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© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Beton- und Stahlbetonbau 108 (2013), Heft 4 237 DOI: 10.1002/best.201200082 FACHTHEMA ARTICLE Alexander Taffe, Sascha Feistkorn FACHTHEMA Methoden zur Gütebewertung von ZfPBau-Verfahren 1 Bedeutung der Gütebewertung in der ZfPBau Die zerstörungsfreie Prüfung von Ingenieurbauwerken hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung ge- wonnen. Hierbei treten häufig Fragestellungen wie die Bestimmung der Abmessungen bei fehlender Zugänglich- keit, die Ortung von metallischen Einbauteilen oder die Bestimmung von Betonüberdeckungen auf. Um die Güte der Prüfaussagen, die in quantitative und qualitative Prüf- aussagen unterschieden werden, bewerten zu können, wurde das Konzept der Validierung in die ZfPBau einge- führt. Hierbei wird geprüft, ob die Anforderungen des Kunden an eine spezielle Prüfaufgabe mit bestimmten zerstörungsfreien Prüfverfahren erfüllt werden können. Dazu muss die Güte der Ergebnisse von Prüfverfahren be- wertet werden. Für die quantitativen Prüfaufgaben wird das Konzept der Messunsicherheitsermittlung nach Heft 574 des DAfStb [1] angewendet. Die Gütebewertung qua- litativer Prüfaufgaben kann nach Heft 603 des DAfStb [2] erfolgen. Dieser Beitrag beschreibt die Wichtigkeit dieser Gütebewertung in der ZfPBau und erläutert das Konzept der Gütebewertung für quantitative und qualitative Prüf- aufgaben am Beispiel eines Brückenbauwerks. Als quantitativ wird eine Prüfaufgabe bezeichnet, wenn eine metrische Größe bestimmt wird. Dies ist z. B. bei Dickenmessungen, Betondeckungsmessungen oder der Bestimmung der Tiefenlage von Spanngliedern der Fall. Bei metrischen Größen ist die Angabe der Messunsicher- heit von besonderer Bedeutung. Damit kann ein statis- tisch bewertetes Messergebnis angegeben werden. Das ist besonders dort von Wichtigkeit, wo Entscheidungen zur Annahme oder Ablehnung getroffen werden müssen. Ein Beispiel hierzu ist der Nachweis einer ausreichenden Be- tondeckung, der im DBV-Merkblatt [3] beschrieben wird. Bei derartigen Nachweisen beschränkt man sich lediglich darauf, aus den Messwerten Formparameter (meist Mit- telwert und Standardabweichung) für die angenommene Verteilungsfunktion zu bestimmen. Das setzt allerdings immer die Erfassung von Messwerten voraus. Die ermit- telte Streuung der Messwerte enthält dann Anteile von verschiedenen Einflussgrößen, z. B. Streuung des Messge- räts, Rauigkeit der Oberfläche des Messobjekts oder Streuung der Ausbreitungsgeschwindigkeit von elasti- schen Wellen in Beton infolge unterschiedlicher Verdich- tung. Die aus Messwerten berechnete Standardabwei- chung gilt dann nur für dieses Bauteil und das bei der Messung verwendete Gerät. Jedoch ist es nicht in jedem Fall möglich, Messunsicher- heiten statistisch aus abgelesenen Messwerten zu berech- nen. Wird eine Größe, wie z. B. ein innerer Hebelarm, aus einer Bauteildicke abzüglich der Tiefenlage des tragenden Elements bestimmt (vgl. Beispiel in Abschn. 3.2.3), setzt sich die Messunsicherheit aus mehreren Komponenten zusammen. In diesem Fall muss die Messunsicherheit analytisch aus allen einwirkenden Einflussgrößen be- stimmt werden, indem Unsicherheitsbeiträge, die einer Einflussgröße zugeordnet werden können, quantifiziert werden. Dazu stellt der GUM (Guide to the Expression of Uncertainty in Measurement, [4]) eine Methodik zur Ver- fügung, die in Abschn. 2.1 beschrieben wird. Eine solche Vorgehensweise ist dann erforderlich, wenn Messun- sicherheiten in stochastischen Modellen zur statischen Damit aus Ergebnissen zerstörungsfreier Prüfverfahren im Bauwesen (ZfPBau-Verfahren) zuverlässige Schlussfolgerun- gen gezogen werden können, ist es wichtig, die Güte der Er- gebnisse zu kennen. In diesem Beitrag wird anhand von Bei- spielen gezeigt, wie für quantitative Messergebnisse die Mess- unsicherheit auf der Grundlage des GUM (Guide to the Expres- sion of Uncertainty in Measurements) bestimmt werden kann. Für qualitative Prüfaufgaben, z. B. ob ein Objekt oder Fehler vorhanden ist oder nicht, wird die Ermittlung der POD (Proba- bility of Detection) erläutert, die in der klassischen ZfP bereits seit längerem etabliert ist. Am Beispiel einer Spannbetonbrü- cke werden mögliche Prüfaufgaben benannt und exemplarisch behandelt, um den Nutzen der Ermittlung der Messunsicherheit nach GUM und der Ermittlung der Zuverlässigkeit mit der POD im Hinblick auf probabilistische Nachrechnungen von Brücken- bauwerken aufzuzeigen. Methods for the evaluation of quality of non-destructive testing methods To draw reliable conclusions from results gained with non- destructive testing methods in civil-engineering (NDT-CE) it is important to know about the quality of results. This paper pre- sents a methodology for quantitative (metric) testing problems to determine the uncertainty of measurement on the basis of the Guide (Guide to the Expression of Uncertainty in Measure- ments – GUM). For qualitative testing problems – stating the existence of a defect or not – the well-established procedure to estimate POD parameters (Probability of Detection) accord- ing to MIL-HDBK-1823A is described. For both methodologies – GUM and POD – examples that may occur at prestressed con- crete bridges are presented in the context of static calcula- tions of existing bridges based on stochastic models.

Methoden zur Gütebewertung von ZfPBau-Verfahren

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© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Beton- und Stahlbetonbau 108 (2013), Heft 4 237

DOI: 10.1002/best.201200082

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Alexander Taffe, Sascha Feistkorn FACHTHEMA

Methoden zur Gütebewertung von ZfPBau-Verfahren

1 Bedeutung der Gütebewertung in der ZfPBau

Die zerstörungsfreie Prüfung von Ingenieurbauwerkenhat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung ge-wonnen. Hierbei treten häufig Fragestellungen wie dieBestimmung der Abmessungen bei fehlender Zugänglich-keit, die Ortung von metallischen Einbauteilen oder dieBestimmung von Betonüberdeckungen auf. Um die Güteder Prüfaussagen, die in quantitative und qualitative Prüf-aussagen unterschieden werden, bewerten zu können,wurde das Konzept der Validierung in die ZfPBau einge-führt. Hierbei wird geprüft, ob die Anforderungen desKunden an eine spezielle Prüfaufgabe mit bestimmtenzerstörungsfreien Prüfverfahren erfüllt werden können.Dazu muss die Güte der Ergebnisse von Prüfverfahren be-wertet werden. Für die quanti tativen Prüfaufgaben wirddas Konzept der Messunsicherheitsermittlung nach Heft574 des DAfStb [1] angewendet. Die Gütebewertung qua-litativer Prüfaufgaben kann nach Heft 603 des DAfStb [2]erfolgen. Dieser Beitrag beschreibt die Wichtigkeit dieserGütebewertung in der ZfPBau und erläutert das Konzeptder Gütebewertung für quantitative und qualitative Prüf-aufgaben am Beispiel eines Brückenbauwerks.

Als quantitativ wird eine Prüfaufgabe bezeichnet, wenneine metrische Größe bestimmt wird. Dies ist z. B. bei Dickenmessungen, Betondeckungsmessungen oder derBestimmung der Tiefenlage von Spanngliedern der Fall.Bei metrischen Größen ist die Angabe der Messunsicher-heit von besonderer Bedeutung. Damit kann ein statis-tisch bewertetes Messergebnis angegeben werden. Das istbesonders dort von Wichtigkeit, wo Entscheidungen zur

Annahme oder Ablehnung getroffen werden müssen. EinBeispiel hierzu ist der Nachweis einer ausreichenden Be-tondeckung, der im DBV-Merkblatt [3] beschrieben wird.Bei derartigen Nachweisen beschränkt man sich lediglichdarauf, aus den Messwerten Formparameter (meist Mit-telwert und Standardabweichung) für die angenommeneVerteilungsfunktion zu bestimmen. Das setzt allerdingsimmer die Erfassung von Messwerten voraus. Die ermit-telte Streuung der Messwerte enthält dann Anteile vonverschiedenen Einflussgrößen, z. B. Streuung des Messge-räts, Rauigkeit der Oberfläche des Messobjekts oderStreuung der Ausbreitungsgeschwindigkeit von elasti-schen Wellen in Beton infolge unterschiedlicher Verdich-tung. Die aus Messwerten berechnete Standardabwei-chung gilt dann nur für dieses Bauteil und das bei derMessung verwendete Gerät.

