sie auszeichnet, bzw. genauer: Was sie von anderen unterscheidet. Wie geht das wiederum? Ich betrachte die übergeordnete Gruppe.

-> z.B.: Mensch (=Art) -> Lebewesen (= Gattung)

Dann suche ich nach den artbildenden Unterschied: Was macht den Menschen aus im Unterschied zu allen anderen Lebewesen? Andere Lebewesen dürfen also diese Eigenschaft nicht haben.

-> z.B.: Mensch = vernunftbegabt (=artbildender Unterschied)

Drei Dinge brauche ich also: • Art • übergeordnete Gattung • artbildenden Unterschied

Zwei weitere Dinge sind unterscheidbar: 1 Proprium 2 logische Akzidenz

Ad 1.) z.B. die Fähigkeit zu lachen (könnte aber auch in der Definition stehen). Hier geht es um Eigenschaften von Individuen, die zu der Spezies gehören und nicht in die Definition eingegangen sind, die aber trotzdem etwas Eigentümliches sind.

Ad 2.) Wenn ich Gruppe bestimmen möchte, dann kann ich auch weitere Eigenschaften benennen, die einmal da sind, einmal nicht, was also nicht unbedingt zur Art dazugehört. z.B.: Mensch lacht gerade oder er lacht nicht; daran hängt das Menschsein nicht.

Prädikabilien: Geht dasjenige, worüber etwas ausgesagt wird, vollständig im Begriff auf oder nur teilweise?

z.B. Mensch: Wie wird das Ganze des Menschen begriffsmäßig erfasst? Durch Art und Gattung.

⇒ bedeutet natürlich nicht, dass der Mensch dadurch hinreichend bestimmt ist – „erfassen“ meint hier Allgemeinbegriffe.

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⇒ z.B. Fähigkeit zu Lachen oder zur Vernunft umfasst nicht alles; es könnte ja auch etwas geben, dass kein Lebewesen ist und trotzdem vernunftbegabt.

Aristoteles unterscheidet als Erster diese fünf Prädikabilien: 1 Gattung 2 Art 3 Differenz 4 Proprium 5 Akzidenz

Ad 1.) Gattung (lat. genus) ist, was von mehreren, der Art nach verschiedenen Dingen bei der Angabe des Was oder des Wesens ausgesagt wird. Bsp.: „Sokrates ist ein Lebewesen.“ – Achtung! Es geht nur um die Aussageweise, nicht über das inhaltlich Ausgesagte.

Ad 2.) Art (lat. species) ist, was von mehreren Individuen ausgesagt wird. Bsp.: „Zweibeinige, sprechende Säugetiere sind Menschen.“

Ad 3.) Differenz (lat. differentia) bezeichnet den eigentümlichen Unterschied, den eine Gattung im Vergleich zu einer übergeordneten Gattung hat. Bsp.: Die Gattung Tier ist der Gattung Säugetier übergeordnet. Der eigentümliche Unterschied ist, dass bei Säugetieren die Jungen von der Mutter gesäugt werden.

Ad 4.) Proprium (lat. proprium) ist, was nicht das Wesen eines Dinges bezeichnet, aber nur ihm zukommt und in der Aussage mit ihm vertauscht wird. Bsp.:„Der Mensch ist der Grammatik fähig.“ Ein Proprium ist eine notwendige Eigenschaft und extensional (d.h. in dem Umfang der bezeichneten Objekte, in diesem Fall Menschen) eindeutig.

Ad 5.) Akzidenz (lat. accidens) ist, was einem und demselben Gegenstand zukommen und nicht zukommen kann. Bsp.: „Der Mensch hat einen Bart.“ Eine Akzidenz ist eine zufällige, d.h. kontingente Eigenschaft.

„Er hat unsere Sünden mit seinem Leib auf das Holz des Kreuzes getragen,

damit wir tot seien für die Sünden und für die Gerechtigkeit leben.

Durch seine Wunden seid ihr geheilt.

Denn ihr hattet euch verirrt wie Schafe,

jetzt aber seid ihr heimgekehrt zum Hirten und Bischof eurer Seelen.“

(1 Petr, 23 -25)

soli Deo gloria -Gottes Segen und viel Erfolg!

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