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Methode zur Bestimmung kleiner Mengen von freiem Chlor in Phosgen. Von IIans Martin, W. 0ettinger und W. Kuhn. [Eingegangen am 16. Juni 1939.] 1. Zur Problemstellung. Das nachstehend behandelte Problem, die genaue Bestimmung kleiner Mengen von freiem Chlor in Phosgen, hat sich im Zusammenhang mit einer photochemischen Untersuchung ergeben, und zwar im Anschluß an eine von W. Kuhn und H. ~artin 1) durchgeführte photo- chemische Trennung von Isotopen. Um das photochemische Problem und das sich daraus ergebende analytische Problem verständlich zu machen, sei zunächst folgendes in Erinnerung gebracht: Eine teilweise photochemische Trennung von Isotopen wurde in der er- wähnten Arbeit dadurch bewirkt, daI~ Phosgendampf bei einem Druck von etwa 1000 mm Hg unter Zusatz von Joddampf von 0,i mm Druck mit mono- chromatischem Licht der Wellenlänge 28t6,t79 A (filtriertes Licht eines A1- Funkens) bestrahlt wurde. Die 1Viöglichkeit einer Isotopentrermung beruht hierbei darauf, daI3 die Wellenlänge der genannten A1-Linie mit einer Ab- sorptionsbande des Moleküls COCla~Cla5 zusammenfällt, w/ihrend die Ab- sorptionsbanden von COClasCla7 und COClaTC137 von denen des erstgenann~en Moleküls etwas getrennt liegen (Isotopeneffekt in Bandenspektren). Es wird infolgedessen die )/[olekülkombination COClasCla5 bei der Bestrahlung bevor- zugt zersetzt. TJm eine quantitative Auswertung des Trennungseffektes zu ermöglichen, war bei diesen Versuchen außerdem das Phosgen als Gasstrom mit passender Geschwindigkeit durch das Bestrahlungsgef~tB geleitet worden. Die Ström- ungsgesehwindigkeit wurde so gewählt, daß nur ein sehr geringer Bruchteil des jeweils vorhandenen Phosgens photochemisch zersetzt wurde. Der Partialdruck an freigemachtem Chlor betrug nie mehr als etwa 0,05 bis OA mm Hg. Dadurch, daß die Konzentration an freiem Chlor und an freiem Kohlenoxyd im Bestrahlungsgefäß sehr niedrig blieb, wurde erreicht, daß eine auch nur teilweise l%ückbildung von Phosgen aus Kohlenoxyd und Chlor vermieden wurde. Einem ghnliehen Zweck diente der bereits genannte Zu- satz von Jod, durch das C1-Atome oder COC1-Radikale, die sich bei der photochemischen Zersetzung zunächst bilden und die Kettenreaktionen und 1) Ztschrft. f. physikal. Chem. B 21, 93 (1933). Ztsehrft. f. anal. Ghem. 117, 9. u. 10. Heft. 20

Methode zur Bestimmung kleiner Mengen von freiem Chlor in Phosgen

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Methode zur Bestimmung kleiner Mengen von freiem Chlor in Phosgen.

Von

IIans Martin, W. 0ettinger und W. Kuhn.

[Eingegangen am 16. Juni 1939.]

1. Zur Problemstellung. Das nachs tehend behande l t e Prob lem, die genaue B e s t i m m u n g

kleiner Mengen von f re iem Chlor in Phosgen, h a t sich im Zusammenhang m i t e iner p h o t o c h e m i s c h e n U n t e r s u c h u n g ergeben, und zwar im Anschluß an eine von W. K u h n und H. ~ a r t i n 1) durchgeführ te photo- chemische Trennung von Iso topen .

U m das photochemische P rob lem und das sich da raus ergebende ana ly t i sche P rob lem ve r s t änd l i ch zu machen, sei zunächs t folgendes in Er inne rung geb rach t :

Eine teilweise photochemische Trennung von Isotopen wurde in der er- wähnten Arbei t dadurch bewirkt, daI~ Phosgendampf bei einem Druck von etwa 1000 m m Hg unter Zusatz von Joddampf von 0,i m m Druck mit mono- chromatischem Licht der Wellenlänge 28t6,t79 A (filtriertes Licht eines A1- Funkens) bestrahl t wurde. Die 1Viöglichkeit einer Isotopentrermung beruht hierbei darauf, daI3 die Wellenlänge der genannten A1-Linie mit einer Ab- sorptionsbande des Moleküls COCla~Cla5 zusammenfällt , w/ihrend die Ab- sorptionsbanden von COClasCla7 und COClaTC137 von denen des erstgenann~en Moleküls etwas getrennt liegen (Isotopeneffekt in Bandenspektren). Es wird infolgedessen die )/[olekülkombination COClasCla5 bei der Bestrahlung bevor- zugt zersetzt.

TJm eine quant i ta t ive Auswertung des Trennungseffektes zu ermöglichen, war bei diesen Versuchen außerdem das Phosgen als Gasstrom mit passender Geschwindigkeit durch das Bestrahlungsgef~tB geleitet worden. Die Ström- ungsgesehwindigkeit wurde so gewählt, daß nur ein sehr geringer Bruchteil des jeweils vorhandenen Phosgens photochemisch zersetzt wurde. Der Par t ia ldruck an freigemachtem Chlor betrug nie mehr als etwa 0,05 bis OA m m Hg. Dadurch, daß die Konzentrat ion an freiem Chlor und an freiem Kohlenoxyd im Bestrahlungsgefäß sehr niedrig blieb, wurde erreicht, daß eine auch nur teilweise l%ückbildung von Phosgen aus Kohlenoxyd und Chlor vermieden wurde. Einem ghnliehen Zweck diente der bereits genannte Zu- satz von Jod, durch das C1-Atome oder COC1-Radikale, die sich bei der photochemischen Zersetzung zunächst bilden und die Ket tenreakt ionen und

1) Ztschrft. f. physikal. Chem. B 21, 93 (1933).

