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Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH im Lichte europaweiter Tendenzen DISSERTATION zur Erlangung des akademischen Grades Dr. iur. (Doctor iuris) an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz vorgelegt von Mag. Gert Untergrabner Erstbegutachter: em. Univ.-Prof. DDr. Horst Wünsch Zweitbegutachter: Univ.-Prof. Dr. Gunter Nitsche Graz, April 2009

Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

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Page 1: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

Mindestkapital und Kapitalerhaltung

bei der GmbH

im Lichte europaweiter Tendenzen

DISSERTATION

zur Erlangung des akademischen Grades

Dr. iur. (Doctor iuris)

an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät

der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von

Mag. Gert Untergrabner

Erstbegutachter:

em. Univ.-Prof. DDr. Horst Wünsch

Zweitbegutachter:

Univ.-Prof. Dr. Gunter Nitsche

Graz, April 2009

Page 2: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die eingereichte Dissertation selbständig

und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen

und Hilfsmittel nicht benutzt und die den benutzten Quellen wörtlich

oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Ich versichere ferner, dass ich mich auch sonst keiner unerlaubten Hilfsmittel

bedient und diese Dissertation bisher weder im In- noch im Ausland in irgendeiner

Form als wissenschaftliche Arbeit vorgelegt habe.

Mag. Gert Untergrabner

Graz, April 2009

Page 3: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

für meine Eltern

Page 4: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

I

INHALTSVERZEICHNIS

Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................................................... IX

1. Einleitung.................................................................................................................................................. 1

1.1 Problemstellung ............................................................................................................................ 1

1.2 Ziel der Arbeit ............................................................................................................................... 3

1.3 Gang der Untersuchung ................................................................................................................ 3

2. GmbH und Limited in Österreich: ein Überblick ................................................................................ 5

2.1 Die GmbH ..................................................................................................................................... 5

2.1.1 Überblick über die Rechtsgeschichte der GmbH .............................................................. 5

2.1.2 Charakteristika der GmbH ................................................................................................ 9

2.1.3 Die GmbH heute ............................................................................................................. 10

2.2 Die Limited ................................................................................................................................. 14

2.2.1 Überblick über das englische Gesellschaftsrecht und über die Rechtsgeschichte

der Limited ..................................................................................................................... 14

2.2.2 Charakteristika und Gründung der Limited .................................................................... 19

2.2.3 Kapitalaufbringung und -erhaltung ................................................................................. 22

2.2.4 Die Limited in Österreich: eine Bestandsaufnahme ....................................................... 23

2.2.5 Vor- und Nachteile der Limited ...................................................................................... 27

2.2.5.1 Fehlen eines Mindestkapitals ........................................................................... 27

2.2.5.2 Art und Dauer der Gründung als Wettbewerbsvorteil ..................................... 27

2.2.5.3 Kosten der Gründung und Besteuerung ........................................................... 28

2.2.5.4 Nachteile der Limited ...................................................................................... 29

3. Die Europäisierung des Gesellschaftsrechts ........................................................................................ 32

3.1 Einführung .................................................................................................................................. 32

3.1.1 Die Grundstruktur des Europäischen Gesellschaftsrechts .............................................. 32

Page 5: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

II

3.1.2 Der „Race to the Bottom“ und die Rsp des EuGH zur Niederlassungsfreiheit .............. 33

3.1.3 Der „Delaware-Effekt“ ................................................................................................... 34

3.1.4 „Europäisierung“ als neues Phänomen? ......................................................................... 36

3.2 Geschichte und Ziele des europäischen Gesellschaftsrechts....................................................... 38

3.2.1 Übersicht über die Entwicklung ..................................................................................... 38

3.2.2 Ziele ................................................................................................................................ 40

3.3 Die Europäische Privatgesellschaft (EPG).................................................................................. 42

3.3.1 Einführung und Vorgeschichte ....................................................................................... 42

3.3.2 Vorschläge für die allgemeine Ausgestaltung der EPG .................................................. 46

3.3.2.1 Eigenschaften, Gründung und subsidiäre Anwendung nationalen Rechts ...... 46

3.3.2.2 Der Verordnungsvorschlag der Kommission vom 25. Juni 2008 .................... 48

3.3.3 Vorschläge hinsichtlich des Mindestkapitals der EPG ................................................... 49

3.3.3.1 Die privaten Studien von Boucourechliev/Hommelhoff und Helms ................ 49

3.3.3.2 Die Empfehlungen des Europäischen Parlaments und der VO-Vorschlag der

Kommission .................................................................................................... 51

3.3.3.3 Kritik am Verordnungsvorschlag der Kommission ......................................... 52

3.3.4 Vorschläge hinsichtlich der Kapitalerhaltung der EPG .................................................. 53

3.3.4.1 Die private Studie von 1999 ............................................................................ 53

3.3.4.2 Der Verordnungsvorschlag der Kommission von 2008................................... 54

3.3.5 Zusammenfassung und Ausblick .................................................................................... 55

3.4 Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit ........................................................ 57

3.4.1 Die Niederlassungsfreiheit.............................................................................................. 57

3.4.2 Die ersten Entscheidungen des EuGH zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften.. 58

3.4.3 Die EuGH-Entscheidung in der Rechtssache „Segers“ .................................................. 59

3.4.4 „Daily Mail and General Trust plc“ ................................................................................ 61

3.4.4.1 Einführung und Sachverhalt ............................................................................ 61

3.4.4.2 Standpunkte der Parteien und des Generalanwalts .......................................... 61

3.4.4.3 Entscheidung des EuGH .................................................................................. 62

3.4.4.4 Schlussfolgerungen aus der Entscheidung ....................................................... 63

3.4.5 „Centros Ltd.“ ................................................................................................................. 65

Page 6: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

III

3.4.5.1 Sachverhalt und Standpunkte der Parteien ...................................................... 65

3.4.5.2 Entscheidung des EuGH .................................................................................. 66

3.4.5.3 Die Schlussanträge des Generalanwalts zur Frage des Mindestkapitals ......... 68

3.4.5.4 Schlussfolgerungen aus der Entscheidung ....................................................... 68

3.4.6 „Überseering BV“ ........................................................................................................... 70

3.4.6.1 Sachverhalt ...................................................................................................... 70

3.4.6.2 Standpunkte der Parteien ................................................................................. 70

3.4.6.3 Entscheidung des EuGH .................................................................................. 71

3.4.6.4 Schlussfolgerungen aus der Entscheidung ....................................................... 72

3.4.7 „Inspire Art Ltd.“ ............................................................................................................ 74

3.4.7.1 Sachverhalt ...................................................................................................... 74

3.4.7.2 Entscheidung des EuGH .................................................................................. 75

3.4.7.3 Die Schlussanträge des Generalanwalts zur Frage des Mindestkapitals ......... 76

3.4.7.4 Schlussfolgerungen aus der Entscheidung ....................................................... 77

3.4.8 „Hughes de Lasteyrie du Saillant“ .................................................................................. 78

3.4.8.1 Sachverhalt und Entscheidung des EuGH ....................................................... 78

3.4.8.2 Schlussfolgerungen aus der Entscheidung ....................................................... 78

3.4.9 „SEVIC Systems AG“ .................................................................................................... 79

3.4.9.1 Sachverhalt und Entscheidung des EuGH ....................................................... 79

3.4.9.2 Schlussfolgerungen aus der Entscheidung ....................................................... 80

3.4.10 „Cartesio Oktató és Szolgáltató bt.“ ............................................................................... 80

3.4.10.1 Sachverhalt ...................................................................................................... 80

3.4.10.2 Die Schlussanträge des Generalanwalts .......................................................... 82

3.4.10.3 Entscheidung des EuGH .................................................................................. 83

3.4.10.4 Schlussfolgerungen aus der Entscheidung ....................................................... 84

3.4.11 Ausblick .......................................................................................................................... 85

4. Die Regelungen des Mindestkapitals und der Kapitalerhaltung ....................................................... 88

4.1 Das Mindeststammkapital der GmbH ......................................................................................... 88

4.1.1 Einführung ...................................................................................................................... 88

Page 7: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

IV

4.1.2 Sicherung der Aufbringung des Mindestkapitals............................................................ 88

4.1.3 Stammkapital und Gesellschaftsvermögen ..................................................................... 89

4.1.4 Stammkapital und Mindestkapital .................................................................................. 90

4.1.5 Stammeinlagen und Geschäftsanteile ............................................................................. 91

4.1.6 Stammkapital als „working capital“ ............................................................................... 91

4.2 Die Regelungen der Kapitalerhaltung der GmbH ....................................................................... 93

4.2.1 Einführung ...................................................................................................................... 93

4.2.2 Die Regelungen in § 82 Abs 1 GmbHG ......................................................................... 94

4.2.3 Die verdeckte Einlagenrückgewähr bzw Gewinnausschüttung ...................................... 95

4.2.4 Cash-Pooling als Anwendungsfall von § 82 Abs 1 GmbHG .......................................... 96

4.2.5 Rechtsfolgen bei Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr ........................... 98

4.2.6 Nachschüsse .................................................................................................................. 100

4.2.7 Der Erwerb eigener Geschäftsanteile durch die Gesellschaft ....................................... 101

4.2.8 Der Verlust der Hälfte des Stammkapitals ................................................................... 102

4.2.9 Stärkung der Kapitalgrundlage einer großen GmbH durch gebundene Rücklagen ...... 103

4.2.10 Eigenkapitalersatzrecht ................................................................................................. 104

5. Geschichte der Regelungen ................................................................................................................. 107

5.1 Die Entwicklung in Deutschland bis 1892 ................................................................................ 107

5.1.1 Der aktienrechtliche Hintergrund und der Vorschlag von Parisius.............................. 107

5.1.2 Die Rede von Oechelhäuser im Reichsrat und der Entwurf von 1884 ......................... 108

5.1.3 Die Entwürfe von Esser und Ring ................................................................................ 110

5.1.4 Die Denkschrift von Oechelhäuser und das „Würfelspiel um die richtige Zahl“ ........ 111

5.1.5 Die Umfrage unter den preußischen Handelskammern und kaufmännischen

Korporationen .............................................................................................................. 111

5.1.6 Die Umfrage unter den deutschen Handelskammern und die Vorschläge von

Hammacher und Rießer ............................................................................................... 112

5.1.7 Die deutsche Gesetzesvorlage und der Erlass des dGmbHG im Jahr 1892 .................. 114

5.1.7.1 Einführung und die Regelung des Mindestkapitals ....................................... 114

5.1.7.2 Die Analyse der gesetzgeberischen Motive bezüglich des Mindestkapitals

durch Fabricius ............................................................................................. 115

Page 8: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

V

5.1.7.3 Die Regelungen der Kapitalerhaltung im Gesetz von 1892........................... 117

5.1.8 Die ersten Anwendungsjahre des dGmbHG ................................................................. 118

5.2 Die Entwicklung in Österreich .................................................................................................. 119

5.2.1 Erste Initiativen in Österreich ....................................................................................... 119

5.2.2 Die legistische Arbeit im Justizministerium bis zum Inkrafttreten des GmbH-Gesetzes

...................................................................................................................................... 120

5.2.3 Das Mindestkapital nach dem Verständnis des Regierungsentwurfes des GmbHG .... 121

5.2.4 Die Regeln der Kapitalerhaltung im Regierungsentwurf des GmbHG ........................ 122

5.3 Die Situation in Österreich und Deutschland bis in die 1920er Jahre ....................................... 124

5.4 Die Novellen von 1921 (Österreich) und 1922 (Deutschland) ................................................. 124

5.5 Die weitere Entwicklung bis 1938 in Österreich und Deutschland .......................................... 126

5.6 Die Entwicklung in den Jahren 1938-1945 ............................................................................... 128

5.7 Das österreichische SEBG 1954 ............................................................................................... 129

5.8 Die deutschen Entwürfe von 1969 bis 1973 ............................................................................. 130

5.9 Der deutsche Regierungsentwurf von 1977 .............................................................................. 131

5.10 Die Reformdiskussion in Österreich und der Entwurf von 1977 .............................................. 132

5.11 Die Novellen von 1981 in Österreich und Deutschland ............................................................ 133

5.11.1 Allgemeines .................................................................................................................. 133

5.11.2 Die Erläuterungen des österreichischen Regierungsentwurfes ..................................... 135

5.11.3 Die Erläuterungen des deutschen Regierungsentwurfes und des Ausschussberichts ... 135

5.12 Umstellung durch das 1. Euro-JuBeG (Österreich) und das EuroEG (Deutschland) ............... 137

5.13 Fazit: Vom „Gemeinnutz“ zum „Gläubigerschutz“ .................................................................. 137

6. Die Rechtslage in Deutschland ............................................................................................................ 139

6.1 dGmbH und Limited: Rechtstatsachen ..................................................................................... 139

6.1.1 dGmbH und UG (haftungsbeschränkt) ......................................................................... 139

6.1.2 Die Limited in Deutschland .......................................................................................... 140

6.2 Mindestkapital und Kapitalaufbringung der „klassischen“ dGmbH: Einführung und kurzer

Vergleich zwischen alter und neuer Rechtslage ........................................................................ 142

6.3 Die Kapitalerhaltung der „klassischen“ dGmbH: Einführung und kurzer Vergleich zwischen

alter und neuer Rechtslage ........................................................................................................ 143

Page 9: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

VI

6.3.1 §§ 30, 43a dGmbHG: Das Auszahlungsverbot ............................................................. 143

6.3.2 §§ 31, 32, 43 dGmbHG: Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 30 ...................... 145

6.3.3 §§ 26-28 dGmbHG: Nachschüsse ................................................................................ 146

6.3.4 § 33 dGmbHG: Erwerb eigener Geschäftsanteile ......................................................... 147

6.3.5 § 49 Abs 3 dGmbHG: Verlust der Hälfte des Stammkapitals ...................................... 148

6.3.6 Eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen ........................................................... 148

6.4 Das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen

(MoMiG) vom 23. Oktober 2008, dBGBl I 2008, S. 2026 ....................................................... 151

6.4.1 Einführung und Entstehungsgeschichte ........................................................................ 151

6.4.1.1 Erste Anfänge und Entwurf des MindestkapG 2005 ..................................... 151

6.4.1.2 Die Reformdiskussion vom Herbst 2005 bis zum MoMiG-Referentenentwurf

vom 29.5.2006 .............................................................................................. 153

6.4.1.3 Der MoMiG-Referentenentwurf vom 29.5.2006 ........................................... 155

6.4.1.4 Vom Referentenentwurf im Mai 2006 bis zum Regierungsentwurf im Mai

2007 .............................................................................................................. 158

6.4.1.5 Der Regierungsentwurf zum MoMiG vom 23. Mai 2007 ............................. 159

6.4.1.6 Die weitere Diskussion bis zur Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses

vom 24.6.2008 .............................................................................................. 162

6.4.1.7 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 24.6.2008 und

Inkrafttreten des MoMiG am 1. November 2008 ......................................... 164

6.4.2 Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) ..................................................... 166

6.4.2.1 Rechtsnatur, Stammkapital und Firmierung der UG ..................................... 166

6.4.2.2 Die Regeln der Kapitalaufbringung bei der UG ............................................ 167

6.4.2.3 Die Regeln der Kapitalerhaltung bei der UG ................................................. 169

6.4.2.4 Ausblick ......................................................................................................... 172

6.4.3 Die Reform der Kapitalerhaltungsregeln durch das MoMiG ....................................... 173

6.4.3.1 Einführung ..................................................................................................... 173

6.4.3.2 Die Novellierung des § 30 Abs 1 dGmbHG .................................................. 174

6.4.3.3 Die Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts .............................................. 178

6.5 Fazit........................................................................................................................................... 179

Page 10: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

VII

7. Weitere ausgewählte Regelungen im Rechtsvergleich ...................................................................... 181

7.1 Die spanische Sociedad Limitada Nueva Empresa (SLNE) ..................................................... 181

7.2 Die französische société à responsabilité limitée (SARL) ........................................................ 182

7.3 Gläubigerschutz im US-amerikanischen Kapitalgesellschaftsrecht .......................................... 185

7.3.1 Einführung .................................................................................................................... 185

7.3.2 Mindestkapital .............................................................................................................. 186

7.3.3 Kapitalerhaltung ........................................................................................................... 187

8. Meinungsstand zum System des Mindestkapitals und der Kapitalerhaltung ................................ 189

8.1 Einführung ................................................................................................................................ 189

8.2 Funktionen des Mindeststammkapitals ..................................................................................... 190

8.2.1 Einführung .................................................................................................................... 190

8.2.2 Mindestkapital als „Eintrittspreis“ in eine haftungsbeschränkte Gesellschaft ............. 190

8.2.3 Seriositätsindiz .............................................................................................................. 192

8.2.4 Gläubigerschutz ............................................................................................................ 193

8.2.5 Arbeitskapital, Insolvenzprophylaxe und Signaling-Wirkung ..................................... 198

8.3 Funktionen der Kapitalerhaltung .............................................................................................. 201

8.3.1 Einführung .................................................................................................................... 201

8.3.2 Stauwehr und Ausgleich für die Haftungsbeschränkung .............................................. 201

8.3.3 Bilanzieller Gläubigerschutz durch das System des festen Nennkapitals .................... 202

9. Kritik und Alternativen....................................................................................................................... 204

9.1 Einführung ................................................................................................................................ 204

9.2 Regelung des Mindestkapitals .................................................................................................. 204

9.2.1 Erhöhung der Mindestkapitalziffer ............................................................................... 204

9.2.2 Angemessener Mindestkapitalbetrag ............................................................................ 206

9.2.3 Abschaffung oder Reduzierung des Mindestkapitals ................................................... 210

9.2.4 Die „einfache GmbH“ (Kalss) als Mittelweg und Ausgleichsmechanismen ................ 212

9.2.5 Die deutsche UG (haftungsbeschränkt) und ihre Ausgleichsmechanismen ................. 213

9.3 Regelung der Kapitalerhaltung ................................................................................................. 215

Page 11: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

VIII

9.3.1 Kritikpunkte am deutschen bzw österreichischen Kapitalerhaltungssystem ................ 215

9.3.1.1 Starrheit und Kosten des Kapitalerhaltungsregimes ...................................... 215

9.3.1.2 Gläubigerschädigende Anreize ...................................................................... 216

9.3.2 Financial Covenants ..................................................................................................... 217

9.3.2.1 Einführung ..................................................................................................... 217

9.3.2.2 Vorteile .......................................................................................................... 217

9.3.2.3 Nachteile ........................................................................................................ 218

9.3.2.4 Fazit ............................................................................................................... 219

9.3.3 Solvenztest .................................................................................................................... 220

9.3.3.1 Einführung ..................................................................................................... 220

9.3.3.2 Vorteile .......................................................................................................... 220

9.3.3.3 Nachteile ........................................................................................................ 221

10. Eigener Lösungsvorschlag und Zusammenfassung .......................................................................... 223

10.1 Abbau des traditionellen Kapitalschutzsystems? ...................................................................... 223

10.2 Gewährleistet das derzeitige System noch einen ausreichenden Schutz? ................................. 223

10.3 Wie könnte man den derzeitigen Schutz verbessern? ............................................................... 224

10.4 Welche Folgen brächte eine Abschaffung des derzeit geltenden Systems? .............................. 225

10.5 Welche Ausgleichsmechanismen können den bisherigen Schutzstandard aufrechterhalten? ... 226

10.6 (Noch) keine Relevanz der Abschaffung des geltenden Systems ............................................. 227

10.7 Relevante Reformpunkte........................................................................................................... 228

Literaturverzeichnis ........................................................................................................................................ 229

Page 12: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

IX

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abs Absatz

ADHGB Allgemeines deutsches Handelsgesetzbuch

ADV Automatische Datenverarbeitung

AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

aF alte Fassung

AG Aktiengesellschaft; Amtsgericht (Deutschland); Die

Aktiengesellschaft – Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen, für

deutsches, europäisches und internationales Kapitalmarktrecht

(Deutschland)

AHGB Allgemeines Handelsgesetzbuch

AktG Aktiengesetz

AKV Alpenländischer Kreditorenverband

aM anderer Meinung

AR Aufsichtsrat aktuell

ArbVG Arbeitsverfassungsgesetz 1974, BGBl 1974/22 idgF

Art, Artt Artikel

AStN Aktuelle Steuer News

BFuP Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Deutschland)

BG Bundesgesetz

BGBl Bundesgesetzblatt

BGH (deutscher) Bundesgerichtshof

BRD Bundesrepublik Deutschland

bt. betéti társaság (ungarisches Pendant zur KG)

BT-Drucks. Drucksache des Deutschen Bundestages

BV Besloten Venootschap (niederländisches Pendant zur GmbH)

BWG Bankwesengesetz, BGBl Nr. 532/1993 idgF

bzw beziehungsweise

CA 1985 Companies Act 1985

CA 2006 Companies Act 2006

ca circa

CDU Christlich-Demokratische Union Deutschlands

CEO Chief Executive Officer

CSU Christlich-Soziale Union Deutschlands

d deutsch

DB Der Betrieb (Deutschland)

Page 13: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

X

DBA Doppelbesteuerungsabkommen

DDR Deutsche Demokratische Republik

dh das heißt

Diss Dissertation

DKR Dänische Krone

DM Deutsche Mark

DStR Deutsches Steuerrecht (Deutschland)

ebda ebenda

ECFR European Company and Financial Law Review

EG Europäische Gemeinschaft

EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft

EHUG (deutsches) Gesetz über elektronische Handelsregister und

Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister, dBGBl I

2006, S. 2553

EKEG Eigenkapitalersatz-Gesetz, BGBl I 2003/92

endg. endgültig

EStG Einkommensteuergesetz

et al. et alii (und andere)

EU-GesRÄG EU-Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz

EuGH Europäischer Gerichtshof

EuGVVO Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000

über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und

Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen

EuroEG Gesetz zur Einführung des Euro (Deutschland), dBGBl I 1998, S.

1241

Euro-JuBeG Euro-Justizbegleitgesetz

EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

EWGV EWG-Vertrag

EWS Zeitschrift für europäisches Wirtschafts- u.Steuerrecht (Deutschland)

FBG Firmenbuchgesetz

FDP (deutsche) Freie Demokratische Partei

FMStG (deutsches) Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur

Stabilisierung des Finanzmarkts (Finanzmarktstabilisierungsgesetz –

FMStG) vom 17.10.2008, dBGBl I 2008, 1982

FN Fußnote

FS Festschrift

GAAP Generally Accepted Accounting Principles

Page 14: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

XI

GBP Great Britain Pound (ISO-4217-Code für den Britischen Pfund

Sterling)

GBU GmbH-Bulletin

GeS Zeitschrift für Gesellschafts- und Steuerrecht

GesRÄG Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz

GesRZ Der Gesellschafter – Zeitschrift für Gesellschafts- und

Unternehmensrecht

GIRÄG 2003 Gesellschafts- und Insolvenzrechtsänderungsgesetz, BGBl I 2003/92

GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GmbHG Gesetz vom 6. März 1906, über Gesellschaften mit beschränkter

Haftung (GmbH-Gesetz) RGBl Nr. 58/1906 idF BGBl I 2005/120

GmbHR GmbH-Rundschau (Deutschland)

GRÄG Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz

hA herrschende Ansicht

HaRÄG Handelsrechts-Änderungsgesetz, BGBl I 2005/120

HGB Handelsgesetzbuch

hM herrschende Meinung

Hrsg. Herausgeber(in)

idF in der Fassung

idgF in der geltenden Fassung

idR in der Regel

iHv in Höhe von

insb insbesondere

InsO Insolvenzordnung

IPRG Bundesgesetz vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht,

idF BGBl I Nr. 58/2004

IRÄG Insolvenzrechtsänderungsgesetz

iSd im Sinne des/der

iVm in Verbindung mit

JAP Juristische Ausbildung und Praxisvorbereitung

KG Kommanditgesellschaft

KGaA Kommanditgesellschaft auf Aktien

KMU Klein- und Mittelunternehmen

KO Konkursordnung

KStG Körperschaftssteuergesetz 1988, BGBl Nr. 401/1988, idF BGBl I

Nr. 102/2007

KSV Kreditschutzverband 1870

Page 15: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

XII

LIE loi n° 2003-721 du 1.8.2003 pour l‟initiative économique

(Frankreich)

lit litera (Buchstabe)

Ltd. Limited

MBCA Model Business Corporation Act

mE meines Erachtens

MindestkapG Gesetz zur Neuregelung des Mindestkapitals der GmbH (deutscher

Regierungsentwurf)

Mio. Million(en)

MoMiG (deutsches) Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur

Bekämpfung von Missbräuchen

Mrd. Milliarde(n)

mwN mit weiteren Nachweisen

nF neue Fassung

NJ Neue Justiz (Deutschland)

NJW Neue Juristische Wochenschrift (Deutschland)

NotBZ Zeitschrift für die notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis

(Deutschland)

NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (Deutschland)

ö österreichisch

ÖBA Österreichisches Bankarchiv

ÖStZ Österreichische Steuer-Zeitung

ÖZW Österreichische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

plc private limited company

RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht

(Deutschland)

RegE Regierungsentwurf

RGBl Reichsgesetzblatt

RIW Recht der internationalen Wirtschaft (Deutschland)

RLG Rechnungslegungsgesetz

Rn Randnummer

Rs Rechtssache

Rsp Rechtsprechung

RWZ Zeitschrift für Recht und Rechnungswesen

Rz Randzahl

s siehe

Page 16: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

XIII

SARL Société à responsabilité limitée (Frankreich) bzw Sociedad a

responsabilidad limitada (Spanien)

SE Societas Europaea

SEBG Schillingeröffnungsbilanzengesetz 1954, BG 7.7.1954, BGBl 190

SLNE Sociedad Limitada Nueva Empresa (Spanien)

sog so genannt/e/r/s

SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands

SWI Steuer und Wirtschaft international

SWK Österreichische Steuer- und Wirtschaftskartei

ua unter anderem

UAbs Unterabsatz

UGB Unternehmensgesetzbuch, DRGBl 1897 S 219 idF BGBl I 2005/120

UmwG Umwandlungsgesetz

USA United States of America

VfGH Verfassungsgerichtshof

vgl vergleiche

VO Verordnung

VWT Der Wirtschaftstreuhänder

wbl Wirtschaftsrechtliche Blätter

WISO Wirtschafts- und sozialpolitische Zeitschrift des Instituts für Sozial-

und Wirtschaftswissenschaften

WKÖ Österreichische Wirtschaftskammer

Z Ziffer

zB zum Beispiel

ZEuP Zeitschrift für europäisches Privatrecht (Deutschland)

ZfRV Zeitschrift für Europarecht, Internationales Privatrecht und

Rechtsvergleichung

ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (Deutschland)

ZHR Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht

(Deutschland)

ZIK Zeitschrift für Insolvenzrecht und Kreditschutz (Deutschland)

ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis (Deutschland)

Page 17: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

1

1. Einleitung

1.1 Problemstellung

§ 6 GmbHG bestimmt in seiner derzeit geltenden Fassung unter anderem, dass das Stammkapital der

Gesellschaft mit beschränkter Haftung mindestens € 35.000 erreichen muss. Keine andere mit der

österreichischen GmbH vergleichbare Gesellschaftsform in Europa kennt ein höheres

„Mindest(stamm)kapital“ oder zumindest ein annähernd so hohes Erfordernis, als dies in Österreich der Fall

ist.1

So wird etwa in Deutschland durch Inkrafttreten des „Gesetz(es) zur Modernisierung des GmbH-Rechts und

zur Bekämpfung von Missbräuchen“ (MoMiG) das Erfordernis eines Mindestkapitals bei der „klassischen“

GmbH iHv bislang € 25.000 zwar beibehalten (im Gegensatz zum Regierungsentwurf des MoMiG, der noch

eine Herabsenkung auf € 10.000 vorschlug). Dieser Betrag kann jedoch unterschritten werden, wobei die

Gesellschaft in diesem Fall aber nicht als GmbH registriert werden darf, sondern als

„Unternehmergesellschaft (kurz: UG) (haftungsbeschränkt)“ ins Handelsregister eingetragen werden muss.2

Dieser gesetzgeberische Schritt wurde in Deutschland vor allem aus Gründen der Steigerung der Attraktivität

der GmbH als notwendig erachtet. Das „Schreckgespenst“3 der englischen private limited company by shares

(kurz: Limited), welche gerade kein Mindestkapital vorsieht und somit eine günstige Variante zur

vergleichbaren GmbH darstellt, soll dadurch in die Schranken verwiesen werden; anders gewendet: das

„Abwandern“ in ausländische Rechtsformen, das nicht nur rechtspraktische, sondern vielmehr

wirtschaftspolitische Probleme mit sich bringt, soll durch eine „attraktivere“ GmbH als jene, die derzeit am

Markt zur Verfügung steht, eingedämmt werden.4

Nicht nur in Deutschland, auch in anderen europäischen Ländern wie etwa Frankreich und Spanien wurden

die der österreichischen GmbH vergleichbaren Rechtsformen modernisiert, vor allem oder zum Teil aus dem

Grund der Furcht vor einer „Abwanderung“ der jeweiligen Rechtsform zu einer attraktiveren ausländischen

Rechtsform.

Das „Abwandern“ der Unternehmen in ausländische Rechtsformen wie etwa der Limited ist Folge eines

durch die Rsp des EuGH zur Niederlassungsfreiheit verursachten „Wettbewerbs der Rechtsformen“, welcher

auch vor der österreichischen Grenze nicht halt macht: angesichts der steigenden Beliebtheit der Limited

1 Die Presse, GmbH-Reform: Lockstoff für flüchtige Gründer, Rechtspanorama vom 22. Jänner 2008, 6, spricht unter

Zitierung von Kalss vom weltweit höchsten Mindestkapitalerfordernis; Feltl/Fragner, BMJ: Positive Signale zur

Abschaffung des GmbH-Mindestkapitals, GesRZ 2007, 75. 2 Zum Regierungsentwurf: Feltl/Fragner, Blick über die Grenze: Deutschland – GmbH-Rechtsnovelle, GesRZ 2007,

150; Wilhelm, „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ – Der neue § 5a GmbHG in dem RegE zum MoMiG,

DB 2007, 1510. Zur Änderung des Regierungsentwurfs durch den Deutschen Bundestag am 26.6.2008:

Seibert/Decker, Die GmbH-Reform kommt!, ZIP 2008, 1208. 3 So Fantur/Urtz, Editorial, GeS 2007, 229.

4 Vgl Schärtl, Die Doppelfunktion des Stammkapitals im europäischen Wettbewerb, Reformüberlegungen zum

deutschen GmbH-Recht, Schriften des Augsburg Center for Global Economic Law and Regulation, Band 6, Nomos

Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2006, 90.

Page 18: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

2

auch in Österreich sieht auch der österreichische Gesetzgeber einen Reformbedarf bei der heimischen GmbH

als gegeben an: bereits das Regierungsprogramm der SPÖ und ÖVP vom 9. Jänner 2007 für die 23.

Gesetzgebungsperiode hatte sich zum Ziel gesetzt, durch die Schaffung flexibler Gestaltungsmöglichkeiten

im Gesellschaftsrecht auch Vorteile für den Wirtschaftsstandort Österreich zu ermöglichen.5 Damit

angesprochen ist die Schaffung der Möglichkeit, sogenannte „vereinfachte GmbHs“ zu gründen, wie es etwa

in Deutschland mit der erwähnten UG (haftungsbeschränkt) seit Inkrafttreten des MoMiG (am 1. November

2008) der Fall ist.6 Demgegenüber statuierte das Regierungsprogramm der SPÖ und ÖVP vom 23.

November 2008 für die 24. Gesetzgebungsperiode zwar, dass die „Attraktivität der österreichischen GmbH

… im nationalen und internationalen Wettbewerb der Rechtsformen gesteigert werden“ soll, dies gelte

„besonders im Vergleich der GmbH zur bevorstehenden Europäischen Privatgesellschaft“ (das

Regierungsprogramm führt elektronische Anträge auf Eintragung von Gesellschaften und Änderungen

explizit an). Das Regierungsprogramm führt aber weiter aus, dass dabei „das Erfordernis eines

Mindestkapitals (von jedenfalls 10.000 Euro) im Interesse des Gläubigerschutzes (Seriositätsschwelle)

substantiell erhalten werden“ soll.7

Die ehemalige Bundesministerin für Justiz, Dr. Maria Berger, sprach sich bei einem Vortrag am 20. März

2007 ausdrücklich für eine Herabsetzung des Mindestkapitals aus, da die Limited als „Billigvariante“ der

GmbH immer öfter zum Zweck der Haftungsbegrenzung eingesetzt werde, wobei sie allerdings die gänzliche

Abschaffung des Mindestkapitals wie in Deutschland mit der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)

ausschloss.8

Diese Linie behielt die Bundesministerin bei; die Diskussion rund um die Reform der GmbH wurde von der

Bundesministerin anlässlich eines gemeinsam mit der Wirtschaftsuniversität Wien veranstalteten

Symposiums zum Thema „Herausforderungen für die GmbH im Wettbewerb der Rechtsordnungen“ am 18.

Jänner 2008 für eröffnet erklärt; bereits die anschließende Podiumsdiskussion spaltete die Meinungen: so

war etwa die österreichische Wirtschaftskammer für eine Absenkung des Mindestkapitals der GmbH auf €

10.000, die Arbeiterkammer hingegen unter Hinweis auf den Gläubigerschutz und auf die Erfolgsgeschichte

der GmbH gegen eine Absenkung.9

Ein Begutachtungsentwurf zur Reform des GmbHG hätte laut Bundesministerin Berger bis Anfang 2009

ausgearbeitet werden sollen;10

die vorgezogenen Neuwahlen kamen diesem Projekt dazwischen.

5 Bundeskanzleramt Österreich, Regierungsprogramm für die XXIII. Gesetzgebungsperiode 2007-2010, abrufbar unter:

http://www.austria.gv.at/DocView.axd?CobId=19542, 150. 6 Feltl/Fragner, Regierungsprogramm für die 23. Gesetzgebungsperiode, GesRZ 2007, 3 mwN.

7 Bundeskanzleramt Österreich, Regierungsprogramm für die XXIV. Gesetzgebungsperiode 2009-2013, abrufbar unter:

http://www.austria.gv.at, 133. 8 Feltl/Fragner, BMJ: Positive Signale zur Abschaffung des GmbH-Mindestkapitals, GesRZ 2007, 75.

9 Scheuer/Traar, GmbH-Recht im Umbruch?, ÖJZ 2008/9 sowie der von Bachner herausgegebene Sammelband:

GmbH-Reform: Erleichterte Gründung – Gläubigerschutz – Insolvenzprophylaxe, Linde Verlag, Wien 2008, passim. 10

Presseaussendung der APA am 18. Jänner 2008, „Berger startet GmbH-Reform“, abrufbar unter

http://www.ots.at/presseaussendung.php?schluessel=OTS_20080118_OTS0136; Scheuer/Traar, GmbH-Recht im

Umbruch?, ÖJZ 2008/9.

Page 19: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

3

1.2 Ziel der Arbeit

Die vorliegende Dissertation soll als Beitrag zu dieser gerade von Neuem angelaufenen Diskussion rund um

eine Reform der GmbH und die Absenkung des Mindestkapitals dienen und einen erklärenden Blick

einerseits in die Rechtsgeschichte des Systems des Mindestkapitals und der damit zusammenhängenden

Kapitalerhaltungsvorschriften werfen; andererseits steht die Arbeit unter dem Motto, dass auch die breitest

angelegte Reformdiskussion einmal ein Ende findet, wenn sie nicht den „Blick über den Tellerrand“ wagt. In

diesem Sinne meinte schon Franz Klein, Schöpfer der ZPO und Justizminister während der Einführung des

GmbHG 1906, dass „Gesellschaftsrecht ein unausgesetztes voneinander Lernen und Entlehnen sei“.11

Deshalb ist ein weiterer Teil dieser Dissertation der Rechtsvergleichung mit anderen europäischen Staaten

gewidmet, wobei ein Exkurs auch das derzeit geltende sowie rechtsgeschichtliche amerikanische Modell

umschließen wird.

1.3 Gang der Untersuchung

Kapitel 2 befasst sich mit der österreichischen GmbH sowie der Limited als österreichischer

„Auslandsgesellschaft“ in der Rechtswirklichkeit. Dabei wird vor allem auf die steigende Beliebtheit beider

Rechtsformen in Österreich eingegangen, aber auch auf die Insolvenzstatistiken beider Rechtsformen. Ein

kurzer Einblick in die Rechtsgeschichte des GmbH-Rechts sowie des Rechts der englischen Limited ist

ebenso Teil dieses Kapitels wie eine Beschreibung der Charakteristika beider Rechtsformen.

Kapitel 3 stellt eine ausführliche Behandlung der sogenannten „Europäisierung“ des (Kapital-)

Gesellschaftsrechts dar. Dabei wird einerseits auf die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit

eingegangen, andererseits Bestrebungen der Europäischen Union hinsichtlich einer Harmonisierung der

Regelungen des Kapitalgesellschaftsrechts der Mitgliedsländer dargestellt, wobei das Hauptaugenmerk auf

das Projekt der Europäischen Privatgesellschaft gelegt wird.

In Kapitel 4 werden die derzeit geltenden Rechtsvorschriften des Mindestkapitals und der Kapitalerhaltung

beschrieben. Dabei wird auch auf einige strittige Bereiche eingangen werden.

Kapitel 5 stellt die Geschichte der Regelungen und den ursprünglichen Regelungszweck in chronologischer

Gliederung dar, wobei rechtsvergleichend auch die Novellen und Diskussionen zur deutschen GmbH

behandelt werden.

Kapitel 6 beschäftigt sich rechtsvergleichend mit dem deutschen GmbH-Recht vor und nach der Einführung

des Reformgesetzes (MoMiG), und stellt die Beweggründe, die zur Reformierung des deutschen GmbH-

Rechts führten, dar. Der rechtsgeschichtliche Überblick über den Verlauf der Arbeiten am MoMiG behandelt

dabei aufgrund der Vielzahl an Maßnahmen dieses Reformgesetzes nur jene Bereiche näher, die für die

Arbeit von Relevanz sind, nämlich die geplanten Neuregelungen im Bereich des Mindestkapitals, der

11

Zitiert nach Kalss/Meissel, Der europäische Gedanke im Gesellschaftsrecht, in: Kalss/Meissel, Zur Geschichte des

Gesellschaftsrechts in Europa, Veröffentlichungen des Ludwig-Boltzmann-Institutes für Rechtsvorsorge und

Urkundenwesen, Band XXVIII, Manz Verlag, Wien 2003, 5.

Page 20: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

4

Attraktivitätssteigerung der deutschen GmbH im internationalen Wettbewerb und der Kapitalerhaltung,

wobei letzterer Teil, ebenso wie die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), in einem eigenen

Abschnitt behandelt wird.

Kapitel 7 vergleicht weitere, ausgewählte internationale, vor allem europäische, Regelungen, wobei ein

Exkurs auch auf die Gesellschaftsrechtsordnungen der USA, sowohl rechtsgeschichtlich als auch de lege

lata, eingeht.

Kapitel 8 umfasst den aktuellen sowie geschichtlichen Meinungsstand zum System des Mindestkapitals in

Österreich und Deutschland.

Kapitel 9 zeigt Alternativen zum derzeit geltenden System, aber auch zu einer Reform des GmbH-Rechts im

Sinne einer Absenkung des Mindestkapitals auf.

In Kapitel 10 wird ein eigener Lösungsvorschlag zur Problematik des Mindestkapitals und der

Kapitalerhaltung vorgestellt.

Abschließend runden in Kapitel 11 eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit und ein Ausblick die

vorliegende Arbeit ab.

Page 21: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

5

2. GmbH und Limited in Österreich: ein Überblick

2.1 Die GmbH

2.1.1 Überblick über die Rechtsgeschichte der GmbH

Das österreichische GmbHG wurde nach gründlichen legistischen Vorarbeiten12

unter Justizminister Klein

(dem Schöpfer der österreichischen ZPO) im Reichsgesetzblatt (RGBl) 1906/58 vom 15. März 1906

kundgemacht13

und trat am 15. Juni 1906 in Österreich in Kraft.14

Die GmbH ist – im Unterschied zu den

anderen Gesellschaftsformen, die sich erst allmählich aus dem Wirtschaftsleben entwickelt haben15

– eine

reine „Erfindung“ des (deutschen) Gesetzgebers16

, mit dem Ziel, die wirtschaftliche Initiative und Innovation

zu fördern und den Unternehmergeist zu wecken17

; die Verfasser des österreichischen GmbHG haben sich

weitgehend an der deutschen GmbH orientiert, welche 1892 in Deutschland mit dem dGmbHG eingeführt

wurde. Auch aufgrund der engen wirtschaftlichen Beziehungen mit Deutschland war damals der Wunsch

groß, „die neue Gesellschaftsform auch im Inlande eingeführt zu sehen“;18

dennoch wurde aber das

dGmbHG nicht schlicht übernommen, sondern minutiös an die österreichischen Rahmenbedingungen

angepasst.19

Nach Deutschland und Portugal (1901) war Österreich das dritte Land, welches neben die

bestehenden Gesellschaftsformen die Gesellschaft mit beschränkter Haftung einführte.20

Die GmbH

entwickelte sich zu einer „Erfolgsstory“ auch internationalen Ausmaßes: viele andere Länder, etwa

Frankreich21

im Jahr 1925 und China22

im Jahr 1994, schufen der GmbH ähnliche Rechtsformen.

Der deutsche Gesetzgeber war 1892 bestrebt, eine angemessene Rechtsform für Patentgesellschaften und für

Kolonialgesellschaften zu finden23

, zumal eine Umfrage anlässlich des damaligen Gesetzgebungsprozesses

zeigte, dass ein dringendes Bedürfnis für die Einführung neuer Gesellschaftsformen bestand. Auch die

Aktienrechtsreform von 1884 in Deutschland war mit ausschlaggebend, da mit dieser Reform die AG

12

S dazu etwa Kalss/Eckert, Zentrale Fragen des GmbH-Rechts, Entwicklung, Perspektiven, Materialien, Linde Verlag,

Wien 2005, 62: „eine heute kaum vorstellbare Gründlichkeit der legistischen Arbeit“. 13

Nowotny, Hundert Jahre GmbH-Gesetz: Eine alte Dame in der Blüte ihrer Jahre, RdW 2006, 483. 14

Reich-Rohrwig, 100 Jahre GmbH-Gesetz, ecolex 2006, 488. 15

Wie etwa die AG; Kastner/Doralt/Nowotny, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts, 5. Auflage, Manz

Verlag, Wien 1990, 340. 16

Duursma/Duursma-Kepplinger/Roth, Handbuch zum Gesellschaftsrecht, LexisNexis ARD Orac Verlag, Wien 2007,

Rz 2188; Grünhut, Berichterstattung, 49. Sitzung der XVII. Session am 21. Juni 1905, Stenographische Protokolle

über die Sitzungen des Herrenhauses des Reichsrates, 1901-1907, 1033f. 17

Honsell, Die GmbH und der Gläubigerschutz, GesRZ 1987, 173. 18

So Skerlj, zitiert nach Arnold, Die GmbH im österreichischen Recht, GmbHR 1993, 346. 19

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 366; Koppensteiner/Rüffler, Kommentar zum GmbH-Gesetz, 3. Auflage, LexisNexis

ARD Orac Verlag, Wien 2007, Allgemeine Einleitung (Allg Einl) Rn 1. 20

Arnold, Die GmbH im österreichischen Recht, GmbHR 1993, 344. 21

Koberg, Die Entstehung der GmbH in Deutschland und Frankreich unter Berücksichtigung der Entwicklungen des

deutschen und französischen Gesellschaftsrechts, Dr. Otto Schmidt Verlag, Wiesbaden 1992, 1. 22

Thiessen, Transfer von GmbH-Recht im 20. Jahrhundert – Export, Import, Binnenhandel, in: Duss et al.,

Rechtstransfer in der Geschichte, Jahrbuch junge Rechtsgeschichte, Band 1, Meidenbauer Verlag, München 2006,

446. 23

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 365; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, Allg Einl Rn 1.

Page 22: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

6

aufgrund der Verschärfung etwa des Gründungsvorgangs endgültig zur Rechtsform der großen

Publikumsgesellschaft geworden war, und somit für kleinere Unternehmen zu teuer und schwerfällig

wurde.24

Daraus entstand die Motivation, „eine neue Gesellschaftsform mit beschränkter Haftung (zu

schaffen), die bei ausreichendem Schutze des Rechtsverkehrs genügende Biegsamkeit besitze, um für sehr

verschiedene Verhältnisse und Zwecke und bei sehr verschiedenem Umfang des Mitgliederkreises

Verwendung finden zu können“.25

Die Abgrenzung zur Aktiengesellschaft sollte durch eine erschwerte

Übertragbarkeit der Geschäftsanteile erreicht werden; eine Abgrenzung zur Personengesellschaft war

hingegen nicht angedacht.26

Ausgangspunkt der Überlegungen, eine neue Gesellschaftsform einzuführen, war ein Standortwettbewerb

zwischen der als schwerfällig empfundenen, da „allzu stark durchregulierten“27

Aktiengesellschaft und der

liberaleren28

limited company, der bereits im späten 19. Jahrhundert einen Abfluss von Kapital aus

Deutschland befürchten ließ.29

Für die damalige Aktiengesellschaft war nach der Konzeption im dAHGB

1861/1870 nämlich kein Mindestkapital vorgesehen, sodass schon Ende des 19. Jahrhunderts ein

Wettbewerb der Rechtsordnungen in Form einer Konkurrenz von AG und Limited existierte, der zumindest

mit ausschlaggebend für die Schaffung einer neuen Rechtsform war.30

Nach dem Vorbild des deutschen Gesetzgebers entschloss sich auch der österreichische Gesetzgeber dazu,

eine zweite Kapitalgesellschaftsform neben der Aktiengesellschaft zu installieren. Treibende Kraft hinter

dieser Idee waren vor allem die österreichischen Handelskammern31

, die ähnliche Argumente wie in

Deutschland vorbrachten: es sollte eine für unterschiedliche Bedürfnisse taugliche Rechtsform zur

Verfügung gestellt werden, um der damals angeschlagenen, vor allem mittelständischen, Marktwirtschaft

eine angemessene Entfaltung zu ermöglichen und das Unternehmertum zu stärken.32

Aktiengesellschaften

seien für diesen Zweck nicht tauglich, da sie nur für große Unternehmungen und für solche geeignet seien,

die darauf abzielen, Kapital von einem großen Publikum aufzunehmen; auch sei sie für individuelle

Geschäftstätigkeiten nicht geeignet. Weiteres Hauptargument für die Einführung der GmbH war, das

Konzessionssystem, dessen Nachteile (vor allem Rechtsunsicherheit und lange, bei der Aktiengesellschaft oft

2 Jahre dauernde Verfahren33

) zur Jahrhundertwende allgemein bekannt waren, mit Einführung einer neuen

Gesellschaftsform aufgeben zu können. Die damals (vor Verabschiedung des GmbHG) neben der

24

Escher-Weingart, Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, Jus Privatum – Beiträge zum

Privatrecht, Band 49, Mohr Siebeck Verlag, Tübingen 2001, 78, 100 mwN. 25

Begründung des deutschen Gesetzgebers, zitiert nach Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 52. 26

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 53. 27

Kalss, Die Zukunft der GmbH, GesRZ 2006 Spezial „100 Jahre GmbH“, 45. 28

Doralt, Die GmbH im 20. Jahrhundert – Grundkonzept und Nachjustierungen in der 2. Republik, GesRZ 2006

Spezial „100 Jahre GmbH“, 7. 29

Kalss, Die Zukunft der GmbH, GesRZ 2006 Spezial „100 Jahre GmbH“, 45; Koberg, Entstehung, 72 mwN („mehrere

Milliarden Mark“); Thiessen, Transfer von GmbH-Recht im 20. Jahrhundert, 451. 30

Vgl Thiessen, Transfer von GmbH-Recht im 20. Jahrhundert, 447: „Ohne die Konkurrenz des englischen

Aktienrechts wäre die GmbH vermutlich nie entstanden“. 31

Vgl etwa bei Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 54, die Anregung durch die Handelskammer Eger in Böhmen (heute: im

Westen Tschechiens gelegen) von 1897. 32

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 54; Nowotny, Hundert Jahre GmbH-Gesetz, RdW 2006, 483; Reich-Rohrwig, 100

Jahre GmbH-Gesetz, ecolex 2006, 488. 33

Kalss/Burger/Eckert, Die Entwicklung des österreichischen Aktienrechts, Linde Verlag, 2003, 109f; Kalss/Eckert,

Zentrale Fragen, 56.

Page 23: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

7

Aktiengesellschaft weitere Rechtsform mit beschränkter Haftung sämtlicher Gesellschafter, der

„Wirtschaftsverein“ nach dem Vereinspatent 1852, unterlag nämlich ebenfalls dem Konzessionssystem. Der

enorme Bedarf an juristischen Personen mit Haftungsbeschränkung verlangte jedoch nach einer schnelleren

Verfahrensform.34

Zudem wurde für die Einführung einer neuen Gesellschaftsform ins Treffen geführt, dass

die Steuerrechtslage um die Jahrhundertwende für Aktiengesellschaften erheblich ungünstiger war als die

Besteuerung von Einzelunternehmen und Personengesellschaften. Das Bedürfnis der Unternehmer an einer

neuen Gesellschaft ohne steuerliche Benachteiligung, aber doch mit beschränkter Haftung, war daher groß.35

Auch für die Einführung der GmbH in Österreich spielte der „Wettbewerbsdruck“ eine Rolle, wenn auch

anders geartet als in Deutschland: so nimmt Doralt an, es sei für die Kaufleute in Eger (deren

Handelskammer bei der Einführung der GmbH die ersten Schritte tätigte) ärgerlich gewesen, im wenige

Kilometer entfernten Deutschland „Mittelbetriebe wahrzunehmen, die die beschränkte Haftung ohne die in

Österreich erforderlichen Mühen und Kosten der Einhaltung aktienrechtlicher Vorschriften uneingeschränkt

in Anspruch nehmen konnten“.36

Schließlich war auch die Insolvenzstatistik aus Deutschland eine Anregung für die Einführung des GmbHG,

welche der GmbH Stabilität und Lebensfähigkeit bescheinigte: von 1813 Gesellschaften, die in den ersten 5

Jahren des Bestehens des dGmbHG gegründet wurden, waren seit 1895 nur 39 in Konkurs gegangen.37

Der österreichische Gesetzgeber wurde aber nicht nur vom deutschen GmbHG beeinflusst, sondern auch von

den Reformdiskussionen rund um das österreichische Aktienrecht und dem deutschen Aktienrecht, welches

mit Inkrafttreten des HGB im Jahre 1897 eine deutliche Verbesserung erfuhr.38

Einige Gebiete des GmbHG wurden durch den österreichischen Gesetzgeber jedoch anders als in

Deutschland geregelt; so regelte etwa das österreichische GmbHG die Kapitalerhaltung strenger als das

deutsche Pendant.39

Die neue Rechtsform wurde nach Inkrafttreten des GmbHG von der österreichischen Wirtschaft gut

aufgenommen: im ersten Halbjahr ihres Bestehens wurden 61 Gesellschaften gegründet; 1913 bestanden

schon 2312 GmbHs (sowie 780 Aktiengesellschaften) in der gesamten Monarchie.40

In den folgenden Jahren

stiegen die GmbH-Neugründungen weiter an: so wurden etwa im Jahr 1921 insgesamt 1696 neue

Gesellschaften gegründet. Grund dafür war auch die hohe Inflation, welche die Aufbringung des

Mindestkapitals deutlich erleichterte und damit unseriöse Neugründungen förderte.41

Deutlich wird die Hyperinflation der Jahre 1921 bis 1923 in Österreich auch an den Novellen zum GmbHG

der Jahre 1921 und 1924: mit der Novelle von 192142

wurde die Mindestkapitalziffer von ursprünglich

34

Vossius, Entwicklung und Zukunft des geltenden Kapitalschutzrechts, NotBZ 2006, 375. 35

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 56; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, Allg Einl Rn 1.

36 Doralt, Die GmbH im 20. Jahrhundert, GesRZ 2006 Spezial „100 Jahre GmbH“, 7 mwN.

37 Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 57.

38 Reich-Rohrwig, 100 Jahre GmbH-Gesetz, ecolex 2006, 488.

39 Reich-Rohrwig, 100 Jahre GmbH-Gesetz, ecolex 2006, 488.

40 Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 366; vgl aber Reich-Rohrwig, 100 Jahre GmbH-Gesetz, ecolex 2006, 488, der für die

ersten Jahre der GmbH einen zunächst geringen Zuspruch feststellt. 41

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 140, 369. 42

BGBl 1921/577.

Page 24: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

8

20.000 Kronen (dies entspräche nach heutiger Kaufkraft einem Betrag von € 100.000)43

auf 500.000 Kronen

hinaufgesetzt, was etwa einem Drittel des ursprünglichen Werts entsprach.44

Die GmbHG-Novelle 192445

erhöhte das Stammkapital auf ein Mindesterfordernis von 200 Mio. Kronen.46

Als Antwort des Staates auf

die Hyperinflation wurden in Deutschland47

wie in Österreich (zum 1. Jänner 1925)48

Goldbilanzen

eingeführt. Mit dem Goldbilanzengesetz von 192549

wurde das Mindestkapitalerfordernis auf die neue

Währung, den Schilling, umgestellt, welcher an die Stelle der entwerteten Krone trat. Die

Mindestkapitalziffer betrug 10.000 Schilling; dem entspricht nach heutiger Kaufkraft eine Summe von €

25.000.50

Die Zeit der Ersten Republik, der Dreißigerjahre und des Nationalsozialismus waren geprägt von

Diskussionen rund um die Existenzberechtigung der GmbH, die etwa die Gründung und den Betrieb

ineffizienter Unternehmen fördere.51

Der Entwurf zu einer GmbHG-Novelle von 1939 hatte den

Gläubigerschutz zum hauptsächlichen Gegenstand; so sollte etwa das Stammkapital von 20.000 Reichsmark

nicht erhöht, dafür aber zur Gänze bei der Gründung eingezahlt werden. Eine Erhöhung der

Mindeststammkapitalziffer hätte vor allem negative Auswirkungen auf bestehende GmbHs im Deutschen

Reich gehabt, welche zu mehr als zwei Drittel ein Stammkapital von 50.000 Reichsmark oder weniger

besaßen.52

Die Arbeiten zum Entwurf konnten aufgrund des Kriegsausbruches nicht weitergeführt werden,

wurden aber in der Novelle zum dGmbHG 1980 – und somit entfernt auch in der österreichischen Novelle

von 1980, welche sich an der deutschen Novelle anlehnte, berücksichtigt.53

Bis zur tiefgreifenden Novelle von 1980 erfolgten größere Novellen in Gestalt des

Schillingeröffnungsbilanzgesetzes (SEBG) 195454

, welches das Mindeststammkapital der GmbH auf

100.000 Schilling erhöhte,55

und der Novelle von 1974, mit der etwa die Normen des obligatorischen

Aufsichtsrates geändert wurden.56

Die GmbH-Novelle 198057

brachte größere Änderungen etwa in den Bereichen der Kapitalaufbringung und

erhöhte ua das gesetzliche Mindestkapital auf 500.000 Schilling. In den 90er Jahren folgte eine

43

Oelkers, Mindestkapital und Nennkapital – Leistungskraft für den Gläubigerschutz (Teil I), GesRZ 2004, 365. 44

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 141. 45

BGBl 1924/246. 46

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 142. 47

Zur Geschichte in Deutschland s Krüger, Mindestkapital und Gläubigerschutz, Deutsches, Europäisches und

Vergleichendes Wirtschaftsrecht Band 46, Nomos Verlag, Baden-Baden 2005 (Diss Konstanz 2004), 65. 48

Kernbauer/Weber, Die Wiener Großbanken in der Zeit der Kriegs- und Nachkriegsinflation (1914-1922), in: Feldman

et al., Die Erfahrung der Inflation im internationalen Zusammenhang und Vergleich, Beiträge zu Inflation und

Wiederaufbau in Deutschland und Europa 1914-1924, Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin

Band 57, de Gruyter Verlag, Berlin 1984, 151. 49

BGBl 1925/184. 50

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 146f. 51

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 370. 52

Krüger, Mindestkapital, 70f. 53

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 372; Krüger, Mindestkapital, 71. 54

BG 7.7.1954, BGBl 190. 55

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 180. 56

Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, Allg Einl Rn 2.

57 BGBl 1980/320.

Page 25: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

9

„stakkatohafte“58

Novellentätigkeit des österreichischen Gesetzgebers im Hinblick auf das Recht der GmbH.

So wurde etwa mit dem GRÄG 1993 die Spaltung (auch) der GmbH ermöglicht; weiters wurde das GmbH-

Recht einerseits im Hinblick auf die beginnende Europäisierung des nationalen Gesellschaftsrechts59

modifiziert (so wurde etwa mit dem EU-GesRÄG von 1996 die Einmanngründung eingeführt)60

.

Andererseits waren einige Novellen als Insolvenzprophylaxe61

gedacht, etwa die Novellen IRÄG 198262

,

IRÄG 1994 und IRÄG 1997, welche insolvenzrechtliche Auswirkungen auch auf die Rechtsform der GmbH

hatten.63

Mit dem am 1.1.1999 in Kraft getretenen 1. Euro-JuBeG wirkte sich die fünfte Währungsänderung in

Österreich innerhalb des 20. Jahrhunderts64

auch auf die GmbH aus: das Mindestkapital wurde von bisher

500.000 Schilling auf € 35.000 umgestellt.65

Eine weitere wichtige Novelle für das Recht der GmbH stellte das GesRÄG 200566

dar, mit dem die

Kontrolle durch den Aufsichtsrat und die Qualität der Abschlussprüfung verbessert werden sollte.67

Wie zu Beginn des Kapitels bereits angedeutet wurde, kann das deutsche GmbHG nicht detailgenau mit dem

österreichischen GmbHG verglichen werden: trotz der weitgehenden Rechtsähnlichkeit dürfen einige

existierende Abweichungen nicht übersehen werden. Dies gilt etwa im Bereich der Kapitalerhaltung: so

schützt § 82 öGmbHG das gesamte Gesellschaftsvermögen; demgegenüber schützt § 30 dGmbHG nur den

dem Stammkapital entsprechenden Teil.68

2.1.2 Charakteristika der GmbH

Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist eine Kapitalgesellschaft, hat selbständig ihre Rechte und

Pflichten und ist somit juristische Person (Körperschaft; vgl § 61 Abs 1 GmbHG); ihre Rechtsfähigkeit ist

ausdrücklich im Gesetz verankert; auch ist sie alleinige Trägerin des Gesellschaftsvermögens; sie haftet auch

allein mit selbigem für Gesellschaftsschulden (§ 61 Abs 2 GmbHG). Die Bezeichnung der Rechtsform als

Gesellschaft „mit beschränkter Haftung“ ist daher irreführend, da die Gesellschaft selbst unbeschränkt haftet,

die Gesellschafter hingegen überhaupt nicht haften, sondern nur ein beschränktes Risiko des Verlustes ihres

58

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 373. 59

S dazu Kapitel 3. 60

Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, Allg Einl Rn 2.

61 Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 373.

62 BGBl 1982/370.

63 Koppensteiner/Rüffler, GmbHG

3, Allg Einl Rn 2.

64 Nach Einführung der Krone im Jahr 1900, des Schillings 1925 („Seipel-Sanierung“), der Reichsmark 1938 und

wieder des Schillings 1945, wobei die Umstellung auf den Euro 1999 eher als eine Währungsumstellung gilt, da die

früheren Einführungen als Folgen der wirtschaftlichen und politischen Umwälzungen meist mit Wertverlust

verbunden waren und daher nachbetrachtend als Währungsreformen anzusehen sind. S dazu Khol, Die Umstellung

von Kapitalgesellschaften auf den Euro, Änderungen im Gesellschaftsrecht, wbl 1999, 1. 65

500.000 Schilling entsprechen bei einer Umrechnung von 13,7603 Schilling je Euro einem Mindeststammkapital von

€ 36.332,42: Khol, Umstellung, 5. 66

BGBl I 2005/59. 67

Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, Allg Einl Rn 2.

68 Arnold, Die GmbH und die GmbH & Co. KG im österreichischen Recht – ein Update, GmbHR 2004, 43.

Page 26: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

10

Geschäftsanteils übernehmen; eine beschränkte Deckungspflicht gegenüber der Gesellschaft besteht nur

ausnahmsweise.69

Gem § 2 UGB ist die GmbH Unternehmer kraft Rechtsform, es kommt daher für die

Unternehmereigenschaft der GmbH nicht auf die Art ihrer Tätigkeit an.70

Als juristische Person ist sie

gegenüber ihren Gesellschaftern somit verselbständigt (Trennungsgrundsatz). Aus diesen Gründen muss sich

der Gesetzgeber um die vollständige Aufbringung des Stammkapitals und um dessen Erhaltung bemühen.

Falls jedoch die Stammeinlage uneinbringlich ist (§ 70 Abs 1 GmbHG) oder das Stammkapital durch

unzulässige Leistungen an einen Gesellschafter geschmälert wird (§ 83 Abs 2 GmbHG), haften die übrigen

Gesellschafter mit; dies ist ein Ausdruck des personalistischen Charakters der GmbH.71

Die GmbH wird nach dem Normativsystem (vgl § 3 GmbHG) gegründet: demnach besteht bei Vorliegen

bloß formeller Voraussetzungen dem Gesetz nach der Anspruch auf Eintragung der Gesellschaft in das

Firmenbuch. Die Entstehung der Gesellschaft hängt also von keiner behördlichen Konzessionierung ab.72

2.1.3 Die GmbH heute

Wenngleich Zahlen zur Rechtsform der GmbH nur in den Anfangsjahren des GmbHG – bis zum Ende der

Monarchie – dokumentiert wurden und auch heute noch offizielle Statistiken zur Bedeutung der GmbH in

der Rechtswirklichkeit fehlen, lassen sich dennoch seit Einführung des ADV-Firmenbuchs Anfang der 90er

Jahre des vergangenen Jahrhunderts aktuelle Zahlen ablesen:73

so gab es zum 30.9.1996 noch ca 91.000

GmbHs, zum 31.12.2002 94.144 und zum 1.12.2006 insgesamt 105.185 GmbHs74

in Österreich; zum

1.12.2007 waren 108.626 GmbHs75

im Firmenbuch eingetragen. Ein Vergleich verdeutlicht die Zunahme der

Beliebtheit dieser Gesellschaftsform: im Jahr 1954 wurden bei Betriebszählungen 2.389 GmbHs, im Jahr

1964 3.255 GmbHs gezählt76

.

1972 existierten geschätzte 9.000 GmbHs.77

Ende 1980 werden bereits 35.000 GmbHs geschätzt.78

Zwischen

31.7.1991 (56.000 GmbHs79

) und 31.12.2002 (94.144 GmbHs) steigt die Beliebtheit weiter an; waren 1986

69

Wünsch, Kommentar zum GmbHG, 2. Lieferung (§§ 1-14), Leykam Verlag, Graz 1988, § 1 Rz 1, Rz 3. 70

Duursma/Duursma-Kepplinger/Roth, Handbuch, Rz 2070. 71

Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, Allg Einl Rn 4.

72 Zur geschichtlichen Entwicklung s Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 73.

73 Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 120. Für den Zeitraum zwischen ca 1918 und 1990 ist man daher auf

Betriebszählungen angewiesen, die laut Kalss/Eckert, ebda, erheblich weniger Gesellschaften erfassten, als

tatsächlich existierten. 74

Feltl/Fragner, Unternehmensrecht aktuell, Übersicht der Unternehmensformen, GesRZ 2007, 3. 75

Feltl/Fragner, Unternehmensrecht aktuell, Übersicht der Unternehmensformen, GesRZ 2008, 3. 76

Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen der Kapitalerhaltung bei der AG, GmbH sowie GmbH & Co KG, Manz Verlag,

Wien 2004, 1. 77

Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, Allg Einl Rn 7; Reich-Rohrwig, Kapitalerhaltung, 1.

78 Roth, Gläubigerschutz und Mindestkapital in der GmbH nach den österreichischen und deutschen Gesetzesnovellen

vom 1.1.1981, GesRZ 1982, 137. 79

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 120, sprechen jedoch von einer Zahl von 71.047 GmbHs, welche im Firmenbuch 1991

eingetragen waren. Zum 13.5.1992 waren 74.246 GmbHs eingetragen; s Arnold, Die GmbH im österreichischen

Recht, GmbHR 1993, 346.

Page 27: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

11

noch 13 % der österreichischen Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH geführt,80

so waren Ende 2002

ca 60 % aller in Österreich im Firmenbuch eingetragenen Firmen GmbHs (unter Ausklammerung aller

GmbH & Co KGs entspricht dies 55 %).81

Zahlenmäßig überwiegen innerhalb der Rechtsform der GmbH die

Erwerbsgesellschaften.82

Die GmbH ist somit die bedeutendste Gesellschaftsform in Österreich; ihre große Beliebtheit verdankt sie

vor allem dem Haftungsprivileg, welches sie ihren Gesellschaftern gewährt.83

Zum Vergleich: in

Deutschland existieren (per 1.1.2008) 987.000 selbständige GmbHs (exklusive Zweigniederlassungen).84

In

Relation zur Einwohnerzahl Österreichs, die im Vergleich zu Deutschland etwa ein Zehntel beträgt85

, wird

mit diesen Vergleichszahlen ebenfalls die Bedeutung der GmbH für das österreichische Wirtschaftsleben

erkennbar86

; auf Statistiken zur GmbH in Deutschland wird in Kapitel 6.1 noch näher eingegangen.

Die zweite Kapitalgesellschaft von Bedeutung, die Aktiengesellschaft, ist im Firmenbuch „nur“ 1.970mal

vertreten, stellt aber im Bereich der Top-100-Unternehmen in Österreich 57 % dieser Unternehmen, nur 31

% werden als GmbH geführt.87

Daraus lässt sich bereits ableiten, dass die Rechtsform der GmbH vor allem

für Klein- und Mittelunternehmen (mit weniger als 250 Mitarbeitern, KMU88

) und weniger für

Großunternehmen interessant ist. Die Stammkapital-Beträge werden in der Praxis dementsprechend gering

gehalten; bei den meisten GmbHs beträgt das Stammkapital nur das gesetzlich erforderliche Mindestmaß von

35.000 €.89

So besaßen zum Stichtag 1.11.2003 (damals waren 94.971 GmbHs im Firmenbuch eingetragen)

40.915 GmbHs lediglich ein Mindeststammkapital von 500.000 Schilling bzw 20.992 GmbH ein

Mindeststammkapital von € 35.000. Zusammengerechnet weisen daher über 65 % aller österreichischen

80

S Harrer, Haftungsprobleme bei der GmbH, Orac Verlag, Wien 1990, 7 FN 45: von insgesamt 231.725

österreichischen Unternehmen fielen 37.889 auf die Rechtsform der GmbH. 81

Reich-Rohrwig, Kapitalerhaltung, 1f; laut Statistik Austria gab es 2006 insgesamt 289.635 österreichische

Unternehmen, s Statistik Austria, Leistungs- und Strukturstatistik 2006 – Hauptergebnisse nach

Beschäftigtengrößenklassen, 1; abrufbar unter www.statistik.at. 82

Duursma/Duursma-Kepplinger/Roth, Handbuch, Rz 2190. 83

Roth, Gläubigerschutz und Mindestkapital in der GmbH, GesRZ 1982, 138. 84

Inklusive Zweigniederlassungen überschreitet der GmbH-Bestand in Deutschland mit etwa 1.006.000 (Stand:

1.1.2005) die „magische“ 1-Millionen-Grenze; s näher Kornblum, Bundesweite Rechtstatsachen zum Unternehmens-

und Gesellschaftsrecht, Stand 1.1.2005, GmbHR 2006, 28. Die Zahl von ursprünglich 996.000 Gesellschaften zum

1.1.2005 ohne Zweigniederlassungen musste aufgrund bundesweiter Datensprünge reduziert werden; s dazu

Kornblum, Bundesweite Rechtstatsachen zum Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, Stand 1.1.2008, GmbHR 2009,

25. 85

Deutschland: 82.218.000 Einwohner; Österreich: 8.281.000 Einwohner. Quellen: Statistik Austria, Bevölkerung seit

1869, abrufbar unter: www.statistik.at; Statistisches Bundesamt Deutschland, Bevölkerungsstand, abrufbar unter:

www.destatis.de. 86

So auch Arnold, Die GmbH im österreichischen Recht, GmbHR 1993, 346. 87

Feltl/Fragner, Unternehmensrecht aktuell, GesRZ 2008, 3. 88

S Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Empfehlung vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der

Kleinstunternehmen sowie der kleineren und mittleren Unternehmen (2003/361/EG), Anhang, Art 2 Abs 1: nach

dieser – nicht verbindlichen – europaweiten Definition setzt sich die Größenklasse der KMU (in Abgrenzung zu den

Großunternehmen) aus Unternehmen zusammen, die weniger als 250 Personen beschäftigen und die entweder einen

Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. Euro erzielen oder deren Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 43 Mio. Euro

beläuft. 89

Schon 1993 hatten 81,8 % aller GmbHs das damalige Mindestmaß von genau 500.000 Schilling als Stammkapital.

Dies ergab eine repräsentative Untersuchung von 560 GmbHs: s Reich-Rohrwig, Empirische Untersuchung über die

GmbH in Österreich, in: Aktuelle Probleme des Unternehmensrechts, Festschrift Gerhard Frotz, Manz Verlag, Wien

1993, 381, 383; s auch Arnold, Die GmbH im österreichischen Recht, GmbHR 1993, 346; Arnold, Die GmbH und die

GmbH & Co. KG im österreichischen Recht – ein Update, GmbHR 2004, 43.

Page 28: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

12

GmbHs nur das Mindeststammkapital auf. Das höchste Stammkapital einer GmbH in Österreich betrug

damals 1,85 Mrd. Schilling.90

Die GmbH ist zusammenfassend die „klassische Rechtsform des Mittelstandes in Österreich“91

, welcher

allein in Wien (in Form von KMU) 99,5 % aller Betriebe ausmacht, zwei Drittel aller Mitarbeiter in den

Wiener Unternehmen beschäftigt und als „Motor unserer Wirtschaft“ gilt.92

Davon entfallen rund 87 % auf

sog „Kleinstunternehmen“ 93

, also Unternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten.94

Auf der anderen Seite steht die GmbH jedoch auch in den Insolvenzstatistiken der letzten Jahre meist an der

Spitze. So wurde im Jahr 2007 über 1.223 GmbHs in Österreich der Konkurs eröffnet; 402 weitere Fälle

wurden abgewiesen. Die GmbH steht damit in der Statistik des Jahres 2007 auf Rang 2 nach den

Einzelunternehmern (mit 1.242 Insolvenzeröffnungen und 1.809 Konkursabweisungen).95

Überhaupt

betreffen die eröffneten Unternehmensinsolvenzen der letzten Jahre zumeist Klein- und

Kleinstunternehmen;96

Im „Negativrekordjahr“97

2005 mit insgesamt 7.056 Unternehmensinsolvenzen in

Österreich lag die GmbH mit 1.355 Insolvenzeröffnungen und 508 Abweisungen zumindest bei den

Eröffnungen vorne; bei den Einzelunternehmern gab es im Jahr 2005 1.277 Insolvenzeröffnungen und 2.074

Konkursabweisungen.98

Die Gründe für die seit dem Rekordjahr 2005 leicht rückläufigen Insolvenzen sind vielfältig; hauptsächlich

handelt es sich um Ursachen im innerbetrieblichen Bereich: zumeist (genauer: zu 39 %99

) fehlt der

„kaufmännische Weitblick“ bzw sind Absatzschwierigkeiten oder Planungsfehler Grund für den Gang in den

Konkurs. Fahrlässigkeit, dh ungenügende Kenntnis des praktischen Wirtschaftslebens, Unerfahrenheit und

übermäßige Investitionen, aber auch Gründungsfehler, machen etwa 21 % der Gründe für die Insolvenz aus.

In 16 % der von der Insolvenz betroffenen Unternehmen ist das Eigenkapital zu gering, um den betrieblichen

Aufwand befriedigen zu können. Persönliches Verschulden, also überhöhte Entnahmen oder betrügerische

Handlungen, ist zu 11 % schuld an der Insolvenz. Weitere Gründe sind im außerbetrieblichen Bereich

(Konkurrenzsituation, geänderte Marktlage etc. zu 10 %) und in Krankheits- und Unglücksfällen (3 % der

Fälle) zu finden.100

90

Arnold, Die GmbH und die GmbH & Co. KG im österreichischen Recht – ein Update, GmbHR 2004, 43. 91

Schön, Begrüßung, GesRZ 2006 Spezial „100 Jahre GmbH“, 4. 92

Schön, Begrüßung, GesRZ 2006 Spezial „100 Jahre GmbH“, 3. 93

Laut Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Empfehlung, 2003/361/EG, Anhang, Art 2 Abs 3: ein

Kleinstunternehmen beschäftigt weniger als 10 Mitarbeiter und überschreitet nicht einen Jahresumsatz bzw eine

Jahresbilanz von 2 Mio. Euro. 94

Zur Statistik s Statistik Austria, Leistungs- und Strukturstatistik 2006 – Hauptergebnisse nach

Beschäftigtengrößenklassen, 1; abrufbar unter www.statistik.at. 95

Zotter, Insolvenzstatistik 2007 für Österreich, ZIK 2008, 12. 96

Zotter, Insolvenzstatistik 2007 für Österreich, ZIK 2008, 12; vgl auch Zotter, Insolvenzstatistik 2003 für Österreich,

ZIK 2004, 10. 97

Zotter, Insolvenzstatistik 2006 für Österreich, ZIK 2007, 13. 98

Zotter, Insolvenzstatistik 2005 für Österreich, ZIK 2006, 14f. 99

Laut einer Analyse des KSV 1870 der Insolvenzursachen des Jahres 2007: Kantner, Insolvenzursachen 2007,

Pressemitteilung, 5; abrufbar unter www.ksv.at. 100

Kantner, Insolvenzursachen 2007, Pressemitteilung, 5. Ähnliche Prozentsätze finden sich in den Insolvenzstatistiken

der letzten Jahre, etwa bei Zotter, Insolvenzstatistik 2004 für Österreich mit internationalen Vergleichswerten, ZIK

2005, 19.

Page 29: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

13

Aus den Statistiken und Analysen der Insolvenzfälle der letzten Jahre kann man zusammenfassend ableiten,

dass Managementfehler und Mangel an Eigenkapital die beiden wichtigsten Gründe für eine Insolvenz

darstellen. Zählt man die innerbetrieblichen Gründe zusammen, sind somit fast 90 % aller Pleiten

„hausgemacht“.101

Im Jahr 2004 wurden ca 53 % aller Konkursanträge mangels Masse abgewiesen; von den Anträgen auf

Konkurseröffnung über das Vermögen von GmbHs waren es 36 %. Laut Kalss hat die Einführung der Pflicht

der organschaftlichenVertreter durch das IRÄG 1997, einen Kostenvorschuss von nunmehr € 4.000 zu

erlegen, diesen Anteil herabgesenkt: noch 1996 lag der Anteil der Abweisungen mangels Masse bei GmbHs

bei 53 %.102

101

Kantner, Insolvenzursachen 2007, Pressemitteilung, 2. 102

Kalss/Schauer, Die Reform des Österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, Gutachten, Verhandlungen des

Sechzehnten Österreichischen Juristentages Graz 2006, Band II/1, Manz Verlag, Wien 2006, 478.

Page 30: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

14

2.2 Die Limited

2.2.1 Überblick über das englische Gesellschaftsrecht und über die Rechtsgeschichte der

Limited

Die private limited company by shares (kurz: Limited) erfreut sich aufgrund der Europäisierung des

Gesellschaftsrechts103

steigender Beliebtheit auch in Österreich. Aus diesem Grund wird sie in diesem

Kapitel näher dargestellt.

Bei der „englischen“ Limited handelt es sich um eine mit der GmbH vergleichbare Gesellschaftsform nach

dem Recht von England und Wales. Beide Landesteile des Vereinigten Königreichs haben eine gemeinsame

Rechtsordnung (allgemein und im Folgenden als „englisches Recht“ bezeichnet), welche sich von denen

Schottlands (als typisches Beispiel einer Mischrechtsordnung) und Nordirlands, die als common-law-

Rechtsordnung jener Englands und Wales näher steht als jene Schottlands, unterscheidet.104

Trotz des für das englische Rechtssystem charakteristischen „Common Law“ (Richterrecht) sowie der

„Equity“ (richterliches Billigkeitsrecht) ist das englische Gesellschaftsrecht weitgehend kodifiziert

(„Statutory Law“; daher sagt man in England gerne: „Companies are creatures of statute“105

); ein

Handelsgesetzbuch hingegen fehlt im englischen Recht, ebenso wie die Vorstellung von einem Handelsrecht

im Sinne eines Sonderprivatrechts der Kaufleute;106

aus diesem Grund waren die rechtsgeschichtlichen

Rechtsquellen des englischen Gesellschaftsrechts zunächst die Rechtsprechung, aber auch das kodifizierte

Recht: so wurde 1855 ein Limited Liabilities Act verabschiedet, der zum ersten Mal gesetzlich, wenn auch

rudimentär, eine Haftungsbeschränkung für registrierte Gesellschaften ermöglichte.

Mit dem Limited Liabilites Act von 1855 wurde auch ein Mindestkapitalerfordernis („minimum capital

requirement“) zum Zwecke des Gläubigerschutzes, des Vertrauens in den Finanzmarkt sowie der

Verhinderung leichtfertiger Gründungen iHv 20.000 Pfund und ein Mindestnominalwert eines Anteils von

25 Pfund eingeführt; mindestens drei Viertel (15.000 Pfund) dieses Kapitals mussten bei der Gründung

beigesteuert werden.107

Die Einrichtung eines Mindestkapitalerfordernisses für Limited Companies führte zu Debatten innerhalb des

House of Commons, welches für die Abschaffung dieses Erfordernisses plädierte, im Gegensatz zum House

of Lords, welches die Einführung begrüßte. Die Mitglieder des House of Commons argumentierten, das

Mindestkapitalerfordernis würde zuviel unnötigen Schutz108

bieten und würde zu einer Monopolstellung

großer und reicher Gesellschaften führen. Aufgrund dieser Debatten wurde das Mindestkapitalerfordernis

103

S Kapitel 3. 104

Einen interessanten Einblick in die englischen Geschichte im Hinblick auf das Gesellschaftsrecht bietet Bachner,

Exkursion auf die britischen Inseln – Praxisfragen und Hintergrundinformationen zur Herkunft von „Limiteds“, GeS

2007, 320, 322. 105

Heinz, Die englische Limited, 2. Auflage, Nomos Verlag, Baden-Baden 2006, 17. 106

Boucourechliev/Hommelhoff, Vorschläge für eine Europäische Privatgesellschaft, Strukturelemente einer

kapitalmarktfernen europäischen Gesellschaftsform, Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln 1999, 72. 107

Ewang, An Analysis and Critique of the EU‟s minimum capitalisation requirement, SSRN Working Paper, 2007,

abrufbar unter http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1015708, 4. 108

„unnecessary protection“, zitiert nach Ewang, EU‟s minimum capitalisation requirement, 4 mwN.

Page 31: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

15

bereits 1856 mit dem Joint Stock Companies Act, der dieses Erfordernis nicht mehr enthielt, abgeschafft.

Auch die Companies Acts von 1857 und 1862 brachten dahingehend keine Neuerungen.109

Der Companies

Act von 1862 konsolidierte die bisherige Gesetzgebung und beinhaltete bereits ein Set an Standardartikeln,

die die Gründer einer Gesellschaft im Ganzen übernehmen konnten.110

1884 wurde eine gesetzgeberische Initiative gestartet, um dem praktischen Bedürfnis nach Unternehmen mit

eigener Rechtspersönlichkeit nachzukommen; mittels Registrierung bei einer zentralen Behörde wurde diese

rechtliche Verselbständigung erreicht.

Auch das Richterrecht entwickelte das englische Gesellschaftsrecht gegen Ende des 19. Jahrhunderts weiter:

im berühmten Fall Salomon v. A. Salomon and Co. Ltd. von 1897 wurde bestätigt, dass eine Einzelperson

eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung errichten und mit ihr als einer selbständigen Rechtspersönlichkeit

Rechtsgeschäfte abschließen konnte.111

Letztlich wurde die Private Limited Company aber erst 1907 vom Gesetzgeber erstmalig anerkannt, dies vor

allem aufgrund des Bedürfnisses der Praxis, eine private, also vertrauliche und von Offenlegungspflichten

befreite, Company gründen zu können. Die Private Company musste dafür in der Satzung das Verbot, die

Anteile am Kapitalmarkt anzubieten, enthalten. Die Private Company war somit nur eine spezifische

Unterform der Company, die auch eine weitere Unterform, die Public Company (das Pendant zur AG),

kannte und bis heute kennt.112

Das Erfordernis eines Mindestkapitals für Limited Companies wurde seit seiner Abschaffung im Jahr 1856

vom Gesetzgeber nicht mehr diskutiert; im Jahr 1962 setzte sich eine Arbeitsgruppe, das sog Jenkins-

Committee, für die Wiedereinführung des Mindestkapitalerfordernisses ein; Unterkapitalisierung sei nach

Ansicht einiger Mitglieder des Komitees ein Hauptgrund für Konkurse. Erst 1972 wurde schließlich durch

die Kapitalrichtlinie der EG für Public Limited Companies ein Mindestkapitalerfordernis gesetzlich

eingeführt; für Private Limited Companies (die hier zu besprechenden „Limiteds“) wurde kein gesetzliches

Mindestkapital bestimmt.113

Derzeit stellen im Bereich des Gesellschaftsrechts der Companies Act 1985 (kurz: CA 1985), welcher

zunächst 1989 mit dem CA 1989 und danach erst wieder 2006 mit dem CA 2006 novelliert wurde, und das

Richterrecht die Rechtsquellen dar. Das Gesetz regelt drei (Kapital-)Gesellschaftsformen, nämlich die

company limited by shares, die company limited by guarantee und die unlimited company.114

Die Bedeutung

dieser Kapitalgesellschaftsformen unterstreichen den Einfluss des englischen Common Law in der heutigen,

international vernetzten Wirtschaft; so werden jährlich 300.000 englische Kapitalgesellschaften neu

registriert; insgesamt existieren über 2 Millionen private limited companies (gegenüber einer Zahl von etwa

109

Boucourechliev/Hommelhoff, Vorschläge für eine Europäische Privatgesellschaft, 72; Ewang, EU‟s minimum

capitalisation requirement, 4 mwN. 110

Guinnane/Harris/Lamoreaux/Rosenthal, Ownership and Control in the Entrepreneurial Firm: An International

History of Private Limited Companies, Economic Growth Center, Yale University, Center Discussion Paper 959, 14,

abrufbar unter http://papers.ssrn.com. 111

Boucourechliev/Hommelhoff, Vorschläge für eine Europäische Privatgesellschaft, 73. 112

Boucourechliev/Hommelhoff, Vorschläge für eine Europäische Privatgesellschaft, 74. 113

Ewang, EU‟s minimum capitalisation requirement, 6. 114

Heinz, Die englische Limited, 17.

Page 32: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

16

12.000 public limited companies).115

Vor allem im Vereinigten Königreich erfreut sich die Limited einer in

Kontinentaleuropa ungeahnten Beliebtheit: im Vergleich zu Deutschland mit 82,4 Mio. Einwohnern hat zwar

das Vereinigte Königreich „nur“ 60,2 Mio. Einwohner, dafür aber etwa doppelt so viele Limiteds als es in

Deutschland GmbHs gibt.116

Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die englischen Kapital- und Personengesellschaften (companies

und partnerships) gegeben werden.

Der Begriff der company limited by shares umfasst die private company (die hier interessierende Limited)

sowie die public limited company (kurz: plc), welche, wie erwähnt, das englische Pendant zur

Aktiengesellschaft darstellt. Die beiden Gesellschaftsformen unterscheiden sich vor allem dadurch, dass

einerseits die Geschäftsanteile der Limited im Gegensatz zur plc nicht an der London Stock Exchange

zugelassen werden können; andererseits sieht der Companies Act für die plc ein festgeschriebenes

Mindeststammkapital von 50.000 Britischen Pfund Sterling (kurz: GBP) vor.117

Beide Companies stellten,

wie erwähnt, bis zum sogleich zu besprechenden Companies Act 2006 keine eigenen Gesellschaftsformen

dar, sondern waren Ausprägungen ein und derselben Kapitalgesellschaft; im Gegensatz zum österreichischen

Recht, in dem AG und GmbH in verschiedenen Gesetzen geregelt und als Gesellschaftsform unabhängig

voneinander sind.118

Im angelsächsischen Rechtskreis gilt daher das Prinzip der einheitlichen

Kapitalgesellschaft, wonach grundsätzlich dieselben Regeln für alle Gesellschaften anzuwenden sind.119

Kern der company limited by guarantee ist das Garantieversprechen, das jeder einzelne Gesellschafter abgibt

und in dem er für den Fall der Insolvenz der Gesellschaft die Entrichtung eines vorher fest bestimmten

Betrags an diese garantiert. Bei der letzten der drei Gesellschaftsformen, der praktisch kaum bedeutsamen

unlimited company, haften die Gesellschafter unbeschränkt und persönlich für die Gesellschaftsschulden.120

Neben den erwähnten drei Kapitalgesellschaftsformen kennt das englische Gesellschaftsrecht drei

Personengesellschaften (partnerships), welche nicht im CA 1985, sondern in gesonderten Gesetzen geregelt

sind: die general partnership mit unbeschränkter und persönlicher Haftung aller Gesellschafter ähnlich der

OG, die limited partnership mit Haftungsbeschränkung für einige Gesellschafter auf ihre Einlage ähnlich der

KG und die seit 2001 existierende limited liability partnership, welche eine juristische Person und eine

Mischung aus partnership und limited company ist und somit letztlich die Vorzüge der Kapital- wie auch der

Personengesellschaften in sich vereint.121

115

Gstraunthaler/Mildner, Die Company Law Reform Bill und deren Auswirkungen auf die Stellung der Directors –

eine weitere Stärkung der Limited gegenüber der GmbH?, GesRZ 2006, 296. „Knapp 2,2 Millionen private

companies limited by shares“ und etwa 12.500 public companies limited by shares waren Mitte 2006 in England und

Wales registriert: Just, Die englische Limited in der Praxis, Einschließlich Ltd. & Co. KG, Mit Formularteil, 2.

Auflage, Verlag C.H.Beck, München 2006, Rn 13; laut Companies House waren aber noch 1999 „nur“ 1,2 Mio.

private companies und 11.600 public companies registriert; zitiert nach Bachmann, Grundtendenzen der Reform

geschlossener Gesellschaften in Europa, ZGR 2001, 355 FN 23. 116

Eidenmüller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, ZGR 2007, 173. 117

Brinkmeier/Mielke, Die Limited (Ltd.) – Recht, Steuern, Beratung, Gabler Verlag, Wiesbaden 2007, Rn 1. 118

Heinz, Die englische Limited, 17. 119

Bachmann, Grundtendenzen, ZGR 2001, 353. 120

Heinz, Die englische Limited, 17f. 121

Heinz, Die englische Limited, 18.

Page 33: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

17

Der CA 1985, welcher die englischen Kapitalgesellschaften normiert, wurde ursprünglich nur für den Raum

Großbritannien (dieser gesetzliche122

Begriff umfasst England, Wales und Schottland) und somit nicht für

Nordirland erlassen.123

Erst der Companies Act 2006124

(kurz: CA 2006; auch „Company Law Reform Bill“

genannt), welcher die tiefgreifendste Reform des englischen Gesellschaftsrechts seit 1985 darstellt und die

vorhergehenden Companies Acts von 1985 und 1989 fast vollständig ersetzt, beseitigte diese Sonderstellung

Nordirlands und hat seinen Geltungsbereich im gesamten Vereinigten Königreich (davon umfasst sind

Großbritannien und Nordirland125

).126

Trotz dieser materiellen Rechtsvereinheitlichung gilt aber, wie

erwähnt, in Nordirland bzw Schottland eine andere Rechtsordnung als in England und Wales, was sich etwa

auch darin zeigt, dass für England und Wales (in Cardiff, mit einer Außenstelle in London), für Schottland

(in Edinburgh) und für Nordirland (in Belfast) je ein separates Gesellschaftsregister existiert; jede

Gesellschaft muss nach Lage ihres „Registered Office“ (dieses dient als Zustelladresse, an ihm sind die

wesentlichen Dokumente der Gesellschaft aufzubewahren127

) zur Eintragung in genau einem dieser Register

angemeldet werden.128

Ziel der Reform des englischen Gesellschaftsrechts durch den Companies Act 2006 war es, bisheriges

Richterrecht zu kodifizieren, den CA 1985 und dessen Novellen einfacher zu gestalten und flexiblere

Regelungen für Kleinunternehmen zu normieren, wodurch für die KMU Einsparungen von etwa 250

Millionen Euro erzielt werden sollten.129

Hier war vor allem die private limited company Ziel der

Novellierungen, die sie zu einer eigenständigeren und von der public limited losgelösten Gesellschaftsform

machten (aufgrund der Bevorzugung der Kleinunternehmer „think small first - Approach“, also das

„Leitbild, zuerst an die KMU zu denken“ genannt, welches auch ein beliebtes Motto der Europäischen Union

in Wirtschaftsfragen130

darstellt).131

Ein Grundgedanke der Reform war daher, die Wettbewerbsfähigkeit der

britischen Wirtschaft zu erhöhen und den britischen Standort zu fördern.132

Der CA 2006 wurde nach

mehrjähriger Ausarbeitung am 1. November 2005 in das House of Lords eingebracht.133

Das Gesetz wurde

122

Interpretation Act 1978; s Bachner, Exkursion, 321. 123

Bachner, Exkursion, 323. 124

Companies Act 2006, chapter 46. 125

Nicht zum Vereinigten Königreich und damit auch nicht zur Europäischen Union zählt man die Isle of Man sowie

die Kanalinseln (Jersey, Guernsey, Alderney, Herm und Sark), die direkt der britischen Krone unterstellt sind; der

(englische) Companies Act 2006 erhält daher auch nur Ermächtigungen an die Queen, für einige Kapitel die

Anwendung des Companies Act 2006 auf die Kronbesitze auszuweiten. Das Gesellschaftsrecht etwa der Isle of Man

ist aber sehr vom englischen Common Law beeinflusst; s Isle of Man Government Treasury, A Guide to Isle of Man

Company Law, abrufbar unter http://www.gov.im/fsc/companies/companiesregistry.xml. 126

Dennoch gilt es, die verfassungsrechtliche Sonderstellung Nordirlands zu beachten, die dem Land (genauer: der

Northern Ireland Assembly) mittels der so genannten „Devolution“ die Möglichkeit bietet, den Companies Act 2006

für den Raum Nordirland zu ändern oder sogar ganz außer Kraft zu setzen, s dazu näher Bachner, Exkursion, 323f. 127

Kallmeyer, Vor- und Nachteile der englischen Limited im Vergleich zur GmbH oder GmbH & Co KG, DB 2004,

637. 128

Bachner, Exkursion, 324. 129

Bervoets/Lembeck, Die „GmbH Light“ – ein Trend in Europa, SWI 2004, 357; Gstraunthaler/Mildner, Company

Law Reform Bill, GesRZ 2006, 296. 130

S etwa auf der EU-Homepage: http://ec.europa.eu/enterprise/entrepreneurship/think_small_first.htm (Stand:

10.4.2008). 131

Gstraunthaler/Mildner, Company Law Reform Bill, GesRZ 2006, 296. 132

Bervoets/Lembeck, GmbH Light, SWI 2004, 357. 133

Kalss, Die Zukunft der GmbH, GesRZ 2006 Spezial „100 Jahre GmbH“, 49.

Page 34: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

18

am 8. November 2006 mit dem „royal assent“ verabschiedet134

und ist mit 1.300 Paragraphen, 701 Seiten

und 16 Anhängen das größte Einzelgesetz, das je vom Westminster-Parlament beschlossen worden ist.135

Es

scheint daher fraglich, ob sein erklärtes Ziel – die Vereinfachung des Gesellschaftsrechts – erreicht wird.

Seine Neuerungen werden sich auch auf bestehende Private Limited Companies mit einer

Zweigniederlassung in Österreich sowie auf Neugründungen auswirken.136

Wie soeben erwähnt, ist der grundlegende Gedanke der britischen Strategie im Bereich des

Gesellschaftsrechts die Maximierung der Wettbewerbsfähigkeit britischer Gesellschaften auf den

Weltmärkten. Aus diesem Grund unterstützt das Vereinigte Königreich das Konzept des europäischen

Binnenmarkts und des unbeschränkten Wettbewerbs; es hat mehr Maßnahmen zur Förderung des

Binnenmarktes ergriffen als die meisten anderen Mitgliedstaaten.137

Der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union im Hinblick auf das Gesellschaftsrecht, so die offizielle

britische Ansicht, stehe eine „überbordende Regulierung“ der nationalen Gesellschaftsrechte entgegen.138

Nicht nur verminderte Wettbewerbsfähigkeit, auch höhere Lasten in Gestalt höherer Kosten, weniger

Unternehmensinitiative und letztlich niedrigeren Wirtschaftswachstums und höherer Arbeitslosigkeit seien

die Folgen einer zu starken Regulierung des Gesellschaftsrechts.139

Das grundsätzliche Ziel der

gesetzgeberischen Maßnahmen im Hinblick auf das englische Gesellschaftsrecht besteht also darin, dass

unternehmerische Initiative erleichtert werden soll, indem die Einmischung des Gesetzgebers gering gehalten

wird und Regelungen nur zum Schutz fremder Interessen, dh Minderheitsgesellschaftern, Gläubigern und

dem öffentlichen Interesse, eingesetzt werden.140

Zudem sollen englische Gesellschaften möglichst

preisgünstig ausgestaltet werden; auch die Möglichkeit, ein vorgefertigtes Gesellschaftsstatut verwenden zu

können, das aber auch an den Einzelfall angepasst werden kann, stellt im Sinne der amerikanischen Law and

Economics-Lehre das Streben nach Effizienz durch die Minimierung von Transaktionskosten dar.141

Aus diesem Grund erfolgen auch durch den CA 2006 bedeutsame Änderungen für das Recht der Limited im

Sinne einer weitergehenden Deregulierung und Vereinfachung der Abläufe innerhalb der Gesellschaft. Diese

sind etwa die seit 1. Oktober 2008 (der CA 2006 wurde in Teilstücken bis Oktober 2008 in Kraft gesetzt142

und wird die bisherigen Gesetze zum englischen Gesellschaftsrecht weitgehend ablösen143

) bestehende

Möglichkeit, Einpersonen-Limiteds zu gründen144

, sowie die Vereinfachung der Gründung durch die

Möglichkeit einer Online-Gründung direkt bei dem englischen Handelsregister.145

Die Gründung einer

Limited über das Internet „aus dem Wohnzimmer heraus“146

soll dadurch ermöglicht werden.

134

Dernedde, Companies Act 2006: Auswirkungen auf die englische Limited in Deutschland, NJ 2007, 443. 135

Lawlor, Reform der englischen Limited und ihre praktischen Auswirkungen, ZIP 2007, 2202. 136

Lawlor, Reform der Limited, ZIP 2007, 2205. 137

Boucourechliev/Hommelhoff, Vorschläge für eine Europäische Privatgesellschaft, 81. 138

Boucourechliev/Hommelhoff, Vorschläge für eine Europäische Privatgesellschaft, 81. 139

Boucourechliev/Hommelhoff, Vorschläge für eine Europäische Privatgesellschaft, 81f. 140

Boucourechliev/Hommelhoff, Vorschläge für eine Europäische Privatgesellschaft, 83f. 141

Boucourechliev/Hommelhoff, Vorschläge für eine Europäische Privatgesellschaft, 77. 142

Torwegge, Companies Act 2006 – (Almost Entirely) Enacted!, GmbHR 2007, 196. 143

Dernedde, Companies Act 2006, NJ 2007, 444. 144

Art 7 (1) CA 2006 bestimmt: “A company is formed under this Act by one or more persons…”. 145

Lawlor, Reform der Limited, ZIP 2007, 2202f. 146

Eidenmüller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, ZGR 2007, 197.

Page 35: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

19

Zudem wird durch den CA 2006 festgelegt, dass jede Limited zumindest einen „Director“ haben muss, der

eine natürliche Person mit einem Mindestalter von 16 Jahren ist.147

Unter diesen Begriff fallen jene Personen,

die die Limited leiten, ohne Rücksicht darauf, wie die konkrete Position genannt wird (zB CEO).148

Im

Gegensatz zum österreichischen Geschäftsführer ist ein Director jedoch kein Organ der Gesellschaft; dieser

Begriff ist dem englischen Gesellschaftsrecht fremd. Vielmehr tritt der Director in vielfältige Beziehungen

zur Gesellschaft: als Vertreter der Gesellschaft („agent“), als Treuhänder („trustee“) des Vermögens der

Gesellschaft oder etwa als Berater („advisor“).149

Mit dem CA 2006 wurden die Pflichten eines Directors gesetzlich festgelegt: so muss er etwa in

Übereinstimmung mit dem Gesellschaftsvertrag handeln und ist verpflichtet, den Erfolg der Gesellschaft im

Interesse der Gesellschafter zu fördern. Auch nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft als Director darf

er von seinen gesellschaftsintern erworbenen Kenntnissen nicht profitieren; er hat daher Interessenkonflikte

zu vermeiden und von Dritten angebotene Vorteile abzulehnen.150

2.2.2 Charakteristika und Gründung der Limited

Da seit der Rechtsprechung des EuGH151

§ 10 IPRG durch die Niederlassungsfreiheit überlagert wird, die

„europarechtliche Gründungstheorie“ sohin maßgebendes Anknüpfungskriterium für das Gesellschaftsrecht

einer in Österreich agierenden Limited ist, und daher sämtliche Fragen des Innen- und Außenrechts der

englischen Gesellschaft englischem Gesellschaftsrecht unterliegen,152

wird nachfolgend ein kurzer Überblick

über Charakteristika und Gründung, die Finanzverfassung, aber auch Vor- und Nachteile der Limited

gegeben.

Die Limited hat ein Charakteristikum, das Gründer besonders anzieht und einen Grund für den

Wettbewerbsdruck hinsichtlich der Gesellschaftsformen darstellt: für sie ist kein Mindestkapital

vorgeschrieben; während nämlich für die public limited company in Art 763 (1) CA 2006 ein minimum share

capital requirement iHv 50.000 Pfund bzw dem festgelegten Äquivalent in € vorgeschrieben ist, kann bei der

private limited company das Stammkapital frei durch Satzung bestimmt werden und daher auch etwa nur 1

GBP (etwa € 1,50) betragen.153

Trotzdem ist die Limited rechtsfähig und ermöglicht eine

Haftungsbeschränkung für alle Gesellschafter. Zudem kann im Gegensatz zur GmbH Sachvermögen in eine

Limited eingebracht werden, ohne dass es einer Bewertung desselben durch einen Wirtschaftsprüfer

bedarf.154

147

Dernedde, Companies Act 2006, NJ 2007, 444. 148

Gstraunthaler/Mildner, Company Law Reform Bill, GesRZ 2006, 297; Lawlor, Reform der Limited, ZIP 2007,

2202. 149

Just, Die englische Limited in der Praxis, Rn 161. 150

Lawlor, Reform der Limited, ZIP 2007, 2203f. 151

S dazu in Kapitel 3.4. 152

Dommes/Eckert/Lembeck/Metzler, Die englische Private Company Limited in Österreich – gesellschaftsrechtliche

Fragen, SWI 2005, 478. 153

Statt vieler: Dommes/Eckert/Lembeck/Metzler, Limited in Österreich, SWI 2005, 482. 154

Schiessl/Gahleitner, Die „Limited“ in Österreich – eine Bestandsaufnahme, WISO 4/2006, 102.

Page 36: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

20

Die Gründung einer Limited wird oft als einfach und schnell155

beschrieben; durch die erwähnte Möglichkeit

der Online-Gründung, die mit dem CA 2006 eingeführt wurde, wird dieser Vorteil in Zukunft vermutlich

noch stärker für die Werbung der Limited als Rechtsformalternative eingesetzt werden. Auch können die

verpflichtenden Meldungen elektronisch beim Companies House eingebracht werden.156

Üblicherweise wird

bei einem Rechtsanwalt (solicitor) der Mantel einer private company (eine „off-the-shelf-company“)

erworben;157

darunter versteht man eine bereits gegründete Vorratsgesellschaft, deren Geschäftsanteile von

den Gründungsgesellschaftern auf die Erwerber übertragen werden158

und die bereits mit dem ersten

Geschäftsführer,159

Firmensitz, Stammkapital und Satzung („Constitution“) im Handelsregister eingetragen

ist.160

Die Constitution besteht161

vor allem aus den „Articles of Association“ (kurz: „Articles“; dies gilt ab 1.

Oktober 2008; das „Memorandum of Association“, der einstige Gründungsvertrag, wird ab diesem Zeitpunkt

nur mehr als Gründungserklärung und als Erklärung zur Übernahme der Gesellschaftsanteile dienen162

). Die

Kosten für die Eintragung einer Neugründung bei der Registerbehörde („companies house“) betragen 20

GBP (ca € 29). Die Firmenanschrift muss in England oder Wales, Schottland oder Nordirland liegen (letztere

beiden Gesellschaften müssen jedoch dort auch registriert sein).163

Die Eintragung dauert etwa fünf

Werktage, die Dauer kann aber gegen Zahlung eines Aufpreises verringert werden164

(50 GBP für ein „same-

day company incorporation service“, also eine Eintragung noch am selben Tag165

).