Jedoch ist es nicht in jedem Fall möglich, Messunsicher-heiten statistisch aus abgelesenen Messwerten zu berech-nen. Wird eine Größe, wie z. B. ein innerer Hebelarm, auseiner Bauteildicke abzüglich der Tiefenlage des tragendenElements bestimmt (vgl. Beispiel in Abschn. 3.2.3), setztsich die Messunsicherheit aus mehreren Komponentenzusammen. In diesem Fall muss die Messunsicherheitanalytisch aus allen einwirkenden Einflussgrößen be-stimmt werden, indem Unsicherheitsbeiträge, die einerEinflussgröße zugeordnet werden können, quantifiziertwerden. Dazu stellt der GUM (Guide to the Expression ofUncertainty in Measurement, [4]) eine Methodik zur Ver-fügung, die in Abschn. 2.1 beschrieben wird. Eine solcheVorgehensweise ist dann erforderlich, wenn Messun -sicherheiten in stochastischen Modellen zur statischen

Damit aus Ergebnissen zerstörungsfreier Prüfverfahren imBauwesen (ZfPBau-Verfahren) zuverlässige Schlussfolgerun-gen gezogen werden können, ist es wichtig, die Güte der Er-gebnisse zu kennen. In diesem Beitrag wird anhand von Bei-spielen gezeigt, wie für quantitative Messergebnisse die Mess -unsicherheit auf der Grundlage des GUM (Guide to the Expres-sion of Uncertainty in Measurements) bestimmt werden kann.Für qualitative Prüfaufgaben, z. B. ob ein Objekt oder Fehlervorhanden ist oder nicht, wird die Ermittlung der POD (Proba -bility of Detection) erläutert, die in der klassischen ZfP bereitsseit längerem etabliert ist. Am Beispiel einer Spannbetonbrü-cke werden mögliche Prüfaufgaben benannt und exemplarischbehandelt, um den Nutzen der Ermittlung der Messunsicherheitnach GUM und der Ermittlung der Zuverlässigkeit mit der PODim Hinblick auf probabilistische Nachrechnungen von Brücken-bauwerken aufzuzeigen.

Methods for the evaluation of quality of non-destructivetesting methodsTo draw reliable conclusions from results gained with non-destructive testing methods in civil-engineering (NDT-CE) it isimportant to know about the quality of results. This paper pre -sents a methodology for quantitative (metric) testing problemsto determine the uncertainty of measurement on the basis ofthe Guide (Guide to the Expression of Uncertainty in Measure-ments – GUM). For qualitative testing problems – stating theexistence of a defect or not – the well-established procedureto estimate POD parameters (Probability of Detection) accord-ing to MIL-HDBK-1823A is described. For both methodologies –GUM and POD – examples that may occur at prestressed con-crete bridges are presented in the context of static calcula-tions of existing bridges based on stochastic models.

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Berechnung verwendet werden, worauf im Folgendennoch eingegangen wird.

Die meisten ZfP-Verfahren werden für qualitative Prüf-aufgaben eingesetzt. Mit ihrer Hilfe werden Entscheidun-gen getroffen, ob ein Fehler vorhanden ist oder nicht. Da-zu ist es notwendig, genau angeben zu können, wie zuver-lässig ein Fehler angezeigt oder übersehen wird. Verfah-ren sollen erst dann eingesetzt werden, wenn derNachweis erbracht ist, welche Fehlergröße noch sichernachgewiesen werden kann. Darum kommt der Gütebe-wertung qualitativer Prüfaufgaben besondere Bedeutungzu, wobei diese auf verschiedenen Wegen vorgenommenwerden kann.

So ist beispielsweise die Untersuchung drucktragenderBauteile in kerntechnischen Anlagen länderspezifisch ge-regelt. In den kerntechnischen Anlagen der Schweiz wirdhierbei im Rahmen einer Qualifizierung eine kritischeFehlergröße in Abhängigkeit vom entsprechenden Bau-teil auf Grundlage bruchmechanischer Untersuchungenfestgelegt. Diese kritische Fehlergröße ist u. a. von der Be-lastung, der Wanddicke und dem Material des untersuch-ten Bauteils abhängig. Die Grundlage für die Festlegun-gen in einer Qualifizierung bildet in der Schweiz der ASME Code Section XI [5] (in Verbindung mit der Richt-linie für die schweizerischen Kernanlagen B07 [6]), derHinweise auf diese kritischen Fehlergrößen beinhaltet.Auf Grundlage dieser vorgegebenen kritischen Fehlergrö-ßen wird nun ein sogenannter Qualifizierungsfehler fürjedes spezielle Bauteil festgelegt, der mithilfe einer genaudefinierten Prüfanweisung (aufgestellt von der entspre-chenden Prüffirma) aufgefunden werden muss. Diese Prüf-anweisung, die das zerstörungsfreie Prüfsystem und dasVorgehen zur Fehlerauffindung genau beschreibt, wirdbei einer unabhängigen Institution qualifiziert. Dazu wer-den praktische Demonstrationen an realistischen Testkör-pern als Blindtests oder offene Tests durchgeführt undanalysiert, ob die festgelegte kritische Fehlergröße aufge-funden werden kann. Wenn nun eine vorher festgelegteAnzahl der Fehler detektiert wird, gilt die Prüfanweisungals qualifiziert und kann für die entsprechenden Prüfauf-gaben an realen Bauteilen angewendet werden.

Eine andere Vorgehensweise wurde im Bereich der US-amerikanischen Luftfahrt entwickelt ([7, 8]). Hier wird

das statistische Konzept der POD(a)-Analyse genutzt, umdie Größe a eines Fehlers, der noch zuverlässig detektiertwerden kann, quantitativ zu beschreiben. Das Prinzip derPOD(a)-Analyse beruht hierbei auf einem physikalischenZusammenhang zwischen einer charakteristischen Größea (z. B. eine Risslänge) und einer Prüfsystemantwort â (z. B. eine Signalamplitude). Nach Festlegung einesSchwellwertkriteriums in Form von âdec wird der Kenn-wert a90/95 berechnet. Dieser Wert beschreibt die Größevon a (also die Risslänge), die mit einer Wahrscheinlich-keit von 90 % im 95 %-Konfidenzintervall zuverlässig de-tektiert werden kann. Diese Vorgehensweise der POD(a)-Analyse hat hierbei den Vorteil, dass sie als objektivesGütekriterium dient und einen Kennwert liefert, anhanddessen die Zuverlässigkeit eines ZfP-Systems für eine be-stimmte Prüfaufgabe bewertet werden kann. Unter Zuver-lässigkeit versteht man hierbei den Grad, mit dem einZfP-System in der Lage ist, den vorgesehenen Zweck be-züglich der Entdeckung, der Charakterisierung und derFalschanzeigen zu ermitteln [9]. Ist die so ermittelte Riss-länge a90/95 kleiner als die Risslänge, die entsprechendden Vorgaben gefunden werden muss, ist das Prüfsystemfür die Lösung der Prüfaufgabe geeignet. Generell ist hier-bei zu beachten, dass eine POD(a)-Kurve die Zuverlässig-keit eines ZfP-Systems immer nur für eine konkrete Prüf-aufgabe angibt, sodass die Gültigkeit der Aussage auf denUmgebungskontext des ZfP-Systems beschränkt ist.

Mit der in Abschn. 2.1 beschriebenen Methode zur Er-mittlung der Messunsicherheit nach GUM [4] und der inAbschn. 2.2 beschriebenen POD(a)-Analyse (Probabilityof Detection) ([7, 8]) ist es nun möglich, die Güte von qua-litativen und quantitativen Prüfaufgaben in der ZfPBauobjektiv zu bewerten und quantitativ anzugeben. Bild 1gibt eine Übersicht, wie diese beiden Säulen der Güte -bewertung die Grundlage für die Validierung von Prüfauf-gaben in der ZfPBau bilden.

2 Methodische Gütebewertung2.1 Quantitative Prüfverfahren

Bei quantitativen Verfahren kommt der Ermittlung derMessunsicherheit eine zentrale Rolle zu. Messunsicher-heiten werden dabei meist durch Mehrfachmessungen be-stimmt. Bei geplanten systematischen Untersuchungen

Bild 1 Säulen der Validierung zerstörungsfreier Prüfaufgaben, in Anlehnung an [2] Uncertainty of measurement (according to GUM) and POD as basics of validation of non-destructive testing methods, based on [2]

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können alle relevanten Einflussgrößen variiert und ge-trennt bewertet werden. Grundsätzlich sollte nicht nurdie Unsicherheit (meist in Form der Standardabwei-chung) als Maß der Präzision eines Verfahrens bestimmtwerden. Auch die Richtigkeit des Verfahrens (Richtig-keitskontrolle) muss sichergestellt werden, wie in Bild 2anhand des Zielscheibenmodells dargestellt wird. DieRichtigkeit wird durch die Messung an einem bekanntenReferenztestkörper, einer Messstelle mit bekannten Rand-bedingungen (z. B. Kalibrierstelle mit bekannter Dickeund Betonqualität) oder Messungen am selben Objekt

mit einem Referenzverfahren sichergestellt. Erst Richtig-keit und Präzision zusammen ergeben die Genauigkeit ei-nes Verfahrens.