Ztsehrft . f. anal. Ghem. 117, 9. u. 10. Hef t . 20

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sonstige Komplikationen veranlassen könnten, abgefangen und unwirksam gemacht werden.

Bei den Versuchen von W. K u h n und I-I. Mar t in zeigte sieh indessen, daß trotz aller dieser ~Mal3nahmen der lfntersehied im Atomgewieht des photoehemiseh freigemachten Chlors gegenüber dein von gewöhnlichem Chlor nur etwa 1/» bis 1/4 von dem theoretisch zu erwartenden Wert betrug; d. h. die Grölte der beobachteten Atomgewiehtsversehiebung wies auf Lmerwartete Besonderheiten beim Elementarvorgang der Phosgenzersegzung hin. Die Auswertung des Trennungseffektes führte also zu einem photoehemisehen Problem.

Die wahrseheinliehste unter den bei der Phosgënzersetzung in Frage kommenden Besonderheiten steht mit der sogenannten P r ä di s s o z ia t io n im Absorptionsspektrum von Phosgcn in Zusammenhang. Sie ließ als möglich oder wahrscheinlich voraussehen, daß die Quantenausbeute bei der Bestrahlung mit der genannten Al-Linie nicht gleich t, sondern nur etwa gleich 0,8 sein würde1). Um die Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer solchen Voraussage prüfen zu können, sahen wir uns offenbar vor die in der vorliegenden Arbeit behandelte analytische Aufgabe gestellt: Es s ind s e h r k l e ine M e n g e n v o n Chlor , die m i t v ie l P h o s g e n u n d wen ig J o d g e m i s c h t in e ine r V e r d ü n n u n g v o n e t w a 1:10000 v o r l i e g e n , m i t e ine r G e n a u i g k e i t v o n t - - 2 % zu b e s t i m m e n .

2. Prinzip der Methode. Das Prinzip der von uns angewendeten Methode beruht auf der in

der erwähnten Arbeit von W. K u h n und Hi M a r t i n gemachten F e s t - s t e l l u n g , daß P h o s g e n g a s m i t Q u e c k s i l b e r j o d i d bei Z i m m e r - t e m p e r a t u r n i c h t r e a g i e r t , w ä h r e n d f r e i e s C h l o r g a s sieh m i t Q u e e k s i l b e r j o d i d s o f o r t u m s e t z t n a c h der G l e i c h u n g

t I g J2 + C12 = ttgC12 d- J2 . . . . . . (~) W. K u h n und t-i. Mar t in haben diese Tatsache im Laufe der photo-

chemischen Isotopentrermung bereits präparativ ausgenutzt: Sie leiteten das Phosgen, das in einem Bestrahlungsgefäß durch Einstrahlung mono- ehromatisehen Lichtes teilweise (zu etwa 0,t°/00) in Kohlenoxyd und Chlor gespalten worden war, über Queeksilberjodid. Das photoehemiseh freige- machte Chlor wurde darm nach Gleichung (t) als Quecksilberchlorid fest- gehalten, während das unzersëtzt gebliebene Phosgen von neuem in das Be- strahlungsgefäß zurückgeführt werden konnte.

Da die Umsetzung nach Gleichung (1) sehr glatt verlief, so war zu erwarten, daß sie sich auch für die jetzt vorzunehmende q u a n t i t a t i v e Bestimmung des Chlors eignen werde. Die naehstehend beschriebenen Versuche werden zeigen, daß diese Erwartung berechtigt war: Aus der G e w i c h t s a b n a h m e , die m i t der Ü b e r f ü h r u n g v o n Q u e c k - s i l b e r l I - j o d i d in Q u e c k s i l b e r I I - e h l o r i d v e r b u n d e n i s t , l i e ß e n

1) :Ein solcher Sachverhalt ist inzwischen experimentell bestä~ig~ worden; eine ausführliche Mitteilung darüber erscheint demnächst in der Ztschrft. f. physikal. Chem.

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s i ch t a t s ä c h l i c h C h l o r m e n g e n v o n de r G r ö ß e n o r d n u n g v o n i m g , die in e i n e m 10000fachen Ü b e r s c h u ß v o n P h o s g e n u n d L u f t g e m i s c h t v o r l a g e n , q u a n t i t a t i y r i c h t i g b e s t i m m e n .

Wahrscheinlich hät ten wir die Chlorbestimmung ans ta t t aus der Ge- wichtsabnahme des QuecksilberlI-jodids auch durch Bestimmung des nach Gleichung (l) frei werdenden Jods bewerkstelligen können. Da wir aber bei unseren Versu chen dem Ph0sgen von vornherein freies Jod zugesetzt hatten, wäre dieses Verfahren umständlich gewesen. Wir be- schränkten uns daher auf die Feststellung der nach Gleichung ( l ) e in - tretenden Gewichtsabnahme.

Da unter allen Umständen die ersten Anteile des chlorhaltigen Gas- gemisches bei Berührung mit Quecksflberjodid gemäß Gleichung (1) Jod frei machen und da das Jod mit dem im naehströmenden Gas enthaltenen Chlor zu Chlorjod reagiert, findet der in Gleichung (1) besehriebene Umsatz in Wirklichkeit ganz oder teilweise über Chlor jod als Z w i s c h e n p r o d u k i statt. Ein quantitativer Umsatz gemäß Gleichung (1) schließt somit einen quantitativen Umsatz auch des Chlorjods gemäß der Gleichung

I-IgJ 2 + 2 CIJ = I-IgC12 + 2 J~ . . . . . . . (la) in sich.