Die Limited erhält ihre Rechtsfähigkeit mit der Aushändigung der Gründungsurkunde („Certificate of

Incorporation“) durch den Registrar of Companies.166

Notariatskosten für die Gründung fallen – zunächst –

weg: die Constitution (der Gründungsvertrag der Limited, früher „Memorandum of Association“, s oben),

bestehend aus den Articles (mit diesem Dokument wurden bis zum Inkrafttreten des CA 2006 nur die

„inneren Angelegenheiten“ der Gesellschaft geregelt167

; ab Inkrafttreten des CA 2006 umfasst sie sämtliche

Regelungsbereiche168

) muss nach englischem Recht nur schriftlich abgeschlossen werden. Da aber gem § 12

155

Vgl etwa Dommes/Eckert/Lembeck/Metzler, Limited in Österreich, SWI 2005, 480; Schiessl/Gahleitner, Limited,

WISO 4/2006, 102f. 156

Der gesamte Schriftverkehr kann somit elektronisch abgewickelt werden: Dernedde, Companies Act 2006, NJ 2007,

444. 157

Kalss, Die Zukunft der GmbH, GesRZ 2006 Spezial „100 Jahre GmbH“, 49. 158

Brinkmeier/Mielke, Limited, Rn 5. 159

Der Sekretär („secretary“) für Verwaltungsaufgaben wird mit Inkrafttreten des CA 2006 abgeschafft (fakultativ

kann er aber weiterhin eingesetzt werden), was die laufenden Kosten für Gründungsagenturen, welche die Funktionen

des secretary für nicht in England ansässige Limiteds übernahmen, senken dürfte; s Dernedde, Companies Act 2006,

NJ 2007, 444. 160

Shearman, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung in England und Wales, GmbHR 1992, 150. 161

Art 17 CA 2006: „…references in the Companies Act to a company‟s constitution include (a) the company‟s articles,

(b) any resolutions and agreements to which Chapter 3 applies…“. 162

Dernedde, Companies Act 2006, NJ 2007, 444; Just, Die englische Limited in der Praxis, Rn 40; Lawlor, Reform

der Limited, ZIP 2007, 2003. 163

S etwa die „Guidances“ auf www.companieshouse.gov.uk 164

Dommes/Eckert/Lembeck/Metzler, Limited in Österreich, SWI 2005, 480, FN 26. 165

Müller, Die Limited in Deutschland: Ein Überblick über das anzuwendende englische Gesellschaftsrecht, DB 2006,

824. 166

Dommes/Eckert/Lembeck/Metzler, Limited in Österreich, SWI 2005, 480; Schiessl/Gahleitner, Limited, WISO

4/2006, 103. 167

So die „Guidances“ auf www.companieshouse.gov.uk: „This document (the Articles of Association) sets out the

rules for the running of the company‟s internal affairs“. 168

Art 18 (1) CA 2006: „A Company must have articles of association prescribing regulations for the company“.

Page 37: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

21

Abs 1 UGB eine inländische Zweigniederlassung eines ausländischen Rechtsträgers (und als solche gilt eine

Limited, auch wenn sie ausschließlich in Österreich tätig ist, da § 12 UGB dem Größenschluss nach

anzuwenden ist169

) in das Firmenbuch einzutragen ist, und gem § 107 Abs 4 GmbHG für die Anmeldung

eine öffentlich beglaubigte Abschrift des Gesellschaftsvertrags nötig ist, ist im Endergebnis eine englische

Urkundsperson (idR ein solicitor), eine Apostille und eine öffentlich beglaubigte Übersetzung170

für die

Eintragung erforderlich.171

Die Eintragung als Zweigniederlassung, die insgesamt aufwendiger als die Anmeldung einer

österreichischen GmbH ist172

, ist zwar dem Gesetz nach zwingend; die Sanktion bei einem Verstoß gegen die

Norm, nämlich Zwangsstrafen nach § 24 FBG, wird jedoch in der Praxis selten verhängt.173

Auch hat die Nichteintragung als Zweigniederlassung im Firmenbuch keine privatrechtlich nachteiligen

Folgen für die Limited: die Eintragung der Gesellschaft ist nicht Voraussetzung für die Entstehung der

Gesellschaft (die Gesellschaft entsteht vielmehr durch Ausstellung des erwähnten Certificate of

Incorporation174

), sodass die Gesellschaft trotz Nichteintragung (was etwa auch durch Verweigerung der

Eintragung durch das Firmenbuchgericht der Fall sein kann) als Rechtsträger existiert und am Rechtsverkehr

wie jede andere Gesellschaft teilnehmen kann. Der Gerichtsstand der Gesellschaft innerhalb Österreichs

(Zweigniederlassung gem Art 5 Z 5 EuGVVO) ist in diesem Fall aber fraglich.175

Es existieren, wie erwähnt, keine gesetzlichen Regelungen zu einem Mindestmaß an Kapital für die Limited

im englischen Recht; üblicherweise wird in der Constitution ein Kapital von 100 GBP (entspricht etwa €

131), aufgeteilt in 100 Anteile je 1 GBP, vereinbart; dieses Kapital bezeichnet man als „authorised capital“

und muss bei der Gründung nicht zur Gänze eingezahlt werden.176

Die erwähnte, durch Aushändigung der Gründungsurkunde erhaltene Rechtsfähigkeit der Limited hat

denselben Umfang wie bei einer natürlichen Person.177

Bis zum Inkrafttreten des CA 2006 musste der Geschäftszweck der Limited – im Gegensatz zur GmbH – in

oft seitenlangen Regelungen normiert werden. Der Grund dafür war die im Vereinigten Königreich früher

vorherrschende Ultra-Vires-Lehre, der gemäß eine englische Gesellschaft nur für genau festgelegte Zwecke

bestand und nur in diesem Rahmen Rechts- und Handlungsfähigkeit besaß. Gerichtliche Streitigkeiten um

die genaue Reichweite der Handlungsfähigkeit der Gesellschaft waren somit unvermeidlich.178

Dieser

169

Dommes/Eckert/Lembeck/Metzler, Limited in Österreich, SWI 2005, 481; Eckert/Lembeck/Metzler, Private Limited

Companies in Österreich – ein Überblick, SWK 2005, W 150. Der Begriff „Zweigniederlassung“ ist daher weit

auszulegen und kann – auch nach europarechtskonformer Auslegung – zugleich die Hauptniederlassung sein: s Just,

Die englische Limited in der Praxis, Rn 43. 170

§ 107 Abs 4 GmbHG: „Der Anmeldung sind der Gesellschaftsvertrag in der geltenden Fassung in öffentlich

beglaubigter Abschrift und, sofern der Gesellschaftsvertrag nicht in deutscher Sprache erstellt ist, eine beglaubigte

Übersetzung in deutscher Sprache beizufügen“. 171

Dies entspricht der Zweigniederlassungsrichtlinie und verstößt nicht gegen die Niederlassungsfreiheit; s näher bei

Dommes/Eckert/Lembeck/Metzler, Limited in Österreich, SWI 2005, 481. 172

S dazu näher bei Dommes/Eckert/Lembeck/Metzler, Limited in Österreich, SWI 2005, 481. 173

Dommes/Eckert/Lembeck/Metzler, Limited in Österreich, SWI 2005, 481. 174

Eckert/Lembeck/Metzler, Private Limited Companies in Österreich – ein Überblick, SWK 2005, W 150. 175

Dommes/Eckert/Lembeck/Metzler, Limited in Österreich, SWI 2005, 481. 176

Dommes/Eckert/Lembeck/Metzler, Limited in Österreich, SWI 2005, 482f. 177

Dernedde, Companies Act 2006, NJ 2007, 444. 178

Dernedde, Companies Act 2006, NJ 2007, 444.

Page 38: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

22

Streitpunkt wird mit Inkrafttreten des CA 2006 entfernt: Der Geschäftszweck ist seit dem Companies Act

2006 nicht mehr beschränkt und braucht somit nicht mehr angegeben zu werden.179

Die Organisation der Limited ist vom monistischen System geprägt180

, demgemäß die Leitungs- und

Kontrollfunktion in einer einzigen obligatorischen Institution, dem board of directors (vergleichbar mit dem

Verwaltungsrat der Societas Europaea bzw mit der Geschäftsführung der GmbH181

) zusammengefasst ist.

Ein zusätzliches Aufsichtsorgan ist nicht vorgeschrieben, sodass Entscheidungen schnell getroffen und

dadurch auch Transaktionskosten gesenkt werden können.182

Intern kann ein Dualismus durch die Einteilung

der directors in executive und non-executive directors entstehen, eine gesetzliche Verpflichtung zur

Einrichtung von non-executive directors besteht jedoch nicht.183

Die Limited besteht zudem aus der

obligatorischen Gesellschafterversammlung („general meeting“). Eine Arbeitnehmerbeteiligung ähnlich der

Regel des § 110 ArbVG ist im englischen Recht nicht vorgesehen.184

2.2.3 Kapitalaufbringung und -erhaltung

Sowohl hinsichtlich der Kapitalaufbringungs- als auch der Kapitalerhaltungsregeln unterscheidet sich der

Companies Act 2006 vom GmbHG: während die Kapitalaufbringungsregeln der Limited weit weniger streng

als jene der GmbH sind, muss man bei der Limited strenge Kapitalerhaltungsregeln beachten: so dürfen etwa

nur erwirtschaftete Gewinne während der Dauer der Gesellschaft ausgeschüttet werden.185

Das Stammkapital (nominal capital oder authorised share capital) ist in der Höhe frei festsetzbar und muss

bei der Gründung nicht vollständig gezeichnet sein.186

Zumeist wird in der Constitution ein Kapital von 100

GBP, aufgeteilt in 100 Anteile zu je 1 GBP, festgelegt. So besitzen etwa 80 % aller Private Limited

Companies, die im Companies House eingetragen sind, ein Stammkapital von nicht mehr als 100 GBP. 187

Die Einlagen können sofort in einer Summe, aber auch in Raten (partly paid shares) eingebracht werden; es

ist Barzahlung, Sachleistung oder auch Dienstleistung als Einlageerbringung auf den gezeichneten Anteil

möglich. Die Bewertung von Sachleistungen wird durch den Director vorgenommen; eine Bestätigung durch

einen Wirtschaftsprüfer ist nicht erforderlich.188

179

Dernedde, Companies Act 2006, NJ 2007, 444. 180

Ein System, das auch in Österreich bis zur Einführung des AktG 1937 verwendet wurde; vgl Feltl, Möglichkeiten

zur Gestaltung des Managements einer englischen private limited company, AR 2008, 7 mwN. 181

Feltl, Der director der englischen private limited company, ecolex 2007, 769, FN 5. 182

Feltl, Möglichkeiten zur Gestaltung des Managements einer englischen private limited company, AR 2008, 7. 183

Executive directors haben bestimmte Geschäftsbereiche inne und sind Manager des Unternehmens (s die

Bezeichnung „chief executive director (CEO)“). Die non-executive directors überwachen die executive directors und

wahren die Interessen der Gesellschafter; s Feltl, director, ecolex 2007, 770; Feltl, Gestaltung des Managements, AR

2008, 10. 184

Dies ist auch ein wesentlicher Unterschied der non-executive directors gegenüber dem Aufsichtsrat einer

österreichischen GmbH; s Feltl, director, ecolex 2007, 769; Feltl, Gestaltung des Managements, AR 2008, 10. 185

Dommes/Eckert/Lembeck/Metzler, Limited in Österreich, SWI 2005, 483. 186

Müller, Limited in Deutschland, DB 2006, 828. 187

Dommes/Eckert/Lembeck/Metzler, Limited in Österreich, SWI 2005, 482, FN 45. 188

Müller, Limited in Deutschland, DB 2006, 828.

Page 39: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

23

Wie erwähnt, sind als Ausgleich für die kaum regulierte Kapitalaufbringung bei der Limited die Regeln der

Kapitalerhaltung streng ausgeführt: neben der erwähnten Gewinnausschüttungsregel, bei der zudem zu

beachten ist, dass Auszahlungen nicht nur offene Geldausschüttungen, sondern auch Verkäufe von

unterbewerteten Gegenständen oder überhöhte Geschäftsführergehälter sind, gilt ferner das Verbot, eigene

Anteile zu erwerben und das Verbot der „financial assistance“ zu dem Erwerb von Anteilen an der

Gesellschaft durch Dritte. Die Gewährung von Darlehen der Gesellschaft an einen Dritten, der Anteile an der

Gesellschaft erwirbt, zur Finanzierung dieses Erwerbs ist daher verboten. Diese Regel soll eine Umgehung

des Verbots des Erwerbs eigener Anteile verhindern. Außerdem gilt das Verbot der Gewährung von

Darlehen der Gesellschaft an ihre Directors.189

Während das kontinentaleuropäische Rechtssystem der Idee eines Stammkapitals und der Kapitalerhaltung

verhaftet ist, ist in England das Prinzip der Publizität und Transparenz vorherrschend:190

so ist die Limited

verpflichtet, die aktuellen Gesellschafts- und Kapitalverhältnisse mittels „annual return“ jährlich gegenüber

dem Registrar des Companies House offen zu legen. Dabei handelt es sich um einen Bericht, in dem Daten

der Gesellschaft angegeben werden, etwa die Anschrift der Firma, die Höhe des Nominalkapitals, des

gezeichneten, eingezahlten und noch ausstehenden Kapitals sowie die Belastungen des

Gesellschaftsvermögens.191

Zudem ist die Limited zur laufenden Buchführung verpflichtet und muss am Ende des Geschäftsjahres einen

Jahresabschluss („annual account“) beim Companies House einreichen.192

Den Gesellschaftsgläubigern und dem britischen Wirtschaftsministerium steht außerdem das Recht zu, die

gerichtliche Auflösung der Gesellschaft wegen offensichtlich unzureichenden Kapitals zu beantragen.193

2.2.4 Die Limited in Österreich: eine Bestandsaufnahme

Seitdem es durch die Rsp des EuGH194

möglich ist, alternativ zu einer österreichischen Gesellschaftsform

eine „anderseuropäische“195

zu wählen, erfreut sich vor allem die Limited zumindest steigender Werbung

etwa durch Steuer- und Unternehmensberater.196

Exakte Zahlen darüber, wie viele Limiteds es in Österreich insgesamt gibt, existieren keine. Dies hat seinen

Grund darin, dass es viele Limiteds unterlassen, die Eintragung einer österreichischen Zweigniederlassung

zu beantragen197

; zudem werden, wie erwähnt, Zwangsstrafen selten verhängt. Auch wird die Limited als

Rechtsform in den österreichischen Datenbanken und Registern „entweder nicht ausdrücklich, nicht richtig

189

Müller, Limited in Deutschland, DB 2006, 829. 190

Dernedde, Companies Act 2006, NJ 2007, 445. 191

Just, Die englische Limited in der Praxis, Rn 284. 192

Just, Die englische Limited in der Praxis, Rn 265. 193

Schumann, Die englische Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland: Kapitalaufbringung, Kapitalerhaltung und

Haftung bei Insolvenz, DB 2004, 744. 194

S dazu in Kapitel 3.4. 195

Schiessl/Gahleitner, Limited, WISO 4/2006, 107. 196

Schiessl/Gahleitner, Limited, WISO 4/2006, 107f. 197

Feltl/Fragner, Übersicht der Unternehmensformen, GesRZ 2007, 3.

Page 40: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

24

oder nicht vollständig“198

erfasst: die Abfrage des Gewerberegisters oder der Daten des Hauptverbandes der

Sozialversicherungsträger ist laut Traar/Kantner nur mit einer Stichwortsuche, zB nach „Limited“ oder

„Ltd“ möglich; teilweise werden bei der Eintragung unterschiedliche Kürzel verwendet, die keiner nach

englischem Recht existierenden Gesellschaftsform entsprechen. Es kann daher nur anhand von Erhebungen

geschätzt werden, wie viele Limiteds mit hauptsächlicher Geschäftstätigkeit im Inland es tatsächlich gibt:

nach Feltl/Fragner199

beträgt die Anzahl der Limiteds Anfang 2008 zumindest 2.000; es ist von einer hohen

Dunkelziffer auszugehen, sodass auch diese Zahl in Wirklichkeit deutlich überstiegen werden dürfte.200

Laut

von Reich-Rohrwig201

eingeholten Informationen scheinen im Firmenbuch Ende 2007 demgegenüber nur 586

Limiteds als Zweigniederlassung auf; laut Schiessl/Gahleitner202

waren im Firmenbuch im November 2006

aber bereits rund 680 aktive Unternehmen als Limited oder als Mischform (Limited & Co KEG) eingetragen,

wobei von insgesamt 832 Unternehmen bereits 153 als „gelöscht“ verzeichnet waren. Der Hauptverband der

Sozialversicherungsträger wiederum verzeichnet 1.219 Limiteds oder Limiteds & Co KGs; nach der Studie

von Becht/Mayer/Wagner hingegen registrierte das Companies House in England allein im Jahr 2006

insgesamt 719 Limiteds, deren Directors mehrheitlich, und 595 Limiteds, deren Directors alle in Österreich

ihren Wohnsitz haben.203

Eine endgültige Zahl der in Österreich agierenden Limiteds kann aus diesen Schätzungen bzw Abfragen

beim österreichischen Firmenbuch oder englischen Companies House daher nicht exakt, sondern nur

annäherungsweise (>2000) abgeleitet werden. Zum Vergleich: auch in Deutschland kann die Gesamtzahl der

aktiven Limiteds mit Haupttätigkeit in Deutschland nur geschätzt werden: Eidenmüller schätzt die Zahl aller

aktiven „deutschen“ Limiteds bis Ende 2006 auf „an die 40.000“.204

Nähere Statistiken zu Deutschland

finden sich in Kapitel 6.

Für die Jahre vor 2006 kann der Bestand der Limited in Österreich ebenfalls nur geschätzt werden:

Niemeier205

teilt zu diesem Zweck in Pre-Centros (also vor der gleichnamigen Entscheidung bzw – genauer –

in den Jahren 1997-1999 gegründete Limiteds) und Post-Centros (zwischen 2003-2005206

gegründete

Limiteds) ein: im Pre-Centros-Zeitraum 1997-1999 wurden zusammengerechnet 52 österreichische Limiteds

gegründet207

; hierbei handelte es sich vermutlich um Tochtergesellschaften von österreichischen

198

Traar/Kantner, Der rechtstatsächliche Befund: Empirische Erhebungen, in: Bachner (Hrsg.), GmbH-Reform:

Erleichterte Gründung – Gläubigerschutz – Insolvenzprophylaxe, Linde Verlag, Wien 2008, 54. 199

Feltl/Fragner, Unternehmensrecht aktuell, GesRZ 2008, 3. 200

Feltl/Fragner, Übersicht der Unternehmensformen, GesRZ 2007, 3. 201

Reich-Rohrwig, Startschuss zur GmbH-Reform, ecolex 2008, 138. 202

Schiessl/Gahleitner, Limited, WISO 4/2006, 107. 203

Woraus Reich-Rohrwig, Startschuss zur GmbH-Reform, ecolex 2008, 138 schließt, dass in Österreich noch „weit

mehr“ Limiteds geschäftlich tätig werden, als diese beim Sozialversicherungsträger bzw in der „Becht“-Studie

angegeben sind, auch wenn sich Reich-Rohrwig, ebda, auf die Zahl 1.164 bezieht; Becht/Mayer/Wagner, Where do

firms incorporate? Deregulation and the Cost of Entry, European Corporate Governance Institute Working Paper

Series in Law, Working Paper N°. 70/2006, abrufbar im Internet unter

http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=906066#PaperDownload (Stand: 10.3.2008), 28. 204

Eidenmüller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, ZGR 2007, 173. 205

Niemeier, GmbH und Limited im Markt der Unternehmensträger, Marktdaten zur Reformdebatte, ZIP 2006, 2245. 206

Aufgrund des signifikanten Anstiegs der Limited-Gründungen erst nach der „Inspire-Art“-Entscheidung des EuGH

im Jahr 2003 also genauer „Post-Inspire-Art“. 207

S Tabelle 8 in Niemeier, GmbH und Limited, Marktdaten, ZIP 2006, 2245.

Page 41: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

25

Unternehmen208

. Im Post-Centros-Zeitraum 2003-2005 wurden insgesamt 881 österreichische Limiteds

gegründet.209

Der Steigerungsfaktor als Ausdruck des relativen Markterfolgs liegt laut Niemeier bei 16,9 und

ist somit europaweit der zweithöchste nach Deutschland mit 42,3. In Deutschland wurden vor Centros (1997-

1999) kumuliert 508 Limiteds, nach Centros (2003-2005) 21.490 Limiteds gegründet.210

Trotz der erwähnten unterschiedlichen Zahlen der Limiteds in den österreichischen Datenbanken und

Registern versuchten Traar/Kantner211

eine Bestandsaufnahme, trotz des Risikos, in diese auch Daten von

anderen „Limiteds“ (etwa Public Companies Limited by Shares oder Companies Limited by Guarantee), die

aber ebenfalls als „Limited“ oder „Ltd“ ins Register eingetragen wurden, einzubeziehen: so sind nach

Angabe der beiden Autoren die Neueintragungen von Zweigniederlassungen von Limiteds im Firmenbuch

seit dem Jahr 2000 von 40 jährlichen Neueintragungen um 317 % auf 167 im Jahr 2007 gestiegen, wobei die

Neueintragungen seit der Entscheidung des EuGH zu Inspire Art, somit von 2003 bis 2005, besonders rasant

mit jährlichen Steigerungsraten von 52 % bis 65 % gestiegen sind. In den Folgejahren 2006 und 2007 hat

sich der jährliche Zuwachs jedoch auf 8 % (2006) und 3,7 % (2007) verlangsamt.212

Im Gegensatz dazu stieg

die Anzahl der jährlichen Neueintragungen der GmbH von 6.650 im Jahr 2000 nur um 44 % auf 9.254 im

Jahr 2007. Eine ähnliche stetige Zunahme erfassten die beiden Autoren bei den Eintragungen im

Gewerberegister (zwischen 2005 und 2007 stieg die Zahl der Limited-Neueintragungen im 43 % an,

wohingegen die GmbH-Eintragungen um 7 % abfielen).213

Der Marktanteil der Limited liegt seit 2005

beinahe gleichbleibend bei jährlich etwa 1,7 %.214

Demgegenüber stehen die Daten zur Lebensdauer der Limited, die die beiden Autoren aus dem Firmenbuch

und aus dem Gewerberegister erfragt haben: aus beiden Datenbanken kann man nicht auf eine allgemein

höhere Sterblichkeit der Limited im Vergleich zur GmbH schließen; so wurden im Jahr 2004 30 und im Jahr

2007 52 Zweigniederlassungen von Limiteds aus dem Firmenbuch gelöscht, was einem Anstieg von 73 %

entspricht. Im gleichen Zeitraum sank hingegen die Anzahl der gelöschten GmbHs von 5.070 auf 4.371 um

13 %. Der Anteil der Löschungen an den Neueintragung war pro Jahr bei der Limited mit 30 % (2004) und

31 % (2007) aber niedriger als bei der GmbH mit 67 % (2004) und 50 % (2007).

Auch für den Bereich der Insolvenzfälle fehlen bislang vergleichbare statistische Erhebungen für die

Rechtsform der Limited.215

So finden sich auch keine eigenen Daten zur Limited in den Insolvenzstatistiken

der großen österreichischen Gläubigerschutzverbände, etwa des KSV 1870 oder des AKV. Im Gegensatz

dazu führt das Statistische Bundesamt in Deutschland in seinen jährlichen Insolvenzstatistiken seit 2006 die

„Private Company Limited by Shares“ als eigene Rechtsform auf.216

Im Jahr 2006 entfielen in Deutschland

208

Niemeier, GmbH und Limited, Marktdaten, ZIP 2006, 2246. 209

Hingegen spricht Reich-Rohrwig, 100 Jahre GmbH-Gesetz, ecolex 2006, 490, von 77 Zweigniederlassungen im

Jahre 2001 und 492 im Jahre 2005; s auch Kalss, Die Zukunft der GmbH, GesRZ 2006 Spezial „100 Jahre GmbH“,

49. 210

S Tabelle 8 in Niemeier, GmbH und Limited, Marktdaten, ZIP 2006, 2245. 211

Traar/Kantner, Der rechtstatsächliche Befund, in: Bachner (Hrsg.), GmbH-Reform, 54. 212

Traar/Kantner, Der rechtstatsächliche Befund, in: Bachner (Hrsg.), GmbH-Reform, 54. 213

Traar/Kantner, Der rechtstatsächliche Befund, in: Bachner (Hrsg.), GmbH-Reform, 55. 214

Traar/Kantner, Der rechtstatsächliche Befund, in: Bachner (Hrsg.), GmbH-Reform, 69. 215

Feltl/Fragner, Übersicht der Unternehmensformen, GesRZ 2007, 3. 216

Angele, Insolvenzen 2006, Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2007, 357, abrufbar unter www.destatis.de.

Page 42: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

26

auf die Rechtsform der Limited 375 Insolvenzen (sowie auf die Rechtsform der GmbH 12.867

Insolvenzen)217

. Die Eröffnungsquote, also der Prozentanteil der eröffneten Verfahren, betrug 2006 bei der

Limited nur 30 % (bei 70 % aller Verfahren war daher eine Eröffnung nicht mehr möglich).218

Auch hinsichtlich der Insolvenzstatistik der Limited in Österreich betätigten sich Traar/Kantner219

empirisch

und wiesen eine höhere Insolvenzanfälligkeit sowie ein häufiges Auftreten von Abweisungen des Konkurses

mangels Masse nach:220

waren im Jahr 2003 noch 6 insolvenzbezogene Eintragungen in Bezug auf Limiteds

im Firmenbuch zu finden, so waren es 2007 bereits 35, die Steigerung lag demnach bei 480 %. Bei der

GmbH sank die Zahl der insolvenzbezogenen Eintragungen im Firmenbuch von 2.064 im Jahr 2003 um 2 %

auf 1.965 im Jahr 2007. Unter Zugrundelegung etwa einer dreijährigen Lebensdauer einer Limited

errechneten die beiden Autoren einen Anteil der insolvenzbezogenen Eintragungen an den Neueintragungen

von 40 % (zwischen 2004 und 2007); bei der GmbH lag dieser Anteil bei 26 %. Die Zahl der Abweisungen

des Konkurses mangels Masse stieg bei der Limited von 4 im Jahr 2003 auf 12 im Jahr 2007, bei der GmbH

fiel sie von 681 im Jahr 2003 um 11 % auf 610 im Jahr 2007. Bei der Limited lag der Anteil der

Abweisungen des Konkurses mangels Masse an allen insolvenzbezogenen Eintragungen bei 70 % (im Jahr

2006) bzw bei 34 % im Jahr 2007; die entsprechenden Werte waren bei der GmbH 33 % (im Jahr 2006) bzw

32 % (im Jahr 2007).221

217

Angele, Insolvenzen 2006, 357f, abrufbar unter www.destatis.de. 218

Angele, Insolvenzen 2006, 356, abrufbar unter www.destatis.de. 219

Traar/Kantner, Der rechtstatsächliche Befund, in: Bachner (Hrsg.), GmbH-Reform, 64f. 220

Traar/Kantner, Der rechtstatsächliche Befund, in: Bachner (Hrsg.), GmbH-Reform, 69. 221

Traar/Kantner, Der rechtstatsächliche Befund, in: Bachner (Hrsg.), GmbH-Reform, 64.

Page 43: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

27

2.2.5 Vor- und Nachteile der Limited

2.2.5.1 Fehlen eines Mindestkapitals

Der Hauptgrund für die Beliebtheit der Limited als Rechtsformalternative zur vergleichbaren GmbH liegt im

Fehlen eines Mindestkapitals der Limited;222

trotzdem ist die Haftung auf das Gesellschaftsvermögen

beschränkt, während die GmbH einen „Eintrittspreis“ festlegt, um eine Haftungsbeschränkung zu erreichen.

In weiterer Hinsicht ist aber das Fehlen eines Mindestkapitals für die Praxis ein nur scheinbarer Vorteil: da

das Stammkapital, welches in eine GmbH eingezahlt wird, sofort für den Betrieb verwendet werden kann,

während man bei der Limited in vielen Fällen nur mit 1 GBP den Betrieb eröffnet223

, ergibt sich aus dem

Vergleich ein gewisser Startvorteil der GmbH.224

Dies wird in Praxis oft der Fall sein, da viele Gründer,

beeinflusst von der Werbung für die Limited,225

mE nur diesen Vorteil der Limited bedenken, ohne den

erwähnten Vorteil der GmbH in die Gründungsüberlegungen miteinzubeziehen.226

2.2.5.2 Art und Dauer der Gründung als Wettbewerbsvorteil

Auch andere Gründe schaffen einen Wettbewerbsdruck (vor allem) der Limited auf die GmbH, die den

österreichischen Gesetzgeber aktuell zu reformatorischen Schritten veranlasst: die bereits erwähnte

Möglichkeit einer „Online-Gründung“ soll in Zukunft Inkorporationen von Limiteds angenehmer gestalten.

Laut einer länderspezifischen Studie der Weltbank227

, welche jährlich Gesellschaftsformen mit beschränkter

Haftung228

weltweit vergleichend untersucht, ist aber auch die Dauer einer Limited-Gründung kürzer als in

anderen europäischen Staaten: während die Inkorporation einer Limited nur durchschnittlich 13 Tage

222

Becht/Mayer/Wagner, Where do firms incorporate?, 23: „We find that minimum capital requirements specific to the

… Member States directly influence the flow of companies from that country to the U.K.“ 223

Maul/Schmidt, Inspire Art – Quo vadis Sitztheorie?, BB 2003, 2299. 224

Auch wenn man selbst bei der GmbH eingestehen muss, dass bei einer Stammkapitalausstattung von 35.000 € ein

Fremdkapital (Bankenkredit) für eine vernünftige Betriebsführung in der Regel unabdinglich sein wird; in Bezug auf

die Limited ist dies bei einem Stammkapital von 1 GBP offensichtlich, s Happ/Holler, „Limited“ statt GmbH?

Risiken und Kosten werden gern verschwiegen, DStR 2004, 731. 225

Vgl Maul/Schmidt, Quo vadis Sitzheorie?, BB 2003, 2299: „Augenauswischerei“. 226

So bezweifeln auch Happ/Holler, „Limited“ statt GmbH?, DStR 2004, 731, „dass allen Unternehmensgründungen

(vor allem) im Rahmen des „run“ (der ersten Jahre nach dem „Inspire Art“-Urteil des EuGH) auf die limited company

eine umfassende juristische Beratung im Hinblick auf Vor- und Nachteile dieser Rechtsformwahl sowie ihr

anhaftende Risiken vorausgegangen ist“. 227

Doing Business in Austria 2008, A Project Benchmarking the Regulatory Cost of Doing Business in 178 Economies,

Doing Business Project, World Bank Group 2007, abrufbar unter www.doingbusiness.org; vgl Eidenmüller, Die

GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, ZGR 2007, 195f, zu den Zahlen für Deutschland. 228

Um die Daten mit anderen Ländern vergleichbar zu machen, werden hierbei unter anderem folgende Annahmen

getroffen: Zwischen 10-50 Arbeitnehmer, Umsatz von mindestens des hundertfachen des Pro-Kopf-Einkommens,

Gründungs-Eigenkapital von mindestens des zehnfachen des Pro-Kopf-Einkommens.

Page 44: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

28

benötigt229

, werden für die Gründung einer deutschen GmbH 18 Tage230

und einer österreichischen GmbH 28

Tage231

im Durchschnitt aufgewendet.

Im weltweiten Ranking der nach Dauer und Kosten für Unternehmer günstigsten Unternehmensgründungen

im Jahr 2008 liegt das Vereinigte Königreich auf Platz 6, Deutschland auf Platz 71232

und Österreich auf

Platz 83233

.

Eine kurze Dauer der Eintragung einer Gesellschaft im Handelsregister ist als Wettbewerbsvorteil nicht zu

unterschätzen: so stieg etwa in Dänemark der Bestand der Limiteds nach den Entscheidungen des EuGH zur

Niederlassungsfreiheit ähnlich wie in Österreich an; ab dem Jahr 2004 jedoch wies Dänemark die niedrigste

Wachstumsrate der Limiteds in ganz Europa auf. Den Grund für diesen Einbruch an Limited-Gründungen in

Dänemark sah Niemeier234

in der Einführung eines elektronischen Anmeldungssystems (in Gestalt des

dänischen „Webreg“-Systems) im Mai 2003, welches die Eintragung der mit der GmbH vergleichbaren

dänischen Gesellschaftsform von 2-3 Wochen auf einen Tag verkürzte (bei gleichbleibendem

Mindesteinzahlungsgebot iHv € 16.800,--235

).

2.2.5.3 Kosten der Gründung und Besteuerung

Niedrigere Gebühren der englischen Behörden bei Firmengründungen werden ebenfalls oft als Vorteil der

Limited gegenüber der GmbH genannt.236

Der – scheinbare – Wegfall der Notariatskosten wurde bereits in

Kapitel 2.2.2 besprochen.

Ein weiterer, nur scheinbarer, Vorteil ergibt sich aus einer möglichen Besteuerung der Limited nach

englischem Steuerrecht: grundsätzlich findet englisches Steuerrecht für ausschließlich im Inland tätige

Limited Companies gemäß dem geltenden DBA Österreich-Großbritannien keine Anwendung; vielmehr

unterliegt die Limited österreichischem Steuerrecht, etwa der KöSt. Falls die Gesellschaft in Großbritannien

jedoch eine Betriebsstätte besitzt, dürfen die der Betriebsstätte zuzurechnenden Einkünfte zwar in

Großbritannien besteuert werden; dennoch geht der Vorteil einer oftmals niedrigeren englischen Steuer

229

Doing Business in the United Kingdom 2008, 9, abrufbar unter www.doingbusiness.org. 230

Doing Business in Germany 2008, 9, abrufbar unter www.doingbusiness.org. 231

Diese Dauer ist laut Weltbank-Studie in 8 procedures aufgeteilt: 1.) Bestätigung der Wirtschaftskammer, dass es sich

bei dem Unternehmen um eine Neugründung handelt (1 Tag); 2.) Abschluss des Gesellschaftsvertrags in

Notariatsaktsform (4 Tage); 3.) Einzahlung des Mindestkapitals in der Bank (1 Tag); 4.) Eintragung im Firmenbuch,

Veröffentlichung in der Wiener Zeitung (7 Tage für Registrierung, 1-2 Wochen für Veröffentlichung); 5.)

Gewerbeanmeldung bei der Bezirksverwaltungsbehörde (1 Tag); 6.) Registrierung beim Finanzamt und Einholung

einer VAT-(Mehrwertsteuer)nummer (12 Tage); 7.) Anmeldung der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung (1 Tag); 8.)

Anmeldung bei der Gemeinde (1 Tag); s Doing Business in Austria 2008, 9, 51, abrufbar unter

www.doingbusiness.org. 232

Im Jahr 2007 noch auf Platz 65 gereiht; Doing Business in Germany 2008, 9. 233

Im Jahr 2007 noch auf Platz 66 gereiht; Doing Business in Austria 2008, 9. 234

Niemeier, GmbH und Limited, Marktdaten, ZIP 2006, 2246. 235

S Tabelle 8 in Niemeier, GmbH und Limited, Marktdaten, ZIP 2006, 2245. 236

Bernstorff, Das Betreiben einer englischen Limited in Deutschland, RIW 2004, 501.

Page 45: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

29

aufgrund der Anrechnung dieser Steuer auf die österreichische Steuer verloren: die Limited unterliegt stets

österreichischem Steuerniveau.237

Durch das Abgabenänderungsgesetz 2005238

wurde zudem ein letzter Vorteil der Limited auf

steuerrechtlichem Gebiet beseitigt:239

ab 2006 unterliegen auch ausländische unbeschränkt steuerpflichtige

Körperschaften, die den inländischen (GmbH, AG) vergleichbar sind – somit vor allem die Limited – der

Mindestkörperschaftssteuer iHv jährlich € 1.750,-- (im Gründungsjahr: € 1.092,--).240

2.2.5.4 Nachteile der Limited

Als größter Nachteil der Limited gegenüber der GmbH wird häufig241

ihre negative Reputation auf dem

Markt genannt. Einer exemplarischen Studie von Bayer/Hoffmann242

im Freistaat Thüringen zufolge sind

Imageprobleme der Limited Hauptargument der Unternehmensgründer gegen die Wahl dieser Rechtsform;

für die GmbH sprachen zudem fehlende Kenntnisse über die Rechtsform der Limited und in der englischen

Sprache, mangelnde Rechtssicherheit, die verschärfte Haftung von Gesellschaftern und Geschäftsführern in

bestimmten Fällen243

sowie die Folgekosten.244

Die notwendigen englischsprachigen Annual Return und Annual Reports, also der Jahresabschluss, der nach

den GAAP-Prinzipien des Vereinigten Königreichs erstellt und fristgerecht und vollständig bei sonstiger

Strafe beim Companies House eingereicht werden muss, zählen zu den unangenehmsten Folgekosten der

Limited.245

Falls der Registrar den begründeten Verdacht hegt, die Gesellschaft sei nicht mehr geschäftstätig,

kann es sogar zur Amtslöschung aus dem Register („striking off the register“) kommen,246

wobei in England

belegenes Vermögen der Gesellschaft als „bona vacantia“ der englischen Krone zufällt.247

Vor der Löschung

hat der Registrar dreimal über einen Zeitraum von sechs Monaten die Gesellschaft zur Stellungnahme

aufzufordern und der Gesellschaft über das entsprechende öffentliche Amtsblatt (London oder Edinburgh

Gazette) sowie per Post die Löschung anzudrohen. Wird keine Geschäftstätigkeit nachgewiesen, wird die

Gesellschaft aus dem Register of Companies gestrichen und ihre Löschung im Amtsblatt bekannt gemacht.248

Dadurch verliert die Gesellschaft ihre Rechtspersönlichkeit; zwingende Folge ist die Löschung auch der

237

Eckert/Lembeck/Metzler, Private Limited Companies in Österreich – ein Überblick, SWK 2005, W 148. 238

BGBl I 2005/161. 239

Zur alten Rechtslage noch Eckert/Lembeck/Metzler, Private Limited Companies in Österreich – ein Überblick, SWK

2005, W 148. 240

§ 24 Abs 4 Z 1 und Z 4 KStG. 241

Vgl statt vieler Bayer/Hoffmann, Die Wahrnehmung der limited als Rechtsformalternative zur GmbH, GmbHR

2007, 415: „Schmuddelimage“. 242

Bayer/Hoffmann, Wahrnehmung der limited, GmbHR 2007, 414ff. 243

Bernstorff, Das Betreiben einer englischen Limited in Deutschland, RIW 2004, 502. 244

Bayer/Hoffmann, Wahrnehmung der limited, GmbHR 2007, 416. 245

Vgl dazu näher Bernstorff, Das Betreiben einer englischen Limited in Deutschland, RIW 2004, 502; zur Studie s

Bayer/Hoffmann, Wahrnehmung der limited, GmbHR 2007, 416. 246

Art 1000 CA 2006. 247

Art 1012 CA 2006; Happ/Holler, „Limited“ statt GmbH?, DStR 2004, 736 mwN. 248

Art 1000 (3) CA 2006; Krömker/Otte, Die gelöschte Limited mit Restvermögen in Deutschland: Stehen Gläubiger

und Gesellschafter im Regen?, BB 2008, 964.

Page 46: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

30

Zweigniederlassung aus dem Firmenbuch. Die Gesellschafter sind danach in einer GesbR mit unbeschränkter

Haftung tätig.249

Darüber hinaus muss gem § 280a UGB der eben erwähnte Jahresabschluss der Limited in deutscher Sprache

offengelegt, dh zum Firmenbuch eingereicht werden.250

Neben diesen strengen, in der ersten Beratung eines Unternehmensgründers oftmals nicht besprochenen

Vorschriften müssen sich Unternehmensgründer auf höhere Rechtsanwalts- und Wirtschaftsberatungskosten

aufgrund der genannten Nachteile der Limited, die sich aus der Anwendung bzw „Importierung“ englischen

Gesellschaftsrechts (der lex societatis)251

ergeben, einstellen.252

So betragen allein die Marktpreise für die

rechtliche Beratung im Gründungssstadium und für die Erstellung der Gesellschaftsverträge zwischen ca €

250 und € 2.500.253

Plastisch spricht Zehetner von einem „erschwerten Zugang zum Recht“ und einer damit

erschwerten Rechtsdurchsetzung, die „vor allem dann schmerzlich bewusst werden, wenn die Gesellschafter

nicht mehr zu 100 % einer Meinung sind“.254

Zu den möglichen Folgekosten zählen somit auch Kosten der Rechtsverfolgung im Sitzstaat England255

, da

nach Art 22 Nr. 2 EuGVVO ein ausschließlicher, somit unabdingbarer, Gerichtsstand für wichtige

gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, etwa über die Gültigkeit der Gesellschaft oder der Beschlüsse ihrer

Organe, besteht.256

Auch ist bei den Folgekosten der Unterhalt des bereits erwähnten, verpflichtend einzurichtenden Registered

Office zu bedenken: hier kommen selbst dann Folgekosten auf, wenn es sich bei der Zustelladresse „um

einen reinen Briefkasten handelt“.257

Sogar strafrechtliche Risiken erwarten den Gründer einer Limited: der Betrugstatbestand ist im Falle des

Eingehens von Verbindlichkeiten laut Reich-Rohrwig bei einer vermögenslosen Gesellschaft leichter

erfüllt.258

Schließlich muss auch auf die im Insolvency Act 1986 bzw in der englischen Rechtsprechung vorgesehene

Durchgriffshaftung der Directors („lifting the corporate veil“, also eine Haftung „durch den Schleier der

249

Zehetner, Der Mythos „Limited“: Von vermeintlichen Vorteilen und Nachteilen der Private Limited Company, in:

Hammerschmied (Hrsg.), Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung in Europa, Festschrift für Alfred Brogyányi, Linde

Verlag, Wien 2008, 367. 250

Zehetner, Mythos „Limited“, in: Hammerschmied (Hrsg.), FS Brogyányi, 366f. 251

Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: Damm/Heermann/Veil, Festschrift für Thomas Raiser, De

Gruyter Verlag, Berlin 2005, 4 mwN. 252

Niemeier, GmbH und Limited, Marktdaten, ZIP 2006, 2249, sieht sogar (mwN) „grenzüberschreitend erhebliche

Beratungskosten“, „die im Laufe der Jahre einen Betrag in der Höhe des Mindestkapitals (einer GmbH) erreichen“.

Hirsch/Britain, Artfully Inspired – Werden deutsche Gesellschafen englisch?, NZG 2003, 1103, meinen noch im Jahr

2003, dass sich KMU „in einer ausländischen Rechtsform kaum wohl fühlen“ werden, dies auch aus dem Grund, dass

ihr deutscher „Hausanwalt“ in Fragen der Limited keinen klaren rechtlichen Rat bieten werden könne. Zu diesem

Zweck müsse man sich an „internationale Anwaltskanzleien oder einen englischen Anwalt“ wenden; vgl auch

Happ/Holler, „Limited“ statt GmbH?, DStR 2004, 736: „Guter Rat ist teuer!“. 253

Wachter, Auswirkungen des EuGH-Urteils in Sachen Inspire Art Ltd. auf Beratungspraxis und Gesetzgebung,

GmbHR 2004, 94. 254

Zehetner, Mythos „Limited“, in: Hammerschmied (Hrsg.), FS Brogyányi, 365f. 255

Dort sei die Rechtsverfolgung „wesentlich teurer als in Deutschland“: Dernedde, Companies Act 2006, NJ 2007,

445. 256

Dernedde, Companies Act 2006, NJ 2007, 445. 257

Happ/Holler, „Limited“ statt GmbH?, DStR 2004, 735. 258

Reich-Rohrwig, Startschuss zur GmbH-Reform, ecolex 2008, 138.

Page 47: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

31

Gesellschaft hindurch“) sowie der Gesellschafter als weitere Nachteile, vor allem auch im Hinblick auf die

erweiterte Rechtsberatung in diesen Fällen, hingewiesen werden.259

Zusammenfassend beinhaltet die Gründung einer Limited zwar keine Pflicht zur Aufbringung eines

Mindestkapitals; die Nebenkosten der Gründung und die laufenden Kosten für Rechtsberatung und

Verwaltung der Gesellschaft sind jedoch teuer.260

259

Zu diesem Themenbereich vgl Happ/Holler, „Limited“ statt GmbH?, DStR 2004, 733f. 260

s Frischhut, den die Limited an ein „vermeintliches Mobiltelefon-Schnäppchen“ erinnert: „günstig in der

Anschaffung, im laufenden Betrieb jedoch teuer“, s Frischhut, EU-Vorschlag: Ein Euro für eine europäische GmbH,

Die Presse, Rechtspanorama vom 15.7.2008, 25.

Page 48: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

32

3. Die Europäisierung des Gesellschaftsrechts

3.1 Einführung

3.1.1 Die Grundstruktur des Europäischen Gesellschaftsrechts

Durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union am 1. Jänner 1995 wurde hierzulande auch das

europäische Gesellschaftsrecht implementiert, welches man als das „Gesamtgefüge der in der (Europäischen)

Gemeinschaft geltenden gesellschaftsrechtlichen Normen“261

bezeichnen kann. Zu den „geltenden

gesellschaftsrechtlichen Normen“ der Europäischen Gemeinschaft, dh den primärrechtlichen Normen, wobei

va jene in Art 43, 48 EGV festgelegten Regelungen zur Niederlassungsfreiheit für die vorliegende Arbeit

relevant sind, und den sekundärrechtlichen Normen, dh den Verordnungen und Richtlinien, zählen auch

diverse informelle Empfehlungen, Aktionspläne und Konsultationen und nicht zuletzt die Rechtsprechung

des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Niederlassungsfreiheit.262

Das europäische Gesellschaftsrecht

darf jedoch nicht als ein in sich geschlossenes Rechtsgebiet mit einheitlicher Kodifikation verstanden

werden, sondern besteht aus nur punktuellen Regelungen.263

Die Harmonisierung der nationalen Gesellschaftsrechtsordnungen auf supranationaler Ebene ist in Bezug auf

die Rechtsform der Aktiengesellschaft bereits weit fortgeschritten; hinsichtlich der Gesellschaften mit

beschränkter Haftung wurden die nationalen Rechtsordnungen bislang weniger stark angeglichen.264

Dies

zeigt sich auch in dem – in allen Gesellschaftsrechtordnungen der MS zu findenden – Mindestkapitalgebot

bei der Aktiengesellschaft bzw dieser ähnlichen Rechtsformen iHv zumindest € 25.000 (sowie bei der

Societas Europaea iHv € 120.000),265

während die Festlegung eines Mindestkapitalerfordernisses bei der

GmbH bzw dieser ähnlichen Rechtsformen im freien Belieben jedes MS steht. Der Grund dafür ist, dass die

Kapitalrichtlinie266

und die Verordnung über das Statut der SE nur für die Aktiengesellschaft und die SE,

nicht jedoch für die GmbH ein derartiges Gebot vorschreibt.

Dem Gesellschaftsrecht kommt große Bedeutung für die europäische Integration zu: so ist etwa das

Gesellschaftsrecht einer der wenigen Bereiche des Privatrechts, die im Vertrag zur Gründung der

Europäischen Gemeinschaft (EGV) ausdrücklich genannt sind (zB Art 43, 44, 48, 293 EGV).267

Es ist zudem

261

Horn, Deutsches und europäisches Gesellschaftsrecht und die EuGH-Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit –

Inspire Art, NJW 2004, 894. 262

Eine übersichtliche Gliederung über den aktuellen (12. April 2008) Stand des europäischen Gesellschaftsrechts bietet

online etwa die Universität Augsburg, s Möllers, Datenbank zum deutschen und europäischen Wirtschaftsrecht,

Materialienseiten; abrufbar unter http://www.jura.uni-augsburg.de/prof/moellers/materialien/. 263

Mader, Zur Zukunft des europäischen Gesellschaftsrechts (Teil I), RWZ 2006, 37. 264

Bayer, Aktuelle Entwicklungen im Europäischen Gesellschaftsrecht, BB 2004, 1. 265

Kindler, Auf dem Weg zur Europäischen Briefkastengesellschaft?, Die „Überseering“-Entscheidung des EuGH und

das internationale Privatrecht, NJW 2003, 1078. 266

Zweite gesellschaftsrechtliche Richtlinie, RiL 77/91/EWG, Art 6. 267

Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Ein Handbuch für Wissenschaft und Praxis, Nomos Verlag, Baden-Baden

2000, Rn 1.

Page 49: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

33

jenes Gebiet des Privatrechts, in dem die Harmonisierung der nationalen Rechtsordnungen am weitesten

fortgeschritten ist.268

3.1.2 Der „Race to the Bottom“ und die Rsp des EuGH zur Niederlassungsfreiheit

Die Rechtsprechung des EuGH der letzten Jahre zur Niederlassungsfreiheit führte zu einer Dynamik der

Rechtsentwicklung in Europa, die etwa als „Race to the Bottom“ bezeichnet wurde. Darunter versteht der

deutsche Bundesgerichtshof269

einen Wettbewerb der nationalen Rechtsordnungen, in dem sich das

Gesellschaftsrecht mit dem geringsten Schutzstandard durchsetzen werde.270

Grund für diese Befürchtung, ausländische „Billiggesellschaften“ bzw „Briefkastengesellschaften“ werden in

Zukunft mit heimischen Gesellschaften konkurrieren, ist die durch die Rsp des EuGH ermöglichte Freiheit

der Gründer, die Rechtsform eines anderen Mitgliedsstaates der EU zu wählen, sowie die Pflicht der

Mitgliedsstaaten, die Niederlassung dieser Rechtsform im eigenen Mitgliedsstaat nicht entgegen den Art 43,

49 EGV (den Bestimmungen zur Niederlassungsfreiheit) zu beschränken.

Nunmehr setzte sich aufgrund der Rsp des EuGH die sog Gründungstheorie durch, eine Erscheinung des

internationalen Gesellschaftsrechts, dergemäß die Rechtsverhältnisse einer Gesellschaft nach den

Rechtsvorschriften jenes Staates beurteilt werden sollen, in dem sie gegründet worden sind und ihren

eingetragenen Satzungssitz haben.271

Die Gründungstheorie entstand im 18. Jahrhundert in England, um

Gründungen von Kolonialgesellschaften außerhalb Englands zu ermöglichen.272

Sie war bereits vor den

Entscheidungen des EuGH in den Ländern des common law vorherrschend und in Kontinentaleuropa etwa in

der Schweiz, in Dänemark, in den Niederlanden und teilweise in Italien anerkannt.273

Demgegenüber wurde die Sitztheorie, das Gegenstück zur Gründungstheorie im internationalen

Gesellschaftsrecht, die zuvor in den meisten kontinental-europäischen Rechtsordnungen, etwa in Frankreich,

Spanien, Deutschland und Österreich (§§ 10, 12 IPRG) vorherrschend war,274

vom EuGH verworfen. Dieser

Theorie zufolge war die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft nach dem Recht jenes Staates zu beurteilen, in

dem die Gesellschaft den tatsächlichen Sitz ihrer Hauptverwaltung (den „Sitz der effektiven Verwaltung“275

)

hat.276

Den Grund findet diese Theorie in der Überlegung, dass durch die Anknüpfung an den

Verwaltungssitz sichergestellt sei, dass diejenige Rechtsordnung zur Anwendung komme, zu der die engste

268

Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 2. 269

BGH, Beschluss vom 30.3.2000 – VII ZR 370/98 (OLG Düsseldorf), ZIP 2000, 968. 270

Der EuGH teilte hingegen diese Befürchtung nicht, s Eidenmüller/Rehm, European Corporate Law Review:

Niederlassungsfreiheit versus Schutz des inländischen Rechtsverkehrs: Konturen des Europäischen Internationalen

Gesellschaftsrechts, ZGR 2004, 161, FN 11. 271

Nemeth, Das EuGH-Urteil „Überseering“ oder das endgültige Aus der Sitztheorie?, wbl 2003, 149. 272

Großfeld, Zauber des Rechts, Mohr Siebeck Verlag, Tübingen 1999, 21. 273

Horn, Deutsches und europäisches Gesellschaftsrecht, NJW 2004, 894. 274

Horn, Deutsches und europäisches Gesellschaftsrecht, NJW 2004, 894. 275

S Görk, Das EuGH-Urteil in Sachen „Centros“ vom 9. März 1999: Kein Freibrief für Briefkastengesellschaften!,

GmbHR 1999, 794 mwN. 276

Nemeth, „Überseering“, wbl 2003, 149.

Page 50: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

34

Verbindung bestehe.277

Um die durch die Sitztheorie begünstigte Aufrechterhaltung innerstaatlicher

Schutznormen (etwa des Anleger-, Gläubiger- und Kapitalmarktschutzes278

) durch die Einführung der

Gründungstheorie nicht gänzlich zu beseitigen, werden in Deutschland Mittelwege diskutiert, vorwiegend in

Form der sog Überlagerungstheorie, dergemäß die Rechtsfähigkeit der zuziehenden ausländischen

Gesellschaft grundsätzlich anerkannt wird, dh nach ausländischem Gesellschaftsstatut beurteilt wird, aber

doch bestimmte, Dritte schützende, innerstaatliche gesellschaftsrechtliche Schutznormen im Wege der

Sonderanknüpfung auf diese Gesellschaft anwendet.279

3.1.3 Der „Delaware-Effekt“

Auch wenn die zuvor erwähnte Befürchtung des BGH, es werde sich das Gesellschaftsrecht mit dem

geringsten Schutzstandard behaupten, sich bislang nicht bewahrheitete, so ist doch der Wettbewerb der

nationalen Rechtsordnungen im Rechtsalltag deutlich spürbar, was die anfangs280

erläuterte Problemstellung

dieser Arbeit verdeutlicht: der nationale Gesetzgeber wirbt mit seinen eigenen Gesellschaften „um die Gunst

der Gründer“281

und muss somit auch seine eigenen Ziele neu konzipieren, um den „Wettlauf“ gewinnen zu

können. Drohende Gefahren einer „Niederlage“ in diesem Wettbewerb sind etwa der Verlust der

Rechtsprechungshoheit über weite Teile des Gesellschaftsrechts und Rechtsunsicherheit.

Letztlich könnte es zu einer „Degenerierung der einzelstaatlichen Gesellschaftsrechte“282

kommen, wie der

als „race for laxity“ („Wettlauf um Laxheit“)283

bezeichnete „Delaware-Effekt“ zeigte: gegen Ende des 19.

Jahrhunderts führte, ausgelöst durch den Supreme Court der USA in seiner Entscheidung Paul v. Virginia

aus dem Jahre 1868,284

ein ähnlicher Wettstreit der Einzelstaaten der USA wie derzeit in Europa um die

Gunst der Gründer zu Ergebnissen, die heute noch nicht gänzlich überwunden sind. Der Supreme Court

urteilte in Paul v. Virginia, dass ein Bundesstaat einer auswärtigen, also in einem anderen Bundesstaat

gegründeten Gesellschaft zwar rein innerstaatliche, nicht aber zwischenstaatliche Aktivitäten („interstate

commerce“) untersagen darf.285

Ab dieser Entscheidung bestand die Möglichkeit, eine Gesellschaft im

liberalsten Bundesstaat zu gründen. Zunächst lag der Staat New Jersey im Wettbewerb um das liberalste

277

Görk, EuGH-Urteil „Centros“, GmbHR 1999, 794 mwN. 278

Horn, Deutsches und europäisches Gesellschaftsrecht, NJW 2004, 894. 279

Zum Meinungsstand s Horn, Deutsches und europäisches Gesellschaftsrecht, NJW 2004, 898. 280

S Kapitel 1.1. 281

Horn, Deutsches und europäisches Gesellschaftsrecht, NJW 2004, 894. 282

Horn, Deutsches und europäisches Gesellschaftsrecht, NJW 2004, 901. 283

Happ/Holler, „Limited“ statt GmbH?, DStR 2004, 731. Der Begriff stammt von Höchstrichter („justice“) Louis D.

Brandeis, der 1933 in einer „dissenting opinion“ einen „race to laxity“ zwischen den US-Bundesstaaten um die

Eintragung von Kapitalgesellschaften feststellte. Letztlich war es aber Cary, der 1974 in einem Aufsatz einen „race to

the bottom“ darin konstatierte, dass Delawares Case Law sich im Laufe der Jahrzehnte zu Lasten der Aktionäre

entwickelte; s Gelter, Wettbewerbsbedingungen im europäischen Gesellschaftsrecht; Die amerikanische Diskussion

um die Struktur regulatorischen Wettbewerbs und ihre Bedeutung für Europa, ZfRV 2004, 171f. 284

Happ/Holler, „Limited“ statt GmbH?, DStR 2004, 731; Merkt, Das europäische Gesellschaftsrecht und die Idee des

„Wettbewerbs der Gesetzgeber“, RabelsZ 59/1995, 549. 285

Forstinger, Delawares komparative Vorteile: Warum Delaware auch in Zukunft der führende In- und

Reinkorporationsstaat der USA bleiben wird, ZfRV 2002, 43.

Page 51: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

35

Gesellschaftsrecht vorne.286

Im Jahre 1913 erließ allerdings der damalige Governor von New Jersey,

Woodrow Wilson, ein strenges Kartellgesetz mit nachteiligen Konsequenzen für Konzerne und Holding-

Gesellschaften.287

Obwohl die nachteiligen Regelungen nur bis 1917 in Kraft blieben, ging die Führung im

Wettstreit um das liberalste Gesellschaftsrecht an den Bundesstaat Delaware, der eine niedrige

Gesellschaftssteuer und liberale gesellschaftsrechtliche Bestimmungen einführte.288

Das „Delaware General

Corporation Law“ als gesetzliche Basis des Gesellschaftsrechts Delawares beinhaltet aber auch die

Möglichkeit der Personalunion, wodurch eine Person alle leitenden Positionen einer Gesellschaft besetzen

kann; auch kann die Haftung der Direktoren für Verletzungen der Sorgfaltspflichten („fiduciary duty of

care“) entweder teilweise oder sogar vollständig ausgeschlossen werden. Weiters sieht das „Delaware

General Corporation Law“ keine Mindestkapitalpflicht für Gesellschaften vor.289

Diese liberalen Regelungen bewirkten, dass heute rund 40 % aller an der Wall Street gelisteten Unternehmen

in Delaware ansässig sind.290

Insgesamt waren im Jahr 2002 über 450.000 Gesellschaften in Delaware

inkorporiert, darunter die Mehrheit der „Fortune 500 companies“, also der 500 umsatzstärksten

Kapitalgesellschaften der USA.291

Für den kleinen Bundesstaat an der Ostküste Nordamerikas bestehen nach

hA vor allem zwei Interessen für eine größtmögliche Deregulierung des Gesellschaftsrechts, um damit

möglichst viele Gesellschaften anzulocken:292

Erstens ist für Delaware das finanzielle Interesse

ausschlaggebend. Da auch in den USA (in sämtlichen Bundesstaaten293

) die Gründungstheorie gilt, müssen

Delaware-Gesellschaften auch in Delaware gegründet werden, sodass pro gegründeter Gesellschaft eine

Anmeldungsgebühr („incorporation fee“) und eine periodische Konzessionssteuer („franchise tax“) anfällt.

Beide Abgaben machen zusammen in Delaware über 15 % der gesamten Staatseinnahmen, in besonderen

„Boom“-Jahren bis zu 25 %, aus.294

Ein zweites Interesse Delawares an seinen Incorporations besteht in seiner Abhängigkeit von ihnen: eigene,

nur auf Gesellschaftsrecht spezialisierte Anwaltskanzleien sowie wirtschaftlich von den Gesellschaften

abhängige „satellite industries“ verfügen über mächtige Lobbies und machen so Druck auf den

Gesetzgeber.295

In der amerikanischen Rechtsliteratur wird der „Delaware-Effekt“ kontrovers diskutiert: Gegner des

Wettbewerbs der Rechtsordnungen („regulatory competition“) weisen sogar auf ein mögliches

Marktversagen hin, das der Effekt herbeiführen könnte; Befürworter meinen, ein System von Versuch und

Irrtum („Trial and Error“), wie es Folge des Wettbewerbs ist, führe zu einer qualitativen und quantitativen

Verbesserung des Gesetzes- und Richterrechts, und somit zu einer Optimierung des Rechts („race to the

286

Gelter, Wettbewerbsbedingungen im europäischen Gesellschaftsrecht, ZfRV 2004, 174. 287

Forstinger, Delawares komparative Vorteile, ZfRV 2002, 43. 288

Hack, Die Sitztheorie nach dem EuGH-Urteil Überseering, GesRZ 2003, 35. 289

Forstinger, Delawares komparative Vorteile, ZfRV 2002, 44f. 290

Merkt, Idee des „Wettbewerbs der Gesetzgeber“, RabelsZ 59/1995, 549. Schon vor 10 Jahren berichtete Merkt, ebda,

dass über 80 % aller Gesellschaften, die in den vergangenen 25 Jahren innerhalb der USA ihren Sitz änderten, nach

Delaware wechselten; die Mehrheit der 500 größten Kapitalgesellschaften der USA sind Delaware corporations. 291

Forstinger, Delawares komparative Vorteile, ZfRV 2002, 42. 292

Merkt, Idee des „Wettbewerbs der Gesetzgeber“, RabelsZ 59/1995, 549f. 293

Forstinger, Delawares komparative Vorteile, ZfRV 2002, 43. 294

Merkt, Idee des „Wettbewerbs der Gesetzgeber“, RabelsZ 59/1995, 549. 295

Merkt, Idee des „Wettbewerbs der Gesetzgeber“, RabelsZ 59/1995, 550.

Page 52: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

36

top“).296

So wird etwa im Falle Delawares auch in der europäischen Diskussion297

der Vorteil seiner

spezialisierten, effektiven Gerichte angeführt, die neben dem statutarischen „Delaware General Corporation

Law“ ein zumindest gleich wichtiges Case Law schaffen.298

Die Erkenntnisse aus dem Wettbewerb in den USA kann man auch auf den Regulierungswettbewerb in

Europa übertragen: ein Staat, der seine eigenen Gesellschaftsformen möglichst attraktiv macht, profitiert

einerseits von den Gebühren und Abgaben, und andererseits vom wachsenden Sektor der

Dienstleistungsunternehmen, die sich der Beratung von Unternehmensgründern verschrieben haben.299

3.1.4 „Europäisierung“ als neues Phänomen?

Eine „Amerikanisierung“ des österreichischen Gesellschaftsrechts im Sinne eines „Booms“ an

amerikanischen Gesellschaften, welche seit dem Freundschafts-, Handels- und Konsularvertrag zwischen der

Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika, in Kraft getreten am 27. Mai 1931300

, gemäß

dessen Art IX301

Rechtsfähigkeit auch in Österreich genießen, ist hingegen302

nicht zu befürchten.303

Art IX des Freundschaftsvertrages verdrängt die in § 10 IPRG vorgeschriebene Sitztheorie für Gesellschaften

aus Nicht-EU-Mitgliedstaaten (§ 53 Abs 1 IPRG); US-Gesellschaften sind somit – nach der

Firmenbucheintragung der Zweigniederlassung – berechtigt, sich mit ihrer vollen Rechtsfähigkeit in

Österreich niederzulassen, und ihre Tätigkeit auszuüben.304

Der Freundschaftsvertrag zeigt somit, dass das „Eindringen“ ausländischer Rechtsformen in die

österreichische Rechtslandschaft kein erst durch den EuGH hervorgerufenes, neues Phänomen darstellt;

vielmehr ist diese Möglichkeit – etwa auch in Deutschland – schon längere Zeit bekannt.305

Auch der Begriff

296

Gelter, Wettbewerbsbedingungen im europäischen Gesellschaftsrecht, ZfRV 2004, 174. 297

Gelter, Wettbewerbsbedingungen im europäischen Gesellschaftsrecht, ZfRV 2004, 175. 298

Forstinger, Delawares komparative Vorteile, ZfRV 2002, 45. 299

Vgl Kalss/Schauer, Die Reform des Österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, 456f. 300

BGBl Nr. 192/1931; zur Wiederanwendbarkeit s Novacek, Körperschaftsteuer und Gesellschaftsteuer von aus Nicht-

EU-Staaten zugezogenen Kapitalgesellschaften, RdW 2003, 677f mwN. 301

Der erste Absatz des Art IX lautet: „Die Rechtsstellung der Gesellschaften und Vereinigungen mit oder ohne

Haftungsbeschränkung, mögen sie Erwerbszwecken dienen oder nicht, welche gemäß und unter dem Reichs-, Staats-

oder Landesrecht eines der beiden hohen vertragsschließenden Teile errichtet worden sind oder künftig errichtet

werden und welche innerhalb seiner Gebiete eine Hauptniederlassung haben, soll durch den anderen hohen

vertragschließenden Teil anerkannt werden, vorausgesetzt, daß sie innerhalb seiner Gebiete keine seinen Gesetzen

widersprechenden Zwecke verfolgen.“ 302

S jedoch Happ/Holler, „Limited“ statt GmbH?, DStR 2004, 731, die aufgrund eines ähnlichen

Freundschaftsvertrages zwischen Deutschland und den USA vermuten, dass „nun auch verstärkt über die Gründung

oder den Einkauf von US-amerikanischen Gesellschaften wie die Delaware-Corporation in Deutschland nachgedacht

werden wird“. 303

So nutzte etwa in Deutschland im Jahr 2006 nur ein Unternehmen (amerikanischer Unternehmer, mit über 2000

Mitarbeitern) die Rechtsform einer amerikanischen Gesellschaft (Inc.), s den Artikel der deutschen Hans-Böckler

Stiftung für Mitbestimmung, Flucht aus der Mitbestimmung? Viel Wind, wenig Substanz, Böckler impuls 2/2006, 7,

abrufbar im Internet unter http://www.boeckler-boxen.de/images/impuls_2006_02_7.pdf. 304

Dies gilt trotz des im zweiten Absatz des Art IX vorgesehenen Zustimmungsvorbehalts, der aus heutiger Sicht nur

mehr eine Verpflichtung zur Eintragung im Firmenbuch darstellt; s Novacek, Nicht-EU-Kapitalgesellschaften, RdW

2003, 678. 305

In Österreich seit 1931, in Deutschland seit 1954; s zur deutschen Rechtslage Hirsch/Britain, Artfully Inspired, NZG

2003, 1103f.

Page 53: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

37

„Europäisierung“ an sich existierte bereits vor den Entscheidungen des EuGH, wenngleich damals (wie auch

heute noch) als Ausdruck europäischer Integration durch Harmonisierung.306

306

Vgl Behrens, Die Europäisierung des Gesellschaftsrechts, GmbHR 1993, 129ff.

Page 54: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

38

3.2 Geschichte und Ziele des europäischen Gesellschaftsrechts

3.2.1 Übersicht über die Entwicklung

Ausgangspunkt der Überlegungen um ein europaweites Gesellschaftsrecht bildet die Idee von einer

einheitlichen, Europäischen (Aktien)-Gesellschaft (welche im Jahr 2004 schließlich auch verwirklicht

wurde), die bereits in der Zwischenkriegszeit für eine Harmonisierung der nationalen Gesellschaftsrechte

stand.307

Nach dem Zweiten Weltkrieg flammte die Diskussion rund um die Schaffung einer übernationalen

Gesellschaft erneut auf; parallel dazu, mit der Schaffung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mit den

Römischen Verträgen vom 25. März 1957, begann man, die nationalen Aktiengesellschaftsrechte zu

harmonisieren.308

Die Erste Gesellschaftsrechtliche Richtlinie, die Publizitätsrichtlinie309

, wurde 1968 verabschiedet, womit

erstmals durch einen gemeinschaftsrechtlichen Akt in nationales Privatrecht eingegriffen wurde.310

Die

Richtlinie ist auf die Rechtsformen der AG, KGaA, aber auch der GmbH anwendbar311

und regelt die

Offenlegung der Angaben über die Gesellschaften, die Wirksamkeit von Organhandlungen der genannten

Gesellschaften gegenüber Dritten sowie die Gründe und Folgen der Nichtigkeit einer Gesellschaft.312

Bis zur Verabschiedung der Zweiten Gesellschaftsrechtlichen Richtlinie, der Kapitalrichtlinie313

, am

13.12.1976 vergingen aufgrund der Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft 1973 (Großbritannien,

Irland und Dänemark) und der daraus folgenden Verlagerung der Tätigkeitsschwerpunkte314

mehr als 8

Jahre. Entstanden ist ein Gesetzeswerk, das für das europäische Aktiengesellschaftsrecht von prägender

Bedeutung ist:315

die Richtlinie ist nur auf Aktiengesellschaften anwendbar und normiert Fragen der

Gründung und des Satzungsinhalts.

Ein wesentlicher Teil der Richtlinie betrifft das Stammkapital der Aktiengesellschaft, welches in der

Richtlinie mit einem Mindestbetrag von 25.000 Europäischen Rechnungseinheiten316

festgesetzt wurde.

Treibende Kraft hinter der Schaffung der Richtlinie war nach Meinung einiger Autoren Deutschland; so

nannte Kübler im Jahr 1990 die Kapitalrichtlinie einen „Sieg der deutschen Rechtstradition“.317

Tatsächlich

307

Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 31. 308

Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 35. 309

Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9.3.1968, Abl L 065 vom 14.3.1968. 310

Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 35. 311

Behrens, Die Europäisierung des Gesellschaftsrechts, GmbHR 1993, 131. 312

Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 35. 313

Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom 13.12.1976, ABl L 26/1 vom 31.1.1977. 314

Grünwald, Europäisches Gesellschaftsrecht, Wiener Universitätsverlag, Wien 1999, 35. 315

Haberer, The Road Ahead: Zur Zukunft des europäischen Gesellschaftsrechts, GesRZ 2003, 216. 316

Darunter versteht Art 6 Abs 1 UAbs 2 der Kapitalrichtlinie die Rechnungseinheit, die durch die Entscheidung Nr.

3289/75/EGKS der Kommission festgelegt worden ist. Es handelte sich hierbei um die gemeinsame Bezugsgröße der

europäischen Währungen; sie wurde 1981 vom ECU (European Currency Unit) und in späterer Folge vom Euro

abgelöst; vgl das Glossar auf der Homepage der Oesterreichischen Nationalbank, abrufbar unter:

http://www.oenb.at/de/glossar/. 317

Kübler, zitiert nach Zollner, Mindestkapital und Kapitalaufbringung – wirksame Instrumente des

Gläubigerschutzes?, in: Kalss (Hrsg.), Aktuelle Fragen des Gläubigerschutzes im italienischen, slowenischen und

österreichischen Kapitalgesellschaftsrecht, Linde Verlag, Wien 2002, 35 mwN.

Page 55: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

39

erkennt man in der Richtlinie das System des festen Nennkapitals wieder, welches auch im

Kapitalgesellschaftsrecht von Deutschland oder auch Österreich zu finden ist. Das Mindeststammkapital der

GmbH und vergleichbarer Rechtsformen wurde demgegenüber nicht in der Kapitalrichtlinie festgesetzt;

vielmehr fehlt bis heute eine europäische Regelung, sodass diesbezüglich eine Kompetenz der nationalen

Gesetzgeber besteht. Eine Einbeziehung der GmbH in das Regelungsregime der Kapitalrichtlinie wurde zwar

verschiedentlich gefordert, steht aber auch aufgrund der Realisierung einer „supranationalen GmbH“ in

Gestalt der Europäischen Privatgesellschaft langfristig nicht auf der Agenda der Europäischen Union.318

Als Grund für die Bevorzugung der Aktiengesellschaft auch in den weiteren Gesellschaftsrechtlichen

Richtlinien, die seit der Kapitalrichtlinie ergangen sind319

(obwohl etwa die 1978 verabschiedete

Bilanzrichtlinie320

auf alle Kapitalgesellschaften anwendbar ist; als weiteres Ausnahmebeispiel gilt die

Zwölfte Richtlinie, die „Einpersonenrichtlinie“, welche die Möglichkeit der Errichtung einer GmbH durch

nur eine Person normierte321

), gibt der EG-Gesetzgeber noch in den ersten Gesellschaftsrechtlichen

Richtlinien als Erwägungsgrund an, dass in der Wirtschaft der Mitgliedstaaten die Tätigkeit der

Aktiengesellschaften vorherrsche und diese Gesellschaften häufig die Grenzen des nationalen Hoheitsgebiets

überschritten.322

Dem wird die unterschiedliche Verbreitung der Rechtsformen der Aktiengesellschaft und

der GmbH sowie die stetige Bedeutungssteigerung der GmbH entgegengehalten; die Kommission stellte in

ihrem 1985 vorgelegten Weißbuch zur Vollendung des Binnenmarktes klar, dass bei einer

Rechtsangleichung „insbesondere das GmbH-Recht, da die GmbH wirtschaftlich die wichtigste Rechtsform

ist“, koordiniert werden muss.323

Dies ist aber bis heute noch nicht geschehen: die zentralen Bereiche des

GmbH-Rechts, etwa die Gründung, die Kapitalaufbringung und –erhaltung sowie die Mitgliedschaft finden

sich bislang noch nicht im europäischen Gesellschaftsrecht.324

Aus dieser Ungleichbehandlung von AG

einerseits und GmbH andererseits auf europäischer Ebene entstanden größere nationale Unterschiede im

Recht der GmbH; letztlich musste sich der EuGH in den später darzustellenden Urteilen mit den

Folgeproblemen befassen.325

Neben der Rechtsangleichung (Harmonisierung) als eines der wichtigsten Instrumente zur Verwirklichung

der Ziele des EG-Vertrages, insbesondere zur Schaffung binnenmarktähnlicher Verhältnisse (vgl Art 3 Abs 1

lit h EGV) wurde – wenngleich in quantitativ geringerer Ausführung – auch europäisches Einheitsrecht

erlassen. Die 1985 auf der Grundlage von Art 235 EWG-Vertrag (nunmehr Art 308 EGV)326

erlassene

Verordnung über die Schaffung einer „Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung“ (EWIV)327

, die

318

Vgl Kalss/Schauer, Die Reform des Österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, 323 mwN. 319

Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Eine systematische Darstellung unter Einbeziehung des Europäischen

Kapitalmarktrechts, C.F. Müller Verlag, Heidelberg 2004, Rn 14: „Unter den Kapitalgesellschaften ist das Recht der

Aktiengesellschaft stärker Europäisch geregelt“. 320

Vierte gesellschaftsrechtliche Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25.7.1978, ABl Nr. L 222 vom 14.8.1978. 321

Vgl Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 1462. 322

Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 15. 323

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vollendung des Binnenmarktes, Weißbuch der Kommission an den

Europäischen Rat, KOM (85) 310 endg., Rn 140. 324

Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 1462. 325

Haberer, The Road Ahead: Zur Zukunft des europäischen Gesellschaftsrechts, GesRZ 2003, 216. 326

Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 40. 327

EWG-VO Nr. 2137/85 des Rates vom 25.7.1985, ABl 1985, L 199/1.

Page 56: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

40

2001 erlassene Verordnung über das Statut der „Europäischen Gesellschaft“ (Societas Europaea, SE)328

, die

2002 erlassene Verordnung betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards329

sowie

die 2003 erlassene Verordnung über das Statut der Europäischen Genossenschaft (Societas Cooperativa

Europaea, SCE)330

zählen bislang zu den einzigen Rechtsvereinheitlichungsmaßnahmen der EG in Bezug auf

das Gesellschaftsrecht. Da aber letztlich auch eine weitestgehende Angleichung der nationalen

Gesellschaftsrechte durch Richtlinien nicht ausreichen wird, um die rechtlichen Rahmenbedingungen zu

schaffen, die für die Errichtung und das Funktionieren eines europäischen Binnenmarkts geboten sind,331

bestehen Überlegungen zur Schaffung weiterer supranationaler, europäischer Gesellschaftsformen.

3.2.2 Ziele

Um die Vorgangsweise der EG in Geschichte und Gegenwart im Hinblick auf das Gesellschaftsrecht

verstehen zu können, ist nicht nur ein historischer Überblick, sondern auch ein Verständnis der Ziele und

Funktionen des europäischen Gesellschaftsrechts nötig, welche im Folgenden kurz erläutert werden sollen.

Hintergrund der Errichtung eines europäischen Gesellschaftsrechts war und ist vor allem die Integration, also

die Erleichterung binnenmarktgrenzüberschreitender Tätigkeiten und somit das Ausräumen von

Hindernissen, die die Parteien selbst nicht beseitigen können.332

Dieses zentrale Ziel, welches alle Rechtsakte

der EG mit Konnex zum Gesellschaftsrecht verfolgen,333

ergibt sich schon aus dem Katalog an Tätigkeiten

der Europäischen Gemeinschaft in Art 3 EGV, wodurch etwa ein Binnenmarkt geschaffen werden soll, „der

durch die Beseitigung der Hindernisse für den freien Waren, Personen, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr

zwischen den Mitgliedstaaten gekennzeichnet ist“ (lit c); außerdem soll eine „Angleichung der

innerstaatlichen Rechtsvorschriften“ herbeigeführt werden, „soweit dies für das Funktionieren des

Gemeinsamen Marktes erforderlich ist“ (lit h).334

Die meisten Rechtsakte im Bereich des Gesellschaftsrecht

gründeten in der Vergangenheit auf europäischer Ebene auf Art 44 Abs 2 lit g (vormals Art 54) EGV.335

Diese Norm verpflichtet die Organe der EG, die Niederlassungsfreiheit, derzufolge Beschränkungen der

freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates im anderen aufgehoben werden sollen,336

insbesondere durch Koordinierung der Schutzbestimmungen zu verwirklichen, „die in den Mitgliedstaaten

den Gesellschaften im Sinne des Art 48 Abs 2 im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben

sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten“. Daraus wird interpretiert, dass einerseits die

328

VO (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8.10.2001, ABl L 294 vom 10.11.2001. 329

VO (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.7.2002, ABl L 243 vom 11.9.2002. 330

VO (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom 22.7.2003, ABl L 207/1 vom 18.8.2003. 331

Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 16. 332

Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 31f. 333

Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 56. 334

Vgl Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 32. 335

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische

Parlament vom 21.5.2003, Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in

der Europäischen Union – Aktionsplan, KOM (2003) 284 endg., 6. 336

Grünwald, Europäisches Gesellschaftsrecht, 12.

Page 57: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

41

Niederlassung für Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten erleichtert und andererseits Rechtssicherheit bei

innergemeinschaftlichen Geschäften gewährleistet werden soll.337

Ein weiteres Ziel des europäischen Gesellschaftsrechts ist die Modernisierung der nationalen

Gesellschaftsrechtsordnungen und der Abbau überkommener Strukturen.338

Die Kommission hat hierfür, als

Antwort auf den Winter-Bericht „über moderne gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen in Europa“ von

2002, in ihrem Aktionsplan (2003) zur „Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der

Corporate Governance in der EU“ Gründe aufgezählt, weshalb dem europäischen Gesellschaftsrecht „frische

Impulse“ verliehen werden soll:339

so sei es notwendig, den Binnenmarkt größtmöglich auszuschöpfen, da

die zunehmende Tendenz europäischer Unternehmen, grenzübergreifend im Binnenmarkt tätig zu sein,

gemeinsame gesellschaftsrechtliche Bestimmungen erfordere, die unter anderem die Niederlassung und die

grenzübergreifende Umstrukturierung erleichtern sollen. Auch die Erweiterung der Union sei ein Grund für

eine Modernisierung des Gesellschaftsrechts, da die neuen Mitgliedstaaten weiter „zur Vielfalt der

nationalen rechtlichen Rahmenbedingungen in der EU beitragen“ werden und somit die Beachtung der

Rechtssicherheit in Zukunft von Bedeutung sein werde.340

In den nächsten Jahren soll somit ein flexibler und dynamischer Rahmen geschaffen werden,341

der nicht nur

Corporate Governance – Regelungen umfasst, sondern auch den Aktionärsschutz in die Zielvorgaben

miteinbezieht. Auch in Bezug auf Gläubigerschutzvorschriften soll „ein hoher Qualitätsstandard beibehalten“

werden.342

Speziell für KMU soll ein flexiblerer Rahmen geschaffen werden, und zwar „nach dem Vorbild

der auf nationaler Ebene eingeleiteten Deregulierungsinitiativen“.343

Ein weiteres Ziel, das die Kommission in ihrem Aktionsplan von 2003 anführt, ist die Schaffung weiterer

supranationaler Rechtsformen; im Hinblick auf KMU soll eine „Europäische Privatgesellschaft“ aus der

Taufe gehoben werden.344

Die Förderung der KMU war schon in früheren Initiativen Ziel der Kommission,

so diente etwa die Einpersonenrichtlinie von 1989 der Förderung mittelständischer Unternehmen, indem die

unternehmerische Tätigkeit einzelner Personen mit Haftungsbeschränkung erleichtert werden sollte. Durch

die Richtlinie wurden die Mitgliedstaaten verpflichtet, die direkte Gründung einer Einpersonen-GmbH

zuzulassen.345

337

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Aktionsplan 2003, KOM (2003) 284 endg., 6. 338

Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 59. 339

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Aktionsplan 2003, KOM (2003) 284 endg., 7. 340

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Aktionsplan 2003, KOM (2003) 284 endg., 6. 341

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Aktionsplan 2003, KOM (2003) 284 endg., 3. 342

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Aktionsplan 2003, KOM (2003) 284 endg., 9. 343

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Aktionsplan 2003, KOM (2003) 284 endg., 10. 344

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Aktionsplan 2003, KOM (2003) 284 endg., 25. 345

Grünwald, Europäisches Gesellschaftsrecht, 38.

Page 58: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

42

3.3 Die Europäische Privatgesellschaft (EPG)

3.3.1 Einführung und Vorgeschichte

Zwar existieren mit der SE, der SCE und der EWIV drei Gesellschaften auf supranationaler Ebene, doch sind

diese nur bedingt für KMU geeignet. So ist etwa für die SE in Art 4 Abs 2 der Verordnung über das Statut

der Europäischen Gesellschaft (SE)346

ein hohes Mindestkapital von € 120.000 vorgesehen; zudem ist die

Rechtsform der SE an die Aktiengesellschaft angelehnt347

; die komplizierten Verweisungen auf die

nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten erfordern erheblichen Beratungsbedarf.348

Dies sind

Hürden, die grenzüberschreitend tätige KMU häufig abschrecken.349

So trifft man die Rechtsform der SE nur

bei großen Firmen an.350

Die Rechtsform der EWIV hat zwingenden Non-Profit-Charakter, der sie für

(kleinere351

) Unternehmensgründer uninteressant macht.352

Auch der SCE werden keine großen

Erfolgschancen beigemessen, zudem Genossenschaften schon auf nationaler Ebene eine weniger bedeutende

Rolle spielen,353

was umso mehr für KMU gilt. Eine Alternative wäre die Harmonisierung der nationalen

GmbH-Rechte, dem steht die Kommission aber skeptisch gegenüber: dies würde eine „beträchtliche und

wahrscheinlich unangemessene“ Einmischung in die nationalen Gesellschaftsrechtsordnungen darstellen.354

Eine supranationale Rechtsform, die speziell für KMU konzipiert ist, welche grenzüberschreitend in Europa

tätig sind, sowie in ihrem Statut auf rechtlich komplizierte Verweise weitgehend verzichtet, wird zwar schon

seit längerem diskutiert;355

eine derartige „europäische GmbH“ gibt es aber bislang noch nicht.

Auch im Hinblick auf die Ziele der sog Lissabon-Strategie könnte eine supranationale Gesellschaft hilfreich

sein;356

demnach soll die EU, etwa auch im Wege der Förderung der KMU, zum wettbewerbsfähigsten und

dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt werden.357

346

VO (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8.10.2001, ABl L 294 vom 10.11.2001. 347

So bestimmt zB Art 1 Abs 2 SE-VO, dass das Kapital der SE in Aktien zerlegt ist. 348

Bayer et al., Zur Entwicklung des Europäischen Gesellschaftsrechts: Stellungnahme der Arbeitsgruppe Europäisches

Gesellschaftsrecht (Group of German Experts on Corporate Law) zum Report of the High Level Group of Company

Law Experts on a modern Regulatory Framework for Company Law in Europe, ZIP-Dokumentation, ZIP 2003, 879. 349

Frischhut, Eine europäische Rechtsform („Euro-GmbH“) für KMU: Die Europäische Privatgesellschaft, ecolex

2007, 217. 350

In Österreich sind 3 SE im Firmenbuch eingetragen (Stand: Jänner 2006), etwa die Kärntner STRABAG mit über

50.000 Mitarbeitern; vgl Mader, Zur Zukunft des europäischen Gesellschaftsrechts (Teil I), RWZ 2006, 38. 351

Wohl aber finden sich bei Großunternehmen prominente Beispiele für EWIV: etwa wird der französisch-deutsche

Fernsehsender Arte und wurde der Airbus-Konzern bis 2001 in der Rechtsform der EWIV betrieben. Ganz allgemein

gilt jedoch die EWIV als in der Praxis wenig erfolgreich; vgl Bayer/Schmidt, Aktuelle Entwicklungen im

Europäischen Gesellschaftsrecht, BB 2008, 454 mwN. 352

Vgl Art 3 Abs 1 EWIV-VO, wonach „die Vereinigung … den Zweck (hat), die wirtschaftliche Tätigkeit ihrer

Mitglieder zu erleichtern oder zu entwickeln …; sie hat nicht den Zweck, Gewinn für sich selbst zu erzielen“; Mader,

Zur Zukunft des europäischen Gesellschaftsrechts (Teil I), RWZ 2006, 38f. 353

Mader, Zur Zukunft des europäischen Gesellschaftsrechts (Teil I), RWZ 2006, 38. 354

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der

Europäischen Privatgesellschaft, KOM (2008) 396 endg., 4. 355

Fietz, Die europäische Privatgesellschaft (EPG) – wird sie kommen?, GmbHR 2007, R 321. 356

Vgl zur Lissabon-Strategie va: Europäischer Rat, Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rats in

Lissabon, 23. und 24. März 2000, SN 100/00, 5 (in Bezug auf KMU). 357

Steinberger, Die Europäische Privatgesellschaft – Schaffung einer europaweiten Rechtsform für kleine und mittlere

Unternehmen im Binnenmarkt, BB Beilage 7, 37/2006, 27.

Page 59: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

43

Eine „GmbH-rechtlich inspirierte Gesellschaftsform des Gemeinschaftsrechts“ wurde bereits 1973 in einer

Studie der rechtswissenschaftlichen Forschungsabteilung der Industrie- und Handelskammer Paris (Centre de

recherche sur le droit des affaires; CREDA) vorgeschlagen;358

es dauerte jedoch bis 1999, als von einer

privaten, deutsch-französischen Arbeitsgruppe ein Verordnungs-Entwurf für eine Europäische

Privatgesellschaft (abgekürzt: EPG; auch: Société Privée Européenne bzw Societas Privata Europaea oder

SPE)359

vorgelegt wurde.360

Mit der Europäischen Privatgesellschaft sollten „geschlossene Gesellschaften“

angesprochen werden. Dieser Begriff (im angloamerikanischen Rechtskreis „close company“ genannt)

bezeichnet eine personalistisch ausgestaltete Gesellschaft, die nicht für den Kapitalmarkt „geöffnet“ ist.361

Vorgeschlagen wurde, die Regelungen der EPG auf KMU einzugrenzen, da vor allem diese Unternehmer die

größten Vorteile aus einer grenzüberschreitend tätigen, supranationalen Rechtsform ziehen könnten; zudem

erhoffte man von den KMU einen Abbau der Arbeitslosigkeit in den Mitgliedstaaten.362

In den darauffolgenden Jahren wurde dieser Entwurf für zahlreiche Aktionen auf europäischer Ebene als

Grundlage genommen, so befasste sich die 2001 von der Kommission beauftragte Expertengruppe rund um

Jaap Winter auch mit der privaten Initiative. Die Winter-Gruppe empfahl in ihrem „Bericht über moderne

gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen in Europa“363

, sich mit der Europäischen Privatgesellschaft erst

nach Annahme der Zehnten Richtlinie über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen

Mitgliedstaaten zu befassen; erkanntermaßen sei ein Wunsch nach einem Statut für eine EPG vorhanden.

Zudem sei vor einem Vorschlag der Kommission eine Durchführbarkeitsstudie erforderlich.364

Unabhängig von der Tätigkeit der Expertengruppe wurde vom Europäischen Wirtschafts- und

Sozialausschuss im Oktober 2001 eine öffentliche Anhörung zur Einrichtung einer EPG durchgeführt und im

März 2002 ein entsprechendes Gutachten veröffentlicht; darin wurde festgehalten, dass ein dringender

Bedarf für die Einführung einer europäischen Gesellschaft für KMU besteht.365

In ihrem bereits erwähnten Aktionsplan von 2003366

kündigte die Kommission die baldige Einleitung einer

Durchführbarkeitsstudie an. Unter der Leitung von Gérard Seguin wurde schließlich eine

Machbarkeitsstudie367

ausgearbeitet und im Juli 2005 veröffentlicht. Darin wurde festgehalten, dass in den

meisten Ländern steuerliche Anreize bei der Schaffung einer neuen supranationalen Gesellschaftsform für

KMU die Hauptrolle spielen.368

Das Problem fehlender steuerlicher Vorschriften bei der SE soll bei der

358

Frischhut/Geymeyer, Die Societas Privata Europaea (SPE), ecolex 2008, 970 mwN. 359

Boucourechliev/Hommelhoff, Vorschläge für eine Europäische Privatgesellschaft, 281ff. 360

Frischhut, Europäische Privatgesellschaft, ecolex 2007, 217. 361

Hommelhoff/Helms, Weiter auf dem Weg zur Europäischen Privatgesellschaft, GmbHR 1999, 53f. 362

Hommelhoff/Helms, Weiter auf dem Weg zur Europäischen Privatgesellschaft, GmbHR 1999, 54. 363

Winter et al., Bericht der hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über moderne

gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen in Europa, Brüssel 2002, 123ff. 364

Winter et al., Bericht, 129f. 365

Mellert/Verfürth, Wettbewerb der Gesellschaftsformen, Ausländische Kapitalgesellschaften als Alternative zu AG

und GmbH, Erich Schmidt Verlag, Berlin 2005, 206f. 366

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Aktionsplan 2003, KOM (2003) 284 endg., 25. 367

Seguin, Abschlussbericht: Machbarkeitsstudie über ein europäisches Statut für KMU, AETS/EBN, Lettre de Contrat

N° FIF 20030950, abrufbar im Internet unter: http://ec.europa.eu/enterprise/entrepreneurship/craft/craft-

priorities/doc/de_resume_rapport_final.pdf. 368

Seguin, Abschlussbericht: Machbarkeitsstudie über ein europäisches Statut für KMU, 39.

Page 60: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

44

Schaffung einer EPG ausgeschaltet werden: eine „Verbesserung des steuerlichen Umfelds …, insbesondere

bei Unternehmen mit geringem Umsatz (weniger als 1 Mio. Euro)“369

, sei daher wichtig.

Im darauf folgenden Jahr bis Ende 2006 wurde von den Organen der Europäischen Union wenig

unternommen, um die Entwicklung des Statuts einer Europäischen Privatgesellschaft voranzutreiben, obwohl

sich etwa anlässlich einer Anhörung über die künftigen Prioritäten des Aktionsplans 64 % der Befragten für

die Notwendigkeit einer eigenen Rechtsform für Klein- und Mittelunternehmen aussprachen.370

Im Dezember 2006 nahm das Europäische Parlament einen Bericht des Abgeordneten Klaus-Heiner Lehne

über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft (EPG) an371

und forderte die Europäische Kommission,

die im Bereich des europäischen Gesellschaftsrechts das Initiativmonopol besitzt,372

am 1. Februar 2007 gem

Art 192 Abs 2 EGV auf, einen entsprechenden Gesetzesvorschlag auf der Grundlage der

„Lückenschließungsklausel“ (Art 308 EGV)373

im Jahre 2007 vorzulegen.374

Der Aufforderung schloss das

Europäische Parlament Empfehlungen zur Ausgestaltung der EPG an. So soll das Statut der EPG auf

Verweise auf nationales Recht verzichten und somit im Gegensatz zur SE-Verordnung ein eigenständiges

europäisches Gesetzeswerk darstellen;375

das Mindestkapital soll iHv € 10.000 vorgeschrieben werden.376

Um die Seriosität des Handelsverkehrs nicht zu beeinträchtigen, schlug das Europäische Parlament zudem

vor, dass Geschäftsführer einer EPG nur sein kann, wem eine entsprechende Tätigkeit nicht durch ein

Gericht oder eine Verwaltungsbehörde eines Mitgliedstaates untersagt wurde; die Gründung der EPG soll

durch die Nutzung von Musterverträgen erleichtert werden.377

Hinsichtlich der Zulässigkeit von

Ausschüttungen schlug das Europäische Parlament vor, dass diese nur dann zulässig sein sollen, soweit das

Vermögen das Stammkapital der Gesellschaft übersteigt. Darüber hinaus sollen Ausschüttungen auch dann

zulässig sein, wenn die Gesellschaft ein Jahr nach der Ausschüttung nach Überzeugung der Geschäftsführer

weiterhin in der Lage ist, die fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen.378

Abgesehen von den Tätigkeiten des Rates der Europäischen Union, der in seinem Achtzehnmonatsprogramm

im Jahr 2006 ebenfalls Beratungen über eine EPG ankündigte,379

lag es seitdem an der Europäischen

Kommission, einen Gesetzesvorschlag für ein EPG-Statut auszuarbeiten. Fraglich war dabei, ob überhaupt

ein eigenständiges, europäisches Gesetzeswerk erarbeitet werden könnte, wie es das Europäische Parlament

forderte. Da das nationale Gesellschaftsrecht jeweils in das nationale Zivilrecht eingebettet ist, und insofern

369

Seguin, Abschlussbericht: Machbarkeitsstudie über ein europäisches Statut für KMU, 17. 370

Frischhut, Eine europäische Rechtsform („Euro-GmbH“) für KMU, ecolex 2007, 217f. 371

Feltl/Fragner, Unternehmensrecht aktuell: Europäische Privatgesellschaft (EPG), GesRZ 2007, 5. 372

Frischhut, Eine europäische Rechtsform („Euro-GmbH“) für KMU, ecolex 2007, 217. 373

Frischhut, Eine europäische Rechtsform („Euro-GmbH“) für KMU, ecolex 2007, 217. 374

Entschließung des Europäischen Parlaments mit Empfehlungen an die Kommission zum Statut der Europäischen

Privatgesellschaft, Donnerstag, 1. Februar 2007, Brüssel, 2006/2013(INI); abrufbar unter:

http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P6-TA-2007-

0023+0+DOC+XML+V0//DE#BKMD-14; Feltl/Fragner, Unternehmensrecht aktuell: Europäische Privatgesellschaft

(EPG), GesRZ 2007, 5. 375

Falls Rechtsfragen in der VO nicht geregelt seien, soll jedoch ein Rückgriff auf nationales Rechts möglich sein; vgl

Feltl/Fragner, Unternehmensrecht aktuell: Europäische Privatgesellschaft (EPG), GesRZ 2007, 5. 376

Entschließung des Europäischen Parlaments mit Empfehlungen an die Kommission zum Statut der Europäischen

Privatgesellschaft, abrufbar unter: europarl.europa.eu. 377

Feltl/Fragner, Unternehmensrecht aktuell: Europäische Privatgesellschaft (EPG), GesRZ 2007, 5. 378

Feltl/Fragner, Unternehmensrecht aktuell: Europäische Privatgesellschaft (EPG), GesRZ 2007, 5. 379

Frischhut, Eine europäische Rechtsform („Euro-GmbH“) für KMU, ecolex 2007, 218.

Page 61: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

45

ein einheitliches, europäisches Zivilrecht fehlt,380

schien eine Bezugnahme auf das einzelstaatliche

Zivilrecht, entgegen der Empfehlung des Europäischen Parlaments, unvermeidlich.381

Im Oktober 2007 teilte der Kommissar für den Binnenmarkt und Dienstleistungssektor, Charlie McCreevy,

mit, er beabsichtige, bis Mitte 2008 einen Vorschlag vorzulegen.382

Auch wurde schon im Aktionsplan 2003

die Vorlage eines Vorschlags für ein EPG-Statut als mittelfristige Maßnahme (2006-2008) ins Auge

gefasst.383

Anlässlich der vorbereitenden Arbeiten, zu denen auch die Durchführung einer Umfrage mittels

Fragebogen gehörte,384

wurde am 10. März 2008 von der Generaldirektion Binnenmarkt und

Dienstleistungen eine eintägige Konferenz über die Europäische Privatgesellschaft in Brüssel abgehalten.385

Dabei wurde unter anderem festgehalten, dass eine EPG, deren Zielpublikum (KMU) 99,8 % aller

Unternehmen innerhalb der Europäischen Union ausmacht und ein großes Potenzial an Dynamik und

Wachstum für die Union darstellt,386

einfach zu gründen sowie flexibel und billig zu führen sein muss und

durch ein möglichst einheitliches Gesetzeswerk geregelt werden soll.387

Auch habe die Konferenz die

unterschiedlichen Meinungen etwa hinsichtlich des Kapitals der Gesellschaft aufgezeigt; man solle hierbei

aber Schwierigkeiten nicht aus dem Weg gehen, vielmehr gelte das Zitat Senecas: „Difficulties strengthen

the mind, as labour the body“.388

Mit Datum vom 25.6.2008 wurde als Reaktion der Kommission auf die Entschließung des Europäischen

Parlaments der sog „Small Business Act“389

angenommen, ein „Grundsatzpapier für kleine Unternehmen“390

,

das die Geschäftstätigkeit der 23 Millionen KMUs im Binnenmarkt entsprechend ihren spezifischen

Bedürfnissen fördern und, etwa durch Abschaffung bürokratischer Hemmnisse um bis zu 25 %, erleichtern

soll.391

Im Zeichen des Prinzips „Vorfahrt für KMU“, nach dem sich die Politik auf europarechtlicher Ebene

in Hinkunft richten sollte392

, steht dabei vor allem der Vorschlag für eine Verordnung zur Festlegung eines

Statuts für eine Europäische Privatgesellschaft (EPG),393

der als Bestandteil des Small Business Act ebenfalls

am 25.6.2008 von der Kommission verabschiedet wurde.394

Nach Angaben der Kommission machen KMUs

380

Haberer, The Road Ahead: Zur Zukunft des europäischen Gesellschaftsrechts, GesRZ 2003, 219. 381

Vgl Winter et al., Bericht, 22. 382

Pressemitteilung, Brüssel, 10. März 2008, Gesellschaftsrecht: Kommission veranstaltet Konferenz über die

Europäische Privatgesellschaft, abrufbar im Internet unter:

http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/08/411&format=HTML&aged=0&language=DE&guiLa

nguage=en. 383

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Aktionsplan 2003, KOM (2003) 284 endg., 22, 30. 384

Frischhut/Geymeyer, Die Societas Privata Europaea (SPE), ecolex 2008, 971 mwN. 385

Pressemitteilung vom 10. März 2008, abrufbar unter: http://europa.eu. 386

Holmquist, Closing Remarks, Conference on the European Private Company, Brussels, 10 March 2008; abrufbar im

Internet unter: http://ec.europa.eu/internal_market/company/docs/epc/presentations/closing_en.pdf, 2. 387

Holmquist, Closing Remarks, 3. 388

Zitiert nach Holmquist, Closing Remarks, 4. 389

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorfahrt für KMU in Europa: Der Small Business Act für Europa,

KOM (2008) 394 endg. 390

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Small Business Act, KOM (2008) 394 endg., 3. 391

Mayerhöfer, Zentrale Diskussionspunkte der Europäischen Privatgesellschaft (EPG) anlässlich des offiziellen VO-

Vorschlages der Kommission, GeS 2008, 176. 392

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Small Business Act, KOM (2008) 394 endg., 4. 393

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Small Business Act, KOM (2008) 394 endg., 5. 394

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der

Europäischen Privatgesellschaft, KOM (2008) 396 endg.

Page 62: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

46

mehr als 99 % der Unternehmen in der EU aus und stellen knapp 70 % der privatwirtschaftlichen

Arbeitsplätze, seien aber nur zu 8 % grenzüberschreitend tätig395

und verfügten nur zu 5 % über

Tochtergesellschaften oder Gemeinschaftsunternehmen im Ausland.396

Der Bedeutung der KMU für den

Binnenmarkt soll daher eine neue supranationale Gesellschaftsform Rechnung tragen. Ziel des Vorschlags ist

die Senkung der Kosten für die Gründung und den Betrieb eines Unternehmens, die sich aus den

unterschiedlichen nationalen Gesellschaftsrechtsordnungen ergeben.397

Auch der Rechtsberatungsaufwand

soll durch eine Mustersatzung wegfallen.398

Voraussichtliches Datum des Inkrafttretens der Verordnung über

das Statut für eine Europäische Privatgesellschaft ist gem Art 48 des Verordnungsvorschlags der

Europäischen Kommission der 1. Juli 2010.

3.3.2 Vorschläge für die allgemeine Ausgestaltung der EPG

3.3.2.1 Eigenschaften, Gründung und subsidiäre Anwendung nationalen Rechts

Hinsichtlich der Ausgestaltung der Europäischen Privatgesellschaft muss zwischen dem privaten

Verordnungsentwurf der Industrie- und Handelskammer Paris399

aus dem Jahr 1999, den Empfehlungen des

Europäischen Parlaments400

im Anhang seiner Entschließung vom 1. Februar 2007 sowie dem

Verordnungsvorschlag der Kommission vom 25. Juni 2008401

unterschieden werden.