Die Grundzüge zur Ermittlung der Messunsicherheit wer-den im „Leitfaden zur Angabe der Unsicherheit beimMessen“ [4] beschrieben und wurden bereits in dieserZeitschrift veröffentlicht ([10, 11]). Dieser als „GUM“ bezeichnete Leitfaden ist in Deutschland als DIN V ENV13005 erhältlich. Er ist sehr allgemein formuliert und da-her gut für eine Anpassung an Prüfaufgaben im Bauwesengeeignet. Bezugnehmend auf Bild 2 setzt der GUM vo-raus, dass systematische Abweichungen („Messergebnisim Mittel daneben“, Bild 2 unten) ermittelt und korrigiertwerden müssen. Konkret bedeutet dies bei Betonde-ckungsmessungen, den richtigen Durchmesser oder beiUltraschallmessungen die richtige Schallgeschwindigkeitim Gerät einzugeben. Die Grundidee des GUM bestehtnun darin, vorliegende Kenntnisse über das Messverfah-ren quantitativ auszudrücken und zu einer kombiniertenbzw. erweiterten Gesamtunsicherheit zusammenzufas-sen. Dieses Konzept wird von SOMMER in [12] und [13]ausführlich beschrieben. In Bild 3 ist das Ablaufschemanach GUM zusammengefasst, mit dessen Hilfe am Endeein statistisch bewertetes Ergebnis vorliegt, aus dem zu-verlässige Schlussfolgerungen gezogen werden können.So wird beispielsweise eine ermittelte Bauteildicke mit ei-ner Gesamtstandardabweichung versehen. Ein Statiker,der mit dieser ermittelten Bauteildicke einen statischen

Bild 2 Genauigkeit eines Verfahrens als Zielscheibenmodell in Abhängigkeitvon Richtigkeit und Präzision dargestellt [19]Accuracy and precision visualized for a target according to [19]

Bild 3 Zusammengefasstes Ablaufschema nach GUM [4] in Anlehnung an SOMMER [13]: Die vorliegenden Kenntnisse aus dem Messprozess über Größen, die dasMessergebnis beeinflussen, werden quantifiziert, sodass am Ende ein statistisch bewertetes Ergebnis vorliegt, das zuverlässige Schlussfolgerungen erlaubt([1, 10])Procedure of the Guide (GUM) according to [4] based on SOMMER [13]: Knowledge about the measurement procedure about quantities influencing the resultswill be quantified. Statistically evaluated results at the end of the procedure allow drawing reliable conclusions. ([1, 10])

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Nachweis führen muss, kann nun rückverfolgbar das Ver-trauensniveau seiner in der Statik verwendeten Dicke(z. B. Mittelwert minus doppelte Standabweichung ergibtein Vertrauensniveau von rd. 95 %) angeben. Ein Beispielhierzu wird in Abschn. 3.2.1 beschrieben.

Die Kenntnisse über einen Messprozess beinhalten dieAuswirkungen verschiedener Einflussgrößen (Streuungdes Messgeräts, unplanmäßige Dickenschwankungen desBauteils infolge Unebenheit) auf das Messergebnis und er-klären dessen Streuung. Die Einflussgrößen finden überErwartungswerte (in der Regel arithmetische Mittelwerte)Eingang in die Modellgleichung (Bild 3, linker Teil „fM“).Die Unsicherheiten werden in Form von Standardabwei-chungen in der Gleichung zur Ermittlung der Gesamtunsi-cherheit (GAUSS’sche Unsicherheitsfortpflanzung) berück-sichtigt (Bild 3, rechter Teil „uc“). Je nach Messverfahrenbeeinflussen auch die Rauigkeit bzw. Unebenheit derOberfläche, der Bewehrungsgehalt, die Bauteildicke unddie Betonqualität das Messergebnis. Diese vorhandenenKenntnisse gilt es zu quantifizieren und in der Modellglei-chung zu berücksichtigen. Die aufzustellenden Modellglei-chungen gleichen mit ihren statistischen Variablen (Basis-variablen) den Grenzzustandsgleichungen probabilisti-scher Berechnungen, wie z. B. in [14 bis 17] beschrieben.Mit der in Bild 3 beschriebenen Methodik ist es einerseitsmöglich, Modellgleichungen nach GUM zur Aufstellungvon Grenzzustandsgleichungen zu verwenden ([1, 11]),zum anderen könnte die bislang im Bauingenieur wesenweitgehend unbekannte Methodik des GUM zu einer ver-besserten Quantifizierung der statistischen Größen inGrenzzustandsgleichungen beitragen.

Durch die Kombination von Modellgleichungen nachGUM und Anwendung probabilistischer Berechnungsme-thoden können Nachweise nachvollziehbar und quantita-tiv geführt werden. In [10] wurde gezeigt, wie die Einbin-dung von Bohrpfählen in eine tragfähige Schicht, über deren Tiefe nur Angaben aus Baugrundsondierungen vor-liegen, in Abhängigkeit von der Messunsicherheit der zer-störungsfreien Pfahllängenmessung nachgewiesen wer-den kann. In [1] und [11] wurde für Dickenmessungen anTunnelinnenschalen gezeigt, wie zuverlässig mit Ultra-schall der Nachweis von Minderdicken geführt werdenkann.

2.2 Qualitative Prüfverfahren

Bei qualitativen Prüfaufgaben dient die POD(a)-Analysedazu, eine Prüfaufgabe, die sich mit der Aussage „ja“ oder„nein“ beantworten lässt, objektiv zu bewerten. Dazu istein Zusammenhang zwischen einer interessierenden Grö-ße a und einer Prüfsystemantwort â notwendig, die imvorliegenden Beispiel mit Radar gewonnen wird. InBild 4 ist die gewählte Grundlage der POD(a)-Analyse –das â vs. a Modell – am Beispiel der Detektion metalli-scher Reflektoren in Abhängigkeit von ihrer Tiefenlagedargestellt. Hierbei wird der Reflektortiefe a (in mm ange-geben) der metallischen Einbauteile die Prüfsystemant-

wort â gegenübergestellt, die in diesem Fall durch eineSignalamplitude repräsentiert wird. Diese Signalamplitu-de nimmt mit zunehmender Tiefe ab, was unter anderemin der Dämpfung der elektromagnetischen Wellen sowieihrer kugelförmigen Ausbreitung begründet liegt. Befindetsich der metallische Reflektor also nahe an der Bauteil -oberfläche, ist er leichter zu detektieren als bei einer gro-ßen Betonüberdeckung. Überschreitet die Betonüberde-ckung ein bestimmtes Maß, kann der metallische Reflek-tor nicht mehr detektiert werden.

Weiterhin streuen die Signalamplituden einer Reflektor-tiefe a aufgrund des elek tronischen Prüfsystemrauschenssowie des Materialrauschens um ein bestimmtes Maß.Das Rauschen bezeichnet hierbei die Menge aller zufälligverteilten Störsignale. Diese Variation der Prüfsystemant-worten â einer Reflektortiefe a wird durch die schwarzenPunkte in Bild 4, die die Prüfsystemantworten â repräsen-tieren, dargestellt. Die sich daraus ergebenden Wahr-scheinlichkeitsdichten bilden die Wahrscheinlichkeitsver-teilung der Prüfsystemantworten â in der entsprechendenReflektortiefe a ab. Folgende Bedingungen, die sich ausdem zugrunde liegenden statistischen Modell ergeben,muss das â vs. a Modell in Bild 4 erfüllen:

– linearer Zusammenhang zwischen der Größe a undder Prüfsystemantwort â

– homogene Varianzen der Prüfsystemantworten â – unkorrelierte Prüfsystemantworten â– normalverteilte Prüfsystemantworten â

Des Weiteren ist in Bild 4 der Entscheidungsschwellwertâdec als horizontal gestrichelte Gerade eingezeichnet. Die-ser Entscheidungsschwellwert âdec definiert die Signalhö-he, ab der eine Amplitude als Signal gewertet wird. Ist dieAmplitude eines metallischen Reflektors in der Tiefe akleiner als der Entscheidungsschwellwert âdec, wird dieAmplitude â als Rauschen (Störsignal) gewertet. Ist dieAmplitude größer als der Entscheidungsschwellwert âdec,wird sie als Signal (Nutzsignal) interpretiert. Somit ergibtsich, dass die Flächenanteile der Wahrscheinlichkeits-

Bild 4 Zusammenhang zwischen der Reflektortiefe a und der mit Radar ge-wonnenen Prüfsystemantwort â, entnommen aus [2]Correlation between the reflector depth a and the GPR system re-sponse â, referring to [2]

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dichtefunktionen der Prüfsystemantworten â, die ober-halb des Entscheidungsschwellwerts âdec liegen, derWahrscheinlichkeit entsprechen, dass der metallische Re-flektor in der Reflektortiefe a aufgefunden werden kann.Liegen alle Signalamplituden einer Reflektortiefe a ober-halb des Entscheidungsschwellwerts âdec, liegt auch dieWahrscheinlichkeitsdichtefunktion komplett oberhalbdes Entscheidungsschwellwerts âdec, was einer Detekti-onswahrscheinlichkeit von 100 % entspricht. Wenn allePrüfsystemantworten â einer Reflektortiefe a unterhalbvon âdec liegen, beträgt die Detektionswahrscheinlichkeitentsprechend 0 %.

Die aus dem â vs. a Modell berechnete POD(a)-Kurvestellt somit die prozen tualen Flächenanteile der Wahr-scheinlichkeitsdichtefunktionen der Prüfsystemantwor-ten â in den jeweiligen Reflektortiefen a dar, die oberhalbdes Entscheidungsschwellwerts âdec liegen. Dieser Zu-sammenhang kann Bild 5 entnommen werden, in demdie Flächenanteile des â vs. a Modells den Detektions-wahrscheinlichkeiten der POD(a)-Kurve gegenüberge-stellt werden. Somit ist die POD(a)-Kurve eine kumulier-te Darstellung der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion derNormalverteilung. Im Rahmen dieser Veröffentlichungwurden die unten aufgeführten Beispiele für die Güte -bewertung qualitativer Prüfaufgaben mit der Softwaremh1823 POD, Ver sion 2.5.4.1, berechnet.