Von praktischer Bedeutung ist diese Bemerkung insofern, als wir ein- sehen können, daß es für den quantitativen Verlauf gleichgültig ist, ob das Chlor als Chlorjod oder als freies Chlorgas in den Versuch eingesetzt wird.

3. Experimentelle Dureh~ührung. Um die Brauchbarkeit der 1%eaktion (l) für die quanti tat ive Chlor-

bestimmung unter den angegebenen Bedingungen zu prüfen, waren folgende Einzeloperationen notwendig:

a) Bereitstellung einer mit einer Mindestgenauigkeit von 1% be- kannten Menge von etwa t mg freien Chlors.

b) Verlustfreie Verdünnung dieser Chlormenge mit dem etwa 10000fachen Volumen von Phosgen und Luft und Überleitung des chlor- haltigen Gasgemisches über QuecksilberlI-jodid; Entfernung des freiwerdenden Jods im Gasstrom und Bestimmung der beim Quecksi]berII-jodid sich einstellenden Gewichtsabnahme. c

Diese Operationen sollen im folgenden einzeln beschrieben werden:

a) A b m e s s u n g des Chlors . Die Bereitstellung einer genau bekannten, in der Gröge ~~ ~z

von etwa i mg liegenden Menge freien Chlors erfolgte in nachstehender Weise: Zur Aufnahme des gasförmigen Chlors wurde eine Glasampulle A von etwa 0,3 ccm Inhal t vorgesehen A (Äbb. 29); die Ampulle wurde, damit sie nachher durch Ab- schmelzen geschlossen werden kormte, mit zwei eapillaren Zuführungen k I und k~ versehen. Der innere Durchmesser Abb. 29. dieser Capillaren betrug 0,1 bzw. 0,2 mm; er war mit Hilfe eines Mikro- skops ausgemessen. Man überlegt sich leicht, daß bei einem Capillaren-

20*

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durchmesser von 0,i m m =0,01 c m die Chlormenge, die in einem 3 c m

langen Rohrteil enthalten ist, nur 0,0007 mg beträgt, und dies würde bei einer Gesamteinwage von I m g nicht einmal 1°/o 0 ausmachen. Diese FeststelIung ist wichtig, weil man daraus ersieht, daß dadurch, daß wir die Capillaren (nach Füllung der Ampulle mit gasförmigem Chlor) ab- schmelzen werden, keine nennenswerten Fehler entstehen können.

'~S z u r ,z~mfe 65

~ g

Abb. 30.

Vor der Füllung mit Chlor wurde die Ampulle A mit Quecksilber aus- gewogen. Zu diesem Zweck wurden die erweiterten Verlängerungen c und a der Capillaren k 1 and k 2 (Abb. 29, S. 307) in der aus Abb. 30 ersichtlichen Weise an eine evakuierbare Apparatur angeschmolzen. In Abb. 30 ist h 1 ein Quecksilberhahn, während h a und ha zwei gewöhnliche gefettete Hähne sind. Der Hahn h 1 schließt zunächst die Capillare k 1 mit Erweiterung e gegen ein mit Quecksilber gefülltes Gefäß K ab.

Wenn man die Hähne h 1 und h 2 schließt und den Hahn h3 öffnet, läßt sich die Ampu]le evakuieren, und es steht hierbei den abgehenden Gasen sowohl der Weg über a und ha als auch der Weg über c und die Verbindung b zur Verfügung. Das Vorhandensein eines Umwegs über b (und die Verengung sl) ist wichtig, damit nicht ein größeres Gas- volumen (das Volumen zwischen c und kl) durch die dünnen Capillaren k 1 und k 2 abgesaugt werden muß.

Sobald in A ein genügendes Vakuum hergestellt ist, wird die Ver- bindung b durch Abschme]zen an der Stelle s 1 gesperrt und es wird sodann der Hahn h I geöffnet. Das Quecksilber fließt jetzt aus dem Ge- fäg K durch das Rohr e und die Capillare k 1 in die Ampulle A. Es steigt sodann allmählich in der Capillare k 2 hoch. Wenn es dort die Er- weiterung a erreicht hat, läßt man durch Schließen von ha und Öffnen des Hahnes h a Luft einströmen. Hierauf wird die Capillare k 2 an der Stelle g abgeschmolzen, was ohne Schwierigkeit gelingt, wenn die Capillare hinreichend starkwandig ist. Hierauf wird die an die Capillare k I an- schließende Erweiterung etwa an der Stelle e angeritzt und abgesprengt. Das Quecksilber, das sich jetzt in dem freien Sehenkel c über der Capillare k 1 befindet, wird dann, nachdem man die Ampulle A in einem Wasser- oder Glyeerinbad erwärmt hat, abgehebert. In dieser Weise kann erreicht werden, daß das Quecksilber in k I nach dem Abkühlen auf Zimmertemperatur etwa in gleicher Höhe steht wie in der Capillare k 2

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kleiner Mengen, von freiem Chlor in Phosgen. 309

geleitet und schließlich im Konden- sationsgef£B G 1 (Abb. 32) mit

(Stelle g). Das freie Ende bei c wird rundgeschmolzen, die Ampulle gußerlieh gereinigt und zum vollst~tndigen Trocknen in einen Schwefel- s£ure-Exsiccator gestellt.