Die EPG ist nach allen drei Vorschlägen als personalistische Kapitalgesellschaft ähnlich der GmbH

ausgestaltet; jeder Gesellschafter haftet nur bis zur Höhe der gezeichneten Einlagen (Art 2 Abs 1 des

Verordnungsentwurfs von 1999, im Folgenden: VO-Entwurf 1999402

). Die Anteile der EPG dürfen nicht

öffentlich zur Zeichnung angeboten werden; es dürfen zudem keine Inhaberpapiere ausgegeben werden (Art

2 Abs 2 VO-Entwurf 1999). Die EPG ist also eine „geschlossene Gesellschaft“, die zudem – nach

Ausgestaltung des VO-Entwurfs sowie der Empfehlungen des Europäischen Parlaments – keine

grenzüberschreitende Tätigkeit voraussetzt; vielmehr soll durch die EPG eine zusätzliche und freiwillige

Auswahlmöglichkeit neben nationalen Gesellschaftsformen geschaffen werden.403

395

Frischhut, EU-Vorschlag: Ein Euro für eine europäische GmbH, Die Presse, Rechtspanorama vom 15.7.2008, 25. 396

Peters/Wüllrich, Gesellschaftsrechtliche Einigung Europas durch die Societas Privata Europaea (SPE), DB 2008,

2179 FN 9. 397

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag, KOM (2008) 396 endg., 2. 398

Bachner/Lemanska/Horwath, Die Europäische Privatgesellschaft ante portas!, ecolex 2008, 824. 399

Boucourechliev/Hommelhoff, Vorschläge für eine Europäische Privatgesellschaft, 281ff. 400

Entschließung des Europäischen Parlaments mit Empfehlungen an die Kommission zum Statut der Europäischen

Privatgesellschaft, Donnerstag, 1. Februar 2007, Brüssel, 2006/2013(INI); abrufbar im Internet unter:

http://europarl.europa.eu. 401

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der

Europäischen Privatgesellschaft, KOM (2008) 396 endg. 402

Vgl Boucourechliev/Hommelhoff, Vorschläge für eine Europäische Privatgesellschaft, 281ff sowie die Website der

Pariser Handelskammer: http://www.etudes.ccip.fr/dossiers/spe/de/textde.htm. 403

Frischhut, Eine europäische Rechtsform („Euro-GmbH“) für KMU, ecolex 2007, 218.

Page 63: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

47

Die Gesellschaft kann „aus dem Nichts“ („ex nihilo“) oder im Wege einer Umgründung (Umwandlung,

Verschmelzung oder Spaltung) gegründet werden404

; mit der Eintragung in das nationale Register des

jeweiligen Mitgliedstaates erhält die EPG Rechtsfähigkeit (Art 2 Abs 4 VO-Entwurf 1999). Fragen etwa der

Rechtsfähigkeit, der Gründung sowie der Auflösung sollen nach Empfehlung des Europäischen Parlaments

vom 1. Februar 2007 allesamt einheitlich, dh in der Verordnung, geregelt werden. Nur in den wenigen, nicht

geregelten, Bereichen soll nationales Recht subsidiär zur Anwendung gelangen.405

Diesem Idealfall, dh der

Anwendbarkeit nur einer Rechtsordnung, versuchte schon Art 12 VO-Entwurf 1999 gerecht zu werden:406

demnach finden auf die EPG die Bestimmungen des Verordnungsentwurfs und ihre Satzungsregelungen, die

dem VO-Entwurf nicht widersprechen dürfen, Anwendung. Zudem sind die in dem VO-Entwurf 1999

geregelten Bereiche der Anwendung des nationalen Rechts der Mitgliedstaaten entzogen. Der VO-Entwurf

1999 ging weiter als die Empfehlung des Europäischen Parlaments und sieht als subsidiäre Rechtsquelle in

Art 12 Abs 2 nur die allgemeinen Prinzipien des VO-Entwurfs sowie die allgemeinen Prinzipien des

europäischen Gesellschaftsrechts bzw die allgemeinen Prinzipien, die den nationalen Rechtsordnungen

gemeinsam sind und dem VO-Entwurf nicht widersprechen, vor. Die Bestimmungen nationalen

Gesellschaftsrechts sollen nur dann gelten, wenn der VO-Entwurf ausdrücklich auf nationales

Gesellschaftsrecht verweist (Art 12 Abs 3 VO-Entwurf 1999).407

Das Anliegen der Kommission, rechtliche und administrative Hindernisse für KMU zu beheben, zeigt sich

etwa in der liberalen Regelung des Art 8 Abs 2 des VO-Vorschlages 2008: demnach genügt für die Satzung

einer Europäischen Privatgesellschaft die schriftliche Form; eine notarielle Beurkundung ist nicht

erforderlich. Peters/Wüllrich sehen darin den Verlust einer bewährten Beratungsinstanz, was letztlich in

einem erhöhten Konfliktpotential enden könnte.408

Auch hinsichtlich der Regeln über die Arbeitnehmermitbestimmung innerhalb der EPG kamen Kritiken auf:

Art 34 des VO-Vorschlags 2008 bestimmt, dass die EPG den Mitbestimmungsregeln jenes Mitgliedstaats

unterliegen soll, in dem die Gesellschaft ihren eingetragenen Sitz, also ihren Satzungssitz, hat. Da Satzungs-

und Verwaltungssitz bei der EPG auseinanderfallen können (Art 7 Abs 2 VO-Vorschlag 2008), könnte dies

zu mitbestimmungsrechtlichen Umgehungen verleiten, wie etwa von deutschen Arbeitnehmervertretern

kritisiert wurde.409

404

Frischhut, EU-Vorschlag: Ein Euro für eine europäische GmbH, Die Presse, Rechtspanorama vom 15.7.2008, 25. 405

Fietz, Die europäische Privatgesellschaft (EPG) – wird sie kommen?, GmbHR 2007, R 321. 406

Frischhut, Eine europäische Rechtsform („Euro-GmbH“) für KMU, ecolex 2007, 218f. 407

Frischhut, Eine europäische Rechtsform („Euro-GmbH“) für KMU, ecolex 2007, 219. 408

Peters/Wüllrich, Societas Privata Europaea (SPE), DB 2008, 2180. 409

S dazu und zu Alternativvorschlägen näher Hommelhoff/Krause/Teichmann, Arbeitnehmer-Beteiligung in der

Europäischen Privatgesellschaft (SPE) nach dem Verordnungsvorschlag, GmbHR 2008, 1193f.

Page 64: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

48

3.3.2.2 Der Verordnungsvorschlag der Kommission vom 25. Juni 2008

Der Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission vom 25. Juni 2008 umfasst 48 Artikel, die grosso

modo den erwähnten Empfehlungen des Europäischen Parlaments folgen410

: dies betrifft erstens die

besprochene Anwendung nationalen Rechts nur in den Fällen, die nicht in der Verordnung geregelt sind (s

Art 4 des Verordnungsvorschlags 2008); zweitens verzichten beide Dokumente ausdrücklich auf eine

Festschreibung des sog „Mehrstaatlichkeitsprinzips“.411

Darunter versteht man die bei allen bisher

geschaffenen supranationalen Rechtsformen notwendige Voraussetzung eines grenzüberschreitenden

Sachverhalts; eine EPG könnte daher von Unternehmern eines Mitgliedstaates innerhalb desselben gegründet

werden, ohne dass die Anknüpfung zu einem anderen Mitgliedstaat in irgendeiner Weise notwendig wäre.

Hommelhoff hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass sich dieser Verzicht auf

„Transnationalität“, sofern er Gesetz wird, auf den Wettbewerb der nationalen Rechtsformen „mit großer

Wucht“ auswirken werde. Die EPG werde dann „in voller Breite und ohne jede Einschränkung“ in

Konkurrenz zur GmbH treten.412

Gerade diese Konsequenz nahm allerdings noch die private Studie von

Boucourechliev/Hommelhoff von 1999 zum Anlass, „zwingend“ das Mehrstaatlichkeitsprinzip bei der EPG

zu verankern.413

Die Kommission begründet den fehlenden Mehrstaatlichkeitsbezug in ihrem Verordnungsvorschlag von

2008 jedoch damit, dass in der Regel Unternehmer ihr Unternehmen zunächst im eigenen Mitgliedstaat

gründen, bevor sie in anderen Ländern tätig werden. Eine grenzüberschreitende Anforderung bereits in der

Startphase würde das Potenzial des Unternehmens mindern.414

An diesem Ansatzpunkt wurde Kritik laut:

statt eines Verzichts auf Transnationalität, der vor allem unter dem Gesichtspunkt des Subsidiaritätsprinzips

(Art 5 Abs 2 EGV) und des erwähnten möglichen Wettbewerbs zwischen GmbH und EPG problematisch ist,

sollte die Verordnung eine formwechselnde Umwandlung, etwa als bloße Satzungsänderung, regeln, um den

Unternehmern, die erst später grenzüberschreitend tätig werden wollen, einen schnellen und unkomplizierten

Umstieg von der GmbH auf die EPG zu ermöglichen.415

Als weiterer allgemeiner Punkt ist noch zu nennen, dass der Verordnungsvorschlag, wie vom Europäischen

Parlament vorgeschlagen, zwar als Vollstatut konzipiert ist, aber auf gesetzlicher Ebene relativ wenig regelt;

vielmehr vertraut die Kommission den privatautonomen Regulierungen durch die Gesellschafter.416

410

Mayerhöfer, Zentrale Diskussionspunkte der Europäischen Privatgesellschaft (EPG), GeS 2008, 176. 411

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag, KOM (2008) 396 endg., 3; Mayerhöfer, Zentrale

Diskussionspunkte der Europäischen Privatgesellschaft (EPG), GeS 2008, 178. 412

Hommelhoff, Die Europäische Privatgesellschaft (SPE): Auswirkungen auf die nationale GmbH, GesRZ 2008, 341. 413

„Die SFE (Société Fermée Européenne) muß zwingend mehrstaatlich sein, damit sie als Rechtsform nur begrenzt in

Konkurrenz zu den mitgliedstaatlichen Rechtsformen treten kann“: Boucourechliev/Hommelhoff, Vorschläge für eine

Europäische Privatgesellschaft, 162. 414

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag, KOM (2008) 396 endg., 3. 415

Hommelhoff/Teichmann, Bundesrat bremst Europa-GmbH: Erwiderung auf seine Stellungnahme zum SPE-

Verordnungvorschlag, GmbHR 2009, 36. 416

Mit 48 Artikeln ist der VO-Vorschlag von 2008 schon prima facie ein äußerst „schlankes“ Gesetz. Primär ist die

EPG daher auf Regulierung durch die Gesellschafter in der Satzung angewiesen; dafür spricht auch Anhang I des

VO-Vorschlags 2008, der die Mindest-Regelungsanforderungen an die Satzung stellt. Demgegenüber wurden aber

auch keine Mustersatzungen in den Gesetzesentwurf aufgenommen; s dazu Frischhut/Geymeyer, Die Societas Privata

Europaea (SPE), ecolex 2008, 972 mwN.

Page 65: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

49

Doch im hier interessierenden Zusammenhang mit der Kapitalaufbringung der EPG folgt der

Verordnungsvorschlag nicht mehr der bisherigen Linie, wie im folgenden Kapitel dargestellt werden soll.

3.3.3 Vorschläge hinsichtlich des Mindestkapitals der EPG

3.3.3.1 Die privaten Studien von Boucourechliev/Hommelhoff und Helms

Die private Studie von Boucourechliev/Hommelhoff von 1999 zur Ausgestaltung der Europäischen

Privatgesellschaft zeigte, dass selbst in England, dessen Limited kein Mindestkapital vorsieht, eine

Ausdehnung der Zweiten Richtlinie auf Limited Companies und somit eine Änderung deren

Kapitalausstattungsregeln diskutiert wurde. Ein Bericht für die Generaldirektion XV der Europäischen

Kommission vom 15. Juli 1992, der dieses Thema behandelte, betrachtete das Erfordernis eines

Mindestkapitals als „wünschenswert“ und forderte gar, dass in dieser Hinsicht „jedweder Widerstand …

überwunden werden müsse“.417

Boucourechliev/Hommelhoff vermuteten aufgrund dieser eindeutigen

Position, dass eine europäische Privatgesellschaft ein Mindestkapital voraussetzen werde.418

Ein Bericht des Company Law Committee von 1962 sah Unterkapitalisierung als einen der wesentlichen

Gründe für Unternehmenszusammenbrüche an; die Studie führt noch weitere Diskussionspapiere,

Weißbücher und Berichte an, in denen ein gesetzliches Mindestkapital etwa als „Schutz und teils als

Abschreckung vor leichtfertigen Gründungen“ sowie als „grobes Mittel“, „die angemessene

Kapitalausstattung sicherzustellen, weil neue Geschäftszweige veränderte Finanzierungsbedürfnisse mit sich

bringen würde“, empfohlen wurde. Auch bei englischen Unternehmern seien immer wieder Anzeichen

bemerkbar, die Kreditwürdigkeit neugegründeter Betriebe durch Einrichtung eines gesetzlichen

Mindestkapitals sicherzustellen.419

Die Studie zeigte, dass es sich bei der Errichtung eines Mindestkapitals aber auch um einen Balanceakt

handeln müsse, da einerseits sichergestellt werden müsse, dass das „anfängliche Mindestkapital keine zu

hohe Hürde vor der Verwendung einer passenden europäischen Gesellschaftsform durch diejenigen

Unternehmen aufrichtet, die davon profitieren würden“. Andererseits sollen durch das Mindestkapital

„unschuldige Dritte im Rechtsverkehr mit einer ernstlich unterkapitalisierten Gesellschaft“ geschützt

werden.420

Ein Mindestkapitalerfordernis für die EPG muss also nach der Ausgestaltung im VO-Entwurf 1999 zwei

Funktionen erfüllen: zum einen soll das Mindestkapital als „Seriositätsschwelle“ sicherstellen, dass

„Schwindelgründungen“ von EPG vermieden werden;421

zum anderen muss das Erfordernis einen Schutz der

417

Zitiert nach Boucourechliev/Hommelhoff, Vorschläge für eine Europäische Privatgesellschaft, 85f. 418

Boucourechliev/Hommelhoff, Vorschläge für eine Europäische Privatgesellschaft, 86. 419

Boucourechliev/Hommelhoff, Vorschläge für eine Europäische Privatgesellschaft, 85f. 420

Boucourechliev/Hommelhoff, Vorschläge für eine Europäische Privatgesellschaft, 109. 421

Helms, Die Europäische Privatgesellschaft. Rechtliche Strukturen und Regelungsprobleme einer supranationalen

Gesellschaft des Gemeinschaftsrechts, Rechtsfragen der Handelsgesellschaften, Band 96, Verlag Dr. Otto Schmidt,

Köln 1998, 131.

Page 66: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

50

Gläubiger sicherstellen. Dabei kann das Mindestkapital entweder fix im Gesetz vorgesehen sein oder

individuell je nach Gesellschaft „nach der jeweiligen Risikostruktur“ bemessen werden.422

Bei letzterer

Möglichkeit könnte, ähnlich der Regelung des Mindestkapitals in Belgien, ein Geschäftsplan vorgesehen

werden, den die Gesellschafter bei der Gründung aufstellen müssen, und welcher die Höhe des festgesetzten

Kapitals gegenüber den unternehmerischen Aktivitäten der Gesellschaft rechtfertigt. Dieser Plan, der von

den belgischen Gerichten streng beurteilt wird, darf nicht nur überblicksartig die Aktivitäten beschreiben,

sondern etwa auch mögliche Gewinne und Verluste einkalkulieren.423

Ein an diese Regelung angelehntes

Mindestkapitalerfordernis zielt nach Ansicht von Helms genau auf die „kritischste Phase“ einer GmbH ab,

nämlich auf die ersten Jahre nach der Gründung der Gesellschaft, in denen die meisten GmbHs Konkurs,

häufig aufgrund völlig unzureichender Kapitalausstattung, anmelden müssen; die Eröffnung des

Konkursverfahrens wird oft mangels Masse abgelehnt.424

Ein Geschäftsplan würde die Aktivitäten der

Gesellschaft zumindest der ersten Jahre nach der Gründung überblicksmäßig beschreiben können und somit

einer Überschuldung entgegenwirken.425

Ob letztlich ein individuelles, je nach Gesellschaftsaktivität unterschiedliches Mindestkapitalerfordernis oder

ein fixer Betrag gesetzlich verankert werden sollte, war bis zum VO-Vorschlag der Kommission 2008

fraglich: letztere Möglichkeit hätte jedenfalls „Fingerspitzengefühl“ im Hinblick auf die Regelungen der

Mitgliedstaaten erfordert: so würde in England bereits 39 % der Unternehmer ein Mindestkapital von 10.000

GBP (umgerechnet etwa € 12.700) abhalten, eine Gesellschaft zu gründen; ein Mindestkapital von 25.000

GBP (umgerechnet etwa € 31.800) würde bereits 59 % von der Gründung abhalten.426

Ähnliche

Befragungsergebnisse dürften heutzutage auch in den anderen Mitgliedstaaten erzielt werden, vor allem

aufgrund aktueller Gesetzgebungstendenzen, die aus dem Wettbewerbsstreben der Mitgliedstaaten

resultieren; so war schon vor dem VO-Vorschlag der Kommission von 2008 gewiss, dass sich ein

Mindestkapitalerfordernis der EPG auch an den Regelungen im deutschen MoMiG orientieren müsse,

welches das Mindestkapital der „klassischen“ deutschen GmbH iHv € 25.000 zwar nicht veränderte (im

Gegensatz zum Regierungsentwurf dieses Gesetzes, welcher noch eine Herabsenkung auf € 10.000

vorschlug), mit der „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ aber eine „neue“ GmbH einführte, die

ohne Mindeststammkapitalerfordernis auskommt.427

Zudem würde ein ähnlich hohes Mindestkapital wie

jenes der SE (€ 120.000) die meisten KMU abschrecken.428

Der VO-Entwurf 1999 sah demgemäß, noch nicht durch die spätere Rechtsprechung des EuGH und den

darauf folgenden Wettbewerb der Gesellschaftsrechte beeinflusst, in Art 3 zur Vermeidung von

Missbräuchen429

ein Mindestkapitalerfordernis in Gestalt eines fixen Betrages iHv € 25.000 vor. Das

Stammkapital muss zudem in voller Höhe gezeichnet werden; die gezeichneten Einlagen müssen zum

422

Helms, Die Europäische Privatgesellschaft, 126. 423

Helms, Die Europäische Privatgesellschaft, 129. 424

Helms, Die Europäische Privatgesellschaft, 127. 425

Helms, Die Europäische Privatgesellschaft, 129. 426

Helms, Die Europäische Privatgesellschaft, 131 mwN. 427

Seibert/Decker, Die GmbH-Reform kommt!, ZIP 2008, 1208. 428

Mellert/Verfürth, Wettbewerb der Gesellschaftsformen, 211. 429

Boucourechliev/Hommelhoff, Vorschläge für eine Europäische Privatgesellschaft, 139f.

Page 67: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

51

Zeitpunkt der Eintragung in voller Höhe erbracht sein. Bei dem Mindestkapitalerfordernis von € 25.000

orientierte man sich an dem in Deutschland vorgesehenen Betrag von 50.000 DM. Das Erfordernis eines

Mindestkapitals wurde von der Arbeitsgruppe, die den Verordnungsentwurf 1999 ausarbeitete, als kein

zwingender Grund angesehen, um die Gläubiger zu schützen; vielmehr sei es Aufgabe der Gläubiger selbst,

sich vorzusehen und Informationen über den Geschäftspartner einzuholen.430

Dennoch entschied man sich

für ein Mindestkapital, „um die Zustimmung bestimmter Mitgliedstaaten zum Vorschlag“ einer EPG „zu

erlangen“, wobei hinzugefügt wurde, dass es dadurch auch weiterer Vorschriften über die Kapitalerhaltung

bedürfe.431

3.3.3.2 Die Empfehlungen des Europäischen Parlaments und der VO-Vorschlag der Kommission

Das Europäische Parlament verringerte in seinen Empfehlungen vom 1. Februar 2007 den vorgeschlagenen

Betrag des gesetzlichen Mindestkapitals der EPG von € 25.000 auf € 10.000, offensichtlich beeinflusst durch

die Rechtsprechung des EuGH und daraus resultierende aktuelle Reformbestrebungen, vor allem der gleich

lautenden Gesetzesvorlage in Deutschland;432

im Beschluss über das MoMiG durch den deutschen

Bundestag am 26. Juni 2008 wurde das gesetzliche Mindestkapital der „klassischen“ GmbH hingegen bei €

25.000 belassen.

Der bisher besprochenen Linie, im Statut der EPG ein gesetzliches Mindestkapital vorzuschreiben, folgt

jedoch der Verordnungsvorschlag der Kommission vom 25. Juni 2008433

nicht mehr.434

Der Vorschlag legt

die Mindestkapitalanforderung in Art 19 Abs 4 auf 1 Euro fest; die Gesellschafter sind also gehalten, die

Höhe des Stammkapitals in Hinsicht auf den für den Gesellschaftszweck erforderlichen Eigenkapitalbedarf

in der Satzung festzulegen.435

Die Kommission lehnt sich bei der 1-Euro-Regelung offensichtlich an die

Kapitalaufbringungsvorschriften der britischen Limited oder der französischen SARL an,436

um einen

Attraktivitätsverlust der neuen Gesellschaftsform von Beginn an zu vermeiden.

Begründet wird diese Abkehr vom bisherigen Ansatz (€ 25.000 bzw € 10.000) in den Erläuterungen des

Vorschlags mit dem Wunsch, „Neugründungen zu erleichtern“.437

Der bisherige Ansatz habe, so die

Erläuterung, „die Anforderung eines hohen gesetzlichen Mindestkapitals als Mittel der Gläubigerschutzes

betrachtet“. Da Gläubiger heutzutage aber eher auf andere Gesichtspunkte als das Kapital, zB den Cashflow,

achten, da diese für die Solvenz relevanter seien, erübrige sich ein hohes Mindestkapital. Außerdem böten

Mitglieder der Unternehmensleitung von kleinen Unternehmen ihren Gläubigern, etwa Banken, oftmals

persönliche Garantien; Lieferanten sicherten ihre Forderungen mit anderen Methoden ab, etwa durch

430

Boucourechliev/Hommelhoff, Vorschläge für eine Europäische Privatgesellschaft, 111. 431

Boucourechliev/Hommelhoff, Vorschläge für eine Europäische Privatgesellschaft, 112f. 432

Frischhut, Eine europäische Rechtsform („Euro-GmbH“) für KMU, ecolex 2007, 219. 433

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag, KOM (2008) 396 endg., 8. 434

Mayerhöfer, Zentrale Diskussionspunkte der Europäischen Privatgesellschaft (EPG), GeS 2008, 182:

„Paradigmenwechsel“. 435

Maul/Röhricht, Die Europäische Privatgesellschaft – Überblick, BB 2008, 1576. 436

So auch Mayerhöfer, Zentrale Diskussionspunkte der Europäischen Privatgesellschaft (EPG), GeS 2008, 183. 437

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag, KOM (2008) 396 endg., 8.

Page 68: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

52

Eigentumsvorbehalte. Außerdem sei es aufgrund des unterschiedlichen Kapitalbedarfs unmöglich, für alle

Unternehmen ein angemessenes Kapital festzusetzen.438

Auch im Begleitdokument zum Vorschlag der Kommission vom 25. Juni 2008439

wird ausgeführt, dass

verbindliche Mindestkapitalanforderungen keinen angemessenen Gläubigerschutz mehr darstellen und bei

der Gründung der Gesellschaft einen großen Teil der Kosten verursachen. Eine Mindestkapitalanforderung

von, wie bisher vorgeschlagen, € 25.000 oder € 10.000 würde angesichts der unterschiedlichen

Lebensstandards für Unternehmer aus den neuen Mitgliedstaaten die Gründung einer EPG erschweren.440

3.3.3.3 Kritik am Verordnungsvorschlag der Kommission

Diese Abkehr vom gesetzlichen Mindestkapital wird von Hommelhoff und Teichmann kritisiert;441

die

Begründung für den Verzicht auf ein Mindestkapital, in der Unternehmerpraxis werde Gläubigerschutz auf

anderem Wege verwirklicht, und außerdem wüssten die Gesellschafter besser als der Gesetzgeber, welches

Kapital die Gesellschaft für ihre Geschäftstätigkeit benötige, sei zwar richtig, treffe aber nicht den Kern des

Problems. Sie übersehe nämlich die Funktion des Mindestkapitals als „Eintrittsgebühr“, um unüberlegte

Gründungen nach dem Motto „erst gründen, dann nachdenken“ zu vermeiden. Ein Kapitalbeitrag indiziere

„Seriosität“ im Sinne einer ernsthaften Gründungsplanung. Dies sei für die Akzeptanz der Europäischen

Privatgesellschaft im Allgemeinen bedeutsam, da sich die EPG ihr Renommée im Rechts- und

Geschäftsverkehr erst erarbeiten müsse. Verzichte auch der Europäische Ministerrat auf ein Mindestkapital

in der EPG-Verordnung, so müsse wenigstens sichergestellt werden, dass die reale Kapitalausstattung der

Gesellschaft allgemein verlautbart wird, etwa auf allen Geschäftsbriefen; potentielle Geschäftspartner

müssten nämlich deutlich davor gewarnt werden, dass kein Risikokapital in der Gesellschaft vorhanden ist.442

Maul/Röhricht schlagen als Ausgleich für das fehlende Mindestkapital die Einführung alternativer

Gläubigerschutzinstrumente vor; so soll etwa vor der Ausschüttung des Kapitals ein zwingender Solvenztest

durchgeführt werden, anstatt eine fakultative Solvenzbescheinigung (s dazu sogleich) auszustellen. Weiters

sei zu überlegen, den Grundsatz der Kapitalerhaltung und insbesondere das Verbot der Ausschüttung von

Einlagen wieder aufzunehmen.443

Das bislang letzte Kapitel in der Diskussion rund um ein Mindestkapital der neuen EPG stellen die

Diskussionen im Europäischen Parlament dar, deren Ausgangspunkt ein Berichtsentwurf des deutschen

438

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag, KOM (2008) 396 endg., 8. 439

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Zusammenfassung der Folgenabschätzung, Begleitdokument zum

Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft (EPG), KOM (2008)

396, SEK (2008) 2098 endg., 6. 440

Der Durchschnitt der Mindestkapitalanforderungen der EU-15 betrage € 10.000- € 12.000, der Durchschnitt der EU-

12 betrage € 4.000: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Begleitdokument, KOM (2008) 396 endg., 7. 441

Hommelhoff/Teichmann, Eine GmbH für Europa: Der Vorschlag der EU-Kommission zur Societas Privata Europaea

(SPE), GmbHR 2008, 904. 442

Hommelhoff/Teichmann, Eine GmbH für Europa, GmbHR 2008, 904. 443

Maul/Röhricht, Die Europäische Privatgesellschaft – Überblick, BB 2008, 1579.

Page 69: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

53

Abgeordneten Klaus-Heiner Lehne vom September 2008444

darstellt.445

In diesem Berichtsentwurf schlägt

Lehne als „hilfsweise … Diskussionsalternative“ die Anhebung des Mindestkapitals auf den vom

Europäischen Parlament bereits 2007 geforderten Betrag von € 10.000 vor, wobei für Lehne auch ein

niedrigerer Betrag denkbar ist; zwar diene laut Lehne das Stammkapital nicht dem Gläubigerschutz, es stelle

aber doch eine gewisse Seriositätsschwelle dar. Ein allzu hohes Stammkapital und somit ein ernsthaftes und

unüberwindbares Gründungshindernis sei aber auch nicht zielführend. Die derzeit in den verschiedenen

Mitgliedstaaten noch unterschiedlich empfundene Kapitalschwelle von € 10.000 könnte aber bei einer

weiteren „Annäherung der Lebensbedingungen innerhalb der EU“ ein einheitliches Empfinden bewirken.446

Abgeordneter Karas sieht ebenfalls ein Mindestkapital als „Beitrag zur nachhaltigen Stabilität und

Überlebensfähigkeit eines Unternehmens“ im Interesse von Verbrauchern, Unternehmen und Gläubigern und

somit auch im Interesse einer wettbewerbsfähigen EU an.447

3.3.4 Vorschläge hinsichtlich der Kapitalerhaltung der EPG

3.3.4.1 Die private Studie von 1999

Als eine Regelung im VO-Entwurf 1999 zur Kapitalerhaltung kann die Bestimmung über die Verringerung

des Eigenkapitals in Art 28 Abs 1448

angesehen werden; sinkt demnach das Eigenkapital unter die Summe

des Mindestkapitals, müssen die Gesellschafter innerhalb eines Monats nach der Feststellung der Verluste in

den Buchführungsunterlagen entscheiden, ob die Gesellschaft aufgelöst werden oder ihre Geschäftstätigkeit

fortsetzen soll. Letzterenfalls müssen die Gesellschafter innerhalb von 6 Monaten das Eigenkapital auf den

Mindestkapitalbetrag von € 25.000 erhöhen. Ähnliches gilt gemäß Art 28 Abs 2 auch, falls sich das

Eigenkapital der Gesellschaft auf weniger als die Hälfte des Stammkapitals verringern sollte, wobei hier

nach Entschluss der Weiterführung der Gesellschaft auch die Möglichkeit besteht, das Grundkapital um

einen mindestens dem Verlust entsprechenden Betrag zu vermindern. Der VO-Entwurf 1999 enthält keine

weiteren Regelungen zur Kapitalerhaltung bei der EPG; nationale Regeln über Kapitalerhaltung und

Kapitalersatz kommen mangels Verweis auf nationales Recht im VO-Entwurf nicht zur Anwendung, es sei

denn, sie ließen sich als allgemeine Prinzipien des Gesellschaftsrechts der Gemeinschaft (Art 12 VO-

Entwurf 1999, s dazu oben) feststellen.

444

Lehne, Entwurf eines Berichts über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen

Privatgesellschaft, 9.9.2008, 2008/0130(CNS); abrufbar im Internet unter europaparl.europa.eu. 445

Karas, „Wegwerf-GmbH“ oder europäisches Qualitätsmerkmal?, VWT 2008, H 5, 10. 446

Lehne, Berichtsentwurf, 17, 40. 447

Karas, „Wegwerf-GmbH“ oder europäisches Qualitätsmerkmal?, VWT 2008, H 5, 11. 448

Abgedruckt bei Boucourechliev/Hommelhoff, Vorschläge für eine Europäische Privatgesellschaft, Anhang 2.

Page 70: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

54

3.3.4.2 Der Verordnungsvorschlag der Kommission von 2008

Der Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission vom 25. Juni 2008 regelt den Bereich der

Kapitalerhaltung in Kapitel IV (unter der Überschrift „Kapital“) in den Artikeln 21 bis 24. Neben

Vorschriften für Ausschüttungen (in Art 21 und 22) regelt der Verordnungsvorschlag den Erwerb eigener

Anteile (Art 23) sowie die Kapitalherabsetzung (Art 24).449

Jede Ausschüttung (zB Dividenden, Kauf von

eigenen Anteilen der EPG, Schuldenaufnahme450

, sohin „jeder finanzielle Vorteil, den ein Anteilseigner

aufgrund der von ihm gehaltenen Anteile direkt oder indirekt aus der SPE zieht, einschließlich einer

etwaigen Übertragung von Geld oder Immobilien sowie das Eingehen einer Schuld“451

) bedarf eines

Gesellschafterbeschlusses (Art 27 Abs 1 lit e); der Schutz des Gesellschaftsvermögens endet an der „Null-

Linie“, die Ausschüttung darf also nicht zur bilanziellen Überschuldung führen: die Vermögenswerte müssen

nach der Ausschüttung die Schulden in vollem Umfang decken (Art 21 Abs 1).452

Die EPG muss in dieser

Hinsicht somit einem obligatorischen Bilanztest genügen;453

ähnliche Regelungen sind außerhalb der EU

weit verbreitet, etwa in den rund 40 US-amerikanischen Bundesstaaten, die den Model Business

Corporations Act (MBCA454

) umgesetzt haben. Gem Art 25 des VO-Vorschlags 2008 sind für den Bilanztest

die nationalen Rechnungslegungsvorschriften anzuwenden, die überdies im Einklang mit europäischem

Bilanzrecht stehen müssen.455

Die Auszahlung von Gesellschaftsvermögen kann über den Bilanztest hinaus in der Satzung von der

Veröffentlichung einer „Solvenzbescheinigung“ gem Art 21 Abs 2 abhängig gemacht werden, in der

bescheinigt wird, dass die EPG in dem auf die Ausschüttung folgenden Jahr in der Lage sein wird, ihre

Schulden bei deren Fälligkeit im Rahmen ihrer normalen Geschäftstätigkeit zu begleichen. Die

Solvenzbescheinigung findet sich bereits im englischen Companies Act 1985 als Voraussetzung für

Ausschüttungen bei der Limited.456

Der obligatorische Bilanztest (Art 21 Abs 1 des Verordnungsvorschlags

2008) ist also nach dem Verordnungsvorschlag der Kommission vom fakultativ zusätzlich durchführbaren

Solvenztest auf der Grundlage einer Solvenzbescheinigung (Art 21 Abs 2 leg cit) zu unterscheiden; auf die

Verankerung eines obligatorischen Solvenztests wurde verzichtet, da ein derartiges Verfahren nur in wenigen

Mitgliedstaaten existiert.457

Die Gesellschafter der EPG trifft weiters eine Ausgleichshaftung, falls die Regeln des Art 21 bei der

Ausschüttung missachtet wurden (Art 22 des Verordnungsvorschlags 2008). Gem Art 31 Abs 4 trifft

449

Maul/Röhricht, Die Europäische Privatgesellschaft – Überblick über eine neue supranationale Rechtsform, BB 2008,

1576. 450

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag, KOM (2008) 396 endg., 8. 451

Art 2 Abs 1 lit b des Verordnungsvorschlags 2008; gem Abs 2 leg cit können zudem „Ausschüttungen … durch

Immobilienerwerb, durch Rücknahme von Anteilen oder durch eine andere Art des Anteilserwerbs sowie auf jedem

anderen beliebigen Wege erfolgen“. 452

Hommelhoff/Teichmann, Eine GmbH für Europa, GmbHR 2008, 906. 453

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag, KOM (2008) 396 endg., 8. 454

Der MBCA ist ein Modellgesetz, das vom Committee on Corporate Laws der American Bar Association

weiterentwickelt wird, s Forstinger, Delawares komparative Vorteile, ZfRV 2002, FN 35. 455

Lanfermann/Richard, Kapitalschutz der Europäischen Privatgesellschaft, BB 2008, 1612. 456

Armour, Legal Capital – an outdated concept?, European Business Organization Law Review 2006, 7 endg., 4;

abrufbar unter www.ssrn.com. 457

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag, KOM (2008) 396 endg., 9.

Page 71: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

55

zusätzlich die Geschäftsführer eine Schadenersatzhaftung in diesen Fällen.458

Ob auch die Anteilseigner

haften, wenn die Gründe und Kriterien der Solvenzbescheinigung schuldhaft irreführend gewählt wurden, ist

im VO-Vorschlag 2008 nicht geregelt.459

Zum Schutz des Gesellschaftsvermögens kann die Gesellschaft nach dem VO-Vorschlag der Kommission

ihre eigenen Anteile erwerben (Art 23 VO-Vorschlag 2008), nicht jedoch zeichnen.460

Vor dem Erwerb

eigener Anteile muss die Gesellschaft einen Bilanztest und – wenn in der Satzung vorgeschrieben – einen

Solvenztest durchführen.

3.3.5 Zusammenfassung und Ausblick

Aufgrund der Vorarbeiten der Arbeitsgruppe im Jahr 1999 und der Empfehlungen des Europäischen

Parlaments vom 1. Februar 2007 war bis Mitte 2008 noch anzunehmen, dass die Kommission in ihrem

Entwurf ein Mindestkapitalerfordernis, und zwar einen fixen Betrag anstelle eines variabel gestaltbaren

Mindestkapitalbetrags, vorsehen würde, wenngleich absehbar war, dass sich dabei die Kommission an den

aktuellen Gesetzgebungstendenzen und den intensiven Vorarbeiten für den EPG-Verordnungsentwurf

orientieren würde,461

um das Ziel der EPG, eine Alternative zu nationalen Gesellschaftsformen für KMU zu

schaffen, zu verwirklichen.

Die Kommission überraschte aber in ihrem Verordnungsentwurf vom 25. Juni 2008 mit einer radikalen

Abschaffung des Mindestkapitalerfordernisses und lehnte sich dabei offensichtlich an der englischen private

limited company an. Im Gegenzug wurden allerdings Gläubigerschutzmaßnahmen, vor allem im Bereich der

Kapitalerhaltung, nicht angehoben – einen derartigen Ausgleich zwischen Mindestkapital einerseits und

kapitalerhaltenden Maßnahmen andererseits herbeizuführen, ist aber ein prägender Gedanke des

kontinentaleuropäischen Gesellschaftsrechts; überlegenswert wäre daher etwa – in Anlehnung an die

deutsche Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – die zwingende Bildung von Rücklagen zur

Erhaltung eines Kapitals der EPG462

.

Stattdessen übernahm die Kommission die aus dem common law stammende Idee eines obligatorischen

Bilanztests sowie einer fakultativen Solvenzbescheinigung als Basis eines ebenso fakultativen Solvenztests;

fraglich ist, ob letztere in der Praxis die Gläubiger zufrieden stellen wird, da diese als Satzungsbestimmung

auch wieder aus der Satzung der EPG entfernt werden kann.463

Begrüßenswert erscheint am

Verordnungsentwurf aber, dass die Kommission einige wesentliche Wettbewerbsfaktoren, vor allem eine

schnelle und einfache Gründung zu gewährleisten, nicht übersehen hat. So soll eine SPE-Gründung auch

458

Maul/Röhricht, Die Europäische Privatgesellschaft – Überblick, BB 2008, 1576. 459

Peters/Wüllrich, Societas Privata Europaea (SPE), DB 2008, 2183. 460

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag, KOM (2008) 396 endg., 9. 461

So auch Mellert/Verfürth, Wettbewerb der Gesellschaftsformen, 208. 462

Eine zwingende Bildung von Rücklagen ist im VO-Vorschlag 2008 nicht vorgesehen; zur allgemeinen Überlegung,

im Ausgleich zum Entfall eines Mindestkapitals die zwingende Bildung von Rücklagen anzuordnen, s etwa Kleindiek,

Krisenvermeidung in der GmbH: Gesetzliches Mindestkapital, Kapitalschutz und Eigenkapitalersatz, ZGR 2006, 341. 463

Vgl Rauter, SPE – eine neue europäische Gesellschaftsform in Vorbereitung, JAP 2008/2009, 49.

Page 72: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

56

kostengünstig und mittels elektronischen Antrags ermöglicht werden.464

Die EPG scheint daher offenbar als

Konkurrenz zur Limited angedacht; sie wird demnach der Limited ähneln, wobei zu hoffen ist, dass die

Nachteile der Limited, vor allem der hohe Unterhaltungsaufwand und die Rechtsunsicherheit aufgrund der

Anwendung ausländischen Rechts, nicht auch der EPG anhaften werden.465

KMU spielen für die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Ankurbelung der Wirtschaft innerhalb der

Europäischen Union eine bedeutende Rolle: sie tragen jährlich 66 % des wirtschaftlichen Gesamtumsatzes

der Europäischen Union und tausende neue Arbeitsplätze bei;466

eine geeignete Rechtsform für KMU fehlte

aber bislang. Welche Unternehmen die EPG in der Praxis nutzen werden, ist trotz der breiten Ausgestaltung

durch die Kommission fraglich. So könnten heimische Unternehmen die EPG etwa für Vertriebs- und

Serviceaktivitäten bzw für die Errichtung von Tochtergesellschaften, für Joint Ventures oder auch Holdings

verwenden.467

Aufgrund der Bedeutung der KMU sollte die Kommission zumindest eine Gesellschaftsform

gestalten, die die breite Masse an Unternehmen eher erreicht als die Societas Europaea, die EWIV oder die

SCE; eine einheitliche Gestaltung der EPG im Gegensatz etwa zur SE, deren Verordnung durch

umfangreiche Verweise ins nationale Recht geprägt ist,468

wäre dem Bild einer supranationalen,

europäischen Gesellschaftsform ebenfalls dienlich.

In Deutschland können sich derzeit rund 80 % der befragten Unternehmen vorstellen, eine EPG zu

gründen.469

Laut einer Studie des Verbands Deutscher Maschinen und Anlagenbau (VDMA) würden

überhaupt 95 % der befragten Unternehmen eine Tochtergesellschaft in der Form einer EPG gründen, wenn

die Möglichkeit bestünde; die Gründungs- und jährlichen Beratungskosten würden sich nämlich um bis zu

80 % reduzieren, wenn Tochterunternehmen nicht mehr nach nationalem Recht, sondern nach dem Muster

der EPG gegründet würden.470

In Zahlen läge das Einsparpotenzial für Gründung und Betrieb von mehreren

Auslandstöchtern demnach bei 30.000 bis 40.000 Euro.471

Letztlich könnte die EPG auch eine europäische

„Corporate Identity“ schaffen.472

Eine Nachfrage nach einer internationalen Gesellschaftsform für KMU,

nach einem Pendant bzw einer „kleinen Schwester“473

zur Societas Europaea, ist demnach schon jetzt

vorhanden – wenn auch etwa Bachmann bereits nach „Centros“ befürchtete, die Idee einer „Europäischen

GmbH“ habe „erheblich an Charme eingebüßt“.474

464

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag, KOM (2008) 396 endg., 7. 465

Fietz, Die europäische Privatgesellschaft (EPG) – wird sie kommen?, GmbHR 2007, R 322. 466

Dejmek, Das künftige Europa und die Europäische Privatgesellschaft, NZG 2001, 879. 467

Frischhut, Eine europäische Rechtsform („Euro-GmbH“) für KMU, ecolex 2007, 220. 468

Fietz, Die europäische Privatgesellschaft (EPG) – wird sie kommen?, GmbHR 2007, R 322. 469

Fietz, Die europäische Privatgesellschaft (EPG) – wird sie kommen?, GmbHR 2007, R 322. 470

Steinberger, Europäische Privatgesellschaft: Weniger Kosten, mehr Rechtssicherheit und gut für den Mittelstand, BB

30/2008, Die Erste Seite, M1. 471

Hommelhoff, Auswirkungen, GesRZ 2008, 337 mwN. 472

Hommelhoff, Auswirkungen, GesRZ 2008, 338. 473

Bayer/Schmidt, Aktuelle Entwicklungen, BB 2008, 455. 474

Bachmann, Grundtendenzen, ZGR 2001, 371 mwN. Seiner Meinung nach kann aber ohnehin „allein die Erfahrung

lehren“, ob sich die EPG in der Praxis bewähren wird; s ebda, 372 mwN.

Page 73: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

57

3.4 Die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit

3.4.1 Die Niederlassungsfreiheit

Die Niederlassungsfreiheit, die seit dem Ablauf der Übergangsphase 1970 unmittelbar geltendes

Gemeinschaftsrecht darstellt,475

zählt zu den Grundfreiheiten innerhalb der Europäischen Gemeinschaft, die

die Existenz des Gemeinsamen Binnenmarktes sichern sollen. Sie gilt als die spezielle Ausprägung der

allgemeinen Freizügigkeit für Unionsbürger nach Art 18 EGV, und ist in Titel III, Kapitel 2 unter der

Überschrift „Das Niederlassungsrecht“ geregelt. Die Gesellschaften, die nach den Rechtsvorschriften eines

Mitgliedstaats gegründet wurden und ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder

Hauptniederlassung innerhalb der EU haben, stehen dabei für die Anwendung der Niederlassungsfreiheit

gemäß Art 48 EGV den natürlichen Personen gleich, die Angehörige der Mitgliedstaaten sind.

Art 43 Abs 1 S 1 EGV lautet wie folgt: „Die Beschränkungen der freien Niederlassung von

Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats sind nach Maßgabe

der folgenden Bestimmungen verboten.“ Nach Art 43 Abs 2 EGV umfasst die Niederlassungsfreiheit „die

Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von

Unternehmen“. Vor allem die letztere Bestimmung ist Ausdruck der primären Niederlassungsfreiheit,

wonach der Unionsbürger das Recht besitzt, den Schwerpunkt der unternehmerischen Tätigkeit, die

„Hauptniederlassung“, in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zu verlegen.476

Darüber hinaus kennt Art 43 Abs 1 S 2 EGV das Recht, Agenturen, Zweigniederlassungen oder

Tochtergesellschaften zu gründen, mit den Worten: „Das gleiche gilt für Beschränkungen der Gründung von

Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaats, die im

Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig sind.“ Diese sekundäre Niederlassungsfreiheit gibt dem

Unionsbürger das Recht, den Schwerpunkt der unternehmerischen Betätigung im Heimatstaat beizubehalten

und seine Betätigung durch Gründung einer rechtlich selbständigen Tochtergesellschaft oder einer

unselbständigen Filiale auf das Gebiet eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten auszudehnen. Auch

besteht für den Unionsbürger das Recht, sich an bereits bestehenden, in einem anderen Mitgliedstaat tätigen

Unternehmen nach Maßgabe der allgemeinen Vorschriften dieses Staats zu beteiligen.477

Das Hauptkriterium zur Unterscheidung der beiden Ausformungen der Niederlassungsfreiheit liegt darin,

dass im Fall der primären Niederlassungsfreiheit im Herkunftsland keine gewerbliche Niederlassung oder

nur eine solche von untergeordneter Bedeutung verbleibt, während im Fall der sekundären

Niederlassungsfreiheit das Unternehmen seinen Verwaltungssitz im Herkunftsland belässt, und lediglich im

Zuzugsstaat Hilfsstützpunkte errichtet oder Tochtergesellschaften gründet.478

Dieses einstige

Unterscheidungsmerkmal verwischt sich allerdings seit der jüngeren Rechtsprechung des EuGH ab „Segers“

475

EuGH 21.6.1974, Rs 2/74 („Reyners“), Slg 1974, 631, Rz 32. 476

S zur alten Rechtslage Ebenroth/Eyles, Die innereuropäische Verlegung des Gesellschaftssitzes als Ausfluß der

Niederlassungsfreiheit? (Teil I), DB 1989, 364. 477

Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, Verlag C.H.Beck, München 2006, 9f. 478

Ebenroth/Eyles, Die innereuropäische Verlegung des Gesellschaftssitzes (Teil I), DB 1989, 364.

Page 74: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

58

bzw „Centros“, in der der EuGH Fälle der Verlegung des Hauptverwaltungssitzes unter die sekundäre

Niederlassungsfreiheit subsumierte.479

Die Niederlassungsfreiheit ist einerseits als das Recht des Bürgers eines Mitgliedstaates, nach den auch für

Inländer geltenden Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates unterworfen zu werden, andererseits als

Beschränkungsverbot ausgestaltet. Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit durch Maßnahmen des

nationalen Rechts sind nach der Rechtsprechung des EuGH in den Rechtssachen „Kraus“480

und

„Gebhard“481

nur dann zu rechtfertigen, wenn sie (erstens) in nicht diskriminierender Weise angewandt

werden, (zweitens) aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses geboten sind, (drittens) zur Erreichung

des verfolgten Ziels geeignet sind und (viertens) nicht über das hierfür Erforderliche hinausgehen.482

3.4.2 Die ersten Entscheidungen des EuGH zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften

Bis in die 1980er Jahre waren keine Fälle vor den EuGH gelangt, die sich inhaltlich mit der

Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften und deren Umfang und Grenzen auseinandersetzte, im Gegensatz

zu den Fällen der Niederlassungsfreiheit von Freiberuflern und selbständig Gewerbetreibenden.483

Erst mit der „Fearon“-Entscheidung des EuGH vom 6.11.1984484

erging ein Urteil über den Bereich der

Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften (damals Art 52 iVm Art 58 EWGV, nunmehr Art 43 iVm Art 48

EGV). In diesem Fall ging es um die Enteignung eines Grundstücks der Robert Fearon Company Limited,

einer Gesellschaft irischen Rechts, durch die Irish Land Commission. Laut irischem Land Act war es der

irischen Behörde nicht möglich, eine natürliche Person zu enteignen, die seit mehr als einem Jahr entweder

auf dem Grundstück oder nicht weiter als drei Meilen vom Grundstück entfernt wohnte. Auch war es der

Behörde nicht möglich, eine juristische Person zu enteignen, bei denen alle Gesellschafter dieses

Wohnsitzerfordernis erfüllten. Da die Gesellschafter der Fearon Limited allesamt britische Staatsbürger

waren und das Wohnsitzerfordernis nicht erfüllten, wurde das irische Grundstück der Fearon Limited

enteignet.485

Der EuGH tastete in seinem Urteil zwar die nationalen Eigentumsordnungen und somit auch die

Enteignungsgesetze nicht an; trotzdem gilt auch für diesen Regelungsbereich der Grundsatz der

Nichtdiskriminierung. Die Fearon Limited war aber eine irische Gesellschaft und konnte sich daher in Irland

nicht auf Art 58 EWGV berufen, da das Niederlassungsrecht auf Gesellschaften anderer Mitgliedstaaten

479

S etwa EuGH 30.9.2003, Rs C-167/01 („Inspire Art“), Slg. 2003, 1-10155, Rz 3: dort zitiert der EuGH Art 43 Abs 1

EGV, also die Regelung der sekundären Niederlassungsfreiheit; in Rz 95 hingegen weist er auf die Urteile “Segers”

und “Centros” hin, wonach es für die Anwendung der Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit ohne Bedeutung

ist, dass seine Gesellschaft in einem Mitgliedstaat nur errichtet wurde, um sich in einem zweiten Mitgliedstaat

niederzulassen, in dem die Geschäftstätigkeit im Wesentlichen oder ausschließlich ausgeübt werden soll. 480

EuGH 31.3.1993, Rs C-19/92 („Kraus“), Slg 1993, I-1663, 1697. 481

EuGH 30.11.1995, Rs C-55/94 („Gebhard“), Slg 1995, I-4165, 4197. 482

Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 11. 483

Ebenroth/Eyles, Die innereuropäische Verlegung des Gesellschaftssitzes (Teil I), DB 1989, 369. 484

EuGH 6.11.1984, Rs 182/83 („Fearon“), Slg 1984, 3677. 485

EuGH 6.11.1984, Rs 182/83 („Fearon“), Slg 1984, 3677, Rz 2f.

Page 75: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

59

zuerkannt wird. Auch war Art 52 EWGV nicht durch den Irish Land Act verletzt worden, da das

Wohnsitzerfordernis für ausländische wie inländische Gesellschafter gleichermaßen gilt.486

Wurde in „Fearon“ noch wenig über Inhalt und Grenzen der Niederlassungsfreiheit gesprochen, so nahm der

EuGH in der Entscheidung „Kommission/Frankreich“ vom 28. Jänner 1986487

erstmals auch inhaltlich zur

Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften Stellung.488

Im gegenständlichen Fall erhob die Kommission

Klage vor dem EuGH, da die französische Republik gegen die Niederlassungsfreiheit dadurch verstoßen

habe, dass sie den in Frankreich gelegenen Zweigniederlassungen und Agenturen von in einem anderen

Mitgliedstaat niedergelassenen Versicherungsgesellschaften nicht unter den gleichen Bedingungen wie

französischen Gesellschaften ein Steuerguthaben („avoir fiscal“) gewährt habe.489

Die Körperschaftsteuer in

Frankreich (impôt sur les sociétés) betrug damals noch 50 %; steuerpflichtig waren sowohl in- als auch

ausländische Gesellschaften gleichermaßen. Allerdings war zur Einschränkung der kumulativen Besteuerung

ausgeschütteter Gewinne eine Steuergutschrift zugunsten der Empfänger von Dividenden, die von

französischen Gesellschaften ausgeschüttet werden, vorgesehen; diese Steuergutschrift wurde auf die vom

Empfänger geschuldete Steuer angerechnet. Der Empfänger musste zudem zwingend seinen Wohn- oder

Gesellschaftssitz in Frankreich haben, außer, es existierte ein Doppelbesteuerungsabkommen des

Wohnsitzstaats mit Frankreich.490

Versicherungsgesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat

kamen daher nicht in den Genuss der Steuergutschrift.491

Der EuGH sah in dieser Regelung einen Verstoß

gegen Art 52 Abs 1 S 2 sowie Art 58 EWGV. Auch die mangelnde Harmonisierung dieses Rechtsgebiets auf

europäischer Ebene kann laut EuGH eine solche Ungleichbehandlung zwischen in Frankreich und nicht in

Frankreich gelegenen Agenturen oder Zweigniederlassungen von Gesellschaften nicht rechtfertigen.

3.4.3 Die EuGH-Entscheidung in der Rechtssache „Segers“

Das Problem der „Scheinauslandsgesellschaften“, also jener Gesellschaften ausländischen Rechts, die in

einem Mitgliedstaat ihre wesentliche Tätigkeit entfalten, während sie in einem anderen Mitgliedstaat

gegründet wurden und dort nur als „Briefkastengesellschaft“ ohne nennenswerte Tätigkeit existieren,492

wurde von der Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten mit der oben besprochenen Sitztheorie gelöst, die etwa von

Knobbe-Keuk als eine „reine Nichtanerkennungstheorie“ mit „fremdenrechtlichem Charakter“493

bezeichnet

wurde. In den 80er Jahren begann daraufhin die Diskussion, ob es mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar

sei, dass bei der grenzüberschreitenden Verlegung des tatsächlichen Sitzes die Gesellschaft aufgelöst und im

Zuzugsstaat neu gegründet werden muss, mit der Folge, dass bei der Auflösung eine

486

EuGH 6.11.1984, Rs 182/83 („Fearon“), Slg 1984, 3677, Rz 10. 487

EuGH 28.1.1986, Rs 270/83 („Kommission/Frankreich“ [„avoir fiscal“]), Slg 1986, 273. 488

Ebenroth/Eyles, Die innereuropäische Verlegung des Gesellschaftssitzes (Teil I), DB 1989, 370. 489

EuGH 28.1.1986, Rs 270/83 („Kommission/Frankreich“ [„avoir fiscal“]), Slg 1986, 273, Rz 1. 490

EuGH 28.1.1986, Rs 270/83 („Kommission/Frankreich“ [„avoir fiscal“]), Slg 1986, 273, Rz 4. 491

Ebenroth/Eyles, Die innereuropäische Verlegung des Gesellschaftssitzes (Teil I), DB 1989, 370. 492

Vgl etwa Hochedlinger/Hochedlinger-Scheidleder, Grenzüberschreitende Sitzverlegungen in Europa, ecolex 2006,

130. 493

Knobbe-Keuk, Umzug von Gesellschaften in Europa, ZHR 154 (1990), 338.

Page 76: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

60

Liquidationsbesteuerung und Aufdeckung der stillen Reserven erfolgt. Diesem Wegzugsschranken, der der

Gesellschaft auferlegt wurde, stellte man den Zuzugsschranken gegenüber, demgemäß der der Sitztheorie

folgende Zuzugsstaat eine aus dem EU-Ausland zugezogene Gesellschaft rechtlich nicht anerkannte.494

Im

EuGH-Urteil „Segers“ aus dem Jahr 1986495

erfolgte diese Zuzugsbeschränkung allerdings durch einen Staat,

der der Gründungstheorie folgte496

, die Niederlande. In diesem Fall errichtete eine

Scheinauslandsgesellschaft, eine Limited mit Sitz in London, in den Niederlanden ihre Zweigniederlassung

und war dort ausschließlich tätig. Die Gesellschaft wurde zwar in den Niederlanden als rechtlich existent

betrachtet; als deren Geschäftsführer jedoch eine Leistung der niederländischen Krankenversicherung

beantragte, wurde dieser Antrag mit der (im Folgenden kurz zusammengefassten) Begründung abgelehnt,

dass diese Leistung nur Geschäftsführern von Gesellschaften mit Sitz in den Niederlanden, nicht jedoch von

Gesellschaften ausländischen Rechts zustehe.497

Das zweitinstanzliche Gericht ersuchte daraufhin um

Vorabentscheidung beim EuGH.

Im Verfahren vor dem EuGH machte die beklagte Krankenversicherung geltend, die fragliche

Unterscheidung zwischen in- und ausländischen Gesellschaften sei durch den Kampf gegen Missbräuche und

im Interesse einer sachgerechten Durchführung der niederländischen Rechtsvorschriften über die soziale

Sicherheit gerechtfertigt; eine Umgehung der Gründungsbeschränkungen einer inländischen GmbH müsse

verhindert werden. Hinzu komme das Problem der Einziehung von Sozialversicherungsbeiträgen in anderen

Mitgliedstaaten.498

Der EuGH bejahte in seinem Urteil die Anwendung der Niederlassungsfreiheit und führte aus, dass es das

Recht einer natürlichen Person ist, Anschluss an ein System der sozialen Sicherheit in einem Mitgliedstaat zu

finden. Die Diskriminierung des Personals einer Gesellschaft schränkt nämlich gleichzeitig die Freiheit der

Gesellschaft selbst ein.499

Die von der Beklagten vorgebrachten Rechtfertigungsgründe sind zumindest in

dieser Beziehung kein geeignetes Mittel zur Weigerung der Gewährung einer

Krankenversicherungsleistung.500

Letztlich war es also die Gesellschaft, die in ihrer in Artt 52, 58 EWGV

verbrieften Niederlassungsfreiheit eingeschränkt wurde. Dass diese Gesellschaft aber keine

Geschäftstätigkeit in ihrem Herkunftsstaat ausübte, obwohl dies bis dahin das Wesensmerkmal einer

Zweigniederlassung darstellte, berücksichtigte der EuGH in seinem Urteil nicht501

und sollte diese Linie mit

„Centros“ fortsetzen.

494

Kieninger, Internationales Gesellschaftsrecht nach „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“: Antworten, Zweifel

und offene Fragen, ZEuP 2004, 686. 495

EuGH 10.7.1986, Rs 79/85 („Segers“), Slg. 1986, 2375. 496

S etwa Großfeld, Zauber des Rechts, Mohr Siebeck Verlag, Tübingen 1999, 21. 497

EuGH 10.7.1986, Rs 79/85 („Segers“), Slg. 1986, 2375, Rz 5. 498

EuGH 10.7.1986, Rs 79/85 („Segers“), Slg. 1986, 2375, Rz 10. 499

EuGH 10.7.1986, Rs 79/85 („Segers“), Slg. 1986, 2375, Rz 15. 500

EuGH 10.7.1986, Rs 79/85 („Segers“), Slg. 1986, 2375, Rz 17. 501

S Ebenroth/Eyles, Die innereuropäische Verlegung des Gesellschaftssitzes (Teil I), DB 1989, 371.

Page 77: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

61

3.4.4 „Daily Mail and General Trust plc“

3.4.4.1 Einführung und Sachverhalt

Beleuchtete der EuGH in der Rechtssache „Segers“ einen Aspekt der Zuzugsbeschränkung, so hatte er sich

in „Daily Mail“ mit der ganzen Bandbreite an Wegzugsbeschränkungen auseinanderzusetzen und sollte mit

diesem Urteil die einzige einschlägige Rechtsprechung für diesen Teil der Mobilität einer Gesellschaft für

die kommenden 20 Jahre bilden. Die Ausgangslage der Entscheidung aus dem Jahre 1988502

war folgende:

die „Daily Mail and General Trust plc“ beabsichtigte, den Sitz ihrer Geschäftsleitung aus dem Vereinigten

Königreich in die Niederlande zu verlegen. Hauptziel der Sitzverlegung war eine Umgehung des britischen

Steuerrechts.503

Für die Sitzverlegung der Gesellschaft war jedoch, gemäß britischem Einkommen- und

Körperschaftsteuergesetz, die Zustimmung des britischen Finanzministeriums notwendig. 1984 beantragte

die Gesellschaft diese Zustimmung, wozu sich das Finanzministerium allerdings nur unter Bedingungen

bereit erklärte. Diese Bedingungen (eine zumindest teilweise Versteuerung noch vor dem Wegzug der

Gesellschaft in die Niederlande504

) akzeptierte die Gesellschaft aber nicht und klagte, mit der Begründung,

die Artikel 52 und 58 des EWG-Vertrags (nunmehr Art 43, 48 EGV) über die Niederlassungsfreiheit stünden

einer Wegzugsbeschränkung in Form einer Zustimmung des Finanzministeriums entgegen.505

3.4.4.2 Standpunkte der Parteien und des Generalanwalts

Im Verfahren vor dem EuGH machte das Vereinigte Königreich als beklagte Partei im Wesentlichen geltend,

der EWG-Vertrag gewähre kein allgemeines Recht auf Sitzverlegung zwischen Mitgliedstaaten. Eine

derartige Sitzverlegung bringe nicht notwendig eine tatsächliche und echte wirtschaftliche Tätigkeit im

Zuzugsstaat mit sich und könne daher nicht als eine Niederlassung im Sinne des Artikels 52 EWG-Vertrag

(nunmehr Art 43 EGV) angesehen werden. Die Kommission wies darauf hin, dass sich „beim derzeitigen

Stand des Gemeinschaftsrechts“ die Voraussetzungen für eine zwischenstaatliche Sitzverlegung weiter nach

dem nationalen Recht des Gründungsstaats und dem des Gaststaats richten.506

Das Gesellschaftsrecht

unterscheide sich in den verschiedenen Mitgliedstaaten erheblich: Einigen sei die Sitzverlegung unter

Wahrung der Rechtspersönlichkeit bekannt, in anderen habe die Verlegung der Geschäftsleitung oder des

Entscheidungszentrums einer Gesellschaft aus dem Gründungsstaat hinaus den Verlust der

Rechtspersönlichkeit zur Folge.

Auf diese erheblichen Unterschiede wies auch Generalanwalt Darmon in seinen Schlussanträgen hin; nur

durch eine Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene oder durch internationale Übereinkommen ließen sich

diese Unterschiede überwinden, der EuGH lege aber das Gemeinschaftsrecht nach dem aktuellen Stand

502

EuGH 27.9.1988, Rs C-81/87 („Daily Mail“), Slg. 1988, 5505. 503

EuGH 27.9.1988, Rs C-81/87 („Daily Mail“), Slg. 1988, 5505, Rz 7. 504

EuGH 27.9.1988, Rs C-81/87 („Daily Mail“), Slg. 1988, 5505, Rz 8. 505

EuGH 27.9.1988, Rs C-81/87 („Daily Mail“), Slg. 1988, 5505, Rz 8. 506

EuGH 27.9.1988, Rs C-81/87 („Daily Mail“), Slg. 1988, 5505, Rz 14.

Page 78: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

62

aus.507

Nach Darmon könne zwar die Verlegung der Geschäftsleitung der Gesellschaft in einen anderen

Mitgliedstaat eine Form der Ausübung des Niederlassungsrechts darstellen; die Beurteilung darüber liege

aber beim nationalen Gericht.508

Ergebe sich aus der Prüfung durch das nationale Gericht, dass die Verlegung

der Geschäftsleitung tatsächlich eine Niederlassung darstellt, dürfe für die Ausübung der

Niederlassungsfreiheit keine vorherige Zustimmung verlangt werden.509

Vom Mitgliedstaat dürfe aber der

Abschluss der Steuerrechnung von der Gesellschaft anlässlich der Verlegung des Geschäftssitzes derselben

verlangt werden. Denn es sei allgemein anerkannt, dass Mitgliedstaaten die Liquidierung der Gesellschaft

vor Sitzverlegung ins Ausland fordern können; umso mehr müsse man daher einem Mitgliedstaat steuerliche

Ansprüche analog zu den Folgen einer Liquidierung zugestehen.510

3.4.4.3 Entscheidung des EuGH

Der EuGH führte aus, dass die klagende Gesellschaft eine Niederlassung im Sinne des Art 52 EWG-Vertrag

(nunmehr Art 43 EGV) errichtet hat.511

Die gegenständliche britische Rechtsvorschrift beschränkt laut EuGH

diese Niederlassung nicht, sondern sieht nur die Zustimmung des Finanzministeriums für den Fall vor, dass

die Gesellschaft ihre Rechtspersönlichkeit und Eigenschaft als Gesellschaft britischen Rechts auch im

Ausland wahren will.512

„Beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts“ folgen Gesellschaften im Gegensatz zu natürlichen

Personen einer – nationalen – Rechtsordnung; außerhalb dieser Rechtsordnung, die ihre Gründung und

Existenz regelt, haben sie „keine Realität“.513

Den von Seiten der Kommission und des Generalanwalts

vorgebrachten Unterschieden in den nationalen Gesellschaftsrechten trägt der EWG-Vertrag Rechnung. So

werden in Art 58 EWG-Vertrag (nunmehr Art 48 EGV) der satzungsmäßige Sitz, die Hauptverwaltung und

die Hauptniederlassung einer Gesellschaft als Anknüpfung gleich geachtet. In Art 220 EWG-Vertrag

(nunmehr Art 293 EGV) ist, soweit erforderlich, der Abschluss von Übereinkommen zwischen den

Mitgliedstaaten vorgesehen, um unter anderem die Beibehaltung der Rechtspersönlichkeit bei Verlegung des

Sitzes von einem Staat in einen anderen sicherzustellen. Ein derartiges Übereinkommen ist aber noch nicht

in Kraft getreten. Auch auf sekundärrechtlicher Ebene ist die Beibehaltung der Rechtspersönlichkeit nicht

sichergestellt.514

Der EuGH führt daher weiters aus, dass die Unterschiede in den Mitgliedstaaten, die mittels EWG-Vertrag

„im Wege der Rechtssetzung oder des Vertragsschlusses“ beseitigt werden können, noch nicht beseitigt

507

Schlussanträge des Generalanwalts Darmon, 7.6.1988, Rs C-81/87 („Daily Mail“), Slg. 1988, 5483, Rz 2. 508

Schlussanträge des Generalanwalts Darmon, 7.6.1988, Rs C-81/87 („Daily Mail“), Slg. 1988, 5483, Rz 9. 509

Schlussanträge des Generalanwalts Darmon, 7.6.1988, Rs C-81/87 („Daily Mail“), Slg. 1988, 5483, Rz 12. 510

Schlussanträge des Generalanwalts Darmon, 7.6.1988, Rs C-81/87 („Daily Mail“), Slg. 1988, 5483, Rz 13. 511

EuGH 27.9.1988, Rs C-81/87 („Daily Mail“), Slg. 1988, 5505, Rz 17. 512

EuGH 27.9.1988, Rs C-81/87 („Daily Mail“), Slg. 1988, 5505, Rz 18. 513

EuGH 27.9.1988, Rs C-81/87 („Daily Mail“), Slg. 1988, 5505, Rz 19. 514

EuGH 27.9.1988, Rs C-81/87 („Daily Mail“), Slg. 1988, 5505, Rz 21f.

Page 79: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

63

worden sind;515

somit steht die Niederlassungsfreiheit jenen Gesellschaften nicht offen, die den Sitz ihrer

Geschäftsleitung unter Wahrung ihrer Eigenschaft als Gesellschaften des Mitgliedstaats ihrer Gründung in

einen anderen Mitgliedstaat verlegen wollen.516

3.4.4.4 Schlussfolgerungen aus der Entscheidung

Der EuGH billigte in dieser Entscheidung nationale Wegzugsbeschränkungen im Falle statutswahrender

Sitzverlegungen, also Verlegungen des Sitzes unter Bewahrung der Eigenschaft als Gesellschaft des

Gründungsstaates,517

und schränkte den Schutzbereich der Art 43, 48 EGV somit wesentlich ein.518

Die

Niederlassungsfreiheit gewährt den Gesellschaften kein Recht auf identitätswahrenden Umzug, nach dem

Ansatz des EuGH-Urteils handelt es sich hierbei um ein Recht der Gesellschafter selbst.519

Der EuGH

begründete in seinem Urteil die sog „Geschöpftheorie“, wonach die Gesellschaften Kreationen ihrer

jeweiligen Gründungsrechtsordnung sind; außerhalb derselben kommt ihnen keine Realität zu.520

Gesellschaften waren seit diesem Urteil bei Verwaltungssitzverlegungen auf liberale Wegzugsregeln im

Gründungsstaat angewiesen.521

Konkret heißt dies: der Wegzug österreichischer Gesellschaften in einen

anderen EU-Mitgliedstaat ist nur möglich, wenn einerseits das österreichische internationale Privatrecht und

andererseits das materielle österreichische Gesellschaftsrecht diesen Wegzug zulässt.522

Dabei enthält zwar §

10 IPRG als jene österreichische (Privat-)Rechtsnorm, die sich als einzige mit der grenzüberschreitenden

Tätigkeit von Gesellschaften befasst,523

keine Wegzugsbeschränkung. Auch bleibt das Gesellschaftsstatut

einer österreichischen Gesellschaft, die ihren Verwaltungssitz in einen EU-Mitgliedstaat verlegt, der der

Gründungstheorie folgt, immer österreichisches Recht.524

Da aber das „Recht des Staates, in dem der

Rechtsträger den tatsächlichen Sitz seiner Hauptverwaltung hat“ (§ 10 IPRG) im Falle des Zuzugs in einen

Staat, der ebenfalls der Sitztheorie folgt, somit die Rechtsordnung des Zuzugsstaates anzuwenden ist, kommt

es in diesem Fall – nach einem Teil der Lehre - zu einem Statutenwechsel.525

Will zB eine österreichische

GmbH als solche daher nach Deutschland ziehen, so wird sie noch daran scheitern: ein Gesetz zum

Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen, welches in Art 10 Abs 1

515

EuGH 27.9.1988, Rs C-81/87 („Daily Mail“), Slg. 1988, 5505, Rz 23. 516

EuGH 27.9.1988, Rs C-81/87 („Daily Mail“), Slg. 1988, 5505, Rz 24. 517

Weng, Die Rechtssache Cartesio – Das Ende Daily Mails?, EWS 2008, 268. 518

Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 15. 519

Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 17. 520

Vgl Weng, Die Rechtssache Cartesio – Das Ende Daily Mails?, EWS 2008, 267f, 272. 521

Weng, Die Rechtssache Cartesio – Das Ende Daily Mails?, EWS 2008, 265. 522

Adensamer/Eckert, Umzug von Gesellschaften in Europa, insbesondere Wegzug österreichischer Gesellschaften ins

Ausland, GeS 2004, 58. 523

Adensamer/Eckert, Umzug von Gesellschaften in Europa, GeS 2004, 60. 524

Adensamer/Eckert, Umzug von Gesellschaften in Europa, GeS 2004, 56. 525

So auch in Bezug auf Deutschland Weng, Die Rechtssache Cartesio – Das Ende Daily Mails?, EWS 2008, 266.

Weng zitiert aber in FN 21 die „a.A.“ als „die wohl herrschende Lehre“. Vgl auch Krejci, Ein Käfig für den Tiger!

Gesellschaftsrechtsreform und Gründungstheorie in Österreich, in: Achatz et al., Steuerrecht – Verfassungsrecht –

Europarecht, Festschrift für Hans Georg Ruppe, facultas Verlag, Wien 2007, 321, wonach § 10 IPRG auf

Wegzugfälle nicht mehr anwendbar ist; „andernfalls läge eine Inländerdiskriminierung vor“.

Page 80: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

64

EGBGB die Maßgeblichkeit der Gründungsrechtsanknüpfung und somit die vollständige Aufgabe der

Sitztheorie in Deutschland explizit festlegt, ist derzeit noch in Planung.526

Von der dargestellten Situation sollte der EuGH in seinen weiteren Urteilen keine Ausnahme machen.527

Insbesondere zwingt die EuGH-Rechtsprechung den der Sitztheorie folgenden Zuzugsstaat nicht zur

Anknüpfung an das Gründungsrecht und damit zur Rückverweisung auf österreichisches Recht, wenn der

Gründungsstaat über das Schicksal der wegziehenden Gesellschaft – durch kollisionsrechtliche oder

materiellrechtliche Behinderung – selbst entscheiden will.528

Aus materiellrechtlicher Sicht ist noch zu erwähnen, dass die Verwaltungssitzverlegung ins Ausland in

Österreich – anders als in Deutschland529

– keine Auflösung der Gesellschaft und auch keine sonstigen

Wegzugsschranken zur Folge hat.530

Zwar knüpft in Bezug auf den Satzungssitz einer Gesellschaft § 5 Abs 2

GmbHG seit der HaRÄG-Novelle 2007531

an die § 5 AktG entsprechenden Punkte an, nämlich an einen

Betrieb, die Geschäftsleitung oder den Ort, an dem die Verwaltung geführt wird. Vor der Novelle enthielt

das GmbHG keine derartige Verknüpfung des Satzungssitzes mit der tatsächlichen Tätigkeit, sondern

bestimmte in § 5 Abs 4 leg cit aF, dass als Sitz der Gesellschaft nur ein Ort im Inland bestellt werden konnte.

Das Vorliegen eines Orts im Inland wird aber auch zukünftig, wenn auch nicht explizit geregelt,

Voraussetzung für den Sitz der Gesellschaft sein, da es nur Zweck der HaRÄG-Novelle war, die großzügige

Anknüpfung nur an einen Ort im Inland im Vergleich zur strengeren Anknüpfung im AktG abzuschaffen.532

Die Verlegung des Satzungssitzes von Österreich ins Ausland ist daher nicht möglich; eine

Satzungsänderung dieses Inhalts wird als Auflösungsbeschluss gedeutet.533

Einer Verlegung des

Verwaltungssitzes ins Ausland stehen jedoch diese Regelungen, und überhaupt die Regelungen im GmbHG,

nicht entgegen, da sich kein entsprechender Auflösungsgrund in den §§ 84ff GmbHG finden lässt.534

Die Entscheidung in der Rs „Daily Mail“ wurde in Teilen der Lehre als zumindest mittelbare Anerkennung

der Sitztheorie auf europarechtlicher Ebene angesehen;535

dem muss aber entgegengehalten werden, dass die

Sitztheorie schon im Sachverhalt (Wegzug vom einen in den anderen „Gründungstheorie-Staat“) nicht zur

526

Vgl zuletzt den Referentenentwurf zum Gesetz zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und

juristischen Personen vom 7.1.2008, abrufbar unter http://rsw.beck.de/rsw/upload/Beck_Aktuell/Referentenentwurf-

IGR.pdf. 527

„Eine Abkehr von Daily Mail ist den späteren Entscheidungen bis Inspire Art nicht zu entnehmen“: Weng, Die

Rechtssache Cartesio – Das Ende Daily Mails?, EWS 2008, 268. 528

Analog zum deutschen Recht Weng, Die Rechtssache Cartesio – Das Ende Daily Mails?, EWS 2008, 266. 529

In Bezug auf den Wegzug einer deutschen Gesellschaft in ein der Sitztheorie folgendes Ausland, s Weng, Die

Rechtssache Cartesio – Das Ende Daily Mails?, EWS 2008, 267. 530

Adensamer/Eckert, Umzug von Gesellschaften in Europa, GeS 2004, 60f; Hochedlinger/Hochedlinger-Scheidleder,

Grenzüberschreitende Sitzverlegungen in Europa, ecolex 2006, 132. 531

BGBl I 2005/120. 532

Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Handelsrechts-Änderungsgesetz (HaRÄG), 1058 der Beilagen zu den

Stenographischen Protokollen des Nationalrates der Republik Österreich (XXII. Gesetzgebungsperiode, 2002-2006),

22. Band, 74. 533

Vgl zur analogen Rechtslage im AktG Adensamer/Eckert, Umzug von Gesellschaften in Europa, GeS 2004, 59. 534

Adensamer/Eckert, Umzug von Gesellschaften in Europa, GeS 2004, 61. 535

Ebenroth/Eyles, Die innereuropäische Verlegung des Gesellschaftssitzes als Ausfluß der Niederlassungsfreiheit?

(Teil II), DB 1989, 417.

Page 81: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

65

Debatte stand und der EuGH auch in seinen Ausführungen nicht darauf einzugehen brauchte. Die

„Europaverträglichkeit“ der Sitztheorie war laut Knobbe-Keuk daher auch nach „Daily Mail“ offen.536

Im Gegensatz zur Situation des Wegzugs einer Gesellschaft entwickelte der Gerichtshof ab 1999 eine

liberale Rechtsprechung für jene Fälle, die (sofern nicht in einen Drittstaat „exportiert“ wird) logischerweise

auf die Fälle des Wegzugs aus einem Mitgliedstaat folgen: die Fälle des Zuzugs in einen anderen

Mitgliedstaat.

3.4.5 „Centros Ltd.“

3.4.5.1 Sachverhalt und Standpunkte der Parteien

Die Gesellschaft „Centros“ wurde im Mai 1992 in England und Wales als Private Limited Company in das

Register eingetragen, entfaltete jedoch seit ihrer Errichtung keine Geschäftstätigkeit im Vereinigten

Königreich, sondern beantragte wenig später, im Sommer 1992, die Eintragung einer Zweigniederlassung in

Dänemark. Das Gesellschaftskapital in der Höhe von 100 Britischen Pfund wurde nicht eingezahlt.537

Die zuständige dänische Behörde, die „Zentralverwaltung für Handel und Gesellschaften“, lehnte aber die

Eintragung ua mit der Begründung ab, die Centros beabsichtige unter Umgehung der dänischen Vorschriften,

insbesondere der über die Einzahlung eines Mindestgesellschaftskapitals iHv 200.000 DKR538

, in

Wirklichkeit, in Dänemark nicht eine Zweigniederlassung, sondern einen Hauptsitz zu errichten. Die

Gesellschaft Centros machte im Berufungsverfahren geltend, dass sie in Großbritannien rechtmäßig errichtet

worden sei, und somit nach Art 52 EGV iVm Art 58 EGV (nunmehr Art 43 iVm Art 48 EGV) das Recht

hätte, in Dänemark eine Zweigniederlassung zu eröffnen.539

Die Zentralverwaltung machte geltend, die

Verweigerung der Eintragung stehe im Einklang mit den genannten Artikeln über die Niederlassungsfreiheit,

da die Anmeldung einer Zweigniederlassung in Dänemark als Umgehung des dänischen

Mindesteinlagenerfordernisses anzusehen und auch aus Gläubigerschutzgründen bedenklich sei.540

Die

Frage, ob die Ablehnung der Eintragung einer Zweigniederlassung mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar

ist, wenn die Gesellschaft selbst keine Geschäftstätigkeit betreibt und die Zweigniederlassung in der Absicht

errichtet wird, die gesamte Geschäftstätigkeit in dem Land zu betreiben, in dem die Zweigniederlassung

errichtet wird, wurde dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.541

536

Knobbe-Keuk, Umzug von Gesellschaften in Europa, ZHR 154 (1990), 333. 537

EuGH 9.3.1999, Rs C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, 1-1459, Rn 2,3,6; Marschner/Walzel, Gründung einer

Kapitalgesellschaft ohne Mindestkapital möglich? Die Auswirkungen eines EuGH-Urteils auf das österreichische

Gesellschaftsrecht, SWK 1999, W 79. 538

Entspricht etwa € 27.000 bzw 370.000 Schilling, s Marschner/Walzel, Gründung einer Kapitalgesellschaft ohne

Mindestkapital möglich?, SWK 1999, W 79, FN 3. 539

EuGH 9.3.1999, Rs C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, 1-1459, Rn 10. 540

EuGH 9.3.1999, Rs C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, 1-1459, Rn 12. 541

EuGH 9.3.1999, Rs C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, 1-1459, Rn 13; Marschner/Walzel, Gründung einer

Kapitalgesellschaft ohne Mindestkapital möglich?, SWK 1999, W 79.

Page 82: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

66

Im Verfahren vor dem EuGH bestritt die Zentralverwaltung nicht, dass im Grunde jede AG oder GmbH, die

ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, in Dänemark mittels einer Zweigniederlassung tätig werden

kann.542

Auch die Centros-Gesellschaft wäre vom der Zentralverwaltung eingetragen worden, wenn sie in

England eine Geschäftstätigkeit entfaltet hätte.543

Denn Dänemark folgt der Gründungstheorie, sodass die

Sitztheorie – wie auch schon im Daily-Mail-Urteil – formal wieder nicht einschlägig war.544

Auch fand eine

Auseinandersetzung des EuGH mit der Daily-Mail-Rechtsprechung nicht statt. Trotzdem sind die folgenden

– gekürzten – Ausführungen des EuGH auch für jene Staaten wesentlich, die der Sitztheorie folgen, da es um

die für beide Theorien wesentliche Frage ging, inwieweit der Umzug von Gesellschaften innerhalb der EU

mit rechtlichen Nachteilen (durch den Zuzugsstaat) sanktioniert werden darf, ohne dabei gegen die

Niederlassungsfreiheit zu verstoßen.545

3.4.5.2 Entscheidung des EuGH

Der EuGH führte zunächst aus, dass der Sachverhalt, auch wenn er vorrangig nur einen Mitgliedstaat,

nämlich Dänemark, betrifft, unter das Gemeinschaftsrecht fällt. Es ist dabei ohne Bedeutung, ob die

Gesellschaft im ersten Mitgliedstaat nur errichtet wurde, um sich in einem zweiten niederzulassen; der EuGH

berief sich hier auf das oben besprochene Segers-Urteil.546

Auch eine allfällige Umgehungsabsicht hindert

nicht die Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit auf den gegenständlichen Fall.547

Aus der Niederlassungsfreiheit gem Art 52 iVm Art 58 EGV (nunmehr Art 43 iVm Art 48 EGV) folgt

unmittelbar, dass Gesellschaften, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet wurden, das Recht

haben, ihre Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat durch eine Agentur, Zweigniederlassung oder

Tochtergesellschaft auszuüben, wobei ihr satzungsmäßiger Sitz, ihre Hauptverwaltung oder

Hauptniederlassung, ebenso wie die Staatsangehörigkeit bei natürlichen Personen, dazu dient, ihre

Zugehörigkeit zur Rechtsordnung eines Mitgliedstaats zu bestimmen.548

Verweigert demnach ein Mitgliedstaat die Eintragung der Zweigniederlassung einer Gesellschaft, die in

einem anderen Mitgliedstaat gegründet wurde, so wird diese Gesellschaft an der Ausübung ihres

Niederlassungsrechts aus den erwähnten Artikeln des EGV gehindert.549

Der EuGH fand in der von der Zentralverwaltung vorgebrachten Umgehungsabsicht der Centros-

Anteilseigner für sich allein keine missbräuchliche Ausnutzung des Niederlassungsrechts. Die Möglichkeit,

in einem liberaleren Mitgliedstaat eine Gesellschaft zu gründen und anschließend in einen weniger liberalen

542

EuGH 9.3.1999, Rs C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, 1-1459, Rn 15. 543

Marschner/Walzel, Gründung einer Kapitalgesellschaft ohne Mindestkapital möglich?, SWK 1999, W 80. 544

Adensamer/Eckert, Umzug von Gesellschaften in Europa, GeS 2004, 62 u FN 96. 545

Adensamer/Eckert, Umzug von Gesellschaften in Europa, GeS 2004, 62. 546

EuGH 9.3.1999, Rs C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, 1-1459, Rn 17. 547

EuGH 9.3.1999, Rs C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, 1-1459, Rn 18. 548

EuGH 9.3.1999, Rs C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, 1-1459, Rn 20. 549

EuGH 9.3.1999, Rs C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, 1-1459, Rn 21.

Page 83: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

67

umzuziehen, folgt im Binnenmarkt nämlich unmittelbar aus der Niederlassungsfreiheit.550

Dabei ist laut

EuGH zum einen unerheblich, dass das Gesellschaftsrecht in der Gemeinschaft nicht voll harmonisiert

worden ist;551

zum anderen stellt es noch kein missbräuchliches und betrügerisches Verhalten dar, wenn die

Gesellschaft im Gründungsstaat keinerlei Geschäftstätigkeit entfaltet.552

Die Ablehnung der Eintragung der Zweigniederlassung durch die dänischen Behörden war deshalb mit der

Niederlassungsfreiheit unvereinbar;553

sie war auch nicht gerechtfertigt. Denn das Vorbringen der

Zentralverwaltung, die von der Centros vernachlässigte Pflicht zur Einzahlung eines Mindestkapitals

verfolge zum einen den Zweck des Gläubigerschutzes, zum anderen den Zweck, der Gefahr eines

betrügerischen Bankrotts aufgrund der Zahlungsunfähigkeit von Gesellschaften mit unzureichendem

Stammkapital vorzubeugen, wurde vom EuGH als nicht geeignet erachtet, die Maßnahmen der dänischen

Behörden zu rechtfertigen.554

Zwar erkannte der EuGH den Gläubigerschutz ausdrücklich als zwingendes

Erfordernis des Allgemeininteresses;555

die dänischen Gläubiger seien aber ebenso gefährdet gewesen, wenn

die Centros auch in England ihre Geschäftstätigkeit entfaltet hätte. Durch das Auftreten der Centros als

Gesellschaft englischen Rechts und nicht als Gesellschaft dänischen Rechts ist den Gläubigern zudem

bekannt, dass sie nicht dem dänischen Recht über die Errichtung von Gesellschaften mit beschränkter

Haftung unterliegt.556

Außerdem könnten von Seiten der dänischen Behörden mildere Maßnahmen getroffen

werden, die die Grundfreiheiten weniger beeinträchtigen; so könnten etwa die öffentlichen Gläubiger, so

schlägt der EuGH vor, rechtlich die Möglichkeit erhalten, sich die erforderlichen Sicherheiten einräumen zu

lassen.557

550

Vgl EuGH 9.3.1999, Rs C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, 1-1459, Rn 27. 551

EuGH 9.3.1999, Rs C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, 1-1459, Rn 28. 552

EuGH 9.3.1999, Rs C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, 1-1459, Rn 29. 553

EuGH 9.3.1999, Rs C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, 1-1459, Rn 30. 554

EuGH 9.3.1999, Rs C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, 1-1459, Rn 35. 555

Kieninger, Internationales Gesellschaftsrecht nach „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“, ZEuP 2004, 687. 556

EuGH 9.3.1999, Rs C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, 1-1459, Rn 35f. 557

EuGH 9.3.1999, Rs C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, 1-1459, Rn 37.

Page 84: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

68

3.4.5.3 Die Schlussanträge des Generalanwalts zur Frage des Mindestkapitals

Zur Frage der Geeignetheit von Kapitalaufbringungs- und –erhaltungsvorschriften für den Gläubigerschutz

äußerte sich zwar der EuGH in seinem Centros-Urteil nicht, wohl aber Generalanwalt La Pergola in seinen

Schlussanträgen.558

Der Generalanwalt steht einem „capital social minimal“ (Mindestgesellschaftskapital) als

„Garantie“ für die Gesellschaftsgläubiger äußerst skeptisch gegenüber und bezeichnet es als „idolum

theatri“:559

auch die Regierung des Vereinigten Königreichs, so der Generalanwalt, sei der Meinung, ein

Mindestkapital könnte den Effekt haben, den Unternehmergeist zu bremsen, und vor allem jener Politik

entgegenstehen, die Klein- und Mittelunternehmer fördern will.560

Aus diesem Grund sei es kein Zufall, dass

das Vereinigte Königreich kein Mindestkapital für Private Limited Companies vorschreibt. Zudem könne ein

Mindestkapital schnell verschleudert werden, sodass sich vorsichtige Gesellschaftsgläubiger in der Praxis

besser auf die aktuellsten, zur Verfügung stehenden Informationen stützen und eventuell die Geschäftsführer

zu vertraglichen Garantien auffordern sollten.561

3.4.5.4 Schlussfolgerungen aus der Entscheidung

Wäre die Centros statt nach Dänemark nach Österreich umgezogen, wäre sie am erwähnten § 10 IPRG

gescheitert: da die Gesellschaft nach englischem Recht gegründet wurde und ihren Verwaltungssitz in

Österreich gehabt hätte, wäre auf die Centros gem § 10 IPRG österreichisches Recht anzuwenden gewesen.

Nach diesem ist die Centros aber nicht wirksam entstanden, es hätte etwa die nach § 2 Abs 1 GmbHG

notwendige Eintragung im Firmenbuch gefehlt. Die Gesellschaft hätte nach Ansicht der Lehre in Österreich

nur als Personengesellschaft mit unbeschränkter Haftung der Gesellschafter bestehen können;562

nach

einstiger Ansicht des OGH stellte eine solche Gesellschaft überhaupt ein rechtliches Nullum dar, sie konnte

demnach keine Trägerin von Rechten und Pflichten sein.563

Nach der Entscheidung des EuGH stellt sich

dieses Problem nun nicht mehr: die Eintragung einer Gesellschaft, die das Recht auf freie Niederlassung

(laut EuGH in Ausgestaltung der sekundären Niederlassungsfreiheit564

) ausübt, darf vom Zuzugsstaat nicht

mehr verhindert werden. Auch Generalanwalt La Pergola wies in seinen Schlussanträgen darauf hin, dass

558

Schlussanträge des Generalanwalts La Pergola, 16.7.1998, Rs C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, 1-1459, Rz 21. 559

Kieninger, Internationales Gesellschaftsrecht nach „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“, ZEuP 2004, 701;

Schlussanträge des Generalanwalts La Pergola, 16.7.1998, Rs C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, 1-1459, Rz 21. Der

Begriff stammt aus Francis Bacons Idolenlehre: die „Götzenbilder des Theaters“ sind demnach die aus

philosophisch-wissenschaftlichen Doktrinen herkommenden dogmatischen Festlegungen, Prinzipien und

Erdichtungen, welche aus Tradition, Glauben oder Nachlässigkeit ihre Verbreitung erlangt haben, s Roters,

Reflexionen über Ideologie und Ideologiekritik, Königshausen & Neumann Verlag, Diss Technische Hochschule

Darmstadt, 1998, 145 mwN. 560

Schlussanträge des Generalanwalts La Pergola, 16.7.1998, Rs C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, 1-1459, Rz 21, FN

51. 561

Schlussanträge des Generalanwalts La Pergola, 16.7.1998, Rs C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, 1-1459, Rz 21. 562

Marschner/Walzel, Gründung einer Kapitalgesellschaft ohne Mindestkapital möglich?, SWK 1999, W 82. 563

Bachner/Winner, Das österreichische internationale Gesellschaftsrecht nach Centros (I), GesRZ 2000, 75 mwN. 564

Das EuGH-Urteil „Centros“ betrifft nach Ansicht der Lehre „in Wirklichkeit“ die primäre Niederlassungsfreiheit, da

es sich nicht um die Zweigniederlassung, sondern die Hauptniederlassung der Centros-Gesellschaft handelte, s

Bachner/Winner, Das österreichische internationale Gesellschaftsrecht nach Centros (I), GesRZ 2000, 78.

Page 85: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

69

sich ein daraus folgender Wettbewerb zwischen den Rechtsordnungen („competition among rules“) frei

bilden können muss, selbst im Bereich des Gesellschaftsrechts, falls und solange eine

gemeinschaftsrechtliche Harmonisierung fehlt.565

Die Sitztheorie erlitt durch die Entscheidung einen schweren Schlag, obwohl sich der EuGH in seinem Urteil

nicht auf sie bezog: einerseits beschäftigt sich nämlich ein Gericht nicht mit Theorien, sondern mit

Auswirkungen derselben auf die Rechtslage;566

andererseits stellte sich die Frage der Vereinbarkeit der

Sitztheorie mit der Niederlassungsfreiheit im gegebenen Fall nicht. Denn für das dänische Internationale

Privatrecht handelte es sich bei der Centros um eine wirksam gegründete Auslandsgesellschaft, sodass der

EuGH die Frage der Wirksamkeit der Gründung nicht zu behandeln brauchte.567

Man konnte nach der

Veröffentlichung des Urteils nur erahnen, dass der EuGH die sekundäre Niederlassungsfreiheit für

Gesellschaften unter allen Umständen, also auch in Bezug auf Mitgliedstaaten, die der Sitztheorie folgen,

verwirklichen würde.568

Diese Vorahnung hatte zunächst auch der OGH in einem Urteil vom 15.7.1999569

, dessen Sachverhalt mit

dem Fall Centros vergleichbar war: eine englische Limited wollte in Österreich eine Zweigniederlassung

eröffnen, scheiterte jedoch (beim Firmenbuchgericht) an § 10 IPRG, da die Gesellschaft als

„Briefkastenfirma“ ihre Hauptverwaltung nicht in England, sondern in Österreich hatte. Das Rekursgericht –

bereits in Kenntnis des Centros-Urteils570

- kam auf dasselbe Ergebnis. Der OGH erkannte hingegen im

Centros-Urteil des EuGH einen Widerspruch zwischen Sitztheorie und Niederlassungsfreiheit, der nur durch

den Anwendungsvorrang der Niederlassungsfreiheit – und somit in der Anwendung der Gründungstheorie -

gelöst werden konnte.571

Ein derartiger Widerspruch wurde vom EuGH jedoch, wie erwähnt, im Centros-

Urteil nicht behandelt, da sich diese Frage aufgrund der wirksamen Gründung der Centros gar nicht stellte.

In der (deutschen) Lehre wurde nach dem Centros-Urteil die Anwendung anderer Theorien im

Internationalen Privatrecht diskutiert,572

etwa der „eingeschränkten Gründungstheorie“ nach Behrens, die für

die prinzipielle Anwendung des Gründungsrechts eintritt, sofern nicht Ordre-Public-Erwägungen für eine

Anwendung des Sitzrechts sprechen, der „Differenzierungstheorie“ von Grassmann, die zwischen dem

Innenverhältnis (mit Anwendung des Gründungsrechts) und dem Außenverhältnis (mit Anwendung des für

den Verkehr günstigeren Rechts) unterscheidet, sowie der bereits besprochenen Überlagerungstheorie von

Sandrock. Eine endgültige Klärung des Problems sollte sich aber im nächsten einschlägigen Urteil des EuGH

ergeben.

565

Schlussanträge des Generalanwalts La Pergola, 16.7.1998, Rs C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, 1-1459, Rz 20; vgl

Kieninger, Internationales Gesellschaftsrecht nach „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“, ZEuP 2004, 687. 566

Vgl Bachner/Winner, Das österreichische internationale Gesellschaftsrecht nach Centros (I), GesRZ 2000, 78. 567

Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 21. 568

Marschner/Walzel, Gründung einer Kapitalgesellschaft ohne Mindestkapital möglich?, SWK 1999, W 82. 569

OGH 15.7.1999, 6 Ob 124/99z = wbl 2000, 85. 570

Greindl, Kapitalgesellschaften ohne Mindestkapital, OGH vollzieht Centros-Urteil des EuGH: Endgültiges Ende der

Sitztheorie?, SWK 1999, W 111. 571

Greindl, Kapitalgesellschaften ohne Mindestkapital, SWK 1999, W 112. 572

S Bachner/Winner, Das österreichische internationale Gesellschaftsrecht nach Centros (II), GesRZ 2000, 161.

Page 86: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

70

3.4.6 „Überseering BV“

3.4.6.1 Sachverhalt

Der Sachverhalt des am 5. November 2002 ergangenen Urteils in der Rechtssache „Überseering“573

war

folgender: die Überseering BV, eine im August 1990 in das Handelsregister von Amsterdam und Haarlem

eingetragene Gesellschaft niederländischen Rechts, erwarb im Oktober 1990 ein Grundstück in Düsseldorf,

das sie gewerblich nutzte. Im November 1992 beauftragte Überseering die Nordic Construction Company

Baumanagement GmbH (NCC), eine Gesellschaft mit Sitz in Deutschland, mit der Sanierung eines

Garagengebäudes und eines Motels auf diesem Grundstück, die jedoch in der Folge mangelhaft erbracht

wurde.574

Im Dezember 1994 erwarben zwei deutsche Staatsangehörige, wohnhaft in Düsseldorf, sämtliche

Geschäftsanteile an Überseering; 1996 verklagte Überseering die NCC GmbH auf Ersatz der Kosten der

Beseitigung der angeblichen Mängel und der Folgeschäden.575

Landesgericht und Oberlandesgericht waren

jedoch der Auffassung, aufgrund des Erwerbs der Geschäftsanteile durch zwei deutsche Staatsangehörige

habe die Überseering-Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt, sodass

nach der Sitztheorie deutsches Recht zur Anwendung gelangte. Als Gesellschaft niederländischen Rechts sei

Überseering daher nicht rechts- und parteifähig. Das Oberlandesgericht hielt die Klage daher für unzulässig.

Der Bundesgerichtshof ersuchte den EuGH um Vorabentscheidung, ob die deutsche Rechtslage (das

deutsche Kollisionsrecht) der Niederlassungsfreiheit widerspricht, und ob es die Niederlassungsfreiheit

gebietet, die Rechts- und Parteifähigkeit nach dem Recht des Gründungsstaates zu beurteilen.576

3.4.6.2 Standpunkte der Parteien

Im Verfahren vor dem EuGH brachte etwa die deutsche Regierung vor, die „Theorie des wahren oder

tatsächlichen Verwaltungssitzes“ und ihre Auswirkung auf die Anerkennung der Rechtsfähigkeit und der

Parteifähigkeit von Gesellschaften sei mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar, da die Verfasser der Art 43

und Art 48 EGV die großen Unterschiede zwischen den nationalen Rechtsordnungen kannten und die

nationale Zuständigkeit fortbestehen lassen wollten, solange keine Rechtsangleichung erfolgt sei.577

Unter

Bezugnahme auf die Daily-Mail-Rechtsprechung wies etwa die italienische Regierung auf Art 293 EGV hin,

wonach Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten über die gegenseitige Anerkennung von

Gesellschaften und juristischen Personen vorgesehen seien; die spanische Regierung wies darauf hin, dass

ein derartiges Übereinkommen zwar 1968 unterzeichnet worden, jedoch nie in Kraft getreten sei:578

das

Übereinkommen wurde von den Niederlanden nicht ratifiziert, da man sich mit den im Abkommen

573

EuGH 5.11.2002, Rs C-208/00 („Überseering“), Slg. 2002, 1-9919. 574

Handig, EuGH zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften, ecolex 2003, 87. 575

EuGH 5.11.2002, Rs C-208/00 („Überseering“), Slg. 2002, 1-9919, Rz 8. 576

EuGH 5.11.2002, Rs C-208/00 („Überseering“), Slg. 2002, 1-9919, Rz 21. 577

EuGH 5.11.2002, Rs C-208/00 („Überseering“), Slg. 2002, 1-9919, Rz 26. 578

EuGH 5.11.2002, Rs C-208/00 („Überseering“), Slg. 2002, 1-9919, Rz 27f.

Page 87: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

71

vorgesehenen Vorbehalten (etwa, dass die Vorschriften des Gründungsstaats gegenüber jenen des

Zuzugsstaats verdrängt werden) nicht abfinden konnte.579

Beim „gegenwärtigen Stand des

Gemeinschaftsrechts“ gebe es also keine Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene, die die Vorlagefragen

entscheiden könne. Überhaupt sei die Daily-Mail-Rechtsprechung auf den gegenständlichen Fall übertragbar:

die Kriterien zur Feststellung der Identität von Gesellschaften seien also nicht von der Ausübung der

Niederlassungsfreiheit umfasst; jeder Staat könne selber vorsehen, welche Rechtslage gelten soll.580

Die Überseering-Gesellschaft, die Kommission, die Regierung des Vereinigten Königreichs und die EFTA-

Überwachungsbehörde vertraten hingegen die Ansicht, dass die Daily-Mail-Entscheidung im

gegenständlichen Fall nicht einschlägig sei, da es sich im Daily-Mail-Urteil um einen Wegzugsfall gehandelt

habe, und nicht um einen Zuzugsfall; die Daily-Mail-Entscheidung gelte also nur für die Beziehung

zwischen dem Gründungsstaat und der Gesellschaft, die diesen Staat unter Wahrung der

Rechtspersönlichkeit verlassen möchte, nicht hingegen für die Beziehung zwischen der Gesellschaft und dem

Zuzugsstaat. Vielmehr sei im gegenständlichen Fall auf die Centros-Entscheidung abzustellen.581

3.4.6.3 Entscheidung des EuGH

Der EuGH wies zunächst das Vorbringen zurück, Art 293 EGV stelle einen Rechtsetzungsvorbehalt

zugunsten der Mitgliedstaaten dar.582

Wie Generalanwalt Colomer in seinen Schlussanträgen ausführte,583

enthält Art 293 EGV nur die an die Mitgliedstaaten gerichtete Aufforderung, untereinander, nur „soweit

erforderlich“, Verhandlungen einzuleiten. Art 293 EGV ist daher nicht mit einem Gesetzesvorbehalt

vergleichbar, sondern wirkt eher als eine „Mahnung“ an die Mitgliedstaaten, Probleme zu beseitigen, die sich

aus den Ungleichheiten der Rechtsordnungen ergeben können. Diese Mahnung kann dem

Wirkungsvermögen einer Grundfreiheit nicht entgegenstehen.

Zudem erkannte der EuGH, dass der Daily-Mail-Rechtsprechung ein anderer Sachverhalt zugrunde lag,

nämlich ein Wegzugs- statt ein Zuzugsfall. „Daily Mail“ ist daher auf den „Überseering“-Sachverhalt nicht

anzuwenden.584

Die Überseering-Gesellschaft berief sich laut EuGH daher zu Recht auf die Niederlassungsfreiheit, um sich

dagegen zur Wehr zu setzen, dass das deutsche Recht sie nicht als parteifähige juristische Person ansieht.585

Der EuGH führte weiters aus, dass die Überseering-Gesellschaft zwangsläufig eine Gesellschaft

niederländischen Rechts ist, denn eine Gesellschaft hat jenseits der nationalen Rechtsordnung, die ihre

Gründung und Existenz regelt, keine Realität.586

Der EuGH zitierte hier eine Kernaussage aus der „Daily-

579

Knobbe-Keuk, Umzug von Gesellschaften in Europa, ZHR 154 (1990), 330. 580

EuGH 5.11.2002, Rs C-208/00 („Überseering“), Slg. 2002, 1-9919, Rz 31. 581

EuGH 5.11.2002, Rs C-208/00 („Überseering“), Slg. 2002, 1-9919, Rz 38f, 40f. 582

EuGH 5.11.2002, Rs C-208/00 („Überseering“), Slg. 2002, 1-9919, Rz 38f, 53f. 583

Schlussanträge des Generalanwalts Colomer, 4.12.2001, Rs C-208/00 („Überseering“), Slg. 2002, 1-9919, Rz 42. 584

EuGH 5.11.2002, Rs C-208/00 („Überseering“), Slg. 2002, 1-9919, Rz 73. 585

EuGH 5.11.2002, Rs C-208/00 („Überseering“), Slg. 2002, 1-9919, Rz 76. 586

EuGH 5.11.2002, Rs C-208/00 („Überseering“), Slg. 2002, 1-9919, Rz 81.