Streuen die Prüfsystemantworten â um ein geringes Maß,sind die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen der Signal -amplituden in den jeweiligen Reflektortiefen ai im â vs. aModell entsprechend schlanker. Dies spiegelt sich auchim Verlauf der POD(a)-Kurve wider, die in diesem Fallsteiler verläuft. Demzufolge liefert die Steigung derPOD(a)-Kurve indirekt eine Aussage darüber, in welchemMaß die Prüfsystemantworten â streuen. Wenn im idea-len Fall die Prüfsystemantworten â nicht variieren, liegt inder Konsequenz pro Reflektortiefe a nur eine Prüfsystem-antwort â vor. Somit stellt sich keine Wahrscheinlich-keitsdichtefunktion, sondern nur eine fixe Prüfsystemant-wort â pro Reflektortiefe a ein, da die Streuungen derPrüfsystemantworten â Null sind. Dieser Fall würde einperfektes Prüfsystem repräsentieren, da die Signalampli-tuden nicht vom Rauschen überlagert werden und somiteindeutig vom Rauschen getrennt sind. Liegt diese Ampli-tude â der Reflektortiefe a oberhalb des Entscheidungs-schwellwerts âdec, beträgt die Detektionswahrscheinlich-keit 100 %. Liegt die Prüfsystemantwort â einer Reflektor-tiefe a unterhalb des Entscheidungsschwellwerts âdec, be-trägt die Detektionswahrscheinlichkeit 0 %. Bei diesenRandbedingungen würde sich darum eine POD(a)-Kurvewie in Bild 6 dargestellt ergeben, die die Form einerSprungfunktion aufweist, da die Detektionswahrschein-lichkeit von 100 % auf 0 % fällt, wenn die Prüfsystemant-wort â kleiner als der Entscheidungsschwellwert âdec ist.

Bild 5 Zusammenhang zwischen der POD(a)-Kurve und dem â vs. a Modellbei streuenden Prüfsystemantworten â je Reflektortiefe a, entnommenaus [2]Correlation between the POD curve and the â vs. a model for varyingsystem responses â (amplitudes of radar) over depth a, referring to [2]

Bild 6 Zusammenhang zwischen der POD(a)-Kurve und dem â vs. a Modellbei nicht streuenden und somit konstanten Prüfsystemantworten â jeReflektortiefe a, entnommen aus [2]Correlation between the POD curve and the â vs. a model for constantsystem responses â (amplitudes of radar) over reflector depth a, refer-ring to [2]

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Unabhängig von ihrer Form liefert eine POD(a)-Kurve so-mit verschiedene Werte, mit denen ein zerstörungsfreiesPrüfsystem charakterisiert werden kann. Diese Parameterkönnen wie folgt beschrieben werden:

Zuverlässige Detektionstiefe a90/95 (POD(a)-Kurve):Dieser Kennwert gibt im vorliegenden Fall die Tiefe desReflektors in cm an, in der dieser mit einer Wahrschein-lichkeit von 90 % im 95 %-Konfidenzintervall (Vertrau-ensbereich) zuverlässig geortet wird.

Entscheidungsschwellwert âdec (â vs. a Modell):Dieser Kennwert ist ein in Abhängigkeit von der Prüfauf-gabe festzulegendes Kriterium, welches angibt, ab wel-cher Größe eine Prüfsystemantwort â als Signal bzw. alsRauschen gewertet wird.

Verlauf der POD(a)-Kurve und Breite der Konfidenz -intervalle (POD(a)-Kurve):Anhand dieser Parameter ist die Varianz der Prüfsystem-antworten â ersichtlich, da die Varianz und damit dieSteilheit der POD(a)-Kurve aus den Varianzen der Prüf-systemantworten â berechnet wird. Demzufolge deutet ei-ne steile POD(a)-Kurve auf geringe Varianzen, eine flachePOD(a)-Kurve auf große Varianzen der Prüfsystemant-worten â unterschiedlicher Reflektortiefen a hin. Der Extremfall einer POD(a)-Kurve in Form einer Sprung-funktion von 100 % Detektionswahrscheinlichkeit auf0 % Detektionswahrscheinlichkeit wird hierbei genaudann erreicht, wenn die Prüfsystemantworten â keinenStreuungen unterliegen und somit die Varianzen gleichNull sind.

Zusammengefasst kann also mithilfe der POD(a)-Analyseein beliebiges ZfP-System anhand verschiedener Kenn-werte bezüglich einer definierten qualitativen Prüfauf -gabe charakterisiert werden. Werden unterschiedlicheZfP-Systeme unter identischen Randbedingungen mit ei-ner POD(a)-Analyse bewertet, können die ZfP-Systemeanhand der kurz vorgestellten Kennwerte objektiv mitei-nander verglichen werden. Dies erlaubt es, das am bestengeeignete Prüfsystem für eine bestimmte Prüfaufgabe ge-zielt objektiv auszuwählen. Zu guter Letzt kann auch dieAuswirkung geänderter Randbedingungen quantifiziertwerden, indem die Kennwerte der POD(a)-Kurve einesZfP-Systems miteinander verglichen werden, wenn einParameter auf Testkörperseite geändert wurde [2].

3 Anwendung in der ZfPBau3.1 Identifikation möglicher Prüfaufgaben

Im Zuge der Richtlinie zur Nachrechnung von Straßen-brücken im Bestand (Nachrechnungsrichtlinie, [20]) ist esnotwendig, eine Zustandsanalyse durchzuführen, bei derunter anderem folgende Fragestellungen mithilfe derZfPBau beantwortet werden können:

– Ermittlung der Bauteildicke zur Bestimmung des Ei-gengewichts

– Messung der Betondeckung tiefer liegender Beweh-rung

– Ermittlung der lateralen Lage und der Tiefenlage vonSpanngliedern zur Bestimmung des inneren Hebel-arms sowie von Bewehrung in größeren Tiefen (Ver-fahrensgrenzen)

– Spanndrahtbruchortung– Ortung von Fehlstellen, u. a. in Form von Ablösungen

Diese Fragestellungen können, wie in Abschn. 1 beschrie-ben, in qualitative und quantitative Fragestellungen ein-geteilt werden. Besteht das Ergebnis aus einem Zahlen-wert mit zugehöriger Messunsicherheit, handelt es sichum eine quantitative Fragestellung. Soll die Frage beant-wortet werden, ob ein Objekt oder ein Zustand (z. B. einSpanndrahtbruch) vorhanden ist oder nicht, liegt einequalitative Fragestellung vor. Demzufolge können die auf-geführten Fragestellungen wie in Tab. 1 unterteilt werden.

In den nachfolgenden Abschnitten wird die Vorgehens-weise einer Gütebewertung der entsprechenden Prüfauf-gabe nach einheitlichem Schema kurz vorgestellt.

3.2 Lösungsansätze für die Gütebewertung der quantitativen Fragestellungen mithilfe der Messunsicherheitsermittlung nach GUM

3.2.1 Ermittlung der Bauteildicke zur Bestimmung des Eigengewichts

Prüfaufgabe:Die Nachrechnungsrichtlinie [20] erlaubt bei der Schnitt-größenermittlung, den Teilsicherheitsbeiwert γG für Ei-genlast auf der Einwirkungsseite von 1,35 auf 1,20 abzu-senken. Dies ist möglich „wenn durch repräsentative undausreichende Messungen der Bauteildicke und Bestim-mung der Wichten des bewehrten Betons und Berück-sichtigung des tatsächlichen Bewehrungsgehalts, [diese]genauer bekannt [sind].“ Bei einem Hohlkastenquer-schnitt sind beispielsweise die Dicken von Bauteilen zuermitteln (Fahrbahnplatte, Stege und Bodenplatte), dienicht beidseitig zugänglich sind und damit ein einfaches

Tab. 1 Gliederung statisch relevanter Fragestellungen für Brücken im Be-standQuantitative and qualitative testing tasks concerning static calcula-tions of existing bridges

Quantitative Qualitative Fragestellungen Fragestellungen

Ermittlung der Bauteildicke Spanndrahtbruchortungzur Bestimmung des Eigengewichts

Messung der Betondeckung Vorhandensein von Bewehrungtiefer liegender Bewehrung in größeren Tiefen aufgrund

der Verfahrensgrenzen

Ermittlung der lateralen Lage Fehlstellen, u. a. in Form von und Tiefenlage von Spann- Ablösungengliedern zur Bestimmung des inneren Hebelarms

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Aufmaß nicht möglich ist. Am Kragarm kann die Dickevariieren. Zusätzlich sind Vouten zu beachten. Dazu istein ausreichend dichtes Messraster im jeweiligen Quer-schnitt anzuordnen. Darüber hinaus sind entlang derHauptachse des Bauwerks in ausreichenden AbständenMesspunkte anzuordnen. Im Folgenden wird nur auf denAspekt einer möglichst genauen Messung der Bauteil -dicke eingegangen.

Ausgewähltes Verfahren: UltraschallechoMit Ultraschallecho ist nur die einseitige Zugänglichkeitdes zu prüfenden Bauteils erforderlich. Wenn die Rück-wand des Bauteils an Luft oder an eine Abdichtung an-grenzt, was bei Hohlkastenstegen und -bodenplatten so-wie der Fahrbahnplatte der Fall ist, lässt sich die Dickebis etwa 80 cm zuverlässig bestimmen.