Die Ampulle, die jetzt die in Abb. 3i gezeichnete Form hat, wird sodann genau gewogen. Hierauf wird die Spitze der Capillare k 2 bei g abgebrochen und das Queck- e silber kann dann, indem man bei o mit der Wasserstrahl- pumpe saugt, entfernt werden. Die letzten t~este .von Quecksilber werden aus der Ampulle und den Capillaren g' F - - g durch mehrmaliges Dt~rchsaugen von Salpeters~ure und reinem Wasser herausgelöst. Nach abermaligem Trocknen wird die leere Ampulle zusammen mit der abgebrochenen Spitze g gewogen. Aus der Gewichtsdifferenz ergibt sich dann unter Berücksichtigung der Dichte des Quecksilbers das Volumen der Ampulle, einschließlich dem Volumen Abb. 3~. der Capillaren von g bis g'.

Die so bereitgestellte Ampu]]e mußte nun mit reinem Chlorga s ge- füllt werden. Die hierfür benutzte Vorrichtung ist in Abb. 32 dargestellt.

Das Chlor wurde in einem Schliffkolben hergestellt, und zwar aus Ka]iumpermanganat und konz. Salzsäure (in der Abbildung nicht ge- zeichnet). Es mußte zu seiner völligen l~einigung je eine Waschflasehe mit desti]liertem Wasser, Kalium- permanganatlösung und ausgekoch- ! ~ ter, konzentrierter Schwefelsä,ure passieren. Zum völligen Trocknen wurde es noch durch ein m i t Phosphorpentoxyd gefülltes Rohr . g

Hilfe von flüssiger Luft konden- siert.

Abb. 32.

Nachdem in solcher Weise eine genügend große Chlormenge bereit- gesteht war~ wurde die Verbindung mit der Chlordarstellungsapparatur bei s 2 abgeschmolzen, und die Erweiterung e der Ampulle A (Abb. 3 1 ) wurde bei f (Abb. 32) angeschmolzen. Um die Ampulle A mit reinem Chlor zu füllen, war es jetzt wichtig, zuerst die Luft vollständig aus dem jetzt blinden Ansatz s 2 und aus G 1 zu entfernen. Um das zu erreichen, wurde die Apparatur über den Hahn hd, der mit Schwefelsäure gedichtet war, mit einer Wasserstrahlpumpe evakuiert. Gleichzeitig ~¢urde zu wiederholtem Male durch Kühlen flüssiges Chlor an der Stelle s 2 kon- densiert und wieder verdampft. Nachdem in solcher Weise in s 2 und G 1 alle Luft durch Cblorgas ersetzt war, wurde h a geschlossen und das Chlor aus G 1 wurde mit einem Überdruck von etwa einer Atmosph~tre von m

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über f, kl, A und k 2 ausströmen gelassen. Das aus der Capitlare k z bei g austretende Chlor wurde durch das Rohr 1 (über den Hahn h») abgesaugt.

Das im Bereich von m über f bis g liegende Volumen, das wir mit v bezeichnen wollen, kann amlähernd abgeschätzt werden, und da ferner die Länge und Weite der Capillaren k 1 und k 2 sowie der Überdruck, unter dem das Chlor durch die Capillaren getrieben wird, bekannt sind, kann man auch die Zeit angeben, die ungefähr notwendig ist, um das besagte Volumen v durch Chlor zu ersetzen. Nach dem P o i s e u i l l e s c h e n Gesetz strömt n~mlich durch eine Capillare von der L~tnge l und dem Radius r bei Anwendung eines Überdrucks von der Größe zJ P in einer Zeit von t Sekunden folgendes Volumen

r 4 . v - - - - t . z ] P . . . . . . . (2)

8~11

U ist dabei der Koeffizient der inneren Reibung von gasförmigem Chlor. Der Überdruck wurde, wie erwähnt, gleich etwa i Atm. gemacht, und zwar dadurch, daß das Chlorgefäß G 1 mit Eis-Kochsalz gekühlt wurde. Bei -- 20°C beträgt nämlich der Dampfdruck von flüssigem Chlor etwa 2 Atm. Das Chlor strömte nun so lange durch die Ampulle A, bis das Volumen v mehrmals erneuert war. Es wurde hierauf der Hahn h a gegen die Atmosphäre geöffnet and das freie Ende der Capillare k 2 wurde bei g wieder zugeschmolzen. Die Capillare k I wurde hierauf eben- falls an der beim Auswägen mit Quecksilber markierten Stelle g' (Abb. 31 bzw. 32, S. 309) abgeschmolzen. Die Temperatur in der Ampulle betrug dabei ungefähr 15 ° C. Um nun den Druck und die Temperatur des Chlors in der Ampulle g e n a u einzustellen, wurde die (jetzt beiderseits abge- schmolzene) Ampulle A in ein Wasserbad von t = 22°C gebracht (die gleiche Temperatur , bei der die Ampulle mit Quecksilber ausgewogen worden war). Darauf wurde die aus dem Wasserbad herausragende Spitze g der Capil]are k 2 nochmals abgebrochen, um das überschüssige Chlor ausströmen zu lassen, und darauf erneut zugeschmolzen.

Aus der Temperatur (t = 22 ° C), dem Volumen v ( ~ 0,4329 ccm) der Ampulle A und dem im Augenblick des Abschmelzens abgelesenen Luft- druck P (~- 758 m m Hg) l~ßt sich die in der Ampulle enthaltene Chlor- menge m genau berechnen. Es ergab sich für unseren Versuch die Chlor- menge m ~ 1,264 mg.

b) V e r l u s t f r e i e V e r d ü n n u n g des C h l o r s m i t d e m e t w a i0000Bachen V o l u m e n v o n P h o s g e n u n d L u f t u n d Ü b e r l e i t u n g des e h I o r h a l t i g e n G a s g e m i s c h e s ü b e r Q u e c k s i l b e r I [ - j o d i d .