Page 88: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

72

Mail“-Rechtsprechung und wandelte sie in eine Aussage um, die man seitdem als „europäische

Gründungstheorie“ bezeichnet: die Sitztheorie samt ihrer Auswirkungen ist mit der Niederlassungsfreiheit

unvereinbar;587

sie wird daher auf europarechtlicher Ebene durch die Gründungstheorie verdrängt. Der Ort

der ursprünglichen Registereintragung der Gesellschaft ist daher für die Ermittlung des Gesellschaftsstatuts

maßgeblich.588

Der EuGH prüfte im Überseering-Urteil zuletzt auch die Rechtfertigungsgründe, etwa, dass die Regeln des

deutschen Internationalen Gesellschaftsrechts der Rechtssicherheit und dem Gläubigerschutz, aber auch dem

Schutz der Minderheitsgesellschafter und dem Arbeitnehmerschutz dienten.589

Diese zwingenden Gründe des

Gemeinwohls können laut EuGH unter bestimmten Umständen und unter Beachtung bestimmter

Voraussetzungen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen.590

Eine vollständige Negierung

der Niederlassungsfreiheit wie im gegenständlichen Fall, nämlich durch Verneinung der Rechts- und

Parteifähigkeit einer Gesellschaft, können sie jedoch nicht rechtfertigen.591

3.4.6.4 Schlussfolgerungen aus der Entscheidung

Im Ergebnis wurde das oben besprochene Judikat des OGH vom 15.7.1999 vom EuGH in der Überseering-

Entscheidung bestätigt:592

Scheinauslandsgesellschaften haben selbst in Staaten, die der Sitztheorie folgen,

Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie Parteifähigkeit, und zwar nach dem Recht des Gründungsstaates. Die

„europäische Gründungstheorie“ gilt daher – in Zuzugsfällen – in allen Mitgliedsstaaten der EU; nur

außerhalb des Anwendungsbereichs der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit gilt weiterhin die

Sitztheorie.593

Eine Anwendung der Ordre-Public-Regel des § 6 IPRG, wonach eine Bestimmung des fremden Rechts dann

nicht anzuwenden ist, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen

der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist, entfällt ebenfalls, da die Rsp diese Bestimmung sehr eng

auslegt. Nur unerträgliche Verletzungen tragender, unverzichtbarer Grundwertungen können eine

Anwendung österreichischen Rechts rechtfertigen; die Schutzziele des Gesellschaftsrechts fallen nach hM

nicht darunter.594

587

Dies wurde in EuGH 5.11.2002, Rs C-208/00 („Überseering“), Slg. 2002, 1-9919, Rz 82, offen ausgesprochen

(wenn auch die Sitztheorie nicht beim Namen genannt wurde); dieser Meinung sind auch Leible/Hoffmann,

“Überseering” und das (vermeintliche) Ende der Sitztheorie, RIW 2002, 928; s auch Dubovizkaja, “Überseering”-

Rechtsprechung: Gerichtliche Klarstellung zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften, GmbHR 2003, 697. 588

Leible/Hoffmann, “Überseering” und das (vermeintliche) Ende der Sitztheorie, RIW 2002, 931. 589

EuGH 5.11.2002, Rs C-208/00 („Überseering“), Slg. 2002, 1-9919, Rz 87f, 89. 590

EuGH 5.11.2002, Rs C-208/00 („Überseering“), Slg. 2002, 1-9919, Rz 92. 591

EuGH 5.11.2002, Rs C-208/00 („Überseering“), Slg. 2002, 1-9919, Rz 93. 592

Winner, Von Centros zu Überseering BV – Der EuGH und das Internationale Gesellschaftsrecht, GeS 2003, 66. 593

So auch ausdrücklich für Deutschland der BGH in seinem „Trabrennbahn“-Urteil vom 27. Oktober 2008, II ZR

158/06, s Werner, Das deutsche Internationale Gesellschaftsrecht nach „Cartesio“ und „Trabrennbahn“, GmbHR

2009, 193. 594

S Krejci, Ein Käfig für den Tiger, in: FS Ruppe, 323.

Page 89: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

73

Für Wegzugsfälle gilt weiterhin die „Daily-Mail“-Rechtsprechung, dies hat der EuGH mit seiner erstmals in

„Überseering“ getätigten Unterscheidung zwischen Wegzugs- und Zuzugsfällen ausdrücklich bekräftigt.

Dadurch entstand ein diskriminierendes Gefälle zwischen Gesellschaften, die aus (wegzugs)liberalen

Mitgliedstaaten auswandern dürfen und jenen, die daran von ihrem Gründungsstaat gehindert werden.595

Trotz der in „Überseering“ getätigten Klarstellung hinsichtlich der Nichtanwendbarkeit der Sitztheorie in

Zuzugsfällen und der Unterscheidung zwischen Zuzugs- und Wegzugsfällen blieben nach der Entscheidung

noch Fragen offen, die einem vollendeten „Wettbewerb der Gesellschaftsrechte“ entgegenstanden, etwa, ob

die Gründung nach ausländischem Recht auch dann akzeptiert werden muss, wenn die Gesellschaft den

tatsächlichen Sitz der Hauptverwaltung im Inland hat, oder, ob man nicht nur die Gründung, sondern auch

die Haftungsverfassung nach ausländischem Recht akzeptieren und beurteilen muss. Inwieweit

Sonderanknüpfungen trotz der prinzipiell geltenden „europäischen Gründungstheorie“ daher europarechtlich

möglich sind, wurde vom EuGH auch in „Überseering“ nicht besprochen.596

Auf konkrete Hinweise seitens

des EuGH auf die Gestaltungsgrenzen des nationalen Rechts597

musste man somit noch warten.

595

Vgl Dubovizkaja, “Überseering”-Rechtsprechung: Gerichtliche Klarstellung zur Niederlassungsfreiheit von

Gesellschaften, GmbHR 2003, 698. Demgegenüber hält Winner, Von Centros zu Überseering BV – Der EuGH und

das Internationale Gesellschaftsrecht, GeS 2003, 67f mwN, das vom EuGH in „Überseering“ zu „Daily Mail“

Ausgeführte nur für ein obiter dictum, das nicht überbewertet werden dürfe. 596

Winner, Von Centros zu Überseering BV – Der EuGH und das Internationale Gesellschaftsrecht, GeS 2003, 68. 597

Winner, Von Centros zu Überseering BV – Der EuGH und das Internationale Gesellschaftsrecht, GeS 2003, 68.

Page 90: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

74

3.4.7 „Inspire Art Ltd.“

3.4.7.1 Sachverhalt

Der nächste „landmark case“ des EuGH im internationalen Gesellschaftsrecht598

wurde am 30. September

2003 entschieden.599

Spätestens dieses Urteil war ausschlaggebend für einen vollendeten „Wettbewerb der

Rechtsordnungen“ innerhalb der EU. Der Sachverhalt des über zwei Jahre dauernden600

Verfahrens vor dem

EuGH war dem in „Centros“ vergleichbar: die „Inspire Art“-Gesellschaft wurde am 28.7.2000 als Private

Limited Company mit Sitz in Folkestone, Vereinigtes Königreich, gegründet,601

übte aber seitdem ihre

Geschäftstätigkeit (Verkauf von Kunstgegenständen) einzig über eine Zweigniederlassung in den

Niederlanden aus.602

Die „Inspire Art“-Gesellschaft fiel infolgedessen603

in den Anwendungsbereich eines niederländischen

Gesetzes über Scheinauslandsgesellschaften, die sog „Wet op de formeel buitenlandse vennootschappen“

(kurz: WFBV, übersetzt: Gesetz über formal ausländische Gesellschaften604

).605

Zwar gilt in den

Niederlanden die Gründungstheorie,606

diese wurde aber durch die 1997 verabschiedete607

WFBV erheblich

eingeschränkt: so mussten etwa formal ausländische Gesellschaften explizit als solche (also mit der

Bezeichnung „formal ausländische Gesellschaft“) im Handelsregister eingetragen werden und firmieren;

weiters musste sich das Nennkapital und der davon einbezahlte Anteil einer formal ausländischen

Gesellschaft mindestens auf den Betrag des Mindestkapitals belaufen, welches auch für niederländische

GmbHs gesetzlich vorgeschrieben war (€ 18.000); zudem fanden sich in der WFBV

Publizitätsbestimmungen. Wurden die Voraussetzungen aus der WFBV nicht erfüllt, hafteten die

Geschäftsführer neben der Gesellschaft solidarisch.608

Ziel des Gesetzes war es, die Umgehung

niederländischen Kapitalgesellschaftsrechts durch ausländische Rechtsformen zu vermeiden, da seit einer

strengeren GmbH-Gesetzgebung in den Niederlanden ab den 1970er Jahren eine regelrechte Flucht in

ausländische Rechtsformen stattfand.609

Im niederländischen Handelsregister war die Gesellschaft ohne die von der WFBV geforderte Bezeichnung

„formal ausländische Gesellschaft“ eingetragen, woraufhin die Handelskammer Amsterdam am 30.10.2000

598

Spindler/Berner, Inspire Art – Der europäische Wettbewerb um das Gesellschaftsrecht ist endgültig eröffnet, RIW

2003, 949. 599

EuGH 30.9.2003, Rs C-167/01 („Inspire Art“), Slg. 2003, 1-10155. 600

Der Beschluss des Kantongerecht Amsterdam gemäß Art 234 EGV ging beim EuGH am 19.4.2001 ein, s EuGH

30.9.2003, Rs C-167/01 („Inspire Art“), Slg. 2003, 1-10155, Rz 1. 601

EuGH 30.9.2003, Rs C-167/01 („Inspire Art“), Slg. 2003, 1-10155, Rz 34. 602

Spindler/Berner, Inspire Art, RIW 2003, 952. 603

Gem Art 1 WFBV findet dieses Gesetz nur auf Kapitalgesellschaften Anwendung, die nach ausländischem Recht

gegründet wurden, ihre Tätigkeit aber vollständig oder nahezu vollständig in den Niederlanden ausübt und daneben

keine tatsächliche Bindung an den Staat hat, in dem das Recht gilt, nach dem sie gegründet wurde; s EuGH

30.9.2003, Rs C-167/01 („Inspire Art“), Slg. 2003, 1-10155, Rz 22; Adensamer/Bervoets, Nationaler Gläubigerschutz

auf dem Prüfstand: Die Entscheidung des EuGH in der Rs “Inspire Art”, RdW 2003, 618. 604

Reich-Rohrwig/Gröss, Inspire Art: EuGH führt Centros und Überseering fort, ecolex 2003, 913. 605

Spindler/Berner, Inspire Art, RIW 2003, 952. 606

Kieninger, Internationales Gesellschaftsrecht nach „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“, ZEuP 2004, 689. 607

Adensamer/Bervoets, Nationaler Gläubigerschutz auf dem Prüfstand, RdW 2003, 617. 608

Reich-Rohrwig/Gröss, Inspire Art, ecolex 2003, 913. 609

Adensamer/Bervoets, Nationaler Gläubigerschutz auf dem Prüfstand, RdW 2003, 617f.

Page 91: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

75

beim Kantongerecht Amsterdam beantragte, anzuordnen, dass die Eintragung der Gesellschaft im

Handelsregister durch den Vermerk „formal ausländische Gesellschaft“ vervollständigt werde. Folglich hätte

die „Inspire Art“-Gesellschaft auch die weiteren Bestimmungen der WFBV, etwa die Einhaltung der

Mindestkapitalvorschrift, befolgen müssen.610

Das Kantongerecht Amsterdam stellte fest, dass die „Inspire

Art“ eine Scheinauslandsgesellschaft im Sinne der WFBV sei, zweifelte aber hinsichtlich der Vereinbarkeit

der WFBV mit der Niederlassungsfreiheit, und legte dem EuGH die Fragen vor, ob einerseits zusätzliche

Regeln wie jene in der WFBV hinsichtlich der Gründung den Artikeln 43 und 48 EGV entgegenstehen, und

ob andererseits eine Rechtfertigung der WFBV in Art 46 EGV gefunden werden kann.611

Kurz: der EuGH

hatte über die Vereinbarkeit von kollisionsrechtlichen Sonderanknüpfungen zu entscheiden.612

3.4.7.2 Entscheidung des EuGH

Der EuGH prüfte sämtliche Bestimmungen der WFBV auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht

und kam dabei zu folgendem Ergebnis: die Publizitätsvorschriften der WFBV sind anhand der Elften

Gesellschaftsrechtlichen Richtlinie, der sog Publizitätsrichtlinie für Zweigniederlassungen613

, zu prüfen.

Diese Richtlinie versteht sich laut Interpretation des EuGH als Maximalregelung, dh die Aufzählung von

Offenlegungstatbeständen in der Richtlinie ist abschließend.614

Jene Bestimmungen der WFBV, die dem

Katalog entsprachen, waren daher prinzipiell gemeinschaftsrechtlich zulässig (sofern die damit verbundenen

Sanktionen nicht diskriminierend wirkten), etwa die Hinterlegung einer in niederländischer, französischer,

englischer oder deutscher Sprache abgefassten beglaubigten Abschrift des Errichtungsaktes und der

Satzung.615

Alle über die Elfte Richtlinie hinausgehenden Offenlegungsbestimmungen stellten

demgegenüber einen nicht gerechtfertigten Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit dar, etwa der

Zusatzvermerk, dass es sich um eine formal ausländische Gesellschaft handelt.616

Die Bestimmungen der WFBV, die das Mindestkapital und die gesamtschuldnerische Haftung der

Geschäftsführer betrafen, fielen jedoch nicht unter die Elfte Richtlinie, und mussten daher anhand der Art 43

und 48 EGV geprüft werden.617

Der EuGH wiederholte zunächst seine Rechtsprechung, nach der es für die

Anwendung der Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit ohne Bedeutung ist, dass eine Gesellschaft in

610

EuGH 30.9.2003, Rs C-167/01 („Inspire Art“), Slg. 2003, 1-10155, Rz 36. 611

Vgl EuGH 30.9.2003, Rs C-167/01 („Inspire Art“), Slg. 2003, 1-10155, Rz 39. 612

Spindler/Berner, Inspire Art, RIW 2003, 952. 613

Elfte Richtlinie 89/666/EWG des Rates vom 21.12.1989 über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in

einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen

Staates unterliegen, Abl L 395 vom 30/12/1989, 36ff. 614

Adensamer/Bervoets, Nationaler Gläubigerschutz auf dem Prüfstand, RdW 2003, 618; Vgl EuGH 30.9.2003, Rs C-

167/01 („Inspire Art“), Slg. 2003, 1-10155, Rz 69f. 615

Vgl EuGH 30.9.2003, Rs C-167/01 („Inspire Art“), Slg. 2003, 1-10155, Rz 57. 616

Vgl EuGH 30.9.2003, Rs C-167/01 („Inspire Art“), Slg. 2003, 1-10155, Rz 71. 617

Vgl EuGH 30.9.2003, Rs C-167/01 („Inspire Art“), Slg. 2003, 1-10155, Rz 73.

Page 92: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

76

einem Mitgliedstaat nur errichtet wurde, um sich in einem zweiten Mitgliedstaat niederzulassen, in dem die

Geschäftstätigkeit im Wesentlichen oder ausschließlich ausgeübt werden soll.618

Die Regelung des WFBV, Scheinauslandsgesellschaften müssen die Mindestkapitalerfordernisse des

Zuzugsstaats und die Haftung der Gesellschafter beachten, führt zu einer Einschränkung der Rechte, die aus

der Niederlassungsfreiheit fließen.619

Eine Rechtfertigung für diese Einschränkung lag laut EuGH im gegenständlichen Fall nicht vor. Zwar

brachten die niederländische Handelskammer sowie die niederländische, deutsche und österreichische

Regierung den Einwand vor, die Vorschriften über das Mindestkapital bezweckten vor allem, die finanzielle

Leistungsfähigkeit der Gesellschaften zu stärken und auf diese Weise einen besseren Gläubigerschutz zu

gewährleisten; Gläubiger sollen damit vor der Gefahr einer missbräuchlichen Insolvenz infolge der

Gründung von Gesellschaften geschützt werden, die von Anfang an nicht mit ausreichendem Kapital

ausgestattet seien. Außerdem sei die Bedeutung des Mindestkapitals in Art 6 der Zweiten

Gesellschaftsrechtlichen Richtlinie ausdrücklich anerkannt.620

Die österreichische Regierung wies überdies

darauf hin, dass die Regelungen des Mindestkapitals ein geeignetes und verhältnismäßiges Mittel seien, wie

es im Gemeinschaftsrecht anerkannt sei. Zwar gelte die Zweite Richtlinie nicht für GmbHs, und es gebe für

sie auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene auch keine vergleichbare Vorschrift, aber die meisten

Mitgliedsstaaten der EU mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs sowie Irlands verfügten über derartige

Regelungen eines Mindestkapitals, das die Gesellschaften garantieren müssten.621

Der EuGH führte aber aus, dass potenzielle Gläubiger hinreichend darüber unterrichtet sind, dass eine

Gesellschaft englischen Rechts anderen Rechtsvorschriften als niederländische Gesellschaften unterliegt.

Zudem können sich die Gläubiger, wie schon in Centros ausgeführt, auf gemeinschaftsrechtliche

Schutzregelungen, etwa die die Vierte und Elfte Richtlinie, berufen.622

Darüber hinausgehende nationale

Schutzmaßnahmen zugunsten der Gläubiger einer Gesellschaft sind jedoch nicht erforderlich.623

3.4.7.3 Die Schlussanträge des Generalanwalts zur Frage des Mindestkapitals

Der EuGH verweist Gesellschaftsgläubiger also auf ihre privatautonome Entscheidung;624

auch

Generalanwalt Alber führte in seinen Schlussanträgen625

aus, dass die Mitgliedstaaten von der Möglichkeit,

die Mindestkapitalvorschriften der nationalen Gesellschaften mit beschränkter Haftung gem Art 44 oder Art

293 EGV zu harmonisieren, bislang nicht Gebrauch gemacht haben. Würde man nun trotzdem auch auf

ausländische GmbHs die Vorschriften anwenden, so würde dies das Recht auf freie Niederlassung

618

Vgl EuGH 30.9.2003, Rs C-167/01 („Inspire Art“), Slg. 2003, 1-10155, Rz 95 mit Hinweis auf die Urteile Segers

und Centros. 619

Vgl EuGH 30.9.2003, Rs C-167/01 („Inspire Art“), Slg. 2003, 1-10155, Rz 101. 620

Vgl EuGH 30.9.2003, Rs C-167/01 („Inspire Art“), Slg. 2003, 1-10155, Rz 110. 621

Vgl EuGH 30.9.2003, Rs C-167/01 („Inspire Art“), Slg. 2003, 1-10155, Rz 116. 622

Vgl EuGH 30.9.2003, Rs C-167/01 („Inspire Art“), Slg. 2003, 1-10155, Rz 135. 623

Adensamer/Bervoets, Nationaler Gläubigerschutz auf dem Prüfstand, RdW 2003, 619. 624

Adensamer/Bervoets, Nationaler Gläubigerschutz auf dem Prüfstand, RdW 2003, 620. 625

Schlussanträge des Generalanwalts Alber, 30.1.2003, Rs C-167/01 („Inspire Art“), Slg. 2003, 1-10155, Rz 104.

Page 93: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

77

einschränken. Zudem verwies der Generalanwalt hinsichtlich der Geeignetheit der

Mindestkapitalvorschriften auf die Ausführungen des Generalanwalts La Pergola in den Schlussanträgen zu

„Centros“: in Irland und England werde dem Mindestkapital überhaupt keine Bedeutung zugemessen; auch

der Bericht der Winter-Gruppe habe befunden, dass das Mindestkapital nur eine einzige Funktion erfülle: es

schrecke Einzelne von der leichtfertigen Gründung einer Gesellschaft ab.626

Auch habe der EuGH in

„Centros“ richtigerweise ausgeführt, dass zum Schutz der Gläubiger die Möglichkeit besteht, sich

Sicherheiten einräumen zu lassen.627

3.4.7.4 Schlussfolgerungen aus der Entscheidung

Im Ergebnis blieb daher der EuGH auch in „Inspire Art“ seiner Linie treu, wenn auch neue Einzelfragen auf

dem Weg zu einem vollständigen Wettbewerb der Gesellschaftsformen innerhalb der EU beantwortet

wurden: so ist die niederländische WFBV mit kollisionsrechtlichen Sonderanknüpfungen, wie sie etwa in

Österreich und Deutschland angedacht wurden, vergleichbar.628

Diesen wird seit dem Urteil, zumindest

hinsichtlich des Stadiums der Errichtung einer Gesellschaft, ein Riegel vorgeschoben. Was „Überseering“

also nur für die Rechts- und Parteifähigkeit festlegte, ist nun in „Inspire Art“ auch auf

Mindestkapitalvorschriften erweitert worden: die zwingende Anwendung des Gründungsstatuts.629

Spätestens seit dieser Entscheidung besteht somit in der EU für Gesellschaftsneugründungen die Möglichkeit

der freien Rechtswahl: ein Unternehmer kann seine Gesellschaft in jedem beliebigen Mitgliedstaat

gründen;630

zumindest theoretisch kann aber ein Mitgliedstaat aufgrund der „Daily-Mail“-Rechtsprechung

noch immer Wegzugsschranken einrichten.

626

Schlussanträge des Generalanwalts Alber, 30.1.2003, Rs C-167/01 („Inspire Art“), Slg. 2003, 1-10155, Rz 142. 627

Schlussanträge des Generalanwalts Alber, 30.1.2003, Rs C-167/01 („Inspire Art“), Slg. 2003, 1-10155, Rz 150. 628

Adensamer/Bervoets, Nationaler Gläubigerschutz auf dem Prüfstand, RdW 2003, 620. 629

Spindler/Berner, Inspire Art, RIW 2003, 955. 630

Wachter, Auswirkungen des EuGH-Urteils in Sachen Inspire Art, GmbHR 2004, 89.

Page 94: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

78

3.4.8 „Hughes de Lasteyrie du Saillant“

3.4.8.1 Sachverhalt und Entscheidung des EuGH

In den auf „Inspire Art“ folgenden Urteilen bestätigte der EuGH seine Position, die Bestimmungen über die

Niederlassungsfreiheit weit auszulegen. Das Urteil in der Rs „Hughes de Lasteyrie du Saillant“ vom 11.

März 2004631

beschäftigte sich mit der sog „Wegzugsbesteuerung“: bis zum genannten Urteil war es dem

Fiskus möglich, im Falle des „Wegzugs“ natürlicher Personen die stillen Reserven derer Gesellschaftsanteile

zu besteuern.632

Im gegenständlichen Fall hat der französische Staatsbürger Hughes de Lasteyrie du Saillant Frankreich am

12.9.1998 verlassen, um seinen Wohnsitz in Belgien zu nehmen. Er wurde daraufhin in Frankreich

hinsichtlich der Wertsteigerungen seiner Anteile an einer Gesellschaft mit Sitz in Frankreich besteuert. De

Lasteyrie du Saillant beantragte daraufhin beim Conseil d‟État, die gegenständliche Steuerbestimmung

wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit aufzuheben.633

Der EuGH hat ausgeführt, dass Art 43 EGV einem Mitgliedstaat verwehrt, zur Vorbeugung gegen die

Steuerflucht eine Regelung zur Besteuerung latenter Wertsteigerungen im Falle der Wohnsitzverlegung des

Steuerpflichtigen ins Ausland einzuführen.634

3.4.8.2 Schlussfolgerungen aus der Entscheidung

Die Folgen der Entscheidung in „Hughes de Lasteyrie du Saillant“ sind strittig. Die Entscheidung ähnelt

zwar auf den ersten Blick „Daily Mail“: in beiden Fällen handelt es sich um Beschränkungen des Wegzugs;

es liegt daher nahe, in „Lasteyrie“ eine Aufgabe der „Daily Mail“-Rechtsprechung zu sehen.

Aber es muss einerseits gefragt werden, wer wegzieht: eine natürliche Person (wie in „Hughes de Lasteyrie

du Saillant“) oder eine juristische Person (wie in „Daily Mail“). Andererseits ist die „Lasteyrie“-

Rechtsprechung keineswegs eine Abkehr von „Daily Mail“, da letzteres Urteil in ersterem nicht erwähnt

wird.635

Ohne ausdrückliche Aufgabe von Daily Mail kann man von einer solchen auch nicht sprechen. Auch

gilt der Gleichheitsgrundsatz, also die Gleichbehandlung von juristischen und natürlichen Personen, im

gegebenen Fall des Wegzugs nicht:636

in Daily Mail wurde gerade die „Geschöpftheorie“ geschaffen, um

eine Unterscheidung zwischen natürlichen und juristischen Personen herbeizuführen. Diese Theorie wurde

vom EuGH seitdem nicht aufgegeben; aus diesem Grund ist – trotz des Anspruchs von natürlichen wie

631

EuGH 11.3.2004, Rs C-9/02 („Hughes de Lasteyrie du Saillant“), Slg. 2004, 1-2431. 632

Gem § 31 iVm § 37 Abs 4 EStG zum Hälftesteuersatz; s Bendlinger, Liechtenstein, Monaco, die Cayman Islands –

Steueroasen oder Fata Morgana?, Teil I, VWT 2004, H 1, 31. 633

EuGH 11.3.2004, Rs C-9/02 („Hughes de Lasteyrie du Saillant“), Slg. 2004, 1-2431, Rz 12f. 634

EuGH 11.3.2004, Rs C-9/02 („Hughes de Lasteyrie du Saillant“), Slg. 2004, 1-2431, Rz 69. 635

Weng, Die Rechtssache Cartesio – Das Ende Daily Mails?, EWS 2008, 269. 636

So aber Schärf, Steuerliche Folgen grenzüberschreitender Sitzverlegungen und Niederlassungsfreiheit, SWI 2004,

552.

Page 95: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

79

juristischen Personen auf Grundrechtsschutz637

– fraglich, ob die Rechtsprechung in „Lasteyrie du Saillant“

auf juristische Personen übertragbar ist;638

von einer Abkehr der „Daily Mail“-Rechtsprechung kann man

jedoch in keinem Fall ausgehen.

3.4.9 „SEVIC Systems AG“

3.4.9.1 Sachverhalt und Entscheidung des EuGH

Das Urteil des EuGH vom 13. Dezember 2005 in der Rs „SEVIC Systems AG“639

betraf die

grenzüberschreitende Hineinverschmelzung einer Kapitalgesellschaft von Luxemburg nach Deutschland und

ist die bislang letzte Entscheidung im Bereich der Zuzugsbeschränkungen.640

Durch dieses Urteil erleichterte

der EuGH grenzüberschreitende Verschmelzungen bereits zwei Jahre vor Ablauf der Umsetzungsfrist641

für

die Verschmelzungsrichtlinie642

. Die luxemburgische Gesellschaft Security Vision Concept SA sollte auf die

deutsche SEVIC AG verschmolzen werden; die Security Vision sollte aufgelöst und ihr Vermögen als

Ganzes auf die SEVIC AG ohne Änderung deren Firma übertragen werden.643

Der diesbezügliche Antrag auf

Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister wurde vom Amtsgericht Neuwied mit der Begründung

zurückgewiesen, dass § 1 dUmwG nur die Verschmelzung von Rechtsträgern mit Sitz in Deutschland

vorsehe. Eine grenzüberschreitende Umwandlung (österr.: Umgründung) war demnach in Deutschland nicht

zulässig.644

Der EuGH erkennt eine Diskriminierung grenzüberschreitender Verschmelzungen gegenüber

innerstaatlicher; diese Diskriminierung verstößt gegen Art 43 und Art 48 EGV, die – da sie generell

angewandt wird – auch nicht rechtfertigbar ist: der EuGH verweist hier auf seine frühere Rechtsprechung in

„Überseering“ und „Inspire Art“, wonach zwingende Gründe des Allgemeininteresses, etwa der

Gläubigerschutz oder Arbeitnehmerschutz, unter bestimmten Umständen und bei Beachtung bestimmter

Voraussetzungen eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen können. Eine generelle

Ablehnung grenzüberschreitender Verschmelzungen, also auch in jenen Fällen, in denen die genannten

Interessen nicht bedroht werden, ist aber jedenfalls unzulässig.645

637

Schärf, Steuerliche Folgen grenzüberschreitender Sitzverlegungen und Niederlassungsfreiheit, SWI 2004, 552. 638

Vgl Weng, Die Rechtssache Cartesio – Das Ende Daily Mails?, EWS 2008, 269. 639

EuGH 12.12.2005, Rs C-411/03 („SEVIC Systems AG“), Slg. 2005, 1-10805. 640

Mader, Zur Zukunft des europäischen Gesellschaftsrechts (Teil I), RWZ 2006, 39; Schmidtbleicher,

Verwaltungssitzverlegung deutscher Kapitalgesellschaften in Europa: „SEVIC“ als Leitlinie für „Cartesio“?, BB

2007, 613. 641

Am 15.12.2007, s Mader, Zur Zukunft des europäischen Gesellschaftsrechts (Teil I), RWZ 2006, 39. 642

Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Verschmelzung

von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten, ABl EG Nr. L 310 vom 25.10.2005, 1ff. 643

EuGH 12.12.2005, Rs C-411/03 („SEVIC Systems AG“), Slg. 2005, 1-10805, Rz 6. 644

Mader, Zur Zukunft des europäischen Gesellschaftsrechts (Teil I), RWZ 2006, 39. 645

EuGH 12.12.2005, Rs C-411/03 („SEVIC Systems AG“), Slg. 2005, 1-10805, Rz 28, 30.

Page 96: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

80

3.4.9.2 Schlussfolgerungen aus der Entscheidung

Das „SEVIC“-Urteil des EuGH reicht weiter als die erwähnte Verschmelzungsrichtlinie646

und ist der bislang

letzte Meilenstein auf dem Weg zu einem Wettbewerb der Gesellschaftsrechte innerhalb der EU. Dennoch

blieb fraglich, ob nationale Wegzugsbeschränkungen auch weiterhin aufrecht erhalten werden dürfen, auch

wenn aus dem Urteil „SEVIC“ auch die Zulässigkeit von grenzüberschreitenden Hinausverschmelzungen,

sozusagen dem „verschmelzungsrechtlichen Pendant“ des Wegzugs einer Gesellschaft, gelesen werden kann:

denn nach Auffassung des EuGH ist die Niederlassungsfreiheit unabhängig davon einschlägig, ob die

aufnehmende oder die übertragende Gesellschaft – „eine der beiden Gesellschaften“ – ihren Sitz in einem

anderen Mitgliedstaat hat.647

Auf die Fälle der Sitzverlegung einer Gesellschaft gemünzt: es kann nach Art

43 und Art 48 EGV keinen Unterschied machen, ob eine Gesellschaft zu- oder wegzieht. Dieser Auffassung

steht aber – noch – die Entscheidung „Daily Mail“ entgegen.

3.4.10 „Cartesio Oktató és Szolgáltató bt.“

3.4.10.1 Sachverhalt

Der bislang letzte Schritt des EuGH im Hinblick auf die Europäisierung des Gesellschaftsrechts betrifft einen

Wegzugsfall, 20 Jahre, nachdem in „Daily Mail“ über einen ähnlichen Fall entschieden wurde. Der

Sachverhalt in der Rechtssache „Cartesio“ stellt sich wie folgt dar: im Jahr 2004 wurde die nach

ungarischem Recht gegründete Cartesio betéti társaság (kurz: bt, Kommanditgesellschaft648

) ins ungarische

Handelsregister eingetragen. Der Verwaltungssitz der Firma war zunächst in Baja in Ungarn, als

Komplementär bzw Kommanditist fungierten zwei ungarische Staatsbürger.649

Im Jahr 2005 beantragte die

Gesellschaft beim ungarischen Handelsregistergericht, dem Komitatsgericht in Bács-Kiskun, die Eintragung

der Verwaltungssitzverlegung (also die Verlegung des „operativen“ bzw „de-facto-Geschäftssitzes“) nach

Italien; von dort aus wollte sie ihre Geschäfte als Gesellschaft ungarischen Rechts weiterbetreiben.650

Das ungarische Registergericht verweigerte aber die Eintragung der neuen Adresse im Handelsregister, da

das ungarische Recht eine Sitzverlegung nicht vorsehe.651

Nach dem ungarischen Gesetz über die

Handelsregistereintragung befindet sich nämlich der Sitz einer Gesellschaft ungarischen Rechts an dem Ort,

an dem sich die Hauptverwaltung (der „operative Geschäftssitz“) befindet. Ungarn folgt zwar

646

Mader, Zur Zukunft des europäischen Gesellschaftsrechts (Teil I), RWZ 2006, 39. 647

Weng, Die Rechtssache Cartesio – Das Ende Daily Mails?, EWS 2008, 269, FN 51 mwN. 648

Und somit die erste Personengesellschaft in der „Centros“/“Daily-Mail“-Rechtsprechung des EuGH, s

Kußmaul/Richter/Ruiner, Die Sitztheorie hat endgültig ausgedient!, DB 2008, 457. 649

Dazu näher Nemessányi, Cartesio ergo sum?, ZfRV 2008, 264 FN 5. 650

Weng, Die Rechtssache Cartesio – Das Ende Daily Mails?, EWS 2008, 265. 651

Gurtner/Hofbauer/Kofler, Sitztheorie vs Gründungstheorie – Abgehen von der Rsp in der Rs Daily Mail?, taxlex

2008/83.

Page 97: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

81

kollisionsrechtlich im Grundsatz nicht der Sitztheorie, sondern vielmehr der Gründungstheorie;652

Nationalität und Sitz einer Gesellschaft sind aber doch nach materiellem Recht untrennbar miteinander

verflochten, sodass ein „Export“ einer ungarischen Gesellschaft in einen anderen EU-Mitgliedstaat, sohin die

Verlegung ihrer Hauptverwaltung dorthin, verboten ist.653

Auch gewähre die europäische

Niederlassungsfreiheit nach Artt 43, 48 EGV mangels Harmonisierung noch keine entsprechende

Rechtsgrundlage.654

Es sei daher nach ungarischer Rechtslage nicht möglich, dass Gesellschaften ihren

operativen Gesellschaftssitz in einen anderen EU-Mitgliedstaat verlegten und gleichzeitig ihren Rechtsstatus

als ungarische Gesellschaft aufrechterhielten.655

Vielmehr müsste ein Unternehmen, das seinen

Verwaltungssitz von Ungarn in einen anderen EU-Mitgliedstaat verlegen wolle, zuerst in Ungarn

abgewickelt, dh aufgelöst, und anschließend nach dem Recht des anderen Mitgliedstaates neu gegründet

werden.656

Gegen diesen Beschluss legte die Gesellschaft beim Berufungsgericht in Szeged Rechtsmittel ein. Vor dem

Rechtsmittelgericht brachte die Cartesio bt die „SEVIC“-Rechtsprechung des EuGH von 2005 vor und war

der Ansicht, dass gem dieser Rechtsprechung das ungarische Recht insoweit gegen die Artt 43 und 48 EGV

verstoße, als es Handelsgesellschaften unterschiedlich behandle, je nachdem, in welchem Mitgliedstaat sich

ihr Sitz befinde. Das ungarische Gesetz könne daher den ungarischen Gesellschaften nicht vorschreiben,

Ungarn als Sitzland zu wählen.657

Demgegenüber vertrat das erstinstanzliche Gericht unter Bezugnahme auf

die „Daily-Mail“-Rechtsprechung des EuGH von 1988 die Meinung, dass die Niederlassungsfreiheit einer

Gesellschaft gerade nicht das Recht gewähre, ihre Hauptverwaltung und damit ihre Hauptniederlassung in

einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen und dabei ihre Rechtspersönlichkeit und ihre ursprüngliche

Staatsangehörigkeit zu behalten.658

Das Rechtsmittelgericht in Szeged setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH (ua) die (hier

interessierenden) Fragen vor, a) ob die Frage der Sitzverlegung einer ungarischen Gesellschaft von Ungarn

in einen anderen EU-Mitgliedstaat unter das Gemeinschaftsrecht fällt oder mangels Harmonisierung der

Rechtsvorschriften vom nationalen Recht zu lösen ist; b) ob sich die ungarische Gesellschaft bei der

Verlegung ihres Sitzes in einen anderen EU-Mitgliedstaat unmittelbar auf die Art 43 und 48 EGV berufen

kann und ob bei Bejahung dieser Frage die Sitzverlegung vom Herkunfts- oder vom Aufnahmestaat von

einer Bedingung oder Genehmigung abhängig gemacht werden kann; c) ob die Art 43 und 48 EGV dahin

auszulegen sind, dass eine nationale Regelung oder Praxis mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar ist,

wonach Handelsgesellschaften in Bezug auf die Ausübung ihrer Rechte unterschiedlich behandelt werden, je

nachdem, in welchem Mitgliedstaat sie ansässig sind; und d) ob die Art 43 und 48 EGV dahin auszulegen

652

Nach § 18 der ungarischen Verordnung über das internationale Privatrecht gilt als Anknüpfungspunkt für das

Personalstatut von Gesellschaften grundsätzlich der Ort ihrer Eintragung; s dazu und zu Ausnahmebestimmungen

näher Nemessányi, Cartesio, ZfRV 2008, 265. 653

Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro, 22.5.2008, Rs C-210/06 („Cartesio“), ZIP 2008, 1067, Rz 23. 654

Kleinert/Schwarz, Droht vom EuGH ein neues Daily Mail?, GmbHR 2006, R 365. 655

Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro, 22.5.2008, Rs C-210/06 („Cartesio“), ZIP 2008, 1067, Rz 3. 656

Gurtner/Hofbauer/Kofler, Sitztheorie vs Gründungstheorie, taxlex 2008/83. 657

EuGH 16.12.2008, Rs C-210/06 („Cartesio“), Rz 26. 658

EuGH 16.12.2008, Rs C-210/06 („Cartesio“), Rz 34.

Page 98: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

82

sind, dass eine nationale Regelung oder Praxis mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar ist, wonach es einer

Gesellschaft des betreffenden Mitgliedstaats verwehrt ist, ihren Sitz in einen anderen Mitgliedstaat der

Europäischen Union zu verlegen.659

3.4.10.2 Die Schlussanträge des Generalanwalts

In seinen – für den EuGH nicht bindenden – Schlussanträgen sah Generalanwalt Poiares Maduro die

Regelung, ungarischen Gesellschaften die Verlegung ihres operativen Geschäftssitzes in einen anderen EU-

Mitgliedstaat zu verbieten, innerhalb des Geltungsbereichs der Niederlassungsfreiheit nach den Art 43 und

48 EGV gelegen, da eine derartige Regelung grenzüberschreitende Sachverhalte eindeutig ungünstiger

behandelt als rein nationale Sachverhalte.660

Zwar habe der EuGH noch in „Daily Mail“ 1988 den Grundsatz

„der Staat hat‟s gegeben – der Staat hat‟s genommen – und damit müssen wir uns abfinden“ vertreten, doch

habe sich seitdem die Rechtsprechung im Sinne eines differenzierteren Ansatzes weiterentwickelt.661

Etwa

habe der EuGH in „Inspire Art“ 2003 festgestellt, dass eine Umgehungsabsicht bei der Gründung einer

Gesellschaft in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht ausschließt, dass die Errichtung einer

Zweigniederlassung dieser Gesellschaft im Zuzugsstaat unter die Niederlassungsfreiheit gem Art 43 und 48

EGV fällt; somit würde nach Aussage des EuGH die Gründung und Existenz von Gesellschaften ganz und

gar nicht ausschließlich durch die jeweilige nationale Rechtsordnung der Mitgliedstaaten geregelt werden,

was der EuGH aber in „Daily Mail“ noch annahm.662

Auch die später aufgrund dieses Widerspruchs

vorgenommene Unterscheidung des EuGH zwischen Zuzugs-und Wegzugsfällen sei nach Meinung von

Poiares Maduro nicht ganz überzeugend, da der Gerichtshof in diesen Fällen trotzdem einen „allgemeinen

analytischen Rahmen an die Artt 43 und 48 EGV“ anlegte.663

Der EuGH schließe keine speziellen

Rechtsbereiche a priori vom Geltungsbereich der Niederlassungsfreiheit aus; vielmehr konzentriere er sich

auf die Wirkungen, die nationale Vorschriften oder Praktiken auf die Niederlassungsfreiheit haben könnten,

und er prüfe die Vereinbarkeit dieser Wirkungen mit der Niederlassungsfreiheit.664

Poiares Maduro war daher in seinen Schlussanträgen der Auffassung, dass beim derzeitigen Stand des

Gemeinschaftsrechts unmöglich argumentiert werden könne, dass die Mitgliedstaaten völlig frei „über Leben

und Tod“ der nach ihrem Recht gegründeten Gesellschaften verfügen können, „ohne dass die Folgen für die

Niederlassungsfreiheit zu berücksichtigen wären“. Nur weil sich eine Gesellschaft zur Ausübung ihrer

Niederlassungsfreiheit entschließe, dürfe ein Mitgliedstaat über sie nicht die „Todesstrafe“ verhängen.665

659

EuGH 16.12.2008, Rs C-210/06 („Cartesio“), Rz 40, Z 4. 660

Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro, 22.5.2008, Rs C-210/06 („Cartesio“), ZIP 2008, 1067, Rz 25. 661

Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro, 22.5.2008, Rs C-210/06 („Cartesio“), ZIP 2008, 1067, Rz 26f. 662

Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro, 22.5.2008, Rs C-210/06 („Cartesio“), ZIP 2008, 1067, Rz 27. 663

Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro, 22.5.2008, Rs C-210/06 („Cartesio“), ZIP 2008, 1067, Rz 28. 664

Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro, 22.5.2008, Rs C-210/06 („Cartesio“), ZIP 2008, 1067, Rz 30. 665

Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro, 22.5.2008, Rs C-210/06 („Cartesio“), ZIP 2008, 1067, Rz 31.

Page 99: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

83

3.4.10.3 Entscheidung des EuGH

Poiares Maduros bildhafte Argumente beeindruckten den EuGH jedoch nicht: in seinem überraschenden

Urteil vom 16. Dezember 2008666

vertrat er (hinsichtlich der hier interessierenden Fragen667

) nicht die

Meinung des Generalanwalts, was ein eher unübliches Abweichen von den Schlussanträgen des

Generalanwalts und den Ansichten bzw Erwartungen eines Teils der Lehre668

darstellt. In der Literatur war

die Erwartung zusammenfassend: „wenn der Zuzug unter die Niederlassungsfreiheit fällt, muss wohl auch

der Wegzug darunter fallen“.669

Der EuGH folgte dieser – konsequenten – Schlussfolgerung nicht: zunächst zitierte er aus seiner „Daily

Mail“-Entscheidung, wonach eine Gesellschaft jenseits ihrer Rechtsordnung, nach der sie gegründet wurde

und die ihre Existenz regelt, keine Realität hat.670

Hinsichtlich der Sitzverlegung bestehen laut „Daily Mail“

erhebliche Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten: einige Mitgliedstaaten lassen

eine Sitzverlegung ins Ausland zu, andere nicht; der EWG-Vertrag trug damals in Art 58, heute der EGV in

Art 48 diesen Unterschieden im nationalen Recht Rechnung, indem der satzungsmäßige Sitz, die

Hauptverwaltung und die Hauptniederlassung einer Gesellschaft als Anknüpfung gleich geachtet werden.671

In „Überseering“ hat der EuGH festgestellt, dass sich die Möglichkeiten einer Sitzverlegung einer

Gesellschaft nach den nationalen Rechtsvorschriften beurteilen, nach denen diese Gesellschaft gegründet

worden ist. Beschränkungen des Wegzugs einer Gesellschaft können demnach vom Mitgliedstaat auferlegt

werden, um der Gesellschaft die Beibehaltung der nach dem Recht dieses Staates zuerkannten

Rechtspersönlichkeit zu ermöglichen.672

Die Unterschiede der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Sitzverlegung

einer Gesellschaft waren schon in der „Daily Mail“-Rechtsprechung als Probleme angesehen worden, die

durch die Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit nicht gelöst sind, sondern einer Lösung im Wege

der Rechtsetzung oder des Vertragsschlusses bedürfen, wozu es aber auch bis zum „Cartesio“-Erkenntnis

noch nicht gekommen ist.673

Die Frage, ob Art 43 EGV auf eine Gesellschaft anwendbar ist, die sich auf die dort verankerte

Niederlassungsfreiheit beruft, ist gem Art 48 EGV eine Vorfrage, die beim gegenwärtigen Stand des

Gemeinschaftsrechts nur nach dem geltenden nationalen Recht beurteilt werden kann. „Nur wenn die

Prüfung ergibt, dass dieser Gesellschaft in Anbetracht der in Art 48 EGV genannten Voraussetzungen

tatsächlich die Niederlassungsfreiheit zugute kommt, stellt sich die Frage, ob sich die Gesellschaft einer

Beschränkung dieser Freiheit im Sinne des Art 43 EGV gegenübersieht“.674

666

EuGH 16.12.2008, Rs C-210/06 („Cartesio“). 667

In den anderen, Art 234 EGV betreffenden, verfahrensrechtlichen Fragen war er durchaus auf einer Linie mit dem

Generalanwalt. 668

Vgl etwa Kleinert/Schwarz, Droht vom EuGH ein neues Daily Mail?, GmbHR 2006, R 365: „Dieses

Vorlageverfahren lässt hoffen“. 669

Vgl mit Hinweisen auch zur aA etwa Schmidtbleicher, Verwaltungssitzverlegung deutscher Kapitalgesellschaften in

Europa: „SEVIC“ als Leitlinie für „Cartesio“?, BB 2007, 614 sowie FN 23. 670

EuGH 16.12.2008, Rs C-210/06 („Cartesio“), Rz 104. 671

EuGH 16.12.2008, Rs C-210/06 („Cartesio“), Rz 105f. 672

EuGH 16.12.2008, Rs C-210/06 („Cartesio“), Rz 107. 673

EuGH 16.12.2008, Rs C-210/06 („Cartesio“), Rz 108, 114. 674

EuGH 16.12.2008, Rs C-210/06 („Cartesio“), Rz 109.

Page 100: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

84

Der EuGH führt weiters aus, dass ein Mitgliedstaat sowohl die Anknüpfung bestimmen kann, die eine

Gesellschaft aufweisen muss, um als nach seinem innerstaatlichen Recht gegründet angesehen zu werden

und damit in den Genuss der Niederlassungsfreiheit gelangen zu können, als auch die Anknüpfung, die für

den Erhalt dieser Eigenschaft verlangt wird. Der Mitgliedstaat kann also der Gesellschaft verbieten, diese

Eigenschaft bei Sitzverlegung in einen anderen Staat zu behalten.675

Der EuGH hat damit die Entscheidung

„Daily Mail“ von 1988 bestätigt, wobei der Gerichtshof aber immerhin klarstellt, dass diese Befugnis der

Mitgliedstaaten „keinesfalls irgendeine Immunität“ des nationalen Rechts über die Gründung und Auflösung

von Gesellschaften im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit impliziert.676

Dieser Fall einer Sitzverlegung ohne Änderung des für die Gesellschaft maßgeblichen Rechts ist zudem nach

Ansicht des EuGH vom Fall der Umwandlung der Gesellschaft in eine dem nationalen Recht des zweiten

Mitgliedstaats unterliegende Gesellschaftsform bei Verlegung aus einem Mitgliedstaat in einen anderen unter

Änderung des anwendbaren nationalen Rechts zu unterscheiden.677

Soweit der aufnehmende Mitgliedstaat in

seiner Rechtsordnung diese Umwandlung ermöglicht, ist somit eine Umwandlung in eine Gesellschaft nach

dem nationalen Recht des Aufnahmemitgliedstaates nach der Niederlassungsfreiheit möglich;678

der EuGH

hatte hier offenbar die steuerliche Erleichterung dieser grenzüberschreitenden Umwandlung im Blick, da die

Gesellschaft in diesem Fall nicht liquidiert und somit auch nicht liquidationsbesteuert werden muss.679

Zusammenfassend antwortete der EuGH also auf die Vorlagefragen, dass die Art 43 und 48 EGV beim

gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts dahin auszulegen sind, dass sie Rechtsvorschriften eines

Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, die es einer nach dem nationalen Recht dieses Mitgliedstaats

gegründeten Gesellschaft verwehren, ihren Sitz in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen und dabei ihre

Eigenschaft als Gesellschaft des nationalen Rechts des Mitgliedstaats, nach dessen Recht sie gegründet

wurde, zu behalten.680

3.4.10.4 Schlussfolgerungen aus der Entscheidung

Die „Cartesio“ Entscheidung des EuGH bedeutet zweierlei. Einerseits ist sie hinsichtlich

rechtsformwahrender Sitzverlegungen kein Fortschritt bei der Anwendung der Niederlassungsfreiheit: 20

Jahre nach „Daily Mail“ konnte man tatsächlich darauf hoffen, dass der EuGH den eigentlichen „Sinn“ der

Grundfreiheiten erkennt, nämlich Mobilitätsgarantien im Binnenmarkt unabhängig von Unterschieden in den

einzelnen nationalen Rechtsordnungen zu gewähren.681

Der EuGH hat aber vielmehr das in „Daily Mail“

675

EuGH 16.12.2008, Rs C-210/06 („Cartesio“), Rz 110. 676

EuGH 16.12.2008, Rs C-210/06 („Cartesio“), Rz 112. 677

EuGH 16.12.2008, Rs C-210/06 („Cartesio“), Rz 111. 678

EuGH 16.12.2008, Rs C-210/06 („Cartesio“), Rz 112. 679

Aigner, EuGH: Verhinderung des identitätswahrenden Wegzugs durch Sitzverlegung ins EU-Ausland zulässig, SWI

2009, 80. 680

EuGH 16.12.2008, Rs C-210/06 („Cartesio“), Rz 124. 681

Staringer, Sitzverlegung in der EU nur mit neuer Rechtsform, Die Presse, Rechtspanorama vom 23.12.2008, 8.

Page 101: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

85

statuierte „ius vitae necisque“ der Mitgliedstaaten aufrechterhalten.682

Österreich darf nach „Cartesio“

inländische Gesellschaften also weiter daran hindern, ihren Verwaltungssitz unter Beibehaltung des

Gründungsstatuts in einen anderen Staat zu verlegen. § 10 IPRG darf somit weiterhin auf Wegzugsfälle

angewendet werden.683

Andererseits gilt dies seit „Cartesio“ aber nur noch für Fälle von

rechtsformwahrender Sitzverlegung; im Falle von Sitzverlegungen von Gesellschaften innerhalb des EU-

Raums unter Änderung ihrer Rechtsform in eine solche des Aufnahmestaats sind die Grundfreiheiten wieder

anwendbar.

Mit dieser scharfen Trennung von rechtsformwahrender und rechtsformwechselnder Sitzverlegung schafft

der EuGH zwar einen Gleichklang mit bisherigen sekundärrechtlichen Regelungen, etwa der SE-

Verordnung, in der eine grenzüberschreitende Sitzverlegung einer SE ebenfalls nur unter der Bedingung der

Neuorganisation der SE unter das Recht des Zuzugsstaates möglich ist.684

Liberaler wird allerdings die

Sitzverlegung der zukünftigen Europäischen Privatgesellschaft verlaufen, wenn es nach dem Willen der

Kommission geht: in ihrem Vorschlag vom 25.6.2008 ist in Art 7 Abs 2 vorgesehen, dass sich

Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung einer EPG nicht im gleichen Mitgliedstaat befinden müssen wie

ihr eingetragener Sitz. Überdies wird die EPG ihren Satzungssitz identitätswahrend in einen anderen

Mitgliedstaat verlegen können (Art 35ff des VO-Vorschlags 2008). Während also bei der neuen

supranationalen Gesellschaft Verwaltungs- und Satzungssitz von vornherein auseinanderfallen werden

können und auch die identitätswahrende Satzungssitzverlegung möglich sein wird (falls gegen die

Gesellschaft nicht ein Verfahren wegen Auflösung, Liquidation, Insolvenz oder Zahlungseinstellung

läuft)685

, müssen nationale Gesellschaften bei der Verwaltungssitzverlegung mit komplizierten

Umwandlungen nach der „Cartesio“-Rsp vorlieb nehmen; eine einfache Satzungssitzverlegung ist für

nationale Gesellschaften überhaupt ausgeschlossen.

3.4.11 Ausblick

Vor zwanzig Jahren fassten Ebenroth/Eyles686

nach Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte

(EEA)687

am 1. Juli 1987 einige wesentliche Punkte zusammen, die „für die Vollendung und das

Funktionieren des gemeinsamen Binnenmarktes unverzichtbare Facetten der Niederlassungsfreiheit von

Gesellschaften“ darstellten, und für die die EEA trotz des Ziels der schrittweisen Verwirklichung eines

europäischen Binnenmarktes bis zum 31.12.1992 keine Neuerungen brachte. Für damalige Verhältnisse

mussten die Forderungen utopisch klingen: „die uneingeschränkte Gestattung der Verlagerung von

682

Ratka/Rauter, Cartesio und das ius vitae necisque des Wegzugsstaates, wbl 2009, 62. 683

Eckert, Niederlassungsfreiheit – Sitzverlegung in einen anderen Mitgliedstaat der EU (Entscheidungsanmerkung

„Cartesio“), GesRZ 2009, 48f. 684

Staringer, Sitzverlegung, Die Presse, Rechtspanorama vom 23.12.2008, 8. 685

Frischhut/Geymeyer, Die Societas Privata Europaea (SPE), ecolex 2008, 973. 686

Ebenroth/Eyles, Die innereuropäische Verlegung des Gesellschaftssitzes (Teil I), DB 1989, 363. 687

ABl L 169 vom 29.6.1987.

Page 102: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

86

Produktion, Management und Gesellschaftssitz innerhalb der EG sowie generell die Gewährleistung der

internationalprivatrechtlichen Anerkennung von Gesellschaften“.

Alle Punkte – bis auf die uneingeschränkte Gestattung der Verlagerung des (Verwaltungs- wie auch

Satzungs-)Sitzes einer Gesellschaft – wurden in den folgenden 20 Jahren erfüllt: durch die Rechtsprechung

des EuGH und sekundärrechtliche Maßnahmen, etwa die Verschmelzungsrichtlinie, wurde der Binnenmarkt

schrittweise weiterentwickelt. Und die Verwirklichung des Binnenmarktes dauert noch an; so scheint etwa

die Diskussion um die Verlagerung des Gesellschaftssitzes, dh die Verlagerung des Satzungssitzes einer

Gesellschaft, überhaupt an einem toten Punkt angelangt. Denn während der EuGH in seiner Rechtsprechung

in und nach „Centros“ die Möglichkeit der Verlegung des Verwaltungssitzes einer Gesellschaft zügig

vorantrieb, stellte die Kommission Ende 2007 die Arbeiten an einer 14. Gesellschaftsrechtlichen Richtlinie,

der sog Sitzverlegungsrichtlinie, (vorläufig) ein.688

Diese Richtlinie hätte die Verlegung des Satzungssitzes

einer Gesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat ermöglicht; von der Niederlassungsfreiheit in Art 43 und

Art 48 EGV ist dieser fiktive Sitz alleine nämlich nicht geschützt.689

Statt der bloßen Verlegung eines

Verwaltungssitzes, so argumentierte man in der Lehre690

und auch von der Unternehmerseite her, würde eine

zusätzliche Verlagerung des Satzungssitzes die letzten Zweifel ausräumen, welches Personalstatut im

Einzelfall anzuwenden ist.

Eine Klarstellung, ob auch die Verlegung des Satzungssitzes durch die Artt 43 und 48 EGV gewährleistet ist,

ist durch den EuGH bislang noch nicht erfolgt; alle besprochenen Urteile des EuGH betrafen lediglich die

Verlegung des Verwaltungssitzes einer Gesellschaft.691

Auch „Cartesio“ betraf den Fall einer

Verwaltungssitzverlegung,692

wenn man auch, streng genommen, die nicht entscheidungsrelevante zulässige

Umwandlung in eine Gesellschaft des Aufnahmestaats als (rechtsformwechselnde) „Satzungssitzverlegung“

ansehen kann.693

Der Stopp an den Arbeiten der Sitzverlegungsrichtlinie ist aber nur ein vorläufiger: die Kommission erklärt

in ihrer Folgenabschätzung zur Richtlinie über die grenzüberschreitende Verlegung des satzungsmäßigen

Sitzes vom Dezember 2007694

, dass die Auswirkungen der bestehenden Gesetzgebung über

grenzüberschreitende Mobilität (etwa der Verschmelzungsrichtlinie) noch nicht bekannt seien und überdies

die Frage der Satzungssitzverlegung auch durch den EuGH in naher Zukunft geklärt werden könne. Es sei

daher besser, die Praxiseinschätzungen sowie die künftige Rechtsprechung des EuGH abzuwarten.

688

Vgl die Website http://ec.europa.eu/internal_market/company/seat-transfer/index_de.htm. 689

S Behrens, Die grenzüberschreitende Verschmelzung nach der Richtlinie 2005/56/EG (Verschmelzungsrichtlinie),

Cuvillier Verlag Göttingen, 2007, 22f mwN. 690

Behrens, Verschmelzungsrichtlinie, 22. 691

Ein diesbezügliches Vorabentscheidungsersuchen des AG Heidelberg wurde vom EuGH im Jahr 2001 aus

prozessualen Gründen abgewiesen; s Leible, Niederlassungsfreiheit und Sitzverlegungsrichtlinie, ZGR 2004, 535. 692

Zumindest bewertete der EuGH die streitige Sitzverlegung der „Cartesio“-Gesellschaft ausdrücklich „nicht“ als

„Verlegung des satzungsmäßigen“, sondern als „Verlegung ihres tatsächlichen Sitzes“, sohin als

Verwaltungssitzverlegung, s EuGH 16.12.2008, Rs C-210/06 („Cartesio“), Rz 47; aA waren im Verfahren vor dem

EuGH Irland sowie in der vor dem Urteil veröffentlichten Literatur Nemessányi, Cartesio, ZfRV 2008, 265

(„Satzungs- und Verwaltungssitzverlegung“). 693

Eckert sieht die Umwandlung nach der „Cartesio“-Rsp als „identitätswahrende“ Satzungssitzverlegung an, s Eckert,

Sitzverlegung, GesRZ 2009, 49. 694

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Impact Assessment on the Directive on the cross-border transfer of

registered office, 12.12.2007, SEC (2007) 1707, Part I, 6.

Page 103: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

87

Auch heute, mehr als 16 Jahre nach der Verwirklichung des Binnenmarktes innerhalb der EU, heißt es daher

noch immer: abwarten. Die gänzliche Verwirklichung des Binnenmarktes war auch 1992 nicht beendet,

sondern ein Prozess, der heute noch andauert. Fraglich ist etwa einerseits, ob die auch durch „Cartesio“

aufrecht erhaltene, „funktional unerhebliche“695

Differenzierung zwischen Zuzug und Wegzug durch die

weitere Rechtsprechung des EuGH zumindest gelockert wird. Einem freien Binnenmarkt steht eine solche

Unterscheidung entgegen, da sie Wirtschaftstreibende innerhalb der EU in ihrem freien Grenzübertritt am

Binnenmarkt beschränkt, wie Ruhm/Toms richtig konstatierten.696

Andererseits kann dieser Prozess der Verwirklichung des Binnenmarkts auch darauf hinauslaufen, dass der

politische Druck zur Harmonisierung der nationalen GmbH-Rechte steigt, wie Spindler/Berner noch 2003

konstatiert hatten;697

dies ist aber angesichts der kürzlich ergangenen Entscheidung in der Rs „Cartesio“ mit

ihrem „Einbremsen“ der Entwicklung der Niederlassungsfreiheit und der sich bereits abzeichnenden

Alternative einer supranationalen Privatgesellschaft eher zu verneinen. Vielmehr könnte laut Wachter eine

derartige Gesellschaftsform, wenn auch nur mittelbar, die Angleichung der unterschiedlichen Rechtssysteme

fördern.698

Letztendlich kann man als Befürworter einer starken supranationalen Gesellschaft nur hoffen, dass deren

rechtliche Grundlage nicht noch im Gesetzgebungsverfahren nach Art 308 EGV von einzelnen

Mitgliedstaaten verwässert wird: gem Art 308 EGV entschließt der Rat einstimmig über Gesetzgebungsakte

nach bloßer Anhörung des Europäischen Parlaments. Als Gegner einer starken EPG darf man hoffen, dass

die EPG-Verordnung beschlossen wird, noch bevor der Vertrag von Lissabon (oder eine modifizierte

Variante) in Kraft tritt: nach der ursprünglichen Fassung des Lissaboner Vertrags hätte das Europäische

Parlament, die treibende Kraft hinter dem Projekt der Europäischen Privatgesellschaft, im

Gesetzgebungsverfahren der EPG-Verordnung nicht nur ein Anhörungs- sondern ein Zustimmungsrecht (Art

352 Abs 1 S 1 AEUV), wodurch sich eine Verwässerung der EPG durch einzelne Mitgliedstaaten

schwieriger gestalten würde.699

Obwohl ein Ende des Prozesses der Europäisierung des Gesellschaftsrechts noch nicht in Sicht ist, darf man

aber auch davon ausgehen, dass in Hinkunft das Zitat von Rudolf von Jhering, „die (Rechts)-Wissenschaft ist

zur Landesjurisprudenz degradiert“700

, auf gesellschaftsrechtliche Fragen keine Anwendung mehr finden

wird, und somit die Forderung von Jhering auf eine stärkere Internationalisierung der Wissenschaft

zumindest in diesem Gebiet erfüllt wurde.

695

Ruhm/Toms, EuGH Rechtssache Cartesio – Noch ein steiniger Weg zur gesellschaftsrechtlichen

Niederlassungsfreiheit, GeS 2009, 51 696

Ruhm/Toms, EuGH Rechtssache Cartesio, GeS 2009, 51. 697

Spindler/Berner, Inspire Art, RIW 2003, 955. 698

Wachter, Auswirkungen des EuGH-Urteils in Sachen Inspire Art, GmbHR 2004, 104. 699

Frischhut/Geymeyer, Die Societas Privata Europaea (SPE), ecolex 2008, 971. 700

Jhering, Geist des römischen Rechts, Band I, 8. Auflage, Wissenschaftliche Buchgemeinschaft, Darmstadt 1924, 15.

Page 104: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

88

4. Die Regelungen des Mindestkapitals und der Kapitalerhaltung

4.1 Das Mindeststammkapital der GmbH

4.1.1 Einführung

Die Vorschrift über das Mindeststammkapital bei der GmbH findet sich in § 6 Abs 1 GmbHG: demnach

müssen „Stammkapital und Stammeinlage … auf einen in Euro bestimmten Nennbetrag lauten. Das

Stammkapital muss mindestens € 35.000 erreichen und besteht aus den Stammeinlagen der einzelnen

Gesellschafter, deren jede mindestens € 70 betragen muss.“

Die Regelung des § 6 Abs 1 GmbHG bestimmt ein Mindestmaß an „Startkapital“ der Gesellschaft; eine

Höchstgrenze für das Stammkapital existiert nicht.701

Die GmbH muss mit einem Stammkapital von

mindestens € 35.000 ausgestattet sein;702

liegt der in der Satzung genannte Betrag darunter, wird das Gesuch

auf Eintragung der Gesellschaft in das Firmenbuch vom Registergericht wegen formeller

Unterkapitalisierung abgelehnt.703

4.1.2 Sicherung der Aufbringung des Mindestkapitals

In der einfachsten Variante der Bargründung müssen nur € 17.500 sofort geleistet werden (§ 10 Abs 1

GmbHG); soweit das Stammkapital nicht iHv € 35.000 voll eingezahlt ist, besteht eine Forderung der

Gesellschaft gegen die Gesellschafter.704

Die Erfüllung der Pflicht, die Stammeinlage einzuzahlen, kann

einem Gesellschafter auch weder erlassen noch gestundet werden (§ 63 Abs 3 GmbHG). Auch der

Gesellschaftsgläubiger kann dabei als Überweisungsgläubiger die ausständige Stammeinlage, selbst wenn sie

nach gesellschaftsvertraglicher Disposition noch nicht fällig ist, einfordern.705

Ein säumiger Gesellschafter ist zur Zahlung von Verzugszinsen verpflichtet (§ 65 Abs 1 GmbHG); die

Gesellschaft kann die ausständige Einlage zudem klagsweise einfordern oder das Kaduzierungsverfahren

701

Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 6 Rz 5.

702 In Sondergesetzen sind für bestimmte Unternehmensgegenstände teilweise höhere Beträge festgesetzt; so ist etwa für

den Betrieb der in § 1 Abs 1 BWG genannten Geschäfte (etwa Kreditinstitute) neben einer Konzession der

Finanzmarktaufsichtsbehörde ein Stammkapital von mindestens 5 Millionen Euro vorgesehen (§ 5 Abs 1 Z 5 BWG);

auf Kapitalanlagegesellschaften ist § 3 Abs 4 BWG anzuwenden, wonach die Gesellschaft ein Mindestkapital

(„Anfangskapital“) von 2,5 Millionen Euro aufbringen muss. Unternehmen, die Ausspielungen von Glücksspielen

durchführen wollen, benötigen neben einer Konzession durch den Bundesminister für Finanzen ein Stammkapital von

zumindest 109 Millionen Euro. Die hohen gesetzlichen Beträge lassen sich einerseits aus bindenden

europarechtlichen Vorgaben wie der Zweiten Bankenkoordinierungsrichtlinie und andererseits aus der

volkswirtschaftlichen Bedeutung der einzelnen Branchen erklären; s zur alten Rechtslage Reich-Rohrwig, Das

österreichische GmbH-Recht in systematischer Darstellung, Band I, 2. Auflage, Manz Verlag, Wien 1997, 55;

Zollner, Mindestkapital und Kapitalaufbringung, 32 mwN. 703

Zollner, Mindestkapital und Kapitalaufbringung, 32 mwN. 704

Doralt, Die GmbHG-Novelle 1980, ÖStZ 1981, 75. 705

Arnold, Die GmbH im österreichischen Recht, GmbHR 1993, 349 mwN.

Page 105: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

89

gem §§ 66-69 GmbHG mittels eingeschriebenem (rekommandiertem) Brief an den Gesellschafter androhen;

nach fruchtlosem Ablauf einer vereinbarten Nachfrist ist der säumige Gesellschafter als ausgeschlossen zu

erklären, hernach treten die strengen Rechtsfolgen der §§ 67-69 GmbHG ein. Letztlich können auch die

übrigen Gesellschafter im Wege der Ausfallhaftung gem § 70 GmbHG zur Leistung des Fehlbetrags

herangezogen werden. In der Praxis wird deshalb angesichts dieser Vorschriften das Stammkapital oft sofort

bei der Gründung zur Gänze bar eingezahlt.706

Bis zur Insolvenz des Unternehmens kann daher mit der

Einzahlung des Restbetrags nicht gewartet werden, auch schon aus dem Grund nicht, dass das Unternehmen

in der Regel das gesamte Stammkapital zum Betrieb benötigt.707

Das Gesetz trifft für die sichere Aufbringung des Stammkapitals eine Reihe weiterer Vorsorgen:708

so ist die

Einzahlung der Stammeinlagen sowie ihre freie Verfügbarkeit von den Geschäftsführern in der

Firmenbuchanmeldung zu erklären; bei falschen Angaben haften der Gesellschaft die Geschäftsführer

solidarisch für den daraus entstandenen Schaden (§ 10 Abs 3 und 4 GmbHG). Der Nachweis der Einzahlung

der in bar zu leistenden Einlagen ist zudem durch die Bestätigung einer Bank zu führen und diese dem

Firmenbuchgericht vorzulegen. Auch die Bank haftet für falsche Angaben (§ 10 Abs 3 GmbHG). Im Falle

der Sacheinbringung besteht die Pflicht, in der Satzung die Person des Einbringers und den veranschlagten

Geldwert genau und vollständig auszuweisen (§ 6 Abs 4). Auch muss in diesem Fall die Hälfte des

Stammkapitals in bar aufgebracht werden, außer es handelt sich um ein schon seit fünf Jahren bestehendes

Unternehmen und nur der bisherige Inhaber und allenfalls noch Familienmitglieder sind Gesellschafter (§ 6a

Abs 1-3 GmbHG). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, müssen die aktienrechtlichen

Gründungsprüfungsvorschriften eingehalten werden, wobei durch externe Prüfer die Richtigkeit der

Bewertung festgestellt wird (§ 6a Abs 4 GmbHG).

4.1.3 Stammkapital und Gesellschaftsvermögen

Das GmbHG sieht daher ein System zur Aufbringung des Stammkapitals vor, das zumindest den Wert von €

35.000 erreichen muss; § 6 Abs 1 GmbHG statuiert somit ein starres, und nicht ein an den jeweiligen

Geschäftsumfang und die Finanzierungsmöglichkeiten angepasstes Mindestkapital, was sich aus der Vielfalt

an Zwecken, für die die GmbH verwendet werden kann, herleitet.709

Für eine geeignete Kapitalausstattung einer GmbH ist der Betrag von € 35.000 aber in der Regel zu gering;710

das Stammkapital ist auch nicht mit dem Gesellschaftsvermögen identisch711

: das Stammkapital dient

706

Arnold, Die GmbH im österreichischen Recht, GmbHR 1993, 349. 707

Barta, Das Kapitalsystem von GmbH und AG – Inhalt und Zweck der Regelungen über Stamm- bzw Grundkapital,

GmbHR 2005, 661. 708

Rüffler, Gläubigerschutz durch Mindestkapital und Kapitalerhaltung in der GmbH – überholtes oder sinnvolles

Konzept?, GeS 2005, 140f. 709

Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 6 Rz 3; Wünsch, Kommentar, § 6 Rz 3.

710 Wünsch, Kommentar, § 6 Rz 3.

711 Koppensteiner/Rüffler, GmbHG

3, § 4 Rz 11, § 6 Rz 5.

Page 106: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

90

vielmehr der Aufbringung und Erhaltung des Gesellschaftsvermögens;712

außerdem ist das

Gesellschaftsvermögen in der Bilanz auf der Aktivseite zu veranschlagen, das Stammkapital hingegen als

starre Rechnungspost (Nennkapital) auf der Passivseite.713

Das Stammkapital ist also das im Gesellschaftsvertrag verankerte „Startkapital“, ein Teil des Reinvermögens

der Gesellschaft,714

während sich das Gesellschaftsvermögen mit der Aufnahme des Geschäftsbetriebs durch

Gewinne und Verluste fortlaufend ändert, und Letzteres somit die Summe aller Vermögenswerte

einschließlich der Schulden und sonstigen Verbindlichkeiten der Gesellschaft darstellt.715

Auch kann ein

Agio (Aufgeld, Überpariemission) auf die Einlage vereinbart werden, sodass die tatsächlich zu erbringende

Leistung höher als die Stammeinlage ist (die Vereinbarung einer Unterpariemission ist unzulässig716

); das

Agio darf auch nicht dem Stammkapital zugerechnet werden.717

Zudem kann die Leistung einer Sacheinlage

vereinbart werden, wobei trotzdem das Stammkapital auf einen Euro-Betrag lauten muss.718

Bereits im

Gründungsstadium kann daher das Gesellschaftsvermögen größer oder kleiner als das ausgewiesene

Stammkapital sein.719

4.1.4 Stammkapital und Mindestkapital

Diese Regelungen des Stammkapitals hängen aber nur mittelbar mit der Regelung des Mindestkapitals

zusammen: das Mindestkapital ist nämlich nicht ein notwendiger Bestandteil eines festen Nennkapitals.720

Auch etwa Großbritannien kennt das Rechtsinstrument des festen Nennkapitals, das besagt, dass jede

Kapitalgesellschaft ein Stamm- oder Grundkapital in betraglich bestimmter Höhe in ihrer Satzung festlegen

muss. Daher ist auch in Großbritannien das Prinzip des Schutzes des Stammkapitals anerkannt, wonach die

von den Gesellschaftern gewählte Höhe des Stammkapitals eine Größe ist, auf die Gläubiger vertrauen und

für deren Aufbringung und Erhaltung Regeln entwickelt wurden.721

Ein Mindestkapital für die private

limited company by shares ist aber gerade nicht vorgeschrieben.722

712

Umfahrer, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 6. Auflage, Manz Verlag, Wien 2008, 48. 713

§ 224 Abs 2, Abs 3 UGB. 714

Lutter, Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbH-Rechten der

EWG, Verlag C.F. Müller, Karlsruhe 1964, 45 mwN. 715

Wünsch, Kommentar, § 4 Rz 23 mwN. 716

Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 6 Rz 8.

717 Wünsch, Kommentar, § 6 Rz 11f.

718 Vgl Wünsch, Kommentar, § 6 Rz 13.

719 Wünsch, Kommentar, § 4 Rz 23.

720 Das Mindestkapital benötigt aber umgekehrt ein Nennkapitalsystem, s Kalss/Schauer, Die Reform des

Österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, 306 mwN. 721

Micheler, Gläubigerschutz im englischen Gesellschaftsrecht, ZGR 2004, 325. 722

Kalss/Eckert, Die GmbH ohne Mindeststammkapital und die Deregulierung der Kapitalaufbringung, in: Bachner

(Hrsg.), GmbH-Reform: Erleichterte Gründung – Gläubigerschutz – Insolvenzprophylaxe, Linde Verlag, Wien 2008,

25.

Page 107: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

91

4.1.5 Stammeinlagen und Geschäftsanteile

Der Betrag des Stammkapitals wird in der Satzung festgelegt723

und stellt die Summe der Stammeinlagen dar

(§ 4 Abs 1 Z 3 und 4 GmbHG).724

Der Betrag kann auch nur in der Satzung erhöht oder vermindert werden.

Bestimmungen, die den Vorschriften des GmbHG widersprechen, dürfen in der Satzung nicht getroffen

werden und haben keinerlei rechtliche Wirkung (§ 4 Abs 2 GmbHG). Zum Gründungszeitpunkt muss die

Gesellschaft somit über ein dem Gesellschaftsvertrag entsprechendes Stammkapital verfügen.725

Die Stammeinlage wiederum ist der Betrag, den ein Gesellschafter nach dem Inhalt des Gesellschaftsvertrags

in Form von Bargeld oder Sachwerten einbringen muss. Jeder Gesellschafter kann dabei nur eine

Stammeinlage übernehmen (§ 6 Abs 3 GmbHG).726

Der Betrag kann gemäß § 6 Abs 2 GmbHG für jeden

Gesellschafter unterschiedlich hoch sein; jeder Gesellschafter muss laut § 6 Abs 1 GmbHG aber mindestens

€ 70 als Stammeinlage einbringen.727

Mit der Stammeinlage verbunden ist der Geschäftsanteil des jeweiligen Gesellschafters, der die Beteiligung,

also die Summe der gesellschaftlichen Rechte (Mitgliedschafts- und Vermögensrechte) und Pflichten

darstellt und sich nach der Höhe der übernommenen Stammeinlage oder nach der Festsetzung im

Gesellschaftsvertrag richtet.728

Der Geschäftsanteil ist daher mit einer Aktie vergleichbar.729

Der Nennwert

des Geschäftsanteils entspricht der Höhe der Stammeinlage; die Summe der Nennwerte aller

Geschäftsanteile entspricht der Ziffer des Stammkapitals.730

4.1.6 Stammkapital als „working capital“

Das Stammkapital der GmbH, mit der Mindesthöhe von € 35.000, die etwa auch durch eine

Kapitalherabsetzung nicht unterschritten werden darf (§ 54 Abs 3 GmbHG), stellt zusammenfassend das (bis

auf die Mindesthöhe) frei in der Satzung fixierbare Startkapital der GmbH dar, mit dem auch gearbeitet wird:

es ist also kein „Notgroschen“ für schlechte Zeiten, sondern Betriebskapital („working capital“) für das

Unternehmen, das auch in Sachen aufgebracht werden kann.731

Es handelt sich auch nicht um bloße

„Kosten“, die nach der Gründung der GmbH „verloren“ sein würden;732

als „Anlaufkapital“ bzw

„Startkapital“ versorgt es die Gesellschaft vielmehr mit Kapital für die Aufnahme des Geschäftsbetriebes.

723

Kastner/Doralt/Nowotny, Grundriß, 5. Auflage, 352. 724

Wünsch, Kommentar, § 6 Rz 4. 725

Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 4 Rz 12.

726 Koppensteiner/Rüffler, GmbHG

3, § 6 Rz 9.

727 Umfahrer, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 48f.

728 Koppensteiner/Rüffler, GmbHG

3, § 4 Rz 14; Umfahrer, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 48f; Wünsch,

Kommentar, § 4 Rz 28. 729

Zur analogen deutschen Rechtslage s Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz. Kommentar, 16. Auflage, Otto Schmidt

Verlag, Köln 2004, § 5 Rz 4. 730

Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz16

, § 5 Rz 3f. 731

Lutter, Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung, 52f; Rüffler, Gläubigerschutz durch

Mindestkapital und Kapitalerhaltung, GeS 2005, 140. 732

Zu diesem Eindruck, den Laien insb von (unseriösen) Limited-Vermittlern bekommen s Zehetner/Zehetner, Die

Limited: Eine Alternative zur GmbH?, Teil 1, GBU 2008/10/12.

Page 108: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

92

Daneben dient das Stammkapital auch zur langfristigen Finanzierung des Unternehmens, mit dem Vorteil,

dass es als Eigenkapital im Gegensatz zum Fremdkapital auch in Krisenzeiten zur Verfügung steht und nicht

wie ein Kredit gekündigt werden kann.733

Bereits in der Satzung sollte daher überdies nicht nur das gesetzliche Mindestmaß (§ 4 GmbHG) geregelt,

sondern auch ein künftiger Finanzierungsbedarf im Sinne eines Businessplans abgeschätzt werden.734

Inwiefern das Stammkapital vor den Zugriffen der Gesellschafter oder vor schlechtem Wirtschaften

geschützt wird, ist Thema des nächsten Abschnitts.

733

Koll-Möllenhoff, Das Prinzip des festen Grundkapitals im europäischen Gesellschaftsrecht, Rechtszentrum für

Europäische und Internationale Zusammenarbeit (R.I.Z.) Band 24, Nomos Verlag, Köln 2004, 46. 734

Dies findet aber in der Praxis nicht oft statt, s Fantur, Die GmbH – Gestaltungsfragen aus der anwaltlichen Praxis,

GesRZ 2006 Spezial: 100 Jahre GmbH, 23.

Page 109: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

93

4.2 Die Regelungen der Kapitalerhaltung der GmbH

4.2.1 Einführung

Das bereits erwähnte Nennkapitalsystem besagt nicht nur, dass im Gesellschaftsvertrag ein Stammkapital in

betraglich bestimmter Höhe festgelegt werden muss (Kapitalaufbringung), sondern auch, dass

Ausschüttungen von Vermögen an die Gesellschafter begrenzt werden müssen (Kapitalerhaltung).735

Im Sinne des Grundsatzes der realen Kapitalaufbringung müssen also tatsächlich Einlagen in das Vermögen

der Gesellschaft eingebracht werden; die Kapitalerhaltungsvorschriften verhindern danach ein Unterlaufen

dieses Grundsatzes durch eine sofortige Wiederauskehr des Kapitals an die Gesellschafter.736

Der bei der

Gründung aufgebrachte Betrag darf daher nicht durch Auszahlung an die Gesellschafter, sondern nur durch

Verluste verringert werden.737

Das Stammkapital soll also als dauernder Grundstock in der Höhe von

zumindest € 35.000 gegen Schmälerung durch Leistung an die Gesellschafter abgesichert und somit den

Gläubigern als Befriedigungsobjekt bestehen bleiben;738

neben dem Gläubigerschutz verfolgt der

Gesetzgeber aber auch den Schutz der Gesellschafter, vor allem der Minderheitsgesellschafter, die ansonsten

in ihren Vermögensinteressen verkürzt werden könnten.739

Das Gesellschaftsvermögen darf daher durch

Leistungen der Gesellschaft an die Gesellschafter nicht unter den Betrag des Stammkapitals herabgedrückt

werden.740

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Kapitalerhaltungsregeln keinen gegenständlichen

Eigentumsschutz, sondern einen wertmäßigen Vermögensschutz bieten sollen: da das Stammkapital kein

bestimmter Gegenstand, sondern eine rechnerische Größe in der Bilanz ist, werden auch nicht einzelne

Gegenstände des Vermögens, sondern das Vermögen an sich geschützt.741

Das ist Ziel der Kernbestimmung der Kapitalerhaltung der GmbH in § 82 GmbHG. Letztendlich können

aber, wie erwähnt, auch die Kapitalerhaltungsvorschriften das Stammkapital nicht vor Verlusten schützen:

das Nennkapitalsystem kann die Vermögensausstattung des Unternehmens höchstens für die Anfangsphase,

bzw überhaupt nur für den Zeitraum der Gründung und Eintragung garantieren. Danach kann das durch die

Nennkapitalziffer gebundene Gesellschaftsvermögen bereits durch Verluste oder Wertminderungen der

Einlagegegenstände aufgezehrt sein, sodass sich Gläubiger bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr auf diese

Ziffer verlassen können.742

735

Kalss/Eckert, Die GmbH ohne Mindeststammkapital, in: Bachner (Hrsg.), GmbH-Reform, 25f. 736

Koll-Möllenhoff, Das Prinzip des festen Grundkapitals im europäischen Gesellschaftsrecht, 43f. 737

Kalss/Schauer, Die Reform des Österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, 306. 738

Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 82 Rz 3.

739 Reich-Rohrwig, Verbotene Einlagenrückgewähr bei Kapitalgesellschaften, ecolex 2003, 153.

740 Koppensteiner/Rüffler, GmbHG

3, § 4 Rz 12.

741 So zur deutschen Rechtslage Joost, Grundlagen und Rechtsfolgen der Kapitalerhaltungsregeln in der GmbH, ZHR

1984, 27f, 55. 742

Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer – Kapitalgesellschaftsrechtliche Notwendigkeit oder

überholtes Konzept?, Frankfurter wirtschaftsrechtliche Studien, Band 23, Peter Lang Verlag, Frankfurt a.M. 1995,

212f, 276.

Page 110: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

94

4.2.2 Die Regelungen in § 82 Abs 1 GmbHG

Gemäß § 82 Abs 1 GmbHG können „(d)ie Gesellschafter … ihre Stammeinlage nicht zurückfordern; sie

haben, solange die Gesellschaft besteht, nur Anspruch auf den nach dem Jahresabschluss als Überschuss der

Aktiven über die Passiven sich ergebenden Bilanzgewinn, soweit dieser nicht aus dem Gesellschaftsvertrag

oder durch einen Beschluss der Gesellschafter von der Verteilung ausgeschlossen ist.“

Für die Erhaltung des Stammkapitals unmittelbar relevant ist auch das Verbot der Umgehung dieser

Ausschüttungssperre durch Zinsvereinbarungen in Abs 3 leg cit. Demgegenüber dürfen aber gem Abs 4 leg

cit für wiederkehrende, nicht in Geld bestehende Leistungen, zu denen sich Gesellschafter nach der Satzung

verpflichtet haben (§ 8 GmbHG), nach Maßgabe der in der Satzung festgesetzten Bemessungsgrundsätze

eine den Wert dieser Leistungen nicht übersteigende Vergütung ohne Rücksicht darauf bezahlt werden, ob

der Jahresabschluss einen Reingewinn ergibt.

Zudem ist gem Abs 5 leg cit im Falle zwischen dem Schluss des Geschäftsjahres und der Beschlussfassung

der Gesellschafter über den Jahresabschluss bekannt gewordener Verluste oder Wertminderungen, die den

Vermögensstand der Gesellschaft erheblich und voraussichtlich nicht bloß vorübergehend schmälerten, der

nach der Bilanz sich ergebende Gewinn in einem der erlittenen Schmälerung des Vermögens entsprechenden

Betrag von der Verteilung ausgeschlossen und auf Rechnung des laufenden Geschäftsjahres zu übertragen.

§ 82 GmbHG statuiert daher einerseits (in Abs 1 sowie Abs 2) einen Gewinnanspruch der Gesellschafter bzw

einen Anspruch für wiederkehrende Leistungen (in Abs 4), andererseits (in Abs 1 und Abs 3) ein Verbot der

Rückgewähr der Stammeinlagen an die Gesellschafter bzw eine Beschränkung der Gewinnausschüttung im

Falle nachträglicher Verluste in Abs 5.

Dabei stellt das Verbot der Einlagenrückgewähr den Grundsatz der Kapitalerhaltung der GmbH dar: außer

dem Anspruch auf Gewinnbeteiligung stehen dem Gesellschafter keine weiteren Ansprüche auf Leistungen

aus dem Gesellschaftsvermögen zu, außer, diese Leistungen beruhen auf einem wirksamen Rechtsgrund,

etwa einer Kapitalherabsetzung.743

Auch dürfen Leistungen des Gesellschafters, die über die Einlage hinaus

gehen, von der Gesellschaft angemessen vergütet werden; bleiben Stammkapital und Gesellschaftsvermögen

unverändert, können sogar Teile der Stammeinlage einzelnen Gesellschaftern zurückgezahlt werden.744

Jede andere Zuwendung der Gesellschaft an die Gesellschafter, die sich nicht als Gewinnverwendung

darstellt, ist aber verboten. Damit geht das österreichische Recht der Kapitalerhaltung weiter als das deutsche

Pendant, das in § 30 dGmbHG745

nur „(d)as zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der

Gesellschaft“ schützt. Auszahlungen an die Gesellschafter sind nach deutscher Rechtslage also erst und auch

nur insoweit verboten, wie sie zu einer Unterbilanz oder Überschuldung führen oder diese weiter vertiefen

743

Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 82 Rz 5, Rz 12.

744 Koppensteiner/Rüffler, GmbHG

3, § 82 Rz 5.

745 Der Paragraph wurde gemeinsam mit dem die Aufbringung des Stammkapitals betreffenden § 19 dGmbHG vom

BGH als „Kernstück des GmbH-Rechts“ bezeichnet; zitiert nach Fleck, Der Grundsatz der Kapitalerhaltung – seine

Ausweitung und seine Grenzen, in: Lutter/Ulmer/Zöllner (Hrsg.), Festschrift 100 Jahre GmbH-Gesetz, Dr. Otto

Schmidt Verlag, Köln 1992, 391 FN 1 mwN.

Page 111: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

95

würden.746

Das österreichische GmbH-Recht (sowie das hinsichtlich der Kapitalerhaltungsvorschriften

nahestehende österreichische Aktienrecht747

) schützt demgegenüber das gesamte Vermögen der

Kapitalgesellschaft einschließlich aller bilanzieller Rücklagen748

, Gewinnvortrag und stiller Reserven, und

nicht nur das zur Erhaltung des nominellen Stammkapitals erforderliche Vermögen.749

4.2.3 Die verdeckte Einlagenrückgewähr bzw Gewinnausschüttung

§ 82 Abs 1 GmbHG verbietet aber laut Rsp und Lehre nicht nur die offene, dh offensichtliche, Begünstigung

von Gesellschaftern, sondern vielmehr jeden Vermögenstransfer, ob offen oder verdeckt, von der

Gesellschaft zum Gesellschafter in Vertragsform oder auf andere Weise, der den Gesellschafter aufgrund des

Gesellschaftsverhältnisses zulasten des Gesellschaftsvermögens bevorteilt.750

Überhaupt ist die offene

Einlagenrückgewähr, die in einer offensichtlichen, einseitigen Zuwendung ohne Gegenleistung besteht, etwa

ohne Rechtsgrund eine Sacheinlage zu retournieren, in der Praxis selten.751

Ein Beispiel einer verdeckten Gewinnausschüttung ist etwa die Auszahlung überhöhter Gehälter oder

Pensionszusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer; aber auch die unentgeltliche Überlassung eines KFZ

oder einer Wohnung der Gesellschaft zur privaten Nutzung des Gesellschafters kann eine Verletzung von §

82 Abs 1 GmbHG darstellen.752

Grundsätzlich sind daher nur sog Umsatz- bzw Drittgeschäfte mit

Gesellschafter zulässig, bei der es zu keiner unbegründeten Besserstellung des Gesellschafters aufgrund

seiner Gesellschafterstellung kommt; bei diesen Geschäften wird der Gesellschafter wie ein Dritter (englisch:

„at arm‟s length“) behandelt.753

Im Falle eines objektiven Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung

zugunsten des Gesellschafters wird eine verdeckte Einlagenrückgewähr causa societatis und somit ein

Verstoß von § 82 Abs 1 GmbHG vermutet754

, wobei diese Vermutung nur durch einen Fremdvergleich

widerlegt werden kann.755

So wird insb in der steuerrechtlichen Judikatur des VwGH der Vergleich

angestellt, ob das fragliche Geschäft mit fremden Personen unter denselben wirtschaftlichen

Voraussetzungen ebenfalls abgeschlossen worden wäre – dies kann etwa dann vorliegen, wenn die

Gesellschaft aus besonderen betrieblichen Gründen ein „Vermögensopfer“ bringen muss, zB im Falle eines

746

Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz16

, § 30 Rz 26; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 82 Rz 1. Allerdings dürfen

auch nach der deutschen Rsp stille Reserven aus Gläubigerschutzgründen (aufgrund der möglicherweise unsicheren

Bewertung könnte das Stammkapital gefährdet werden) grundsätzlich nicht ausgeschüttet werden; s Reich-Rohrwig,

Grundsatzfragen der Kapitalerhaltung, 99 mwN, 101. 747

Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen der Kapitalerhaltung, 95. 748

Zu beachten sind daher etwa auch gebundene Rücklagen, die sich aus § 23 GmbHG iVm § 130 AktG bei großen

Gesellschaften iSd § 221 Abs 3 UGB ergeben. 749

Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen der Kapitalerhaltung, 98. 750

Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 82 Rz 15 mwN.

751 Böhler, Nichtigkeit des Geschäfts bei verdeckter Einlagenrückgewähr?, ÖBA 2004, 433 mit weiteren Beispielen.

752 Koppensteiner/Rüffler, GmbHG

3, § 82 Rz 17 mwN.

753 Schmidt/Riegler, Das Verbot der Einlagenrückgewähr beim Cash Pooling, RWZ 2007, 97.

754 Zusätzliche subjektive Elemente, wie etwa, dass das Missverhältnis gewollt oder akzeptiert ist, sind nach hM nicht

gefordert; s Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen der Kapitalerhaltung, 119f. 755

Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 82 Rz 15f; Schmidt/Riegler, Cash Pooling, RWZ 2007, 97.

Page 112: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

96

Interesses der Gesellschaft am Weiterbestand des begünstigten Gesellschafters.756

Falls ein sorgfältig

handelnder Geschäftsleiter das für die GmbH ungünstige Geschäft auch mit einem Dritten so hätte

abschließen dürfen, ist in diesem Fall ein Verstoß von § 82 Abs 1 GmbHG zu verneinen.757

Zusammenfassend sind daher nur die Verteilung des Bilanzgewinns, gesetzliche Ausnahmefälle sowie

drittübliche Austauschgeschäfte als zulässige Zuwendungen anzusehen; alle anderen Zuwendungen

verstoßen gegen § 82 Abs 1 GmbHG.758

4.2.4 Cash-Pooling als Anwendungsfall von § 82 Abs 1 GmbHG

Diese Ausführungen gelten auch für den Problemkreis des „Cash-Pooling“, eines wichtigen Bestandteils der

Konzernfinanzierung, der auch in Österreich zunehmend beliebter wird.759

Darunter versteht man einen

Konten- bzw Liquiditätsausgleich innerhalb eines Konzerns: dabei gleichen einzelne oder alle

Konzerngesellschaften (Pool-Gesellschaften) ihre Liquiditätsüberschüsse täglich gegen ein zentrales

Verrechnungskonto („Master Account“) aus; dieses zentrale Konto wird meist von der Konzernmutter oder

einer speziellen Finanzierungsgesellschaft („Master Company“) aus verwaltet. Rechtlich handelt es sich bei

dem Ausgleich der positiven Tagessalden der einzelnen Pool-Gesellschaften mit dem Hauptkonto um

Darlehen, die die Pool-Gesellschaften der das Hauptkonto führenden Gesellschaft geben.760

Zu unterscheiden ist zwischen physischem (effektivem, echtem) und virtuellem (fiktivem, unechtem) Cash-

Pooling: beim physischen Cash-Pooling werden die Kontensalden der Pool-Gesellschaften bzw des

Hauptkontos tatsächlich ausgeglichen, es findet also ein Transfer der Haben- bzw ein Ausgleich der Soll-

Salden auf das Hauptkonto statt. Demgegenüber erfolgt beim virtuellen Cash-Pooling eine rechnerische

Zusammenführung der Banksalden auf einem bloß gedachten Zielkonto.761

Die Kreditmittel werden anschließend von der zentralen Verwaltungsstelle je nach Bedarf an andere

Konzerngesellschaften weitergeleitet. Die Abschöpfung der Liquiditätsüberschüsse einzelner

Konzerngesellschaften und der Transfer auf ein zentrales Konto erfordert nur einen geringen Aufwand,

verglichen mit den Vorteilen des Cash-Pooling: eine Verbesserung des Zinsergebnisses aller Beteiligten762

sowie eine Liquiditätszufuhr an weniger liquide Konzerngesellschaften durch interne Mittel, ohne die Hilfe

von außen (etwa Banken) in Anspruch nehmen zu müssen. Durch das Verfahren entstehen aber auch

Nachteile, etwa ein erhöhtes Insolvenzrisiko innerhalb des Konzerns, da ohne Besicherung der Darlehen das

756

Schmidt/Riegler, Cash Pooling, RWZ 2007, 97f. 757

Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 82 Rz 15; Reich-Rohrwig, Verbotene Einlagenrückgewähr bei

Kapitalgesellschaften, ecolex 2003, 156. 758

Böhler, Nichtigkeit, ÖBA 2004, 434 mwN; Reich-Rohrwig, Verbotene Einlagenrückgewähr bei

Kapitalgesellschaften, ecolex 2003, 152 mwN. 759

Meusburger, Kapitalaufbringungsvorschriften und Cash-Pooling: Ein Überblick über diskutierte

Gestaltungsvarianten und die Lösungsansätze des deutschen MoMiG, GesRZ 2008, 216 mwN. 760

Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 82 Rz 17c; Meusburger, Cash-Pooling, GesRZ 2008, 216; Schmidt/Riegler, Cash

Pooling, RWZ 2007, 98. 761

Meusburger, Cash-Pooling, GesRZ 2008, 216 FN 1. 762

Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 82 Rz 17c; Meusburger, Cash-Pooling, GesRZ 2008, 216; Schmidt/Riegler, Cash

Pooling, RWZ 2007, 98.

Page 113: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

97

Risiko des Verlusts der Rückforderungsansprüche besteht763

, etwa wenn die Master Company oder eine

andere Pool-Gesellschaft, an welche die Zahlung geleistet wurde, zahlungsunfähig wird;764

auch können die

Pool-Gesellschaften nicht mehr selbst über die Verwendung ihrer liquiden Mittel entscheiden.765

Das Cash-Pooling-Verfahren ist aufgrund dieser Risiken geeignet, gegen § 82 Abs 1 GmbHG zu

verstoßen.766

Dabei ist weniger an das virtuelle Cash-Pooling zu denken, bei dem es zu keinem tatsächlichen

Abfluss von Vermögen einer Gesellschaft kommt; auch hier ist aber ein Fremdvergleich anzustellen: erleidet

die Gesellschaft Zinsnachteile oder wird sie bei der Kostenaufteilung benachteiligt, liegt also ein objektives

Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor, so wird gegen § 82 Abs 1 GmbHG verstoßen.767

Im Falle des physischen Cash-Pooling, also bei Vorliegen tatsächlicher Zahlungsströme, muss zudem die

Bonität des das Hauptkonto führenden Rechtsträgers sowie der übrigen Konzerngesellschaften unbedenklich

sein; weiters müssen die Darlehen besichert sein. Ein Einsichts- und Mitspracherecht der einzelnen Pool-

Gesellschaften, eine Aufklärungspflicht der Konzernobergesellschaft768

sowie eine Ausstiegsklausel in der

Cash-Pooling-Vereinbarung, falls die Rückforderung der Darlehen gefährdet scheint, und eine Vereinbarung

von betraglichen Grenzen bei Darlehen dürfte die Tatbestandsmäßigkeit des Verfahrens von § 82 Abs 1

GmbHG weiter reduzieren.769

Um den Anforderungen des § 82 GmbHG zu genügen, müssen daher die zu erwartenden Vorteile des Cash-

Pooling die Risiken überwiegen.770

Auch die Entscheidung des OGH zu 6 Ob 271/05d vom 1.12.2005771

dürfte in diese Richtung gehen, wenngleich der OGH bislang (auch in dieser Entscheidung) noch nicht über

die Zulässigkeit von Cash-Pooling-Systemen zu entscheiden hatte:772

der OGH wiederholte in seiner

Entscheidung die herrschende Ansicht, dass eine verdeckte Einlagenrückgewähr auch damit (ex ante)

gerechtfertigt werden kann, dass „besondere betriebliche Gründe im Interesse der Gesellschaft“ vorliegen,

wenn dies nach der Formel des Fremdvergleichs dahin gedeckt ist, dass das Geschäft, das mangels objektiver

Wertäquivalenz ein Vermögensopfer der Gesellschaft bedeutet, auch mit einem Außenstehenden geschlossen

worden wäre.773

763

Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 82 Rz 17c.

764 Schmidt/Riegler, Cash Pooling, RWZ 2007, 98 mwN.

765 Schmidt/Riegler, Cash Pooling, RWZ 2007, 98.

766 Der BGH sah in seinem „November-Urteil“ vom 24.11.2003, II ZR 171/01, ebenfalls einen Verstoß gegen die

(deutschen) Kapitalerhaltungsvorschriften, falls die Darlehensgewährung zu Lasten des gebundenen Vermögens der

GmbH erfolgen, und zwar auch dann, wenn der Rückzahlungsanspruch gegen den Gesellschafter im Einzelnen

vollwertig sein sollte; s Meusburger, Cash-Pooling, GesRZ 2008, 216. 767

Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 82 Rz 17c; Schmidt/Riegler, Cash Pooling, RWZ 2007, 98.

768 In seiner „Bremer-Vulkan-Entscheidung“ vom 17.9.2001, II ZR 178/99, statuierte der BGH eine derartige

Aufklärungs- sowie Vermögensbetreuungspflicht der das Cash-Pooling organisierenden Konzernmutter, wonach

diese auf die Erhaltung der Fähigkeit ihrer Tochter- und Enkelgesellschaften zur Zahlung ihrer Verbindlichkeiten

Rücksicht zu nehmen sowie darauf hinzuweisen hat, wenn die Rückzahlung der Darlehen wegen drohender

Illiquidität gefährdet ist; s Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen der Kapitalerhaltung, 193 sowie Burgard, Cash Pooling

und Existenzgefährdung, in: Burgard et al (Hrsg.), Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2002, Schmidt Verlag, Köln

2003, 63f. 769

Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 82 Rz 17c; Schmidt/Riegler, Cash Pooling, RWZ 2007, 98.

770 Billek, Cash Pooling im Konzern, Springer Verlag, Wien 2008, 99 mwN.

771 OGH 1.12.2005, 6 Ob 271/05d = JBl 2006, 388.

772 Billek, Cash Pooling im Konzern, Springer Verlag, Wien 2008, 99 mwN.

773 Punkt 5 der rechtlichen Beurteilung im Urteil des OGH vom 1.12.2005, 6 Ob 271/05d = JBl 2006, 388.

Page 114: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

98

4.2.5 Rechtsfolgen bei Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr

Das GmbHG statuiert in § 83 leg cit als gesellschaftsrechtliche Rechtsfolge bei einem Verstoß gegen § 82

leg cit einen Anspruch der Gesellschaft gegen den Gesellschafter auf Rückersatz der Zahlungen, die ihm

verbotswidrig geleistet wurden (§ 83 Abs 1 leg cit); gutgläubige Empfänger sind hingegen nicht zur

Rückzahlung verpflichtet, wobei diese Bestimmung aufgrund der weiteren, strengen, Haftungsregeln in § 83

GmbHG eng auszulegen ist;774

insbesondere können verdeckte Leistungen, die Einlagenrückgewähr

darstellen, nicht gutgläubig empfangen werden.775

Einzelrechtsnachfolger jenes Gesellschafters, der die verbotene Leistung empfangen hatte, haften gem § 83

GmbHG nach überwiegender Ansicht nicht.776

Dem Gesellschafter nahe stehende Dritte (etwa der Ehegatte,

das minderjährige Kind, der „faktische“ Gesellschafter, Unternehmen, an denen der Gesellschafter

unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist) haften hingegen der Gesellschaft analog § 83 GmbHG; sonstige

Dritte haften nur ausnahmsweise bei Kollusion oder bei grob fahrlässiger Unkenntnis eines Missbrauchs

aufgrund des für die Gesellschaft nachteiligen Rechtsgeschäfts.777

Kann die Erstattung weder vom Empfänger der Leistung noch von den Geschäftsführern erlangt werden, so

haften gem § 83 Abs 2 GmbHG subsidiär die Mitgesellschafter nach Verhältnis ihrer Stammeinlagen für den

Abgang am Stammkapital, insoweit durch die Zahlung das Stammkapital vermindert ist.778

Nach Abs 3 leg

cit werden Beiträge, die von einzelnen Gesellschaftern nicht zu erlangen sind, nach dem Verhältnis der

Stammeinlagen auf die übrigen aufgeteilt. Der Erlass der Rückgabeforderung ist gem Abs 4 leg cit

ausgeschlossen; nach Abs 5 leg cit verjähren die Ansprüche der Gesellschaft auf Rückersatz in fünf Jahren,

beginnend mit der widerrechtlichen Zahlung,779

sofern sie nicht beweist, dass der Ersatzpflichtige die

Widerrechtlichkeit der Zahlung kannte. In letzterem Falle verjährt der Anspruch nach der allgemeinen

Verjährungsfrist von 30 Jahren.780

Die zivilrechtliche Rechtsfolge bei einem Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr in § 82 Abs 1

GmbHG ist nach überwiegender Auffassung der Lehre und stRsp des OGH die Nichtigkeitssanktion gem §

879 Abs 1 ABGB.781

Verbotswidrige Verträge oder Gesellschafterbeschlüsse sind daher nichtig; auch das

Verfügungsgeschäft kann daher, nach dem Prinzip der kausalen Tradition, nicht wirksam zustande

gekommen sein.782

Die Reichweite dieser Nichtigkeit wird jedoch in der Lehre diskutiert, etwa, ob eine

Totalnichtigkeit des Rechtsgeschäfts eintritt, oder ob der Vertrag grundsätzlich aufrecht erhalten werden

774

Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 83 Rz 1.