Strategie nach GUM:Die Ermittlung der Bauteildicke erfolgt indirekt, indemzunächst die Laufzeit durch das Bauteil gemessen, durchzwei geteilt (Reflexionsanordnung) und mit der Schallge-schwindigkeit multipliziert wird. Dieser Zusammenhangist das Grundgerüst der Modellgleichung in Gl. (1), diegegenüber den Ausführungen in [1] etwas vereinfacht dar-gestellt ist (vgl. Bild 3, fM im linken Teil). Die Variablendieser Modellgleichung – die gemessene Laufzeit t unddie Schallgeschwindigkeit im Beton v – sind „zufälligen“Streuungen unterworfen, die verschiedene Ursachen ha-ben, was durch ein „δ“ vor der Variable angezeigt wird.Die δ-Beiträge können positiv oder negativ sein und sindim konkreten Einzelfall an der Stelle i zunächst unbe-kannt und dienen nur der Modellbildung. Die Bedeutungder Modellgleichung fM gemäß Gl. (1) ist in Gl. (2) zu er-kennen, da fM partiell nach jeder Variablen abgeleitetwird.

Die variierende Ausführungsqualität des Betons spiegeltsich in der Streuung der Schallgeschwindigkeit (δv) widerund wird in Gl. (2), die der Ermittlung der Gesamtstan-dardabweichung dient, mit der Unsicherheit uV berück-sichtigt. Gl. (2) basiert auf der GAUSS’schen Unsicher-heitsfortpflanzung (vgl. Bild 3, rechter Teil) und ent-spricht hier – ohne Berücksichtigung von Korrelationender Variablen untereinander – der sogenannten Wurzel -addition. Eine weitere zu berücksichtigende Streuung istδt,Gerät in Gl. (1) und die zugehörige Unsicherheit ut,Gerät

in Gl. (2), womit die Wiederholpräzision des Messgerätsberücksichtigt wird. Da bei der Messung auf einem groß-flächigen Bauteil auch unplanmäßige Dickenschwankun-gen, etwa durch Unebenheit, auftreten, werden diese alsUnsicherheitsbeitrag δt,Unebenheit mit der Unsicherheitut,Unebenheit berücksichtigt.

(1)

(2)

δδ δ

= = + ⋅+ +

d f v ,t v v· t t t

i M m i i

i,Mess i,Gerät i,Unebenheit

( ) ( )( )/2

=

∂∂

⎝⎜⎜

⎠⎟⎟ ⋅ +

∂∂

⎝⎜⎜

⎠⎟⎟ ⋅ +

∂∂

⎝⎜⎜

⎠⎟⎟ ⋅

u v ,t

fv

uf

tu

ft

u

c m

Mv

M

Gerätt,Gerät

M

Unebent,Uneben

( )2

22

22

22

Die mittlere Schallgeschwindigkeit vm erhält man durchBerechnung des Mittelwerts und der Standardabwei-chung an n Stellen mit bekannter Bauteildicke („Kali-brierstellen“). Da alle δ-Werte in Gl. (1) im Mittel Nullsind, berechnet man die mittlere Laufzeit tMess,m aus mEinzelmessungen am Bauteil und erhält den Mittel-wert der Bauteildicke. Möchte man nur die Unsicherheitan diesem einen Bauteil wissen, berechnet man die Standardabweichung und erhält damit sein statis-tisch bewertetes Ergebnis. Die Gl. (2) wird dann nicht be -nötigt.

Die Gl. (2) ist dann von Bedeutung, wenn die sich erge-bende Gesamtstandardabweichung aus bekannten Unsi-cherheitsbeiträgen abgeschätzt werden muss, weil einestatistische Auswertung aufgrund unzureichender Mess-daten nicht möglich ist. Mit Software, wie z. B. der GUM-Workbench von metrodata, muss nur eine Modellglei-chung der Form von Gl. (1) eingegeben werden. Die sta-tistischen Variablen werden automatisch erkannt und dieerforderlichen statistischen Größen (Erwartungswert,Unsicherheit, Wahrscheinlichkeitsverteilung) werden ab-gefragt. Die Vorgehensweise ist vergleichbar mit Soft-warepaketen zur Bearbeitung probabilistischer Fragestel-lungen wie STRUREL. Ändern sich am Bauwerk dieRandbedingungen, z. B. durch eine größere Streuung derSchallgeschwindigkeit infolge einer schlechteren Ausfüh-rungsqualität oder stärkeren Dickenschwankungen, kön-nen diese Einflüsse in der Modellgleichung berücksichtigtwerden und im statistisch bewerteten Endergebnis, z. B.als größere Gesamtstandardabweichung, abgelesen wer-den.

Beispiel: Für ein Betonbauteil wie in Bild 7 ergibt sichaus Ultraschallmessungen (mittlere Schallgeschwindig-keit 2 610  m/s; mittlere Laufzeit 391  μs) die mittlere Dicke mit 51,0  cm. Bei einer Standardabweichung der Schallgeschwindigkeit von 2,5 % (rd. 65 m/s) ergibtsich für eine ebene Bauteiloberfläche (Unebenheit durch Abweichungen von +/–5  mm ergibt etwa 4  μs für ut,Unebenheit) eine Gesamtstandardabweichung von1,41 cm. Unter gleichen Messbedingungen ergibt sich fürdas gleiche Bauteil mit größerer Unebenheit (Unebenheitdurch Abweichungen von +/–20 mm ergibt etwa 16 μs fürut,Unebenheit) erwartungsgemäß eine größere Gesamtstan-dardabweichung mit 1,83 cm. In Bild 7 ist die doppelteStandardabweichung angegeben.

Vergleicht man die Unsicherheitsbudgets für beide Bau-teile in Bild 7, wird deutlich, dass die Messunsicherheitdes Geräts einen geringen Einfluss hat. Bei unebenenBauteilen ist der Anteil aus Unebenheit, der der Kon-struktion zugeordnet wird, an der Gesamtunsicherheit inetwa gleich groß wie der Einfluss der streuenden Schall-geschwindigkeit, die dem Baustoff Beton zugeordnetwird. Dieses Beispiel zeigt sehr deutlich, dass weniger dieGerätepräzision als die streuenden Größen der Konstruk-tion und des Baustoffs maßgeblich für die sich einstellen-de Messunsicherheit sind. Für dieses Bauteil kann nun ei-ne statistisch bewertete Bauteildicke angegeben werden.

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244 Beton- und Stahlbetonbau 108 (2013), Heft 4

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Für ein Vertrauensniveau von 95 % (rd. zweifache Stan-dardabweichung) sind das 51,0 cm +/–2,8 cm für das ebe-ne Bauteil. Eine auf diese Weise ermittelte statistisch be-wertete Bauteildicke kann Eingang in eine genauere Er-mittlung des Eigengewichts (Bauteildicke und Betonwich-te) finden. In [18] und [17] wird gezeigt, wie durch dieEingrenzung von Unsicherheiten mithilfe von probabilis-tischer Nachweisführung das Zuverlässigkeitsniveau ver-bessert werden kann. Die hier beschriebene Vorgehens-weise kann Eingang in diese probabilistischen Berech-nungen finden.

3.2.2 Ermittlung der Betondeckung tiefer liegenderBewehrung

Prüfaufgabe:Die Betondeckung wird üblicherweise für oberflächen -nahe Bewehrung mit magnetisch induktiven Verfahrensehr präzise mit einer maximal zulässigen Abweichungvon +/–1  mm bis zu einer Betondeckung von 40  mm und von +/–2 mm bis zu einer Betondeckung von 60 mmangegeben [3]. Wenn Bewehrung tiefer oder sehr dichtliegt, kann die Betondeckungsmessung mit diesen Geräten unmöglich werden. Die Frage ist, ob alter-native Verfahren wie Radar geeignet sind, Beton -deckungen mit einer akzeptablen Genauigkeit anzu -geben.

Ausgewähltes Verfahren: RadarRadar wird zwar primär zur Ortung der lateralen Lagevon Bewehrung eingesetzt, allerdings kann aus den Mess-ergebnissen auch die Tiefe der Bewehrung – mit geringe-rer Genauigkeit verglichen mit magnetisch induktivenVerfahren – abgelesen werden.

Beispiel: In [21] wurde dieser Frage durch Ansatz einerModellgleichung nach GUM – ähnlich der Form im vori-gen Beispiel – nachgegangen. Dabei war vor allem dieFrage, ob Messungen mit Bauwerkscannern, bei denendie Antenne mit einem mehr oder weniger großen Luft-spalt über die Betonoberfläche bewegt werden, zu einerakzeptablen Messunsicherheit führen. Dabei ist zu beach-ten, dass die Laufzeitverlängerung infolge des Abstandsvon Sender und Empfänger (hier: 100  mm) sowie diemittlere vorhandene Luftspaltbreite im Messergebnis (alssystematische Abweichung) korrigiert werden.

Die Ergebnisse eines genau in einer Tiefe von 50 mm ver-legten Bewehrungsstabs sind in Bild 8 dargestellt. Dabeiwurden die unten im Bild farbig unterschiedenen Ein-flussgrößen berücksichtigt und entsprechende Parameterin den zugehörigen Modellgleichungen eingegeben, wo-rauf hier nicht näher eingegangen wird. Wenn die Lauf-zeitverlängerung durch den Abstand von Sender (S) undEmpfänger (E) korrigiert wird, erhält man für eine Beton -deckung von 50 mm bei direkt aufgesetzter Antenne eineStandardabweichung von 2,2  mm. Selbst ein Luftspaltzwischen Radarantenne und Betonoberfläche, der unterder Annahme einer Rechteckverteilung zwischen 0 und20 mm infolge der Unebenheit der Bauteiloberfläche vari-iert, führt noch zu einer Standardabweichung von2,6 mm. Die Werte liegen zwar oberhalb der gefordertenmaximalen Abweichung von +/–2  mm bei einer Beton -deckung von 60 mm [3], sind aber dennoch akzeptabel,um größere Betondeckungen mit Radar anstelle magne-tisch induktiver Verfahren präzise zu bestimmen. Außer-dem liefern auch Scannermessungen mit einem Luftspaltzwischen Antenne und Betonoberfläche akzeptableMess unsicherheiten. Erst ein Luftspalt zwischen 0 bis40 mm wird zur dominierenden Einflussgröße.