Es mußte jetzt dieses ,Mil l igramm" Chlor mit dem etwa i0 000lachen Volumen von Phosgen oder Phosgen und Luft verdünnt werden, d . h . es mußte ein Gasgemisch hergestellt werden, in dem der Chlor-Partial- druck ungefähr 0,1 m m betrug, uud in dieser Verdünnung mußte dann

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kleiner Mengert von freiem Chlor in Phosgen. 3'11

das Gas mit Queeksilberjodid zur Reaktion gebracht werden. Selbst.- verständlich war auch bei dieser Operation zu vermeiden, daß das Chlor etwa mit gefetteten H~hnen, Quecksilber usw. in Berührung kam.

Temper~,turen, bei denen das Chlor einen genügend kleinen Dampf- druck (etwa 0,i m m oder Ahnlich) besitzt, sind nicht leicht konstant za halten. Aus diesem Grund wurde das Chlor zungchst in Chlorjod über- geführt.. Das bedeutet, für den weiteren Verlauf der Analyse keine Er- sehwerung, da bei der Reaktion des Chlors mit dem Queeksilberjodid ohnehin Jod entsteht. Für das Chlorjod seinerseits sind nun die Dampf- drucke bei verschiedenen Temperaturen gemessen1). Auf Grund der Dampfdruckgleiehung von C l a n s i u s - C l a p e y r o n ergibt sich daraus für 0 ° C ein Dampfdruek p von ~ 6 m m Hg. Dieser Dampfdruck braucht

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Abb. 33.

nur u n g e f ä h r bekannt zu sein, da wir ihn nur dazu benutzen, um eine passende Verdünnung des Chlorjoddampfes mit weiteren Mengen von Phosgen und Luft vorznnehmen.

Die Vorrichtung für die Überführung des Chlors in Chlorjod, die Vorrichtung für die anschließende Verdünnung des Chlorjoddampfes mit Phosgen und Luft und die Vorrichtung für das Abfangen des Chlors durch Quecksilberjodid sind in Abb. 33 wiedergegeben.

Man stelle sich vor, daß das Durchschlagsventil V in dieser Abbildung zunächst geschlossen sei, ebenso der Kahn h?. Ebenso stelle m an sieh vor, daß der untere Teil des Gefäßes G 2 mit reinem Phosgen gefüllt sei, daß dieses Gefäß aber zunächst mit flüssiger Luft gekühlt sei. Das Phosgen selbst wird vor Beginn des Versuchs durch s 4 in G 2 eindestil- liert, und s 4 wird nach Herstellung des Vakuums abgeschmolzen. Die

1) Gmel ins I-Iandbueh der anorganisehen Chemie, Bd. Jod, 8. Aufl., System-Nr. 8, S. 611 (1933).

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gesamte zwischen V und h v befindliche Apparatur kann dann über die Abschmelzstellen sa und s c auf etwa l0 -5 m m Hg evakuiert werden. So- dann stelle man sich weiter vor, daß die U-Rohre d - - d gemeinsam durch Eintauchen in flüssige Luft gekühlt seien.

Die Vorrichtung zur Überführung des in der Ampulle A befindlichen Chlors in Chlorjod ist dann durch den in der Mitte der Abb. 33 (S. 3 i l ) befindlichen Apparateteil gegeben, im wesentlichen durch das bei s 5 an- geschmolzene evakuierte Röhrenkreuz R. Nach beendigter Evakuierung werden die Abschmelzstellen s 8 und s c abgeschmolzen.

I m Innern des Röhrenkreuzes R ist nun in der aus Abb. 33 ersicht- lichen Weise die das ,Mill igramm" Chlor enthaltende Ampulle A ent- halten, ferner ein dünnwandiges Glaskölbchen S, in dem etwa 5 m g

Jod enthalten sind, d. h. etwas mehr Jod als theoretisch notwendig ist, um das in A enthaltene Chlor zu Chlorjod zu binden. Außerdem enthält der horizontale Teil des Röhrenkreuzes R einen in Glas eingeschmolzenen Eisenkern F, der von außen mittels eines Magneten bewegt werden kann.

Nach Herstellung von Hochvakuum in dem zwischen V und s3 !iegenden Apparatetefl, Abschmelzen der Stellen s~ und s c und Kühlen der U-Rohre d M mit flüssiger Luft wird nun zunächst durch Bewegen des Eisenkerns ~ die eine der Capillaren der Chlorampulle A abgebrochen. Das Chlor destilliert rasch und vollständig in die gekühlten U-Rohre d - - d (Abb. 33). Hiernach wird auch die das Jod enthaltende Ampulle S (Abb. 33) mit Hilfe des Eisenkerns zertrümmert. Da die Ampulle S außer Jod auch noch e»was Lußt eingeschlossen enthält, n immt die Destillation des Jods aus dem Röhrenkreuz R nach den U-Röhren d M etwas mehr Zeit in Anspruch. Nach Abschluß dieses Vorganges aber befinden sich das gesamte Chlor aus A und das gesamte Jod aus S in den U-Röhren d - -d . ]:)as Röhrenkreuz kann dann durch Abschmelzen an der Stelle s 5 entfernt werden.