775 Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen der Kapitalerhaltung, 171.

776 AA Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen der Kapitalerhaltung, 165f: seiner Meinung nach ist diese Auffassung wegen

des engen Zusammenhangs zwischen Kapitalaufbringung und –erhaltung abzulehnen. Im Gegensatz zur AG erwirbt

der Nachfolger-Gesellschafter den GmbH-Geschäftsanteil mit allen aus dem Gesellschaftsverhältnis entspringenden

Rechten und Pflichten, wozu auch solche aus Einlagenrückgewähr zählen, sowie die Pflicht zur Zahlung

rückständiger Einlagen und Nachschüsse. 777

Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen der Kapitalerhaltung, 166f, 168. 778

Böhler, Nichtigkeit, ÖBA 2004, 434. 779

Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 83 Rz 11.

780 Koppensteiner/Rüffler, GmbHG

3, § 83 Rz 11.

781 Karollus, Zur Reichweite der Nichtigkeitssanktion bei verdeckten Gewinnausschüttungen, ecolex 2008, 47f mwN;

Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 82 Rz 19; Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen der Kapitalerhaltung, 137 mwN.

782 Koppensteiner/Rüffler, GmbHG

3, § 82 Rz 19.

Page 115: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

99

kann, und nur die Teile des Vertrags nichtig sind, die einer sofortigen Rückforderung entgegenstehen.783

So

bestätigt etwa Karollus den Gedanken, dass sich die Sanktionen stärker am Schutzzweck des Verbots

orientieren sollten; trotzdem solle im Grundsatz von einer Nichtigkeit ausgegangen werden, weil nur dies mit

der Zielrichtung des Verbots der Einlagenrückgewähr als zwingendes Gesellschafts- und

Gläubigerschutzinstrument vereinbar sei.784

Verkauft etwa ein Gesellschafter der Gesellschaft einen

Vermögensgegenstand zu einem überhöhten Preis, ohne dass dies betrieblich rechtfertigbar (so die

Möglichkeit nach der Rsp des OGH) sei, so sei nach § 879 Abs 1 ABGB iVm § 82 Abs 1 GmbHG nicht das

gesamte Umsatzgeschäft nichtig, sondern nur in dem Umfang, in dem die Gesellschaft einen überhöhten

Kaufpreis schulden würde, somit nur im Ausmaß der Wertdifferenz.785

Auch aus dem von der Rsp

entwickelten Grundsatz, dass Verstöße gegen § 82 Abs 1 GmbHG von den Gerichten von Amts wegen

aufzugreifen seien,786

könne man nicht notwendigerweise eine Totalnichtigkeit des Vertrags folgern. Ein

eventuelles Wahlrecht zwischen der Gesamtnichtigkeit und der Aufrechterhaltung des Geschäfts mit

angepasstem, erlaubtem Inhalt könnte aufgrund des Zwecks der Norm, allein die Gesellschaft (samt

Gläubiger) und nicht den empfangenden Gesellschafter zu schützen, daher auch nur der Gesellschaft, und

nicht dem Gesellschafter zustehen.787

Auch die bislang noch nicht von der Rsp entschiedene und in der

Literatur strittige Frage, ob § 83 GmbHG als gesellschaftsrechtliche lex specialis gegenüber der

zivilrechtlichen Rechtsfolge von § 879 ABGB, der Kondiktion, angesehen werden kann,788

löst Karollus

über den Schutzzweck des Verbots: während der Kondiktionsanspruch in 40 Jahren verjährt, ist der

Rückgewähranspruch nach § 83 Abs 1 GmbHG grundsätzlich bereits in 5 Jahren verjährt (Abs 5 leg cit).

Daraus ergebe sich eine Schlechterstellung der Gesellschaft für den Fall, dass nur der

Rückgewährungsanspruch möglich wäre. Vielmehr solle der Rückgewähranspruch nach § 83 Abs 1 GmbHG

eine zusätzlich zum Bereicherungsanspruch bestehende Rückforderung ermöglichen.789

Demgegenüber habe laut Böhler der empfangende Gesellschafter das Recht, gegen Anbieten von

Wertausgleich die Durchführung des Vertrags zu erzwingen.790

Eine derartige „Aufzahlungsbefugnis“ sei

nicht nur eine gerechte Lösung für den Gesellschafter, sondern „durchaus auch“ im Interesse der

Gesellschaft.791

Während Karollus also die Gesellschaft in den Mittelpunkt des Schutzes stellt, sieht Böhler

vor allem die Interessen des empfangenden Gesellschafters gefährdet; dies begründet sie mit der

privatautonomen Vertragsgestaltung. Eine Vertragskorrektur ex lege (also ohne Einwilligung von Seiten des

Gesellschafters) würde zwar die Erhaltung des Gesellschaftsvermögens gewährleisten, der Gesellschafter

würde aber gegen seinen Willen gezwungen, plötzlich mehr zu leisten als ursprünglich vereinbart, bzw

783

Karollus, Zur Reichweite der Nichtigkeitssanktion, ecolex 2008, 50. 784

Karollus, Zur Reichweite der Nichtigkeitssanktion, ecolex 2008, 48. 785

Karollus, Zur Reichweite der Nichtigkeitssanktion, ecolex 2008, 47f. 786

Vgl dazu Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 82 Rz 19 mwN.

787 Karollus, Zur Reichweite der Nichtigkeitssanktion, ecolex 2008, 49.

788 Bejahend etwa Böhler, Nichtigkeit, ÖBA 2004, 446; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG

3, § 82 Rz 19, § 83 Rz 9.

789 Karollus, Zur Reichweite der Nichtigkeitssanktion, ecolex 2008, 50.

790 Böhler, Nichtigkeit, ÖBA 2004, 440.

791 Böhler, Nichtigkeit, ÖBA 2004, 438.

Page 116: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

100

weniger erhalten.792

Der Gesellschaft hingegen sei ein derartiger Zwang gegen ihren Willen viel eher

zumutbar als dem Gesellschafter. So könnte nach Ansicht von Böhler auch aus § 934 ABGB, wonach bei

Verkürzung über die Hälfte der Verkürzende das Recht hat, den Vertrag aufrechtzuerhalten, wenn er „den

Abgang bis zum gemeinen Wert zu ersetzen bereit ist“, die Wertung des Gesetzgebers erschlossen werden,

dass sich der Verkürzte die Aufrechterhaltung des Vertrags „gefallen lassen“ muss, wenn der Verkürzende

daran interessiert ist.793

Auch steht nach Ansicht von Böhler der Gesellschaft keine Kondiktion gem §§ 877

bzw 1431ff ABGB zu, sondern nur der auf Sachherausgabe gerichtete, gesellschaftsrechtliche

Rückersatzanspruch.794

Den Wegfall der bereicherungsrechtlichen Ansprüche erklärt Böhler aus den

„Privilegierungen“, die § 83 GmbHG dem Gesellschafter ermögliche, etwa die Gutglaubensregel in Abs 1

leg cit oder die besondere Verjährungsfrist nach Abs 5 leg cit.795

Auch Koppensteiner/Rüffler sehen die Norm des § 83 GmbHG gegenüber der Kondiktion als lex specialis

an, da bei Sachleistungen der Gesellschaft gesellschaftsrechtlich unter Umständen nur Wertersatz geschuldet

werde, während zivilrechtlich die Rückstellung des Gegenstandes selbst gefordert werden könne; auch könne

die Gutglaubensregel einen Gesellschafter von der Rückzahlung befreien, was zivilrechtlich nicht der Fall

sei.796

4.2.6 Nachschüsse

Zu den Regelungen der Kapitalerhaltung im GmbHG zählen auch jene über die Leistung von Nachschüssen

(§§ 72-74 GmbHG). Nachschüsse dienen der Vermehrung des Betriebskapitals und sind daher im Interesse

der Gesellschaft. Die geleisteten Nachschüsse bilden ein eigenes Nachschusskapital, sie ändern daher –

anders als die Kapitalerhöhung – nichts am Stammkapital; das Nachschusskapital steht zur freien Verfügung

der Gesellschaft und kann etwa zur Deckung eines bilanzmäßigen Verlusts am Stammkapital, vor allem aber

zur Finanzierung neuer Investitionen verwendet werden.797

Gem § 72 Abs 1 GmbHG kann im Gesellschaftsvertrag bestimmt werden, dass die Gesellschafter über den

Betrag der Stammeinlagen hinaus die Einforderung von weiteren Einzahlungen (Nachschüssen) beschließen

können. Auch kann gem § 50 Abs 4 GmbHG eine einstimmige Satzungsänderung Nachschüsse vorsehen.798

Gem § 72 Abs 2 GmbHG muss die Nachschusspflicht - bei sonstiger Wirkungslosigkeit der

gesellschaftsvertraglichen Bestimmung - auf einen nach dem Verhältnis der Stammeinlagen bestimmten

Betrag beschränkt werden. In absoluten Beträgen kann daher eine Nachschusspflicht der Höhe nach nicht

792

Böhler, Nichtigkeit, ÖBA 2004, 438. 793

Böhler, Nichtigkeit, ÖBA 2004, 439. 794

Böhler, Nichtigkeit, ÖBA 2004, 445. 795

Böhler, Nichtigkeit, ÖBA 2004, 444. 796

Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 83 Rz 9.

797 Duursma/Duursma-Kepplinger/Roth, Handbuch, Rz 2457, 2459; Fantur, Gestaltungsfragen, GesRZ 2006 Spezial:

100 Jahre GmbH, 24f. 798

Duursma/Duursma-Kepplinger/Roth, Handbuch, Rz 2455.

Page 117: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

101

festgesetzt werden.799

Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz haben sämtliche Gesellschafter die

Nachschüsse nach dem Verhältnis ihrer Stammeinlagen zu leisten; einzelne Gesellschafter können daher von

der Nachschusspflicht nicht befreit werden (§ 72 Abs 3 GmbHG).800

Gesellschafter, die mit einem eingeforderten Nachschuss säumig sind, können geklagt oder dem

Kaduzierungsverfahren gem §§ 66-69 GmbHG unterworfen werden (§ 73 Abs 1 GmbHG); ein

Rechtsvorgänger haftet gem § 73 Abs 2 GmbHG nur bis zu dem Betrag, auf den die Nachschusspflicht zur

Zeit der Anmeldung seines Austritts im Gesellschaftsvertrag beschränkt war.801

Eingezahlte Nachschüsse können an die Gesellschafter unter den Voraussetzungen des § 74 GmbHG

zurückgezahlt werden:802

so darf keine Unterbilanz vorliegen, es müssen also die verbleibenden Aktiva

abzüglich der Verbindlichkeiten den Nennbetrag des Stammkapitals erreichen; für die Rückzahlung ist ein

Gesellschafterbeschluss (§ 35 Abs 1 Z 3 GmbHG) erforderlich, wofür eine einfache Mehrheit ausreicht. Der

Rückzahlungsbeschluss ist zu veröffentlichen; bekannte Gläubiger sind überdies zu informieren. Gem § 74

Abs 2 GmbHG ist eine dreimonatige Wartefrist ab Veröffentlichung des Beschlusses einzuhalten; zudem

kann die Rückzahlung nach dem Gleichbehandlungsgebot nur an alle Gesellschafter, nach dem Verhältnis

der Stammeinlagen, erfolgen. Auch muss das Stammkapital voll einbezahlt sein (§ 74 Abs 3 GmbHG).

Vorschriftswidrige Rückzahlungen machen den Empfänger, die geschäftsführenden Organe sowie die

übrigen Gesellschafter nach Maßgabe der §§ 25, 83 GmbHG haftbar (§ 74 Abs 4 GmbHG).

4.2.7 Der Erwerb eigener Geschäftsanteile durch die Gesellschaft

Die Regelung des § 81 GmbHG gehört in den Gesamtzusammenhang der Regeln zum Zweck der

Kapitalerhaltung;803

demnach ist der Erwerb und die Pfandnahme eigener Geschäftsanteile durch die

Gesellschaft grundsätzlich verboten und wirkungslos. Zulässig ist jedoch der Erwerb im Exekutionsweg zur

Hereinbringung eigener Forderungen der Gesellschaft. Durch das GesRÄG 2007804

, das am 15.12.2007 in

Kraft getreten ist, wurde ein weiterer Satz in § 81 GmbHG eingefügt, wonach auf den unentgeltlichen

Erwerb eigener Anteile, auf den Erwerb eigener Anteile im Wege der Gesamtrechtsnachfolge und auf den

Erwerb eigener Anteile zur Entschädigung von Minderheitsgesellschaftern die entsprechenden, für den

Erwerb eigener Aktien sinngemäß geltenden Vorschriften anzuwenden sind.

§ 81 GmbHG dient der Kapitalaufbringung und -erhaltung805

; die Materialien begründen das Verbot des

Erwerbs eigener Anteile damit, dass dies zur ungeschmälerten Erhaltung des Stammkapitals erforderlich sei;

799

Fantur, Gestaltungsfragen, GesRZ 2006 Spezial: 100 Jahre GmbH, 24. 800

Duursma/Duursma-Kepplinger/Roth, Handbuch, Rz 2455. 801

Vgl Fantur, Gestaltungsfragen, GesRZ 2006 Spezial: 100 Jahre GmbH, 24, wonach diese Zwangsfolge im

Gesellschaftsvertrag jedoch abbedungen werden kann. 802

Duursma/Duursma-Kepplinger/Roth, Handbuch, Rz 2463; Fantur, Gestaltungsfragen, GesRZ 2006 Spezial: 100

Jahre GmbH, 24. 803

Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 81 Rz 1.

804 BGBl I 2007/72.

805 Zur ähnlichen Rechtslage in Deutschland s Baumbach/Hueck, GmbHG-Gesetz, Beck‟scher Kurzkommentar, 18.

Auflage, C.H.Beck Verlag, München 2006, § 33, Rz 1.

Page 118: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

102

zudem stelle die GmbH als ihr eigener Gesellschafter eine „juristisch widersinnige Erscheinung“ dar.806

Auch würde der Erwerb eines eigenen Anteils die Sicherheit vermindern, die den Gläubigern durch die

subsidiäre Kollektivhaftung der Gesellschafter in den §§ 70 Abs 1 und 83 verschafft werde.807

Nach

Koppensteiner/Rüffler ist die Erhaltung des Stammkapitals, und zwar nicht nur in

stammkapitalentsprechender Höhe, Hauptzweck des § 81 GmbHG; das Verbot der Inpfandnahme ist aus

Gründen des Umgehungsschutzes erforderlich.808

Das Verbot in § 81 GmbHG ist umfassend und zwingend. Die erste Ausnahme, der Erwerb im

Exekutionsweg zur Hereinbringung von Forderungen der Gesellschaft gegen einen Gesellschafter, ist aus

dem vermögensmäßigen Vorteil gegenüber einem Erwerbsverbot zu erklären.809

Die durch das GesRÄG 2007 eingefügten weiteren drei Ausnahmen verweisen auf die Erwerbstatbestände

im AktG, genauer: § 65 Abs 1 Z 2, 3 und 5 AktG, wonach der Erwerb eigener Aktien durch die AG in

bestimmten Fällen erlaubt ist. Überhaupt wird in § 81 GmbHG auf die „entsprechenden Vorschriften“ des

Aktiengesetzes verwiesen, die „sinngemäß anzuwenden“ sind, somit sind auch die Zulässigkeitsschranken

des Erwerbs eigener Aktien in § 65 Abs 2 AktG sinngemäß zu beachten.810

Ein verbotener Erwerb bzw eine verbotene Inpfandnahme eines eigenen Anteils durch die Gesellschaft ist

wirkungslos. Das Verpflichtungs- wie auch das Verfügungsgeschäft ist daher nichtig; die Gegenleistung der

Gesellschaft ist nach § 83 GmbHG zurückzugewähren.811

4.2.8 Der Verlust der Hälfte des Stammkapitals

Als eine weitere Regelung hinsichtlich der Erhaltung des Stammkapitals ist § 36 Abs 2 GmbHG anzusehen,

wonach eine Gesellschafterversammlung mindestens einmal jährlich sowie außer den im Gesetz oder im

Gesellschaftsvertrag ausdrücklich bestimmten Fällen immer dann einzuberufen ist, wenn es das Interesse der

Gesellschaft erfordert, insbesondere ohne Verzug dann, wenn sich ergibt, dass die Hälfte des Stammkapitals

verloren gegangen ist. Im letzteren Falle gefasste Beschlüsse hat die Geschäftsführung zudem dem

Handelsgericht mitzuteilen, wobei der Beschluss jedoch nicht ins Firmenbuch einzutragen oder in die

Urkundensammlung aufzunehmen ist; vielmehr ist die Mitteilung nur in den Firmenbuchakt aufzunehmen.812

Die Hälfte des Stammkapitals ist verloren, wenn das Vermögen der Gesellschaft unter Berücksichtigung

offener Rücklagen und stiller Reserven unter diesen Betrag absinkt; im Gegensatz zur deutschen Rechtslage

(§ 49 Abs 3 dGmbHG), wonach die Feststellung des Hälfteverlusts anhand einer Bilanz gefordert wird,

genügt es nach österreichischer Rechtslage, dass der Sachverhalt in irgendeiner Weise zur Kenntnis der

806

Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 236 der Beilagen

zu den Stenographischen Protokollen über die Sitzungen des Herrenhauses des Reichsrates (XVII. Session, 1901-

1907), 87. 807

S Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 81 Rz 2.

808 Koppensteiner/Rüffler, GmbHG

3, § 81 Rz 2,3.

809 Koppensteiner/Rüffler, GmbHG

3, § 81 Rz 4,6,7.

810 Kalss/Eckert, Änderungen im Aktien- und GmbH-Recht durch das GesRÄG 2007, GesRZ 2007, 223.

811 Koppensteiner/Rüffler, GmbHG

3, § 81 Rz 4.

812 Koppensteiner/Rüffler, GmbHG

3, § 36 Rz 13.

Page 119: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

103

Geschäftsführung oder des Aufsichtsrats gelangt ist.813

In der Gesellschafterversammlung, die aufgrund des

Verlusts der Hälfte des Stammkapitals einzuberufen ist, soll über die weitere Geschäftspolitik der

Gesellschaft diskutiert werden.814

Dabei sind die Gesellschafter aber nicht dazu verpflichtet, auch wirklich

Beschlüsse zu fassen, dh zu einer Lösung des Problems zu kommen.815

Mit dem Schutz der Gläubiger hängt die Regelung nur mittelbar zusammen: Koppensteiner/Rüffler

attestieren der Norm nur einen „reflexartigen“ Schutz der Gläubiger aufgrund des Zwangs zur Befassung der

Gesellschafter mit dem Problem des Hälfteverlusts; ein Primärzweck wird daher nicht im Gläubigerschutz,816

sondern im Schutz der Gesellschaft gesehen (dafür spricht vor allem der Wortlaut „im Interesse der

Gesellschaft“).

4.2.9 Stärkung der Kapitalgrundlage einer großen GmbH durch gebundene Rücklagen

Eine weniger zur Kapitalerhaltung, mehr zur Kapitalstärkung gedachte Norm ist § 23 GmbHG. Demnach

sind auf große Gesellschaften, wie sie in § 221 Abs 3 UGB definiert sind817

, die §§ 130 und 260 AktG 1965

sinngemäß anzuwenden.

Gem § 130 Abs 3 AktG ist demnach in einer großen GmbH eine gesetzliche Rücklage zu bilden, die

zusammen mit anderen gebundenen Rücklagen zumindest 10 % des Stammkapitals betragen muss; die

Satzung kann einen höheren Prozentsatz normieren. Bis der Prozentsatz erreicht wird, sind mindestens 5 %

des durch einen Verlustvortrag geminderten Jahresüberschusses nach Berücksichtigung der Veränderung

unversteuerter Rücklagen in die gesetzliche Rücklage einzustellen.818

Historischer Zweck der Regelung ist die zwingende Bildung von Reserven und Rücklagen zum Ausgleich

schlechter Jahre im Interesse des Gläubigers. Die Bildung solcher „Polster“ soll der Gesellschaft nicht

freigestellt werden; vielmehr soll außer dem Stammkapital ein zusätzlicher Betrag von den jährlichen

Gewinnausschüttungen ausgeschlossen werden.819

813

Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 36 Rz 12.

814 Koppensteiner/Rüffler, GmbHG

3, § 36 Rz 11.

815 Koppensteiner/Rüffler, GmbHG

3, § 36 Rz 12.

816 Koppensteiner/Rüffler, GmbHG

3, § 36 Rz 11.

817 § 221 Abs 3 UGB definiert große Kapitalgesellschaften als „solche, die mindestens zwei der drei in Abs. 2

bezeichneten Merkmale überschreiten.“ Demnach sind große Gesellschaften m.b.H. solche, die zwei der drei

folgenden Kriterien überschreiten: 19,25 Millionen Euro Bilanzsumme; 38,5 Millionen Euro Umsatzerlöse in den

zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag; im Jahresdurchschnitt 250 Arbeitnehmer. Die ersten beiden Kriterien,

wurden zuletzt durch das Unternehmensrechts-Änderungsgesetz 2008, BGBl I Nr. 2008/70, in Kraft getreten am 1.

Juni 2008, angehoben, „damit eine deutlich größere Anzahl von Unternehmen von den größenabhängigen

Erleichterungen profitieren kann“. Es wurde daher eine „erhebliche Kostensenkung für österreichische

Kapitalgesellschaften“ bezweckt; „so müssen etwa kleine nicht aufsichtsratspflichtige GmbH den Jahresabschluss

nicht durch einen Abschlussprüfer prüfen lassen“. Letztlich gilt aber auch die durch § 23 GmbHG bezweckte

Kapitalstärkung nun für weniger GmbHs. S zu den Materialien: Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum

Unternehmensrechts-Änderungsgesetz 2008 (URÄG 2008), 467 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen

des Nationalrates der Republik Österreich (XXIII. Gesetzgebungsperiode, 2007-2009), 11. 818

Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 23 Rz 4.

819 Wünsch, Zur Rechnungslegung „großer Gesellschaften mbH“, GesRZ 1991, 178.

Page 120: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

104

Die gebundenen Kapitalrücklagen sind in § 130 Abs 2 AktG normiert, und sind zusammen mit den

gesetzlichen Rücklagen ein Bestandteil der gebundenen Rücklagen (§ 130 Abs 1 AktG). Die gebundene

Kapitalrücklage ist ein Teil des Eigenkapitals der Gesellschaft;820

bei den gebundenen Kapitalrücklagen

handelt es sich etwa um Agio-Beträge (§ 229 Abs 2 Z 1 UGB).821

Die Rechtsfolge der Bildung gebundener Rücklagen findet sich in § 130 Abs 4 AktG: demnach dürfen sie

nur zum Ausgleich eines ansonsten auszuweisenden Bilanzverlustes aufgelöst werden; die Auflösung

gebundener Rücklagen zum Zweck des Ausweises eines verteilungsfähigen Bilanzgewinnes ist daher

unzulässig. Gesetzliche Rücklagen können überdies nach § 130 Abs 4 S 2 AktG aufgelöst werden, wenn

freie Rücklagen vorhanden sind.822

Die Verweisung von § 23 GmbHG auch auf § 260 AktG bewirkt, dass Aktiengesellschaften und GmbHs, die

als gemeinnützige Bauvereinigungen anerkannt sind, rechnungslegungsmäßig gleich behandelt werden.823

Insgesamt will die Regelung des § 23 GmbHG das Stammkapital großer Gesellschaften stärken; für GmbHs

unter der Schwelle des § 221 Abs 3 UGB sind nach Auffassung des Gesetzgebers keine zusätzlichen

substanzstärkenden Regelungen notwendig, die über die Regeln der Aufbringung und Erhaltung des

Stammkapitals im GmbHG hinausgehen würden.824

4.2.10 Eigenkapitalersatzrecht

Zum weiteren Kreis der Vorschriften über die Kapitalerhaltung der GmbH zählen auch die Regeln über

eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen. Über diesen vielfältigen Themenbereich kann hier nur ein

grober Überblick geboten werden.

Gesetzliche Grundlage des österreichischen Eigenkapitalersatzrechts ist seit dem Jahr 2004 das

Eigenkapitalersatz-Gesetz (EKEG)825

, welches die bis dahin bloß richterrechtlich etablierten Grundsätze

dieses Rechtsinstituts gesetzlich verankerte.826

Die vor dem EKEG ergangene Rsp827

entwickelte in

Anlehnung an die deutsche Spruchpraxis und in Analogie zu §§ 74 Abs 1, 83 GmbHG die Regel, dass ein

Darlehen (oder eine Gebrauchsüberlassung oder Gesellschaftersicherheit), welches die Gesellschafter der

Gesellschaft828

in der Krise, dh im Stadium der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft,

oder im Stadium der Kreditunwürdigkeit gewährten oder stehen ließen, zum Schutz der Gläubiger wie

820

Wünsch, Rechnungslegung, GesRZ 1991, 177. 821

S weiters Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 23 Rz 5; Wünsch, Rechnungslegung, GesRZ 1991, 177f.

822 Koppensteiner/Rüffler, GmbHG

3, § 23 Rz 6, 7.

823 Koppensteiner/Rüffler, GmbHG

3, § 23 Rz 1.

824 Koppensteiner/Rüffler, GmbHG

3, § 23 Rz 3.

825 Bundesgesetz über Eigenkapital ersetzende Gesellschafterleistungen (Eigenkapitalersatz-Gesetz – EKEG),

eingeführt durch das Gesellschafts- und Insolvenzrechtsänderungsgesetz (GIRÄG) 2003, BGBl I 2003/92. 826

Duursma/Duursma-Kepplinger/Roth, Handbuch, Rz 2350. 827

Seit OGH 8.5.1991, 8 Ob 9/91 = ecolex 1991, 697, wonach „die im deutschen Recht entwickelten Grundsätze über

Eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen auch im österreichischen Recht anzuwenden sind“. 828

Erfasst waren GmbH, GmbH & Co KG, AG sowie Vereine, s dazu bereits Saria/Wagner, Verein und

Eigenkapitalersatz, ecolex 1999, 31.

Page 121: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

105

Eigenkapital zu behandeln war und daher während der Krise nicht zurückgefordert werden konnte. Bei

Verstoß dieser Regel wurden die Wertungen des § 83 GmbHG herangezogen.829

Im Sinne der Rechtssicherheit stellte man diese Regel mit dem EKEG auf eine gesetzliche Grundlage; dabei

war ein „angemessener Ausgleich zwischen der Finanzierungsfreiheit der Gesellschafter und den Interessen

der Gläubiger“ vorrangig.830

Mit dem EKEG erfuhr die durch die Rsp begründete Regel jedoch einige

Ausnahmen und Einschränkungen. So unterliegen Kleingesellschafter, die keinen kontrollierenden Einfluss

auf die Gesellschaft haben, nicht dem EKEG, sondern gem § 5 Abs 1 EKEG nur Gesellschafter, die

kontrollierend oder mit einem Anteil von 25 % an der Gesellschaft beteiligt sind, oder Personen, die einen

beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft ausüben, aber nicht Gesellschafter sind. Vom EKEG erfasst ist

weiters die in §§ 6-11 leg cit aufgezählten Personen, also grundsätzlich Personen, die in abgestimmten

Verhalten zusammen eine Voraussetzung des § 5 EKEG erreichen; weiters der Treuhänder eines

Gesellschaftsanteils; der Gesellschafter eines verbundenen Unternehmens; eine Gesellschaft, die innerhalb

eines Konzerns Kredite an die Gesellschaft vergibt; ein Gesellschafter, der sich in der Krise zusätzlich als

Stiller Gesellschafter beteiligt, und ein Kommanditist, der der Komplementärgesellschaft einen Kredit

gewährt, auch wenn er nicht an ihr beteiligt ist.

Der Kredit einer solchen vom EKEG erfassten Person ist dann Eigenkapital ersetzend, wenn er einer

Genossenschaft oder Gesellschaft (worunter Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften ohne

natürliche Person als persönlich haftenden Gesellschafter, entgegen der Rsp aber nicht mehr Vereine zu

zählen sind) in der Krise gewährt wird (§ 1 EKEG).831

Die Gesellschaft befindet sich gem § 2 EKEG in einer

Krise, wenn sie zahlungsunfähig oder überschuldet ist oder Reorganisationsbedarf nach dem

Unternehmensreorganisationsgesetz besteht. Ein Kredit ist daher nur dann Eigenkapital ersetzend, wenn er in

der Krise gewährt wurde. Entgegen der bisherigen Rsp zum Eigenkapitalersatzrecht, die insoweit keine

Anwendung mehr finden wird, kann also nach dem EKEG ein Kredit vor der Krise stets gewährt werden,

ohne die Rechtsfolgen des EKEG fürchten zu müssen, da ein Stehenlassen dieses Kredits in der Krise nicht

mehr Eigenkapital ersetzend wirkt.832

In den Anwendungsbereich des EKEG fallen Geldkredite, die Überlassung einer Sache zum Gebrauch bzw

die Kreditgewährung durch Sicherstellung.

Die Rechtsfolgen eines in den Anwendungsbereich des EKEG fallenden Kredits regelt § 14 EKEG: demnach

besteht eine Rückzahlungssperre: der Gesellschafter kann einen Eigenkapital ersetzenden Kredit samt den

darauf entfallenden Zinsen nicht zurückfordern, solange die Gesellschaft nicht saniert ist, dh solange die

Voraussetzungen der Krise vorliegen. Entgegen dem EKEG zurückgezahlte Kredite sind rückzuerstatten.833

Im Konkurs sind die Kreditforderungen nachrangig (§ 57a KO). Für Gebrauchsüberlassungen gilt speziell §

829

Duursma/Duursma-Kepplinger/Roth, Handbuch, Rz 2348. 830

Regierungsvorläge zum GIRÄG 2003, 124 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrats der

Republik Österreich, XXII. GP, 8. 831

Gruber, Eigenkapital ersetzende Gesellschafterleistungen – Die neuen Regelungen im Überblick, SWK 2004, W 1. 832

Zehetner/Zehetner, Zum neuen Eigenkapitalersatzgesetz (EKEG) (Teil I), GBU 2004/02/08. 833

Duursma/Duursma-Kepplinger/Roth, Handbuch, Rz 2424f.

Page 122: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

106

26a KO: demnach kann die Sache vor Ablauf von einem Jahr ab der Konkurseröffnung nicht zurückgefordert

werden, wenn dadurch die Fortführung des Unternehmens gefährdet wäre.

§ 14 EKEG ähnelt § 83 GmbHG in seiner Pflicht zur Rückerstattung des verbotenerweise Ausgezahlten,

auch die Verjährungsfrist von 5 Jahren wurde in § 14 EKEG übernommen. Der Unterschied zwischen § 83

GmbHG und § 14 EKEG besteht einerseits im Entfall der Gutgläubigkeitsregel in § 14 EKEG: der

Rückerstattungsanspruch entfällt auch gegenüber einem gutgläubigen Gesellschafter nicht.834

Andererseits

kann man § 14 EKEG als lex specialis ansehen, die im Fall von Eigenkapital ersetzenden Darlehen in der

Krise zur Anwendung gelangt. Der Zweck, das Kapital der Gesellschaft den Gläubigern zu erhalten, bleibt

jedenfalls derselbe wie bei § 83 GmbHG.

834

Duursma/Duursma-Kepplinger/Roth, Handbuch, Rz 2426 mwN.

Page 123: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

107

5. Geschichte der Regelungen

5.1 Die Entwicklung in Deutschland bis 1892

5.1.1 Der aktienrechtliche Hintergrund und der Vorschlag von Parisius

Die im AHGB 1861 normierte österreichische Aktiengesellschaft des späten 19. Jahrhunderts war im

Gegensatz zur deutschen Aktiengesellschaft, die durch die Aktiennovelle 1884 für kleinere Unternehmen zu

starr wurde, für Klein- und Mittelbetriebe eine flexible Rechtsform; schwerfällig war jedoch das

Gründungsverfahren, welches, wie erwähnt, nach dem Konzessionsverfahren orientiert war. Ein

Mindestgrundkapital war dem deutschen wie dem österreichischen Aktienrecht bis zum Gesetz vom 12. Mai

1923835

(in Deutschland) bzw bis zum Goldbilanzengesetz 1925 (in Österreich) unbekannt;836

ein

Mindestkapital im deutschen ADHGB iHv 5000 Reichsmark ergab sich vorher indirekt aus dem relativ

hohen Mindestnennbetrag einer Aktie iHv 1000 Reichsmark und dem Erfordernis von 5 Gründern.837

Das

österreichische Aktienregulativ von 1899 verpflichtete in § 24 zur Festlegung eines Grundkapitals, deren

Höhe den geschäftlichen Bedürfnissen angemessen war. Die gesetzliche Festlegung eines Mindestkapitals im

neuen GmbHG 1906 war daher ein Novum im österreichischen Gesellschaftsrecht.838

In Deutschland war die Diskussion rund um die Einführung einer neuen Gesellschaftsform, die dem

Wettbewerbsdruck der englischen Limited standhalten sollte,839

bereits ab den 70er Jahren des 19.

Jahrhunderts aufgekommen. Zwar war die Aktiengesellschaft damals noch die wichtigste Gesellschaftsform,

bei der eine beschränkte Haftung zulässig war,840

aber doch forderten einige Juristen, darunter Ludolf

Parisius, die Einführung neuer Gesellschaftsformen. Parisius schlug 1876 die Einführung einer

„industriellen Gewerkschaft“ für große und risikoreiche Industrieunternehmen mit großem Anlagekapital

vor, wobei die Inhaber der Kuxe (dh der Anteile) verpflichtet sein sollen, zu Beginn der Gesellschaft eine

bestimmte Geldsumme einzuzahlen und für entstehende Betriebskosten und Verbindlichkeiten der

Gesellschaft Zubußen zu leisten.841

835

Gesetz über den Mindestbetrag des Grundkapitals von Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf

Aktien vom 12. Mai 1923, dRGBl I, S. 289; zitiert nach Thiessen, Transfer von GmbH-Recht im 20. Jahrhundert, 462

FN 93. 836

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 55, 56 FN 239. 837

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 328 FN 2162; Schäfer/Jahntz, Gründungsverfahren und Gründungsmängel, in:

Bayer/Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, 1807-2007, Band II: Grundsatzfragen des Aktienrechts, Mohr

Siebeck Verlag, Tübingen 2007, 244. 838

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 83, FN 430. 839

S bereits Kapitel 2.1.1. 840

Koberg, Entstehung, 35. 841

Koberg, Entstehung, 37f.

Page 124: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

108

5.1.2 Die Rede von Oechelhäuser im Reichsrat und der Entwurf von 1884

Ein weiteres entscheidendes Jahr für die Entstehungsgeschichte der GmbH war 1884, als der nationalliberale

Abgeordnete Wilhelm von Oechelhäuser anlässlich der Lesung des Entwurfes der Aktienrechtsnovelle am

24. März 1884 die Einrichtung einer neuen Gesellschaftsform überlegte. Die Aktienrechtsnovelle von 1884

war als Reaktion auf den großen Aktienschwindel in den Gründerjahren nach 1870 erlassen worden und sah

strenge Gründungsvorschriften vor, die die deutsche AG insb für kleine Unternehmen uninteressant

machte.842

Oechelhäuser sah die Einrichtung einer neuen Gesellschaftsform ganz offensichtlich auch aus

dem Wettbewerbsdruck der englischen Limited auf deutsche Gesellschaften heraus gegeben, da in England

und seinen Kolonien „im weitesten und stets steigenden Umfange kleine Aktiengesellschaften (limited) von

vielleicht 3, 4, 5000 Pfund Sterling Grundkapital gebildet“ würden, „ohne daß die Gesellschaften irgendwie

etwa als Gesellschaften II. Ordnung angesehen“ würden. Es sei zu beachten, dass aufgrund des Wettbewerbs

zwischen England und Deutschland „in immer größerem Maße unser Kapital nach dem Auslande wandert“,

und auch, dass „jährlich 100 000, oft 200 000 und mehr Personen auswandern“. Er war daher überzeugt

davon, dass „dasjenige Land, welches die sichersten, einfachsten und mannigfachsten Rechtsformen für die

Vereinigung von Kapital und Personen bietet, vor anderen Nationen, die hierin zurückbleiben, einen

wirthschaftlichen Vorsprung gewinnen muß“.843

Oechelhäuser hatte auch schon einige Kautelen für die neue „Handelsgesellschaft mit beschränkter

Haftbarkeit“ vor Augen, etwa, dass die Kapitalsumme, für welche die Gesellschaft haftet, „dem

Registerrichter angegeben und veröffentlicht“ werden solle, „und es außerdem obligatorisch gemacht werden

müßte, daß diese Gesellschaften jährlich ihre Bilanzen einzureichen hätten, damit diese beim Registerrichter

eingesehen werden könnten“. Überhaupt dachte er bei einer neuen Gesellschaftsform an eine personalistische

Gesellschaft, die die Vorteile der OHG wie der Aktiengesellschaft in sich vereinen, „bei der aber die

solidarische Haftbarkeit auf bestimmte Kapitalanlagen beschränkt ist“. Er sah die Aufgabe der Gesetzgebung

darin, den schon bisher vorhandenen Drang der Unternehmer zur „individualistischen Aktiengesellschaft“

„bei Zeiten eine gefundene gesetzliche Organisation zu geben, damit die Aktiengesetzgebung nicht

mißbräuchlich zu Gesellschaftsbildungen benutzt wird, für die sie nicht vorgesehen ist“.844

Es sei dann auch eine notwendige Ergänzung im Recht der Aktiengesellschaften in Gestalt einer betraglichen

Abgrenzung derselben von den Handelsgesellschaften mit beschränkter Haftung vorzunehmen; für die

komplizierten Aktiengesellschaften sei ein Mindestkapital festzusetzen, dies forderte bei der selben Sitzung

schon der Abgeordnete Horwitz, der angesichts von in der Praxis oft minimalen Beträgen des Grundkapitals

meinte, der „komplizirte Apparat“ der Aktiengesellschaft sei in diesen Fällen „nicht gerechtfertigt“. Der

842

Geßler, Die Reform des GmbH-Rechts, BB 1969, 589. 843

Oechelhäuser, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, V. Legislaturperiode, IV. Session

1884, Erster Band, 11. Sitzung am 24. März 1884, 221. 844

Oechelhäuser, Stenographische Berichte, 11. Sitzung am 24. März 1884, 221.

Page 125: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

109

Gesetzgeber solle sagen: es müsse „ein Kapital von mindestens so und so viel sein“ – „über die Ziffer selbst

ließe sich dann streiten“.845

Oechelhäuser wollte in Anlehnung an Horwitz also zumindest eine betragliche Grenze zwischen der alten

und komplizierten Aktiengesellschaft und seiner neu angedachten Gesellschaft mit beschränkter Haftung

ziehen, „ohne natürlich für letztere die Kapitalhöhe (höchstens die Mitgliederzahl) nach oben hin zu

beschränken“.846

Eine Mindestgrenze, ab der die Gründung dieser neuen Gesellschaftsform möglich würde,

zog Oechelhäuser aber auch in seinem Entwurf von 1884, mit dem Titel „Von den Gesellschaften mit

beschränkter Haftpflicht“847

, nicht,848

vielmehr schlug er darin vor, die GmbH als Handelsgesellschaft mit

beschränkter Haftbarkeit dergestalt zu regeln, dass „zwei oder mehr Personen ein Handelsgewerbe oder ein

sonstiges Unternehmen unter gemeinschaftlicher Firma betreiben und bei sämtlichen Gesellschaftern die

Beteiligung, mit Ausschluss jeder weiteren persönlichen Haftung, auf bestimmte Vermögenseinlagen

beschränkt ist“ (§ 1 des Entwurfes von Oechelhäuser), wobei diese Kapitaleinlagen nach seinem Vorschlag

frei bestimmt werden konnten, und zusammen das „Grundkapital“ ergaben.849

Sein Entwurf verlangte aber

keinen Mindestbetrag, sondern nur, dass „(i)n der Anmeldung beim Handelsgericht … die Höhe des

Grundkapitals anzugeben (ist), auf welches sich die Gesammthaftbarkeit der Gesellschafter beschränken soll,

ebenso die Betheiligung jedes einzelnen Gesellschafters an diesem Grundkapital“; außerdem solle die

„schriftliche Erklärung, daß mindestens die Hälfte des Gesellschaftskapitals baar eingezahlt oder in

bestimmten Vermögensobjekten in die Firma eingebracht sei“, der Anmeldung beigefügt werden, wobei

diese Anlagen „von sämmtlichen Gesellschaftern persönlich vor dem Handelsgericht zu unterzeichnen, oder

in beglaubigter Form einzureichen“ gewesen wären.850

Die Gesellschafter sollten „für alle Verbindlichkeiten

der Gesellschaft solidarisch, jedoch nur bis zur Höhe des eingetragenen Grundkapitals (§ 3)“ haften.851

Der kurze, acht Paragraphen umfassende Gesetzesentwurf Oechelhäusers von 1884 (seine Regelungen

sollten ins dHGB hinter § 149 eingefügt werden, anstatt ein eigenes Gesetz zu bilden852

) kannte also kein

Mindestkapital, dafür sah er aber bereits eine Regel zur Erhaltung des Grundkapitals vor: gem § 6 des

Entwurfs durften „(b)is zur Wiederergänzung des durch Verlust verminderten Grundkapitals … die

Gesellschafter weder Zinsen noch Gewinn beziehen. Wird den vorstehenden Bestimmungen entgegen

gehandelt, so haften die Gesellschafter für die Rückerstattung vertheilter Beträge solidarisch“.853

845

Horwitz, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, V. Legislaturperiode, IV. Session 1884,

Erster Band, 11. Sitzung am 24. März 1884, 202. 846

Oechelhäuser, Stenographische Berichte, 11. Sitzung am 24. März 1884, 221. 847

Zu den Fundquellen s Koberg, Entstehung, 39 FN 101. 848

Koberg, Entstehung, 71. 849

§ 3 des Oechelhäuserschen Entwurfes, zitiert nach Wilhelm, „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“, DB

2007, 1513 mwN, der in der neuen Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) mit ähnlich liberalen Vorschriften

eine späte Versöhnung mit Oechelhäuser sieht. 850

§ 3 des Oechelhäuserschen Entwurfes, zitiert nach Schubert, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung – eine neue

juristische Person, Quaderni Fiorentini 11/12, 1982/83, 595f. 851

§ 5 des Oechelhäuserschen Entwurfes lautet weiter: „Waren also die Einlagen nicht voll eingezahlt, so sind

sämmtliche Gesellschafter für alle nicht eingezahlten Beträge solidarisch verhaftet“, zitiert nach Schubert, Die

Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Quaderni Fiorentini 11/12, 1982/83, 596. 852

Schubert, Die Gesellschaft mit beschränkter, Quaderni Fiorentini 11/12, 1982/83, 595. 853

Zitiert nach Schubert, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung ,Quaderni Fiorentini 11/12, 1982/83, 596.

Page 126: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

110

5.1.3 Die Entwürfe von Esser und Ring

Der nächste Entwurf, im Jahre 1886 vorgelegt vom deutschen Rechtsanwalt Robert Esser, mit dem Titel

„Die Gesellschaft mit beschränkter Haftbarkeit. Eine gesetzgeberische Studie“, war mit 30 Artikeln bereits

umfassender, zudem als Einzelgesetz angelegt und sah einen Mindestbetrag der Einlagen von 5.000 Mark

sowie einen Mindestbetrag aller Anteile von 25.000 Mark vor.854

Esser begründete dies mit der

Notwendigkeit, eine „mißbräuchliche Anwendung“ der neuen Gesellschaftsform zu verhindern, sowie die

Beteiligung des „kleinen Kapitals“ auszuschließen.855

Eine Regelung der Kapitalerhaltung war in Essers Entwurf von 1886 etwa in Art 15 festgelegt, wonach eine

Mehrheit von mindestens drei Vierteln der in der Gesellschafterversammlung vertretenen Anteile

beschließen dürfen solle, „Nachschüsse einzufordern“; in diesem Fall konnte ein Gesellschafter, wenn er

seinen Verpflichtungen nicht nachkam, von der Gesellschaft ausgeschlossen werden (Art 12). Wurde der

Gesellschafter von der Gesellschaft auf Zahlung des beschlossenen Nachschusses geklagt, so konnte er

„seine Verurtheilung und die Exekution dadurch abwenden, daß er unter Ueberreichung des Antheilscheins

den Verkauf seines Antheils behufs Befriedigung der Gesellschaft anheim stellt, wenn im Uebrigen der

Nominalbetrag des Antheils voll eingezahlt ist und auf denselben auch keine sonstigen

Schuldverbindlichkeiten haften“ (Art 15 Abs 2). Nach Art 16 Abs 3 sollte ferner „(d)er Gesellschafter,

welcher die eingeforderten Nachschüsse nicht leisten will, … unter den vorangegebenen Voraussetzungen

auch befugt (sein), ohne das Ausschlußverfahren oder die Klage abzuwarten, auf seinen Antheil freiwillig zu

verzichten“.856

1887 folgte mit dem Werk „Deutsche Kolonialgesellschaften. Betrachtungen und Vorschläge“ von Viktor

Ring ein weiterer Vorschlag für eine neue Gesellschaftsform, die teils den Gewerkschaften, teils den

Aktiengesellschaften nachgebildet werden sollte.857

Die neue Rechtsform sollte weniger individuell gestaltet

werden; das Einlagekapital sollte mindestens 1.000.000 Mark und die Minimaleinlage jedes Gesellschafters

etwa 5.000 Mark betragen. Die Grundsätze des Aktienrechts über die Einzahlung der Aktie waren

entsprechend anzuwenden.858

854

Art 1, 4 Abs 2 des Entwurfes von Esser, zitiert nach Koberg, Entstehung, 41, 43; Schubert, Das GmbH-Gesetz von

1892 – „eine Zierde unserer Reichsgesetzsammlung“, in: Lutter/Ulmer/Zöllner (Hrsg.). Festschrift 100 Jahre GmbH-

Gesetz, Dr. Otto Schmidt Verlag, Köln 1992, 6. 855

Schubert, Das GmbH-Gesetz von 1892, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 6. 856

Zitiert nach Schubert, Die Gesellschaft mit beschränkter, Quaderni Fiorentini 11/12, 1982/83, 599f. 857

Schubert, Das GmbH-Gesetz von 1892, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 6f. 858

Schubert, Die Gesellschaft mit beschränkter, Quaderni Fiorentini 11/12, 1982/83, 603.

Page 127: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

111

5.1.4 Die Denkschrift von Oechelhäuser und das „Würfelspiel um die richtige Zahl“

Im April 1888 meldete sich Oechelhäuser in einer Denkschrift „An die preußischen Handelskammern und

kaufmännischen Korporationen“ wieder zu Wort. Darin stellte er einige Grundsätze für die künftige neue

Gesellschaftsform auf und orientierte sich dabei an seinem Entwurf von 1884; in seiner Denkschrift

entwickelte Oechelhäuser aber den Gedanken des Gläubigerschutzes weiter, der seiner Ansicht nach bei der

Abfassung des Gesetzes besonderes Gewicht haben solle, ohne aber dabei die Geschäftsführung der neuen

Gesellschaftsform zu behindern oder dem „kaufmännischen Gefühl“ zu widersprechen. Auch schlug er nun

vor, die Frage des gesetzlichen Mindestkapitals bei der Gesetzesabfassung zu erörtern.859

Die ersten Vorschläge zur Höhe des Mindestkapitals bestanden also durchwegs in willkürlich festgesetzten

Beträgen von 25.000 Mark bis 1 Million Mark; alleine Oechelhäuser wollte die Frage des gesetzlichen

Mindestkapitals zunächst in seinem Entwurf von 1884 gar nicht besprechen und in seiner späteren

Denkschrift von 1888 dem Gesetzgeber überlassen. Dass die Zahl für die Mindesteinlage, aber auch „für das

aus deren Summe bestehende geringste Erstlingsvermögen der Gesellschaft“ eine „willkürliche sein müsse“,

wie Viktor Ring behauptete,860

wurde auch in der weiteren Diskussion nicht bezweifelt. Dieses „Würfelspiel

um die ,richtige„ Zahl“ hatte nach Thiessen861

seinen Grund in der Abgrenzung zum damals strengen

Aktienrecht: während für die damalige deutsche Aktiengesellschaft eine strenge Gründerhaftung sowie

weitere strenge, zwingende Vorschriften maßgebend waren, sollte die neue Gesellschaftsform liberal sein,

um den Wettbewerb mit den englischen Gesellschaften aufnehmen zu können. Daher war es zwar auf den

ersten Blick wenig verständlich, wenn eine „große“ Aktiengesellschaft mit 5.000 Mark gegründet werden

konnte,862

während die für kleine Unternehmen vorgesehene neue Gesellschaftsform einen deutlich höheren

Betrag benötigte. Dies war aber als Ausgleich zur weitgehenden Satzungsfreiheit der neuen

Gesellschaftsform, der GmbH, als notwendig betrachtet worden.863

5.1.5 Die Umfrage unter den preußischen Handelskammern und kaufmännischen

Korporationen

Die Diskussion rund um die Einführung und Ausgestaltung der neuen Gesellschaftsform drang schließlich

auch mit einer Umfrage im Jahre 1888 zu den Handelskammern, die vom Reichsjustizamt in einem

Schreiben vom 25. Februar 1888 an das Reichsamt des Innern angeregt wurde; in diesem Schreiben führte

das Reichsjustizamt bereits einen Eckpunkt der kommenden Gesellschaft an: den Mitgliedern der

Gesellschaft würde, „um sie gegen die Gefahren der Übernahme eines nicht zu übersehenden Risikos zu

859

Zitiert nach Koberg, Entstehung, 70f. 860

Zitiert nach Thiessen, Transfer von GmbH-Recht im 20. Jahrhundert, 456 FN 64. 861

Thiessen, Transfer von GmbH-Recht im 20. Jahrhundert, 456 mwN. 862

Falls die Gesellschaft Namensaktien ausgab, die nur mit ihrer Zustimmung übertragen werden durften, genügte sogar

ein Betrag von 200 Mark pro Aktie, bei fünf Aktionären also 1.000 Mark, s Thiessen, Transfer von GmbH-Recht im

20. Jahrhundert, 456. 863

Thiessen, Transfer von GmbH-Recht im 20. Jahrhundert, 457.

Page 128: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

112

schützen, unbedingt oder doch unter der Voraussetzung, daß die geleisteten Einzahlungen eine bestimmte

Höhe erreicht haben, das Recht einzuräumen sein, durch Aufgabe ihrer Antheile zu Gunsten der Gesellschaft

sich von der Verpflichtung zur Leistung weiterer Beiträge zu befreien.“864

Aus den daraufhin verfassten

insgesamt 81 Gutachten preußischer Handelskammern und kaufmännischer Korporationen lässt sich

zumindest der Gedanke nachvollziehen, der Gesellschaft (deren Einführung großteils als zweckmäßig

erachtet wurde) gewerkschaftliche Züge zu geben, wenn auch nur wenige Handelskammern ausschließlich

für eine kollektivistische Gesellschaftsform auf der Grundlage der (bergrechtlichen) Gewerkschaft

eintraten.865

Jene Gutachten, in denen die Ausgestaltung der empfohlenen Gesellschaftsform eingehender

erörtert wird, waren „verhältnismäßig nicht sehr zahlreich“;866

sie enthalten aber meistens Vorschläge,

„welche bezwecken, den Gesellschaften eine genügende finanzielle Grundlage zu sichern“, namentlich die

„gesetzliche Festsetzung eines Mindestbetrags“ für die Vermögenseinlage jedes Gesellschafters und für das

durch die Einlagen aufzubringende „Gesammtkapital der Gesellschaft“. In mehreren Gutachten fand sich der

Vorschlag einer Mindesteinlage von 5.000 Mark, in einem anderen Gutachten ein Vorschlag von 3.000

Mark. Als Mindestkapital schlug etwa die Handelskammer von Magdeburg einen Betrag von 30.000 Mark

vor, andere Handelskammern – „sämmtlich im Anschluß an die Vorschläge von Esser“ – einen Betrag von

25.000 Mark. Ein gesetzlicher Maximalbetrag wurde von keiner Stelle befürwortet.867

5.1.6 Die Umfrage unter den deutschen Handelskammern und die Vorschläge von

Hammacher und Rießer

Parallel zur Umfrage des preußischen Handelsministeriums wurde im Jahr 1888 auch eine Umfrage unter

den deutschen Handelskammern von Seiten des deutschen Handelstages gestartet.868

Von den insgesamt 38

eingelangten Gutachten sprachen sich 31 für eine neue Gesellschaftsform aus; das Einlagekapital, für dessen

Aufbringung den Gläubigern gegenüber alle Gesellschafter solidarisch haften sollten, sollte im

Handelsregister eingetragen werden.869

Auch die Vorschläge hinsichtlich der Festsetzung eines

Mindestkapitals ähnelten jenen der preußischen Handelskammern.870

In den Sitzungen des Ausschusses des deutschen Handelstages schlug der nationalliberale

Reichstagsabgeordnete Friedrich Adolf Hammacher als Ausgangspunkt der neuen Gesellschaftsform eine

„Zerlegung in Gesellschaftsantheile“ vor. „Jeder Gesellschaft, um überhaupt nach außen hin irgendeine

864

Zitiert nach Schubert, Das GmbH-Gesetz von 1892, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 8. 865

Schubert, Das GmbH-Gesetz von 1892, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 10. 866

Gesetzentwurf, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Stenographische Berichte über die

Verhandlungen des Reichstags, 8. Legislaturperiode, I. Session 1890/92, Fünfter Anlageband, Aktenstück (Anlage)

Nr. 660, 3768. 867

Gesetzentwurf, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Verhandlungen des Reichstags, Aktenstück

Nr. 660, 3768. 868

Schubert, Das GmbH-Gesetz von 1892, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 13. 869

Schubert, Die Gesellschaft mit beschränkter, Quaderni Fiorentini 11/12, 1982/83, 607f. 870

Vgl etwa den Vorschlag der Ältesten der Berliner Kaufmannschaft, ein fixes Gesamtkapital von 30.000 Mark

vorzusehen, in Schubert, Die Gesellschaft mit beschränkter, Quaderni Fiorentini 11/12, 1982/83, 608.

Page 129: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

113

Gewähr zu bieten, müsse ein bestimmtes Vermögensobject besitzen“, so Hammacher anlässlich der Sitzung

am 7.5.1888. Deshalb sei auch erforderlich, „daß die Antheilsgesellschaft mit beschränkter Haftbarkeit

gesetzlich ein gewisses Kapital oder Werthobject zur Grundlage haben muß. Das Gesellschaftsstatut hätte

dies nachzuweisen, und bei einem bestimmten Kapital, dessen Einzahlung noch nicht erfolgt ist, die

einzelnen Mitglieder persönlich zur Einzahlung zu verpflichten“.871

Bei der Sitzung am 28.11.1888 forderte Hammacher, dass die Mindesteinlage der neuen Gesellschaft auf

5.000 Mark festgesetzt werden sollte, „um eine übermäßige Ausbreitung dieser Gesellschaftsform in wenig

bemittelte Kreise zu verhindern“. Dies war auch die Meinung der Kommission des deutschen Handelstages,

die einen dementsprechenden Entwurf ausarbeitete; in der anschließenden Diskussion wurden allerdings

gegen die Festlegung eines Mindestkapitals bzw einer Mindesteinlage Argumente vorgebracht. Etwa, dass

die Festlegung eines Minimums leicht den Verdacht erregen könnte, „als handele es sich darum, mittels der

neuen Form gleichsam durch eine Hintertür das Aktiengesetz umzuformen und den wohlhabenden Klassen

die Bildung von Aktiengesellschaften zu erleichtern“. Auch die Festlegung einer gewissen Mindestsumme

sei nicht notwendig, da bei der neuen Gesellschaftsform „das persönliche Moment der Kreditbewilligungen

immer den Ausschlag geben und jeder Gläubiger erst dann mit der Gesellschaft eine Geschäftsverbindung

eingehen würde, wenn er die Kreditwürdigkeit der einzelnen Gesellschafter geprüft habe“. Zudem würden

eine Reihe von (kleineren) Unternehmungen diese Mindestbeträge nicht aufbringen können, obwohl ihnen

die neue Gesellschaftsform ansonsten zu Gute kommen könnte. Der Betrag einer Mindesteinlage sei daher

„möglichst niedrig und nicht über 3.000 Mark“ anzusetzen. Die Argumente für ein möglichst hohes

Mindestkapital bzw eine möglichst hohe Einlage ging wie schon bei Hammachers Rede dahin, die

Ausdehnung der Gesellschaftsform auf „wenig bemittelte Kreise“ zu erschweren und auf diese Weise die

Letzteren vor Verlusten zu bewahren; auch sollte den Gläubigern eine gewisse Sicherheit geboten werden.872

In der Schlussabstimmung entschied sich aber die Mehrheit für einen Mindestanteil von 5.000 Mark.873

Am 7.12.1888 wurde der Kommissionsentwurf dem preußischen Handelsministerium vorgelegt; 1889 folgte

noch ein weiterer privater Entwurf durch Jacob Rießer unter dem Titel „Entwurf eines Gesetzes, betreffend

die Gesellschaft mit beschränkter Haftbarkeit“, der sich an den Kommissionsentwurf anlehnte. Als

Mindesteinlage schlug Rießer einen Betrag von 3.000 Mark vor, wobei ihm aber auch möglich schien, auf

den für Aktien vorgeschriebenen Minimalbetrag von 1.000 Mark herunterzugehen.874

871

Zitiert nach Schubert, Das GmbH-Gesetz von 1892, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 15. 872

Schubert, Die Gesellschaft mit beschränkter, Quaderni Fiorentini 11/12, 1982/83, 612f mwN. 873

Schubert, Das GmbH-Gesetz von 1892, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 20. 874

Schubert, Das GmbH-Gesetz von 1892, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 21.

Page 130: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

114

5.1.7 Die deutsche Gesetzesvorlage und der Erlass des dGmbHG im Jahr 1892

5.1.7.1 Einführung und die Regelung des Mindestkapitals

Der zuständige Referent des Reichsjustizamts, Eduard Hoffmann, arbeitete bis Ende 1890 einen Entwurf mit

dem Titel „Grundzüge eines Gesetzes, betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ aus. Der

Entwurf wurde im Jänner 1891 im Reichsjustizamt beraten; zumindest die Grundstruktur dieses Entwurfs

stimmt mit der Gesetz gewordenen Fassung überein.875

Der Entwurf wurde in den späteren Beratungen

zwischen dem Reichsjustizamt und dem Reichsamt des Innern vom Juni 1891 nur unwesentlich abgeändert

und anschließend dem Kaiser zur Genehmigung vorgelegt. Nach der Billigung durch den Kaiser wurde der

Entwurf den preußischen Ministern übersandt und am 20. Oktober 1891 im Bundesrat eingebracht sowie der

Öffentlichkeit zugänglich gemacht.876

Der von Hoffmann ausgearbeitete Entwurf wich von allen bisherigen, allesamt kürzeren Entwürfen, ab877

und

war insbesondere viel weniger personalistisch ausgeprägt als der Entwurf von Oechelhäuser.878

Hoffmanns

Entwurf wurde am 5. und 6. Februar 1892 in den Ausschüssen des Bundesrates für Handel und Verkehr

sowie für Justiz beraten; die in § 5 vorgesehene Mindesthöhe des Stammkapitals in der Höhe von 20.000

Mark sowie die Mindesteinlage von 500 Mark verteidigte Hoffmann bei den Beratungen damit, dass der

Mangel einer Untergrenze unsolide Gründungen ermöglichen würde; ein zu hoher Mindestbetrag würde aber

die neue Gesellschaftsform nur für das Großkapital brauchbar machen.879

Der Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung wurde am 11. Februar

1892 vom Bundesrat verabschiedet und dem Reichstag vorgelegt;880

den im Gesetzgebungsverfahren

aufgekommenen Gedanken der Abschaffung des Stammkapitals lehnte der Entwurf ab. Vielmehr habe „in

diesen Beziehungen die Rücksicht auf die Sicherheit der Gesellschaftsgläubiger in erster Linie zu

entscheiden“.881

Eine Anlehnung an der preußischen bergrechtlichen Gewerkschaft mit ihrem

Zubußensystem ohne festes Stammkapital hielt der Entwurf aufgrund der Verschiedenartigkeit der

Unternehmungen einer GmbH für zu riskant. Vielmehr sei die „Aufbringung eines bestimmten, jedermann

kenntlichen Gesellschaftskapitals“ notwendig. Dieses Gesellschaftskapital soll „den dauernden Grundstock

des Unternehmens und zugleich ein bestimmtes Befriedigungsobjekt für die Gesellschaftsgläubiger“

darstellen.882

Auch das Mindestkapital und die Mindesteinlage iHv 20.000 Mark bzw 500 Mark wurden im Entwurf

beibehalten, „(u)m die Entstehung einer Ueberzahl unbedeutender und ungenügend fundirter

875

Schubert, Das GmbH-Gesetz von 1892, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 22. 876

Schubert, Die Gesellschaft mit beschränkter, Quaderni Fiorentini 11/12, 1982/83, 618f. 877

Schubert, Das GmbH-Gesetz von 1892, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 23. 878

Doralt, Die GmbH im 20. Jahrhundert, GesRZ 2006 Spezial „100 Jahre GmbH“, 6. 879

Schubert, Die Gesellschaft mit beschränkter, Quaderni Fiorentini 11/12, 1982/83, 620. 880

Gesetzentwurf, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Verhandlungen des Reichstags, Aktenstück

Nr. 660, 3715. 881

Gesetzentwurf, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Verhandlungen des Reichstags, Aktenstück

Nr. 660, 3729. 882

Gesetzentwurf, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Verhandlungen des Reichstags, Aktenstück

Nr. 660, 3729.

Page 131: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

115

Gesellschaftsbildungen zu verhüten, und um ein gewisses Interesse der Theilnehmer an den Schicksalen des

gemeinsamen Unternehmens zu gewährleisten“. Aus diesen Gründen erschien es dem historischen deutschen

Gesetzgeber „geboten, sowohl für das Stammkapital der Gesellschaft, als für die Einlagen der einzelnen

Gesellschafter einen Mindestbetrag gesetzlich festzulegen“.883

Für beide Beträge wollte der Gesetzgeber aber

nicht mehr fordern, „als zur Sicherung der bezeichneten Zwecke nothwendig ist“; die gewählten Beträge

erschienen dem Gesetzgeber „hierzu ausreichend“. Ein „Privilegium des Großkapitals“ wollte man aus der

neuen Gesellschaftsform jedenfalls nicht machen, daher entschied man sich für verhältnismäßig geringere

Einlagenbeträge, anstatt Vorschlägen zu folgen, die bis zu 5.000 Mark als Mindestbetrag einer Einlage

verlangten.884

Die neue Gesellschaftsform sollte daher nach dem Plan der Gesetzesverfasser allen in der Wirtschaft tätigen

Kreisen, somit auch dem unteren Mittelstand, offenstehen;885

ein fixer Betrag von 20.000 Mark als

Mindeststammkapital sollte „Zwerggesellschaften, d.h. allzu kleine Unternehmungen in Form der GmbH“

verhüten.886

Die große Mehrheit des Reichstags nahm die Vorlage ohne Detailberatung an; am 20. April 1892 wurde sie

als Gesetz betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung (dRGBl S. 477) erlassen.887

5.1.7.2 Die Analyse der gesetzgeberischen Motive bezüglich des Mindestkapitals durch Fabricius

Für Fabricius waren die zuvor erwähnten Aussagen über die Verhütung unbedeutender und ungenügend

fundierter Gesellschaften, über die Gewährleistung eines gewissen Interesses der Teilnehmer an den

Schicksalen des gemeinsamen Unternehmens und darüber, dass das Mindestkapital nicht höher sein dürfe,

als zur Sicherung der bezeichneten Zwecke notwendig sei, „ohne einen festen Bezugspunkt nichtssagend“, ja

sie lagen für ihn sogar im „nebulösen Halbdunkel“. Seiner Meinung nach war es nicht deutlich, warum etwa

eine Überzahl unbedeutender und ungenügender Gesellschaftsbildungen in den Augen des Gesetzgebers

verpönt ist oder zumindest, welche Kriterien oder Maßstäbe diesen Aussagen zugrundeliegen.888

Fabricius analysierte die Aussagen des Gesetzgebers. Das Schlagwort der „Verhinderung einer Überzahl

unbedeutender Gesellschaftsbildungen“ soll seiner Meinung nach nicht bedeuten, dass der Gesetzgeber

gegen Klein- oder Kleinstunternehmen etwas einzuwenden gehabt hätte; „(d)em Händler mit dem

Bauchladen“ sollte also „kein Stein in den Weg“ gelegt werden.889

Vielmehr waren dem Staat des

ausgehenden 19. Jahrhunderts sozialistische und gewerkschaftliche Organisationen „suspekt“, für deren

883

Gesetzentwurf, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Verhandlungen des Reichstags, Aktenstück

Nr. 660, 3734. 884

Gesetzentwurf, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Verhandlungen des Reichstags, Aktenstück

Nr. 660, 3734. 885

Schubert, Das GmbH-Gesetz von 1892, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 45. 886

So Josef Bauer, zitiert nach Schubert, Das GmbH-Gesetz von 1892, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 35. 887

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 53; Schubert, Das GmbH-Gesetz von 1892, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 29. 888

Fabricius, Das Stammkapital der GmbH – Zur Frage seiner Rechtfertigung und der Rechtfertigung seiner Höhe,

Gedanken zum Referentenentwurf eines GmbH-Gesetzes 1969, GmbHR 1970, 138. 889

Fabricius, Das Stammkapital der GmbH, GmbHR 1970, 138.

Page 132: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

116

Zusammenschluss man bis dato eine Konzession verlangte. Für die GmbH, die jedem Zweck offen stehen

sollte, „namentlich gemeinnützigen Organisationen“, war eine derartige Bewilligung gerade nicht

vorgesehen. Aus diesem Grund sollte nach dem Motto „Die gefährlichsten Vereine erscheinen oft in dem

unschuldigsten Gewand“ mittellosen Unruhestiftern mit einem hohen Einstiegsbetrag zumindest bei der

Gründung einer GmbH ein Riegel vorgeschoben werden.890

Für das Stichwort der „Verhinderung einer Überzahl ungenügend fundierter Gesellschaftsbildungen“ fand

Fabricius das zuvor erwähnte Motiv des Gesetzgebers im Entwurf von 1892, wonach eine bergrechtliche

Gewerkschaft mit ihrem „in festen Bahnen sich bewegenden Geschäftsbetriebe“ ohne Stammkapital

gegründet werden könne, aber eine GmbH aufgrund ihrer verschiedenartigen Einsatzmöglichkeiten und im

Hinblick auf die Sicherung der Gesellschaftsgläubiger ein bestimmtes (Mindest-)Stammkapital benötige.891

Fabricius fasste dies unter der Maxime zusammen: „(W)er etwas unternehmen will, benötigt Einrichtungen,

und dafür benötigt er Geld“. Zudem soll auch der Gesellschaftsgläubiger mit diesem Geld geschützt

werden.892

Dieses im Entwurf ausdrücklich verwendete Schlagwort der „Sicherheit der Gesellschaftsgläubiger“893

wurde später, wie noch zu zeigen sein wird, zu einem wichtigen Argument für das Mindestkapital; Fabricius

sieht in ihm überhaupt den in der gesellschaftsrechtlichen Literatur „allein“ (wobei er dieses Wort noch

hervorhob) tragenden Grundgedanken des Erfordernisses des Stammkapitals. Für den Gesetzgeber von 1892

war die Sicherheit der Gesellschaftsgläubiger nach Ansicht von Fabricius aufgrund der anderen

Gesichtspunkte (Verhinderung ungenügend fundierter oder unbedeutender Gesellschaften bzw

Gesellschaftsbildungen) allerdings nur zweitrangig.894

Diese Feststellung ist aber mE nur eingeschränkt

gültig: zumindest hinsichtlich der „Behandlung des Gesellschaftsvermögens“ und der Verbindlichkeiten, die

den Gesellschaftern für die Aufbringung und Erhaltung desselben aufzuerlegen sind, hat laut Entwurf von

1892, wie bereits erwähnt, „in diesen Beziehungen die Rücksicht auf die Sicherheit der

Gesellschaftsgläubiger in erster Linie zu entscheiden“.895

890

Vgl Fabricius, Das Stammkapital der GmbH, GmbHR 1970, 138f. 891

Vgl den Gesetzentwurf, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Verhandlungen des Reichstags,

Aktenstück Nr. 660, 3729. 892

Vgl Fabricius, Das Stammkapital der GmbH, GmbHR 1970, 139. 893

Gesetzentwurf, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Verhandlungen des Reichstags, Aktenstück

Nr. 660, 3729. 894

Fabricius, Das Stammkapital der GmbH, GmbHR 1970, 140. 895

Gesetzentwurf, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Verhandlungen des Reichstags, Aktenstück

Nr. 660, 3729.

Page 133: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

117

5.1.7.3 Die Regelungen der Kapitalerhaltung im Gesetz von 1892

Die Regelungen über die Kapitalerhaltung im dGmbHG von 1892 waren großteils bis zur Reform durch das

MoMiG 2008 unverändert, vor allem § 30 dGmbHG, die Bestimmung über das Auszahlungsverbot, die ihr –

strengeres – Pendant in § 82 GmbHG findet. Der „allgemeine Grundsatz“, dass das zur Erhaltung des

Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft den Gesellschaftern nicht ausgezahlt werden darf,

die Gesellschafter vielmehr einen Anspruch auf Auszahlung des aus der Jahresbilanz sich ergebenden

Reingewinn gem § 29 dGmbHG haben, war in ähnlicher Form schon im damaligen § 217 des deutschen

Aktiengesetzes zu finden.896

Das Stammkapital ist nach der Konzeption des Gesetzgebers von 1892 das „Sollvermögen“, das im

Gesellschaftsvertrag festgelegt ist „und dem das Aktivvermögen der Gesellschaft als Deckung

gegenübersteht“. Demgegenüber können die Nachschüsse, die gesellschaftsvertraglich fakultativ eingerichtet

werden können und deren komplexe Regelungstechnik in den §§ 26-28 dGmbHG schon 1892 verankert war,

an die Gesellschafter zurückgezahlt werden. Sie bilden also den „beweglichen Theil des

Gesellschaftskapitals“.897

Die Rechtsfolgen des Auszahlungsverbots, in § 31 dGmbHG normiert, sind nach der Konzeption des

Gesetzgebers von 1892 strenger als die Grundsätze, „welche das geltende Recht für andere

Gesellschaftsformen anerkennt“; so musste ein damaliger Aktionär Zinsen und Gewinn, welche er in gutem

Glauben empfangen hatte, nicht zurückzahlen. Der gutgläubige Gesellschafter einer GmbH sollte von der

Rückzahlungspflicht nur befreit sein, wenn die Rückzahlung nicht zur Befriedigung der

Gesellschaftsgläubiger notwendig ist. Diese Vorschrift sah man „trotz ihrer Strenge als gerechtfertigt“ an,

„da sie eine nothwendige Ergänzung der im Uebrigen den Gesellschaften gewährten Freiheit von

beschränkenden Kautelen bildet“.898

„Die Rücksicht auf die Integrität des Stammkapitals“ machte auch Bestimmungen über den Erwerb eigener

Geschäftsanteile in § 33 dGmbHG notwendig: nicht vollständige eingezahlte Geschäftsanteil durften von der

Gesellschaft nicht erworben werden; auch vollständige eingezahlte Geschäftsanteile durften nur erworben

werden, wenn der Erwerb aus dem über den Betrag des Stammkapitals hinaus vorhandenen Vermögen

geschehen konnte.

Das System der Kapitalerhaltung der GmbH war also letztlich, wie auch die Einrichtung des

Mindestkapitals, als Ausgleich gegenüber der sonstigen Freiheit der Gesellschafter gedacht.

896

Gesetzentwurf, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Verhandlungen des Reichstags, Aktenstück

Nr. 660, 3745. 897

Gesetzentwurf, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Verhandlungen des Reichstags, Aktenstück

Nr. 660, 3745. 898

Gesetzentwurf, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Verhandlungen des Reichstags, Aktenstück

Nr. 660, 3745.

Page 134: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

118

5.1.8 Die ersten Anwendungsjahre des dGmbHG

Die ersten Mindestbetragsgrenzen von 20.000 Mark bzw 500 Mark stellten zugleich die auch nach heutiger

Kaufkraft höchsten Hürden dar. Während heutzutage in Deutschland mit 25.000 € eine GmbH gegründet

werden kann, benötigte man damals 20.000 Mark, dies würde heute einem Betrag von über 120.000 €

entsprechen; die Mindesteinlage von 500 Mark entspräche einem Betrag von mehr als 3.000 €, während die

Verpflichtung zur Einzahlung einer Mindesteinlage mit dem MoMiG überhaupt wegfällt. Auch wenn man

daher für 20.000 Mark noch keine „relativ noble Villa“ kaufen konnte (und für den Betrag von 50.000 DM

im Jahre 1980 höchstens eine sehr „kleine Eigentumswohnung“), wie dies Priester vergleichsweise

darstellte,899

so zeigen diese Vergleiche aber doch sehr anschaulich, dass die Beträge des Jahres 1892 eine

„wesentlich höhere Hürde“ für die Gründung einer GmbH darstellten als die heutigen Beträge.900

Dennoch entwickelte sich die Anwendung der neuen Gesellschaftsform auch in den ersten Jahren ihres

Bestehens, im „goldenen Zeitalter der deutschen Wirtschaft“ von den 1890er Jahren bis zum ersten

Weltkrieg,901

ganz im Sinne ihrer geistigen Väter: bereits 1893 überstieg die Zahl der GmbH-Gründungen

jener der Aktiengesellschaftsgründungen; bis April 1902 waren 6.200 Gesellschaften gegründet worden.902

Darüber hinaus war für die ersten Jahre des Bestehens der GmbH bemerkenswert, dass die

Gesellschaftsgründer oftmals deutlich höhere Beträge einzahlten, als gefordert war; Priester führt hierbei

einige Judikatur-Beispiele von 400.000 Mark bis 2.500.000 Mark Stammkapital an.903

Bekanntermaßen

dominiert heutzutage demgegenüber eine Stammkapitalziffer in Höhe des Mindestbetrags die Praxis in

Deutschland wie auch in Österreich.904

899

Priester, Kapitalaufbringung, in: Lutter/Ulmer/Zöllner (Hrsg.), Festschrift 100 Jahre GmbH-Gesetz, Dr. Otto

Schmidt Verlag, Köln 1992, 161. 900

Thiessen, Transfer von GmbH-Recht im 20. Jahrhundert, 454. 901

Wesel, Geschichte des Rechts, Von den Frühformen bis zur Gegenwart, 3. Auflage, C.H.Beck Verlag, Berlin 2006,

426. 902

23 % der Gesamtgründungen, also 1.455 Gesellschafen, waren durch Konkurs, Liquidation, Ablauf der Dauer oder

Übergang zu anderen Gesellschaftsformen jedoch wieder eingegangen, s Schubert, Das GmbH-Gesetz von 1892, FS

100 Jahre GmbH-Gesetz, 30f, 36. 903

Priester, Kapitalaufbringung, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 161 FN 8. 904

Priester, Kapitalaufbringung, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 161 mwN.

Page 135: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

119

5.2 Die Entwicklung in Österreich

5.2.1 Erste Initiativen in Österreich

Angespornt durch die Erfolge der GmbH in Deutschland, versuchte man in den 90er Jahren des 19.

Jahrhunderts auch in Österreich-Ungarn, die Einführung einer neuen Gesellschaftsform voranzutreiben. Die

Handelskammer Eger in Böhmen (heutiges Cheb in Tschechien) artikulierte hierbei in ihrem Brief vom 17.

Juni 1897 das erste Mal den an den Justizminister gerichteten Wunsch, nach dem Vorbild des deutschen

GmbHG einen Entwurf für eine neue Gesellschaftsform auszuarbeiten.905

Der Hintergrundgedanke war in

Österreich die Aufgabe des trägen Konzessionssystems, während die Aktiengesellschaft nach damaliger

Gesetzeslage im Gegensatz zur deutschen höchst flexibel ausgestaltet war, wenn man die lange Wartezeit

und die am deutschen Aktienrecht angelehnten Regeln für die Erteilung der Konzession in Kauf nahm.

Neben der Aktiengesellschaft existierte auch noch eine weitere Gesellschaftsform mit beschränkter Haftung,

der „Wirtschaftsverein“ nach dem Vereinspatent 1852, der aber ebenfalls unter das schwerfällige

Konzessionssystem fiel.906

Überhaupt wollte man mit der neuen Rechtsform eine „Aktiengesellschaft ohne

Aktien“, bzw eine „Kommanditgesellschaft ohne persönlich haftenden Gesellschafter“ schaffen.907

Hierbei war von vornherein klar, dass man sich bei der Ausbearbeitung eines Entwurfs in der Grundstruktur

am deutschen GmbH-Recht orientieren würde, somit den Gesellschaftsgründern eine weitgehende Freiheit

der inneren Organisation einräumen würde,908

ohne jedoch dabei die Mängel des deutschen GmbH-Gesetzes

zu übernehmen (etwa das völlige Fehlen einer Kontrolle über die Werthaltigkeit von Sacheinlagen).909

Bestimmte Grenzen der Freiheit der Gesellschafter sollten also eingehalten werden, „um eine

Benachteiligung der Gläubiger durch illegitime Umtriebe oder selbst nur durch eine allzu leichtfertige

Geschäftsgebarung … zu verhüten“.910

Dieser Meinung war auch der deutsche Reichsgerichtsrat Ernst Neukamp, der 1898 anlässlich eines Vortrags

in Wien die Einführung einer neuen Rechtsform auch in Österreich-Ungarn befürwortete; zur gleichen Zeit

begann bereits das Justizministerium unter dem Sektionschef und späteren Justizminister Franz Klein mit

den Vorarbeiten für den Entwurf.911

905

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 54. 906

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 55f. 907

Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 236 d.B. (XVII. Session, 1901-1907), 50. 908

Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 236 d.B. (XVII. Session, 1901-1907), 52. 909

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 57. 910

Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 236 d.B. (XVII. Session, 1901-1907), 52. 911

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 57.

Page 136: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

120

5.2.2 Die legistische Arbeit im Justizministerium bis zum Inkrafttreten des GmbH-Gesetzes

Die damalige legistische Arbeit zum Entwurf des GmbH-Gesetzes begann mit der Erhebung von Umfragen

an die Handelskammern; Ende 1899 wurden dem Justizministerium 25 Gutachten übermittelt, die sich bis

auf jenes der Handelskammer Linz für die Einführung einer neuen Gesellschaftsform aussprachen; hierbei

sollte das deutsche Gesetz so weit als möglich übernommen werden, wobei allenfalls für die Höhe des

Mindestkapitals und der Mindesteinlage Abänderungsvorschläge gemacht wurden.912

Die Notwendigkeit

eines Mindestkapitals an sich wurde von der Handelskammer Olmütz bezweifelt, da nach deren Ansicht etwa

das englische Gesellschaftsrecht (schon damals) gut ohne ein Mindestkapital auskam.913

Hinsichtlich der

Höhe waren zwar viele Handelskammern für eine Anlehnung am deutschen Betrag von 20.000 Mark; die

Kammer in Prag war aber für einen Mindestbetrag von 50.000 Kronen, jene in Pilsen und Lemberg waren für

ein Mindestkapital von 10.000 Kronen.914

Bereits der erste Entwurf zum GmbH-Gesetz lehnte sich eng „an die Prinzipien des Deutschen

Reichsgesetzes“ an;915

die Ausarbeitung oblag dem Referenten August von Pitreich; Sektionschef Franz

Klein war im Gesetzwerdungsprozess aktiv beteiligt.916

Der erste Entwurf wurde am 31. Juli 1900 vorgelegt

und mit den Vertretern anderer Ministerien beraten; die umgearbeitete Fassung des Entwurfs wurde im

Dezember 1900 fertiggestellt und dem Ministerrat vorgelegt. Der Gesetzesentwurf wurde in den Folgejahren

mehrfach überarbeitet und entfernte sich durch Detailregelungen immer weiter vom deutschen Pendant, ohne

jedoch dessen Grundstruktur anzutasten.917

Während der Arbeiten zum GmbHG kam auch immer wieder die

Diskussion um die Mindesthöhe des Stammkapitals auf; dass eine solche gefordert werden musste, davon

waren die Verfasser des GmbH-Gesetzes überzeugt, da man unter einer gewissen Grenze kein ernsthaftes

und hinreichendes Interesse der Teilnehmer an der Gesellschaft erwartete und das Mindestkapital auch als

Ausgleich zur beschränkten Haftung sah, mit dem Hintergedanken, die Gesellschafter mit der Einlage eines

gewissen eigenen Kapitals einen spürbaren Anteil am Unternehmerrisiko tragen zu lassen.918

Hinsichtlich der

Höhe konnte sich Pitreich mit seinem Vorschlag von nur 5.000 Kronen als Mindestkapital nicht durchsetzen;

ebensowenig fand der Vorschlag Anklang, den Mindestbetrag des Stammkapitals nach der Einwohnerzahl

des Ortes des Gesellschaftssitzes zu differenzieren, um die GmbH auch für ärmere Regionen attraktiv zu

machen.919

Im November 1904 wurde schließlich der Entwurf im Herrenhaus eingebracht und in einer

Spezialkommission unter dem Vorsitz des Wiener Universitätsprofessors Carl Grünhut beraten. Die

abgeänderte Fassung wurde an das Abgeordnetenhaus weitergeleitet, das sich im Februar 1906 mit dem

912

Die Handelskammer Linz war gegen die Einführung der GmbH, da ihrer Meinung nach das Genossenschaftsgesetz

von 1873 einen genügenden Spielraum ließe; s Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 58. 913

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 85 FN 442. 914

Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 236 d.B. (XVII. Session, 1901-1907), 58. 915

So zur Ausgestaltung auch der Regierungsvorlage s Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 236 d.B. (XVII. Session,

1901-1907), 54. 916

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 60. 917

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 62; Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 236 d.B. (XVII. Session, 1901-1907), 54. 918

Vgl Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 84f. 919

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 84.

Page 137: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

121

Gesetzesentwurf befasste; am 15. März 1906 wurde das GmbH-Gesetz als RGBl Nr. 58/1906 kundgemacht

und trat am 15. Juni 1906 in Kraft.

5.2.3 Das Mindestkapital nach dem Verständnis des Regierungsentwurfes des GmbHG

Die GmbH war als liberaler Mittelweg zwischen den bestehenden Gesellschaftsformen – vor allem KG, AG

und Genossenschaft – angedacht, aus diesem Grund brauchte man auch ein Instrument, um den Entfall der

persönlichen Haftung (wie bei der KG bzw subsidiär auch bei der Genossenschaft) zu kompensieren. Daher

bedurfte es nach dem Verständnis des historischen Gesetzgebers laut den Erläuternden Bemerkungen zu den

§§ 6 und 7 GmbHG einer anderen Vermögensgrundlage, da „bei der Kommanditgesellschaft die Kreditbasis

hauptsächlich in der persönlichen Haftung eines oder mehrerer Gesellschafter“ lag, und „bei der

Genossenschaft „als wirtschaftliche Grundlage die Interessengemeinschaft der Teilnehmer und deren über

ihre Einlage hinausreichende subsidiäre Haftung“ diente.920

Die weiteren Motive sind ähnlicher Natur wie jene des deutschen Gesetzgebers von 1892: da die neue

Gesellschaftsform „den verschiedenartigsten, nicht einmal notwendig an dauernde Betriebsanlagen irgend

welcher Art gebundenen Unternehmungen dienen soll“, kann diese andere Vermögensgrundlage in den

Augen des Gesetzgebers von 1906 „nur in einem ziffermäßig bestimmten, daher für jedermann erkennbaren

Stammkapital gefunden werden, das den dauernden Grundstock des Unternehmens und zugleich insofern ein

sicheres Befriedigungsobjekt für die Gläubiger zu bilden hat, als es einer Vermögensverminderung durch

Zahlung an die Gesellschafter Schranken setzt“.921

Der Regierungsentwurf übernimmt in der weiteren Darlegung seiner Motive auch die Schlagwörter des

deutschen Pendants von 1892: da man sich nicht mit einem bloßen Stammkapital begnügen kann, benötigt

die GmbH nach Ansicht des Gesetzgebers von 1906 einen gewissen Mindestbetrag für dieses Stammkapital,

zumal unter einer bestimmten Grenze „das Bedürfnis nach Kapitalsassoziation überhaupt nicht mehr

anerkannt werden“ kann; „es würde wirtschaftlich nicht nur kein Vorteil, sondern ein nicht abzuleugnender

Nachteil sein, wenn eine Überzahl unbedeutender und ungenügend fundierter Gesellschaften entstehen

würde, die den Keim des Untergangs von Anfang an in sich tragen und bei denen ein hinreichendes Interesse

der Teilnehmer an dem Unternehmen nicht wacherhalten werden kann“. Es darf aber, so der Gesetzgeber,

nicht mehr gefordert werden, als „zur Verhütung dieses Nachtheils“ unbedingt erforderlich ist; eine neue

Gesellschaftsform für das Großkapital wollte man ausdrücklich nicht. Da in Deutschland im Jahr 1898 nur

182 von 1839 Gesellschaften ein Stammkapital von exakt 20.000 Mark hatten und somit die Wahl des

geringstmöglichen Betrages für das Stammkapital damals, wie oben bereits erwähnt, nicht sehr beliebt war,

wollte man sich auch in Österreich-Ungarn nicht allzuweit „von der in Deutschland aufgestellten Grenze“

des Stammkapitals entfernen.922

Einen zu großen Betrag wollte man daher aufgrund der Zielgruppe der

920

Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 236 d.B. (XVII. Session, 1901-1907), 57. 921

Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 236 d.B. (XVII. Session, 1901-1907), 57f. 922

Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 236 d.B. (XVII. Session, 1901-1907), 58.

Page 138: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

122

Klein- und Mittelunternehmen ebensowenig wie einen zu kleinen Betrag aufgrund des Gedankens, dass ein

mit einem zu kleinen Mindestkapital ausgestattetes Unternehmen „sich nicht oft zu einem gesellschaftlichen

Betriebe mit ordnungsmäßiger Buchführung eignen wird“; gerade in der ordnungsmäßigen Buchführung sah

man aber „mangels anderer Sicherungsmaßregeln für solide Geschäftsgebarung“ eine erhöhte Bedeutung.

20.000 Kronen waren daher für den Gesetzgeber des Jahres 1906 die „richtigste Grenze, unter der ein

Bedürfnis nach Assoziation in Form der Gesellschaft mit beschränkter Haftung im allgemeinen auch hier

nicht zu erwarten sein wird“.923

Das Mindestkapital der österreichischen GmbH wurde daher 1906 in § 6 GmbHG mit 20.000 Kronen

festgelegt, was nach heutiger Kaufkraft einem Betrag von etwa 100.000 € entspricht;924

die Mindesteinlage

wurde mit 500 Kronen (heute etwa 2.290 €)925

normiert.

5.2.4 Die Regeln der Kapitalerhaltung im Regierungsentwurf des GmbHG

Im Gegensatz zu den deutschen Gesetzesverfassern, die in § 30 dGmbHG eine besondere Bestimmung, dass

die Stammeinlagen als solche nicht zurückgezahlt werden dürfen, für nicht erforderlich ansahen,926

gestalteten die österreichischen Gesetzesverfasser gerade diese Regel als Grundsatz der Kapitalerhaltung aus:

das Stammkapital als „der dauernde Grundstock der Gesellschaft und das einzige dem Zugriffe der

Gläubiger freigegebene Befriedigungsobjekt“ darf durch Zahlungen an die Gesellschafter nicht geschmälert

werden; darin inbegriffen ist das Verbot der Auszahlung einzelner Stammeinlagen,927

welches zunächst in §

75 des Regierungsentwurfs und später in § 82 GmbHG normiert wurde.

Wird das „Betriebskapital in einer vom Gesetze als unzulässig bezeichneten Weise geschmälert“, so soll

nach dem Willen des historischen Gesetzgebers von 1906 ein „System strengster und ausgedehntester

Haftung aufgestellt werden als Kompensation für die Befreiung der neuen Gesellschaftsform von den

beengenden Formalvorschriften, denen die Aktiengesellschaft unterworfen werden muß.“ Auch aus Gründen

des Gläubigerschutzes wurden die Rechtsfolgen des Auszahlungsverbots zunächst in § 76 des

Regierungsentwurfs, dann in § 83 GmbHG streng ausgestaltet.928

Die Ausnahme des gutgläubigen Erwerbs

wurde zugunsten des Gutgläubigen milder als die deutsche Regelung gestaltet: wer im guten Glauben etwas

als Gewinnanteil bezogen hat, bleibt „von jeder Haftung hiefür befreit“.929

Auch wurde die subsidiäre

Haftung abweichend vom deutschen Gesetz geregelt: ist in § 31 dGmbHG eine Haftung der Gesellschafter

bereits gegeben, wenn sie vom Empfänger nicht zu erlangen ist, so tritt nach § 83 Abs 2 des österreichischen

GmbHG die Haftung der Gesellschafter erst nach Erschöpfung der Haftung der Geschäftsführer ein. Auf die

923

Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 236 d.B. (XVII. Session, 1901-1907), 58. 924

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 84. 925

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 84 FN 434. 926

Gesetzentwurf, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Verhandlungen des Reichstags, Aktenstück

Nr. 660, 3745. 927

Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 236 d.B. (XVII. Session, 1901-1907), 88. 928

Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 236 d.B. (XVII. Session, 1901-1907), 88f. 929

Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 236 d.B. (XVII. Session, 1901-1907), 89.

Page 139: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

123

subsidiäre Haftung der Gesellschafter konnte aber letztlich nicht verzichtet werden, „wenn anders den neuen

Gesellschaften die Freiheit von anderweitigen beschränkenden Kautelen gewährt werden soll.“930

Die

Kommission des Herrenhauses schränkte die Norm noch weiter ein und fügten in § 83 Abs 2 leg cit den

Nebensatz „insoweit durch die Zahlung das Stammkapital vermindert ist“ ein. So gilt die „ohnedies

drückende Garantiepflicht“ der Gesellschafter nur, wenn durch die rechtswidrige Zahlung das Stammkapital

vermindert worden ist.931

§ 74 des Regierungsentwurfs bzw § 81 GmbHG sieht bis heute das Verbot des Erwerbs oder der Pfandnahme

eigener Geschäftsanteile durch die Gesellschaft bei sonstiger Wirkungslosigkeit vor. Eine GmbH, die

zugleich ihr eigener Gesellschafter ist, stellte nach Ansicht der Gesetzesverfasser, wie erwähnt, eine

„juristisch widersinnige Erscheinung“ dar; außerdem sei es „vom praktischen Standpunkte aus ungesund …,

wenn die Gesellschaft einen eigenen Geschäftsanteil besitzt, weil dies einer Herabsetzung des Stammkapitals

gleichkommt“, ohne dass die Regeln hierfür anwendbar wären.932

Sah der Regierungsentwurf noch ein

ausnahmsloses Verbot vor, so war im Bericht der Kommission des Herrenhauses die Ausnahme hinzugefügt

worden, dass der Erwerb im Exekutionswege zur Hereinbringung eigener Forderungen der Gesellschaft

zulässig ist.933

Die in §§ 66-68 des Regierungsentwurfs vorgesehenen Regelungen über die Nachschüsse, die noch heute in

§§ 72-74 GmbHG unverändert in Geltung sind, schuf der Gesetzgeber in Anlehnung an das dGmbHG aus

dem Bedürfnis heraus, „das Betriebskapital durch nachträgliche Einzahlungen der Gesellschafter erhöhen zu

können“, die der Vergrößerung des Unternehmens dienen sollen. Der Gläubigerschutz ist diesbezüglich

nachrangig; vorrangig ist das Interesse der Gesellschaft, sodass die Nachschüsse auch wieder zurückgezahlt

werden können.934

Eine unbeschränkte Nachschusspflicht wie das deutsche Vorbild sieht das GmbHG jedoch

nicht vor, da dadurch „die ökonomische Abhängigkeit der Gesellschafter von der Gesellschaft ins

Ungemessene gesteigert und der Vorteil der beschränkten Haftung damit wenigstens nach einer Seite hin

vollständig illusorisch gemacht“ würde.935

Aus diesem Grund ist nur die Einräumung einer beschränkten

Nachschusspflicht zulässig.

930

Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 236 d.B. (XVII. Session, 1901-1907), 89. 931

Bericht der Kommission des Herrenhauses zur Vorberatung der Gesetzesvorlage über Gesellschaften mit

beschränkter Haftung, 272 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Herrenhauses (XVII. Session,

1901-1907), 2f. 932

Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 236 d.B. (XVII. Session, 1901-1907), 87. 933

Bericht der Kommission, 272 d.B. (XVII. Session, 1901-1907), 59. 934

Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 236 d.B. (XVII. Session, 1901-1907), 81. 935

Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 236 d.B. (XVII. Session, 1901-1907), 82.

Page 140: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

124

5.3 Die Situation in Österreich und Deutschland bis in die 1920er Jahre

Die Entwicklung der GmbH in ihren Anfangsjahren in der Monarchie bis 1918 ist im Gegensatz zur späteren

langen Periode von 1918 bis Anfang der 90er Jahre noch ausführlich dokumentiert.936

Bereits innerhalb der

ersten 5 Jahre waren 1473 GmbHs mit nominellen 372 Millionen Kronen und eingezahlten 329 Millionen

Kronen Stammkapital tätig; die neue Rechtsform überholte bereits 1909 anzahlmäßig die

Aktiengesellschaft.937

In Deutschland war der Erfolg der GmbH zwar ähnlich, aber doch sah man das österreichische Gesetz in

vielen Punkten als eine Verbesserung zum deutschen Pendant an.938

Eine Erhöhung des Mindestkapitals der

deutschen GmbH wurde daher als stärkende Maßnahme für den Gläubigerschutz diskutiert.939

Nach dem Ende der Monarchie verlief die positive Aufnahme der GmbH in der Praxis in Österreich und

Deutschland anfangs weiter. Noch 1921 wurden 1696 neue Gesellschaften in Österreich gegründet, nicht

zuletzt aufgrund der hohen Inflation zu Beginn der 1920er Jahre, die anfangs noch die Aufbringung des

Mindestkapitals deutlich erleichterte.940

Als die Inflation jedoch außer Kontrolle geriet und die Wirtschaft ins

Wanken brachte, brach auch die Gründungswelle bei den GmbHs ab – waren 1923 noch 6176 GmbHs in

Österreich erfasst, so waren es 1929 nur noch 1404 GmbHs.941

5.4 Die Novellen von 1921 (Österreich) und 1922 (Deutschland)

Zunächst, Anfang der 1920er Jahre, war jedoch der gegenteilige Trend – eine übermäßige Zahl an GmbH-

Gründungen – aufgrund der hohen Inflation und der daraus resultierenden leichten Aufbringung des

Mindestbetrags erkennbar. In Österreich und Deutschland begannen daher damals in beiden Staaten

Bestrebungen, das Mindestkapital der GmbH deutlich zu erhöhen; das österreichische Finanzministerium

etwa wollte ursprünglich eine Erhöhung des Mindestkapitals auf 2 Millionen Kronen, was kaufkraftmäßig

etwa dem 1,3fachen des Betrags von 1906 entsprach.942

Letztlich wurde in Österreich mit Bundesgesetz vom

20. Oktober 1921, der ersten GmbHG-Novelle,943

der Betrag des Mindeststammkapitals bzw der

Mindeststammeinlage von 20.000 bzw 500 Kronen auf 500.000 bzw 10.000 Kronen erhöht. Zum Zeitpunkt

des Inkrafttretens der Novelle dürfte dieser Betrag dem Drittel des ursprünglichen Werts entsprochen

haben.944

Die Materialien zur Novelle führen aus, dass „angesichts der Geldentwertung“ die einstigen

Grenzbeträge „den tatsächlichen Verhältnissen“ nicht mehr entsprachen „und daher auch die ihnen vom

936

S dazu in Kapitel 2.1.3 sowie Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 120. 937

S die Auflistung bei Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 120f. 938

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 130. 939

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 127f. 940

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 140. 941

Zu den Zahlen s Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 122. 942

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 140f. 943

BGBl Nr. 577/1921. 944

Vgl Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 141 mwN.

Page 141: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

125

Gesetze zugedachten Funktionen nicht mehr erfüllen“ konnten.945

Die Erhöhung der Beträge war „umso

notwendiger, als die Zahl der Neugründungen in bedenklichem Maße“ zunahm – „sie betrug im Jahre 1919

ungefähr 1000, stieg im Jahre 1920 auf 1450 und belief sich schon im ersten Viertel des Jahres 1921 auf

520“; die Gefahr von übermäßigen GmbH-Gründungen aus dem Zweck der Einschränkung des

unternehmerischen Risikos auf einen „kaum mehr nennenswerten Betrag“ war daher für den Gesetzgeber

Anlass genug, die Beträge zu erhöhen. Eine Erhöhung auf 1 Million Kronen schien dem Gesetzgeber für

kleinere GmbH-Gründungen hinderlich.946

Eine zu geringe Erhöhung des Mindestkapitals hätte „womöglich

ihren Zweck verfehlen“ können; von einer Rückwirkung des Gesetzes auf die bestehenden GmbHs wurde

abgesehen, da man ausdrücklich nur die „bloß zur Ausnützung der Konjunktur der Nachkriegszeit

errichteten“ Gesellschaften treffen und nicht auch in die wohlerworbenen Rechte der alten Gesellschaften

eingreifen wollte.947

Auch in Deutschland vermeldete man Zusammenbrüche der Statistiken aufgrund der ausufernden GmbH-

Gründungen, sodass Ende 1922 mit dem Gesetz zur Änderung des dGmbHG948

das Mindestkapital der

GmbH auf 500.000 Mark und die Mindesteinlage auf 10.000 Mark angehoben wurde. 1923 folgte der

deutsche Gesetzgeber mit der ersten Mindestkapitalregelung im Aktienrecht (5 Millionen Mark);949

doch

spielten mittlerweile selbst diese Kapitalbeträge für die Gründung einer GmbH überhaupt keine Rolle mehr,

wenn man sie mit dem Preis für ein Brot – eine Milliarde Mark oder mehr – verglich.950

Die Novellen zum

dGmbHG und dAktG waren daher aufgrund der fortschreitenden Inflation bald überholt; auch wurde der

Betrag von 500.000 Mark nicht der Geldentwertung entsprechend festgesetzt, da die Kapitalkraft der kleinen

und mittleren Unternehmungen, die die Rechtsform der GmbH gewählt haben, vielfach hinter der

Geldentwertung zurückgeblieben ist.951

945

Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Bundesgesetz 1921 wegen Änderung des GmbH-Gesetzes, 398 der

Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrats der Republik Österreich, III. Session, 1921, 3. 946

Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 398 d.B. (III. Session, 1921), 3. 947

Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 398 d.B. (III. Session, 1921), 4. 948

dRGBl I 1923 S. 22. 949

Thiessen, Transfer von GmbH-Recht im 20. Jahrhundert, 462. 950

Thiessen, Transfer von GmbH-Recht im 20. Jahrhundert, 462f. 951

Schubert, Entwurf des Reichsjustizministeriums zu einem Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung von

1939, Abhandlungen aus dem gesamten Bürgerlichen Recht, Handelsrecht und Wirtschaftsrecht, ZHR-Beiheft 58,

Verlagsgesellschaft Recht und Wirtschaft mbH, Heidelberg 1985, 20.

Page 142: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

126

5.5 Die weitere Entwicklung bis 1938 in Österreich und Deutschland

Im Zuge der weiteren Inflation, die erst im Oktober 1922 zum Stillstand kam,952

sah der österreichische

Gesetzgeber die „dringende Notwendigkeit“ einer neuerlichen Erhöhung der Mindestkapital- und –einlagen-

Beträge gegeben.953

Mit einem „heute kaum nennenswerten Risiko“ von 500.000 Kronen konnte man „die

gewagtesten Geschäfte“ abschließen, was „geradezu einen Anreiz zu unsoliden Gründungen“ bildete. Die

Wiener Handelskammer schlug daher eine Erhöhung des Betrags auf das 200fache, somit auf 100 Millionen

Kronen, vor. 954

Letztlich wurde mit Bundesgesetz vom 4. Juli 1924955

das Mindestkapital auf 200 Millionen

Kronen und die Mindesteinlage auf 5 Millionen Kronen erhöht. Selbst mit diesen Beträgen konnte die

Geldentwertung nicht vollständig berücksichtigt werden, weil es „im Hinblick auf unsere Kapitalsverarmung

nicht möglich“ war, „verläßlich zu bestimmen, welcher Betrag heute im Verhältnisse zu dem der

Volkswirtschaft überhaupt zur Verfügung stehenden Kapital einem Betrage von 20.000 Friedenskronen

gleichkommt“.956

So entschied man sich auf eine Erhöhung der ursprünglichen Beträge von 1906 auf das

10.000fache.