Bild 7 Unsicherheitsbudget für ein mit Ultraschall gemessenes Betonbauteil mit einer mittleren Dicke von 51,0 cm für (links) ein ebenes Bauteil (max. Abweichung+/–5 mm) und (rechts) ein unebenes Bauteil (max. Abweichung +/–20 mm)Budget of uncertainty for a concrete member of 51.0 cm thickness (mean value) measured with ultrasonic for (left) an even surface (max. deviation +/–5 cm)and (right) an uneven surface (max. deviation +/–20 mm)

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3.2.3 Ermittlung der lateralen Lage und der Tiefenlage von Spanngliedern zur Bestimmung des innerenHebelarms

Prüfaufgabe:Zur statischen Nachrechnung von Bauteilen ist die Er-mittlung des inneren Hebelarms eines Bauteils von gro-ßer Bedeutung, wie die Beiträge von BRAML et. al. ([14 bis17]) zeigen. Je nach Bauteil und Lage der tragenden Be-wehrung ergibt sich der innere Hebelarm durch Bestim-mung der lateralen Lage oder der Tiefenlage, wie in Bild 9dargestellt.

Ausgewähltes Verfahren: Radar, UltraschallechoBeispiel: Die Ermittlung der lateralen Lage von tragenderBewehrung, wie im rechten Teil von Bild 9 dargestellt,wird erfolgreich an Längsspanngliedern von Spannbeton-brücken mit Radar durch Abfahren von Messspuren ober-halb der Spannglieder durchgeführt. Dabei können Ab-weichungen von +/–1 cm erreicht werden ([22, 23]). DieseKenntnis kann in eine Ermittlung der Unsicherheit nachGUM als Rechteckfunktion (statistische Gleichvertei-lung) Eingang finden und in die statistische Bewertungeinfließen, wenn die Ermittlung der Trägerhöhe ebenfallsmit einer Unsicherheit behaftet ist und eine Gesamtun -sicherheit des inneren Hebels berechnet werden soll.

An einer Fahrbahnplatte oder Decke mit Tragelementen,die in einer bestimmten Tiefe verlaufen, wie im linken Teilvon Bild 9, kann die Ermittlung der Größe des innerenHebelarms aus der Differenz von Bauteildicke und Über-deckung des Tragelements und den zugehörigen Un -sicherheiten nach Methodik des GUM ermittelt werden.

Die beiden Komponenten dieser Modellgleichung ent-sprechen den Modellgleichungen zur Ermittlung der Bauteildicke und zur Betondeckung tiefer liegender Bewehrung, wie sie in den Abschn. 3.2.1 und 3.2.2 be-schrieben wurde. Auf eine weitere Ausführung wird andieser Stelle aus Platzgründen verzichtet. Es ist ersicht-lich, dass bei solch zusammengesetzten Prüfaufgaben dieErmittlung der Gesamtunsicherheit nicht mehr durchMessungen und Berechnen der Standardabweichung er-folgen kann und analytisch nach GUM ermittelt werdenmuss.

Bild 8 Betondeckungsmessung mit einer Radarantenne: Abstand Sender (S) und Empfänger (E) von 100 mm, Winkel 45°, Betondeckung 50 mm. Unsicherheits -budgets für die Fälle: ohne Luftspalt (links), Luftspalt 0 bis 20 mm (Mitte) und 0 bis 40 mm (rechts)Measurement of concrete cover using radar: Distance of transducer (S) and receiver (E) 100 mm, 45° angle, concrete cover 50 mm. Budget of uncertainty:without air gap between antenna and surface (left), air gap between 0 and 20 mm (middle) and (c) air gap between 0 and 40 mm (right)

Bild 9 Messanordnungen zur Ermittlung des inneren Hebelarms. Links: AnPlatten durch Messung der Bauteildicke und der Überdeckung der tra-genden Bewehrung. Rechts: An Trägern durch Ermittlung der lateralenLage.Sensor arrangement for the determination of the inner lever arm: Forslabs by the measurement of the difference of slab thickness and con-crete cover of the tendon duct (left). For beams by detection of the lat-eral position of the tendon ducts (right).

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246 Beton- und Stahlbetonbau 108 (2013), Heft 4

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3.3 Lösungsansätze für die Gütebewertung der qualitativen Fragestellungen mithilfe der POD(a)-Analyse

3.3.1 Spanndrahtbruchortung

Prüfaufgabe:Bei der Ortung von Spanndrahtbrüchen ist es bei der Be-rücksichtigung der Ergebnisse bei einer statischen Nach-rechnung wichtig, bis in welche Tiefe oder ab welchemQuerschnittsverlust Brüche sicher detektiert werden kön-nen.

Ausgewähltes Verfahren: Remanenzmagnetismus [24]Beispiel:Mit diesem Verfahren, welches auf der Detektion benach-barter magnetischer Wechselpole beruht, können Spann-drahtbrüche geortet werden. Nach dem Aufmagnetisierenbis zur Remanenz wird die Oberfläche des Bauteils mit einer HALL-Sonde abgefahren und das Ergebnisbild auf typische Bruchsignale als Signatur eines magnetischen Di-pols untersucht. Die Stärke des aufgezeichneten Bruch -signals hängt nun von einigen Faktoren, beispielsweiseder Tiefenlage der Spannglieder in einem Bauteil, ab. Damit zunehmender Tiefe die gemessene Feldstärke am magnetischen Dipol abnimmt und damit der Einfluss deselektronischen Rauschens zunimmt, können die Bruch -signale nicht mehr eindeutig erkannt werden. Auch die An-zahl der gerissenen Drähte bzw. Spannlitzen in einemSpannglied hat eine erhebliche Auswirkung auf die Detek-tionswahrscheinlichkeit von Spanndrahtbrüchen. Weiter-hin führt die schlaffe Bewehrung in einem Bauteil, dieoberhalb der Spannbewehrung liegt, ebenfalls zu Stör -signalen, die die eigentliche Registrierung des Bruchsignalserschweren [25].

Der Einfluss dieser Faktoren auf die Detektionswahr-scheinlichkeit eines Spanndrahtbruchs kann mit derPOD(a)-Analyse bestimmt werden, wenn ein Faktor ge-zielt variiert wird. So wird in diesem Kapitel anhand vonâ-Werten aus Bruchsignalen erläutert, wie der Einflussder Tiefenlage des Spannglieds auf die Detektionswahr-scheinlichkeit eines Spanndrahtbruchs objektiv bestimmtwerden kann. Die Anzahl der gerissenen Spannlitzenwird hierbei konstant bei fünf Brüchen gehalten. DasRauschen der Sensoren sowie der Einfluss der schlaffenoberflächennahen Bewehrung wird auf Grundlage derBruchsignale abgeschätzt. Die Abschätzung erfolgt an-hand der Ergebnisse aus [25] und [26], die in Bild 10 dar-gestellt sind.

Vorschläge für die Achsenwahl bei einem â vs. a Modell:Achse der interessierenden Größe a: Betondeckung desSpannglieds bei fünf Bruchstellen in einem Querschnitts-bereich bei insgesamt 16 Spanndrähten, entnommen aus[25]Achse der Prüfsystemantwort â: Bruchsignalstärke (BSS)in mTEntscheidungsschwellwert âdec: Auswertung der Störsig-nale, bestehend aus dem elektronischen Rauschen derSensoren und dem Einfluss der schlaffen Bewehrung

Ergebnis: Wahrscheinlichkeit der Bruchortung in Abhän-gigkeit von der Betondeckung

Die Werte aus Tab. 2 werden für die POD(a)-Analyse ver-wendet, wobei diese aus Bild 10 abgelesen wurden. Wei-terhin werden die Bruchsignalstärken aus Tab. 2 mit zu-fälligen Abweichungen beaufschlagt, die durch ein ange-nommenes elektronisches Rauschen bzw. entsprechendeStörsignale abgeschätzt werden. Daraus ergeben sich proBetondeckung a fünf verschiedene Bruchsignalstärken â(Bild 11). Weiterhin wird aus dem abgeschätzten Rau-schen der Schwellwert âdec auf 0,01 mT festgelegt, wobeidieser Schwellwert so definiert wird, dass 95 % derRauschamplituden unterhalb von âdec liegen [2]. Auf eineausführliche Erläuterung dieses Vorgehens wird an dieserStelle aus Platzgründen verzichtet.

Die so berechneten Werte der Bruchsignalstärken â sindin Bild 11 in vier Diagrammen dargestellt, die sich in derAchsenskalierung unterscheiden. Hierbei variiert die Ska-lierung zwischen einer normalen und einer logarithmier-ten Koordinatenachse. Dies ist erforderlich, da unter an-derem ein linearer Zusammenhang zwischen der Beton-deckung und der Bruchsignalstärke für eine korrektePOD(a)-Analyse gegeben sein muss. Werden nun die vierDiagramme in Bild 11 miteinander verglichen, fallen beieiner normalen Achsenskalierung der Ordinate (obereDiagramme in Bild 11) die Werte exponentiell ab. Umden Zusammenhang zwischen den Bruchsignalstärken â

Bild 10 Bruchsignalstärke (BSS) in Abhängigkeit von der Betondeckung undden Bruchstellen in einem Querschnittsbereich (1 bis 5 Brüche von16 Spanndrähten) [25]Peak-peak-amplitude of the transverse component of the leakage fieldas a function of the distance to the tendon („Betondeckung“) for 1 to5 fractures in one cross-section of 16 wires [25]

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und den Betondeckungen a zu linearisieren, werden diePrüfsystemantworten â logarithmiert (untere Diagrammein Bild 11).