Nachdem dies bewerkstelligt ist, wird zunächst unter stetiger weiterer Kühlung von G a und von d - - d mit flüssiger Luft durch die Hähne h 0 und h~ Luft eingelassen, bis Atmosphärendruck erreicht ist. Die durch h~ und h~ eintretende Luft muß vor dem Eintr i t t in die Apparatur zu ihrer Reinigung ein Wattefi l ter (in Abb. 33 nicht gezeichnet), dann eine Wasehflasehe mit konz. Kaliumpermanganatlösung, eine Waschflasche mit konz. Schwefelsäure und ein I m langes Rohr mit Kal iumhydroxyd durchstreichen.

Nachdem in solcher Weise von h~ bis V Atmosphärendruck her- gestellt ist, wird das Durchschlagsventil V geöffnet. Der Lufts t rom kann von diesem Zeitpunkt an von V aus über u, G3 und w e bei z ins Freie austreten. Hierbei ist u ein genau gewogenes, aus Quarzglas bestehendes und mit Quecksilberjodid beschicktes U-Rohr, in das der Gasstrom durch

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kleiner Mengen von freiem Chlor in Phosgen. 313

ungefettete, genau passende Schliffe ein- und austritt . G3 ist ein Gefäl~, das mit flüssiger Luft gekühlt wird und in dem das späterhin dem Luft- strom beigemengte Phosgen zurückgehalten wird.

Um jetzt den die Apparatur von links nach rechts durchsetzenden Luf ts t rom mit Phosgen und mit Chlorjod, zu beladen, wird die flüssige Luft, mi t der G e zunächst geküh]t ist, entfernt und durch ein Bad von t ~ - - 5 ° C ersetzt. Der Dampfdruck des Phosgens beträgt bei dieser Temperatur etwa 409 m m Hg. Gleichzeitig wird jetzt die flüssige Luft, in die man die U-Rohre d - - d eingetaucht hatte, durch ein Bad von 0 ° C ersetzt. Nach dem Gefgf~ G e muß das Phosgen-Luft-Gemisch zungchst ein Rohr e, das mit etwas Quecksiiberchlorid und Quecksilberjodid be- schickt ist, durchstreichen. Damit wird einmal erreicht, daß das Gas- gemisch mit dem (doch merklich flüchtigen) Quecksilberchlorid gesättigt wird. (Es werden in solcher Weise Gewichtsverluste durch Verdampfung von Quecksilberchlorid aus dem zur Wägung bestimmten, bereits be- sprochenen Quarz-U-Rohr u vermieden.) Weiter bewirkt das in e enthaltene Quecksflberjod~d eine Reinigung des Phosgen-Lnft-Gemisches; alle etwa noch vorhandenen Verunreinigungen des Phosgens, die später mit dem in u befindlichen Quecksilberjodid reagieren könnten, erhalten nämlich bereits in e Gelegenheit, mit dem dort befindlichen Quecksilber- jodid zu reagieren.

Nach Abb. 33 (S. 3 i l ) ist zwischen h 7 und G e ein Rohr w 1 und zwischen e und n ein Rohr w e (als Zickzackrohr gezeichnet) eingefügt.. Diese Rohre wl bzw. w e sind Capillaren; die Capillare w 1 soll verhindern, daß Phosgen aus G e an den Fet thahn h« gelangt, und in ähnlicher Weise soll w e verhindern, daß Chlorjod aus den U-Rohren d - - d an das in e befindliche Quecksilberjodid gelangt.

Als Kri ter ium dafür, wie lang und dünn die Capillaren w 1 bzw. w s sein müssen, damit sie den genannten Zweck erfüllen, sei kurz folgendes erwähnt :

Wenn wir die Dfffusionskonstante eines Gases mit D bezeichnen, so ist die mittlere Verschiebung z~ x, die ein Molekül infolge Diffusion (Brownsehe Bewegung) im Mistel in der x-Richtung wghrend einer Zeit A t erfährt, gegeben durch

(A x) 2 = 2 3 t . D .

Wenn wir daher /I x = l machen, d .h . wenn wir eine Capillare von der Länge 1 betrachten, so ist die Zeit, die ein Molekül braucht, um durch Diffusion vom einen Ende der Capillare zum anderen zu gelangen, im Mittel gleich

12 zJ tDif~ = 2 ~ . . . . . . . . (3)

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Wenn wir hingegen einen Gasstrom durch die Capillare fließen lassen, etwa so, daß v ' c c m je Sekunde durch die Capillare befördert werden, und wenn q der Querschnitt der Capillare ist, so sehen wir, daß 1. q gleich dem Volumen der Capillare ist und daß infolgedessen

1. q . . . . . . . (4) B tStröm -- V t

die Zeit ist, während der das in der Capillare befindliche Gasvotumen gerade einmal erneuert wird oder auch die Zeit, die ein Volumenelement des Gases braucht, um infolge der vorhandenen Gasströmnng vom einen Ende der Capillare zum anderen zu gelangen. Wäre A tDiff in Gleichung (3) gerade gleich zJ tStröm in Gleichung (4), d .h . wäre

12 _ 1 . q Oder v ' - - 2 q . D 2 D v ' 1 '

so würde das bedeuten, daß die Gasmoleküle gerade noch gegen den irL der Capillare vorhandenen Strom andifIundieren und so an die un- erwünschten Stellen der Apparatur hingelangen könnten. Is t dagegen

B tström viel kleiner als zl tDiff, oder - - 1 v" q « 2-D12 oder v ' » 2_l_,qD so ist

eine Diffusion der Moleküle entgegen dem Gasstrom ausgeschlossen, in- dem dann die Zeit, die von den Molekülen gebraucht würde, um durch Diffusion vom einen Ende der Capillare zum anderen zu gelangen, viel größer ist als die Zeit, in der die Moleküle durch Strömung durch die Capillare befördert werden. In unseren Versuchen wurde während der ganzen Zeit, während der Phosgen und Chlorjod auf - - 5 0 bzw. auf 0 ° C

2 q D gehalten wurden, v ' etwa 100--200mal größer als ~ - gemacht. Die

Diffusionskonstante D in Phosgen oder Luft von Atmosphärendruck ist von der Größenordnung 0,1 c m ~ sec -1 .