In der Zwischenzeit stabilisierte Deutschland 1923 bzw 1924 seine Währung durch die Einführung der

Rentenmark bzw Reichsmark.957

Österreich zog 1925 nach, mit der Umstellung der einstigen

„Friedenskrone“, die längst zur instabilen Inflationskrone wurde, auf die neue Schillingwährung. Im

Goldbilanzengesetz von 1925958

wurde in § 3 Abs 1 leg cit das Stammkapital für Gesellschaften mit

beschränkter Haftung auf den Mindestbetrag von 10.000 Schilling festgesetzt; dieser Wert entspricht nach

heutiger Kaufkraft € 25.000.959

Bei neu gegründeten Gesellschaften konnte nach § 3 Abs 2 leg cit dieser

Betrag um ein Fünftel unterschritten werden, wenn gleichzeitig das restliche Fünftel als

„Kapitalentwertungskonto“ unter die Aktiven der neu zu erstellenden Golderöffnungsbilanz eingestellt

wurde. Dieses Konto musste allerdings innerhalb der ersten drei Geschäftsjahre nach der Erstellung der

neuen Bilanz mit dem Reingewinn ausgeglichen werden. Ansonsten durfte keine Dividende ausbezahlt

werden. Strenge Vorschriften kannte zudem die II. Goldbilanzennovelle von 1927960

für die Umstellung der

Gesellschaftsverträge: wurde das Stammkapital bis 1.1.1929 nicht an die neuen Regelungen angepasst, so

waren die Gesellschaften von Gesetzes wegen aufgelöst.961

Ende 1923962

und 1926963

erfolgten in Deutschland zwei Anpassungen an die Währungsumstellung: während

zunächst noch ein Betrag von 5.000 Goldmark bzw 50 Goldmark für Mindestkapital bzw –einlage einer

952

Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Bundesgesetz 1924 wegen Änderung des GmbH-Gesetzes, 93 der

Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrats der Republik Österreich, IV. Session, 1924, 2. 953

Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 93 d.B. (IV. Session, 1924), 2. 954

Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 93 d.B. (IV. Session, 1924), 3. 955

BGBl Nr. 246/1924. 956

Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 93 d.B. (IV. Session, 1924), 4. 957

Thiessen, Transfer von GmbH-Recht im 20. Jahrhundert, 463. 958

BGBl Nr. 184/1925. 959

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 147. 960

BGBl 241/1927. 961

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 147. 962

dRGBl I 1923, S. 1253 (Verordnung über Goldbilanzen) 963

dRGBl I 1926, S. 315 (GmbHG-Novelle).

Page 143: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

127

deutschen GmbH (bzw 500 Goldmark als Mindestkapital bei einer bestehenden GmbH)964

vorgesehen

wurde, war 1926 ein Betrag von 20.000 Reichsmark bzw 500 Reichsmark für Mindestkapital bzw –einlage

normiert. Damit wollte der Gesetzgeber auch gegen übermäßige Käufe von Gesellschaftsmänteln

vorgehen.965

Diese Beträge blieben bis 1980 bestehen.966

In der Zeit der Weimarer Republik stockte die Diskussion rund um eine Reform der deutschen GmbH;967

vor

allem nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland 1933 wurden Rufe nach einer

Abschaffung der Rechtsform GmbH laut, da sie die „bevorzugte Rechtsform für Schwindelgründungen,

Verschiebebahnhöfe, Dachgesellschaften, waghalsige Spekulationsunternehmungen, kurz der Deckmantel

zum Konkursbetrug“ sei.968

Die Frage war also nicht, inwiefern das dGmbHG reformiert werden soll,

sondern ob die dGmbH überhaupt bestehen bleiben soll.969

Letztlich lehnte der eigens eingerichtete „GmbH-

Ausschuss der Akademie für deutsches Recht“ eine Abschaffung der GmbH aufgrund ihrer wirtschaftlichen

Unentbehrlichkeit und aufgrund der Verwendung der Rechtsform in staatlichen Rüstungsbetrieben ab.970

Dennoch sollte die GmbH im Sinne des Gläubigerschutzes tiefgreifend umgestaltet werden: neben einer

Diskussion um eine gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter für die Aufbringung des

Stammkapitals verblieb man beim Mindestkapital von 20.000 Reichsmark, wenn auch etwa von Seiten der

Centrale für GmbH eine Herabsetzung des Mindestkapitals auf 10.000 Reichsmark bei gleichzeitiger Pflicht

zur Volleinzahlung, also der Einzahlung des gesamten geforderten Betrags in der Gründungsphase,

vorgeschlagen wurde;971

die Einführung einer Höchstgrenze wurde diskutiert, aber letztlich verworfen, da

man die GmbH für Großunternehmen, insb Rüstungszwecke, erhalten wollte.972

964

Schubert, Entwurf 1939, 20. 965

Thiessen, Transfer von GmbH-Recht im 20. Jahrhundert, 463. 966

Schubert, Entwurf 1939, 22. 967

Fleischer, 100 Jahre GmbH-Reform und 100 Jahre GmbH-Rundschau, GmbHR 2009, 3. 968

Werner Bachmann 1935, zitiert nach Thiessen, Transfer von GmbH-Recht im 20. Jahrhundert, 470. 969

„Die Zeichen der Zeit schienen daher auf eine Abschaffung der GmbH hinzudeuten“: Fleischer, 100 Jahre GmbH-

Reform und 100 Jahre GmbH-Rundschau, GmbHR 2009, 4. 970

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 162f. 971

Fleischer, 100 Jahre GmbH-Reform und 100 Jahre GmbH-Rundschau, GmbHR 2009, 5. 972

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 165.

Page 144: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

128

5.6 Die Entwicklung in den Jahren 1938-1945

Nach dem Einmarsch der nationalsozialistischen Truppen in Österreich am 12. März 1938 blieb zwar das

GmbHG als solches bestehen;973

es wurde aber mit Verordnung vom 2. August 1938974

die Finanzstruktur

der österreichischen GmbH an das dGmbHG angepasst: für neu zu errichtende GmbHs wurde in § 27 der

Verordnung ein Mindestkapital von 20.000 Reichsmark und eine Mindesteinlage von 500 Reichsmark

vorgeschrieben; in § 9 Abs 2 leg cit wurde für bestehende GmbHs ein Stammkapital von zumindest 5000

Reichsmark festgelegt.

Im Juli 1939 stellte das Reichsministerium für Justiz einen GmbH-Gesetzesentwurf unter Beteiligung des

erwähnten „GmbH-Ausschusses der Akademie für deutsches Recht“ fertig, der jedoch wegen des Krieges

nicht weiter verfolgt wurde;975

Vorbild des Entwurfes war das Aktiengesetz 1937, personalistische

Einschläge flossen aber in den Entwurf ein.976

Der Entwurf diente als Vorbild für einen weiteren, nicht

umgesetzten Referentenentwurf aus dem Jahr 1969; einzelne Regelungen des Entwurfs von 1939 fanden

jedoch Eingang in die deutsche wie auch österreichische GmbH-Novelle 1980.977

Noch heute gilt der

Entwurf von 1939 als eine „beachtliche gesetzgeberische Leistung“, wenn man zudem bedenkt, dass die

GmbH für die nationalsozialistische Ideologie als eine „artfremde Gesellschaftsform“ galt, da sie die Risiken

des Unternehmers auf die kleineren Gläubiger abwälze.978

Auch im Entwurf von 1939 wurde der Betrag des Mindeststammkapitals auf 20.000 Reichsmark und jener

der Mindesteinlage auf 500 Reichsmark festgelegt (§ 6 des Entwurfs), „in Übereinstimmung mit der

ursprünglichen Fassung des Gesetzes und der seit dem Gesetz vom 28. Juni 1926 für Neugründung geltenden

Regelung“.979

Von einer Erhöhung der Beträge sah der Entwurf also ab; „wirtschaftlich gesehen“ gelangte er

jedoch zu einem ähnlichen Ergebnis, da er die Volleinzahlung der Stammanteile (§§ 16f des Entwurfs)

anstatt der Einzahlung eines Viertels bei der Gründung vorschrieb.

Hinsichtlich der Regelungen der Kapitalerhaltung, die seit 1892 unverändert in Geltung waren, sah der

Entwurf eine Streichung der Nachschussregelungen mangels Praxisrelevanz vor;980

der Erwerb eigener

Anteile (§ 34 des Entwurfs) ähnelte der entsprechenden Vorschrift des dAktG 1937: ein entgeltlicher Erwerb

wurde nur zur Abwendung schweren Schadens und nur aus dem über das Stammkapital hinaus vorhandenen

Vermögen als zulässig angesehen.981

Auch bei der Regelung der Einlagenrückgewähr orientierte sich der Entwurf am dAktG und schlug einen

strengeren Weg ein: gem § 32 des Entwurfs von 1939 war jede Rückgewähr der Einlagen an die

Gesellschafter, mit den Ausnahmen der Zahlung des Erwerbspreises beim zulässigen Erwerb eigener

973

Zu den Gründen s Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 178. 974

Reichsmarkeröffnungsbilanzen- bzw Umstellungsverordnung, dRGBl I 1938, S. 982. 975

Fleischer, 100 Jahre GmbH-Reform und 100 Jahre GmbH-Rundschau, GmbHR 2009, 6. 976

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 168. 977

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 176f. 978

Mertens, GmbH – 1939, Rechtshistorisches Journal 5/1986, 94. 979

Entwurf einer amtlichen Begründung zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Gesellschaften mit beschränkter

Haftung, in: Schubert, Entwurf 1939, 154. 980

Begründung, in: Schubert, Entwurf 1939, 160. 981

Begründung, in: Schubert, Entwurf 1939, 161.

Page 145: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

129

Stammanteile sowie der Herabsetzung des Stammkapitals, unzulässig. Die damalige Rechtslage, dass nur das

zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen nicht an die Gesellschafter ausgezahlt werden darf,

wurde daher verschärft.982

Nur der Reingewinn durfte an die Gesellschafter ausgeschüttet werden; um

verdeckte Ausschüttungen zu vermeiden, durften auch das übliche Maß übersteigende Vergütungen nur aus

dem bilanzmäßig festgestellten Reingewinn gewährt werden. Rücklagen durften daher nicht angetastet

werden.983

Im Hinblick auf die Rechtsfolgen einer gesetzlich verbotenen Zahlung sah § 35 Abs 1 S 2 des

Entwurfs einen anderen Gutglaubenserwerb als bisher vor: was man in gutem Glauben als Gewinnanteil

bezogen hat, brauchte man nach dem Entwurf nur zurückgewähren, soweit es aus dem zur Erhaltung des

Stammkapitals notwendigen Vermögen geleistet ist. Auch wurde die Haftung der übrigen Gesellschafter im

Sinne einer alsbaldigen und vollen Erstattung des verlorenen Kapitals an die Gesellschaft verschärft.984

5.7 Das österreichische SEBG 1954

Mit Bundesgesetz vom 7. Juli 1954 über die Aufstellung von Schillingeröffnungsbilanzen und über die

Umstellung (kurz: SEBG)985

wurde das Mindestkapital für neu zu gründende GmbHs mit 100.000 Schilling

(§ 54 Abs 2 leg cit) und für bestehende Gesellschaften mit 50.000 Schilling (§ 16 Abs 2 leg cit) festgelegt;

die Mindeststammeinlage von 500 Schilling wurde aber belassen, sodass das Verhältnis Mindesteinlage zu

Mindestkapital von 1:40 im Jahr 1906 auf 1:200 im Jahr 1954 anstieg.986

Eine relativ niedrige

Mindeststammeinlage für die GmbH ist nach Kastner aber „nicht schädlich“, da die GmbH auch zur

Verfolgung ideeller Zwecke verwendet werden kann, und in solchen Fällen eine zu hohe Mindesteinlage

hinderlich sein könnte.987

Kastner war hinsichtlich der Kapitalerhaltungsregeln etwa der Meinung, die

Bestimmungen über die Nachschusspflicht könnten „wohl als überflüssig gestrichen werden“.988

982

Begründung, in: Schubert, Entwurf 1939, 161f. 983

Begründung, in: Schubert, Entwurf 1939, 162. 984

Vgl Schubert, Entwurf 1939, 162. 985

BGBl 190/1954. 986

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 180f. 987

Kastner, Zur Reform der Gesellschaft m.b.H., JBl 1956, 116. 988

Kastner, Zur Reform der Gesellschaft m.b.H., JBl 1956, 118.

Page 146: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

130

5.8 Die deutschen Entwürfe von 1969 bis 1973

Während in der DDR das dGmbHG zwar nie aufgehoben, seit 1945 aber auch nicht geändert worden war989

und daneben das sonstige Handels- und Gesellschaftsrecht als Ausdruck einer bürgerlich-liberalen

Rechtsordnung weitgehend obsolet wurde, die Privatautonomie der Bürger und der Betriebe dort

grundsätzlich nicht existierte und Produktionsmittel zum größten Teil „sozialistisches Eigentum“ waren,990

war in der marktwirtschaftlichen BRD ab den 1960er Jahren eine Diskussion rund um eine Novellierung des

dGmbHG im Gange. Auslösender Faktor war die große Aktienrechtsreform von 1965, die eine

entsprechende Modernisierung des dGmbHG nahe legte.991

Am 28. April 1969 veröffentlichte das deutsche

Bundesministerium der Justiz einen stark an den Entwurf von 1939 angelehnten Referentenentwurf eines

GmbH-Gesetzes. In dem 304 Paragraphen umfassenden Entwurf wurde unter anderem das Gründungsrecht

der GmbH im Sinne einer Verbesserung des Gläubigerschutzes neu gestaltet; so sollte das Mindestkapital

von 20.000 DM auf 50.000 DM erhöht werden, um die Gläubiger vor unterkapitalisierten und unseriösen

Gründungen zu schützen und ihnen zumindest in bestimmten Grenzen Sicherheiten zu bieten.992

Eine

Sachverständigenkommission hatte sich zuvor noch für die Beibehaltung des Mindestkapitals von 20.000

DM ausgesprochen, vor allem aus Rücksicht auf die karitativen und kulturellen Zwecke einiger GmbHs und

wegen der Relation zum Grundkapital der Aktiengesellschaft.993

Ein weiterer Gedanke der Entwurfsverfasser war, dass mit der Erhöhung des Mindestkapitals den seit 1892

„gründlich veränderten“ Kaufkraftverhältnissen „wenigsten einigermaßen“ Rechnung getragen würde.994

Der

bisherige Nennbetrag von 20.000 DM erschien den Entwurfsverfassern „unter den heutigen Wirtschafts- und

Währungsverhältnissen bei weitem zu niedrig“.995

Hätte man den Kaufkraftschwund seit 1892 jedoch ganz

berücksichtigen wollen, so hätte man das Mindestkapital auf etwa 100.000 DM erhöhen müssen und wäre

daher demjenigen der deutschen AG gleichgekommen.996

Trotz der intensiven Diskussion rund um eine Erhöhung des Mindestkapitals war etwa Ulmer997

der

Meinung, man sollte die Bedeutung der künftigen Festsetzung der Mindestkapitalhöhe für das GmbH-Recht

„nicht überschätzen“. Selbst Gegner der Heraufsetzung würden die Erhöhung der Mindesteinzahlung auf

989

Dennoch existierten vereinzelt Kapitalgesellschaften, und zwar im Bereich der Außenwirtschaft und des

Außenhandels. Aber auch im Hinblick auf diese Betriebe, die auf dem praktisch bedeutungslos gewordenen

Privateigentum basierten, konnte der Staat mittels Planauflagen eingreifen; s Schade/Steding, Eigentumsverfassung,

Vertragskonstruktion und Unternehmensstruktur – Ausdrucksformen rechtlicher Steuerung der Wirtschaft, in: Krause

(Hrsg.), Rechtliche Wirtschaftskontrolle in der Planökonomie, Das Beispiel der DDR, Das Europa der Diktatur –

Wirtschaftskontrolle und Recht, Band 3, Nomos Verlag, Baden-Baden 2002, 179. 990

Zur Weitergeltung des dGmbHG in der DDR s etwa Roth/Altmeppen, Kommentar zum GmbHG, 5. Auflage, C.H.

Beck Verlag, München 2005, § 32a Rn 228 mwN. S weiters allgemein Brunner, Einführung in das Recht der DDR,

C.H. Beck Verlag, München 1975, 43f; Lieser-Triebnigg, Recht in der DDR, Einführung und Dokumentation, Verlag

Wissenschaft und Politik, Köln 1985, 7, 9, 11, 123 (zum Zivilgesetzbuch der DDR). 991

Ulmer, Zur GmbH-Reform in Österreich und Deutschland, Rechtsvergleichende Bemerkungen, GesRZ 1981, 193. 992

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 185. 993

Geßler, Die Reform des GmbH-Rechts, BB 1969, 590. 994

So Ballerstedt, Gesellschaftsrechtliche Probleme der Reform des GmbH-Rechts, ZHR 1971, 385. 995

Zitiert nach Wiethölter, Die GmbH in einem modernen Gesellschaftsrecht und der Referentenentwurf eines GmbH-

Gesetzes, in: Wiethölter et al., Probleme der GmbH-Reform, Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln 1970, 15. 996

Ulmer, Die Gründung der GmbH, in: Wiethölter et al., Probleme der GmbH-Reform, Verlag Dr. Otto Schmidt KG,

Köln 1970, 46f. 997

Ulmer, Gründung, in: Wiethölter et al., Probleme, 46.

Page 147: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

131

20.000 DM befürworten; und auch karitative oder kulturelle GmbHs dürften seiner Meinung nach kein

Problem mit einem höheren Mindestkapital haben. Zudem bestehe kein zwingender Grund, die Neuregelung

auf die bereits bestehenden GmbHs mit einem Stammkapital von weniger als 50.000 DM auszudehnen.

Im Entwurf war weiters vorgesehen, dass eine absolute Untergrenze für die Mindesteinzahlung, die Hälfte

des Mindestkapitals, die zuvor geltende Mindesteinzahlungsregel eines Viertels jeder Stammeinlage ablösen

sollte.998

Für den Bereich der Kapitalerhaltung sah der Entwurf eine Auflockerung der Regeln über den Erwerb

eigener Geschäftsanteile vor: voll eingezahlte Geschäftsanteile sollten aus den das Stammkapital

übersteigenden Eigenmitteln ohne Begrenzung erworben werden können.999

Der Entwurf sollte neben der Neuregelung der Gründungsvorschriften überhaupt eine „große“ Reform

darstellen; grundsätzliche Probleme wurden, so die Kritik, allerdings vernachlässigt. 1971 wurde auf der

Grundlage des Referentenentwurfs ein Regierungsentwurf ausgearbeitet, der jedoch nicht Gesetz wurde.

1973 in der 7. Wahlperiode nochmals und unverändert eingebracht, behielt er im Gegensatz zum

Referentenentwurf von 1969 das Mindeststammkapital von 20.000 DM bei.1000

Auch dieser Entwurf wurde

jedoch nicht Gesetz. Die „große“ Reform war daher gescheitert.1001

5.9 Der deutsche Regierungsentwurf von 1977

Angelehnt an die österreichische „Politik der kleinen Schritte“ wurde in Deutschland im September 1977 ein

weiterer Regierungsentwurf ausgearbeitet, der ebenfalls die Verbesserung des Gläubigerschutzes zum Ziel

hatte.1002

Hauptsächlich sollten „einige dringliche Änderungen des reformbedürftigen GmbH-Gesetzes“

alsbald verwirklicht werden.1003

Das Mindestkapital sollte auf 50.000 DM angehoben und die

Mindesteinzahlung mit der absoluten Untergrenze von 25.000 DM versehen werden, hier jedoch zusätzlich

zur bisherigen Regelung der Mindesteinzahlung eines Viertels der Stammeinlagen.1004

Die Heraufsetzung des Mindestkapitals sollte explizit „der Verbesserung des Gläubigerschutzes dienen“.1005

Der frühere Betrag von 20.000 DM biete keine Gewähr für eine ausreichende wirtschaftliche Basis der

Gesellschaft mehr; mit einem neuen Betrag von 50.000 DM sollen die Gesellschaftsgläubiger „auch mehr als

bisher vor unsoliden Gründungen geschützt werden“. Auch musste der Mindestkapitalbetrag an die seit 1892

veränderten Geldwerte angepasst werden.1006

Der Entwurf wurde in der Folge von einem Unterausschuss des

998

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 186. 999

Kastner, Zur Reform des GmbH-Rechtes, JBl 1973, 172. 1000

Büschgen, Zur Eigenkapitalausstattung der GmbH und GmbH & Co. KG (I), GmbHR 1974, 25; Entwurf eines

Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer

handelsrechtlicher Vorschriften, Deutscher Bundestag, 8. Wahlperiode, Drucksache 8/1347, 27. 1001

Fleischer, 100 Jahre GmbH-Reform und 100 Jahre GmbH-Rundschau, GmbHR 2009, 8. 1002

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 192f. 1003

Gesetzentwurf 1977, Bundestags-Drucksache 8/1347, 27. 1004

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 193. 1005

Gesetzentwurf 1977, Bundestags-Drucksache 8/1347, 29. 1006

Gesetzentwurf 1977, Bundestags-Drucksache 8/1347, 29.

Page 148: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

132

Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags stark gekürzt und fand in dieser Form unverändert am

1.1.1981 Eingang ins Gesetz.1007

5.10 Die Reformdiskussion in Österreich und der Entwurf von 1977

Zeitversetzt zur deutschen Reformdiskussion begann Ende der 70er Jahre auch in Österreich eine Diskussion

rund um die Reform des GmbHG, wobei auch die Verstärkung des Gläubigerschutzes eine Rolle spielte.1008

Einer der Kernpunkte der Diskussion war das Mindestkapital, dessen Erhöhung von Wissenschaft und

Wirtschaft gefordert wurde. Das Justizministerium wollte eine eingehende Befassung mit der Materie, zumal

der Lebenshaltungsindex seit der letzten Erhöhung des Mindestkapitals 1954 um 71 % gestiegen war.1009

Diskutiert wurde daneben auch die Volleinzahlungspflicht zumindest für Gesellschaften mit dem

Mindestkapitalbetrag1010

– ein vermehrtes Auftreten von GmbHs mit einem Stammkapital von 20.000 DM

oder weniger wurde auch in Deutschland konstatiert.1011

Wie auch Ulmer in der Diskussion in Deutschland1012

sah Kastner1013

keinen Grund, die Frage der Erhöhung

des Mindestkapitals überzubewerten, wenn im Falle der Erhöhung „eine Nachziehung bei den bestehenden

Gesellschaften nicht vorgeschrieben würde“. Der Gedanke der Volleinzahlungspflicht wurde auch von

Kastner begrüßt, wobei eine Ausnahme für GmbHs erwogen werden könne, „die keine Erwerbszwecke

verfolgen“. Er schlug weiters vor, die Einrichtung der Stammeinlage neben dem Geschäftsanteil

aufzugeben,1014

eine Idee, die letztlich durch das MoMiG in Deutschland 2008 verwirklicht wurde.1015

Der

Mindestnennbetrag des so genannten „Geschäftsanteiles“ sei „nicht von ausschlaggebender Bedeutung“, er

könne auch auf 1.000 Schilling erhöht werden. Er schlug vor, die Mindesteinzahlung jedes Gesellschafters

mit dem Mindestnennbetrag gleichzusetzen, „um allzu leichtfertigen Beitritt hintanzuhalten“.1016

Im Bereich der Kapitalerhaltung sah Kastner die Regeln über den Erwerb eigener Geschäftsanteile als zu

streng an. Eine Regelung wie im deutschen Entwurf von 1969 sei denkbar, jedoch mit einer Begrenzung von

etwa 50 % des Nennkapitals, wohingegen nach dem deutschen Entwurf voll eingezahlte Geschäftsanteile aus

den das Stammkapital übersteigenden Eigenmitteln ohne Begrenzung erworben werden konnten.1017

Diese Vorschläge wurden jedoch vom Justizministerium nicht aufgenommen; man konzentrierte sich nur auf

die Erhöhung des Mindestkapitals. Die im Justizministerium eigens eingerichtete Kommission zur Reform

des Gesellschaftsrechts legte Ende 1975 erste Vorschläge zur Novellierung des GmbHG vor, die im Entwurf

1007

Ulmer, Zur GmbH-Reform in Österreich und Deutschland, GesRZ 1981, 194. 1008

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 193 mwN. 1009

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 195. 1010

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 195. 1011

Ballerstedt, Gesellschaftsrechtliche Probleme der Reform des GmbH-Rechts, ZHR 1971, 388. 1012

S Kapitel 5.8. 1013

Kastner, Zur Reform des GmbH-Rechtes, JBl 1973, 170 mwN. 1014

Kastner, Zur Reform des GmbH-Rechtes, JBl 1973, 170 FN 18. 1015

S dazu in Kapitel 6. 1016

Kastner, Zur Reform des GmbH-Rechtes, JBl 1973, 170. 1017

Kastner, Zur Reform des GmbH-Rechtes, JBl 1973, 172.

Page 149: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

133

von 1977 verarbeitet wurden.1018

Dieser Entwurf hatte unter anderem die Verbesserung der

Kapitalausstattung der GmbH zum Ziel, darunter die Erhöhung des Mindeststammkapitals auf zunächst

300.000 Schilling und die Erhöhung der Mindesteinlage auf 1.000 Schilling, wobei das Mindeststammkapital

gleichzeitig Mindestbareinlage sein sollte und somit das Erfordernis der halben Bareinlage fallen sollte; die

Mindestbareinlage sollte auch zur Gänze vor der Gründung eingezahlt werden.

Mit der Erhöhung des Mindestkapitals wollte man auch in Österreich der Geldentwertung entgegenkommen:

seit dem SEBG 1954 betrug sie bis 1977 über 240 %.1019

Mit der in Relation zur Erhöhung des

Mindestkapitals niedrigeren Erhöhung der Mindesteinlage (von 500 auf 1.000 Schilling) wollte man „den

beitretenden Gesellschafter an die Bedeutung seines Beitrittes … erinnern“, aber dennoch

Zwerggesellschafen „nicht allzusehr … erschweren“.1020

Am 16.6.1977 wurde der Entwurf im Nationalrat eingebracht, konnte jedoch in der 14.

Gesetzgebungsperiode (1975-1979) nicht mehr behandelt werden. Im Juni 1979 wurde eine neuerliche

Vorlage eingebracht, die am 1. Jänner 1981 in Kraft trat.1021

Auch in Deutschland trat, ebenfalls am 1. Jänner

1981, eine größere Novellierung des dGmbHG in Kraft.1022

Die beiden Novellen von 1981 stellten in beiden

Ländern die größten Reformen im Recht der GmbH seit 1892 bzw 1906 dar.1023

5.11 Die Novellen von 1981 in Österreich und Deutschland

5.11.1 Allgemeines

Im Hinblick auf das Mindestkapital brachte die österreichische Novelle eine Steigerung von 100.000 auf

500.000 Schilling (damals etwa 70.000 DM), die deutsche Novelle eine „etwas bescheidenere“ Steigerung

nur auf das Zweieinhalbfache (von 20.000 auf 50.000 DM).1024

Damit verbunden war in der österreichischen

Novelle, dass von den 500.000 Schilling mindestens die Hälfte eingezahlt sein musste (§ 10 Abs 1 nach der

GmbHG-Novelle 1980). Auch nach der deutschen Novelle mussten mindestens 25.000 Mark, also die Hälfte,

eingezahlt sein (§ 7 Abs 2 dGmbHG). Die Mindesteinlage wurde in Österreich auf 1.000 Schilling

angehoben; in Deutschland beließ man sie bei 500 DM.

Die beiden Novellen verfolgten eine „Politik der kleinen Schritte“. Eine große Reform der jeweiligen

GmbH-Gesetze war in keinem der beiden Staaten angestrebt.1025

Schwerpunkte beider Novellen waren

Maßnahmen zur Verbesserung des Gläubigerschutzes: darunter die erwähnte Erhöhung der Mindestkapital-

und -einlagenbeträge und die Verschärfung der Mindesteinzahlungspflicht; in Österreich die Übernahme der

1018

Doralt, Zum Entwurf einer Novelle des GmbH-Gesetzes, JBl 1977, 124. 1019

Doralt, Zum Entwurf, JBl 1977, 125. 1020

So Doralt, Zum Entwurf, JBl 1977, 128. 1021

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 199. 1022

In Österreich: BGBl 1980/320; in Deutschland: BGBL I 1980, 836. 1023

Ulmer, Zur GmbH-Reform in Österreich und Deutschland, GesRZ 1981, 193. 1024

Ulmer, Zur GmbH-Reform in Österreich und Deutschland, GesRZ 1981, 195. 1025

Zu Österreich Doralt, Die GmbHG-Novelle 1980, ÖStZ 1981, 74; zu Deutschland vgl Fleischer, 100 Jahre GmbH-

Reform und 100 Jahre GmbH-Rundschau, GmbHR 2009, 9f.

Page 150: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

134

aktienrechtlichen Bewertungs- und Gliederungsvorschriften sowie die Übernahme der Bestimmungen des

AktG über den Aufsichtsrat in das GmbHG;1026

in Deutschland weiters etwa die Zurückstufung

kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen im Konkurs (durch die Einführung der §§ 32a und 32b dGmbHG,

s auch sogleich), die Neuregelung des § 33 dGmbHG über den Erwerb eigener Geschäftsanteile und die

Einführung eines Auskunfts- und Einsichtsrechts des einzelnen GmbH-Gesellschafters.1027

Im Bereich der Kapitalerhaltung änderte die österreichische Novelle nur § 23 GmbHG: das von 1906 bis zur

Novelle 1980 eigenständig für die GmbH geltende Recht der Rechnungslegung wurde dahingehend geändert,

dass die Vorschriften des AktG über das Rechnungswesen nunmehr auch für die Gesellschaften mit

beschränkter Haftung für anwendbar erklärt wurden;1028

bezweckt wurde damit eine einheitliche Gestaltung

der Rechnungslegung der Kapitalgesellschaften. Folge aus der Übernahme auch des § 130 AktG war die von

1980 bis zum RLG 1990 bestehende Pflicht von GmbHs mit Aufsichtsratszwang, eine gesetzliche Rücklage

zu bilden. Diese Pflicht war vorher bei der GmbH gänzlich unbekannt.1029

§ 23 in der seit dem RLG 1990

bestehenden Fassung änderte diese Pflicht ab, so dass sie nunmehr für große Gesellschaften gilt.1030

Wurden in Österreich die Kapitalerhaltungsregeln durch die Novelle bis auf die Neugestaltung des § 23

GmbHG nicht geändert, so erfuhr das Rechtsgebiet der Kapitalerhaltung der deutschen GmbH durch die

Novelle eine Änderung: §§ 32a und 32b über kapitalersetzende Darlehen wurden ins dGmbHG eingefügt,

und § 33 dGmbHG wurde textlich geändert. Mit den neu eingefügten Regeln in §§ 32a und 32 b dGmbHG

kodifizierte der deutsche Gesetzgeber die seit dem Ende der 1950er Jahre herausgebildete höchstrichterliche

Rsp zur Behandlung von Gesellschafterdarlehen in Konkurs und Krise der dGmbH.1031

Bezüglich § 33

dGmbHG waren zunächst eine detaillierte Erweiterung für Fälle des Erwerbs und der Inpfandnahme eigener

Geschäftsanteile bei verbundenen Unternehmen geplant, die aber nach Ansicht des Unterausschusses des

deutschen Bundestags nur Ausnahmefälle betrafen, die daher der Rsp auch in Zukunft vorbehalten werden

sollen.1032

Die seit 1892 geltende „Soll“-Vorschrift in § 33 Abs 2 dGmbHG, wonach die Gesellschaft auch

eigene Geschäftsanteile nicht erwerben soll, auf welche die Stammeinlage nicht vollständig eingezahlt ist,

sofern nicht der Erwerb aus dem über den Betrag des Stammkapitals hinaus vorhandenen Vermögen

geschehen kann, wurde als „zu unscharf“ kritisiert1033

und führte zu Rechtsunsicherheiten. Die Neufassung

soll dies durch eine noch heute geltende verbesserte Textierung klarstellen.1034

1026

Doralt, Die GmbH-Novelle 1980, ÖStZ 1981, 74. 1027

Fleischer, 100 Jahre GmbH-Reform und 100 Jahre GmbH-Rundschau, GmbHR 2009, 10. 1028

Wünsch, Kommentar, § 23 (Geschichte). 1029

Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Bundesgesetz, mit dem das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter

Haftung geändert wird, 5 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrats der Republik

Österreich, XV. Gesetzgebungsperiode, 1979, 7. 1030

Wünsch, Kommentar, § 23 Rz 20. 1031

Ulmer, Zur GmbH-Reform in Österreich und Deutschland, GesRZ 1981, 198, 200. 1032

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) vom 16.4.1980, Deutscher Bundestag, 8.

Wahlperiode, Drucksache 8/3908, 74. 1033

Herber, Zum Entwurf einer GmbH-Novelle, GmbHR 1978, 27. 1034

Entwurf, Deutscher Bundestag, 8. Wahlperiode, Drucksache 8/1347, 41.

Page 151: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

135

5.11.2 Die Erläuterungen des österreichischen Regierungsentwurfes

Hinsichtlich der Erhöhung des Mindestkapitals war man im österreichischen Regierungsentwurf von 19791035

der Meinung, dass der alte Betrag nicht mehr zeitgemäß war. Infolge der „Geldwertverdünnung“ reichte

nach Ansicht der Entwurfsverfasser der Betrag von 100.000 Schilling nicht mehr aus, um den Schutz der

Gesellschaftsgläubiger und die Wahrung der Kapitalsgrundlage der Gesellschaften zu gewährleisten. Die

Anhebung auf 500.000 Schilling stelle einen „Schutz gegen unseriöse Gründungen“ dar, wodurch auch der

„hohen Insolvenzanfälligkeit neugegründeter Gesellschaften entgegengewirkt“ werde. Das neue

Mindestkapital war aber nach Ansicht der Entwurfsverfasser „nicht so hoch“, dass es die „Eigenständigkeit

der Gesellschaft mit beschränkter Haftung und ihre personalistischen Elemente“ unterdrückte oder

„bestehenden Gesellschaften die Anpassung an dieses neue Mindeststammkapital (Art. III des Entwurfes) in

unzumutbarer Weise erschweren würde“.1036

In Art III der GmbH-Novelle 1980 wurden daher

Übergangsvorschriften, etwa für Gesellschaften mit geringerem Stammkapital als 500.000 Schilling (§ 4 leg

cit) oder für Gesellschaften mit einem aufgebrachten Stammkapital von weniger als 250.000 Schilling (§ 2

leg cit) festgelegt. Bis Ende 1986 mussten hierbei die Gesellschaften die Beträge bis zur geforderten Grenze

anheben.

Laut Doralt1037

spielte nicht nur die Frage der Geldentwertung bei der Anhebung des Mindestkapitals 1980

eine Rolle, sondern auch eine Entscheidung des VfGH aus dem Jahr 19781038

zum verfassungsrechtlich

zulässigen „fiktiven Mindeststammkapital“ für Zwecke der Vermögensbesteuerung. Der VfGH verwarf

damals die von Finanzminister Androsch geplante Anhebung der Mindestbesteuerungsgrundlage für die

Vermögenssteuer der GmbH auf 1 Mio. Schilling als gleichheitswidrigen Eingriff ins Eigentum. Die

Mindestbesteuerungsgrundlage müsse sich am Mindestkapital orientieren, so der VfGH. Nach Meinung von

Doralt sei dies der Anstoß zur Anhebung des Mindestkapitals der GmbH gewesen.1039

5.11.3 Die Erläuterungen des deutschen Regierungsentwurfes und des Ausschussberichts

Der deutsche Regierungsentwurf1040

bzw der Rechtsausschuss des Bundestages in seinem Bericht1041

hatten

ähnliche Begründungen für die Anhebung des Mindestkapitals gegeben: dies sollte der „Verbesserung des

Gläubigerschutzes dienen“. Angesichts der seit 1892 veränderten Geldwerte sei es „nicht mehr angemessen“,

die Gründung von Gesellschaften „schon mit einem Stammkapital von nur 20.000 DM zu ermöglichen, da

ein solcher Betrag auch im Hinblick auf die Haftungsbeschränkung in der Regel keine Gewähr für eine

ausreichende wirtschaftliche Basis“ biete. Mit der Anhebung auf 50.000 DM sollte die „untere Schwelle der

1035

Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 5 d.B., XV. GP, 1979, 5. 1036

Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 5 d.B., XV. GP, 1979, 5f. 1037

Doralt, Die GmbHG-Novelle 1980, ÖStZ 1981, 75. 1038

VfGH 26.1.1978, G 67, 68/77. 1039

Doralt, Die GmbH im 20. Jahrhundert, GesRZ 2006 Spezial „100 Jahre GmbH“, 11. 1040

Entwurf, Deutscher Bundestag, 8. Wahlperiode, Drucksache 8/1347, 29. 1041

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss), Deutscher Bundestag, 8. Wahlperiode,

Drucksache 8/3908, 68.

Page 152: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

136

Verwendbarkeit der GmbH“ angehoben werden, um zudem auch den Gesellschaftsgläubigern mehr Schutz

vor unseriösen Gründungen bieten zu können.1042

Der Rechtsausschuss erörterte ebenfalls die Frage der

Anhebung des Mindestkapitals: nur eine Minderheit war für die Weitergeltung der 20.000 DM-Grenze bei

gleichzeitiger Verpflichtung, diesen Betrag voll einzuzahlen. Letzter Punkt wurde auch von der

Wirtschaftsprüfer- sowie der Bundessteuerberaterkammer als angemessen betrachtet. Auch wäre diese

Lösung laut der Minderheit „den Bedürfnissen des Einzelfalles besser gerecht“ geworden. Eine Reihe von

Gesellschaften brauchen kein höheres Stammkapital, etwa Verwaltungsgesellschaften ohne Umsatz,

Dienstleistungsunternehmen und Beratungsagenturen, kleine Handwerksbetriebe und Gesellschaften mit

ideeller oder gemeinnütziger Zwecksetzung. Die „Bereitschaft zur Selbständigkeit“ wäre durch ein zu hohes

Mindestkapital ebenfalls gefährdet, da sie ansonsten mehr Eigenkapital aufbringen müssten, als sie eigentlich

bräuchten. Eine Anhebung des Mindestkapitals stelle zudem auch keine Verbesserung des Gläubigerschutzes

im Sinne eines Schutzes vor unseriösen Gründungen dar. Nur ordnungspolitische Gründe, so die Minderheit,

könnten eine Anhebung des Mindestkapitals rechtfertigen, etwa die Kompensation zur

Haftungsbeschränkung: wer eine beschränkte Haftung will, soll dafür eine gewisse Mindesthaftung

übernehmen. Ein Mindeststammkapital habe aber jedenfalls beschränkte Bedeutung für den Gläubigerschutz,

so die Minderheit.1043

Im Rechtsausschuss wurde die Minderheit jedoch um- bzw überstimmt, eine Mehrheit war für eine

Anhebung des Mindestkapitals und einen daraus folgenden Schutz der Gläubiger. Es gehe aber nicht um eine

Vergrößerung der Haftungsmasse, sondern um eine Erhöhung der Schwelle der Inanspruchnahme der

beschränkten Haftung. Der Rechtsausschuss war also letztlich ebenfalls für eine Anhebung des

Mindestkapitals auf 50.000 DM.1044

1042

Entwurf, Deutscher Bundestag, 8. Wahlperiode, Drucksache 8/1347, 29. 1043

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) vom 16.4.1980, Deutscher Bundestag, 8.

Wahlperiode, Drucksache 8/3908, 68. 1044

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) vom 16.4.1980, Deutscher Bundestag, 8.

Wahlperiode, Drucksache 8/3908, 69.

Page 153: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

137

5.12 Umstellung durch das 1. Euro-JuBeG (Österreich) und das EuroEG (Deutschland)

Durch die Einführung des Euro wurden auch im Bereich der Justiz Gesetze und sonstige Rechtsvorschriften

an die neue Währung (die fünfte seit 19001045

) angepasst; für den Bereich des GmbHG gilt das mit 1. Jänner

1999 in Kraft getretene 1. Euro-JuBeG1046

, das in Art V Z 1 das Mindestkapital der GmbH auf 35.000 € und

die Mindeststammeinlage auf 70 € festlegte, was nicht ganz den ursprünglichen Beträgen von 500.000

Schilling und 1.000 Schilling entspricht: die Beträge wurden durch 14 dividiert und abgerundet;

Unterschiede zwischen Alt- und Neugesellschaften wurden dabei explizit in Kauf genommen.1047

Diese

Regelung stellt die bislang letzte Novellierung des § 6 Abs 1 GmbHG dar.

Vor dem 1. Jänner 1999 bereits eingetragene oder zur Eintragung angemeldete GmbHs bzw nach dem 1.

Jänner 1999 zur Eintragung angemeldete und spätestens zum 31. Jänner 2001 eingetragene GmbHs durften

das Stammkapital und die Stammeinlagen auch weiterhin in Schillingbeträgen anführen; eine Verpflichtung

zur Anpassung des Gesellschaftsvertrags besteht nur bei Veränderung des Nennkapitals (Art X §§ 5, 6 1.

Euro-JuBeG).

In Deutschland wurde das dGmbHG 1998 mit dem EuroEG1048

novelliert: in § 5 dGmbHG wurde der Betrag

für das Mindestkapital von 50.000 DM auf 25.000 € umgestellt; die Mindesteinlage wurde von 500 DM auf

100 € herabgesetzt.

5.13 Fazit: Vom „Gemeinnutz“ zum „Gläubigerschutz“

Mindestkapital und Kapitalerhaltung waren keine neuen Instrumente, als sie 1892 ins deutsche GmbHG

Eingang fanden. Bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte, wie erwähnt, das englische

Gesellschaftsrecht für die Limited ein ähnliches Konzept eines Mindestkapitals, das jedoch schnell wieder

abgeschafft wurde. Vossius zieht auch Parallelen zum Kommanditkapital der KG, aus der sich – über die

KGaA – die Aktiengesellschaft entwickelt hat.1049

Auch die Grundlagen der Kapitalerhaltung waren bereits

im deutschen Aktiengesetz verwirklicht. Als nach dem Zerplatzen der Gründerblase 1873 für die AG eine

strengere Normierung des Aktienrechts in Deutschland zum Schutz des Rechtsverkehrs und des

unerfahrenen Anlegers vor der juristischen Person (und nicht aus Gläubigerschutzgründen)1050

durchgesetzt

wurde, die deutsche AG daraufhin an Attraktivität verlor und jene der englischen Limited nicht zuletzt dank

der neuen Einrichtung des Normativsystems anstieg, suchte man in Deutschland nach einer liberaleren,

1045

S dazu näher Kapitel 2.1.1 sowie die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum 1. Euro-JuBeG, 1203 der Beilagen

zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrats der Republik Österreich, XX. Gesetzgebungsperiode, 1998, 15. 1046

BGBl I 1998/125. 1047

Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 1203 d.B., XX. GP, 1998, 36. 1048

dBGBl I 1998, S. 1241. 1049

Vossius, Entwicklung, NotBZ 2006, 375. 1050

Vossius, Entwicklung, NotBZ 2006, 375 mwN.

Page 154: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

138

attraktiven Gesellschaftsform, die gleichsam als „Allzweckmöbel“1051

fungieren könnte. Diese Freiheit und

Attraktivität hatte ihren Preis in Gestalt des sehr hohen Mindestkapitals von 20.000 Mark, der die GmbH

letztlich „mehrheitsfähig“ machte.1052

Zum Schutz des Kapitals wurden als weiterer, ergänzender Ausgleich

gegenüber den ansonsten freien Spielregeln innerhalb der GmbH sowie aus Gründen des „Gemeinnutzes“,

womit zunächst das Wohl des Staates als prosperierender Wirtschaftsstandort gemeint war,1053

Kapitalerhaltungsregeln eingerichtet. Eine Haftungsbegrenzung ohne jede Absicherung bzw Vergewisserung

der Ernsthaftigkeit eines unternehmerischen Projekts hätte dem „Gemeinnutz“ widersprochen.1054

Später diente der Begriff des „Gemeinnutzes“ als Vorwand für kriegspolitische, unter den NS-Herrschaft

auch für ideologische Ziele („Gemeinnutz geht vor Eigennutz“).1055

Nach 1945 wandelte sich das Bild: vom

ideologisch angehauchten „Gemeinnutz“ ging man über zum „Gläubigerschutz“.1056

Ob jedoch das

Kapitalschutzsystem der GmbH, also die Instrumente des Mindestkapitals und der Kapitalerhaltung, dem in

der Realität entspricht, wird noch zu zeigen sein.

Fernab von ideologischen und theoretischen Begriffen gilt jedenfalls: in den Novellen zum dGmbHG wie

auch zum österreichischen GmbHG wurde der Betrag des Mindestkapitals und der Mindesteinlage immer

wieder an die aktuelle (Hyper-)Inflation angepasst, ohne jedoch dabei die ursprünglichen Beträge jemals

wieder zu erreichen, sodass die GmbH für den breiten Mittelstand noch attraktiver wurde und noch immer

ist.1057

1051

Dieser Begriff taucht nun auch wieder bei der Umschreibung der EPG auf, die aufgrund ihrer fehlenden

Transnationalität (s dazu Kapitel 3.3.2.2) in direkten Wettbewerb mit nationalen „massetauglichen“

Gesellschaftsformen treten könnte; s Hommelhoff/Teichmann, Bundesrat bremst Europa-GmbH, GmbHR 2009, 36. 1052

Vossius, Entwicklung, NotBZ 2006, 376 FN 41. 1053

Vossius, Entwicklung, NotBZ 2006, 378. 1054

Vgl Vossius, Entwicklung, NotBZ 2006, 380. 1055

Vossius, Entwicklung, NotBZ 2006, 378f. 1056

Vossius, Entwicklung, NotBZ 2006, 379f. 1057

Vgl Vossius, Entwicklung, NotBZ 2006, 376.

Page 155: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

139

6. Die Rechtslage in Deutschland

6.1 dGmbH und Limited: Rechtstatsachen

6.1.1 dGmbH und UG (haftungsbeschränkt)

Ähnlich wie in Österreich verzeichnet die deutsche GmbH seit ihrer Gründung eine Erfolgsgeschichte wie

keine andere Gesellschaftsform: existierten am 31.12.1940 noch 12.441 GmbHs (mit einem Stammkapital

von ca 2,3 Mrd. Reichsmark), so waren es 1965 bereits 54.072 (mit einem Stammkapital von ca 26,4 Mrd.

DM) und 1991 im Gebiet der „alten“ Bundesländer 465.660 (mit einem Stammkapital von ca 208 Mrd.

DM).1058

Derzeit nähert sich die GmbH in Deutschland der „Schallmauer“ von einer Million und lag am

1.1.2008 bei 987.000 Gesellschaften. Bundesweit verzeichnet die GmbH dabei einen Jahreszuwachs von

durchschnittlich 1,3 %, mit Spitzenreiter Berlin (3,5 %). Einen GmbH-Schwund haben sechs Bundesländer,

vor allem die „neuen“, zu verzeichnen, mit dem Negativrekord von Sachsen-Anhalt mit -3,3 %.1059

Abgesehen von diesen, die „klassische“ dGmbH betreffenden Zahlen, legten Bayer/Hoffmann1060

gegen Ende

2008 bereits erste Zahlen zur „Alternative“ bzw zur „kleinen Schwester“ der „klassischen“ dGmbH, die

Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) (im Folgenden kurz „UG“) nach § 5a dGmbHG, vor: die erste

UG wurde am 3. November 2008 mit einem Stammkapital von 12 € eingetragen. In den ersten 14 Tagen

nach Inkrafttreten des MoMiG am 1.11.2008 wurden bereits 77 UG in die Handelsregister eingetragen,

wobei das Stammkapital keineswegs bei einem Durchschnitt von 1 € liegt, sondern sogar bis 5.000 € reicht.

Bei einem Viertel der 77 ersten UG lag die Höhe des eingezahlten Stammkapitals bei 1.000 € oder darüber;

fast die Hälfte wies ein Stammkapital von zumindest 100 € auf. Fast 40 % der ersten 77 UG waren

Vorratsgesellschaften mit dem Unternehmensgegenstand „Verwaltung eigenen Vermögens“. Die restlichen

60 % verteilen sich ua auf Beratungs-, Taxi-, Verlags- und Gaststättenunternehmen. Bis zum 24.11.2008

wurden bereits 192 UG im Handelsregister eingetragen.1061

Eine spätere Analyse von Bayer/Hoffmann zeigte

einen großen Erfolg der UG in den ersten Monaten bis zum 1. Jänner 2009: zum 31.12.2008 waren bereits

1.202 UG im Handelsregister eingetragen; aufgrund dieses sprunghaften Anstiegs innerhalb eines Monats

erwarten Bayer/Hoffmann für das Jahr 2009, dass die Zahl von 10.000 erreicht wird – und dies trotz

Wirtschafts- und Finanzkrise.1062

Auch zum Anwendungsbereich als Vorratsgesellschaften lassen sich bereits

erste Erwartungen bestätigen: 111 UG, etwa 9 % aller UG, waren bis zum 31.12.2008 als

1058

Priester/Mayer, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 3, Gesellschaft mit beschränkter Haftung,

C.H. Beck Verlag, München 1996, 7. 1059

Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen; s Kornblum,

Rechtstatsachen, Stand 1.1.2008, GmbHR 2009, 30. 1060

Bayer/Hoffmann, Erste Unternehmergesellschaften (haftungsbeschränkt) seit Inkrafttreten des MoMiG, GmbHR

2008, 1302. 1061

Bayer/Hoffmann, Erste Unternehmergesellschaften (haftungsbeschränkt), GmbHR 2008, 1302. 1062

Bayer/Hoffmann, Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) des MoMiG zum 1.1.2009 – eine erste Bilanz,

GmbHR 2009, 124.

Page 156: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

140

Vorratsgesellschaften erkennbar, das durchschnittliche Stammkapital dieser Gesellschaften belief sich auf €

286. Bei den übrigen 91 % der bis 31.12.2008 gegründeten UG, die nicht als Vorratsgesellschaften dienen,

liegt der Durchschnittswert bei € 1.173; der maximale Stammkapitalbetrag bei einer Vorratsgesellschaft liegt

bei € 5.000 und bei einer „normalen“ UG bei € 15.000.1063

Die Zahlen von Niemeier zeigen ebenfalls sehr

deutlich den Trend zum geringen Stammkapital: so haben 80 % der UG ein Stammkapital von nur bis zu €

1.000; 60 % haben ein Stammkapital von maximal € 500, und 30 % iHv maximal € 100; 15 % aller UG

haben ein Stammkapital von nur € 1.1064

6.1.2 Die Limited in Deutschland

Die Anzahl der Limiteds in Deutschland kann im Gegensatz zur dGmbH und UG nur geschätzt werden, vor

allem weil die Limited nicht als eigenständige Rechtsform in den Handelsregistern aufscheint, sondern in der

Rubrik „Rechtsform ausländischen Rechts HRB“ (in der jedoch mehr als 90 % Limiteds zu finden sind).

Hirte spricht von einer „dramatisch gestiegene(n) Zahl“ von ausländischen Kapitalgesellschaften, vor allem

Limiteds, seit der Überseering-Entscheidung von Ende 2002.1065

Eidenmüller schätzt, dass derzeit „nahezu jede vierte“ neu gegründete Kapitalgesellschaft in Deutschland

keine GmbH, sondern eine Limited ist.1066

In Zahlen beliefen sich die Schätzungen in den vergangenen

Jahren auf bis zu 46.000 Limiteds in Deutschland bis 1.11.2006 (Westhoff).1067

Der gesamte Bestand an

Limiteds in Deutschland am 1.1.2008 wird hingegen von Kornblum auf 15.0001068

geschätzt, wobei die

Zuwächse gewaltig sind: Spitzenreiter ist Sachsen mit 69,4 %; in Berlin beläuft sich die Zuwachsrate auf

45,7 %.1069

Vor allem der „kleine Mittelstand“ bedient sich bei Neugründungen laut Hirte der Limited;

besonders im Handwerksbereich wählt man oft die Rechtsform der Limited, um die nach deutschem Recht

erforderliche „Meisterprüfung“ zu unterlaufen.1070

1063

Bayer/Hoffmann, Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) - erste Bilanz, GmbHR 2009, 125. 1064

Niemeier, Erste Startkapitalisierungsdaten der „UG“: Mit Schwung in die kapitallose Unternehmensgründung?,

Status:Recht 03/2009, 74. 1065

Hirte, Europäisches Gesellschaftsrecht: „Inspire Art“ und die Folgen für das europäische und das nationale Recht,

in: Hopt/Tzouganatos (Hrsg.), Europäisierung des Handels- und Wirtschaftsrechts, Gemeinsame oder

unterschiedliche Probleme für das deutsche und griechische Recht?, Beiträge zum ausländischen und internationalen

Privatrecht, Band 82, Mohr Siebeck Verlag, Tübingen 2006, 20. 1066

Eidenmüller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, ZGR 2007, 169. 1067

Wobei er zunächst von 30.300 bis Dezember 2005 ausging; s Westhoff, Die Verbreitung der limited mit Sitz in

Deutschland, GmbHR 2006, 526. Diese Zahl hatte sich laut eigener Schätzung von Westhoff bis 1.11.2006 auf „mehr

als“ 46.000 erhöht, s Westhoff, Die Verbreitung der englischen Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland, GmbHR

2007, 480. 1068

Diese Zahl stimmt in etwa mit jener (14.835) von Westhoff, Verbreitung, GmbHR 2007, 476 überein, die Westhoff

anhand von Anfragen bei 187 Handelsregistern im Februar 2007 durchgeführt hatte. 1069

Kornblum, Rechtstatsachen, Stand 1.1.2008, GmbHR 2009, 31. 1070

Hirte, „Inspire Art“ und die Folgen, 21.

Page 157: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

141

Gleichzeitig zu den für die deutsche GmbH eher beunruhigenden Zahlen gibt es laut Eidenmüller aber auch

Hinweise auf eine besonders kurze „Halbwertszeit“ der in Deutschland aktiven Limiteds: „(m)ehr als jedes

zweite Vorhaben wird nach ein bis zwei Jahren anscheinend wieder aufgegeben“.1071

Eidenmüller bezieht sich hier auf eine Analyse von Niemeier aus dem Jahr 2006, der ein Überschreiten der

fünfstelligen Zahl an Limiteds in Deutschland „jedenfalls Mitte 2006“ konstatierte. Demgegenüber gab es

laut Gewerbestatistik bereits im Jahr 2005 insgesamt 1.812 Gewerbeabmeldungen von Limiteds. Für Ende

2006 erwartete Niemeier „gut 3.000 Abmeldungen“.1072

Nimmt man den Abstand von einem Jahr zwischen

An- und Abmeldung, so heben die heutigen Abmeldungen laut Niemeier etwa 50 % der früheren

Anmeldungen auf; bei Annahme eines 18-Monats-Abstands liegt die Tilgungsquote sogar bei fast 90 %.1073

In einem weiteren, 2007 erschienen Aufsatz zeigte Niemeier eine noch höhere „Fehlschlagsquote“ der

deutschen Limiteds innerhalb eines Zeitraums von 24 Monaten auf: von den 2004 angemeldeten Limiteds

überlebten 2006 statistisch „gerade noch 3 %“; im Vergleich dazu haben neugegründete deutsche GmbHs

nach 1 bis 2 Jahren die genau umgekehrte Fehlerquote, es geraten nämlich innerhalb dieses Zeitraums nur

2,5 % in finanzielle Schwierigkeiten.1074

Eine „extrem hohe Frühsterblichkeit“ ist aber nicht nur in Deutschland, sondern laut Niemeier vor allem im

Ursprungsland England feststellbar: rund 50 % des britischen Gesamtbestands an Limited sind nur 5 Jahre

alt.1075

Zudem errechnete Niemeier in einem 2007 erschienenen Aufsatz einen Rückgang an Limited-

Gründungen in Deutschland seit dem Frühjahr 2006;1076

insgesamt sei die Anzahl an Limiteds im Jahr 2006

„allenfalls noch minimal gewachsen, wenn nicht eher bereits zurückgegangen“, wohingegen die GmbH

hinsichtlich des Marktwachstums stark aufholte: hatte die Limited 2005 noch einen Marktanteil von 52 %, so

waren es 2006 nur noch rund 22 %, falls man den „erweiterten Gesamtmarkt“ an Personen- und

Kapitalgesellschaften sowie Einzelunternehmen nicht miteinbezieht (in diesem Fall beträgt der Marktanteil

der Limited in Deutschland nach Niemeier „maximal“ 1,4 %).1077

Der „Höhepunkt der Limited-Welle“ ist

nach Meinung von Niemeier bereits überschritten. Er liest dies vor allem aus den rückläufigen

Gewerbeanmeldungen (827 im März 2006, 622 im Mai 2007) und der rückläufigen Zahl der German

Directors, deren Liste das Companies House führt.1078

Laut Lawlor lag der Monatsdurchschnitt 2006 noch

bei 2.456 deutschen Directors, im Jahr darauf (bis 30.9.) bei 1.942.1079

Von den eben erwähnten Gewerbeabmeldungen müssen aber die Insolvenzverfahren unterschieden werden.

Gewerbeaufgaben führen üblicherweise nur in geringem Maße zu Insolvenzverfahren.1080

So spricht Lawlor

1071

Eidenmüller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, ZGR 2007, 172 mwN. 1072

Niemeier, GmbH und Limited, Marktdaten, ZIP 2006, 2241. 1073

Niemeier, GmbH und Limited, Marktdaten, ZIP 2006, 2242: „die früheren Anmeldungen (werden) geradezu

ausradiert“. 1074

Wenngleich Niemeier hier nicht die sogleich zu besprechende Grenze zwischen Gewerbeaufgaben und Insolvenzen

bzw Krisen zieht, ist das Beispiel als Plädoyer für die Beibehaltung des Mindestkapitals aber doch instruktiv;

Niemeier, Die „Mini-GmbH“ (UG) trotz Marktwende bei der Limited?, ZIP 2007, 1799, FN 38 mwN. 1075

Niemeier, GmbH und Limited, Marktdaten, ZIP 2006, 2245 FN 47 mwN. 1076

Niemeier, Marktwende, ZIP 2007, 1800. 1077

Niemeier, Marktwende, ZIP 2007, 1795. 1078

Niemeier, Marktwende, ZIP 2007, 1797. 1079

Lawlor, Reform der Limited, ZIP 2007, 2202. 1080

Niemeier, Marktwende, ZIP 2007, 1800.

Page 158: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

142

von insgesamt „nur“ 127 eröffneten Insolvenzverfahren im Jahr 2007 (Niemeier gibt eine Zahl der

Insolvenzen von 376 im Vergleich zu ca 100 Insolvenzen im Jahr 2005 an), wobei die Zahl der mangels

Masse abgewiesenen Verfahren nicht bekannt ist, aber hoch sein dürfte.1081

Langfristig dürfte nach Niemeier

der Insolvenzanteil bei 6-7 % der Gewerbeaufgaben liegen.1082

6.2 Mindestkapital und Kapitalaufbringung der „klassischen“ dGmbH: Einführung und

kurzer Vergleich zwischen alter und neuer Rechtslage

Das Stammkapital einer deutschen GmbH muss mindestens 25.000 € betragen. Dies ist in § 5 Abs 1

dGmbHG festgelegt und wurde auch durch das MoMiG, das mit 1. November 2008 in Kraft getreten ist,

letztlich nicht geändert, im Gegensatz zur Mindeststammeinlage: sie lag bislang bei € 100 (§ 5 Abs 1 2.

Halbsatz dGmbHG aF) und wurde durch das MoMiG auch begrifflich abgeändert: der nunmehrige

„Geschäftsanteil“ muss nur noch auf volle Euro lauten und kann daher auch € 1 betragen (§ 5 Abs 2 1. Satz

dGmbHG nF). Das bisherige Erfordernis der Teilbarkeit des Nennbetrags einer Stammeinlage durch € 50 (§

5 Abs 3 2. Satz dGmbHG aF) fällt folglich ebenfalls weg: nunmehr können Geschäftsanteile beliebig

eingeteilt werden.1083

Früher konnte ein Gesellschafter bei Errichtung der Gesellschaft zudem nur eine

Stammeinlage übernehmen (§ 5 Abs 2 dGmbHG aF); damit wollte das Gesetz die Stückelung von

Geschäftsanteilen verhindern und eine Distanz zur Aktie erreichen;1084

seit der Reform durch das MoMiG

kann der Gesellschafter bei Errichtung der Gesellschaft mehrere Geschäftsanteile übernehmen (§ 5 Abs 2

dGmbHG nF).

Auf die Stammeinlage bzw auf den nunmehrigen Geschäftsanteil muss, soweit nicht Sacheinlagen vereinbart

sind, ein Viertel des Nennbetrags eingezahlt werden. Insgesamt muss auf das Stammkapital mindestens

soviel eingezahlt werden, dass der Gesamtbetrag der eingezahlten Geldeinlagen zuzüglich des

Gesamtnennbetrags der Geschäftsanteile, für die Sacheinlagen zu leisten sind, die Hälfte des

Mindeststammkapitals gem § 5 Abs 1 dGmbHG erreicht (§ 7 Abs 2 dGmbHG nF).

Das Stammkapital wird in Deutschland auch gerne „Garantiekapital“ oder „Haftungsfonds“ genannt, was

seinen Ursprung in § 22 dGmbHG hat,1085

der Regelung über die Rechtsvorgängerhaftung. Diesem

Paragraphen entnimmt man, ebenso wie den übrigen §§ 19-25 dGmbHG, den so genannten „Grundsatz der

realen Kapitalaufbringung“, eingedenk der Tatsache, dass den Gläubigern der Gesellschaft idR nur das

Gesellschaftsvermögen als Haftungsmasse zur Verfügung steht (§ 13 Abs 2 dGmbhG):1086

zunächst ist jeder

Gesellschafter verpflichtet, seine Einlage zu leisten (vgl § 19 Abs 2 dGmbHG); wird nicht rechtzeitig

eingezahlt, so ist der Gesellschafter zur Entrichtung von Verzugszinsen verpflichtet (§ 20 dGmbHG). Im Fall

1081

Lawlor, Reform der Limited, ZIP 2007, 2202. 1082

Niemeier, Marktwende, ZIP 2007, 1800. 1083

Krüger, GmbH-Reform in Deutschland, GeS 2008, 349f. 1084

Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz16

, § 5 Rz 7. 1085

Priester/Mayer, Münchener Handbuch, 209. 1086

Priester/Mayer, Münchener Handbuch, 737f.

Page 159: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

143

verzögerter Einzahlung kann an den säumigen Gesellschafter eine erneute Zahlungsaufforderung binnen

einer bestimmten Nachfrist (mindestens 1 Monat) unter Androhung seines Ausschlusses mittels

eingeschriebenen Briefes erlassen werden (§ 21 Abs 1 dGmbHG). Nach fruchtlosem Ablauf der Frist ist der

säumige Gesellschafter seines Geschäftsanteils und der geleisteten Teilzahlungen zugunsten der Gesellschaft

verlustig zu erklären; gleichzeitig haftet der ausgeschlossene Gesellschafter aber weiter (§ 21 Abs 2 und Abs

3 dGmbHG). Die Rechtsvorgänger des ausgeschlossenen Gesellschafters haften nun nach § 22 dGmbHG für

den von diesem nicht bezahlten Betrag weiter. Ist die Zahlung auch von den Rechtsvorgängern nicht zu

erlangen, so kann die Gesellschaft den Geschäftsanteil im Wege öffentlicher Versteigerung oder, mit

Zustimmung des Gesellschafters, auf andere Art verkaufen lassen (§ 23 dGmbHG). Letztlich regelt § 24

dGmbHG eine Ausfallshaftung der übrigen Gesellschafter für den Fall, dass die Maßnahmen der §§ 19-23

dGmbHG nicht greifen. § 25 dGmbHG erklärt die vorangehenden Regeln der §§ 19-24 für zwingend.

6.3 Die Kapitalerhaltung der „klassischen“ dGmbH: Einführung und kurzer Vergleich

zwischen alter und neuer Rechtslage

6.3.1 §§ 30, 43a dGmbHG: Das Auszahlungsverbot

Die zentrale Norm des Kapitalerhaltungsrechts im dGmbHG und zudem vom BGH (neben § 19 leg cit) als

„Kernstück des GmbH-Rechts“ bezeichnet,1087

ist § 30 leg cit. Wie bereits erwähnt,1088

darf gem § 30 Abs 1

dGmbHG „(d)as zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft … an die

Gesellschafter nicht ausgezahlt werden“. Soweit das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche

Vermögen nicht angegriffen wird, sind daher Rückübertragungen von Vermögensgegenständen an die

Gesellschafter nach dem Wortlaut des Gesetzes möglich.1089

Geschützt ist daher nur derjenige Teil des

Reinvermögens der Gesellschaft, der dem Nominalkapital der Gesellschaft entspricht.1090

Demgegenüber

wird im österreichischen GmbHG das gesamte Gesellschaftsvermögen vor Rückübertragungen an die

Gesellschafter geschützt.

Wie im österreichischen Recht sind auch nach § 30 dGmbHG sowohl offene als auch verdeckte

Auszahlungen verboten; aber erst und auch nur insoweit, wie sie zu einer Unterbilanz oder Überschuldung

führen oder diese vertiefen würden, wobei eine Unterbilanz vorliegt, wenn das Reinvermögen, bewertet zu

fortgeführten Buchwerten, nicht mehr das Stammkapital deckt.1091

Stille Reserven sind bei Bestehen einer

Unterbilanz in die Bewertung der „Auszahlung“ nach § 30 dGmbHG einzubeziehen.1092

Von einer

1087

Priester/Mayer, Münchener Handbuch, 791 mwN. 1088

S Kapitel 4.2.2. 1089

Vgl Priester/Mayer, Münchener Handbuch, 791 mwN. 1090

Priester/Mayer, Münchener Handbuch, 795 mwN. 1091

Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz16

, § 30 Rz 26; Priester/Mayer, Münchener Handbuch, 796. 1092

Priester/Mayer, Münchener Handbuch, 797.

Page 160: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

144

Überschuldung spricht man, wenn die Verbindlichkeiten höher sind als die zum Verkehrswert angesetzten

Aktivposten.1093

Daneben entwickelten Lehre und Rsp einen „Existenzschutz“ des Gesellschaftsvermögens: nach diesen

Grundsätzen ist es verboten, Gesellschaftsvermögen an Gesellschafter wegzugeben, wenn dadurch der

wirtschaftliche Zusammenbruch der Gesellschaft in absehbarer Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit

heraufbeschworen wird. Dieses Verbot ist von jenem in § 30 dGmbHG unabhängig, es greift daher auch

dann, wenn das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen nicht angegriffen wird.1094

Zusätzlich zu den Rechtsfolgen des § 31 dGmbHG entwickelte der BGH bei einem Verstoß gegen dieses

Verbot existenzgefährdender Eingriffe eine Durchgriffshaftung auf jene Gesellschafter analog § 128 dHGB,

die den Eingriff vorgenommen haben.1095

Trotz des Schutzes zumindest der Stammkapitalziffer vor Eingriffen der Gesellschafter, das zudem als

Kredit- und Betriebsgrundlage der Gesellschaft meistens bei weitem nicht ausreicht,1096

kann § 30 dGmbHG

ebenso wie das österreichische Pendant, § 82 GmbHG,1097

keine Vermögenseinbußen durch schlechte

Geschäftsleitung oder Krisen verhindern.1098

§ 30 Abs 1 dGmbHG, seit 1892 textlich unverändert,1099

bestand bis zum Inkrafttreten des MoMiG am 1.

November 2008 nur aus dem Verbot der Auszahlung des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen

Gesellschaftsvermögens an die Gesellschafter. Seit 1. November 2008 folgen dieser Regel in Abs 1 zwei

weitere Sätze mit Ausnahmen: Satz 1 gilt demnach „nicht bei Leistungen, die bei Bestehen eines

Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291 des Aktiengesetzes) erfolgen oder durch einen

vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt sind. Satz 1 ist

zudem nicht anzuwenden auf die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens und Leistungen auf

Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen.“ Unter

den ersten der beiden angefügten Sätze, dh § 30 Abs 1 S 2 dGmbHG nF, fallen vor allem Darlehen und

andere Leistungen mit Kreditcharakter durch die GmbH an Gesellschafter („upstream-loans“), besonders die

in Konzernen verbreitete Praxis des Cash-Pooling.1100

Der zweite der angefügten Sätze, dh § 30 Abs 1 S 3

dGmbHG nF, ordnet an, dass Gesellschafterdarlehen und gleichgestellte Leistungen nicht wie haftendes

Eigenkapital zu behandeln sind.1101

Die durch das MoMiG angefügten Neuerungen werden in Kapitel 6.4

ausführlich behandelt.

§ 30 Abs 2 dGmbHG blieb nach der Reform durch das MoMiG unverändert. Die Norm enthält ein

Rückzahlungsverbot für Nachschüsse iSd §§ 26ff dGmbHG: Nachschüsse, die zur Deckung eines Verlusts

am Stammkapital erforderlich sind, dürfen nicht zurückgewährt werden. Besteht hingegen keine Gefahr einer

1093

Priester/Mayer, Münchener Handbuch, 798. 1094

Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz16

, § 30 Rz 5 mwN; Priester/Mayer, Münchener Handbuch, 796. 1095

Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz16

, § 30 Rz 6 mwN. 1096

Fleck, Der Grundsatz der Kapitalerhaltung, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 394. 1097

S Kapitel 4.2.1. 1098

Fleck, Der Grundsatz der Kapitalerhaltung, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 393. 1099

Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz16

, § 30 vor Rz 1. 1100

Erläuterungen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-

Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), Bundestags-Drucksache 16/6140, 25.7.2007, 41. 1101

Erläuterungen zum Gesetzentwurf des MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, 42.

Page 161: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

145

Unterbilanz oder Überschuldung, so dürfen die Beträge unter Beachtung der Voraussetzungen des § 30 Abs

2 dGmbHG ausgezahlt werden: die Zurückzahlung darf nicht vor Ablauf von 3 Monaten erfolgen, nachdem

der Rückzahlungsbeschluss in den Gesellschaftsblättern (elektronischer Bundesanzeiger; § 12 dGmbHG)

veröffentlicht wurde; das Stammkapital muss zudem voll eingezahlt sein.1102

Der durch die Novelle 1980 eingefügte § 43a dGmbHG soll den Schutz des Stammkapitals auf

Kreditvergaben der Gesellschaft an die Geschäftsführer, andere gesetzliche Vertreter sowie Prokuristen oder

zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigte Handelsbevollmächtigte erweitern:1103

Kreditvergaben an diese

Personen, die aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen gewährt werden, sind

demnach unzulässig; die Kredite sind ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarungen sofort

zurückzugewähren.

6.3.2 §§ 31, 32, 43 dGmbHG: Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 30

§§ 31, 32 dGmbHG, die seit 1892 textlich unverändert sind1104

und die auch durch die Reform nicht

verändert wurden, bestimmen die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 30 dGmbHG: zunächst besteht gem

§ 31 Abs 1 dGmbHG ein Anspruch der Gesellschaft auf Wiederherstellung der Stammkapitalziffer bzw –

wenn die verbotene Auszahlung im Zustand der Unterbilanz erfolgt ist – auf Wiederherstellung des

Vermögensstands, wie er vor der verbotenen Auszahlung bestand, dh das Nettoaktivvermögen ist

wiederherzustellen.1105

Dieser Erstattungsanspruch erfährt durch Abs 2 leg cit eine Ausnahme: war der

Empfänger in gutem Glauben, dh durfte er weder positiv wissen noch grob fahrlässig verkennen, dass die

Auszahlung eine Unterbilanz herbeiführt oder vertieft,1106

so kann die Erstattung nur insoweit verlangt

werden, als sie zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist. In Gesellschaften mit relativ

hohem Stammkapital und guter Liquiditätsverfassung ist daher die Rückerstattung für die

Gläubigerbefriedigung in der Regel nicht notwendig.1107

Über diese Regel des § 31 Abs 2 dGmbHG hinaus

schützt § 32 dGmbHG den gutgläubigen Dividendenempfänger:1108

die Gesellschafter sind nicht verpflichtet,

Beträge, welche sie in gutem Glauben als Gewinnanteile bezogen haben, zurückzuzahlen.

Gem § 31 Abs 3 dGmbHG haften die übrigen Gesellschafter für den zu erstattenden Betrag, falls die

Erstattung von dem Empfänger nicht zu erlangen ist und soweit der Betrag zur Befriedigung der

Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist.

Gem § 31 Abs 4 dGmbHG können die Zahlungen, die aus Abs 1 bis Abs 3 leg cit resultieren, den

Verpflichteten nicht erlassen werden. Die Ansprüche gem § 31 Abs 1 dGmbHG verjähren gem § 31 Abs 5

leg cit nach 10 Jahren, jene nach Abs 2 leg cit in fünf Jahren, beginnend mit der verbotswidrigen

1102

Priester/Mayer, Münchener Handbuch, 801. 1103

Priester/Mayer, Münchener Handbuch, 810. 1104

Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz16

, § 31 und § 32, jeweils vor Rz 1. 1105

Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz16

, § 31 Rz 7 mwN; Priester/Mayer, Münchener Handbuch, 805. 1106

Der Empfänger trägt diesbezüglich die Beweislast; Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz16

, § 31 Rz 16. 1107

Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz16

, § 31 Rz 15. 1108

Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz16

, § 32 Rz 1.

Page 162: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

146

Auszahlung.1109

Die Regelung wurde durch das „Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das

Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts“ vom 9. Dezember 20041110

novelliert.

Auch die Geschäftsführer haften für die Verletzung des Kapitalerhaltungsgebots: nach § 43 Abs 3 dGmbHG

haften sie verschuldensunabhängig, wenn den Bestimmungen des § 30 leg cit zuwider Zahlungen aus dem

zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Gesellschaftsvermögen gemacht wurden; nach § 31 Abs 6

dGmbHG können zudem Mitgesellschafter des Zahlungsempfängers bei den schuldhaft handelnden

Geschäftsführern für ihre Ausfallshaftung gem Abs 3 leg cit regressieren,1111

wobei sich die Verjährung nach

§ 43 leg cit richtet und daher 5 Jahre (§ 43 Abs 4 dGmbHG) beträgt.

6.3.3 §§ 26-28 dGmbHG: Nachschüsse

Die textlich seit 1892 unveränderten §§ 26-28 dGmbHG1112

regeln die gesellschaftsvertraglich bestimmbare

Nachschusspflicht. Wie auch im österreichischen GmbHG haben die Nachschüsse im dGmbHG die Funktion

von Geldeinlagen, welche über die Nennbeträge der Geschäftsanteile hinaus kraft Satzung zur Vermehrung

des Vermögens der GmbH zu leisten sind; sie sind jedoch in der Praxis auch in Deutschland kaum

relevant.1113

Das dGmbHG regelt diese Rechtsfigur eingehender als das österreichische GmbHG und unterscheidet

zwischen unbeschränkter, beschränkter und gemischter Nachschusspflicht:1114

ist die Nachschusspflicht nicht

auf einen bestimmten Betrag beschränkt, spricht man von unbeschränkter Nachschusspflicht. Sie führt

unabdingbar zum Preisgaberecht (sog Abandon):1115

jeder Gesellschafter hat, falls er die Stammeinlage voll

eingezahlt hat, das Recht, sich von der Zahlung des auf den Geschäftsanteil eingeforderten Nachschusses

dadurch zu befreien, dass er innerhalb eines Monats nach der Aufforderung zur Einzahlung den

Geschäftsanteil der Gesellschaft zur Befriedigung aus demselben zur Verfügung stellt (§ 27 Abs 1

dGmbHG). Der Gesellschafter haftet für den Nachschuss in diesem Fall nicht mehr mit seinem sonstigen

Vermögen, sondern nur mit dem Geschäftsanteil,1116

welcher von der Gesellschaft innerhalb eines Monats

nach der Abandon-Erklärung öffentlich versteigert werden muss (§ 27 Abs 2 dGmbHG). Ist dadurch keine

Befriedigung zu erlangen, so fällt der Geschäftsanteil der Gesellschaft zu (§ 27 Abs 3 dGmbHG). Gem Abs 4

leg cit kann die Anwendung des Preisgaberechts auf den Fall beschränkt werden, dass die auf den

Geschäftsanteil eingeforderten Nachschüsse einen bestimmten Betrag überschreiten.

1109

Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz16

, § 31 Rz 26. 1110

dBGBl I 2004, S. 3214. 1111

Priester/Mayer, Münchener Handbuch, 808f. 1112

Nur § 26 dGmbHG wurde durch das MoMiG stilistisch an die Aufgabe des Begriffs „Stammeinlage“ und

Einführung des „Geschäftsanteils“ angepasst. Demgegenüber wurden aber §§ 27 und 28 leg cit nicht angepasst, was

wohl als Redaktionsversehen zu werten ist. 1113

Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz16

, § 26 Rz 1, 2. 1114

Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz16

, § 26 Rz 3. 1115

Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz16

, § 27 Rz 1. 1116

Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz16

, § 27 Rz 1.

Page 163: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

147

Die Nachschusspflicht kann auch auf einen bestimmten Betrag beschränkt werden (§ 28 Abs 1 dGmbHG); in

diesem Fall findet im Fall verzögerter Einzahlung das Kaduzierungsverfahren der §§ 21-23 leg cit

Anwendung. Das gleiche gilt auch bei unbeschränkter Nachschusspflicht mit beschränktem Preisgaberecht

nach § 27 Abs 4 dGmbHG, soweit die Nachschüsse den im Gesellschaftsvertrag festgesetzten Betrag nicht

überschreiten.

Die gemischte Nachschusspflicht folgt bis zu einer bestimmten Höchstgrenze den Regeln der beschränkten,

darüber hinaus jenen der unbeschränkten Nachschusspflicht mit beschränktem Preisgaberecht.1117

6.3.4 § 33 dGmbHG: Erwerb eigener Geschäftsanteile

§ 33 dGmbHG wurde durch die Reform 2008 nicht verändert; nach seinem Abs 1 kann die Gesellschaft

eigene Geschäftsanteile, auf welche die Einlagen noch nicht vollständig geleistet sind, nicht erwerben oder

als Pfand nehmen. Jeder Art des Erwerbs oder der Inpfandnahme eigener Geschäftsanteile ist somit bei

sonstiger Nichtigkeit sowohl des Verpflichtungs- wie auch des Verfügungsgeschäfts ausgeschlossen.1118

§ 33 Abs 2 S 1 dGmbHG beschränkt den Erwerb voll eingezahlter Geschäftsanteile durch die

Gesellschaft:1119

die Gesellschaft muss zum einen das Entgelt für den Erwerb des Geschäftsanteils aus ihrem

freien, über den Betrag des Stammkapitals hinaus vorhandenen Vermögen erbringen; zum anderen muss sie

gem § 272 Abs 4 dHGB im nächsten Jahresabschluss eine besondere Rücklage bilden, sodass der erworbene

Geschäftsanteil bilanziell neutralisiert wird.1120

Eine Inpfandnahme eigener, voll eingezahlter Geschäftsanteile ist nach § 33 Abs 2 S 2 dGmbHG ebenfalls

nur eingeschränkt möglich: der Gesamtbetrag der durch diese Inpfandnahme gesicherten Forderungen oder

der Wert der verpfändeten Geschäftsanteile, falls dieser niedriger ist als der Gesamtbetrag der Forderungen,

dürfen nicht das freie Vermögen, also das über das Stammkapital hinausgehende Vermögen der GmbH,

übersteigen.1121

Als Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Regelungen des § 33 Abs 2 dGmbHG sieht § 33 Abs 2 S 3 leg cit

die Nichtigkeit des schuldrechtlichen Geschäfts vor; das dingliche Geschäft bleibt hingegen wirksam. Ein

Gutglaubenserwerb eines Dritterwerbers ist bei Weiterveräußerung also möglich.1122

§ 33 Abs 3 dGmbHG wurde mit 1.1.1995 durch das dUmwG vom 28.10.1994 an die beiden vorigen Absätze

angefügt.1123

Die Regelung erklärt den Erwerb eigener Geschäftsanteile in weiteren Fällen für zulässig: in

den Fällen der Umwandlung, und zwar der Fusion (§ 29 Abs 1 dUmwG), der Spaltung (§ 125 S 1 dUmwG)

und der formwechselnden Umwandlung (§ 207 Abs 1 dUmwG) ist der Erwerb eigener Geschäftsanteile

gegenüber § 33 Abs 2 dGmbHG erleichtert, da nur eine Rücklage gem § 272 Abs 4 dHGB gebildet werden

1117

Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz16

, § 26 Rz 3. 1118

Priester/Mayer, Münchener Handbuch, 380. 1119

Priester/Mayer, Münchener Handbuch, 382. 1120

Priester/Mayer, Münchener Handbuch, 382 mwN. 1121

Priester/Mayer, Münchener Handbuch, 383f. 1122

Priester/Mayer, Münchener Handbuch, 384. 1123

Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz16

, § 33 Rz 12.

Page 164: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

148

muss und der Erwerb auch mit Mitteln aus dem gebundenen Vermögen der Gesellschaft erfolgen kann,

sofern der Erwerb binnen sechs Monaten nach dem Wirksamwerden der Umwandlung oder nach der

Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung erfolgt.1124

Auch nicht voll eingezahlte Geschäftsanteile können

auf diesem Wege erworben werden, was für kapitalschwache Gesellschaften bedenklich ist: der Anspruch

der Gesellschaft auf die Leistung der restlichen Einlage erlischt beim Erwerb des Geschäftsanteils endgültig

durch Konfusion, sodass keine Rechtsgrundlage mehr für die Volleinzahlung auf den Geschäftsanteil

besteht.1125

6.3.5 § 49 Abs 3 dGmbHG: Verlust der Hälfte des Stammkapitals

Für die „klassische“ dGmbH1126

gilt, dass die Gesellschafterversammlung gem § 49 Abs 3 dGmbHG

unverzüglich einberufen werden muss, „wenn aus der Jahresbilanz oder aus einer im Laufe des

Geschäftsjahres aufgestellten Bilanz sich ergibt, dass die Hälfte des Stammkapitals verloren ist“. Diese Regel

konkretisiert die Einberufungspflicht im Gesellschaftsinteresse gem § 49 Abs 2 leg cit; im Gegensatz zum

bereits1127

behandelten § 36 Abs 2 des österreichischen GmbHG muss der Verlust der Hälfte des

statutarischen Stammkapitals in einer Bilanz ermittelt werden.1128

6.3.6 Eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen

Bis zum Inkrafttreten des MoMiG existierten im dGmbHG seit der Novelle des Jahres 1980 in §§ 32a, 32b

leg cit Regeln über Darlehen, die ein Gesellschafter der Gesellschaft in der Krise, dh in einem Zeitpunkt

gewährt hat, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten. Den

Anspruch auf Rückgewähr dieses Darlehens konnte der Gesellschafter im Insolvenzverfahren nur als

nachrangiger Insolvenzgläubiger geltend machen (§ 32a Abs 1 dGmbHG aF). Denn in der Insolvenz werden

die Eigenkapital ersetzenden Darlehen wie Eigenmittel der Gesellschaft behandelt und sollen ausschließlich

zur Befriedigung der außenstehenden Gesellschaftsgläubiger dienen. Das, was nach der Verteilung der

Masse unter diese Gläubigergruppe eventuell noch übrig bleibt, fällt an die Darlehensgeber.1129

Auch konnte

ein Dritter, der im Zeitpunkt der Krise ein Darlehen an die Gesellschaft gewährt hat und dem ein

Gesellschafter für die Rückgewähr eine Sicherung bestellt hat oder er sich dafür verbürgt hat, im

Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft nur für den Betrag verhältnismäßige Befriedigung

verlangen, mit dem er bei der Inanspruchnahme der Sicherung oder des Bürgen ausgefallen ist (§ 32a Abs 2

dGmbHG aF). Gleiches galt für einer Darlehensgewährung wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlungen

1124

Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz16

, § 33 Rz 12. 1125

Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz16

, § 33 Rz 13. 1126

Zur abweichenden Regelung (§ 5a Abs 4 dGmbHG) bei der UG s Kapitel 6.4.2.3. 1127

In Kapitel 4.2.8. 1128

Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz16

, § 49 Rz 13. 1129

Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz16

, § 32a/b Rz 14.

Page 165: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

149

eines Gesellschafters oder Dritten. §§ 32a, 32b dGmbHG galten jedoch nicht für den nicht

geschäftsführenden Gesellschafter, der mit 10 % oder weniger am Stammkapital beteiligt war; ebenso war

der Fall des Sanierungsversuchs durch einen Darlehensgeber, der in der Krise Geschäftsanteile zum Zweck

der Überwindung der Krise erwarb, vom gesetzlichen Eigenkapitalersatzrecht ausgenommen (§ 32a Abs 3

dGmbHG aF).

Diese Regeln wurden erst durch die Novelle von 1980 ins dGmbHG eingefügt. Zuvor entwickelte bereits die

Rsp im Laufe mehrerer Jahrzehnte eigene Regeln zu Eigenkapital ersetzenden Darlehen, die als

Finanzierungsinstrument seit langem das Rechtsinstitut der Nachschüsse (§§ 26ff dGmbHG) verdrängen

konnten.1130

Der Gesetzgeber distanzierte sich auch nach der Novelle von 1980 nicht von den Rsp-Regeln,

sodass bis zum Inkrafttreten des MoMiG am 1. November 2008 ein zweistufiges System zum

Eigenkapitalersatz vorhanden war:1131

die Regeln der Rsp waren neben §§ 30, 31 dGmbHG als zusätzlicher

Schutz der außenstehenden Gläubiger, die die Interna der Gesellschaft nicht überblicken können, gedacht

und waren daher unabhängig vom Eintritt der Gesellschaft in die Insolvenz anwendbar. Es handelte sich

dabei also um einen vorsorgenden, nicht unbedingt die Insolvenz betreffenden Schutz des

Gesellschaftsvermögens und mittelbar um einen Schutz der Gesellschaftsgläubiger.1132

Demgegenüber

betrafen die „Novellenregeln“ der §§ 32a, 32b dGmbHG nur die Fälle der Krise, also der Insolvenz, der

Gesellschaft. Solange die Gesellschaft sich in einer solchen Krise nicht befand, konnten

Gesellschafterdarlehen ohne rechtliche Folgen an den Darlehensgeber zurückgezahlt werden.1133

In der

Insolvenz waren allerdings mit der unrechtmäßigen Rückgabe anfechtungsrechtliche Folgen geknüpft: gem §

135 InsO aF konnte der Insolvenzverwalter die Rückzahlung anfechten.

Mit Inkrafttreten des MoMiG werden einerseits die Rechtsprechungsregeln aufgegeben: so ist gem § 30 Abs

1 S 3 dGmbHG nF das Ausschüttungsverbot von § 30 Abs 1 S 1 leg cit nicht auf die Rückgewähr von

Gesellschafterdarlehen oder wirtschaftlich entsprechender Rechtshandlungen anzuwenden. Dadurch entfällt

ein von der Rsp entwickelter Schutz des Gesellschaftsvermögens im Vorfeld der Krise und somit ein Teil des

Haftkapitalsystems der dGmbH.1134

Dafür wurden aber mit dem MoMiG die bisherigen gesetzlichen

Regelungen ausgebaut: das Problem von Gesellschafterdarlehen wurde in das dem Problem näherliegende

Insolvenzrecht eingefügt (§§ 39, 44a, 135 dInsO nF), dh Gesellschafterdarlehen werden seit Inkrafttreten des

MoMiG nur mehr im Insolvenzverfahren berücksichtigt; zudem werden nun alle Gesellschafterdarlehen,

ungeachtet des Zeitpunkts der Darlehensvergabe, einheitlich behandelt, und zwar nachrangig (§ 39 Abs 1 Z 5

dInsO nF). Darunter fallen also auch Darlehen, die lange vor der Insolvenz an die Gesellschaft gegeben, aber

von dieser nicht zurückgezahlt wurden.

Aus dem Gesagten ergibt sich also eine neue Zweistufigkeit: vor dem Insolvenzverfahren der Gesellschaft

können Darlehen zurückgezahlt werden; danach gilt aber (mit zwei Ausnahmen) für sämtliche Darlehen, die

1130

Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz16

, § 32a/b Rz 1. 1131

Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz16

, § 32a/b Rz 10. 1132

Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz16

, § 32a/b Rz 1, 11f. 1133

Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz16

, § 32a/b Rz 13. 1134

Vgl zutreffend Noack, Reform des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts: Das Gesetz zur Modernisierung des

GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen, DB 2006, 1481.

Page 166: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

150

jemals an die Gesellschaft geleistet wurden, absolute Nachrangigkeit; die Ausnahmeregelungen, nämlich das

schon bisher bekannte Kleinbeteiligten- und Sanierungsprivileg, und die Neufassung durch das MoMiG

werden näher in Kapitel 6.4.3.3 dargestellt.

Page 167: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

151

6.4 Das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von

Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008, dBGBl I 2008, S. 2026

6.4.1 Einführung und Entstehungsgeschichte

6.4.1.1 Erste Anfänge und Entwurf des MindestkapG 2005

Das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen, kurz

MoMiG1135

, stellt die umfassendste Novellierung des deutschen GmbH-Rechts seit Erlass des dGmbHG im

Jahr 1892 dar.1136

Zu Beginn der Entstehungsgeschichte des MoMiG stand jedoch nur eine Änderung im

Mittelpunkt der Reformvorhaben des deutschen Bundesministeriums der Justiz: die Absenkung des

Mindestkapitalbetrags. In Art 1 des Regierungsentwurfs eines „Gesetzes zur Neuregelung des

Mindestkapitals der GmbH“, der am 14. Juni 2005 in den Bundestag eingebracht wurde,1137

sollte, neben der

Einfügung der Abkürzung „GmbHG“ in die Überschrift des Gesetzes, folgende Änderung mit 1. Jänner 2006

in Kraft treten, wobei die Verabschiedung bis 30. Juni 2005 geplant war:1138

„In § 5 Abs. 1 wird das Wort

„fünfundzwanzigtausend“ durch das Wort „zehntausend“ ersetzt.“

Ziel dieser kurzen1139

Novelle, die eine Maßnahme zur Fortsetzung der „Agenda 2010“ der damaligen

deutschen Bundesregierung unter Gerhard Schröder darstellte, war die Erleichterung von

Existenzgründungen und die Stärkung der deutschen GmbH „im internationalen Wettbewerb der

Rechtsformen“, indem die Gründung einer deutschen GmbH erheblich erleichtert werden sollte. Dabei sollte

aber das „bewährte Haftkapitalsystem und die für den Gläubigerschutz sinnvolle Seriositätsschwelle eines

gesetzlichen Startkapitals“ keineswegs ganz aufgegeben werden.1140

Der Gesetzentwurf zum MindestkapG war nicht der erste Versuch, die Reformbestrebungen im GmbH-Recht

zu konkretisieren: bereits am 30. November 2004 sah der Entwurf eines „zur Bekämpfung von

Missbräuchen, zur Neuregelung der Kapitalaufbringung und zur Förderung der Transparenz im GmbH-Recht

(MiKaTraG)“ die völlige Streichung des bisherigen Mindestkapitals von € 25.000 vor; allein der

Gesellschaftsvertrag sollte die Höhe des Stammkapitals regeln. Der Entwurf wurde jedoch nicht

veröffentlicht und bald durch das MindestkapG ersetzt.1141

1135

dBGBl I 2008, S. 2026. 1136

So Fleischer, 100 Jahre GmbH-Reform und 100 Jahre GmbH-Rundschau, GmbHR 2009, 11 mwN. 1137

Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Mindestkapitals der GmbH (MindestkapG), Deutscher Bundestag, 15.

Wahlperiode, Drucksache 15/5673 vom 14.6.2005. 1138

Mellert, BB-Forum: Das MindestkapG – Hoffentlich aufgehoben und nicht aufgeschoben, BB 2005, 1809. 1139

Zuvor waren im Referentenentwurf zum MindestkapG vom 15. April 2005 neben der Herabsenkung des

Mindestkapitals auf € 10.000 und der Textierung der Überschrift mit „GmbHG“ noch drei weitere Maßnahmen

vorgesehen, und zwar vor allem die Angabe des Stammkapitalbetrags bzw des Liquidationsstadiums auf den

Geschäftsbriefen sowie Bußgeldvorschriften für Geschäftsführer und Liquidatoren bei Verstoß gegen diese

Maßnahmen; s Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Mindestkapitals der GmbH (MindestkapG)

vom 15.4.2005, abrufbar unter http://www.dnoti.de/DOC/2005/Entwurf_MindestkapG.pdf. 1140

Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Mindestkapitals der GmbH (MindestkapG), BT-Drucks. 15/5673, 1. 1141

Kieninger, Aktuelle Entwicklungen des Wettbewerbs der Gesellschaftsrechte, German Working Papers in Law and

Economics, Paper 14/2007, abrufbar unter: http://www.bepress.com/cgi/viewcontent.cgi?article=1183&context=gwp,

12f.

Page 168: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

152

Beide Entwürfe gründen sich auf einen Beschluss der Konferenz der Justizminister der deutschen

Bundesländer: im November 2002 wurde das Bundesministerium der Justiz in diesem Beschluss gebeten zu

prüfen, „ob und inwieweit das Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung insbesondere vor dem

Hintergrund der zunehmenden Insolvenzen reformbedürftig ist“.1142

Als knapp ein Jahr später, am 30.

September 2003, der EuGH in der Rs „Inspire Art“ entschied und sich im weiteren Verlauf bis 2005 die

Rechtsform der Limited in Deutschland etablierte, wurde das Reformvorhaben nur noch dringlicher

behandelt. Dazu kam nicht zuletzt auch der Blick auf die anderen Mitgliedstaaten der EU: Frankreich hat

bereits 2003 die Ein-Euro-SARL eingeführt, Spanien im selben Jahr die „Sociedad Limitada Nueva

Empresa“, nur um die beiden frühesten Einführungen von „Billig-GmbHs“ in europäischen Ländern zu

erwähnen.

Zwar mangelte es nicht an Reformvorschlägen etwa von Seiten der Landesjustizverwaltungen und der

Wissenschaft; „mit Blick auf die EuGH-Rechtsprechung und den zunehmenden Wettbewerb der

Gesellschaftsrechtsformen in Europa“1143

sollte aber zunächst nur das Dringlichste erledigt werden, nämlich

die Erhaltung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der dGmbH. Dies war nach Ansicht des

Bundesministeriums der Justiz nur durch eine Herabsenkung des Mindestkapitalsbetrags möglich. Erst in

einem zweiten Gesetz sollte eine umfassendere Reform des GmbH-Rechts, etwa zur Bekämpfung von

Missbräuchen, in Angriff genommen werden.1144

Die Herabsenkung des Mindeskapitalbetrags auf € 10.000 sollte die Seriosität einer GmbH-Gründung auch

weiterhin gewährleisten; auch mit € 10.000 als Startkapital sollte verhindert werden, „dass Geschäftsrisiken

in der Gründungsphase sofort zur Gläubigerschädigung führen müssten“. Andererseits sollten

Kleinunternehmer und Existenzgründer leichter eine GmbH gründen können. Dabei wurde vor allem auf die

überwiegende Mehrzahl der Gründungen geachtet, die zu ca 85 % als Dienstleistungsunternehmen geführt

werden und in den meisten Fällen bereits mit geringem Startkapital auskommen.1145

Der Entwurf zum MindestkapG von 2005 wurde jedoch von der Wissenschaft kritisiert: der Entwurf sei ein

„unüberlegter Schnellschuss“1146

und die Herabsetzung des Mindeststammkapitals eine „aus der Not

geborene rechtspolitische Strategie“.1147

Nach dem (aus der Medizin stammenden) Motto „ut aliquid fiat“,

damit also (überhaupt) irgendetwas geschehen möge, würden durch den Entwurf Gesellschaften, die bislang

nicht für „GmbH-mündig“ gehalten wurden, nunmehr in die Rechtsform der GmbH eingeladen, „nur damit

sie nicht in die Rechtsform der Limited ausweichen“,1148

was aber aufgrund der auch nach einer Reform

durch das MindestkapG teureren GmbH im Vergleich zur 1-Euro-Limited zu befürchten sei. Die

Herabsetzung wurde also als „halbherzig“ kritisiert, wenn es das Ziel des Entwurfs sei, die Attraktivität der

1142

Zitiert nach Fleischer, 100 Jahre GmbH-Reform und 100 Jahre GmbH-Rundschau, GmbHR 2009, 10 mwN. 1143

Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Mindestkapitals der GmbH (MindestkapG), BT-Drucks. 15/5673, 3. 1144

Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Mindestkapitals der GmbH (MindestkapG), BT-Drucks. 15/5673, 3. 1145

Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Mindestkapitals der GmbH (MindestkapG), BT-Drucks. 15/5673, 4. 1146

So nachträglich nach Scheitern des Entwurfs Triebel/Otte, Reform des GmbH-Rechts: MoMiG – ein vernünftiger

Schritt zur Stärkung der GmbH im Wettbewerb oder Kompromiss auf halber Strecke?, ZIP 2006, 1321. 1147

Schmidt, … ut aliquid fiat – Von der „GmbH-Reform 2005“ zum Referentenentwurf eines Mindestkapitalgesetzes,

DB 2005, 1095. 1148

Schmidt, … ut aliquid fiat, 1095, 1097.

Page 169: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

153

GmbH gegenüber der Limited zu steigern. Eine Attraktivitätssteigerung der GmbH für den Mittelstand, in

dem die Limited damals langsam Fuß fasste, sei laut Kritik nicht bedacht worden.1149

Die weitere Diskussion um das MindestkapG erübrigte sich, da Ende Juli 2005 der 15. Deutsche Bundestag

vorzeitig aufgelöst wurde und nach den Neuwahlen im September 2005 eine neue Regierung unter Angela

Merkel zustande kam.1150

6.4.1.2 Die Reformdiskussion vom Herbst 2005 bis zum MoMiG-Referentenentwurf vom 29.5.2006

Nachdem der Deutsche Bundesrat in seiner 814. Sitzung vom 23. September 2005 den Entwurf zum

MindestkapG offiziell abgelehnt hat, mit der Begründung, es würde aus einer Gesamtreform „sachwidrig ein

Teilbereich herausgegriffen“ und außerdem sei zunächst ein „Paradigmenwechsel von der überkommenen

Sitz- zur Gründungstheorie“ notwendig,1151

konnte die Reformarbeit unter der neuen Regierung in der 16.

Legislaturperiode weiterverfolgt werden. Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vom 11. November

2005 waren die grundlegenden Ziele einer großen GmbH-Reform festgelegt: Unternehmensgründungen

sollen „nachhaltig erleichtert und beschleunigt“ werden, „die Attraktivität der GmbH als Unternehmensform

(soll) auch im Wettbewerb mit ausländischen Rechtsformen gesteigert sowie Missbräuche bei Insolvenzen

bekämpft werden.“1152

Eine Anpassung des Mindestkapitalbetrags an die Inflation wie in den bisherigen GmbH-Novellen, etwa in

der Novelle 1980, kam somit angesichts der EuGH-Rechtsprechung und der daraus folgenden zunehmenden

Verbreitung der Limited in Deutschland nicht mehr in Frage: ein Ausgleich der Inflation seit 1980 hätte etwa

ein doppeltes Mindestkapital erfordert.1153

Vielmehr kam es zunächst wieder zu einem „Würfelspiel um die

richtige Zahl“, wie schon in der Diskussion gegen Ende des 19. Jahrhunderts.1154

Dabei diente vor allem der

Betrag von € 10.000 aus dem kritisierten MindestkapG als Maßstab.

An Vorschlägen von der Gründung bis zur Bestattung der GmbH mangelte es in der Diskussion nicht:

Grunewald/Noack waren für die Herabsetzung des Stammkapitals der dGmbH auf 1 Euro, wobei aber im

Interesse der Gläubiger ein Ausweis des Stammkapitalbetrags auf den Geschäftsbriefen der Gesellschaft

erfolgen müsse;1155

Vossius/Wachter waren in ihrem Ende 2005 veröffentlichten Privat-Entwurf zur GmbH-

Reform für eine Beibehaltung des Mindeststammkapitals von € 25.000.1156

Außerdem war es für den Bereich

der Kapitalerhaltung als notwendig erachtet worden, eine Klarstellung im Bereich der Darlehenshingabe an

1149

Mellert, BB-Forum: Das MindestkapG – Hoffentlich aufgehoben und nicht aufgeschoben, BB 2005, 1810. 1150

Vgl Fleischer, 100 Jahre GmbH-Reform und 100 Jahre GmbH-Rundschau, GmbHR 2009, 10. 1151

Bundesrat, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Mindestkapitals der GmbH

(MindestkapG) vom 23.09.2005, Drucksache des Bundesrats 619/05 (Beschluss), 1. 1152

Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vom 11. November 2005, 143, abrufbar unter

http://www.bundesregierung.de/Content/DE/__Anlagen/koalitionsvertrag,property=publicationFile.pdf. 1153

Grunewald/Noack, Zur Zukunft des Kapitalsystems der GmbH – Die Ein-Euro-GmbH in Deutschland, GmbHR

2005, 190 mwN. 1154

Dazu schon Kapitel 5.1.4 und Thiessen, Transfer von GmbH-Recht im 20. Jahrhundert, 456 mwN. 1155

Grunewald/Noack, Zur Zukunft des Kapitalsystems der GmbH, 193. 1156

Vossius/Wachter, Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Rechts der Gesellschaften mit beschränkter Haftung

(GmbH-Reformgesetz – GmbHRG), abrufbar unter http://www.gmbhr.de/volltext.htm.