Zusätzlich kann dem maßgeblichen unteren Teil vonBild 11 entnommen werden, dass die Variationen derBruchsignalstärken über den gesamten Bereich der Be-tondeckungen von 50 mm bis 240 mm inhomogen sind.Das liegt wie auch bei Radar – ausführlich in [2] begrün-det – daran, dass die Streuungen der Bruchsignalstärkenerst in dem Tiefenbereich nahezu homogen sind, in demeine Detektionswahrscheinlichkeit der Spanndrahtbru-chortung zwischen 10 % und 90 % vorhanden ist. Erst indieser Tiefe wird neben den eigentlichen Bruchsignalennur noch das tiefenkonstante elektronische Rauschen re-gistriert. Aufgrund seiner zufälligen Verteilung mit kon-stanter Varianz ist das elektronische Rauschen somit dieUrsache für homogene Varianzen der Bruchsignalstär-ken. Da neben dem linearen Zusammenhang, der in denunteren Diagrammen von Bild 11 gegeben ist, eben auch

50 100 150 200

0.00

0.05

0.10

0.15

0.20

resp

onse

, â

mh 1823

0.00

0.05

0.10

0.15

0.20

101 102 1032 3 4 6 8 2 3 4 6 8

mh 1823

50 100 150 200

10-3

10-2

10-1

100

mh 1823101 102 103

2 3 4 6 8 2 3 4 6 8

10-3

10-2

10-1

100

2

3456789

2

3456789

2

3456789

2

3456789

2

3456789

2

3456789

mh 1823

Betondeckung a in mm

Betondeckung a in mm

Betondeckung a in mm

Betondeckung a in mm

Bru

chsi

gnal

stär

ke â

in m

TB

ruch

sign

alst

ärke

â in

mT

Bru

chsi

gnal

stär

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TB

ruch

sign

alst

ärke

â in

mT

Beispiel Remanenzmagnetismus.xls Beispiel Remanenzmagnetismus.xls

Beispiel Remanenzmagnetismus.xls Beispiel Remanenzmagnetismus.xls

Bild 11 Darstellung aller abgeleiteten â-Werte der Bruchsignalstärke (BSS) über der Betondeckung mit unterschiedlichen Achsenskalierungenâ-values as calculated peak-peak-amplitude plotted versus the concrete cover depth with different scaling of the coordinate system axes

Tab. 2 Wertepaare a und â für die Aufstellung der POD(a)-Kurve für den Re-manenzmagnetismus bei Variation der Betondeckung des Spannglieds(aus Bild 10)Data of a (concrete cover of the fractured tendon duct) and â (peak-peak-amplitude) to determine a POD curve for magnetic leakage fieldmeasurement (taken from Bild 10)

interessierende Größe a: Prüfsystemantwort â:Betondeckung [mm] Bruchsignalstärke (BSS) [mT]

50 0,150

60 0,090

80 0,063

100 0,047

125 0,035

140 0,030

160 0,025

180 0,022

210 0,018

220 0,016

240 0,014

Page 12: Methoden zur Gütebewertung von ZfPBau-Verfahren

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homogene Varianzen gefordert sind, werden nur die Prüf-systemantworten â ab einer Betondeckung von 140 mmfür die POD(a)-Analyse herangezogen. Aus diesen Über-legungen ergibt sich das â vs. a Modell, wie in Bild 12 dar-gestellt.

Auf Grundlage dieses â vs. a Modells aus Bild 12 ergibtdie POD(a)-Analyse eine Betondeckung von 180  mm,dargestellt in Bild 13, in der ein Spanndrahtbruch vonfünf Litzen (von insgesamt 16 Spanndrähten) mit einerWahrscheinlichkeit von 90 % in 95 von 100 Fällen zuver-lässig detektiert wird. Das ist ein weit auf der sicherenSeite liegender Wert.

3.3.2 Vorhandensein von lastabtragenden metallischenEinbauteilen

Prüfaufgabe:Im Vorfeld einer Ermittlung der Tiefenlage tragender Ele-mente, z. B. zur späteren Bestimmung des inneren Hebel-arms, muss feststehen, bis in welche Tiefe Bewehrungs -stäbe oder Spannglieder zuverlässig detektiert werdenkönnen.

Ausgewähltes Verfahren: Ultraschallecho oder RadarBeispiel: Mit beiden Verfahren können tragende metalli-sche Elemente detektiert werden, wobei das Radarver -fahren aufgrund der Aussendung elektromagnetischerWellen, die an metallischen Einbauteilen total reflektiertwerden, für die Lösung dieser Prüfaufgabe meist bessergeeignet ist und darum hier ausgewählt wird. Jedoch können Spannglieder auch mit dem Ultraschallecho -verfahren detektiert werden, wobei dieses Verfahrenmeist angewendet wird, wenn die Spannglieder in grö -ßeren Tiefen eingebaut wurden oder dichtverlegte ober-flächennahe Bewehrung die Ortung mit dem Radar -verfahren erschwert. Mithilfe der POD(a)-Analyse kannnun die Wahrscheinlichkeit ermittelt werden, in welcherTiefe ein Spannglied noch zuverlässig detektiert werdenkann.

Vorschläge für die Achsenwahl bei einem â vs. a Modell:Achse der interessierenden Größe a: Tiefenlage desSpannglieds in cmAchse der Prüfsystemantwort â: Signalamplitude in mVEntscheidungsschwellwert âdec: Auswertung der Störsig-nale, bestehend aus dem elektronischen Rauschen derSensoren

Ergebnis: Wahrscheinlichkeit der Spanngliedortung inAbhängigkeit von ihrer Tiefe

Wie in Abschn. 3.3.1 werden auch hier Signalamplitudenals Prüfsystemantworten â benötigt, die in einem linearenVerhältnis zur Überdeckung des Spannglieds stehen. Dadie Signalamplituden infolge der Dämpfung exponentiellabnehmen [2], kann durch eine Logarithmierung ein linea-rer Zusammenhang zwischen den Prüfsystemantworten âund der Spanngliedtiefe a hergestellt werden. Werden alleSchritte, wie in Abschn. 3.3.1 dargestellt, auch mit diesenWertepaaren (a; â) durchgeführt, kann die Wahrschein-lichkeit der Ortung eines Spannglieds mit Radar in Ab-hängigkeit von seiner Tiefenlage ebenfalls in einerPOD(a)-Kurve, wie in Bild 14, dargestellt werden. Demlinken Teil dieser Abbildung kann entnommen werden,dass die zuverlässige Detektionstiefe für das verwendeteRadarsystem a90/95 rd. 27 cm beträgt. Dies bedeutet, dassin einer Tiefe von rd. 27  cm ein Spannglied mit einerWahrscheinlichkeit von 90% in 95 von 100 Versuchs-durchführungen zuverlässig geortet werden kann. Ver-gleicht man dieses Ergebnis der POD(a)-Analyse mit ei-nem beispielhaften Radargramm (rechter Teil von Bild14), wird ersichtlich, dass die objektive Ermittlung der zu-

Size, a (mm)

102 1032 3 4 5 6 7 8 9

10-3

10-2

10-1

2

3

4

56789

2

3

4

56789

Betondeckung a in mm

Bru

chsi

gnal

stär

ke â

in m

T

Beispiel Remanenzmagnetismus.xls

mh 1823

Bild 12 â vs. a Modell, welches die vier Kriterien für eine gültige POD(a)-Analyse erfülltâ vs. a model, which is conform with the four criteria for a correct POD curve

Size, a (mm)

150 200 250 300 350

0.0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1.0

Prob

abili

ty o

f Det

ectio

n, P

OD

| a

a50a90

a50 � 237.1

a90 � 193.3

a90 95 � 206.7

POD�a�� ��

���

log�a�� �

���

�̂ � 5.468

�̂ � -0.15906

���

0.002149 -0.000861

-0.000861 0.001034

���

n total = 30n targets = 30

Betondeckung in mm

Det

ektio

nsw

ahrs

chei

nlic

hkei

t PO

D(a

)

a 90/

95~

180

mm

Beispiel Remanenzmagnetismus.xls

mh 1823

Bild 13 Zuverlässige Detektionstiefe a90/95 als Ergebnis der POD(a)-AnalyseReliable detection depth a90/95 as the result of the POD calculation

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verlässigen Detektionstiefe a90/95 mit der subjektivenWahrnehmung übereinstimmt. Das zeigt, dass diePOD(a)-Analyse plausibel und darüber hinaus objektiv ist.

3.3.3 Fehlstellen in Form von Ablösungen

Prüfaufgabe:Wenn in Bauteilen schalenartige Ablösungen vorhandensind, die als Hohlstellen wahrnehmbar sind, ist zur Bewertung oft wichtig, bis zu welcher minimalen Größeeine solche Ablösung zu detektieren ist.