Die Capillare w e zwischen G3 und z (rechts in Abb. 33, S. 31t) dient einem ähnlichen Zweck: Es wird durch sie vermieden, daß Wasser oder Kohlendioxyd aus der Luft durch Diffusion nach Ga gelangt und das dort festgehaltene Phosgen unnötigerweise verunreinigt.

Das in der beschriebenen Weise erzeugte Phosgen-Luft-Gemisch mußte nun mit dem in den U/Rohren d---d (Abb. 33) befindlichen Chlor- jod beladen werden, und zwar mit einem Part ialdruck von größenord- nungsweise 0,1 mm Hg. Wie bereits erwähnt, beträgt aber der Dampf- druck des Chlorjods bei 0 ° C (Temperatur der U-Rohre d- -d) etwa 6 m m .

Das durch diese U-Rohre geleitete und dort mit Chlorjod gesättigte Gas- gemisch mußte also, um den PartiMdruck des Chlorjods auf etwa 0,1 m m

herunterzusetzen, um ungefähr das 60lache verdünnt werden.

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kleiner Mengen von freiem Chlor in Phosgen. 315

Um dies zu erreichen, wurden dem Phosgen-Luß-Strom vom Punkt n nach dem Punkt i in der Abb. 33 zwei Wege zur Verfügusg gestellt: Der Weg n • w» - - ~ i und der Weg n - - ~ - w3 ~ d - - d ----~ w 4 - - ~ i. Hierbei sind die Rohre ws, w4 und w 5 Capillaren vom gleichen Durch- messer und die L~nge der Capillare w» betr~gt 1/60 der Summe der Langen w3 und w 4. Infolgedessen strömt dann auf dem Weg n - - ~ w 5- ~ i 60mal mehr Gas als auf dem Weg n - - ~ ws - - ~ - d ~ d • w~ ~ i; d. h. aber, daß der Gasstrom, der sich in d - - d mit Chlorjod vom Partial- druck 6 m m belädt, bei i so verdünnt wird, daß nunmehr der Partial- druck des Chlorjods nur noch 0,1 m m betragt.

Von i aus gelangt schließlich der Phosgen-Luft-Strom, der Chlorjod vom Par t i a ld ruckvon etwa 0,i m m Hg enthalt, über V in das U-Rohr u, in dem das Chlor Gelegenheit hat, sich mit dem Queeksilberjodid nach Gleichung (i) oder (in) umzusetzen. In Ga wird das Phosgen durch flüssige Luft ausgefroren, während die in dem Gasstrom enthaltene Luft bei z austritt .

Die Geschwindigkeit des Phosgen-Luft-Stromes wird so geregelt, daß die völlige Verdampfung des Chlorjods in einer Zeit von etwa 24 Stdn. erfolgt (Strom von Phosgen und Luft etwa 4 l in 24 Stdn.). Nachdem zu diesem Zeitpunkt der eigentliche Versuch beendet ist, muß das Phosgen noch aus der gesamten Apparatur entfernt, d. h. durch Luft ersetzt werden. Um gleichzeitig damit die letzten Spuren von Chlorjod aus den U-Rohren d - - d zu entfernen und über das Queeksilber~odid zu leiten, wird diese Spülung mit Luft in der Weise vorgenommen, daß man zuerst die Capillare w s in Abb. 33 mit flüssiger Luft kühlt. Das dort sich kondensierende Phosgen bildet dann in der Capillare einen Phosgenpfropfen; dieser versperrt den Weg w s, so dal? für den Rest des Versuchs alles Gas durch die U-Rohre d - - d strömen muß. Gleichzeitig wird jetzt das Gefaß G 2 wieder mit flüssiger Lnft gekühlt, sodaß fortan nur reine Luft durch die Apparatur strömt.

Nach etwa i2stür~digem Spülen ist auch dieser Teil des Versuchs beendigt, Das Quecksilberjodid-U-Rohr u kann jetzt aus der Apparatur genommen und zur Wagung gebracht werden.

Über das Quecksilberjodidrohr u und dessen Vorbereitung sei an «

dieser Stelle noch folgendes nachgetragen:

Das für die Beschiekung des Rohres u verwendete Queeksilberjodid wurde mit besonderer Sorgfalt hergestellt; eine verdünnte Lösung von Quecksilberehlorid ( K a h l b a u m , pro analysi mit Garantieschein) floß gleichzeitig mit einer aquivalenten Menge von Kaliumjodidlösung :(Merek, pro analysi) in dünnem Strahl in eine größere Menge reinsten Wassers. Das ausgef~llte Quecksflberjodid wurde dann auf ein Jenaer Glasfrittenfilter abgesaugt, mit reinstem Wasser gewaschen und schließ-

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316 H. Martin, W. 0ettinger und W. Kuhn : Methode z~u ~ Bestimmung

lich im Schwefelsäure-Exsiccator getrocknet. Das so ausgefällte Queck- silberjodid wurde, mit Quarzseherben gemischt, in das zur Wägung be- stimmte Quarzglas-U-Röhrchen u eingefüllt und zunächst mit einem Strom jodhaltiger, sonst sorgfältig gereinigter Luft behandelt, l~ach dieser , Jod ie rung" bleibt das Gewicht des U-Röhrchens auch bei wieder- holtem Durchleiten von reiner (nicht mehr mit Jod beladener) Luft mit einer Genauigkeit von ungefähr 0,005 mg konstant. Selbstverständlich ist bei allen diesen Wägungen, die mit Messinggewichten in Luft erfolgen, der Luftauftr ieb zu berücksichtigen.