Page 170: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

154

Gesellschafter vorzunehmen, insb im Bereich des Cash-Poolings, in dem durch die „November“-Rsp des

BGH1157

die rein bilanzielle Betrachtungsweise aufgegeben wurde.1158

Als, soweit ersichtlich, erster Entwurf sah jener des Justizministeriums Nordrhein-Westfalen vom 1. Februar

20061159

die Einführung einer Sonderform der GmbH „als attraktives Gegenmodell“ zur Limited vor.1160

Die

in §§ 12a-f dGmbHG zu implementierende sog „Basisgesellschaft mit beschränkter Haftung“, kurz „Basis-

GmbH“, sollte ein Mindeststammkapital von € 2.500 aufweisen (§ 12d des Entwurfs); eine

Kapitalherabsetzung war nach § 12g des Entwurfs ausgeschlossen. In § 12h des Entwurfs wurde die

„Überleitung“ in eine GmbH bei Erhöhung des Stammkapitalbetrags der „Basis-GmbH“ auf jenen der

„klassischen“ GmbH, sohin € 25.000, festgelegt. Außer der Ermächtigung zum Erlass einer Mustersatzung

per Rechtsverordnung in § 3 des Entwurfs sah der Referentenentwurf keine weiteren Änderungen im

dGmbHG vor.

Ein Vorschlag zur Erweiterung des Numerus Clausus im deutschen Gesellschaftsrecht kam direkt aus dem

Bundestag: Gehb/Drange/Heckelmann stellten in einem Aufsatz zu Beginn des Jahres 20061161

das Konzept

einer sog „Unternehmensgründergesellschaft (UGG)“ vor, die als völlig neue Gesellschaftsform neben der

GmbH eingerichtet werden sollte, wobei das Mindestkapital der UGG entweder völlig abgeschafft oder auf

den symbolischen Betrag von 1 Euro reduziert werden sollte; Letzteres hätte „den Charme (gehabt), dass das

Kapitalerhaltungssystem der GmbH im Übrigen übernommen werden“ hätte können.1162

In beiden Fällen

käme dem Kapitalerhaltungssystem der UGG eine zentrale Rolle zu; im Falle einer Unterbilanz sollten

Regelungen wie in §§ 30ff dGmbHG eingreifen; die Beibehaltung des Kapitalerhaltungssystems wurde in

der Diskussion also eher befürwortet als die Beibehaltung des Mindestkapitals. Zur Abschaffung des

Mindestkapitals führten die Autoren des UGG-Vorschlags aus, dass dies für kleine Unternehmen, etwa

Dienstleistungsunternehmen, die ca 85 % der Neugründungen von Kapitalgesellschaften ausmachen, von

Vorteil sei: ein Mindestkapitalerfordernis sei für die meisten Gesellschaften aus dem tertiären Sektor nur

eine finanzielle Last, da der Stammkapitalbetrag zwar sofort investiert werden könne, dieses Bedürfnis aber

bei kleinen Unternehmen nicht vorhanden sei.1163

Eine neue Gesellschaftsform könnte hier Abhilfe schaffen.

Eine Reform der dGmbH alleine sei jedenfalls zu wenig, um im Kampf gegen die Limited bestehen zu

können.1164

Ende März 2006 folgte aus dem bayerischen Staatsministerium der Justiz der nächste Lösungsvorschlag1165

im Kampf gegen die Limited: Ziel dieses Entwurfs war die Einführung eines im dHGB verankerten

1157

S dazu in den Kapiteln 4.2.4 sowie 6.4.3.2. 1158

Grunewald/Noack, Zur Zukunft des Kapitalsystems der GmbH, 193 mwN. 1159

Justizministerium Nordrhein-Westfalen, Referentenentwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung der Gründung einer

Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GVGG), 1. Februar 2006, abrufbar unter: http://www.polixea-portal.de/. 1160

Justizministerium Nordrhein-Westfalen, Referentenentwurf, 2. 1161

Dr. Jürgen Gehb ist rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Mitglied des Bundestags;

Gehb/Drange/Heckelmann, Gesellschaftsrechtlicher Typenzwang als Zwang zu neuem Gesellschaftstyp, NZG 2006,

88. 1162

Gehb/Drange/Heckelmann, Gesellschaftsrechtlicher Typenzwang, NZG 2006, 93. 1163

Gehb/Drange/Heckelmann, Gesellschaftsrechtlicher Typenzwang, NZG 2006, 92. 1164

Gehb/Drange/Heckelmann, Gesellschaftsrechtlicher Typenzwang, NZG 2006, 94, 96. 1165

Bayerisches Staatsministerium der Justiz, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Kaufmanns mit beschränkter

Haftung vom 30.3.2006, abrufbar unter: http://www.polixea-portal.de/.

Page 171: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

155

„Kaufmanns mit beschränkter Haftung“. Dieses (vor allem durch Oskar Pisko 1910 entwickelte1166

)

Rechtsinstitut schlug man aus dem Gedanken heraus vor, dass die Förderung der Existenzgründung „durch

eine Modifizierung der GmbH allein nicht erreicht werden“ kann.1167

Ähnliche Gedanken hatte Drygala mit

einem Entwurf zur Einführung einer Kommanditgesellschaft mit beschränkter Haftung.1168

Alle Reformvorschläge zur Einrichtung einer Sonderrechtsform neben der GmbH wussten nach Schmidt1169

um die „rechtspolitische Herausforderung“, die in einer Deregulierung und Stärkung der

Wettbewerbsfähigkeit der GmbH einerseits und einer „Wahrung des Schutzniveaus“ und des Ansehens der

deutschen Kapitalgesellschaften andererseits bestanden; aus diesem Grund sollte eine spezielle Rechtsform

eingerichtet werden, die die „Schutzhöhe des GmbH-Rechts“ zumindest nicht elementar antasten würde, da

in diesem Fall die Gefahr eines Discount-Produkts einer „GmbH light“ bestehe.1170

6.4.1.3 Der MoMiG-Referentenentwurf vom 29.5.2006

Der Referentenentwurf vom 29. Mai 2006 über ein Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur

Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)1171

nahm die erwähnten Vorschläge zur Einführung von

Sonderformen der GmbH oder allgemein neuen Rechtsformen nicht auf. Vor allem die Einrichtung eines

„Kaufmanns mit beschränkter Haftung“ schien in der Literatur zwar reizvoll, aber doch zu kompliziert und

daher zu wenig praktikabel.1172

Unter dem Motto „Zeit für Gründer“ sollte mit der Reform durch das MoMiG die Rechtsform der GmbH für

den Mittelstand attraktiver gestaltet und so der Wirtschaftsstandort Deutschland im Allgemeinen gestärkt

werden. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries stellte ein Drei-Säulen-Modell vor: erstens sollte die

Gründung von dGmbHs „deutlich leichter und schneller möglich“ sein; zweitens sollte die dGmbH im

„internationalen Wettbewerb“ bestehen; und drittens werde den Gläubigern ein besserer Schutz „in Fällen

der Krise und der Insolvenz“ gegeben.1173

Die ersten beiden Punkte wurden vor allem durch die Übernahme1174

des Entwurfs zum MindestkapG in den

umfassenderen Referentenentwurf des MoMiG realisiert: das Mindeststammkapital der dGmbH sollte auf €

10.000 herabgesenkt werden, um dem „Wandel des Wirtschaftslebens Rechnung“ zu tragen.1175

Die

zunehmende Kritik von Praxis und Wissenschaft an Höhe und Sinnhaftigkeit des bisherigen

Mindeststammkapitals rechtfertige diese Maßnahme; die Funktion als Seriositätsschwelle sollte dadurch aber

1166

Dazu näher Schmidt, Brüderchen und Schwesterchen für die GmbH? – Eine Kritik der Vorschläge zur Vermehrung

der Rechtsformen, DB 2006, 1097 FN 31. 1167

Bayerisches Staatsministerium der Justiz, Entwurf, 12. 1168

Weitere Beispiele s Seibert, Das MoMiG und der GRÜNE Vorschlag einer PmbH, GmbHR 2007, R 33. 1169

Schmidt, Brüderchen und Schwesterchen für die GmbH?, DB 2006, 1096. 1170

Schmidt, Brüderchen und Schwesterchen für die GmbH?, DB 2006, 1096 mwN. 1171

Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen

(MoMiG) vom 29.5.2006, abrufbar unter: http://www.gmbhr.de/heft/13_06/MoMiG_RefE_290506.pdf. 1172

Schmidt, Brüderchen und Schwesterchen für die GmbH?, DB 2006, 1097. 1173

Zypries, Zeit für Gründer – die GmbH-Reform, BB-Special 7, Heft 37, 2006, 1. 1174

So ausdrücklich Referentenentwurf MoMiG vom 29.5.2006, 33. 1175

Zypries, Zeit für Gründer, BB-Special 7, Heft 37, 2006, 1.

Page 172: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

156

nicht beeinträchtigt werden. Ein Betrag von € 10.000 befinde sich im europäischen Vergleich in

angemessenem Rahmen.1176

Die Festlegung dieses willkürlichen Mindestkapitalbetrags1177

(der nominell dem Stand vor der GmbH-

Novelle 1980 entspricht, als 20.000 DM vorgeschrieben waren1178

) rief verständlicherweise dieselbe Kritik

wie jene zum MindestkapG hervor: die Herabsetzung des Mindestkapitals auf € 10.000 sei „halbherzig“ und

ein „fauler Kompromiss“, der „die GmbH für Investoren nicht attraktiver“ mache.1179

Gelobt wurde hingegen

eine weitere Maßnahme des umfassenden Reformentwurfs: die Regelung über die Stammeinlage wurde

flexibler gestaltet. Demnach sollten die Gesellschafter die Größe der Stammeinlagen individuell bestimmen

können. Bislang lautete die Stammeinlage auf € 100; darauf wurde im Referentenentwurf verzichtet, ebenso

wie auf die zwingende Aufteilung in Einheiten von je € 50 und auf das Verbot der Übernahme mehrerer

Stammeinlagen bei Errichtung der Gesellschaft gem § 5 Abs 2 dGmbHG aF.1180

Da das Erfordernis der

Einzahlung der Hälfte des Mindestkapitals vor der Anmeldung der GmbH zur Eintragung aufrechterhalten

wurde, konnte nach dem Referentenentwurf eine dGmbH mit einem Betrag von € 5.000 gegründet

werden.1181

Auch das Recht der Kapitalerhaltung im dGmbHG wurde bereits im Referentenentwurf geändert: einerseits

sollte § 30 Abs 1 geändert, andererseits die §§ 32a, b dGmbHG aufgehoben und in das Insolvenzrecht

verlagert werden. In diesen Bereichen sollten Rechtsunsicherheiten beseitigt werden, die durch die

Rechtsprechung des BGH entstanden sind. Diese Reformpunkte werden in Kapitel 6.4.3 ausführlich erläutert

werden. Anzumerken ist hierbei, dass die in der Literatur geforderte Abschaffung des bilanziellen

Kapitalschutzes und die Einführung des Solvenztests nach angloamerikanischer Prägung, wonach nicht die

Deckung des Stammkapitals, sondern eine Prognose über die Liquidität der Gesellschaft über die

Zulässigkeit von Ausschüttungen entscheiden soll, nicht durchgesetzt wurde; vielmehr blieb es bei der

grundsätzlich bilanziellen Anknüpfung in § 30 dGmbHG.1182

Als einzige „Andeutung“ eines

Solvenzschutzsystems kann man aber den letztlich auch Gesetz gewordenen § 64 S 3 dGmbHG nF ansehen,

wonach die Geschäftsführer auch dann der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen an Gesellschafter

verpflichtet sind, wenn diese „zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten“, es sei denn, dies

war auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns nicht erkennbar. Das

Zahlungsverbot des § 64 S 1 dGmbHG nF für Zahlungen an beliebige Gläubiger nach Eintritt der

Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung wird dahingehend

1176

So ausdrücklich Referentenentwurf MoMiG vom 29.5.2006, 38. 1177

So Schmidt, … ut aliquid fiat, 1095, 1097. 1178

Unter Außerachtlassung der Inflation; s Bormann, Der Entwurf des „MoMiG“ und die Auswirkungen auf die

Kapitalaufbringung, GmbHR 2006, 1022 mwN; Noack, Reform des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts, DB 2006,

1475f. 1179

Triebel/Otte, Reform des GmbH-Rechts, ZIP 2006, 1322. 1180

Triebel/Otte, Reform des GmbH-Rechts, ZIP 2006, 1322. 1181

Noack, Reform des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts, DB 2006, 1476. 1182

Schmidt, GmbH-Reform, Solvenzgewährleistung und Insolvenzpraxis – Gedanken zum MoMiG-Entwurf, GmbHR

2007, 4 mwN.

Page 173: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

157

verschärft, dass dieses Verbot für den Fall von Zahlungen an Gesellschafter bereits vor der materiellen

Insolvenz gilt, wenn diese Zahlungen die Insolvenz auslösen.1183

Zahlreiche weitere Änderungen im Referentenentwurf haben den Kampf gegen Missbräuche in der Krise und

Insolvenz zum Ziel; unter dem Stichwort „Bestattungsunwesen“1184

entwickelte sich vor der Reform

allmählich eine eigene „Branche“, die die „in Schwierigkeiten geratenen GmbHs zum Nachsehen der

Gläubiger“ geräuschlos beseitigten, indem kurz vor der Insolvenz die Firma der alten Gesellschaft leicht

geändert und ihr Sitz an einen entlegenen Ort verlegt wurde, sodass die Gesellschaft an einem fremden Ort

unter fremdem Namen – und somit ohne Insolvenzverfahren – „starb“ (ein Werbespruch eines derartigen

Anbieters lautete demnach „(l)ieber in Würde bestattet, als amtlich verscharrt“).1185

Vor allem sollte durch

die neuen Maßnahmen die Verhinderung von Zustellungen an die GmbH durch Schließen des

Geschäftslokals oder Untertauchen erschwert werden; gem § 8 Abs 4 dGmbHG besteht nach dem

Referentenentwurf die Pflicht, eine im Handelsregister einsehbare Zustellungsadresse einzutragen.1186

Ein

Unterlaufen der Insolvenzantragspflicht durch ein „Abtauchen“ der Geschäftsführer sollte etwa durch die

Neuregelung des § 64 Abs 1 dGmbHG erschwert werden: demnach muss nunmehr jeder Gesellschafter bei

„Führungslosigkeit“ der dGmbHG an Stelle der Geschäftsführer einen Insolvenzantrag stellen.1187

Neben diesen Änderungen unter dem Schlagwort „Missbrauchsbekämpfung“ wurde mit dem

Referentenentwurf des MoMiG eine Deregulierung und Modernisierung des deutschen GmbH-Rechts

angestrebt. Maßnahmen wie der Verzicht auf die Vorlage einer staatlichen Genehmigungsurkunde als

Voraussetzung der Eintragung von Gesellschaften, die ein genehmigungspflichtiges Unternehmen betreiben

wollen, gem § 8 Abs 1 Z 6 dGmbHG (stattdessen konnte nach dem Referentenentwurf auch eine

Versicherung abgegeben werden, dass die Genehmigung bei der zuständigen Stelle beantragt wurde, § 8 Abs

2 dGmbH idF Referentenentwurf 2006) sollten die Gründung maßgeblich erleichtern.1188

Neben diesen Regeln, die die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, die Erleichterung der Gründung und die

Missbrauchsbekämpfung einer dGmbH zum Ziel haben, hatte der Referentenentwurf etwa mit der

Verbesserung der Mobilität auch die Aktiengesellschaft im Visier: der erst 1999 eingefügte § 4a Abs 2

dGmbHG wurde ebenso wie die Parallelnorm in § 5 Abs 2 dAktG gestrichen. Nach diesen Regelungen

musste der Verwaltungssitz einer deutschen Kapitalgesellschaft mit dem Satzungssitz übereinstimmen.

Durch die Löschung dieser Normen soll jede Anknüpfung von Satzungssitz und Gesellschaftsaktivität

aufgegeben werden.1189

Letztlich soll also nicht nur eine Mobilität der Gesellschaft innerhalb Deutschlands

(gem § 4a dGmbHG idF MoMiG ist nunmehr der Sitz einer Gesellschaft „im Inland“ gelegen), sondern auch

der Wegzug ins Ausland gewährleistet werden. Die Streichung der beiden Normen ist somit eine (zumindest

1183

Schmidt, GmbH-Reform, Solvenzgewährleistung und Insolvenzpraxis, GmbHR 2007, 5f mwN. 1184

Fleischer, 100 Jahre GmbH-Reform und 100 Jahre GmbH-Rundschau, GmbHR 2009, 10. 1185

Seibert, GmbH-Reform: Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur

Bekämpfung von Missbräuchen – MoMiG, ZIP 2006, 1158, 1164 mwN. 1186

Seibert, GmbH-Reform: Referentenentwurf, ZIP 2006, 1164f. 1187

Seibert, GmbH-Reform: Referentenentwurf, ZIP 2006, 1166. 1188

Seibert, GmbH-Reform: Referentenentwurf, ZIP 2006, 1164. 1189

Peters, Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes der GmbH ins Ausland – Aufgabe der Sitztheorie durch das

MoMiG?, GmbHR 2008, 245.

Page 174: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

158

in-)direkte Folge der besprochenen Rechtsprechung des EuGH zu „Centros“, „Überseering“ und „Inspire

Art“ – und folgt dem bereits erwähnten Motto: „Wenn der Zuzug einer ausländischen Kapitalgesellschaft ins

Inland möglich ist, soll auch der Wegzug einer inländischen Kapitalgesellschaft ins Ausland möglich sein“.

Obwohl dieses Motto vom EuGH im Fall „Cartesio“ nicht konsequent verfolgt wurde, sollten aber nach der

Konzeption des MoMiG deutsche Kapitalgesellschaften in ihrer Mobilität jedenfalls ausländischen

Kapitalgesellschaften, deren Rechtssystem einen Wegzug ermöglicht, nicht unterlegen sein.1190

Dies soll

nicht nur im Vergleich zu anderen Kapitalgesellschaften aus dem EU-Raum, sondern auch zu anderen

Kapitalgesellschaften aus Drittstaaten gelten: zwar wurde die im deutschen Kollisionsrecht geltende

Sitztheorie durch das MoMiG1191

nicht aufgegeben, wodurch der Zuzug von Gesellschaften aus Drittstaaten

ohne bilaterale Abkommen auch nach der Reform durch das MoMiG nicht möglich sein wird. Der Wegzug

einer deutschen Gesellschaft in EU- sowie Drittstaaten wird jedoch möglich sein, wobei bei Drittstaaten

mangels bilateraler Abkommen wiederum die Kollisions- und Sachrechtslage dieses Staates geprüft werden

muss, ob also der Drittstaat der Gründungs- oder der Sitztheorie folgt bzw ob er auch materiellrechtliche

Anforderungen an eine zuziehende Gesellschaft stellt.1192

6.4.1.4 Vom Referentenentwurf im Mai 2006 bis zum Regierungsentwurf im Mai 2007

Nach Veröffentlichung des Referentenentwurfs war zunächst eine Phase der Deliberation des Entwurfs von

Seiten der Unternehmenspraxis anberaumt; noch für Herbst 2006 war ein Regierungsentwurf geplant, der

bereits am 1. Oktober 2007 Gesetz werden sollte.1193

Nicht zuletzt aufgrund der „im Gesellschaftsrecht wohl

einmalig(en)“1194

Vielzahl an Reformpunkten und der daraus entstehenden Alternativvorschläge konnten

diese Termine nicht eingehalten werden. Die Grundsätze der Reform wurden dabei überwiegend als positiv

wahrgenommen.1195

Die Detailfragen, etwa zur Herabsetzung des Mindestkapitals, wurden kritisiert, wie

bereits erwähnt wurde. Auch mehrten sich die Stimmen hinsichtlich eines Themas, das im Referentenentwurf

noch nicht behandelt wurde: die Einrichtung einer speziellen Unterform der dGmbH neben der „klassischen“

Variante. Angesichts des damals weiterhin zunehmenden Wettbewerbsdrucks, der von der Limited ausging,

sprach sich Lutter im September 2006 für eine Erweiterung der GmbH-Reform in Gestalt der Einführung

einer neuen Gesellschaftsform neben der dGmbH aus.1196

Es sei an der Zeit, den Wettbewerb mit der Limited

anzunehmen und die deutschen Unternehmer von den eigenen Angeboten an Rechtsformen unter dem Motto

„buy German“ zu überzeugen; auch aufgrund praktischer Erwägungen, etwa der Aufrechterhaltung der

1190

Vgl Referentenentwurf MoMiG vom 29.5.2006, 37. 1191

Vgl aber zu aktuellen Bestrebungen des deutschen Gesetzgebers in Kapitel 3.4.4.4. 1192

Peters, Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes, GmbHR 2008, 248f. 1193

Noack, Reform des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts, DB 2006, 1475. 1194

So zum legislativen „Signal“ der Korrektur der höchstrichterlichen Rechtsprechung in 3 neuralgischen Bereichen,

nämlich der Kapitalaufbringung („Hin- und Herzahlen“, Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen), Kapitalerhaltung

(Cash-Pooling) und dem Kapitalersatz (Gesellschafterdarlehen, Überschuldungsstatus) s Noack, Der

Regierungsentwurf des MoMiG – Die Reform des GmbH-Rechts geht in die Endrunde, DB 2007, 1395. 1195

Noack, Der Regierungsentwurf des MoMiG, DB 2007, 1396. 1196

Lutter, Für eine Unternehmer-Gesellschaft (UG) – Zur notwendigen Erweiterung der geplanten GmbH-Reform,

BB-Special 7, Heft 37, 2006, 2.

Page 175: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

159

„Qualität für den Rechtsverkehr auf dem Boden der Bundesrepublik“ sowie der Erhaltung der Unternehmen

als Klientel des deutschen Rechtsstabs sollten die im Inland tätigen Unternehmen möglichst solche des

eigenen nationalen Rechts sein.1197

Die vorgeschlagene Absenkung des Mindestkapitals auf € 10.000 sei

jedoch (im Vergleich zu einer „Null-Lösung“) nicht geeignet, im Wettbewerb mit der Limited bestehen zu

können.1198

Um die dGmbH an die Limited anzupassen, müsste eine gänzliche Verlagerung des

unternehmerischen Risikos auf die Gläubiger in Form einer grundlegenden Reform des dGmbHG

stattfinden; dies würde allerdings nach Meinung von Lutter die Rechtsordnung im Konflikt nicht

akzeptieren, da es sich hierbei um einen Paradigmenwechsel handelte: das Recht der Limited unterliege einer

anderen „Philosophie“ als jenes der dGmbH. Die Gesellschafter einer dGmbH befänden sich in einem

„sicheren Hafen“, da sie in der Insolvenz ihr Investment verlieren mögen, weitere Risiken würden sie aber

nicht treffen (gem § 13 Abs 2 dGmbHG haftet für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern nur

das Gesellschaftsvermögen).1199

Dieser sichere Hafen ginge für eine Million bestehende deutsche GmbHs

(aber auch künftigen Unternehmern) bei einer gänzlichen Umstrukturierung des dGmbHG verloren.1200

Lutter schlug daher die Einrichtung einer völlig von der dGmbH verschiedenen, eigenen Rechtsform vor; sie

dürfe keine Variante der dGmbH sein, „denn sonst trüge sie deren Altlasten mit“.1201

Der Vorschlag von

Lutter wurde im weiteren Gesetzgebungsverlauf zumindest im Hinblick auf die Namensgebung

(„Unternehmer-Gesellschaft (UG)“) aufgegriffen. Eine völlig neue Gesellschaftsform wollte der Gesetzgeber

jedoch nicht verwirklichen. Ebenso wollte man aber auch keinen Paradigmenwechsel bei der „klassischen

GmbH“, obwohl Lutters Argument des sicheren Hafens für eine Million bestehende deutsche GmbHs mittels

Übergangsregelungen durchaus hätte entkräftet werden können.

6.4.1.5 Der Regierungsentwurf zum MoMiG vom 23. Mai 2007

Vielmehr schlug der Gesetzgeber bei der Konzipierung der sog „Unternehmergesellschaft

(haftungsbeschränkt)“, der wichtigsten1202

Neuerung des MoMiG-Regierungsentwurfs gegenüber dem

Referentenentwurf, einen Mittelweg ein. Die UG (haftungsbeschränkt), im Folgenden kurz „UG“ genannt,

wurde als Variante der dGmbH in § 5a dGmbHG verankert. Während das Stammkapital der „klassischen“

dGmbH auch noch im Regierungsentwurf von € 25.000 auf € 10.000 herabgesenkt wurde,1203

sollte die neu

eingeführte UG als „kleine GmbH“ mit einem Stammkapital von einem Euro gegründet werden können.

Eine generelle Aufgabe des Mindeststammkapitals der „klassischen“ dGmbH wäre nach Ansicht des

Gesetzgebers im Regierungsentwurf „theoretisch möglich“ gewesen, „weil das Mindeststammkapital kein

1197

Lutter, Für eine Unternehmer-Gesellschaft (UG), BB-Special 7, Heft 37, 2006, 3. 1198

„(N)icht Fisch noch Fleisch“: Lutter, Für eine Unternehmer-Gesellschaft (UG), BB-Special 7, Heft 37, 2006, 3. 1199

Zum Argument des „sicheren Hafens“ s auch Noack, Der Regierungsentwurf des MoMiG, DB 2007, 1396. 1200

Lutter, Für eine Unternehmer-Gesellschaft (UG), BB-Special 7, Heft 37, 2006, 4. 1201

Lutter, Für eine Unternehmer-Gesellschaft (UG), BB-Special 7, Heft 37, 2006, 4. 1202

Vgl Noack, Der Regierungsentwurf des MoMiG, DB 2007, 1396: „nahezu sensationell“; Seibert,

Regierungsentwurf, GmbHR 2007, 674: „echter Überraschungs-Coup“. 1203

Bormann, Die Kapitalaufbringung nach dem Regierungsentwurf des MoMiG, GmbHR 2007, 897f.

Page 176: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

160

zwingender Bestandteil des Haftkapitals der GmbH ist“.1204

Der Gedanke der völligen Aufgabe des

Mindestkapitals bei der klassischen GmbH fand jedoch keine ungeteilte Zustimmung in der Diskussion; das

Prestige der klassischen dGmbH würde beschädigt, so meinte man. Eine völlig neue Gesellschaftsform, so

wie etwa Gehb/Drange/Heckelmann sie, wie erwähnt, vorschlugen, wäre mit unverhältnismäßigem

legislatorischen Aufwand verbunden gewesen. Aus diesem Grund entschied man sich, eine „Billig-Variante“

zur klassischen dGmbH einzurichten,1205

wobei man sich aber doch an den Vorschlägen von

Gehb/Drange/Heckelmann orientierte, deren Unternehmensgründergesellschaft (UGG) in Aufbau und

Kodifikation bewusst dem dGmbHG ähnelte.1206

Die UG ist keine eigenständige Rechtsform; sie wurde daher auch nicht in einem eigenen Gesetz geregelt,

sondern unterliegt den Regelungen des dGmbHG mit den in § 5a leg cit vorgesehenen Ausnahmen: sie kann

zum einen mit einem geringeren Stammkapital als die „klassische“ dGmbH gegründet werden (§ 5a Abs 1

leg cit). Daher kann eine Ein-Personen-UG mit einem Stammkapital von einem Euro, eine UG mit zwei

Gesellschaftern mit einem Stammkapital von zwei Euro gegründet werden, da jeder Gesellschafter

zumindest einen Geschäftsanteil von einem Euro übernehmen muss. Zum anderen müssen die Gesellschafter

einer UG das Stammkapital in voller Höhe und in bar einzahlen (§ 5a Abs 2 leg cit); gem § 5a Abs 3 leg cit

sind Rücklagen zu bilden. Die Regelungen der UG werden ausführlich in Kapitel 6.4.2 besprochen werden.

Als weiterer Ausgleich zum fehlenden Mindestkapital und dem so befürchteten Gläubigerschutz-Defizit der

UG wurde, wie erwähnt, die Pflicht zur Angabe des Stammkapitals der UG auf Geschäftsbriefen

vorgeschlagen. Diese Idee hat der Gesetzgeber zwar im Referentenentwurf zum MindestkapG zwar für die

„klassische“ dGmbH vorgesehen, aber im Regierungsentwurf zum MoMiG und auch später nicht

aufgenommen, da das rechtsunkundige Publikum zu Fehlvorstellungen über die Funktion und Tragweite des

Stammkapitals neigen könnte.1207

Neben der Einrichtung der UG im dGmbHG wurde im Regierungsentwurf etwa auch der Begriff

„Stammeinlage“ durch „Geschäftsanteil“ aufgrund der gleichlautenden aktienrechtlichen Ausdrucksweise

sowie aufgrund des allgemeinen Sprachgebrauchs in der Praxis ersetzt.1208

Weiters wurde die „verdeckte

Sacheinlage“ in § 19 Abs 4 dGmbHG erstmals sowie die Praxis des „Hin- und Herzahlens“ in § 8 Abs 2 S 2

dGmbHG neu geregelt. Ist eine Geldeinlage „bei wirtschaftlicher Betrachtung und aufgrund einer im

Zusammenhang mit der Übernahme getroffenen Abrede vollständig oder teilweise als Sacheinlage zu

bewerten (verdeckte Sacheinlage), so steht das der Erfüllung der Einlageschuld nicht entgegen“ (§ 19 Abs 4

S 1 dGmbHG idF des Regierungsentwurfs). Die bisherige Rechtsprechung des BGH, nach der das zugrunde

liegende Rechtsgeschäft dinglich unwirksam war, wurde somit korrigiert; eine verdeckte Sacheinlage hat

1204

Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung

von Missbräuchen (MoMiG), Drucksache des Bundesrates 354/07, 25.5.2007, 70. 1205

Gesetzentwurf der Bundesregierung zum MoMiG, BR-Drucksache 354/07, 70f. 1206

Noack, Der Regierungsentwurf des MoMiG, DB 2007, 1396. 1207

Veil, Die Unternehmergesellschaft nach dem Regierungsentwurf des MoMiG – Regelungsmodell und

Praxistauglichkeit, GmbHR 2007, 1082 mwN. 1208

Gesetzentwurf der Bundesregierung zum MoMiG, BR-Drucksache 354/07, 63f; Seibert, Der Regierungsentwurf des

MoMiG und die haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft, GmbHR 2007, 673.

Page 177: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

161

demnach eine Differenzhaftung gem § 9 dGmbHG zur Folge.1209

Der Fall des „Hin- und Herzahlens“, also

„(d)ie vor Einlage getroffene Vereinbarung einer Leistung an den Gesellschafter, die wirtschaftlich einer

Einlagenrückgewähr entspricht und die nicht bereits als verdeckte Sacheinlage nach § 19 Abs 4 zu beurteilen

ist, steht der Erfüllung der Einlagenschuld nicht entgegen, wenn sie durch einen vollwertigen

Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gedeckt ist.“ Beim „Hin- und Herzahlen“ soll also die

Einlagenleistung aufgrund einer vorherigen Absprache, etwa im Wege eines Neudarlehens, wieder an den

Gesellschafter zurückfließen; darunter fällt etwa die Praxis des Cash-Pooling, wenn die Einlage in Folge der

Einzahlung auf das in den Cash-Pool einbezogene Konto im Ergebnis wieder an den Inferenten zurückfließt.

Der BGH hatte in seiner bisherigen Rsp die Erfüllungswirkung in diesen Fällen verweigert, da die Einlage

nicht zur endgültigen freien Verfügung des Geschäftsführers (§ 8 Abs 2 S 1 dGmbHG) getätigt wurde. Die

Darlehensabrede war überdies aufgrund des Verstoßes gegen die Vorschriften über die Kapitalaufbringung

unwirksam; eine verdeckte Sacheinlage liege nicht vor. Die Einlagepflicht erfüllt jedoch der Gesellschafter

(„Heilung“), wenn er die erhaltenen Geldmittel an die Gesellschaft zurückzahlt, und zwar auch dann, wenn

seine Zahlung zur „Tilgung des Darlehens“ erfolgte. Der Regierungsentwurf verfolgt nun im Einklang mit

seiner auch im Bereich der Kapitalerhaltung verfolgten „bilanziellen Betrachtungsweise“1210

einen anderen

Weg als der BGH: bereits die ursprüngliche Bareinlagezahlung soll Erfüllungswirkung haben, wenn der

Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft aus dem Darlehen vollwertig ist.1211

Ist § 8 Abs 2 S 2 dGmbHG

jedoch nicht erfüllt, soll die „Heilungs“-Rechtsprechung des BGH weiter gelten.

Im Bereich der Kapitalerhaltung wurde einerseits die Übertragung der Eigenkapitalersatzregeln ins

Insolvenzrecht beibehalten; andererseits wurde § 30 Abs 1 dGmbHG im Vergleich zum Referentenentwurf

im Einklang mit dem den Regierungsentwurf bestimmenden Prinzip der „bilanziellen Betrachtungsweise“1212

textlich verbessert.1213

Neben diesen, die Kapitalaufbringung und -erhaltung betreffenden Regelungen, galt es auch, im

Regierungsentwurf weitere Maßnahmen zur schnelleren Gründung der dGmbH zu schaffen. Bereits Anfang

2007 trat das EHUG1214

in Kraft, nach welchem Gründungsunterlagen grundsätzlich elektronisch

einzureichen sind und daher unmittelbar in das elektronische geführte Register übernommen werden

können.1215

Im Regierungsentwurf wurde zur weiteren Beschleunigung der Gründung ein

Mustergesellschaftsvertrag vorgeschlagen, der als Anlage zum dGmbH-Gesetz beigefügt werden soll und

durch weitere Gründungs-Formulare ergänzt wird („Gründungs-Set“); wer mit diesem Gründungs-Set seine

Gesellschaft gründet, benötigt nach dem Regierungsentwurf keine notarielle Beurkundung, sondern nur eine

öffentliche Beglaubigung für die Gründung, wenn nur drei Gesellschafter und ein Geschäftsführer vorhanden

1209

Bormann, Kapitalaufbringung, GmbHR 2007, 900. 1210

Gesetzentwurf der Bundesregierung zum MoMiG, BR-Drucksache 354/07, 78f. 1211

Veil, Die Reform des Rechts der Kapitalaufbringung durch den RegE MoMiG, ZIP 2007, 1247. 1212

Schmidt, Reform der Kapitalsicherung und Haftung in der Krise nach dem Regierungsentwurf des MoMiG,

GmbHR 2007, 1074. 1213

S Kapitel 6.4.3.1. 1214

Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister, dBGBl I

2006, S. 2553. 1215

Breitenstein/Meyding, Der Regierungsentwurf zum MoMiG: Die Deregulierung des GmbH-Rechts schreitet voran,

BB 2007, 1458.

Page 178: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

162

sind und nur Bareinlagen geleistet werden (§§ 2 Abs 1a, 7 Abs 2 S 3 sowie Anlage 1 dGmbHG idF des

Regierungsentwurfs).1216

Lutter kritisierte an dem Gründungs-Set, dass in der Mustersatzung in Bezug auf

den Gegenstand des Unternehmens nur drei Möglichkeiten zum Ankreuzen (Handel mit Waren, Produktion

von Waren, Dienstleistungen) aufgeführt waren, was dem Erfordernis der Individualisierung, also genauen

Beschreibung der Tätigkeit, widerspreche.1217

6.4.1.6 Die weitere Diskussion bis zur Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 24.6.2008

Die Herabsenkung des Mindestkapitals der „klassischen“ dGmbH auf € 10.000 neben der Einrichtung einer

Ein-Euro-Variante wurde in der Diskussion kritisiert. Lutter sah in einem relativ hohen Mindestkapital ein

Seriositätsindiz: „(d)ie Gründer sollen sich am unternehmerischen Risiko angemessen beteiligen“.1218

Er

schlug die Beibehaltung des ursprünglichen Betrags idH von € 25.000 vor, da als „wenig seriöse“ Alternative

die UG zur Verfügung stehe. Nur, wenn die UG im weiteren Gesetzgebungsverfahren abgelehnt würde, wäre

eine Herabsetzung des Mindestkapitals bei der „klassischen“ dGmbH richtig.1219

Für Schäfer/Ascherfeld war es zudem zweifelhaft, ob die Einrichtung des „Gründungs-Sets“ ihr Ziel – die

Schaffung einer kostengünstigeren und zügigen Alternative zur GmbH-Gründung – erreichen könnte, da

gerade der Adressat dieser Maßnahme, nämlich der unerfahrene Gründer einer einfachen GmbH, Rechtsrat

für seine Gründung brauche.1220

Auch Heckschen erkennt in der öffentlichen Beglaubigung anstelle der

notariellen Beurkundung keinerlei Verbesserung des zeitlichen oder auch des finanziellen Aufwandes. Der

Gang zum Notar oder zu einer anderen für die öffentliche Beglaubigung zuständige Stelle bliebe auch nach

der Realisierung des Regierungsentwurfs nicht erspart.1221

Für die Erklärung der Einzelheiten des

Gründungsverfahrens sei bisher ein Notar zuständig gewesen (2007 waren 8662 Notare an ca 1800 Orten im

Amt), nach der Konzeption des Regierungsentwurfs sollte die Industrie- und Handelskammer (IHK,

insgesamt nur 86 Stellen an 216 Orten) bei der Gründung beraten.1222

Laut Stellungnahme des Deutschen

Bundesrates zum Regierungsentwurf könne auch von einer übermäßigen Kostenbelastung bei Notargebühren

in der Höhe von € 84 für eine Ein-Personen-GmbH mit € 25.000 Stammkapital sowie € 168 bei einer

Mehrpersonengründung nicht die Rede sein.1223

Gerade die „Versorgung der Gründer mit fundiertem

Rechtsrat“ durch den Notar sollte nach Ansicht von Heckschen ein Werbeargument für die erfolgreiche

deutsche GmbH sein.

1216

Lutter, Der Regierungsentwurf eines Reformgesetzes zum deutschen GmbH-Gesetz, GesRZ 2007, 365f; Seibert,

Regierungsentwurf, GmbHR 2007, 674. 1217

Lutter, Regierungsentwurf, GesRZ 2007, 366. 1218

Lutter, Regierungsentwurf, GesRZ 2007, 369. 1219

Lutter, Regierungsentwurf, GesRZ 2007, 369f. 1220

Schäfer/Ascherfeld, Die Reform des deutschen GmbH-Rechts durch das MoMiG, RWZ 2007, 290. 1221

Heckschen, Die GmbH-Reform – Wege und Irrwege, DStR 2007, 1442. 1222

Heckschen, Die GmbH-Reform, DStR 2007, 1443 mwN. 1223

Stellungnahme des Bundesrates vom 6.7. 2007 zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts

und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), Drucksache des Bundesrates 354/07, abrufbar unter

http://www.gmbhr.de/reform/materialien/BR_DrS_0354_07_B_070706.pdf, 2.

Page 179: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

163

Für den „fatalsten Irrweg“ hält Heckschen aber die Einführung der UG. Der Gesetzgeber verweise nicht auf

statistisches Material, das die These, wonach ein großer Bedarf für die GmbH-Variante bestehe, belegen

würde, zumal die volkswirtschaftliche Bedeutung des Konkurrenten der GmbH, der in Deutschland

ansässigen Limited, „gegen Null“ gehe.1224

Die Neufassung des § 30 Abs 1 dGmbHG begrüßte Heckschen

jedoch, ebenso wie die Deregulierung des Eigenkapitalersatzrechts.1225

Im Hinblick auf die UG forderte der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf eine

Kompensation für den Verzicht auf ein Mindestkapital in Form einer Verschärfung der

gesellschaftsrechtlichen und deliktischen Durchgriffshaftung von Geschäftsführern und Gesellschaftern.

Daneben könnten auch höhere Anforderungen an die Transparenz (Offenlegung gewisser Financial

Covenants wie Verschuldungsgrad oder Liquidität) oder die Haftung der Gesellschafter wegen materieller

Unterkapitalisierung ins Reformvorhaben einfließen.1226

Die Bundesregierung lehnte jedoch in ihrer Gegenäußerung die Vorschläge des Bundesrates ab: die

Mustersatzung entspreche den Forderungen der Wirtschaft. Eine „Verringerung der Gründungsberatung“

werde in Kauf genommen, da auch bei der Gründung einer deutschen Personenhandelsgesellschaft oder einer

englischen Limited keine Beurkundung erforderlich sei. Die notarielle Gründungsberatung bei der dGmbH

sei daher entbehrlich.1227

Auch seien die gläubigerschützenden Maßnahmen im Hinblick auf die UG

ausreichend, da zum einen alle Gläubigerschutzinstrumente der „klassischen“ dGmbH auch auf die UG

Anwendung fänden; zum anderen sei für Gläubiger die Rechtsnatur der Gesellschaft aufgrund der

Firmierung als „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ leicht erkennbar. Zudem sei mit der Pflicht

zur Bildung einer gesetzlichen Kapitalrücklage ein weiteres Instrument des Gläubigerschutzes

vorgesehen.1228

In der ersten Lesung zum MoMiG im Deutschen Bundestag vom 20.9.2007 kritisierte etwa die FDP die

Einrichtung der UG: schon bald werde man sich „in dieser Runde … damit beschäftigen müssen, welchen

Imageschaden diese Mini-GmbH der richtigen GmbH zugefügt hat“.1229

Auch werde mit den Änderungen

der Kapitalerhaltungsvorschriften eine Verbesserung des Gläubigerschutzes nicht erreicht.1230

1224

Wobei aber Heckschen selbst diese Angabe nicht statistisch belegt; s Heckschen, Die GmbH-Reform, DStR 2007,

1445. 1225

Heckschen, Die GmbH-Reform, DStR 2007, 1447f. 1226

Stellungnahme des Bundesrates vom 6.7. 2007, BR-Drucksache 354/07, 8. 1227

Gegenäußerung der Bundesregierung vom 25.7.2007, Anlage 3 zur Drucksache des Bundestags 16/6140, 74 endg.,

1. 1228

Gegenäußerung der Bundesregierung vom 25.7.2007, Anlage 3 zu BT-Drucks. 16/6140, 74 endg., 4. 1229

So Dyckmans, Stenographische Protokolle über die Verhandlungen des Bundestages, 16. Wahlperiode, 115.

Sitzung, 20. September 2007, 11886. 1230

So im Entschließungsantrag der Abgeordneten Mechthild Dyckmans et al. vom 25.6.2008, Drucksache des

Bundestages 16/9796, 3.

Page 180: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

164

6.4.1.7 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 24.6.2008 und Inkrafttreten

des MoMiG am 1. November 2008

In weiterer Folge wurde der Rechtsausschuss des Bundestags mit dem Reformvorhaben befasst. Der

Rechtsausschuss änderte den Regierungsentwurf noch verschiedentlich ab,1231

der in dieser veränderten Form

nach der Zustimmung durch den Deutschen Bundestag am 26. Juni 2008 und durch den Deutschen

Bundesrat am 19. September 2008 am 1. November 2008 in Kraft trat.1232

Die hier interessierenden

wichtigsten Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf waren die Beibehaltung des

Mindeststammkapitals der „klassischen“ dGmbH iHv € 25.000, die Einrichtung eines vereinfachten

Gründungsverfahrens in § 2 Abs 1a dGmbHG anstelle der Mustersatzung, eine weitergehende

Verwendungsmöglichkeit für die in § 5a Abs 3 vorgesehene Rücklage der UG1233

sowie eine

Neuformulierung der Regelung des „Hin- und Herzahlens“ (nunmehr in § 19 Abs 5 dGmbHG normiert) und

der Regelung der verdeckten Sacheinlage (§ 19 Abs 4 dGmbHG). § 30 Abs 1 S 2 dGmbHG, die „Cash-

Pooling-Regelung“, erfuhr nur eine kleine textliche Verbesserung. Zu den Änderungen im Einzelnen:

Das Mindeststammkapital der dGmbH verbleibt entgegen dem Regierungsentwurf bei einem Betrag von €

25.000; dies wurde mit der Einführung einer flexiblen Alternative zur dGmbH ohne ein gesetzliches

Mindeststammkapital, der UG, begründet, die insofern den Wettbewerb mit der Limited aufnehmen solle.

Das Ansehen der bereits gegründeten dGmbHs als „verlässliche Rechtsform des etablierten Mittelstandes“

sollte durch eine Herabsetzung der Seriositätsschwelle nicht gefährdet werden.1234

Bereits aus dieser

Erklärung kann man schließen, dass die UG zwar im Wettbewerb attraktiv sein sollte, aber doch möglichst

rasch zur seriösen „klassischen“ dGmbH umgewandelt werden soll: die „klassische“ dGmbH soll für

Seriosität im Rechtsverkehr sorgen, die UG hingegen für einen schnellen - und nach Ansicht des

Gesetzgebers offenbar auch weniger seriösen - Einstieg ins Geschäftsleben.

Die Einrichtung eines vereinfachten Gründungsverfahrens in § 2 Abs 1a dGmbHG wurde anstelle des im

Regierungsentwurf vorgesehenen Mustergesellschaftsvertrag vorgenommen; eine Gesellschaft mit höchstens

drei Gesellschaftern und einem Geschäftsführer kann nunmehr das in der Anlage zum dGmbHG bestimmte

Musterprotokoll verwenden, welches zugleich als Gesellschafterliste gilt. In der Anlage zum dGmbHG

findet sich je ein Musterprotokoll für eine Einmanngründung sowie für eine Gründung durch mehrere

Gesellschafter. Die Zahl der erforderlichen Dokumente soll sich durch das Musterprotokoll verringern;1235

im

Übrigen finden aber die Vorschriften des dGmbHG über den Gesellschaftsvertrag entsprechende

Anwendung, also auch das Erfordernis der Beurkundung durch einen Notar. Der kritisierte Vorschlag des

1231

Fleischer, 100 Jahre GmbH-Reform und 100 Jahre GmbH-Rundschau, GmbHR 2009, 10. 1232

Wälzholz, Das MoMiG kommt: Ein Überblick über die neuen Regelungen – Mehr Mobilität, Flexibilität und

Gestaltungsfreiheit bei gleichzeitigem Gläubigerschutz, GmbHR 2008, 841. 1233

S dazu im nächsten Kapitel. 1234

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) vom 24.6.2008, Deutscher Bundestag, 16.

Wahlperiode, Drucksache 16/9737, 94f. 1235

Krüger, GmbH-Reform in Deutschland, GeS 2008, 348f.

Page 181: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

165

Regierungsentwurfs, auf die notarielle Beteiligung im Gründungsstadium zu verzichten, wurde somit

verworfen.1236

Gemäß einer Empfehlung der Praxis wurde die Verwendungsmöglichkeit der gesetzlichen Rücklage bei der

UG in § 5a Abs 3 auf Fälle der Verlustdeckung erweitert.1237

Aus systematischen Gründen wurde die Regelung des „Hin- und Herzahlens“ von § 8 Abs 2 dGmbHG in §

19 Abs 5 leg cit verschoben. Dadurch soll die Sachnähe der Vorschrift zur Regelung der verdeckten

Sacheinlage besser verdeutlicht werden. Zudem wurde die Vorschrift hinzugefügt, dass der

Rückzahlungsanspruch zur Sicherung der Kapitalaufbringung auch liquide in dem Sinne sein muss, dass er

jederzeit fällig ist bzw durch fristlose Kündigung durch die Gesellschaft fällig werden kann, da etwa bei erst

nach längerer Zeit kündbaren Darlehen eine Prognose sehr unsicher ist, ob der Rückzahlungsanspruch

tatsächlich vollwertig ist.1238

Die Regelung über die verdeckte Sacheinlage in § 19 Abs 4 dGmbHG erfuhr eine Änderung in dem Sinne,

dass derartige Verträge und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung (wie schon im Regierungsentwurf

vorgesehen) nicht unwirksam sind, und zudem nunmehr der Wert einer verdeckten Sacheinlage im Zeitpunkt

der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung oder, soweit die Überlassung der Sache später erfolgt, in

diesem Zeitpunkt auf die fortbestehende Geldeinlagepflicht angerechnet wird.1239

Der Vorschlag des Regierungsentwurfs, die Ausnahme vom Kapitalerhaltungsgebot in § 30 Abs 1 S 1

dGmbHG in S 2 leg cit auf Leistungen „zwischen den Vertragsteilen“ eines Beherrschungs- oder

Gewinnabführungsvertrags einzuschränken, wurde vom Rechtsausschuss umformuliert: nunmehr sind

Leistungen „bei Bestehen“ eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags nicht vom

Kapitalerhaltungsgebot erfasst. Oft gehe es nämlich um Leistungen an Dritte auf Veranlassung des

herrschenden Unternehmens, etwa an andere Konzernunternehmen oder an Geschäftspartner des

herrschenden Unternehmens oder anderer Konzernunternehmen. Auch solche Leistungen sollen nach der

Empfehlung des Rechtsausschusses vom Verbot der Einlagenrückgewähr freigestellt sein.1240

Die Reform

von § 30 dGmbHG wird in Kapitel 6.4.3.2 ausführlich behandelt werden.

Im Rechtsausschuss wurde zudem § 55a dGmbHG eingefügt, der das aktienrechtliche Institut des

„genehmigten Kapitals“ auch für die dGmbH einführt. Demnach können die Geschäftsführer künftig von den

Gesellschaftern ermächtigt werden, innerhalb eines Zeitraums von höchstens fünf Jahren nach der

Eintragung der Gesellschaft oder einer entsprechenden Satzungsänderung im Handelsregister das

Stammkapital der dGmbH um insgesamt bis zu 50 % des bei Ermächtigung vorhandenen

Stammkapitalbetrags zu erhöhen; durch dieses Rechtsinstitut wird ein weiterer Kapitalerhöhungsbeschluss

durch die Hauptversammlung, der notariell zu beurkunden wäre, entbehrlich.1241

1236

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss), BT-Drucks. 16/9737, 93. 1237

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss), BT-Drucks. 16/9737, 95. 1238

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss), BT-Drucks. 16/9737, 96, 97f. 1239

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss), BT-Drucks. 16/9737, 97. 1240

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss), BT-Drucks. 16/9737, 98. 1241

Oppenhoff, Die GmbH-Reform durch das MoMiG – ein Überblick, BB 2008, 1631.

Page 182: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

166

Der Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses wurde bei der Sitzung

am 25.6.2008 vom Deutschen Bundestag in zweiter Lesung mit großer Mehrheit gegen die Stimmen der

FDP-Fraktion und der Fraktion „Die Linken“ angenommen; nicht zuletzt war auch der Eindruck

ausschlaggebend, den die Abgeordneten von der geplanten Einrichtung einer weiteren Konkurrenz zur

dGmbH, der Europäischen Privatgesellschaft, erhalten hatten1242

– der Verordnungsvorschlag der

Kommission war tags zuvor veröffentlicht worden.

6.4.2 Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)

6.4.2.1 Rechtsnatur, Stammkapital und Firmierung der UG

Durch den Regierungsentwurf zum MoMiG wurde nach der Vorschrift zum Stammkapital in § 5 dGmbHG

die Regelung des § 5a ins dGmbHG eingefügt, die unter der Überschrift „Unternehmergesellschaft“ in fünf

Absätzen1243

eine Variante zur GmbH1244

vorsieht; die GmbH-Variante werde es nach Ansicht des

Regierungsentwurfs jungen Existenzgründern „sehr einfach machen, ihre unternehmerischen Ziele in Angriff

zu nehmen“.1245

Eine eigenständige Rechtsform wurde, wie erwähnt, vom Gesetzgeber nicht intendiert.1246

Es soll sich vor allem um eine flexible und im internationalen Wettbewerb attraktive Form der dGmbH

handeln, denn die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), im Folgenden kurz UG genannt, kann laut

§ 5a Abs 1 dGmbHG mit einem Stammkapital gegründet werden, das den Betrag des Mindeststammkapitals

nach § 5 Abs 1 leg cit, dh der „klassischen“ dGmbH mit einem Mindeststammkapital idH von € 25.000,

unterschreitet. Das Stammkapital der UG kann daher in der Satzung mit einem Betrag von € 1 - € 9.999

festgelegt werden.1247

Dabei ist zu beachten, dass, wie erwähnt, die Regelung über den Nennbetrag jedes

Geschäftsanteils (§ 5 Abs 2 dGmbHG: der Nennbetrag „muss auf volle Euro lauten“, dh mindestens € 1

betragen) auch für die UG gilt.

Die Firmierung der UG erfolgt gem § 5a Abs 1 dGmbHG nicht unter der Bezeichnung „GmbH“, sondern als

„Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“. Die Bezeichnung

„haftungsbeschränkt“ darf nicht abgekürzt werden. Das Publikum dürfe nach Ansicht des

Regierungsentwurfs nämlich nicht darüber getäuscht werden, dass es sich nicht um eine „klassische“

dGmbH mit € 25.000 Mindeststammkapital, sondern um eine Gesellschaft mit einem möglicherweise sehr

1242

Lammert et al., Stenographische Protokolle über die Verhandlungen des Bundestages, 16. Wahlperiode, 172.

Sitzung, 26. Juni 2008, 18195, 18205. 1243

„(M)it dem denkbar geringsten Aufwand“: so Lutter, Regierungsentwurf, GesRZ 2007, 367. 1244

So ausdrücklich der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum MoMiG, BR-Drucksache 354/07, 70. 1245

Gesetzentwurf der Bundesregierung zum MoMiG, BR-Drucksache 354/07, 70. 1246

Vgl Veil, Die Unternehmergesellschaft, GmbHR 2007, 1081. Aus diesem Grund wurde etwa noch im Ausschuss die

Textierung in § 5a Abs 1 dGmbH geändert: handelte es sich im Regierungsentwurf noch um einen

„Rechtsformzusatz“, so muss nun die UG die „Bezeichnung“ Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) oder UG

(haftungsbeschränkt) führen. Die UG ist keine eigene Rechtsform, sondern nur eine Unter- bzw Sonderform der

dGmbH. S Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss), BT-Drucks. 16/9737, 95. 1247

Lutter, Regierungsentwurf, GesRZ 2007, 367.

Page 183: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

167

viel geringeren Stammkapital handelt.1248

Ob dieser Publizitätszweck zunächst seine Wirkung erzielt, mag

bezweifelt werden.1249

Zumindest in der Anfangszeit bis zur Etablierung der UG im Geschäftsverkehr wird

mancher Partner einer UG mit der Firmenbezeichnung wenig anzufangen wissen.

Obwohl die UG unter anderem Namen firmiert, kann man ihre Rechtsnatur trotzdem als kleine Variante der

dGmbH beschreiben; zudem versteht der Entwurf die UG „auf dem Wege zur regulären („klassischen“)

(d)GmbH“.1250

Der Grund hierfür liegt in der Thesaurierungsregelung des § 5a Abs 3 dGmbHG, die im

Abschnitt 6.4.2.3 ausführlich erläutert wird. Erreicht oder übersteigt das Stammkapital der UG das

Mindeststammkapital der regulären dGmbH iHv € 25.000, so finden gem § 5a Abs 5 dGmbHG die

vorstehenden Regelungen über die UG keine Anwendung mehr; die UG wird somit zur dGmbH, wobei sie

aber die bisherige Firma, also „Unternehmergesellschaft“ oder „UG“, jeweils mit dem in Klammer gestellten

Zusatz „haftungsbeschränkt“, weiterführen darf.1251

Zur Gründung einer UG ist noch auszuführen, dass eine UG nicht durch Umwandlung einer schon

bestehenden dGmbH in eine UG entstehen kann, sondern nur durch Neugründung.1252

Die Vorschriften dafür

finden sich in der lex specialis des § 5a dGmbHG, ansonsten sind die Regeln der „klassischen“ dGmbH

anzuwenden. So kann die Gesellschaft etwa im vereinfachten Verfahren bei Erreichen der Voraussetzungen

nach § 2 Abs 1a dGmbHG mittels Musterprotokoll gegründet werden.

6.4.2.2 Die Regeln der Kapitalaufbringung bei der UG

Abweichend von der für die „klassische“ dGmbH geltende Regelung des § 7 Abs 2 dGmbHG, wonach die

Anmeldung erst erfolgen darf, wenn auf jeden Geschäftsanteil, soweit nicht Sacheinlagen vereinbart sind, ein

Viertel des Nennbetrags eingezahlt ist und insgesamt das eingezahlte Stammkapital mindestens die Hälfte

des Mindeststammkapitals iHv € 25.000 erreicht, darf die Anmeldung einer UG erst erfolgen, wenn das

Stammkapital in voller Höhe eingezahlt ist; eine Sachgründung ist bei der UG ausgeschlossen (§ 5a Abs 2

dGmbHG). Die Regelung einer Halbeinzahlung war laut Regierungsentwurf für die UG nicht erforderlich, da

das Stammkapital von den Gründern frei bestimmt werden kann. Da das Mindestkapital der UG auf faktisch

€ 1 festgelegt wurde, war es die Ansicht der Gesetzesverfasser, dieses geringe Kapital bei der Gründung

zumindest bar einzuzahlen. Sacheinlagen seien „nicht erforderlich“ und daher auch nicht zulässig.1253

An diesen Regelungen der Kapitalaufbringung der UG wurde von Drygala und Lutter im Jahr 2007 kritisiert,

dass sie die deutsche Rechtslage zur Insolvenzantragspflicht nicht beachte. Eine positive

Fortführungsprognose war nach deutschem Recht seit 1999 nicht mehr ausreichend, um die

1248

Gesetzentwurf der Bundesregierung zum MoMiG, BR-Drucksache 354/07, 71. 1249

So auch Veil, der den Vorschlag des Bundesrats zitiert, die UG in „GmbH (ohne Mindeststammkapital)“

umzubenennen; s Veil, Die Unternehmergesellschaft, GmbHR 2007, 1082. 1250

So Lutter, Regierungsentwurf, GesRZ 2007, 368. 1251

Diese „Falschbezeichnung“ wurde kritisiert, da ab dem Zeitpunkt des Erreichens oder Übersteigens eines

Stammkapitalbetrags von € 25.000 automatisch keine UG mehr, sondern eine dGmbH vorliege und auch nur mehr

das Recht der „klassischen“ dGmbH anzuwenden sei; s Lutter, Regierungsentwurf, GesRZ 2007, 368 mwN. 1252

Lutter, Regierungsentwurf, GesRZ 2007, 369. 1253

Gesetzentwurf der Bundesregierung zum MoMiG, BR-Drucksache 354/07, 71.

Page 184: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

168

Insolvenzantragspflicht wegen (rechnerischer) Überschuldung aufzuheben, wobei eine Überschuldung gem §

19 Abs 2 der deutschen Insolvenzordnung1254

dann vorliegt, wenn das Vermögen der Gesellschaft die

bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt.1255

Aus diesem Grund könnte eine Überschuldung und

somit die Insolvenzantragspflicht bei einer UG mit einem Stammkapital von € 1 bereits nach Bezahlung der

Gründungskosten eintreten,1256

auch wenn anzunehmen sei (diesbezüglich bestünde daher

Rechtsunsicherheit), dass die Insolvenzantragspflicht des Geschäftsführers im Falle von Überschuldung

durch Gründungsverbindlichkeiten suspendiert ist; schon die Rsp zum Handelsregister-Eintragungsverfahren

der dGmbH sei der Ansicht, dass durch Gründungskosten entstandene Minderungen des Kapitals

hinzunehmen und auch kein Eintragungshindernis seien. Und zu guter Letzt könne der Gesetzgeber nicht

wollen, dass die UG, deren Gründungsverfahren schneller und einfacher sein sollte, bereits an den

Gründungskosten scheitern würde.1257

Lutter führt hier aber das Beispiel der französischen SARL an, deren

Mindestkapital ebenfalls abgeschafft wurde; nach einem Jahr der Geltung des Reformgesetzes habe man aber

ein durchschnittliches Startkapital von € 3.000 feststellen können, das, wenn die Gründung gelang, in der

Folge laufend erhöht wurde.1258

Die Bedenken von Drygala und Lutter hinsichtlich der möglichen Überschuldung der UG wurden zunächst

durch die weltweite Finanzkrise, die im Oktober 2008 ihren Höhepunkt erreichte, und der darauffolgenden

Reaktion des deutschen Gesetzgebers mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG)1259

ausgeräumt:

aufgrund von Art 5 FMStG wurde der Insolvenzeröffnungsgrund der Überschuldung in § 19 Abs 2 der

deutschen Insolvenzordnung (dInsO) dahingehend abgeändert, dass nunmehr eine Überschuldung nicht

vorliegt, wenn eine Fortführung des Unternehmens überwiegend wahrscheinlich ist.1260

Diese auch auf die

UG anwendbare1261

Regelung gilt aufgrund der Aktualität der derzeitigen (Finanz-)Wirtschaftskrise jedoch

nur bis zum 31.12.2010, sodass ab dem 1.1.2011 die alte Fassung wieder in Kraft tritt (Art 6 Abs 3, Art 7

Abs 2 FMStG),1262

und somit eine UG trotz positiver Fortführungsprognose wieder als überschuldet gelten

könnte.

1254

Gem § 19 Abs 2 der deutschen Insolvenzordnung (dInsO) in der Fassung bis zum 17.10.2008 (bis zum sogleich zu

besprechenden Finanzmarktstabilisierungsgesetz) war nur bei der Bewertung der Aktiva des Unternehmens die

Fortführung des Unternehmens, sofern diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist, zugrundezulegen,

also die regelmäßig höheren Fortführungswerte. 1255

Drygala, Zweifelsfragen im Regierungsentwurf zum MoMiG, NZG 2007, 561 mwN. 1256

So auch Lutter, Regierungsentwurf, GesRZ 2007, 367. 1257

Vgl Drygala, Zweifelsfragen im Regierungsentwurf zum MoMiG, NZG 2007, 562. 1258

Lutter, Regierungsentwurf, GesRZ 2007, 367 mwN. 1259

Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes vom 17.10.2008, DBGBl I

2008, 1982, in Kraft getreten am 18.10.2008. 1260

S auch Wachter, Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf die neue Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt),

GmbHR 2008, 1296. 1261

Da die Zielsetzung des Gesetzgebers zum FMStG dahin geht, dass nur von der Krise betroffene Altgesellschaften

(also keine UGs, da diese erst nach ab 1.11.2008 gegründet werden konnten, und das FMStG bereits Mitte Oktober in

Kraft trat!) durch den neuen Überschuldungsbegriff geschützt werden sollen, bezweifelt Wachter die Anwendbarkeit

des neuen Überschuldungsbegriffs auch auf die UG zumindest nach der historischen Auslegung; die

Wortlautauslegung deutet auf die Anwendbarkeit für alle juristischen Personen, also auch die UG; s Wachter,

Auswirkungen der Finanzmarktkrise, GmbhR 2008, 1298f. 1262

Wachter, Auswirkungen der Finanzmarktkrise, GmbHR 2008, 1297.

Page 185: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

169

Zur weiteren Abmilderung der sich aus dem Überschuldungsbegriff ergebenden Probleme wurde durch die

endgültige Fassung des MoMiG die Möglichkeit des vereinfachten Verfahrens mittels Musterprotokoll

aufgenommen; in Z 5 des in Anlage 1 zu findenden Musterprotokolls werden die von der Gesellschaft zu

tragenden Gründungskosten auf den Gesamtbetrag von € 300, höchstens aber auf den Betrag des

Stammkapitals der Gesellschaft begrenzt. Den Rest muss der (s Anlage 1a) bzw müssen die (s Anlage 1b)

Gesellschafter begleichen. Eine UG, die das vereinfachte Verfahren nutzt und etwa mit einem Stammkapital

von € 1 (somit mit einem Gesellschafter) gegründet wird, braucht die Gründungskosten nur in dieser

symbolischen Höhe zu bezahlen, den Rest trägt der Gesellschafter.

Letztlich kann aber auch die krisenbedingte „Zwischenphase“ eines milderen Überschuldungsbegriffs von

November 2008 bis (nach dem derzeitigen Stand des Gesetzes) Ende 2010 und auch das Musterprotokoll

nicht darüber hinweghelfen, dass eine solide rechtliche Beratung und ein gewisser unternehmerischer

„Hausverstand“ stets notwendig sein werden, um die Probleme, die sich aus der liberalen Kapitalaufbringung

der UG ergeben können, zu umschiffen.

6.4.2.3 Die Regeln der Kapitalerhaltung bei der UG

Für die UG gelten, unter Beachtung der sogleich zu besprechenden Sondervorschriften in § 5a dGmbHG, die

Kapitalerhaltungsregeln der „klassischen“ dGmbH weiter, insb also auch § 30 dGmbHG: auch bei einer UG

mit einem Stammkapital von € 1 gilt daher in Zukunft ein Ausschüttungsverbot für Bilanzverluste.1263

Die beiden Sondervorschriften zur Kapitalerhaltung bei der UG finden sich in § 5a Abs 3 und Abs 4

dGmbHG. Neben der Vorschrift über den Firmenzusatz in Abs 1 leg cit und der Regelung über die

Volleinzahlungspflicht und die Unzulässigkeit von Sacheinlagen in Abs 2 leg cit sollen die

Kapitalerhaltungsregeln dem „geringen Gläubigerschutzniveau“ der UG entgegenwirken.1264

Die kürzere Regelung ist § 5a Abs 4 dGmbHG: demnach muss abweichend von der für die „klassische“

dGmbH geltende Regelung des § 49 Abs 3 dGmbHG die Versammlung der Gesellschafter einer UG bei

drohender Zahlungsunfähigkeit unverzüglich einberufen werden; § 49 Abs 3 dGmbHG sieht demgegenüber

die Einberufung der Gesellschafterversammlung vor, wenn die Hälfte des Stammkapitals verloren ist.

Letztere Regel kann bei einer UG mit einem Stammkapital von € 1 nicht funktionieren, sodass man sich für

die drohende Zahlungsunfähigkeit als Voraussetzung der Maßnahme, die eine frühzeitige Information der

Gesellschafter über die Lage ihrer Gesellschaft ermöglichen soll, entschied. Eine drohende

Zahlungsunfähigkeit liegt dabei dann vor, wenn die Gesellschaft voraussichtlich nicht in der Lage sein wird,

die bestehenden Zahlungsverpflichtungen im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen.1265

1263

So zur allgemeinen Kritik, die Zulassung einer €-1-dGmbH lasse die Kapitalschutzregeln leer laufen: Schmidt,

GmbH-Reform, Solvenzgewährleistung und Insolvenzpraxis, GmbHR 2007, 3 mwN. 1264

Veil, Die Unternehmergesellschaft, GmbHR 2007, 1081. 1265

Ob in diesem fortgeschrittenen Stadium eine Einberufung einer Gesellschafterversammlung noch rechtzeitig ist,

bezweifelt Veil, Die Unternehmergesellschaft, GmbHR 2007, 1083 mwN.

Page 186: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

170

Die wichtigste Regel zum Ausgleich der fehlenden Seriositätsschwelle stellt aber § 5a Abs 3 dGmbHG dar.

§ 5a Abs 3 S 1 dGmbHG sieht eine Thesaurierungspflicht eines Teils des Jahresgewinns der UG vor: „(i)n

der Bilanz des nach den §§ 242, 264 des Handelsgesetzbuchs aufzustellenden Jahresabschlusses ist eine

gesetzliche Rücklage zu bilden, in die ein Viertel des um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten

Jahresüberschusses einzustellen ist“. Erwirtschaftet die UG also einen Gewinn, muss sie – anders als bei der

„klassischen“ dGmbH1266

– eine gesetzliche Rücklage in Höhe von 25 % des Gewinns bilden. Nach S 2 leg

cit darf die Rücklage nur in drei Fällen verwandt werden: für Zwecke der Kapitalerhöhung aus

Gesellschaftsmitteln gem § 57c dGmbHG, zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrags, soweit er nicht durch

einen Gewinnvortrag aus dem Vorjahr gedeckt ist, sowie zum Ausgleich eines Verlustvortrags aus dem

Vorjahr, soweit er nicht durch einen Jahresüberschuss gedeckt ist. Die beiden letzten Fälle wurden, wie

erwähnt, erst auf Empfehlung des Rechtsausschusses eingefügt.1267

Wird gegen § 5a Abs 3 dGmbHG

verstoßen, zieht dies die Nichtigkeit der Feststellung des Jahresabschlusses nach sich, die wiederum die

Nichtigkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses zur Folge hat. Der Regierungsentwurf verweist hier auf die

analog anzuwendenden Regeln im dAktG. Aus der Nichtigkeit resultieren privatrechtliche

Rückzahlungsansprüche gegen die Gesellschafter, und auch die Geschäftsführer machen sich gem § 43

dGmbHG haftbar.1268

In der Thesaurierungspflicht für die UG besteht ein wichtiger wirtschaftlicher Unterschied zwischen der

„klassischen“ dGmbH und der UG.1269

Die „klassische“ dGmbH kennt nämlich seit jeher keine Pflicht zur

Bildung einer gesetzlichen Rücklage; dies war bis zum Inkrafttreten des MoMiG nur im Recht der AG (§

150 dAktG) vorgesehen.1270

Durch die Rücklagenpflicht soll gesichert werden, dass die UG nach einigen

Jahren eine höhere Eigenkapitalausstattung erreicht.1271

Ein Viertel des um einen Verlustvertrag aus dem

Vorjahr geminderten Jahresgewinns darf somit nicht an die Gesellschafter als Gewinn ausgeschüttet werden,

sondern muss als Rücklage einbehalten werden, wobei eine bestimmte Obergrenze der Rücklage bei der UG

nicht vorgesehen ist. Die Rücklage kann daher theoretisch ein Vielfaches des gesetzlichen

Mindeststammkapitals der „klassischen“ dGmbH erreichen. Wird sie dann im Zuge einer Erhöhung des

Stammkapitals auf zumindest € 25.000 gem § 5a Abs 3 Z 1 dGmbHG aufgelöst, so finden gem § 5a Abs 5

leg cit die vorhergehenden Absätze keine Anwendung mehr; die gesamte Rücklage kann dann daher sofort,

etwa zum Zwecke der Gewinnverteilung, aufgelöst werden.1272

Der Übergang gem § 5a Abs 5 leg cit von der

UG zur „klassischen“ dGmbH ist daher nur im Wege einer Kapitalerhöhung, etwa durch Zufuhr von

Einlagen oder durch die Auflösung der Rücklage, möglich; die Gesellschafter haben es daher in der Hand,

die Gesellschaft „für immer“ als UG zu führen. Dies erscheint aber bei größeren Gesellschaften nicht

1266

Stenzel, Die Pflicht zur Bildung einer gesetzlichen Rücklage bei der UG (haftungsbeschränkt) und die Folgen für

die Wirksamkeit des Gesellschaftsvertrags einer UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG, NZG 2009, 168. 1267

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss), BT-Drucks. 16/9737, 95. 1268

Gesetzentwurf der Bundesregierung zum MoMiG, BR-Drucksache 354/07, 72. 1269

Freitag/Riemenschneider, Die Unternehmergesellschaft – „GmbH light“ als Konkurrenz für die Limited?, ZIP

2007, 1487. 1270

Stenzel, Die Pflicht zur Bildung einer gesetzlichen Rücklage bei der UG, NZG 2009, 168 1271

Gesetzentwurf der Bundesregierung zum MoMiG, BR-Drucksache 354/07, 72. 1272

Gesetzentwurf der Bundesregierung zum MoMiG, BR-Drucksache 354/07, 72; Veil, Die Unternehmergesellschaft,

GmbHR 2007, 1082.

Page 187: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

171

sinnvoll, da die UG schon von der Konzeption her offenbar nur als „Einstiegsmodell“ ins Unternehmertum

gedacht ist. Dies zeigt nicht zuletzt die Thesaurierungspflicht: wer eine Gesellschaft mit nur einem Euro

Stammkapital gründen will, muss sicherstellen, dass er bei entsprechendem Gewinn möglichst bald zur

„eigentlichen“ Form, der etablierten und bekannten „klassischen“ dGmbH, übergehen kann. Auf einen

weitergehenden Druck auf die Gesellschafter, dieses Ziel möglichst rasch zu erreichen, etwa in Form einer

Pflicht zur Auflösung der Thesaurierung mit anschließender Kapitalerhöhung, wurde einerseits offenbar

aufgrund der ohnedies strengen Rücklagenverpflichtung verzichtet; andererseits sieht Veil aber im Fehlen

des Zwangs, die UG bei Vorliegen einer entsprechenden Rücklage iHv € 25.000 das Stammkapital auf den

Betrag der „klassischen“ dGmbH zu erhöhen, den Willen des Gesetzgebers, die UG gerade nicht als

„Vorstufe“ zur dGmbH, sondern als eigenständige Form der dGmbH zu konzipieren.1273

Der (auch für die „klassische“ dGmbH verschiedentlich geforderten) Verbesserung der

Eigenkapitalausstattung ist die Rücklagenbildung ohne Pflicht zur Kapitalaufstockung zwar zu-, dem

Gläubigerschutz aber abträglich.1274

So meint Schärtl, dass zwar mit der Rücklage ein dem Stammkapital

vorgelagerter „Reservefonds“ geschaffen würde; dessen Größe variierte jedoch je nach wirtschaftlichem

Erfolg der UG, sodass erst die (fakultative) Stammkapitalerhöhung nach § 5a Abs 5 dGmbHG eine

endgültige Verbesserung des Gläubigerschutzniveaus zur Folge habe.1275

Letztlich könnte man aus dem Vorangegangenen aber gerade in der Rücklagenverpflichtung ein

Attraktivitätspotential und somit einen Konkurrenzfaktor der UG gegenüber der „klassischen“ dGmbH

erkennen:1276

wer eine UG wählt, hat zwar eine strengere Verpflichtung zur Bildung von Rücklagen als jener,

der die „klassische“ dGmbH wählt, dafür aber eine Eigenkapitalausstattung, die angesichts derzeit

geforderter Standards wie etwa Basel II in „klassischen“ dGmbHs weniger oft zu finden sein wird – gesetzt

den Fall, die UG macht kräftige Gewinne. Andernfalls können die in der Rücklage gebundenen Mittel

nämlich zur Deckung operativer Verluste verwendet werden; dies ist zwar nicht ausdrücklich gesetzlich

verankert, erscheint in der Lehre aber als selbstverständlich.1277

1273

Veil, Die Unternehmergesellschaft, GmbHR 2007, 1083. 1274

So auch Schärtl, Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – innovatives Konzept oder „typischer

Kompromiss“?, GmbHR 2007, R 305. 1275

Schärtl schlug daher eine zwingende kontinuierliche Erhöhung der Stammkapitalziffer mit Hilfe der gesetzlichen

Rücklage vor oder zumindest die Klarstellung, dass die einmal gebildete Rücklage nicht durch spätere Verluste der

Gesellschaft aufgezehrt werden darf bzw zunächst vollständig bis zu ihrem ursprünglichen Höchststand

wiederaufgefüllt werden muss, bevor Ausschüttungen an die Gesellschafter erfolgen dürfen; s Schärtl,

Unternehmergesellschaft, GmbHR 2007, R 306. 1276

So auch Schärtl, Unternehmergesellschaft, R 306. 1277

So etwa Freitag/Riemenschneider, Die Unternehmergesellschaft, ZIP 2007, 1488.

Page 188: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

172

6.4.2.4 Ausblick

Die UG wird ihren Haupteinsatzbereich bei der Erleichterung von Existenzgründungen finden; dies war auch

vom Gesetzgeber so gedacht.1278

Ob der befürchtete Seriositätsverlust eintreten wird oder ob die UG mit

ihrem sperrigen Namen Erfolg bei Kleinunternehmern und deren Geschäftspartnern haben wird, wird die

Praxis zeigen. Zumindest zeigt sich bereits anhand erster Statistiken, dass etwa ¾ der Unternehmensgründer

lieber die etwas weniger sperrige Abkürzung „UG (haftungsbeschränkt)“ statt der Ausschreibung des vollen

Namens wählen.1279

Allein die namensmäßige Abgrenzung von der dGmbH reicht aber jedenfalls nicht aus,

um bilanzunkundigen Geschäftspartnern Aufschluss über die genaue vermögensmäßige Situation des

Unternehmens zu geben;1280

ein einigermaßen rechts- und statistikenkundiger Geschäftspartner wird aber

davon ausgehen dürfen, dass es sich beim Stammkapitalbetrag einer UG um einen regelmäßig sehr viel

geringeren Betrag als € 25.000 handeln wird.1281

Die insofern sinnvoll erscheinende Aufnahme eines Gebots

in das MoMiG, auf Geschäftsbriefen und deren digitalen Pendants stets die Höhe des Stammkapitals

anzugeben,1282

wurde zwar im Referentenentwurf zum MindestkapG im Jahr 2005 vorgeschlagen, fand aber

keinen weiteren Eingang in das Gesetzgebungsverfahren.

Abseits vom Einsatzbereich „Existenzgründungen“ wird die UG wahrscheinlich auch in anderen Bereichen

zur Anwendung gelangen: in der Form einer UG & Co KG kann jede natürliche Person als UG-

Geschäftsführer die Geschäftsführung einer Personenhandelsgesellschaft übernehmen, ohne unbeschränkt zu

haften, und ohne dass es hierzu eines Mindestkapitals bedarf.1283

Zudem wird die UG als Vorratsgesellschaft

Anwendung finden, wie schon die in Kapitel 6.1 dargelegten ersten Statistiken zur UG zeigen.

1278

Gesetzentwurf der Bundesregierung zum MoMiG, BR-Drucksache 354/07, 70. 1279

Bayer/Hoffmann, Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) - erste Bilanz, GmbHR 2009, 124. 1280

Waldenberger/Sieber, Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) jenseits der „Existenzgründer“, GmbHR

2009, 114. 1281

S zu den ersten Statistiken bereits Kapitel 6.1. 1282

So auch Waldenberger/Sieber, Unternehmergesellschaft, GmbHR 2009, 114. 1283

Waldenberger/Sieber, Unternehmergesellschaft, GmbHR 2009, 121.

Page 189: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

173

6.4.3 Die Reform der Kapitalerhaltungsregeln durch das MoMiG

6.4.3.1 Einführung

Das Kapitalschutzkonzept des § 30 dGmbHG sowie das Eigenkapitalersatzrecht der §§ 32a und 32b

dGmbHG waren seit längerem Gegenstand rechtspolitischer Diskussionen.1284

Hinsichtlich der Kapitalerhaltungsregel des § 30 dGmbHG, einst vom BGH als Kernstück des dGmbH-

Rechts bezeichnet,1285

war man sich großteils im Klaren, dass die Grundstruktur nicht angetastet werden

würde, wenn auch verschiedentlich die Einrichtung eines Solvenztest-Systems gefordert wurde. Daneben

existierten aber auch vereinzelt Stimmen, die eine vollständige Abschaffung der Kapitalaufbringungs- und

erhaltungspflicht forderten und stattdessen für eine nachgelagerte Wertkontrolle im Sinne einer Haftung des

Gesellschafters für nicht erbrachte oder zurückgewährte Einlagen in der Insolvenz der Gesellschaft nach dem

Muster der deutschen Kommanditgesellschaft (§§ 171, 172 dHGB) plädierten.1286

Der Gesetzgeber blieb letztlich aber doch bei der einfachen und bewährten Grundstruktur in § 30 Abs 1 S 1

dGmbHG:1287

„Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft darf an die

Gesellschafter nicht ausgezahlt werden.“ Neue Instrumente, die in der Praxis immer öfter verwendet werden,

nämlich sog „Upstream Loans“, speziell das bereits erwähnte „Cash-Pooling“, sorgten jedoch dafür, dass

dieses Auszahlungsverbot allein nicht mehr ausreichte, um völlige Rechtssicherheit zu gewährleisten.

Die Eigenkapitalersatzregeln in §§ 32a und 32b dGmbHG, die man ebenfalls als kapitalerhaltende

Maßnahmen bezeichnen kann, waren zudem als schwerfällige und komplexe Regelungen bekannt: neben den

§§ 32a, 32b dGmbHG waren auch die an § 30 dGmbHG anknüpfenden Regeln der Rsp anzuwenden,1288

sodass es zwei Arten von Gesellschafterdarlehen gab, nämlich die in der Insolvenz geltenden „Novellen“-

Darlehen (§§ 32a, 32b dGmbHG waren durch die dGmbHG-Novelle 1980 eingefügt worden) und die vor der

Insolvenz geltenden Rsp-Darlehen.1289

Diese umstrittene Dichotomie sollte abgeschafft werden, wenngleich

die Grundstruktur auch hier mangels überzeugender Alternativen (etwa Durchgriffshaftung) beibehalten

werden sollte.1290

Wer in der Diskussion die gänzliche Abschaffung des Mindeststammkapitals der dGmbH forderte, konnte

folglich auch auf komplexe Regelungen verzichten, die den Erhalt dieses Kapitals gewährleisten sollten.1291

Von der Abschaffung des Mindeststammkapitals wurde jedoch, wie erwähnt, bei der „klassischen“ dGmbH

abgesehen, sodass Regelungen zur Kapitalerhaltung, die zudem auch moderne Praktiken einbeziehen, auch

weiterhin notwendig blieben.

1284

Schmidt, Reform der Kapitalsicherung, GmbHR 2007, 1074. 1285

S Kapitel 6.3.1. 1286

Krit zu diesem Vorschlag und mwN Drygala/Kremer, Alles neu macht der Mai – Zur Neuregelung der

Kapitalerhaltungsvorschriften im Regierungsentwurf zum MoMiG, ZIP 2007, 1291. 1287

Schmidt, Reform der Kapitalsicherung, GmbHR 2007, 1074. 1288

Schäfer/Ascherfeld, Reform, RWZ 2007, 290. 1289

Lutter, Regierungsentwurf, GesRZ 2007, 372. 1290

Referentenentwurf MoMiG vom 29.5.2006, 35. 1291

Heckschen, MoMiG – Ein Überblick über den aktuellen Diskussionsstand, NotBZ 2006, 387.

Page 190: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

174

6.4.3.2 Die Novellierung des § 30 Abs 1 dGmbHG

Bereits der Referentenentwurf zum MoMiG vom Mai 2006 sah vor, zwei Sätze an den unangetastet

belassenen, vorhin erwähnten (nunmehr ersten) Satz des § 30 Abs 1 dGmbHG anzufügen: „Wird das

Stammkapital durch eine Vorleistung aufgrund eines Vertrags mit einem Gesellschafter angegriffen, so gilt

das Verbot des Satzes 1 nicht, wenn die Leistung im Interesse der Gesellschaft liegt. Satz 1 ist zudem auf die

Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens auch dann nicht anzuwenden, wenn das Darlehen der

Gesellschaft in einem Zeitpunkt gewährt worden ist, in dem Gesellschafter der Gesellschaft als ordentliche

Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten; gleiches gilt für Leistungen auf Forderungen aus

Rechtshandlungen, die einer solchen Darlehensgewährung wirtschaftlich entsprechen.“1292

Der erste angefügte Satz, welcher bestimmt, dass „Vorleistungen“ zulässig sind, wenn sie im Interesse der

Gesellschaft liegen, erfasst die Gewährung eines Darlehens aus gebundenem Vermögen durch eine dGmbH

an ihre Gesellschafter. Er umfasst also das Problem des „Upstream Loans“ bzw im Besonderen jenes des

„Cash Pooling“.

Ebendiese Praxis, die bislang keine rechtliche Grundlage hatte, stand seit dem „November-Urteil“ des BGH

vom 24. November 20031293

auf tönernen Füßen: zwar lag dem Urteil kein Konzern-Cash-Pooling-

Sachverhalt zu Grunde, aber die Aussage des BGH war doch so allgemein gehalten, um sie auch auf die

Praxis des Cash-Pooling übertragen zu können. Es ging um die Darlehensgewährung durch eine dGmbH mit

einem Stammkapital iHv 50.000 DM an Gesellschafter im Stadium der Unterbilanz; laut Seibert ein

„massiver Ausplünderungsfall“,1294

denn die Darlehen (allesamt im Jahr 1994 vergeben) machten insgesamt

den Betrag von 1 Million DM aus. Vor dem „November-Urteil“ hätte man den Fall anhand der bilanziellen

Vermögenslage beurteilt: nur wenn eine bilanzielle Vermögensminderung vorlag, wäre die

Darlehensgewährung gem § 30 Abs 1 dGmbHG aF unzulässig gewesen. Diese „bilanzielle

Betrachtungsweise“ führte dementsprechend zur Zulässigkeit der Darlehensgewährung in den Fällen, in

denen die Darlehensgewährung bilanzrechtlich neutral erfolgte. Eine Beklagte im Rechtsstreit, der dem

„November-Urteil“ des BGH zugrunde lag, berief sich auf ebendiese bilanzrechtliche Neutralität der

Darlehensgewährung, da der Gesellschaft ein vollwertiger Rückzahlungsanspruch zustehe.1295

Der BGH

folgte in diesem Extremfall, in dem ein Stammkapital iHv 50.000 DM einer Ausschüttung iHv 1 Million DM

gegenüberstand, zu Recht dieser damals hM nicht: eine bilanzielle Betrachtungsweise war bei einem

derartigen Abfluss von Liquidität unangebracht.1296

Laut Leitsatz des BGH war seitdem (bis zum

Inkrafttreten des MoMiG) die Gewährung eines Darlehens durch eine dGmbH an ihre Gesellschafter auch

dann gem § 30 dGmbHG unzulässig, wenn der Rückzahlungsanspruch gegen den Gesellschafter im

Zeitpunkt der Ausreichung des Darlehens vollwertig war.1297

Vermögensschutz erschöpft sich laut BGH

nicht in der „Garantie einer bilanzmäßigen Rechnungsziffer, sondern gebietet die Erhaltung einer die

1292

Referentenentwurf MoMiG vom 29.5.2006, 5. 1293

BGH, Urteil vom 24.11.2003, II ZR 171/01 = NJW 2004, 1111 („November-Urteil“). 1294

Seibert, GmbH-Reform: Referentenentwurf, ZIP 2006, 1162 mwN. 1295

BGH, Urteil vom 24.11.2003, II ZR 171/01 = NJW 2004, 1111 („November-Urteil“). 1296

Noack, Reform des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts, DB 2006, 1482. 1297

S auch Seibert, GmbH-Reform: Referentenentwurf, ZIP 2006, 1162 mwN.

Page 191: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

175

Stammkapitalziffer deckenden Haftungsmasse“.1298

Die Gesellschaft könne mit einer zeitlich

hinausgeschobenen schuldrechtlichen Forderung nichts anfangen, wenn realer Vermögensverlust zu

beklagen ist.1299

Auch für den Fall des idR ökonomisch sinnvollen Cash-Pooling schien dieses Urteil zunächst relevant; als

genau zwei Jahre später das Folgeurteil des OLG München1300

ausdrücklich die Cash-Pooling-Praxis unter

das „November-Urteil“ subsumierte, konnte daran kein Zweifel mehr bestehen. Spätestens seit diesem

Folgeurteil war aber dennoch unklar, ob eine Leistung einer dGmbH, aufgrund einer Cash-Pooling-

Vereinbarung etwa an die Konzernmutter („Upstream-Loan“), im Einzelfall gegen § 30 dGmbHG verstößt,

auch weil die beiden Urteile nicht darauf eingingen, ob Leistungen, die aus einer bereits bestehenden

Unterbilanz bewirkt werden, unter das Verbot des § 30 dGmbHG fallen, oder auch Leistungen, die eine

Unterbilanz erst herbeiführen.1301

Zudem entstand „erhebliche Rechtsunsicherheit“ in der Praxis, vor allem,

was international tätige Konzerne betrifft, die mit einer anscheinenden Illegalität des Cash-Poolings in ihrem

Heimatland nicht konfrontiert waren.1302

Immerhin sah der BGH in einem obiter dictum seines „November-

Urteils“ Ausnahmemöglichkeiten vor: zulässig kann im Einzelfall eine Darlehensgewährung sein, die im

Interesse der Gesellschaft erfolgt, einem Drittvergleich standhält und bei Anlegung strengster Maßstäbe die

Kreditwürdigkeit des Gesellschafters außer Zweifel steht oder wenn die Rückzahlung des Darlehens durch

werthaltige Sicherheiten voll gewährleistet ist.1303

Der Referentenentwurf hat diese strengen, kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen des BGH für eine

zulässige Darlehensgewährung gelockert und nur die erste Voraussetzung, das Interesse der Gesellschaft, als

Ausnahme vom Ausschüttungsverbot des § 30 Abs 1 dGmbHG in S 2 normiert. Darlehensgewährungen (sog

„Vorleistungen“) wie etwa im Bereich des Cash-Pooling sollen somit zulässig sein, wenn sie im Interesse der

Gesellschaft erfolgen.

Im Referentenentwurf wurde an § 30 Abs 1 S 1 dGmbHG aber nicht nur die Ausnahmeregelung für

„Vorleistungen“, also vor allem Cash-Pool-Systeme, angefügt, sondern auch ein weiterer Satz, der generell

anordnet, dass Gesellschafterdarlehen und gleichgestellte Leistungen nicht wie haftendes Eigenkapital zu

behandeln sind, und zwar auch dann nicht, wenn sie in einem Zeitpunkt gewährt worden sind, in dem die

Gesellschafter als ordentliche Kaufleute der Gesellschaft Eigenkapital zugeführt hätten. Die erwähnten

Rechtsprechungs-Regeln zum Eigenkapitalersatzrecht und somit die Dichotomie dieses Rechtsgebiets sollten

so abgeschafft und überhaupt die Rechtsfigur des eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens

aufgegeben werden.1304

Folglich kann die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens vom Geschäftsführer

nicht mehr unter Berufung auf eine analoge Anwendung des § 30 dGmbHG verweigert werden;1305

zudem

1298

BGH, Urteil vom 24.11.2003, II ZR 171/01 = NJW 2004, 1111 („November-Urteil“). 1299

BGH, Urteil vom 24.11.2003, II ZR 171/01 = NJW 2004, 1111 („November-Urteil“). 1300

OLG München, Urteil vom 24.11.2005, 23 U 3480/05 = ZIP 2006, 25. 1301

Seibert, GmbH-Reform: Referentenentwurf, ZIP 2006, 1163. 1302

Gesetzentwurf der Bundesregierung zum MoMiG, BR-Drucksache 354/07, 93. 1303

BGH, Urteil vom 24.11.2003, II ZR 171/01 = NJW 2004, 1111 („November-Urteil“); Seibert, GmbH-Reform:

Referentenentwurf, ZIP 2006, 1163. 1304

Seibert, GmbH-Reform: Referentenentwurf, ZIP 2006, 1161. 1305

Referentenentwurf MoMiG vom 29.5.2006, 56.

Page 192: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

176

macht sich ein Geschäftsführer, der ein Darlehen zurückzahlt, auch nicht mehr schadenersatzpflichtig, was

bislang von der Rsp gem § 43 Abs 3 dGmbHG bejaht wurde. Ausplünderungen der Gesellschaft im Vorfeld

der Insolvenz machen aber dennoch schadenersatzpflichtig, gem § 64 Abs 2 dGmbHG.1306

Der Regierungsentwurf vom Mai 2007 blieb zwar der Grundlinie des Referentenentwurfs treu, änderte aber

die Textierung der neu angefügten Sätze in § 30 Abs 1 dGmbHG. Ebenso, wie man die im

Referentenentwurf vorgeschlagene Ausnahmeregelung bezüglich „Vorleistungen“ nur verstehen kann, wer

das „November-Urteil“ des BGH näher kennt, dürfte auch die im Regierungsentwurf vorgeschlagene und

letztlich auch die in Kraft getretene Fassung des § 30 Abs 1 S 2 dGmbHG für einen juristischen Laien wenig

verständlich sein, wenn auch der „seltsam anmutende“1307

Begriff der „Vorleistung“ sowie die „wenig

griffige“ und „unbestimmte“1308

Voraussetzung des „Interesses“ wegfiel: nach dem Vorschlag des

Regierungsentwurfs sollte § 30 Abs 1 S 1 dGmbHG nicht „bei Leistungen (gelten), die zwischen den

Vertragsteilen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291 des Aktiengesetzes) erfolgen

oder durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt

sind. Satz 1 ist zudem nicht anzuwenden auf die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens und Leistungen

auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen.“

Der Vorschlag des Regierungsentwurfs fand, wie erwähnt, bis auf eine textliche Verbesserung durch den

Rechtsausschuss (die Worte „zwischen den Vertragsteilen“ wurden auf „bei Bestehen“ geändert, um den

Anwendungsbereich zu erweitern) Eingang ins Gesetz.

Wer das „November-Urteil“ des BGH gelesen hat, erkennt die Abkehr von diesem Urteil: war laut Urteil die

Darlehensgewährung auch bei vollwertigem Rückgewähranspruch unzulässig, wird dies nun ausdrücklich

per Gesetz für zulässig erklärt. Das „November-Urteil“ soll somit ausdrücklich nicht mehr weiter

angewendet werden.1309

Zudem soll ausdrücklich auch ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag

der Rückzahlung nicht entgegen stehen.

Der Regierungsentwurf geht demnach weiter als der Referentenentwurf, der nur die obiter aufgestellten

strengen Ausnahmebedingungen lockerte. War der BGH im Urteil vom bilanziellen Denken, wie erwähnt,

abgegangen, so kehrt der Regierungsentwurf und somit die in Kraft getretene Gesetzesnovelle ausdrücklich

zum „bilanziellen Denken“ zurück, wonach das Stammkapital nur „eine bilanzielle Ausschüttungssperre“

darstellt.1310

Der BGH ging in seinem „November-Urteil“, dem ein Extremfall zugrunde lag, weiter und

konstatierte in § 30 dGmbHG, wie erwähnt, einen „gegenständlichen Schutz“.1311

Von dieser

Betrachtungsweise wird nun – auf gesetzlichem Wege – wieder abgegangen. Bei einer Leistung, die durch

einen vollwertigen, also auch durchsetzbaren, Gegenleistungs- oder Rückerstattungsanspruch gedeckt wird,

wird ein Aktivtausch vorgenommen. „Spätere nicht vorhersehbare negative Entwicklungen“ und „bilanzielle

1306

Seibert, GmbH-Reform: Referentenentwurf, ZIP 2006, 1161. 1307

Schäfer, Probleme des Cash-Poolings bei Kapitalaufbringung und –erhaltung – Welche Lösung bringt das MoMiG?,

BB-Special 7, Heft 37, 2006, 5. 1308

Drygala/Kremer, Alles neu macht der Mai, ZIP 2007, 1290. 1309

„Nichtanwendungserlass“: Hölzle, Gesellschafterfremdfinanzierung und Kapitalerhaltung im Regierungsentwurf

des MoMiG, GmbHR 2007, 734. 1310

Gesetzentwurf der Bundesregierung zum MoMiG, BR-Drucksache 354/07, 94. 1311

Gesetzentwurf der Bundesregierung zum MoMiG, BR-Drucksache 354/07, 93f.

Page 193: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

177

Abwertungen“ sollen aber nicht nachträglich zu einer verbotenen Auszahlung führen; ein

Sorgfaltspflichtverstoß des Geschäftsführers kann dann jedoch gegeben sein.1312

Dem Bestreben des Gesetzgebers, die beliebte Praxis des Cash-Pooling gesetzlich abzusichern, um damit

letztlich auch eine Attraktivitätssteigerung der dGmbH zu erreichen, ist grundsätzlich zuzustimmen. Extreme

Fälle wie jene des „November-Urteils“ kann die Neuregelung jedoch mE nicht erfassen: der

Regierungsentwurf sieht zwar in seiner Begründung zu § 30 dGmbHG auch die Verhinderung solcher

Ausplünderungs-Fälle vor, begründet dies aber ausgerechnet mit dem Gebot der Vollwertigkeit,1313

also jener

bilanziellen Betrachtungsweise, die den BGH gerade nicht beeindrucken konnte. Immerhin verleiht der

Regierungsentwurf dem Begriff der „Vollwertigkeit“ gewisse, wenn auch nicht allzu strenge Konturen: sie

sei eine „nicht geringe Schutzschwelle“; Vollwertigkeit „dürfte … regelmäßig zu verneinen sein“, wenn der

Gesellschafter etwa eine „mit geringen Mitteln ausgestattete Erwerbsgesellschaft“ ist oder wenn „die

Durchsetzbarkeit der Forderung aus anderen Gründen absehbar in Frage gestellt“ ist. Hinzu kommt das

„Deckungsgebot“, wonach „bei einem Austauschvertrag der Zahlungsanspruch gegen den Gesellschafter

nicht nur vollwertig sein muss, sondern auch wertmäßig nach Marktwerten und nicht nach

Abschreibungswerten den geleisteten Gegenstand decken muss“. 1314

Letztlich kehrte auch der BGH selbst zur bilanziellen Betrachtungsweise zurück: in einem am 1. Dezember

2008 ergangenen Urteil1315

stellte der BGH klar, dass die Gewährung eines unbesicherten, kurzfristig

rückforderbaren „Upstream-Darlehens“ durch eine abhängige Aktiengesellschaft an ihre

Mehrheitsaktionärin, der „MPS“-GmbH, kein per se nachteiliges Rechtsgeschäft im Sinne der

Kapitalerhaltungsvorschrift des § 57 dAktG darstellt, wenn die Rückzahlungsforderung im Zeitpunkt der

Darlehensausreichung vollwertig ist. Dies gilt auch für Altfälle. Der BGH folgte damit der Vorgabe des

MoMiG und gab seine „November“-Rechtsprechung auf. Der BGH gab zudem erste Hinweise zur

Auslegung des Begriffs der „Vollwertigkeit“: Maßstab dafür ist eine „vernünftige kaufmännische

Beurteilung“, wie sie auch bei der Bewertung von Forderungen aus Drittgeschäften im Rahmen der

Bilanzierung gem § 253 dHGB maßgeblich ist. Eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit der

Darlehensrückzahlung ist nach Meinung des BGH nicht erforderlich. Scheint aus der ex-ante-Perspektive die

Forderung als vollwertig bzw ein Forderungsausfall unwahrscheinlich, so gilt das Rechtsgeschäft jedenfalls

als nicht nachteilig, selbst „wenn es später wider Erwarten doch zu einem Forderungsausfall kommt“.1316

Der Regierungsentwurf und die in Kraft getretene Novelle verbesserten zudem die in § 30 Abs 1 dGmbHG

bereits vom Referentenentwurf vorgeschlagene Aufgabe der Rechtsprechungsregeln zum

Eigenkapitalersatzrecht: das Ziel, die Nichtanwendung des Ausschüttungsverbots auf die Rückgewähr eines

Gesellschafterdarlehens oder einer wirtschaftlich entsprechenden Rechtshandlung, bleibt dasselbe, nur wurde

der Text im Sinne der Rechtsklarheit vereinfacht.

1312

Gesetzentwurf der Bundesregierung zum MoMiG, BR-Drucksache 354/07, 94. 1313

Gesetzentwurf der Bundesregierung zum MoMiG, BR-Drucksache 354/07, 94. 1314

Gesetzentwurf der Bundesregierung zum MoMiG, BR-Drucksache 354/07, 94. 1315

BGH, Urteil vom 1.12.2008, II ZR 102/07 = GmbHR 2009, 199 („MPS“). 1316

BGH, Urteil vom 1.12.2008, II ZR 102/07 = GmbHR 2009, 199 („MPS“).

Page 194: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

178

6.4.3.3 Die Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts

Bereits der Referentenentwurf hob die §§ 32a und 32b dGmbHG auf und verlagerte den nunmehrigen

Regelungskomplex der „Gesellschafterdarlehen in der Krise“ in das Insolvenzrecht. Bislang galt der auch im

österreichischen EKEG vergleichbar verankerte Grundsatz, dass ein Gesellschafter der Gesellschaft in der

„Krise“ Eigenkapital zuzuführen hat, wenn er die Gesellschaft finanzieren will; gibt er aber ein Darlehen,

wird dies so behandelt, als ob er Eigenkapital zugeführt habe, das Darlehen gilt als „eigenkapitalersetzend“

und darf daher nicht zurückgezahlt werden; wenn dies doch geschieht, ist der Gesellschafter zur

Rückzahlung verpflichtet. In der Insolvenz war der Anspruch des Gesellschafters aus Darlehen, die er der

Gesellschaft in der Krise gewährt hatte, nachrangig.1317

Diese hier nur grob vereinfachend dargestellte Rechtsfigur des „eigenkapitalersetzenden Darlehens“, die für

die Praxis kompliziert und für international tätige Gesellschaften ungewohnt war, wird aufgegeben.1318

Auf

die Begriffe „eigenkapitalersetzend“ und „Krise“ wird im Zusammenhang mit Gesellschafterdarlehen

verzichtet: auch in der „Krise“ ist also die Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen nunmehr zulässig;

erfolgt sie jedoch innerhalb eines Jahres vor der Insolvenzeröffnung, so kann sie nunmehr gem § 135 dInsO

angefochten werden; ebenso kann die Besicherung eines Gesellschafterdarlehens innerhalb der letzten zehn

Jahre vor Insolvenzantrag gem § 135 dInsO angefochten werden. Neben der in § 30 Abs 1 S 3 dGmbHG

getätigten Aufhebung der Rechtsprechungs-Regeln soll die Überleitung des Regelungskomplexes der

„Gesellschafterdarlehen in der Krise“ in das Insolvenzrecht die Rechtslage vereinfachen.1319

In Zukunft wird kein Unterschied zwischen der Leistung eines Darlehens in oder vor der Krise gemacht; alle

Gesellschafterdarlehen werden nur noch im Insolvenzverfahren berücksichtigt und sind bei Eintritt der

Insolvenz allesamt1320

nachrangig, und nicht nur solche, die eigenkapitalersetzenden Charakter haben (§ 39

dInsO).1321

§§ 32a und 32b dGmbHG wurden insofern nach § 39 dInsO und in den erwähnten § 135 dInsO

„verlegt“, wenngleich seit Inkrafttreten des MoMiG an die Stelle des Eigenkapitalersatzes die

Nachrangigkeit aller Gesellschafterdarlehen und diesen wirtschaftlich entsprechender Leistungen tritt.1322

Grundsätzlich wurde daher die „Eigenkapital ersetzende Leistung“ aufgegeben; eine Eigenheit stellt die aus

§ 26a der österreichischen KO übernommene Regelung der Gebrauchsüberlassung dar, wonach der

Gesellschafter einen Gegenstand, den dieser der Gesellschaft zum Gebrauch oder zur Ausübung überlassen

hat, während der Dauer des Insolvenzverfahrens, höchstens aber für eine Zeit von einem Jahr ab der

Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht per Aussonderungsanspruch zurückfordern kann, wenn der

Gegenstand für die Fortführung des Unternehmens von erheblicher Bedeutung ist.