Ausgewähltes Verfahren: UltraschallechoBeispiel:Die Ortung von Ablösungen wird im Regelfall mit demUltraschallechoverfahren vorgenommen. Die in das Bau-teil eingebrachten elastischen Wellen werden an Ablösun-gen aufgrund des fehlenden akustischen Verbunds totalreflektiert und liefern somit eine Anzeige in den Messda-ten. In Abhängigkeit von der Fehlstellengröße und unterBerücksichtigung des Messrasters kann nun mit derPOD(a)-Analyse eine Aussage bezüglich der Detektions-wahrscheinlichkeit dieser Auffälligkeit getroffen werden.Dieses Vorgehen lässt sich auch auf die Ortung von Ver-pressfehlern in Spanngliedern mithilfe der Amplituden-auswertung übertragen.

Vorschläge für die Achsenwahl bei einem â vs. a Modell:Achse der interessierenden Größe a: Größe der Auffällig-keit in cm in einer festgelegten Tiefe

Achse der Prüfsystemantwort â: mittlere Signalamplitudeüber einen vorher festgelegten BereichEntscheidungsschwellwert âdec: Auswertung der Stör -signale

Ergebnis: Wahrscheinlichkeit der Ortung der Ablösung inAbhängigkeit von ihrer Größe

Auch bei dieser qualitativen Fragestellung, auf die an die-ser Stelle aus Platzgründen nur kurz eingegangen wird,kann die POD(a)-Analyse als Hilfestellung für eine objek-tive Gütebewertung herangezogen werden. Wie in den vo-rangegangenen Fällen ist es auch hier erforderlich, einenlinearen Zusammenhang zwischen einer Prüfsystemant-wort â und der Größe a der Ablösung herzustellen. Dazubietet es sich an, in einer vorher definierten Tiefe künst-lich erzeugte Ablösungen unterschiedlicher Größe einzu-bringen. Wertet man nun die Signalamplitude an einemMesspunkt von der Oberfläche aus gesehen mittig überder Ablösung aus, werden die Signalamplituden unabhän-gig der lateralen Ausdehnung der Ablösung ungefährgleich groß sein. Um jedoch die Ausdehnung der Auffällig-keit zu erfassen, besteht eine Möglichkeit der Auswertungdarin, die Werte der Prüfsystemantworten â aus den Sig-nalamplituden einer festen Anzahl benachbarter A-Bilderzu bestimmen. Anschließend könnte aus diesen Amplitu-denwerten der jeweiligen Laufzeitkurven das arithmeti-sche Mittel in der entsprechenden Tiefe berechnet und dasErgebnis als Prüfsystemantwort â den Ausdehnungen derAblösungen gegenübergestellt werden. Aus diesem â vs. aModell, welches ebenfalls die vier Kriterien für eine gülti-ge POD(a)-Analyse erfüllen muss, kann dann die Größe

Bild 14 Beispiel für ein Ergebnis der POD(a)-Analyse für ein Radarprüfsystem, aufgezeichnet an einem Testkörper mit Stabdurchmessern von 28 mm (welche dasSpannglied simulieren) in einem Betonalter von 203 Tagen, entnommen aus [2]; a) POD(a)-Kurve mit einem Vertrauensbereich von 95 %; b) Radargramm derReflektortiefen von 21 cm bis 33 cmResult of a POD analysis, based on the collected radar data of a concrete specimen with a diameter of the reflector of 28 mm and a concrete age of 203days, recorded with a GPR system, referring to [2]; a) POD curve with a confidence interval of 95 %; b) Radargram with reflectors in a depth of 21 cm to 33 cm

a) b)

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Literatur

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a90/95 der Ablösung bestimmt werden, die mit einer Wahr-scheinlichkeit von 90% in 95 von 100 Fällen zuverlässigdetektiert wird. Gerade bei Ablösungen im Druckbereichvon biegebeanspruchten Stahlbeton- und Spannbetonbau-werken können solche Ablösungen einen Einfluss auf dieGröße des Hebelarms der inneren Kräfte haben. Wie in[18] gezeigt, kann die Kombination von Auftretenswahr-scheinlichkeiten mit einem geeigneten stochastischen Mo-dell eine realitätsnahe Bauwerksbeurteilung ermöglichen.

4 Zusammenfassung und Ausblick

In diesem Beitrag wurden mit dem GUM [4] und dem BERENS-Report [8] die Grundlagen zur quantitativen Gü-tebewertung von ZfPBau-Verfahren beschrieben. Ein we-sentlicher Unterschied zwischen beiden Methoden be-steht in der Berücksichtigung von Einflussgrößen auf dasErgebnis. Während nach GUM der Anteil an der Messun-sicherheit einer jeden Einflussgröße getrennt ausgewiesenwerden kann, gilt der bei einer POD ermittelte Werta90/95 nur für diese Randbedingungen und berücksichtigtalle Einflussgrößen integral.

Es wurde anhand von Beispielen gezeigt, wie die Ermitt-lung der Messunsicherheit nach GUM und die Aufstel-lung von POD-Kurven nach dem BERENS-Report auf pra-xisrelevante Prüfaufgaben angewandt werden können.Dabei ist die kombinierte Anwendung der „beiden Säu-len“ POD und GUM wie in Bild 1 sinnvoll. Zunächstwird durch die POD(a)-Analyse der a90/95-Wert als Kenn-wert bestimmt, mit dem z. B. ein Fehler oder ein Objektder Größe a mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 % in 95von 100 Fällen – d. h. sehr sicher – detektiert werdenkann. Erst wenn die sicher erzielbaren Detektionstiefenoder Mindestfehlstellengrößen feststehen, sollte einZfPBau-Verfahren zur Bearbeitung einer sicherheitsrele-vanten Prüfaufgabe, z. B. der Messung einer Bauteildickeoder der Tiefe tragender Elemente, angewendet werden.Auf diese Weise wird sichergestellt, dass Messobjektenicht übersehen werden.

Am Beispiel des Remanenzmagnetismus wurde gezeigt,wie mittels POD(a)-Analyse die zuverlässig detektierbareEinbautiefe von Spanngliedern, die einen bestimmtenQuerschnittsverlust aufweisen, bestimmt werden kann.Weiterhin wurde gezeigt, wie mit der POD(a)-Analyse ab-geschätzt werden kann, in welcher Tiefe ein Spanngliedmit dem Radarverfahren noch zuverlässig detektiert wer-den kann. Auch die Ortung von Ablösungen in Abhängig-

keit von ihrer Größe kann mit dem Ultraschallechover-fahren objektiv mithilfe der POD(a)-Analyse bewertetwerden. Hierbei wird die Ausdehnung einer Ablösung er-mittelt, die mit dem Ultraschallechoverfahren mit einerWahrscheinlichkeit von 90 % in 95 von 100 Fällen zuver-lässig aufgefunden wird.

Dass eine POD(a)-Analyse von Ultraschallergebnissenmit dem hier gewählten Ansatz der Analyse von Signal -amplituden sinnvolle Ergebnisse liefert, wurde u. a. in [27]gezeigt. Dies legt den Schluss nahe, dass die POD(a)-Ana-lyse auch zur Quantifizierung der Aussagesicherheit vonzerstörungsfreien Prüfverfahren in kerntechnischen Anla-gen herangezogen und zusätzlich die in Abschn.  1 be-schriebene übliche Vorgehensweise im kerntechnischenBereich unterstützen kann.

Am Beispiel von Dickenmessungen und der Bestimmungvon Einbautiefen tragender Bewehrung wurde gezeigt,wie die Messunsicherheit bei einer Vielzahl von Einfluss-größen analytisch bestimmt werden kann, wenn Mehr-fachmessungen nicht möglich sind. Besonders bei proba-bilistischen Berechnungen besitzen ZfPBau-Verfahrengroßes Potenzial, statistisch bewertete Ergebnisse in stati-sche Nachweise einfließen zu lassen. [17] beschreibt einpraktikables Vorgehen bei der probabilistischen Bewer-tung von bestehenden Bauwerken. Nach einer Sensitivi-tätsanalyse werden die für die Zuverlässigkeit maßgeb -lichen Parameter identifiziert. Dies geschieht nur für dierelevanten Stellen der Konstruktion und nicht mehr füralle Zehntelspunkte. Nur an diesen Stellen würden u. a.gezielt zerstörungsfreie Bauwerksuntersuchungen durch-geführt. Die Erkenntnisse daraus können als Modellupda-tes eingefügt werden, um das Zuverlässigkeitsniveau rea-litätsnah zu bewerten. Bei der Betrachtung der Anteileder Sensitivitätsanalyse erscheint es zwar zunächst so, alswürde eine genauere Kenntnis geometrischer Größen(z. B. Querschnittshöhe, Hebelarm) und der Querschnitts-fläche eine untergeordnete Rolle spielen. Das ist jedochnur der Fall, wenn die Konstruktion genau wie in den Be-standsplänen ausgeführt ist und die angenommenen Ab-weichungen sich in einem sehr geringen Maß bewegen.Treten dagegen deutlich größere Abweichungen, z. B. destatsächlichen Spanngliedverlaufs zum angenommenenVerlauf wie in [22] auf, oder treten Zweifel am Vorhan-densein aller angenommenen Spannglieder auf, werdendiese Anteile der Sensitivitätsanalyse deutlich größer. Insolchen Fällen helfen ZfPBau-Verfahren, das Bauwerkauf der Basis der tatsächlichen Konstruktion nachzurech-nen und realitätsnah zu bewerten.

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Autoren

Dr.-Ing. Alexander TaffeBundesanstalt für Materialforschung und -prüfungUnter den Eichen 8712205 [email protected]

Dr.-Ing. Sascha FeistkornSchweizerischer Verein für technische InspektionenRichtistrasse 158304 Wallisellen, [email protected]