Erwähnt sei noch, daß eine Ersetzung des von uns verwendeten Quarz-U-Rohres zur Aufnahme und Wägung des Quecksilberjodids durch ein ähnlich beschaffenes U-Rohr aus Glas nicht ohne Bedenken vor- genommen werden darf, weil das bei der Reakt ion frei werdende Jod von Glas (nicht aber von Quarz) in wägbaren Mengen adsorbiert wird.

4. Ergebnis. Das Gewich~ des mit Quecksilberjodid besehickten U-Röhrchens war

vor Überleiten des chlorjodhaltigen Gases . . . . . . . i7, t60315 g nach . . . . . . . . . . . . . . . i7,i57 i l 2 g

Differenz 0,003 203 g Dieser Gewichtsdifferenz entspricht (nach Gleichung I)

eine Chlormenge von . . . . . . . . . . . . . . . 0,00i242 g Für den Versuch angewendet war eine Chlormenge von . 0,00i26~ g

Daraus ergibt sich, daß das in den Versuch eingesetzte Chlor bis auf einen Verlust von t ,7% wiedergefunden wurde. Es ist damit gezeigt, daß es nach dieser Methode möglich ist, Chlor in Phosgendämpfen bei mehr als 10000fächer Verdünnung mit genügender Genauigkeit zu be- stimmen.

Es sei hier noch erwähnt, daß die Möglichkeit einer solchen quanti- ta t iven Bestimmung an sich nicht selbstverständlich ist und daß es vor allem unmöglich ist, etwa das Quecksilberjodid durch andere Jodide wie etwa Kaliumjodid zu ersetzen. Phosgen macht nämlich aus festem oder gelöstem Kaliumjodid in kürzester Zeit Jod frei. Eine Trennung von Chlor und Phosgen mit Hilfe anderer Jodide ist also nicht ohne weiteres möglich.

Hingegen dürfte 'die Methode in anderer Richtung einer gewissen Verallgemeinerung fähig sein. Sie wird nämlich gestatten, kleine Mengen von freiem Chlor auch in anderen Gasen als in Phosgen quant i ta t iv zu bestimmen. Die Methode wird ngmlich überall da angewendet werden können, wo freies Chlor im Gemisch mit einem mit QuecksilberII-jodid nicht reagierenden Gase vorliegt. Kürzlich in anderem Zusammenhang angestellte Versuche haben beispielsweise gezeigt, daß Chlordioxyd (C102) mit Quecksilberjodid sowie auch mit freiem Jod bei Zimmertemperatur

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kleiner Mengen von freiem Chlor in Phosgen. 317

nicht reagiert; i n f o l g e d e s s e n k ö n n e n wir e r w a r t e n , daß wir auch k l e i n s t e Mengen von f r e i em Chlor , das mi t Chlor- d i o x y d und w e i t e r e n Gasen g e m e n g t i s t , d u r c h Ü b e r l e i t e n übe r Q u e e k s i l b e r l I - j o d i d b e s t i m m e n können .

Falls die Gase, die das freie Chlor enthalten, nicht von vornherein auch Jod enthalten, wird, worauf wir bereits eingangs hingewiesen haben, eine weitere Ab~nderung der beschriebenen Methode möglich sein: An- statt die bei der Reaktion (t) stattfindende Gewiehtsabnahme des Queck- silberjodids zu messen, werden wir in diesem Fall das bei der Reaktion entstehende freie Jod auffangen und gravimetriseh oder volumetrisch bestimmen können. An die Notwendigkgit, das entstehende freie Jod gegebenenfalls nur durch Quarz, nicht aber durch Glasrohre zu leiten, (der Adsorption wegen) sei hier nochmals erinnert.

Zusammen[assung. Freies gasförmiges Chlor reagiert auch noch in größter Verdünnung

quantit~tiv mit Quccksilberjodid nach der Gleichung

C12 + HgJ2 --~ J2 ~- HgC12.

Der Umstand, daß Phosgen eine ~hnliche Reaktion n i c h t eingeht, ge- stuftet daher, Chlor, das in Verdünnungen l:10000 und darunter mit Phosgen gemischt vorliegt, quantitativ aus der beim Überleiten des Gas- gemisches über Qaeeksilberjodid erfolgenden Gewichtsabnahme zu be- stimmen.

Die Versuche zur Bereitstellung einer genau bekannten Chlormenge in der ~ngegebenen Verdünnung und die darauffolgende experimentelle Bestimmung des in dem Gasgemisch enthaltenen Chlors wird beschrieben. Die Methode liebt sich voraussichtlich auf Gemische von freiem Chlor mit anderen Gasen (z. B. mit Chlordioxyd) übertragen.

Die vorliegende Arbeit ist am physikalisch-chemischen Institut der Technischen I-Iochschn]e Karlsruhe ausgeführt und dort bereits im Sommer t936 abgeschlossen worden. Aus ~tußeren Gründen wurde dann die VerSffentlichung bis zum jetzigen Zeitpunkt aufgeschoben.

Institut für physikalische Chemie und Elektrochemie der Universität Kiel, Hauptlaboratorium der I. G. Farbenindustrie A. G., Ludwigshafen a.Rh., Physikalisch-chemisches Institut der Universität Basel.