1317

Oppenhoff, GmbH-Reform, BB 2008, 1632, 1634. 1318

Heckschen, MoMiG – Ein Überblick, NotBZ 2006, 387. 1319

Römermann, Der Entwurf des „MoMiG“ – die deutsche Antwort auf die Limited, GmbHR 2006, 677. 1320

Ausgenommen von der Nachrangigkeit sind solche nach § 39 Abs 4 S 2 und Abs 5 dInsO („Sanierungs- bzw

Kleinbeteiligtenprivileg“), also Darlehen, die zum Zwecke der Sanierung der Gesellschaft bzw von einem

geschäftsführenden Gesellschafter mit einer Kapitalbeteiligung von 10 % oder weniger gegeben wurden. 1321

Referentenentwurf MoMiG vom 29.5.2006, 83. 1322

Hölzle, Gesellschafterfremdfinanzierung und Kapitalerhaltung, GmbHR 2007, 732.

Page 195: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

179

Aus der nunmehr einheitlichen Behandlung aller Gesellschaften im Insolvenzrecht und der Übertragung

zumindest eines Teils des Haftkapitalsystems (nämlich des Eigenkapitalersatzrechts) in dieses Rechtsgebiet

soll sich außerdem ein weiterer Attraktivitätsverlust der in Deutschland tätigen Limited ergeben:1323

da auf

die englische Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland nach Kollisionsrecht (Artt 31324

und 4 der

Europäischen Insolvenzverordnung iVm § 3 dInsO) deutsches Insolvenzrecht zur Anwendung gelangt,1325

dürften frühere Rechtsunsicherheiten bezüglich der Frage, ob es sich bei einer Norm um jene des

Gesellschaftsrechts oder des Insolvenzrechts handelt, ausgeräumt und dementsprechende

Wettbewerbsvorteile von Auslandsgesellschaften beseitigt sein.1326

6.5 Fazit

Die Unterschiede zwischen der alten und neuen Rechtslage zum deutschen GmbH-Recht sind mannigfaltig

und detailliert; das MoMiG hat vieles in den hier interessierenden Bereichen an moderne Praktiken

angepasst, mit dem Ziel der Attraktivitätssteigerung der dGmbH. Die „November“-Rsp des BGH, die, wenn

ihr auch ein Extremfall zugrunde lag, aber doch einen auf „normale“ Ausschüttungsfälle übertragbaren

umfassenden Kapitalschutz vor Augen hatte, wurde im Bereich des Cash-Pooling gar für nicht anwendbar

erklärt. Das Mindestkapital wurde bei der „Vorstufe“ zur dGmbH, der UG, auf € 1 herabgesenkt, und bei der

„klassischen“ dGmbH aufgrund Bedenken der Vertreter der KMU bezüglich eines möglichen

Seriositätsverlusts bei € 25.000 belassen.

Mit diesen Eindrücken einer modernisierten dGmbH vor Augen, deren Reform auf die kommende

österreichische Rechtslage mit Sicherheit abfärben wird, sich aber in der Zukunft erst noch als praktikabel

erweisen muss, scheint die Begründung im Regierungsentwurf, das „bewährte Haftkapitalsystem“ werde

„nicht in Frage gestellt“,1327

schal. Gerade in das Haftkapitalsystem, also in die Existenz und das

Zusammenspiel von Mindestkapital und kapitalerhaltenden Maßnahmen, griff das MoMiG ein wie kein

Reformvorhaben zuvor. Zudem war anfangs ein Paradigmenwechsel im Sinne einer Aufgabe des präventiven

und der Einrichtung eines nachgelagerten Kapitalschutzsystems nach angloamerikanischem Modell auch

nicht völlig ausgeschlossen.1328

1323

Vgl zur Anwendung des Insolvenzrechts auf in Deutschland gelegene Auslandsgesellschaften etwa

Referentenentwurf MoMiG vom 29.5.2006, 65. 1324

Trotz der (Zweifels-)Regel des Art 3 Abs 1 S 2 der Europäischen Insolvenzverordnung, wonach eine widerlegbare

Vermutung für den Ort des Satzungssitzes als Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen besteht, hat das Gericht den

tatsächlichen Interessenmittelpunkt des Schuldners, der somit auch in einem anderen Staat liegen kann, von Amts

wegen zu prüfen; dieser wird idR mit dem effektiven Verwaltungssitz iSd Sitztheorie übereinstimmen: s Duursma-

Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Kommentar zur Europäischen Insolvenzverordnung, Springer Verlag, Wien 2002,

Art 3 Rz 24. 1325

Just, Die englische Limited in der Praxis, Rn 340. 1326

Inländisches Gesellschaftsrecht kommt bei Auslandsgesellschaften aufgrund der „Europäischen Gründungstheorie“

des EuGH nicht zur Anwendung; Waldenberger/Sieber, Unternehmergesellschaft, GmbHR 2009, 115. 1327

Gesetzentwurf der Bundesregierung zum MoMiG, BR-Drucksache 354/07, 56. 1328

So Goette, Aktuelle Entwicklungen im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht im Lichte der höchstrichterlichen

Rechtsprechung, ÖBA 2009, 19 mwN.

Page 196: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

180

Das Haftkapitalsystem, eine Eigenart des kontinentaleuropäischen Gesellschaftsrechtssystems, unserem

„tradierten Rechtsverständnis“ entsprechend1329

und einst eine „Kulturleistung ersten Ranges“1330

genannt,

soll im 8. Kapitel anhand des Meinungsstandes zu den Vor- und Nachteilen nähergebracht werden. Zuvor

wird im 7. Kapitel noch ein Überblick über weitere europäische Reformen im Gesellschaftsrecht geboten.

1329

BGH, zitiert nach Goette, Aktuelle Entwicklungen, ÖBA 2009, 19 mwN. 1330

Wiedemann, zitiert nach Rüffler, Gläubigerschutz durch Mindestkapital und Kapitalerhaltung, GeS 2005, 140 mwN.

Page 197: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

181

7. Weitere ausgewählte Regelungen im Rechtsvergleich

7.1 Die spanische Sociedad Limitada Nueva Empresa (SLNE)

Die spanische Sociedad Limitada entspricht der GmbH und ist die beliebteste Rechtsform für Klein- und

Mittelunternehmen. Wurden im Jahr 2002 von 114.738 Handelsgesellschaften insgesamt 111.563, also über

97 %, als Rechtsform der Sociedad Limitada gegründet, so standen dem nur 3.152 gegründete Gesellschaften

in der Rechtsform der Sociedad Anónima (der spanischen Aktiengesellschaft) gegenüber. Dennoch wurden

bis 2002 nur 64 % der KMU in der Rechtsform der Sociedad Limitada geführt; die Gründung erschien vielen

als zu kosten- und zeitintensiv, bei einer Gründungsdauer von idR zwei bis drei Monaten. Auch in Spanien

gelten KMU mit einer Prozentzahl von 99,87 % aller spanischen Unternehmen als Hoffnungsträger und

Motor für Wirtschaftswachstum.1331

Aus diesem Grund entschloss sich Spanien als erstes Land innerhalb der

Europäischen Union zu einer Reform der GmbH, die eine Attraktivitätssteigerung der Gesellschaften mit

beschränkter Haftung zum Ziel hatte.1332

Auch war die Empfehlung der Kommission vom 22.4.1997,

97/344/EG, zur Verbesserung und Vereinfachung von Unternehmensgründungen1333

mit ein Grund zur

Deregulierung des Rechts der spanischen GmbH.1334

Am 2. Juni 2003 trat daher in Spanien das Gesetz 7/2003 über die Sociedad Limitada Nueva Empresa

(SLNE) in Kraft. Bei der SLNE handelt es sich um eine Sonderart der Sociedad Limitada und somit nicht um

eine eigene Rechtsform, obwohl die Bestimmungen des Gesetzes über die SLNE in insgesamt zehn Punkten

von denen der „klassischen“ Sociedad Limitada abweichen.1335

Diese zehn Punkte betreffen die Attraktivitätssteigerung der spanischen GmbH, und zwar - neben der

Vereinfachung der Buchführung - vor allem durch die Beschleunigung des Gründungsvorgangs durch eine

Mustersatzung und den Einsatz moderner Informationstechnologien in der Gründungsphase. Ein

einheitliches elektronisches Dokument (documento unico electronico, DUE) ermöglicht die rasche Einsicht

in sämtliche Daten einer SLNE. Dadurch sollte die Gesellschaft binnen 24 Stunden nach der Errichtung der

notariellen Urkunde in das Handelsregister eingetragen sein.1336

Das Mindestkapital wurde in seiner Höhe hingegen nicht angetastet und verbleibt, wie auch bei der Sociedad

Limitada, bei € 3.012.1337

Da die SLNE für Klein- und Mittelunternehmen konzipiert ist, ist im Gesetz zur

SLNE – im Gegensatz zur Sociedad Limitada – ein Höchststammkapital iHv € 120.202 vorgesehen; die

1331

Lindner, Die spanische „Sociedad Limitada Nueva Empresa“ – Ein Modell für eine europäische kleine GmbH?,

ZfRV 2004/29. 1332

Oelkers, Mindestkapital und Nennkapital, GesRZ 2004, 361 mwN. 1333

ABl 145 vom 5.6.1997, 29. 1334

Bervoets/Lembeck, GmbH Light, SWI 2004, 359. 1335

Lindner, Die spanische „Sociedad Limitada Nueva Empresa“, ZfRV 2004/29, FN 9. 1336

Oelkers, Mindestkapital und Nennkapital, GesRZ 2004, 361 FN 14 mwN. 1337

Kieninger, Aktuelle Entwicklungen, 16.

Page 198: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

182

Aufbringung durch Sacheinlagen ist zudem verboten.1338

Außerdem dürfen nur natürliche Personen

Gesellschafter der SLNE sein.

Während für die SLNE also ein geringes Mindestkapital vorgesehen ist, ist die Kapitalerhaltung der neuen

spanischen Gesellschaftsform verhältnismäßig streng geregelt: wenn das bilanzmäßige Vermögen zumindest

sechs Monate lang weniger als die Hälfte des Stammkapitals beträgt, ist die Gesellschaft aufzulösen.1339

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass die Sonderform der Sociedad Limitada weniger aus

europarechtlichen Gesichtspunkten oder aufgrund des Wettbewerbs der Rechtssysteme eingeführt wurde,

sondern um die spanische GmbH für KMU attraktiver zu machen. Ob dies gelungen ist, kann bezweifelt

werden; im ersten Jahr nach dem Inkrafttreten des Gesetzes über die SLNE überwog die Zahl der

Neugründungen in der Form der „klassischen“ Sociedad Limitada die der SLNE „bei weitem“.1340

7.2 Die französische société à responsabilité limitée (SARL)

Das französische Äquivalent zur GmbH ist die société à responsabilité limitée, kurz SARL, welche 1925

nach dem Vorbild der deutschen GmbH in Frankreich eingeführt wurde.1341

damals betrug das

Mindestkapital 10.000 Francs; 1966 und 1994 wurde der Betrag auf 20.000 bzw 50.000 Francs angehoben;

der Kaufkraftschwund konnte dadurch kaum zur Hälfte ausgeglichen werden.1342

Die SARL ist mit über 1,2 Mio. eingetragener Gesellschaften1343

die mit Abstand beliebteste

Gesellschaftsform in Frankreich; waren im Jahr 2000 noch 85 % der Gesellschaften (die insgesamt 42 % am

gesamten Markt an Unternehmen ausmachten, gegenüber 58 % an Einzelunternehmern) in der Rechtsform

der SARL gegründet worden, waren es 2008 bereits 91 % der Gesellschaften (die mittlerweile 49 % aller

neuen Unternehmen ausmachen).1344

Diese Zahlen müssen allerdings im Lichte der Gesamtzahlen an

Gründungen in Frankreich gesehen werden: von etwa 1994 bis 2002 war die Anzahl der

Unternehmensgründungen pro Jahr leicht rückläufig. Waren 1994 noch über 290.000 Unternehmen

gegründet worden, waren es 2002 nur mehr etwa 270.000.1345

1338

Lindner, Die spanische „Sociedad Limitada Nueva Empresa“, ZfRV 2004/29. 1339

Bervoets/Lembeck, GmbH Light, SWI 2004, 360. 1340

Kieninger, Aktuelle Entwicklungen, 17 FN 60. 1341

Bervoets/Lembeck, GmbH Light, SWI 2004, 358. 1342

Meyer/Ludwig, Französische GmbH-Reform 2003/2004: Hintergründe und „Ein-Euro-GmbH“, GmbHR 2005, 346

mwN. 1343

Meyer/Ludwig, Französische GmbH-Reform 2003/2004, GmbHR 2005, 347 mwN. 1344

Tellier, Croissance plus faible des créations d‟entreprises en 2008, INSEE Première, Janvier 2009, 3; abrufbar unter:

http://www.insee.fr/fr/ffc/ipweb/ip1221/ip1221.pdf. 1345

Vgl das Diagramm bei Fabre, La hausse des créations d‟entreprises se poursuit en 2004, INSEE Première, Janvier

2005, 1, abrufbar unter: http://www.insee.fr/fr/ffc/docs_ffc/IP1002.pdf. Allerdings muss man hierbei beachten, dass

davon 1994 nur 183.764 und 2001 nur 177.015 Neugründungen (ex nihilo) waren, der Rest verteilte sich auf

Rechtsformwechsel („Réactivations“ bzw „Reprises“); allein auf Neugründungen bezogen, war daher der Rückgang

an SARL-Gründungen nicht so drastisch; s Hurel, Rapport au Premier Ministre sur le développement de l‟initiative

économique et de la création d‟entreprise, 8 juillet 2002, 121, abrufbar unter:

http://media.apce.com/file/27/9/rapportcreationapcefh072002.3279.pdf.

Page 199: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

183

Aus diesem Grund wurde eine Gesetzesinitiative in Angriff genommen, die Unternehmensneugründungen

attraktiver gestalten sollte; der Wettbewerb durch Scheinauslandsgesellschaften wurde vom französischen

Gesetzgeber hingegen nicht in Betracht gezogen.1346

Am 6. August 2003 trat schließlich das „loi n° 2003-721

du 1.8.2003 pour l‟initiative économique“ (kurz: LIE) in Kraft, welches in das Recht der im Code de

Commerce geregelten SARL eingriff und statistisch gesehen auch tatsächlich einen Erfolg zeitigte: bereits

2004 erreichte die Zahl der Unternehmensneugründungen die Marke von 320.000.1347

Diese Steigerung

wurde mit der Einführung des LIE 2003 erklärt.1348

Mit dem LIE schaffte Frankreich als erster kontinentaleuropäischer Staat das Rechtsinstitut des

Mindestkapitals ab.1349

Eine SARL kann daher seitdem mit einem Stammkapital von einem Euro gegründet

werden (gem Art L 223-2 des Code de Commerce wird der Kapitalbetrag der Gesellschaft durch den

Gesellschaftsvertrag fixiert); vor Inkrafttreten des LIE war noch ein Mindestkapital von € 7.500

erforderlich.1350

Die Abschaffung des gesetzlichen Mindestkapitals bei der SARL wurde nicht mit der Rechtsprechung des

EuGH oder dem daraus folgenden regulatorischen Wettbewerb begründet, sondern damit, dass ein

gesetzliches Mindestkapital Gesellschaftsgründungen unnötig erschwere und Gläubiger in der Realität nicht

effektiv schütze.1351

Ein Mindestkapital als gläubigerschützendes Instrument sei illusorisch, da es häufig

bereits in den ersten Wochen nach der Gründung aufgebraucht sei. Außerdem habe sich für eine wachsende

Anzahl an Unternehmen, vor allem im Dienstleistungssektor, die Nützlichkeit eines Anfangskapitals nicht

bewährt. Überdies sei das Mindestkapital eine willkürlich festgelegte Größe, die für jedes Unternehmen

geeignet ist; es sei Sache jedes einzelnen Unternehmers, eine Stammkapitalhöhe entsprechend den

Geschäftsplänen festzusetzen.1352

Neben diesem Eingriff in das Nennkapitalsystem wurde auch das Gründungsverfahren vereinfacht: per

Internet kann nunmehr ein Erklärungsformular („liasse unique“) ausgefüllt und im One-Stop-Shop-

Verfahren („guichet unique“) an ein Centre de Formalités des Entreprises geschickt werden, welches für die

Gründungsformalitäten zuständig ist.1353

Obwohl im Gesellschaftsvertrag der „1-Euro-SARL“ in den meisten Fällen kein Stammkapital von unter €

10 festgelegt wird,1354

fördert der französische Gesetzgeber m Gegenzug zur Abschaffung des

Mindestkapitalerfordernisses dennoch die vertragliche Abrede eines höheren Stammkapitals mittels

1346

Auch die „Centros“- und Folge-Rechtsprechung des EuGH wurde in Frankreich wenig beachtet; s Kieninger,

Aktuelle Entwicklungen, 14f mwN. 1347

Fabre, La hausse des créations d‟entreprises, 1. 1348

So Ano/Drigny-Meriel, La hausse des créations d‟entreprises bénéficie aux SARL, INSEE Île-de-France 2005, 36,

abrufbar unter: http://www.insee.fr/fr/insee_regions/idf/rfc/docs/bilan2004demoent.pdf. 1349

So Ratka, Aktuelle Entwicklungen im europäischen Gesellschaftsrecht, GeS 2004, 20. 1350

Schultze, Europa auf dem Weg zu einer Aufweichung des Gesellschaftsrechts? AStN 2004/175. 1351

Ratka, Aktuelle Entwicklungen im europäischen Gesellschaftsrecht, GeS 2004, 20. 1352

Projet de Loi pour l‟initiative économique, Assemblée nationale, Douzième législature, N° 507, 6; abrufbar unter:

http://www.assemblee-nationale.fr/12/pdf/projets/pl0507.pdf. 1353

Bervoets/Lembeck, GmbH Light, SWI 2004, 359 mwN. 1354

Im Jahr 2003 kamen auf 125.747 Gründungen von SARL nur 3.068 Gründungen von SARL, deren Kapital weniger

als € 10 betrug, s Peifer, Finanz- und Haftungsverfassung der SARL – Alternative Rechtsform zu GmbH und

Limited? GmbHR 2007, 1209 FN 8 mwN.

Page 200: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

184

steuerlicher Begünstigungen: im Code Général des Impôts (CGI) ist vorgesehen, dass herrschende

Gesellschafter nur dann ihre Gewinne und Zinsen aus der Gesellschaft steuerlich begünstigend geltend

machen können, wenn diese das Anderthalbfache des Stammkapitals nicht übersteigen.1355

Je höher das

Stammkapital also angesetzt ist, desto größer ist die Spanne, in der die Gewinne und Zinsen steuermindernd

anzurechnen sind.1356

Am LIE wurde insb der mangelnde Ausgleich an Gläubigerschutzmechanismen für das fehlende

Mindestkapital kritisiert: so wurden etwa keine weiteren Publizitätspflichten oder strafrechtliche Sanktionen

als Gegengewicht verankert. Im Gesetzgebungsverfahren wurde als gläubigerschützende Regelung nur jene

über den Verlust der Hälfte des Stammkapitals hervorgehoben: bei hälftigem Stammkapitalverlust muss die

Gesellschafterversammlung einberufen und das Kapital angepasst werden, ansonsten droht die Auflösung

der Gesellschaft.1357

Als Zwischenergebnis kann man festhalten, dass die Reformen in Spanien und – noch mehr – in Frankreich

weniger aus der Befürchtung eines Verdrängungswettbewerbs durch Scheinauslandsgesellschaften wie vor

allem der Limited als vielmehr aufgrund nationaler Notwendigkeiten durchgeführt wurden. Die Attraktivität

der spanischen wie der französischen GmbH sollte also nicht gegenüber der Limited, sondern im

Allgemeinen gesteigert werden. Dieser Gesichtspunkt wurde in der Deliberations- und

Gesetzeswerdungsphase des deutschen MoMiG wenig beachtet: abgesehen von einigen Aspekten, die aber

hier nicht von Interesse sind, wie etwa die Missbrauchsbekämpfung, war bei den einzelnen Reformpunkten

bezüglich des Mindestkapitals und der Kapitalerhaltung mehr oder weniger der Fokus auf den Wettbewerb

mit der Limited bzw der zukünftigen EPG gerichtet; ob alle Reformpunkte auch ohne den vermeintlichen

„Druck“ durch die englische Limited und die zukünftige EPG durchgesetzt worden wären, ist daher fraglich.

Auch wenn das MoMiG aufgrund der gründlichen legistischen Arbeit nicht als „Anlassgesetzgebung“

bezeichnen kann, wäre doch für die österreichische Reformdiskussion wünschenswert, die GmbH weniger an

einen möglichen Wettbewerb durch Scheinauslandsgesellschaften, als an konkrete nationale Bedürfnisse

anzupassen.

1355

Meyer/Ludwig, Französische GmbH-Reform 2003/2004, GmbHR 2005, 349 mwN. 1356

Peifer, Finanz- und Haftungsverfassung der SARL, GmbHR 2007, 1209 mwN. 1357

Meyer/Ludwig, Französische GmbH-Reform 2003/2004, GmbHR 2005, 349 mwN.

Page 201: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

185

7.3 Gläubigerschutz im US-amerikanischen Kapitalgesellschaftsrecht

7.3.1 Einführung

Wichtig für das Verständnis der beiden weiteren Kapitel 8 und 9 dieser Arbeit ist der Unterschied des

deutschen wie auch österreichischen Nennkapitalsystems zum angloamerikanischen System der

Selbstregulierung des Marktes, da einerseits viele Alternativvorschläge aus letztgenanntem System abgeleitet

werden; andererseits wurde auch die kontinentaleuropäische Diskussion zu den Funktionen zum

Mindestkapital und zur Kapitalerhaltung durch die angloamerikanische Sichtweise beeinflusst. Einige

Aspekte des US-amerikanischen Kapitalgesellschaftsrechts sollen daher im Folgenden überblicksartig

skizziert werden.

Den Unterschied der beiden Systeme hinsichtlich des Gläubigerschutzes kann man wie folgt

zusammenfassen: während in Deutschland und Österreich der Gläubigerschutz eines der obersten Ziele des

Kapitalgesellschaftsrechts darstellt, werden in den USA die Gläubiger von Kapitalgesellschaften vom Gesetz

weitgehend ignoriert und müssen für ihren Schutz selbst sorgen.1358

In den USA wird nur die Regulierung

von Publizitätspflichten angestrebt, nach dem Motto „Sunlight is said to be the best of disinfectants“.1359

Diese „disclosure philosophy“ ist aber nur für am Kapitalmarkt tätige US-amerikanische Unternehmen, vor

allem die Public Corporation, von Bedeutung. Für die der GmbH ähnelnde Closed bzw Private Corporation

oder auch die Limited Liability Company (LLC) existieren hingegen keine gläubigerschützenden

Publizitätspflichten. Es bleibt daher den Gläubigern überlassen, wie sie sich Informationen über die

Gesellschaft beschaffen.1360

Diese Philosophie des Selbstschutzes der Gläubiger ist nach Meinung von Bauer auch aus der

unterschiedlichen historischen Akzeptanz und Verbreitung des Instituts der Haftungsbeschränkung

abzuleiten: da in den USA schon frühzeitig Großunternehmen in Form der haftungsbeschränkten

Aktiengesellschaft entstanden, wurde die Beschränkung der Haftung auch gesellschaftlich als Normalfall

angesehen; in Deutschland hingegen dominierte der kleine und mittlere unternehmerische Bereich mit den

Rechtsformen der OHG und KG, sodass der Gesetzgeber des späten 19. Jahrhunderts die

Haftungsbeschränkung noch als Privileg ansah, welches eines Ausgleichs bedürfe, der auch dem

Gläubigerschutz dienen sollte.1361

1358

Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer, 89. 1359

Auch dieses Bonmot stammt vom Erfinder des „race for laxity“, Justice Louis D. Brandeis, s Wagenhofer/Ewert,

Externe Unternehmensrechnung, Springer Verlag, Graz/Frankfurt 2003, 282 mwN; Bauer, Gläubigerschutz durch

eine formelle Nennkapitalziffer, 92 mwN. 1360

Krüger, Mindestkapital, 181f, 200f mwN. 1361

Vgl Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer, 96f.

Page 202: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

186

7.3.2 Mindestkapital

Da in den USA die einzelnen Bundesstaaten die „corporation statutes“, also das materielle Gesellschaftsrecht

regeln, konnte auch der erwähnte „Race to the Bottom“ bzw „Delaware-Effekt“ entstehen; das ist auch mit

ein Grund, warum zur gleichen Zeit, als der „Race to the Bottom“ einsetzte, die bereits zu Beginn des 19.

Jahrhunderts geschaffenen Mindestkapital-Regelungen der einzelnen Bundesstaaten abgeschafft wurden.

Diese Mindestkapitalvorschriften wurden einst aus Gründen des Gläubigerschutzes geschaffen und sahen ein

Mindestkapital von regelmäßig nur US-$ 1000 vor, welches also nur einen „Pro-forma-Charakter“ hatte.1362

Anfangspunkt der Entwicklung eines Garantiekapitals für die Gläubiger war laut Krüger die „trust fund

doctrine“, die von Justice Story im Fall „Wood vs Dummer“ im Jahr 1824 formuliert wurde und besagte,

dass den Gläubigern einer Kapitalgesellschaft ein „trust fund“, also ein treuhänderisch gebundener

Haftungsfonds, zur Verfügung stehen musste.1363

Als die Kapitalgesellschaften gegen Ende des 19.

Jahrhunderts zu großen „management corporations“ wurden, wurde auch der Wettbewerb der Staaten um die

Inkorporation interessanter; der Gläubigerschutz hatte dann keinen Platz mehr im „Race for Laxity“, sodass

die Mindestkapital- bzw überhaupt die Gläubigerschutzregelungen den Regelungen zum Schutz der

Anteilseigner weichen mussten.1364

Dieser Prozess dauerte allerdings bis in die 1970er Jahre an: die frühen Modellgesetze1365

- zuerst der

Uniform Business Corporation Act (UBCA) von 1928 und der Model Business Corporation Act (MBCA)

von 1950 – kannten ein „legal capital“;1366

in den 1960er Jahren besaßen daher die meisten US-

Bundesstaaten in ihren „corporation statutes“ ein „minimum pay-in“-Kapital; als jedoch Delaware 1967 im

neuen Delaware Corporation Law das Mindestkapital abschaffte, wurde auch in den anderen Bundesstaaten

die Kritik am Mindestkapital, es ermögliche keinen adäquaten Gläubigerschutz, größer, und letztlich wurde

das Nennkapitalsystem im „Revised Model Business Corporation Act“ (RMBCA) von 1984 aufgegeben.

Aber auch in jenen Bundesstaaten, die nicht dem RMBCA folgen, hat das Garantiekapitalsystem nur mehr

wenig Bedeutung. 2005 bestand nur mehr in South Dakota, Texas und im District of Columbia das

Erfordernis eines Mindestkapitals.1367

1362

Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer, 129, 132; Krüger, Mindestkapital, 122f. 1363

Krüger, Mindestkapital, 125. 1364

Krüger, Mindestkapital, 123. 1365

Ein Modellgesetz stellt einen nicht verbindlichen Standard mit dem Ziel der Rechtsangleichung der Bundesstaaten

dar; s Booth, Capital Requirements in United States Corporation Law, in: Lutter (Hrsg.), Legal Capital in Europe,

ECFR Special Volume 1, 2006, 628 FN 27. 1366

Der MBCA etwa kannte ein „minimum paid-in capital“ iHv US-$ 1000. Die Bestimmung wurde 1969 gestrichen; s

Booth, Capital Requirements, 630 mwN. 1367

Krüger, Mindestkapital, 128f, 147, 153, 156 mwN.

Page 203: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

187

7.3.3 Kapitalerhaltung

Dem angloamerikanischen System der Selbstregulierung des Marktes entspricht zudem, dass auch bei der

Erhaltung des Kapitals einer US-amerikanischen Kapitalgesellschaft der Fokus auf privatautonomen

Vereinbarungen in Kreditverträgen liegt.1368

Diese sog „covenants“, also vertragliche Nebenklauseln bzw

„Zusicherungen“, die allein den Schuldner binden, wurden in den letzten Jahren zunehmend praxisrelevanter.

In solchen Klauseln kann etwa die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung einer Eigenkapitalschwelle oder

eines gewissen „working capital“ zur Sicherung der Solvenz des Schuldners verankert werden.1369

Eine

umfassende Absicherung der Solvenz des Schuldners mittels Covenants und somit einen adäquaten

Gläubigerschutz dürften aber idR nur Gläubiger mit einer Markt- und Verhandlungsmacht erreichen.1370

Neben diesen vertraglichen Absicherungen gelten aber auch gesetzliche Ausschüttungsbegrenzungen, vor

allem sind in den bundesstaatlichen Regelungen einerseits der „Surplus Test“, andererseits der „Insolvency

Test“1371

zu finden.

Der „Surplus Test“ ermöglicht Ausschüttungen nur bei Vorhandensein eines Gewinns (surplus). Genauer ist

surplus das Vermögen, welches das stated capital, also das Stammkapital, übersteigt.1372

Hier muss man

unterscheiden: kann nur der Jahresüberschuss samt offenen Rücklagen ausgeschüttet werden, spricht man

vom „earned surplus“. Sind zudem auch Kapitalrücklagen und Rücklagen, die aus einer Herabsetzung des

Nennkapitals entstehen, ausschüttungsfähig, handelt es sich um „capital surplus“.1373

Den Gläubigern sind

hierbei keine Sicherheiten zu leisten. Da keine Verpflichtung besteht, ein Mindestkapital im Unternehmen zu

belassen, ist im Extremfall das gesamte Eigenkapital ausschüttungsfähig; zudem besteht die Möglichkeit, die

Bilanzpositionen durch ein „informed judgment“ des Managements neu zu bewerten.1374

Daneben existiert der strengere „Insolvency Test“, wonach eine Ausschüttung verboten ist, wenn dadurch die

Gesellschaft ihre Schulden bei Fälligkeit nicht mehr zahlen könnte („equity insolvency“) oder dadurch die

Gesellschaft überschuldet ist („bankruptcy insolvency“ bzw „balance sheet test“).1375

Auch der Insolvency

Test ist ein „vages“ Instrument (Wagenhofer/Ewert), da der erforderliche Nachweis der Kausalität der

Ausschüttung für die Zahlungsunfähigkeit aufgrund einer Vielzahl weiterer möglicher Probleme kaum

möglich sein wird.1376

Ein adäquater Gläubigerschutz ist durch keinen der beiden Tests möglich.1377

Erstens steht die Entscheidung

über eine Ausschüttung vor dem Eintritt des Konkurses immer im Ermessen der directors; zweitens ist eine

1368

Wagenhofer/Ewert, Externe Unternehmensrechnung, 148. 1369

Krüger, Mindestkapital, 205f. 1370

So auch Krüger, Mindestkapital, 208. 1371

Wagenhofer/Ewert, Externe Unternehmensrechnung, 148 mwN. 1372

Vgl Krüger, Mindestkapital, 216f. 1373

Booth, Capital Requirements, 630; Wagenhofer/Ewert, Externe Unternehmensrechnung, 148. 1374

Wagenhofer/Ewert, Externe Unternehmensrechnung, 148f. 1375

Booth, Capital Requirements, 639; Wagenhofer/Ewert, Externe Unternehmensrechnung, 149. 1376

Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer, 319, 321; Wagenhofer/Ewert, Externe

Unternehmensrechnung, 149. 1377

Zum Insolvency Test so ausdrücklich Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer, 320.

Page 204: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

188

solche Ausschüttung etwa bei der Anwendung des Insolvency Tests „bis zur Grenze der

Zahlungsunfähigkeit“ möglich.1378

1378

Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer, 235.

Page 205: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

189

8. Meinungsstand zum System des Mindestkapitals und der Kapitalerhaltung

8.1 Einführung

Bislang wurde gezeigt, dass das Haftkapitalsystem in der deutschen wie auch in der österreichischen

Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts zumeist als selbstverständliches Rechtsinstrument aufgefasst wurde;

andererseits bekam diese Selbstverständlichkeit durch die Europäisierung des Gesellschaftsrechts spätestens

ab der „Centros“-Entscheidung des EuGH im Jahr 1999 erste Risse. Die mit Vorteilen in der

Gründungsphase, jedoch mit Nachteilen in der operativen Phase versehene Limited nahm die Verfolgung mit

der im Mittelstand gefestigten deutschen GmbH auf, und auch wenn der Limited in Österreich

verhältnismäßig kein so großer Erfolg beschieden ist, wie dies für Deutschland verschiedentlich konstatiert

wurde, wird man wahrscheinlich auch hierzulande eine ähnliche Haftkapitalreform wie jene des MoMiG in

Deutschland diskutieren.

Zudem wird die im Raum stehende Schaffung einer supranationalen Europäischen Privatgesellschaft, die der

Limited in wichtigen Zügen ähneln soll, nicht nur die Frage des Fortbestehens des derzeitigen

Haftkapitalsystems aufwerfen, sondern auch eine grundsätzliche, nämlich wie weit auf der einen Seite eine

Europäisierung des Gesellschaftsrechts gehen darf, wenn auf der anderen Seite der nationale Gesetzgeber

ebenfalls Interesse daran hat, ein „Allzweckmöbel“ für den Mittelstand zu schaffen oder mit dem bisherigen

Schutzniveau weiter beizubehalten. Diese letzte Frage, die die kommende gesetzgeberische Aktivität auf

europäischer Ebene lösen wird, soll hier nicht besprochen werden. Ich werde mich im Folgenden auf die

Lösung der ersten Frage beschränken und zunächst den Meinungsstand zum Haftkapitalsystem, dem System

des Mindestkapitals und der kapitalerhaltenden Regeln, erörtern. Dabei werden zunächst die Funktionen des

Mindeststammkapitals und anschließend jene der Kapitalerhaltungsregeln besprochen; im 9. Kapitel werden

schließlich Kritiken und Alternativen zu den beiden Bereichen dargestellt.

Page 206: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

190

8.2 Funktionen des Mindeststammkapitals

8.2.1 Einführung

Die historische Konzeption der Regeln über Mindestkapital und Kapitalerhaltung wurde bereits in Kapitel 5

dargestellt. Im Hinblick auf das Mindestkapital standen damals die Verhinderung einer Überzahl

unbedeutender oder ungenügend fundierter Gesellschaftsbildungen sowie die Sicherung der Gläubiger im

Vordergrund gesetzgeberischer Überlegungen. Aus diesen Schlagwörtern entwickelte sich im Laufe der Zeit

in der Lehre wie auch in der Rsp eine weitergehende Betrachtung des Rechtsinstituts des Mindestkapitals der

GmbH.

Diese Betrachtung findet in der Bezeichnung des Mindestkapitals als „Kulturleistung ersten Ranges“

(Wiedemann) ihren Ausdruck. Das Mindestkapital verbinde, so Wiedemann, die persönliche Entlastung der

Gesellschafter in idealer Weise mit der Sicherung der Kreditwürdigkeit des Unternehmens.1379

Die von der

Lehre und Rsp aufgestellte optimistische Betrachtung des Mindestkapitals wurde vom EuGH jedoch seit

„Centros“ in Frage gestellt.

8.2.2 Mindestkapital als „Eintrittspreis“ in eine haftungsbeschränkte Gesellschaft

„Wer die Mindesteinzahlung nicht leisten kann, soll gar nicht in den Genuß der beschränkten Haftung

kommen.“1380

Dieser Satz von Doralt beschreibt eine Wesensart des Haftkapitalsystems; für viele gilt er auch

nach „Centros“ sogar als elementarer Teil des Rechts der GmbH. Doralt schrieb den Satz 1977 im

Zusammenhang mit der geplanten Erhöhung des Mindeststammkapitals auf 300.000 Schilling (Gesetz wurde

1980 schließlich der Betrag von 500.000 Schilling) und der geplanten Volleinzahlungsregelung, die aber

nicht Gesetz wurde. Da die Volleinzahlung des Mindestkapitalbetrags gefordert wurde, kann man den

Ausdruck „Mindesteinzahlung“ daher mit „Mindestkapital“ gleichsetzen.

Der Satz ist Ausdruck eines Prinzips des kontinentaleuropäischen Gesellschaftsrechts: zwar ist das

Haftungsprivileg kein notwendiges Merkmal der juristischen Person; bedient sich aber eine juristische

Person dieses Privilegs, so benötigt es im Gegenzug, sozusagen als „Ausgleich“, eine angemessene

Eigenkapitalausstattung, die durch Mindestkapitalvorschriften gewährleistet wird;1381

der Grund für den

„Ausgleich“ liegt vor allem in der Externalisierung des Unternehmensrisikos, die aus der

Haftungsbeschränkung folgt.1382

Je höher der Mindestkapitalbetrag ist, desto höher ist auch die „Schwelle der

Inanspruchnahme der beschränkten Haftung“, so der deutsche Gesetzgeber anlässlich der

1379

Wiedemann, Gesellschaftsrecht – Ein Lehrbuch des Unternehmens- und Verbandsrechts, Band I, Grundlagen,

C.H.Beck Verlag, München 1980, 557f. 1380

Doralt, Zum Entwurf, JBl 1977, 125f. 1381

Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: Damm/Heermann/Veil, FS Raiser, 7. 1382

Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: Damm/Heermann/Veil, FS Raiser, 11 mwN.

Page 207: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

191

Novellierungsbestrebungen im Jahr 1980, in Deutschland das Mindestkapital von 20.000 DM auf 50.000

DM anzuheben, da das bisherige Mindestkapital als nicht mehr ausreichend angesehen wurde.1383

Auch der BGH ist der Ansicht, dass „für das Privileg der fehlenden persönlichen Gesellschafterhaftung“ bei

Wahl der Rechtsform der GmbH der im Gesetz vorgesehene „Preis“ in Form der „Pflichten zur Aufbringung

und Erhaltung eines Mindestkapitals und der Registerpublizität zu zahlen“ sei.1384

Ebenso entspricht es für

Goette, Vorsitzender des II. Zivilsenats am BGH, „unserem tradierten Verständnis“, dass es ein Handeln im

Rechtsverkehr in Haftungsbeschränkung nicht „umsonst“ geben könne. Entweder man müsse sich mit jedem

Gläubiger individuell einigen oder man regle einen Eintrittspreis für die beschränkte Haftung.1385

Das Mindestkapital hat nach diesen Ansichten also eine ordnungspolitische Funktion. Dies wurde auch im

Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags zum Entwurf der dGmbHG-Novelle 1980

erwähnt: laut Raiser sei weniger die Gläubigerschutz- als die Ausgleichsfunktion des Mindestkapitals

wichtig: das Privileg der Haftungsbeschränkung solle nur demjenigen zugute kommen, der bereit sei, als

Kompensation dafür eine gewisse „Mindesthaftung“ zu übernehmen.1386

Laut deutschem Verband der

Vereine Creditreform (VVC) habe die Anhebung des Mindestkapitals somit eine „erzieherische Funktion“:

das verantwortungsbewusste Wirtschaften werde gefördert, wenn dieses mit einem spürbaren eigenen Risiko

verbunden sei; ein erhöhter Einsatz werde den Einzelnen dazu veranlassen, das Risiko einer Unternehmung

genauer abzuschätzen.1387

Ansonsten droht der Effekt des sog „Moral Hazard“: wer nicht persönlich für seine

Entscheidungen einstehen muss, ist als Unternehmer risikofreudiger; zu Lasten der Gläubiger werden dann

unverantwortliche Spekulationen wahrscheinlicher durchgeführt.1388

Langfristiges Ziel der Anhebung des Mindestkapitals sei daher auch, „die erhebliche Konkursanfälligkeit der

kleinen GmbH … zu vermindern“.1389

Ob dieses Ziel in nunmehr fast dreißig Jahren seit der dGmbHG-

Novelle 1980 erreicht werden konnte, ist aber zweifelhaft. Laut Blaurock lässt sich die Wirkung der

„erzieherischen Funktion“ kaum messen: so fehlen etwa Erkenntnisse über einen Zusammenhang zwischen

der Höhe des Stammkapitals bei Gründung und der Insolvenzanfälligkeit der Gesellschaft; zudem sei die

Insolvenzquote seit der Erhöhung des Mindestkapitals auf 50.000 DM nicht gefallen, sondern konstant

geblieben bzw zeitweise sogar gestiegen.1390

Auch Haas konstatierte: „einen unauflösbaren Zusammenhang zwischen Haftungsbeschränkung und

Mindestkapital gibt es nicht“.1391

Dies ergibt sich einerseits aus dem Beispiel der Limited, welche bei

beschränkter Haftung ohne Mindestkapital auskommt; andererseits könne laut Haas auch das Beispiel des

1383

Zitiert nach Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: Damm/Heermann/Veil, FS Raiser, 11 mwN. 1384

BGH, Urteil vom 27.9.1999, II ZR 371/98 = GmbHR 1999, 1134. 1385

Goette, Aktuelle Entwicklungen, ÖBA 2009, 19 mwN. 1386

Zitiert in der Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) vom 16.4.1980, Deutscher

Bundestag, 8. Wahlperiode, Drucksache 8/3908, 68 mwN. 1387

Zitiert in der Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) vom 16.4.1980, Deutscher

Bundestag, 8. Wahlperiode, Drucksache 8/3908, 69 mwN. 1388

Oelkers, Mindestkapital und Nennkapital, GesRZ 2004, 364 mwN. 1389

Zitiert in der Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) vom 16.4.1980, Deutscher

Bundestag, 8. Wahlperiode, Drucksache 8/3908, 69 mwN. 1390

Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: Damm/Heermann/Veil, FS Raiser, 12 mwN. 1391

Haas, Mindestkapital und Gläubigerschutz in der GmbH, DStR 2006, 995f.

Page 208: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

192

deutschen Idealvereins, ebenfalls mit Haftungsbeschränkung und ohne Mindestkapital ausgestattet,

herangezogen werden.1392

8.2.3 Seriositätsindiz

Eines der häufigsten Schlagworte, die im Zusammenhang mit den Funktionen des Mindestkapitals der

GmbH verwendet werden, ist jenes der Wahrung der „Seriosität“ des Unternehmens. Schon der Verfasser

des Entwurfs im deutschen Reichsjustizministerium von 1892, Eduard Hoffmann, sah in einem Mangel an

einer Untergrenze die Gefahr „unsolider Gründungen“ gegeben.1393

Auch im Regierungsentwurf zum

MoMiG berücksichtigte man mit der Beibehaltung eines Mindeststammkapitals iHv € 10.000, dass diesem

die Funktion einer „Seriositätsschwelle“ beigemessen werde.1394

Wie bereits in Kapitel 5.1.7.2 dargestellt, stand laut Fabricius anfangs vor allem die politische Seriosität der

Unternehmung im Vordergrund.1395

Das Bild hat sich im Laufe des 20. Jahrhunderts jedoch in Richtung einer

Gewähr der wirtschaftlichen Seriosität gewandelt: dabei handelt es sich um einen breit auslegbaren Begriff,

der auch Ziele des Gläubigerschutzes in sich vereint. Das Mindestkapital hat demnach die Funktion, die

Gründung unrentabler und somit unseriöser Unternehmungen zu erschweren. Durch ein Mindestkapital

würde laut Doralt „die ärgste Spreu abgesondert werden“;1396

„Schwindelfirmen“ sollen dadurch vermieden

werden.1397

Hier kann man nach Kleindiek wieder das „erzieherische Element“, das bereits im Rechtsausschuss des

Deutschen Bundestags von 1980 bejaht wurde, zur Auslegung des Begriffs der „Seriosität“ heranziehen: das

Mindestkapital fördere nach Ansicht des Rechtsausschusses das verantwortungsbewusste Wirtschaften durch

den Einsatz eines eigenen, spürbaren Risikos. Wer selbst kein Vertrauen in die Rentabilität seines Projekts

habe und deshalb auch keinen „Risikobeitrag“ aufbringen wolle, oder wer gar die Absicht verfolge, die

Haftungsbeschränkung zu Lasten der Gläubiger zu missbrauchen, solle nach dieser Ansicht „ausgefiltert“

werden.1398

Dem Einzelnen solle der Zugang zur Selbständigkeit erleichtert werden; der Gesetzgeber sei aber

nicht verpflichtet, diesen Zugang „ohne eigenes Risiko oder nur mit einem äußerst geringen eigenen Risiko

zu ermöglichen“.1399

Das Mindestkapital soll nach dieser Ansicht also auch ein „gewisses Mindestinteresse

der Gesellschafter an der Erhaltung des Vermögens“ garantieren, da „gerade der risikofreudige Mensch …

nicht so sehr durch persönliche Haftung abzuwehren (sei), sondern eher durch den Zwang, einen größeren

Betrag selbst aufzubringen und dessen Verlust zu riskieren“.1400

1392

Haas, Mindestkapital und Gläubigerschutz, DStR 2006, 995. 1393

S dazu Kapitel 5.1.7.1. 1394

Gesetzentwurf der Bundesregierung zum MoMiG, BR-Drucksache 354/07, 66. 1395

S auch Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: Damm/Heermann/Veil, FS Raiser, 13 mwN. 1396

Doralt, Zum Entwurf, JBl 1977, 125. 1397

Vgl Doralt, Die GmbHG-Novelle 1980, ÖStZ 1981, 75. 1398

Kleindiek, Krisenvermeidung in der GmbH, ZGR 2006, 342f mwN. 1399

So der Rechtsausschuss in seinem Bericht, zitiert nach Kleindiek, Krisenvermeidung in der GmbH, ZGR 2006, 344

mwN. 1400

Doralt, Zum Entwurf, JBl 1977, 126.

Page 209: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

193

Ob dieses Risiko bei einem niedrigen Mindestkapital jeden Unternehmensgründer zur Seriosität diszipliniert,

ist fraglich. Eidenmüller/Engert bejahen die Nützlichkeit des Mindestkapitals vor allem bei kleinen

Unternehmen:1401

gerade KMU, denen es im Gegensatz zu Großunternehmen schwerer fällt, den „nicht ganz

unerheblichen Betrag“ des Mindestkapitals aufzubringen, werden sich auch die Rentabilität und somit auch

die Seriosität ihres Unternehmens besser überlegen. Ebenso gut könne aber „auch ein höchst unseriöser

Unternehmer“ etwa einen Betrag von € 25.000 „leicht aufbringen“, so Blaurock, der daher das

Mindestkapital als Indiz für persönliche Seriosität für nicht ausreichend erachtet.1402

Vielmehr könne die

„Seriositätsschwelle“ nur als ordnungspolitisches Seriositätsindiz gemeint sein, mit dem am Markt eine „Flut

von überstürzten und damit unsoliden GmbH-Gründungen“ vermieden werden soll. Diese Funktion werde

aber bereits durch die Warn- und Beratungsfunktion der notariellen Beurkundungspflicht übernommen, die

gerade das Ziel habe, übereilte GmbH-Gründungen zu verhindern; eine zusätzliche Seriositätsschwelle sei

daher nach Ansicht von Blaurock nicht erforderlich.1403

Laut Zollner aber wird „(z)weifelsfrei“ über das Mindestkapital eine „Hemm- bzw Eintrittsschwelle

gegenüber absolut unseriösen Gründungen aufgebaut“. Durch die Pflicht zur Aufbringung eines Betrags iHv

mindestens € 35.000 werden „zumindest finanziell absolut substanzlose Gesellschaftsgründungen“

verhindert.1404

Für Teichmann wird überhaupt „kaum jemand … bereit sein, auch nur einige Tausend Euro in

ein Unternehmen zu investieren, das keine Aussicht auf Erfolg verspricht“. Insoweit sei auch die

Bezeichnung des Mindestkapitals als „Seriositätsschwelle“ zu präzisieren: unseriöse Gründer ließen sich

nicht abschrecken, unvorsichtige würden aber „möglicherweise zum Nachdenken veranlasst“.1405

8.2.4 Gläubigerschutz

Die Ansicht, das Mindestkapital sei ein Instrument des Gläubigerschutzes, findet sich bereits in der

Diskussion des späten 19. Jahrhunderts in Deutschland.1406

Auch Priester war angesichts der

Gläubigerschutzfunktion noch in der Diskussion zum MoMiG gegen eine „1-€-GmbH“: jemand, der eine

dGmbH mit € 1 als Stammkapital mit dem Argument verlange, € 25.000 bewirkten auch keinen

Gläubigerschutz, erinnere seiner Meinung nach an jemanden, „der einem bei Eis und Schnee in der Badehose

frierend herumlaufenden Manne rät, er solle diese doch auch noch ausziehen, sie wärme ohnehin nicht“.1407

Für Priester bewahrt daher das Mindeststammkapital auch in der relativ geringen Höhe von € 25.000 noch

ihre Funktion als „Risikopuffer“, wonach Verluste zu Lasten des Eigenkapitals gehen und daher nicht auf die

Gläubiger durchschlagen.1408

1401

So Eidenmüller/Engert, Rechtsökonomik des Mindestkapitals im GmbH-Recht, GmbHR 2005, 435. 1402

Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: Damm/Heermann/Veil, FS Raiser, 13. 1403

Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: Damm/Heermann/Veil, FS Raiser, 13 mwN. 1404

Zollner, Mindestkapital und Kapitalaufbringung, 38. 1405

Teichmann, Reform des Gläubigerschutzes im Kapitalgesellschaftsrecht, NJW 2006, 2446. 1406

S etwa Kapitel 5.1.6. 1407

Priester, „GmbH light“ – ein Holzweg!, ZIP 2005, 921. 1408

Priester, „GmbH light“, ZIP 2005, 921.

Page 210: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

194

Lutter sah in seiner rechtsvergleichenden Schrift von 1964 eine „Garantiefunktion“ des „Kapitals“ als

„allgemein anerkannt“. Das „Kapital“, worunter auch das Mindestanfangsvermögen bzw ein satzungsmäßig

festgelegter Teil des Reinvermögens der Gesellschaft zu zählen sei, habe „die Aufgabe, den Gläubigern der

Gesellschaft ein bestimmtes Vermögen (zusätzlich) als Zugriffsobjekt für etwaige Forderungen gegen diese

zu verschaffen oder … zu erhalten, und zwar nicht nur erst in der Zukunft …, sondern sofort und im

Augenblick des Entstehens der Gesellschaft und damit auch des Kapitals im Rechtssinne“.1409

Rechtsvergleichend zitierte Lutter damals die Aussage, wonach das „Kapital“ nach dieser Ansicht „une sorte

d‟îlot intangible“, also eine unantastbare Insel, zugunsten der Gesellschaftsgläubiger sei.1410

Das Mindestkapital soll daher als „Mindesthaftkapital“ vorhandene wie auch zukünftige Gläubiger

gleichermaßen schützen; auch zukünftige Gläubiger sollen darauf vertrauen können, dass der

schuldnerischen GmbH Vermögen im Ausmaß der im Firmenbuch ersichtlichen Stammkapitalziffer einst

effektiv zugeflossen ist.1411

Die „unantastbare Insel“ des Stammkapitals iHv mindestens € 35.000 kann aber

nur im Idealfall, nämlich einer prosperierenden Gesellschaft, oder im Gründungsstadium existieren.1412

In

allen anderen Fällen, nämlich nach der Gründung oder im Falle von Verlusten, ist das Mindestkapital sehr

wohl antastbar. Für Blaurock ist ein Gläubigerschutz durch Mindestkapital daher illusorisch,1413

für Zollner

ist die Bezeichnung des Stammkapitals als „Haftungsfonds“ irreführend: es gibt keine den Gläubigern in

jedem Gesellschaftsstadium zustehende Haftungsmasse; bereits im Gründungsstadium der GmbH können die

Eigenkapitalmittel etwa für Gründungskosten benutzt werden.1414

Zudem ist zu beachten, dass den

Gläubigern als „Haftungsfonds“ das gesamte Gesellschaftsvermögen, also Eigen-, Fremd- oder Nennkapital

zur Verfügung steht; die Nennkapitalziffer und somit das Mindestkapital ist letztlich nur eine bilanzielle

Rechengröße, sozusagen die „bilanzielle Abbildung des Gesellschaftsvermögens“, aus der keine

Gesellschaftsverbindlichkeiten befriedigt werden können.1415

Außerdem zeigt der historische Vergleich der Kaufkraft eine Schwächung des gläubigerschützenden

Elements des Mindestkapitals: entsprach der 1892 in Deutschland bzw 1906 in Österreich eingeführte

Mindestkapitalbetrag dem Wert eines Eigenheims, machte die Inflation der 1920er Jahre die GmbH äußerst

erschwinglich. Auch wenn der Betrag in Deutschland wie Österreich oftmals an die geänderten Verhältnisse

angepasst wurde, so kann man heute nicht mehr von einem derart stattlichen Betrag sprechen, der 1892 bzw

1906 in Geltung war. Dementsprechend sah Fromm bereits 1979 die vom Gesetzgeber angedachte Funktion

des Mindestkapitals als konkretes Gläubigerschutzinstrument, welches von der wirtschaftlichen

Leistungsfähigkeit eines Unternehmens Zeugnis geben könne, für verloren an. Das Mindestkapital sei kein

1409

Lutter, Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung, 45, 50 mwN. 1410

Escarra, zitiert nach Lutter, Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung, 46 mwN. 1411

Meinungsstand zitiert bei Zollner, Mindestkapital und Kapitalaufbringung, 37, 40 mwN. 1412

So auch Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: Damm/Heermann/Veil, FS Raiser, 9. 1413

Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: Damm/Heermann/Veil, FS Raiser, 10. 1414

Zollner, Mindestkapital und Kapitalaufbringung, 39. 1415

Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer, 135 mwN.

Page 211: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

195

konkretes „Garantiekapital“ mehr, sondern nur noch ein abstraktes Soliditätsindiz und ein „Eintrittspreis“ –

seiner Meinung nach zur Erlangung eigener Rechtsfähigkeit.1416

Dennoch sieht man die gläubigerschützende Funktion des Mindestkapitals noch immer als ein zentrales

Argument für die Beibehaltung dieses Rechtsinstituts an. So sieht Schön das Kapitalschutzsystem, also das

Zusammenspiel von Mindestkapital und Kapitalerhaltung, überhaupt als Bestandteil eines

„Kollektivvertrags“ zwischen den Gesellschaftsgründern und dem Publikum an, dessen Inhalt „die Zusage

einer finanziellen Mindestbeteiligung der Initiatoren“ ist. Gläubiger sollen so die Risiken und die künftige

Geschäftspolitik der Unternehmung besser einschätzen können. Kreditgeber, etwa auch in den USA, haben

zudem ein „natürliches Interesse“ an einer bestimmten finanziellen Eigenbeteiligung der gewinnberechtigten

Anteilseigner; was in den USA mittels „Covenants“ durchgesetzt werde, sei hier im Kapitalschutzsystem

gesetzlich verankert.1417

Das Kapitalschutzsystem könne die Gesellschaft und die Gläubiger nicht vor

betriebswirtschaftlicher Unvernunft bewahren, vor missbräuchlicher Verwendung von gebundenen

Gesellschaftsmitteln aber schon.1418

Gerade dieser generelle, pauschale Schutz stößt aber auf Kritik jener, die maßgeschneiderte

Gläubigerschutzmechanismen verlangen.1419

So sieht man auch in der Literatur das Mindestkapital als nicht

geeignet an, die Probleme, die im Hinblick auf den Gläubigerschutz an dieses Rechtsinstitut gestellt werden,

in der Praxis zu lösen. Davies anerkannte zwar zwei große Problemkreise, die bei einer Gesellschaft ohne

Mindestkapital bzw mit Haftungsbeschränkung in der Praxis auftauchen können, nämlich den Anreiz zu

übermäßig riskantem Verhalten der Geschäftsführer und unzureichende finanzielle Ausstattung.1420

Das

Mindestkapital könne diese Probleme aber nicht lösen, so Davies: das erste Problem, das riskante Verhalten

der Geschäftsführer, entstehe, wenn wenig zu verlieren, aber viel zu gewinnen sei; das Mindestkapital könne

dies nicht verhindern, da es keine gesetzliche Garantie auf erfolgreiche Geschäfte gibt. Unabhängig von der

Höhe des Stammkapitalbetrags kann dieser nach der Gründung jederzeit aufgezehrt sein. Immerhin könne

ein Mindestkapital aber diesen Prozess verlangsamen.1421

Davies sah jedoch in einem einzigen

Mindestkapitalbetrag für sämtliche Unternehmungen derselben Rechtsform ein „hopelessly blunt and

unsophisticated instrument with which to address these problems“.1422

Diese Ansicht war auch der Hintergedanke des EuGH und der darauf folgenden Abkehr vom Gedanken eines

gläubigerschützenden Mindestkapitals in Teilen der Literatur, die man in der Ansicht von Merkt

1416

Fromm, Gläubigerschutz durch Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in Kommanditgesellschaft und

Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Dissertation, Bonn 1979, 75f, 87f. 1417

Vgl Schön, Editorial: Wer schützt den Kapitalschutz?, ZHR 2002, 3f. 1418

Schön, Editorial: Wer schützt den Kapitalschutz?, ZHR 2002, 5. 1419

Schön, Editorial: Wer schützt den Kapitalschutz?, ZHR 2002, 4. 1420

„(I)ncentive to overly risky decision-making on the part of corporate Controllers“ und „commencing with

inadequate finance“: Davies, Legal Capital in Private Companies in Great Britain, AG 1998, 352f. 1421

„(T)he law cannot guarantee that the law will trade successfully. No matter how much legal capital is raised

initially, the company may later reach a position where its equity capital has been lost“ und „it may slow down the

rate of the company‟s descent into that position“; Davies, Legal Capital, AG 1998, 353. 1422

Davies, Legal Capital, AG 1998, 353.

Page 212: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

196

zusammenfassen kann, wonach eine Kapitalziffer als Instrument des Gläubigerschutz „praktisch nichts“

taugt; dies sei „heute nicht mehr ernsthaft zu bestreiten“.1423

Generalanwalt La Pergola machte in seinen Schlussanträgen zum Rechtsfall „Centros“ den Anfang; der

EuGH griff in seiner Folgerechtsprechung die Grundsätze des Generalanwalts auf. Wie bereits in Kapitel

3.4.5 ausgeführt, sah La Pergola das Mindestkapital als bloßes „idolum theatri“ an. Für den Generalanwalt

war es „zweifelhaft“, ob das Instrument des Mindestkapitals tatsächlich ein wirksames Mittel des Schutzes

oder einer „Garantie“ für die Gläubiger sei. Gerade letztere Funktion der „Sicherheit“ für die Gläubiger ist

aber ausdrücklich in den Erwägungsgründen zur Zweiten Gesellschaftsrechtlichen Richtlinie genannt,1424

jener Richtlinie also, die ein Mindestkapital für die AG europaweit vorschreibt. La Pergolas Zweifel

beziehen sich also auch auf die Grundlagen dieser Richtlinie. Dies erscheint umso überraschender, als selbst

die Kommission noch 1985 die Ausdehnung ebendieser Grundlagen der Zweiten Richtlinie auch auf andere

Kapitalgesellschaften vorschlug.1425

Für La Pergola ist es für die Gläubiger der Gesellschaft „besser, sich auf die verfügbaren neuesten

Informationen zu stützen, die den Gesellschaftskonten entnommen werden können, oder die Stellung von

Sicherheiten durch die Geschäftsführung zu verlangen“, „(d)a das vorgeschriebene Mindestkapital rasch

aufgebraucht sein kann“. Unerlässlich für den Schutz der Gesellschaftsgläubiger sei nach Ansicht von La

Pergola das Mindestkapital also jedenfalls nicht.1426

Diese Ausführungen mögen für größere vertragliche Gläubiger der Gesellschaft zutreffen; besonders

gesetzliche, aber auch kleinere Gläubiger dürften sich im Einzelfall jedoch schwer tun, die „verfügbaren

neuesten Informationen“ von der Gesellschaft zu erlangen. Adäquate „Covenants“, also individuelle

Verträge nach angloamerikanischem Modell anstelle des generellen Haftkapitalsystems nach

kontinentaleuropäischem System, kommen besonders für schwache Vertragsgläubiger mangels

Verhandlungsmacht oder aufgrund unverhältnismäßiger Transaktionskosten ebenfalls nur bedingt in

Frage.1427

Diese Gläubigergruppen scheinen also bei einer Gesellschaft mit einem gesetzlichen

Mindestkapital besser gestellt zu sein; sie können immerhin darauf vertrauen, dass die Gesellschaft

zumindest zu Beginn ihrer Tätigkeit einen Betrag von € 35.000 oder höher besaß. Für verhandlungsschwache

Gläubiger ist somit ein gesetzliches Instrument einer Basissicherung vorhanden.1428

Dennoch folgte der EuGH in „Centros“ im Prinzip der Ansicht des Generalanwalts: die dänische

Zentralverwaltung bemerkte zunächst, die Eintragung der strittigen Gesellschaft sei deshalb abgelehnt

worden, um eine Umgehung der dänischen Mindestkapital-Regelung zu vermeiden und außerdem, um die

öffentlichen und privaten Gläubiger und die Vertragspartner zu schützen und den betrügerischen Bankrott zu

1423

Merkt, Der Kapitalschutz in Europa – ein rocher de bronze?, ZGR 2004, 317. 1424

Schlussanträge des Generalanwalts La Pergola, 16.7.1998, Rs C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, 1-1459, Rz 21. 1425

Dies wäre wohl „der Tod des … Modells der Ltd gewesen“: Rüffler, Gläubigerschutz durch Mindestkapital und

Kapitalerhaltung, GeS 2005, 142 mwN. 1426

Schlussanträge des Generalanwalts La Pergola, 16.7.1998, Rs C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, 1-1459, Rz 21. 1427

Vgl Kalss/Schauer, Die Reform des Österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, 460f; Ähnlich auch

Eidenmüller/Engert, Rechtsökonomik des Mindestkapitals im GmbH-Recht, GmbHR 2005, 435f. 1428

Drygala, Stammkapital heute – Zum veränderten Verständnis vom System des festen Nennkapitals und seinen

Konsequenzen, ZGR 2006, 597 mwN.

Page 213: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

197

bekämpfen.1429

Ein Mindestkapital rechtfertige daher diese Verweigerung der Eintragung aus zwingenden

Gründen des Allgemeininteresses, da dieses Rechtsinstitut zum einen den Zweck verfolge, die finanzielle

Solidität der Gesellschaften zu verstärken, um die öffentlichen Gläubiger zu schützen, da diese anders als

private Gläubiger ihre Forderungen nicht durch eine Sicherheit oder Bürgschaft sichern könnten; zum

anderen schütze es ganz allgemein alle öffentlichen und privaten Gläubiger, indem sie der Gefahr eines

betrügerischen Bankrotts aufgrund der Zahlungsunfähigkeit von Gesellschaften mit unzureichendem

Anfangskapital vorbeuge.1430

Es gebe auch kein milderes Mittel, um diese Ziele zu erreichen. Die

Alternative, die gesetzliche Durchgriffshaftung der Gesellschafter, sei nicht milder als die Verpflichtung zur

Einzahlung eines Mindestkapitals.1431

Der EuGH sah aber gerade die Voraussetzung, wonach es zur

Rechtfertigung einer nationalen Maßnahme kein milderes Mittel geben darf, nicht erfüllt: öffentlichen

Gläubigern könnte rechtlich die Möglichkeit gegeben werden, sich die erforderlichen Sicherheiten

einräumen zu lassen.

Auch in „Inspire Art“ war das Mindestkapital ein Streitthema: nach der Auffassung der „Inspire Art“-

Gesellschaft gewährleiste das Mindestkapital keinen Gläubigerschutz. Das Mindestkapital könne zB

unmittelbar nach der Aufbringung und nach der Eintragung der Gesellschaft sofort wieder als Darlehen

vergeben werden und stünde somit den Gläubigern nicht mehr zur Verfügung.1432

Anderer Auffassung waren

die deutsche, die niederländische und die österreichische Regierung: die Regelung des Mindestkapitals diene

dem Gläubigerschutz und sei auch in der Zweiten Gesellschaftsrechtlichen Richtlinie der EG für die unter

diese Richtlinie fallenden Gesellschaften ausdrücklich anerkannt worden. Öffentlichen und privaten

Gläubigern soll mit dem Mindestkapital ein Schutz gegeben und die finanzielle Verlässlichkeit der

Gesellschaften sichergestellt werden.1433

Wenn auch die Zweite Richtlinie nicht auf Gesellschaften mit

beschränkter Haftung anwendbar sei, so bestünden doch - bis auf Irland und das Vereinigte Königreich –in

allen Mitgliedstaaten der EU Vorschriften über die Aufbringung eines Mindestkapitals.1434

Aber auch

Generalanwalt Alber folgte in seinen Schlussanträgen letztlich der Grundrichtung der bisherigen

Rechtsprechung; er teilte die in den Schlussanträgen zu „Centros“ ausgesprochenen Zweifel von La Pergola

hinsichtlich der Gläubigerschutzfunktion des Mindestkapitals; diese Zweifel würden auch durch die

unterschiedlichen Ansichten der Mitgliedstaaten zum Mindestkapital und der Ansicht der Winter-Gruppe

verstärkt, das Mindestkapital habe lediglich eine Funktion, nämlich Einzelne von der leichtfertigen

Gründung von Gesellschaften abzuschrecken.1435

Zwar stehe zumindest im Zeitpunkt der Gründung der

Gesellschaft ein entsprechendes Kapital zur Sicherung der Gläubigerinteressen zur Verfügung; aber die

1429

EuGH 9.3.1999, Rs C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, 1-1459, Rn 12. 1430

EuGH 9.3.1999, Rs C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, 1-1459, Rn 32. 1431

EuGH 9.3.1999, Rs C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, 1-1459, Rn 33. 1432

Schlussanträge des Generalanwalts Alber, 30.1.2003, Rs C-167/01 („Inspire Art“), Slg. 2003, 1-10155, Rz 57. 1433

Schlussanträge des Generalanwalts Alber, 30.1.2003, Rs C-167/01 („Inspire Art“), Slg. 2003, 1-10155, Rz 63,69. 1434

Schlussanträge des Generalanwalts Alber, 30.1.2003, Rs C-167/01 („Inspire Art“), Slg. 2003, 1-10155, Rz 73. 1435

Schlussanträge des Generalanwalts Alber, 30.1.2003, Rs C-167/01 („Inspire Art“), Slg. 2003, 1-10155, Rz 142.

Page 214: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

198

Geeignetheit des Mindestkapitals als Gläubigerschutzmaßnahme und somit als Rechtfertigung iSd Art 46

EGV sei abzulehnen.1436

Der EuGH ging in seinem Urteil zu „Inspire Art“ nicht auf die Geeignetheit des Mindestkapitals als

Gläubigerschutzinstrument ein; seiner Meinung nach ist für die Gläubiger die Berufung auf

gemeinschaftsrechtliche Schutzregeln wie die Vierte und Elfte Gesellschaftsrechtliche Richtlinie

ausreichend.1437

Der EuGH zieht also in seiner Rechtsprechung das Modell des Schutzes der Gläubiger durch

Publizität und Information dem Konzept des gesetzlichen Kapitalschutzes vor. Eine ergänzende Anwendung

der Kapitalschutzregeln und somit ein höheres Niveau des Gläubigerschutzes lehnte der EuGH ab.1438

Zusammengefasst besprachen die Generalanwälte La Pergola und Alber also nur die gläubigerschützenden

Auswirkungen des Mindestkapitals. Die anderen Funktionen, wie die Seriositätsschwelle, wurden in den

Verfahren nicht vorgebracht; auf sie musste daher nicht eingegangen werden (zumindest Alber verwies auf

die Ansicht der Winter-Gruppe in ihrem Bericht, wonach das Mindestkapital lediglich

Abschreckungswirkung habe). Zum Teil wird dennoch das Mindestkapital seit diesen Rechtsfällen

undifferenziert nur an der Gläubigerschutzfunktion gemessen. Letztlich kann aber über das Für und Wider

der Gläubigerschutzfunktion des Mindestkapitals nur gezweifelt werden. Denn empirische Daten zu Kosten

oder Nutzen des Mindestkapitals existieren nicht.1439

Der Nutzen des Mindestkapitals ist also ebensowenig

erwiesen wie der Schaden.1440

Dies gilt nicht nur für die Gläubigerschutzfunktion, sondern auch für die

anderen möglichen Auswirkungen des Mindestkapitals.

8.2.5 Arbeitskapital, Insolvenzprophylaxe und Signaling-Wirkung

Nach der laut Drygala „traditionellen Sichtweise“ hat das Mindestkapital die Funktion des

Sondervermögens, welches die Gesellschaft mit Eigenmitteln für ihre Investitionstätigkeit ausstattet und

diesen Vermögensstock vom Vermögen der Gesellschafter getrennt hält.1441

Das Sondervermögen muss der

Gesellschaft als Aktivvermögen real zugeführt werden; unter der Mindestschwelle von € 35.000 ist die

GmbH nicht eintragungsfähig. Daraus schließt Schärtl bereits eine eigene Funktion des Mindestkapitals, die

„Realfunktion“; das Mindestkapital bestimme den Umfang der tatsächlichen Gründungsbelastungen bei

Gesellschaftsneugründungen.1442

Das Mindestkapital steht daher, wie erwähnt, als Arbeitskapital der Gesellschaft zur Verfügung und kann

somit als solches von dieser bei entsprechenden Verlusten aufgezehrt werden. Wilhelmi sieht demnach das

Mindestkapital in dieser Funktion nicht als Risikopuffer der Gesellschaftsgläubiger „in dem Sinne, dass

1436

Schlussanträge des Generalanwalts Alber, 30.1.2003, Rs C-167/01 („Inspire Art“), Slg. 2003, 1-10155, Rz 141f,

146. 1437

Vgl EuGH 30.9.2003, Rs C-167/01 („Inspire Art“), Slg. 2003, 1-10155, Rz 135. 1438

Oelkers, Mindestkapital und Nennkapital, GesRZ 2004, 369 mwN. 1439

Eidenmüller/Engert, Rechtsökonomik des Mindestkapitals im GmbH-Recht, GmbHR 2005, 437. 1440

Kalss/Eckert, Zentrale Fragen, 330. 1441

Drygala, Stammkapital heute, ZGR 2006, 589 mwN. 1442

Schärtl, Die Doppelfunktion des Stammkapitals als Schlüssel für ein wettbewerbsfähiges GmbH-Recht in

Deutschland?, GmbHR 2007, 346.

Page 215: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

199

diesen ein Mindestkapital auch gegenüber der Gesellschaft reserviert ist“, sondern als Risikopuffer der

Gesellschaft selbst an; zumindest in der Anfangsphase gewährt es der Gesellschaft eine gewisse

Handlungsfähigkeit und die Chance, eine drohende Insolvenz abzuwenden.1443

Gläubiger werden durch das

Mindestkapital nach der Ansicht von Wilhelmi nur indirekt geschützt, da es vorsorglich vor einem

insolventen Schuldner und damit vor der Nichterfüllung ihrer Verbindlichkeiten schütze.1444

Für Krejci wirkt sich das Mindestkapital als Risikopuffer gegebenenfalls dahingehend aus, dass es

Startinsolvenzen verhindere. Je geringer das gesetzlich vorgeschriebene Mindestkapital ist und je höher die

speziellen finanziellen Anforderungen für einen gelungenen Geschäftsstart sind, desto größer sei die

Wahrscheinlichkeit eines raschen Zusammenbruchs aufgrund Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit.

Eine Herabsenkung des Mindestkapitals der österreichischen GmbH von € 35.000 auf € 10.000 würde also

die „Starthilfe zur Vermeidung einer Startinsolvenz“ um ca 71,5 % schwächen, wodurch sich derartige

Insolvenzen in der ersten operativen Phase nach der Gründung (Krejci geht hier offenbar vom ersten

Geschäftsjahr aus) mehren würden.1445

Das Mindestkapital dient also auch dazu, erste Verluste der Gesellschaft abzufedern und so den Eintritt einer

Insolvenz zumindest zu verzögern.1446

Dabei kann das Mindestkapital bzw überhaupt das Eigenkapital

höchstens den Insolvenzgrund der Überschuldung abwehren; da eine hohe Eigenkapitalquote nicht

notwendigerweise auch eine hohe Liquidität bedeutet, hat sie weniger Einfluss auf das Konkursrisiko der

Zahlungsunfähigkeit.1447

Befindet sich die Gesellschaft hingegen bereits im Stadium der Insolvenz, ist die Garantie eines

Haftungsfonds für die Gläubiger nicht mehr gegeben: aufgrund der Funktion des Mindestkapitals als

„working capital“ ist in der Insolvenz in vielen Fällen überhaupt kein Kapital mehr vorhanden. Laut Oelkers

wurden 2003 in Österreich 2.686 Konkursanträge mangels Masse abgewiesen, was eine Steigerung von rund

11 % gegenüber dem Vorjahr bedeutete.1448

Nach Halbhuber und Oelkers kann man an den Gründen dieser

Doppelkonstruktion – Arbeitskapital einerseits und Haftungsfonds andererseits – nur rätseln: womöglich

hatte der historische Gesetzgeber gehofft, dass das Stammkapital in den Kauf langlebigen Anlagevermögens

investiert werde, etwa einer Fabrik oder einzelner Maschinen, welche in der Insolvenz als Haftungsmasse zur

Verfügung stehen.1449

Da der Mindestkapitalbetrag in der Insolvenz oft nicht mehr vorhanden ist, kann man das Mindestkapital

daher nur als Insolvenzvorsorge ansehen. Es verzögert den Eintritt der Überschuldung und ermöglicht so die

Chance der Überwindung der Krise.1450

Wenngleich auch dieser anfängliche Verlustpuffer in vielen Fällen

1443

Wilhelmi, Das Mindestkapital als Mindestschutz – eine Apologie im Hinblick auf die Diskussion um eine Reform

der GmbH angesichts der englischen Limited, GmbHR 2006, 13 mwN. 1444

Wilhelmi, Das Mindestkapital als Mindestschutz, GmbHR 2006, 13f. 1445

Krejci, Gegen Billig-Gesellschaften m.b.H., Zur Reformdiskussion über Gründungserleichterungen, ÖZW 2008, 42. 1446

Oelkers, Mindestkapital und Nennkapital, GesRZ 2004, 364, 367 mwN. 1447

Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer, 115f. 1448

Oelkers, Mindestkapital und Nennkapital, GesRZ 2004, 364 mwN. 1449

Oelkers, Mindestkapital und Nennkapital, GesRZ 2004, 364 mwN. 1450

Kleindiek, Krisenvermeidung in der GmbH, ZGR 2006, 349 mwN.

Page 216: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

200

zu niedrig ist, da vielfach schon die anfängliche Ausstattung des Unternehmens den Betrag des

Mindestkapitals übersteigt.1451

Dennoch sieht Barta darin, dass die Gesellschaft durch das Mindestkapital nicht völlig vermögenslos ist, den

„wesentliche(n) Zweck des Mindestkapitals“, nämlich die Trennung der Rechts- und Geschäftssphäre der

Gesellschaft von der der Gesellschafter. Damit entsteht eine eigene Rechtspersönlichkeit, die durch das

Stammkapital „gegenüber privaten Personen einen Vorsprung des entgegengebrachten geschäftlichen

Vertrauens erreicht“. Durch die „Folgepflicht“ der Kapitalaufbringung, die Kapitalerhaltung, kann dieses

Vertrauen auch im weiteren Verlauf des Unternehmens aufrechterhalten werden; das Stammkapital wird

dadurch zumindest vor nicht betriebsbedingten Beeinträchtigungen der Gesellschaft gesichert.1452

Für Barta

ist die Aufbringung des Stammkapitals daher in erster Linie nicht als Haftungs-, sondern „als

Investitionszusage der Gesellschafter zu verstehen, für den Betrieb der Gesellschaft Eigenkapital zur

Verfügung zu stellen und damit dem Geschäftsrisiko auszusetzen“.1453

Barta hatte damit das gesamte Stammkapital der Gesellschaft im Blick; auch Bauer sah in der

Stammkapitalziffer eine ähnliche Wirkung, die sog „signaling-Wirkung“, gegeben: demnach wird durch die

Stammkapitalziffer nach außen signalisiert, dass die Gesellschafter in dieser Höhe auf jegliche

Gewinnausschüttungen verzichten.1454

Wenngleich (oder gerade weil) dieser Verzicht aufgrund der

Kapitalerhaltungsregeln nicht freiwillig erfolgt, kann man doch diese zur deutschen Rechtslage entwickelte

Ansicht von der „Vertrauensfunktion“ des Stammkapitals auch auf die österreichische Rechtslage und auch

auf das Mindestkapital anwenden: wer eine GmbH gründet, signalisiert damit eine gewisse Bonität der

Gesellschaft und seiner selbst, da er den nicht unerheblichen Betrag von € 35.000 aufbringen muss und

zudem nicht mehr zurückfordern kann; dadurch kann er potentielle Geldgeber von der Glaubwürdigkeit der

Geschäftsidee und der Zukunftsschätzungen der Gesellschafter überzeugen und letztlich die

Kreditwürdigkeit der Gesellschaft erhöhen.1455

Auch aus diesem Blickwinkel betrachtet, kann daher das

Mindestkapital nicht nur der Seriosität des Unternehmens hilfreich sein, sondern auch mittelbar der

Insolvenz vorbeugen.

1451

Kleindiek, Krisenvermeidung in der GmbH, ZGR 2006, 341. 1452

Barta, Das Kapitalsystem von GmbH und AG, GmbHR 2005, 659f. 1453

Barta, Das Kapitalsystem von GmbH und AG, GmbHR 2005, 662. 1454

Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer, 277. 1455

So zur Stammkapitalziffer Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer, 277; vgl auch Drygala,

Stammkapital heute, ZGR 2006, 599f.

Page 217: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

201

8.3 Funktionen der Kapitalerhaltung

8.3.1 Einführung

Einige Funktionen der Kapitalerhaltungsregeln in der GmbH wurden bereits in Kapitel 8.2 gemeinsam mit

den Funktionen des Mindestkapitals behandelt; im Folgenden soll einerseits der Fokus auf das

Zusammenspiel der Kapitalerhaltungsregeln mit dem Mindestkapital gelegt werden; andererseits wird die

Wichtigkeit der Rechnungslegungsvorschriften im Hinblick auf die Kapitalerhaltungsregeln behandelt.

8.3.2 Stauwehr und Ausgleich für die Haftungsbeschränkung

Regeln der Kapitalerhaltung sind auch in jenen Ländern anerkannt, die kein Mindestkapital kennen: so

dürfen nach dem Recht der englischen Limited nur erwirtschaftete Gewinne an die Gesellschafter

ausgeschüttet werden; verdeckte Vermögensausschüttungen sind verboten.1456

Dennoch sind nach dem

Verständnis der deutschen und österreichischen Literatur die Regeln der Kapitalerhaltung logische Folge der

Regeln über das Mindestkapital und die Kapitalaufbringung, und zwar aus zwei Gründen. Erstens bilden die

Kapitalerhaltungsnormen eine „Stauwehr“:1457

sie verhindern willkürliche Rückflüsse des Mindestkapitals an

die Gesellschafter. Die Gläubiger sollen sich darauf verlassen dürfen, dass dieser Grundstock zumindest

nicht durch die Gesellschafter angetastet wird.1458

Dennoch können auch die Kapitalerhaltungsregeln nicht

verhindern, dass das Stammkapital aufgrund schlechter Geschäfte des Unternehmens aufgezehrt wird.1459

Zweitens ist nach Ansicht des BGH die Einhaltung der Kapitalerhaltungsvorschriften (und ebenso der

Regelung des Mindestkapitals) ein „unverzichtbarer Ausgleich für die Beschränkung der Haftung auf das

Gesellschaftsvermögen“:1460

da aufgrund des Trennungsprinzips im Kapitalgesellschaftsrecht die

Anteilseigner von der Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft idR freigestellt sind, ist es Aufgabe

der Rechtsordnung, Ausschüttungssperren einzurichten, damit das von der Gesellschaft aufgenommene

Fremdkapital nicht als Gewinn ausgewiesen und an die Teilhaber abgeführt werden kann.1461

Zusammengefasst ist das System des Nennkapitals erst dann vollständig, wenn neben der Aufbringung eines

Mindestkapitals auch Kapitalerhaltungsregeln verankert werden: ein – wenn auch begrenzter –

Gläubigerschutz ist nur dann möglich, wenn der anfängliche vorhandene Haftungsfonds mit dem

Mindestbetrag von € 35.000 dann auch durch Ausschüttungssperren und ähnliche Vorrichtungen zum Schutz

vor Vermögensentnahmen durch die Gesellschafter geschützt wird. Während das Mindestkapital also eine

gewisse Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft gewährleistet und die Kapitalaufbringungsregeln dafür

1456

Rüffler, Gläubigerschutz durch Mindestkapital und Kapitalerhaltung, GeS 2005, 141 mwN. 1457

Brodmann, zitiert nach Fleck, Der Grundsatz der Kapitalerhaltung, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 392 mwN. 1458

Fleck, Der Grundsatz der Kapitalerhaltung, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 392 mwN. 1459

Rüffler, Gläubigerschutz durch Mindestkapital und Kapitalerhaltung, GeS 2005, 140. 1460

BGH, zitiert nach Torggler, Fünf (Anti-)Thesen zum Haftungsdurchgriff, JBl 2006, 86 mwN. 1461

Kübler, Institutioneller Gläubigerschutz oder Kapitalmarkttransparenz?, Rechtsvergleichende Überlegungen zu den

„stillen Reserven“, ZHR 1995, 552 mwN.

Page 218: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

202

sorgen, dass auch tatsächlich Eigenkapital zufließt, sollen die Kapitalerhaltungsregeln die Rückausschüttung

dieses Eigenkapitals an die Gesellschafter verbieten.1462

Nur durch die Kapitalerhaltungsregeln kann eine

„Befriedigungsreserve“1463

für die Gläubiger einigermaßen sichergestellt werden.

Für Zollner wären daher die gründungsrechtlichen Regelungen des Mindestkapitals und der

Kapitalaufbringung ohne ein strenges Kapitalerhaltungsregime „gänzlich wirkungslos“.1464

Gerade die

Kapitalerhaltung soll seiner Meinung nach auch die Trennung von Gesellschafts- und

Gesellschaftervermögen hervorstreichen:1465

was einmal Gesellschaftsvermögen ist, kann nicht mehr ohne

Weiteres an die Gesellschafter zurückgewährt werden.

8.3.3 Bilanzieller Gläubigerschutz durch das System des festen Nennkapitals

Da den Gläubigern einer haftungsbeschränkten Gesellschaft regelmäßig nur das Gesellschaftsvermögen,

nicht auch das Privatvermögen der Gesellschafter zur Befriedigung zur Verfügung steht, basiert das deutsche

wie auch das österreichische System der Kapitalerhaltung auf der grundlegenden Annahme, dass strenge

Ausschüttungsbegrenzungen zur Absicherung von Gläubigeransprüchen beitragen; in Deutschland wie auch

in Österreich spielt hierbei die Rechnungslegung eine zentrale Rolle.1466

Einerseits dient nämlich die „Bilanzfunktion“ des Mindeststammkapitals (Schärtl) dem Schutz der

Gläubiger: als reine Rechengröße ist die Stammkapitalziffer zu passivieren, wodurch bereits dann ein

bilanzieller Verlust auszuweisen ist, wenn die Summe des bilanzierten Aktivvermögens die Summe aus

Fremdkapital und dem um die Stammkapitalziffer erhöhten Eigenkapital unterschreitet. Besonders für die

deutsche Ausschüttungsregel in § 30 dGmbHG, die an das Vorliegen einer Unterbilanz anknüpft, hat daher

das Stammkapitalziffer entscheidende Bedeutung,1467

und somit auch für den Gläubigerschutz.

Zudem wird andererseits der Gewinn unter Anwendung des Vorsichtsprinzips ermittelt, das als

charakteristisches Merkmal einer dem Gläubigerschutz verpflichteten Rechnungslegung gilt. Aufgrund der

Pflicht zur vorsichtigen Bewertung sind vorhersehbare Risiken und Verluste sofort in Anschlag zu

bringen.1468

Letztlich dient dieses Prinzip mit seinen „Unterprinzipien“ (va das Realisations- und das

Imparitätsprinzip) dazu, den ausschüttbaren („entziehbaren“) Gewinn möglichst gering zu halten und somit

den Gläubigern eine möglichst große Vermögenssubstanz zu erhalten.1469

Bildhaft wird auch von einem

1462

Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: Damm/Heermann/Veil, FS Raiser, 8f. 1463

So der BGH, zitiert nach Schärtl, Die Doppelfunktion des Stammkapitals, GmbHR 2007, 346 mwn. 1464

Zollner, Mindestkapital und Kapitalaufbringung, 34 mwN. 1465

Zollner, Mindestkapital und Kapitalaufbringung, 36. 1466

Rammert, Lohnt die Erhaltung der Kapitalerhaltung?, BFuP 2004, 591; Wagenhofer/Ewert, Externe

Unternehmensrechnung, 143f, 145. 1467

Vgl Schärtl, Die Doppelfunktion des Stammkapitals, GmbHR 2007, 346f. 1468

Kübler, Institutioneller Gläubigerschutz oder Kapitalmarkttransparenz?, ZHR 1995, 552f. 1469

Vgl Rammert, Lohnt die Erhaltung der Kapitalerhaltung?, BFuP 2004, 582; Wagenhofer/Ewert, Externe

Unternehmensrechnung, 145.

Page 219: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

203

„Kissen“ gesprochen, das im Fall unternehmerischen Scheiterns vor hartem Aufprall bewahren soll.1470

Auf

diese Weise erhält die formelle Kapitalerhaltungsregel des § 30 dGmbHG wie auch des § 82 öGmbHG eine

materielle Tragweite; der Interessengegensatz zwischen Eignern und Gläubigern wird so zugunsten der

Gläubiger aufgelöst.1471

Ohne die Einrichtung von Kapitalerhaltungsregeln, so wird angenommen, wären

rationale Gläubiger aufgrund der asymmetrischen Risikoteilung bei haftungsbeschränkten Gesellschaften

nicht zu einer Kreditvergabe an eine solche Gesellschaft bereit.1472

Problematisch sind nicht nur vorvertragliche Asymmetrien zwischen Gläubiger und Gesellschafter, also vor

allem Informationsdefizite der Gläubiger,1473

sondern auch nachvertragliche Asymmetrien, die ebenfalls

durch die deutschen bzw österreichischen Regeln der Kapitalerhaltung gemindert werden: der Fall des „cash

in and run“, also des „Einkassierens“ überhöhter Ausschüttungen durch die Gesellschafter, wird vom System

der bilanziellen Kapitalerhaltung ebenso eingedämmt wie dessen Untervariante, das

„Unterinvestitionsproblem“: dabei handelt es sich um die Gefährdung von Gläubigeransprüchen durch den

Anreiz für Eigenkapitalgeber, Zahlungsüberschüsse aus fremdfinanzierten Projekten unmittelbar

auszuschütten, anstatt sie im Unternehmen zu reinvestieren. Aufgrund des Mangels an unternehmensinternen

Zahlungsüberschüssen können somit die Fremdkapitalgeberansprüche nicht mehr bedient werden.1474

1470

Zusammenfassung des Meinungsstands bei Kübler, Institutioneller Gläubigerschutz oder Kapitalmarkttransparenz?,

ZHR 1995, 553 mwN. 1471

Zur finanziellen Agency-Theorie als theoretische Grundlage dieses Interessengegensatzes in der Betriebswirtschaft

s Wagenhofer/Ewert, Externe Unternehmensrechnung, 144, 151. 1472

Rammert, Lohnt die Erhaltung der Kapitalerhaltung?, BFuP 2004, 581. 1473

Kuhner, Zur Zukunft der Kapitalerhaltung durch bilanzielle Ausschüttungssperren im Gesellschaftsrecht der Staaten

Europas, ZGR 2005, 765 mwN. 1474

Kuhner, Zur Zukunft der Kapitalerhaltung, ZGR 2005, 766 mwN.

Page 220: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

204

9. Kritik und Alternativen

9.1 Einführung

Im Folgenden soll ein Überblick über die grundlegende Kritik zum Mindestkapital und der Kapitalerhaltung

gegeben werden. Dabei soll eine Analyse der Hauptargumente soll aufzeigen, ob es praktikable Alternativen

zum derzeitigen Stand des Systems des festen Nennkapitals mit dem derzeitigen Mindestkapitalbetrag von €

35.000 gibt. Derartige Alternativen kommen, wie insb Kapitel 9.3 über die Kritik am derzeitigen

Kapitalerhaltungssystem zeigen wird, vor allem aus dem angloamerikanischen Raum: in den USA wurde,

wie erwähnt, auf ein Mindestkapital bzw auf das System des „legal capital“ verzichtet, da sich Alternativen

anboten, die die Gläubigerrisiken verringern konnten.1475

Es wird zu zeigen sein, ob diese alternativen

Schutzmechanismen, wie etwa der Solvenztest oder die Praxis der „Financial Covenants“, auf das deutsche

bzw österreichische Kapitalgesellschaftsrecht übertragbar sind.

9.2 Regelung des Mindestkapitals

9.2.1 Erhöhung der Mindestkapitalziffer

Allein der rechtshistorische Blick zeigt, wie erwähnt, einen deutlichen Verfall des Wertes der

Mindestkapitalziffer. Auch wenn der Betrag zuletzt im Jahr 1980 hinaufgesetzt wurde, auch um diesem

inflationsbedingten Verfall entgegenzuwirken, kann man nicht mehr von dem Betrag sprechen, den der

Gesetzgeber von 1906 im Auge hatte: erschien der Mindestkapitalbetrag im Jahr 1906 noch als

ausreichender Grundstock für den Betrieb eines Unternehmens sowie als „Haftungfonds“ für die Gläubiger,

gewährleistet der heutige Mindestkapitalbetrag idR nicht mehr eine dem Geschäftsvolumen angemessene

Eigenkapitalausstattung.1476

Die Ziele des Mindestkapitals scheinen damit gefährdet: auch ein ausreichender

Haftungsfonds für die Gläubiger ist idR nicht mehr gegeben, wenn eine Gesellschaft mit einem

Stammkapital von € 35.000 ausgestattet wird.1477

Zudem kann man während der Geschäftstätigkeit der

Gesellschaft nicht von einem „Soliditätsindiz“ sprechen, wenn der Mindestkapitalbetrag durch Verluste

aufgezehrt wird. Diese Aufzehrung dürfte sich bei jenen Gesellschaften mehren, für die der

Mindestkapitalbetrag von Beginn an für den Geschäftsbetrieb nicht ausreichend ist.1478

Eine Anhebung des Mindestkapitalbetrags scheint daher ein Mittel zur Milderung dieser Situation, auch weil

es sich um einen legistisch wenig problematischen Fall handelt; als Rechtfertigung dieser Maßnahme kann

man auch den ungebrochenen Erfolg der GmbH bis zum heutigen Tag trotz der letzten Anhebung 1980

1475

So Kübler, Institutioneller Gläubigerschutz oder Kapitalmarkttransparenz?, ZHR 1995, 559 mwN. 1476

So für Deutschland Fleck, Der Grundsatz der Kapitalerhaltung, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 392. 1477

Vgl Fromm, Gläubigerschutz durch Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung, 88f. 1478

Escher-Weingart, Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, 16 mwN.

Page 221: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

205

anführen. Betrachtet man die Praxis des Gesetzgebers des 20. Jahrhunderts isoliert vom seit der Centros-

Entscheidung anbahnenden Wettbewerb um die günstigste Gesellschaftsform, so wäre es überhaupt logische

Konsequenz, wenn die Mindestkapitalziffer nach einigen Jahrzehnten nun wieder inflationsbereinigt würde.

Trotzdem finden sich – sowohl vor als auch nach der Entscheidung des EuGH in „Centros“ – Stimmen für

wie auch gegen eine gesetzliche Erhöhung der Mindestkapitalziffer.

So schlug Priester 1992 die Erhöhung des Mindestkapitals vor, da idR die dGmbHs nur mit DM 50.000

(heute € 25.000), also mit der Mindestgrenze, gegründet wurden. Unter solchen Umständen sei es „in hohem

Maße unbefriedigend, mit erheblichen rechtlichen Mitteln die Aufbringung eines Haftungsfonds zu

gewährleisten, der bei wirtschaftlicher Betrachtung oftmals nahezu irrelevant ist. Die Risikobegrenzung bei

den Gesellschaftern wird dann zur Risikoabwälzung auf die Gläubiger“. Flankierend zum erhöhten

Mindestkapital schlug Priester auch eine Verschuldenshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung

vor.1479

Aber auch nach dem Centros-Urteil von 1999 finden sich noch vereinzelt Forderungen für eine Anhebung

des Mindestkapitalbetrags: so schlug jüngst der Geschäftsführer der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst &

Young, Alfred Brogyányi, die Anhebung des Mindestkapitals auf € 50.000 vor, um den Gläubigerschutz

abzusichern. Entgegen dem derzeitigen Trend der Abschaffung des Mindestkapitals meint Brogyányi, dass

man „nicht ständig darüber klagen (dürfe), dass die Betriebe in Österreich zu wenig Eigenkapital haben und

dann (trotzdem) die Eigenkapitalbasis der GmbH weiter schwächen (wolle)“. Die Mindestkapitalgrenze

sollte daher valorisiert werden. Einen kompletten Verzicht auf das Stammkapital, wie er auch bei der

deutschen UG (haftungsbeschränkt) durchgesetzt wurde, hält Brogyányi für nicht zielführend, da dadurch die

Verwaltungskosten der Gesellschaft erhöht würden, weil diese dann zu eigenkapitalersetzenden Maßnahmen

wie Gesellschafterdarlehen gezwungen werden.1480

Gegen eine Erhöhung des Mindestkapitals sprach sich schon 1999 Escher-Weingart aus: man steigere zwar

mit einer Erhöhung des Mindestkapitals die Solidität und Bonität einiger Gesellschaften; jedoch werde durch

das höhere Kapital eine „nicht unbeträchtliche Zahl kleinerer Gesellschaften komplett vom Markt

verdrängt“, für die das bisherige Mindestkapital ausreichend sei, wie etwa kleine Dienstleister ohne hohen

Investitionsbedarf. Es beträfe aber auch innovative Jungunternehmer, die noch keine größeren Summen

aufbringen könnten. Außerdem sei auch ein höheres Garantiekapital weder für alle Gesellschaften

angemessen noch vor Aufzehrung geschützt, so dass „im Endeffekt lediglich eine Verschiebung, aber keine

Behebung der Probleme erreicht würde“.1481

Fromm war bereits vor der dGmbHG-Novelle 1980 gegen eine Anhebung, mit Argumenten, die auch heute

noch interessant sind; einerseits könne auch mit einem geringen Stammkapital (von damals DM 20.000) die

Ernsthaftigkeit des Willens der GmbH-Gesellschafter zur gemeinsamen Unternehmung auf die Probe gestellt

werden; andererseits müsste der Mindestkapitalbetrag um ein Vielfaches höher sein (Fromm errechnete 1979

1479

Priester, Kapitalaufbringung, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 187. 1480

Brogyányi, zitiert nach Frey, „50.000 Euro Mindestkapital für GmbH“ – „Ernst & Young“-Chef Brogyányi lehnt

geplante Senkung ab und fordert höhere Grenze, Der Standard, Wirtschaft & Recht vom 6.2.2008, 2008/06/01. 1481

Escher-Weingart, Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, 16.

Page 222: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

206

eine prozentuale Erhöhung um 1000 %), um Gläubigerschutzanliegen genügen zu können, da die Ermittlung

eines solchen „effektiven“ Mindestkapitalbetrags an die durchschnittlichen Gläubigerverluste anknüpfen

müsste, wobei auch die mangels Masse abgewiesenen Konkursanträge (2003 waren es 2.686, also knapp 50

% der Gesamtinsolvenzen) in die Berechnung mit einfließen müssten.1482

Ein derart erhöhter Betrag wäre

aber für viele GmbHs, die zudem nur mit dem Mindeststammkapitalbetrag von € 35.000 ausgestattet sind,

finanziell nicht verkraftbar.1483

Letztlich könnte die Erhöhung des Mindestkapitals also nur mit der Anpassung an die Inflation argumentiert

werden; denn auch die von Brogyányi erwähnte Eigenkapitalquote dürfte eher von anderen Parametern als

dem Mindestkapitalbetrag abhängen: in den USA fehlen zwar in den meisten Bundesstaaten

Mindestkapitalvorschriften; trotzdem ist die Eigenkapitalquote US-amerikanischer Unternehmen wesentlich

höher als in Deutschland.1484

Laut Bauer lässt sich daraus schließen, dass bei einem Wegfall des

Mindestkapitalerfordernisses die Eigenkapitalquote nicht notwendigerweise niedriger würde.1485

Konsequenterweise würde dann aber auch eine Erhöhung des Mindestkapitalbetrags nicht zu einer

nennenswerten Verbesserung der Eigenkapitalquote führen.

9.2.2 Angemessener Mindestkapitalbetrag

Eine häufige Kritik am Status Quo der Mindestkapitalvorschrift ist die Starrheit der Regelung. Der

Mindestbetrag von € 35.000 gilt für alle Unternehmen, die in der Rechtsform der GmbH firmieren wollen,

unabhängig von Größe und Zweck des Geschäfts, und unabhängig von der Liquiditätssituation.1486

In der

Praxis kann daher ein kleiner Dienstleistungsbetrieb „bei sparsamer Gebarung“ seinen Betrieb

möglicherweise noch mit einem Stammkapital von € 35.000, von dem die Hälfte eingezahlt werden muss,

decken, keineswegs aber ein Produktionsbetrieb mit Maschinen, Anlagen und sonstigen Einrichtungen.1487

Seinen historischen Zweck hat diese Starrheit darin, die GmbH für die „verschiedenartigsten“ Zwecke offen

zu halten.1488

Aber durch die Aufbringung des Mindestkapitals allein ist idR die Sicherstellung der

erforderlichen Kapitalausstattung einer GmbH nicht möglich; trotzdem kann eine GmbH mit dem bloßen

Mindestkapitalbetrag geführt werden, ohne gegen § 6 GmbHG zu verstoßen, auch wenn der

1482

Oelkers, Mindestkapital und Nennkapital, GesRZ 2004, 365 mwN. 1483

Vgl Fromm, Gläubigerschutz durch Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung, 92 mwN. 1484

Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer, 139 mwN. 1485

Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer, 138f. 1486

Vgl Jungmann, Solvenztest- versus Kapitalschutzregeln, Zwei Systeme im Spannungsfeld von Gläubigerschutz und

Finanzierungsfreiheit der Kapitalgesellschaft, ZGR 2006, 641. 1487

Vgl Bruckbauer, Die Reform des Rechts der Kapitalgesellschaften im kontinental-europäischen Raum, GeS 2009,

17. 1488

Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 6 Rn 3 mwN an kritischen Stimmen.

Page 223: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

207

Mindestkapitalbetrag für den Geschäftsumfang offensichtlich unzureichend ist.1489

In der Praxis ist die

Festlegung der Stammkapitalziffer in der Höhe des Mindestkapitals zu 75 % zudem vorherrschend.1490

Aus diesen Gründen ist auch ein Gläubigerschutz durch ein starres Mindestkapital kaum gewährleistet: so

nannte Davies, wie erwähnt, die Festlegung eines starren Mindestkapitals ein „hopelessly blunt and

unsophisticated instrument“. Ein einheitlicher Mindestkapitalbetrag möge vielleicht als Gläubigerschutz in

einigen Unternehemen dienen, für den Zutritt zu anderen Unternehmen stellt er aber unnötige Barrieren

auf.1491

Vielfach wird anstelle dieser starren Regelung ein flexibles, also dem jeweiligen angestrebten

Geschäftsumfang und den Finanzierungsmöglichkeiten der Gesellschaft angepasstes bewegliches

Mindestkapital gefordert.1492

Jud kritisierte etwa im Rahmen der Diskussion zur GmbHG-Novelle 1980 die Beibehaltung der starren

Mindestkapitalziffer mit den Worten „…schlechter als bei einer starren Stammkapitalgröße kann es den

Gläubigern bei egal welcher Kombinationsregelung nicht gehen“.1493

Denn einerseits werde dadurch

zukünftigen Geldentwertungen nicht Rechnung getragen; mit fortschreitender Geldentwertung sollte also,

dem Zweck der Anhebung des Mindestkapitals entsprechend, auch jeweils ein höherer Betrag als

Stammkapital aufgebracht werden. Andererseits sollte ein Weg eingeschlagen werden, der geeignet ist, „ein

dem jeweiligen Zweck der Gesellschaft entsprechendes Haftungspotential zu bilden“ und „die notwendige

Eigenkapitalbasis zu sichern“. Zu denken sei etwa an „eine generelle Verpflichtung der Gesellschafter zur

Bereitstellung eines ausreichenden Gesellschaftskapitals“.1494

Auch im Zusammenhang mit dem Referentenentwurf zum dGmbHG von 1969, der bereits eine Anhebung

des Mindestkapitalbetrags von DM 20.000 auf DM 50.000 vorsah, kamen Kritiken zur weiter geltenden

Starrheit des Mindestkapitals auf; so meinte Freiherr von Falkenhausen, dass das Mindestkapital im

Interesse des Gläubigerschutzes nicht schematisch für alle Betriebe einheitlich festgesetzt werden solle. Der

Gesetzgeber solle es vielmehr „nach der Gläubigergefährdung, die von einem Betrieb der betreffenden

Branche typischerweise ausgeht, staffeln“.1495

Auch im Unterausschuss des Deutschen Bundestags, der 1980

über die dGmbHG-Reform beriet, fand die Kritik am unflexiblen, für alle Gesellschaften gleich hohes

Mindestkapital Erwähnung: der Deutsche Anwaltverein wies in der Anhörung etwa darauf hin, dass ein

Gläubigerschutz nicht durch ein starres Mindestkapital erreicht werden könne, sondern allenfalls, indem

1489

Wünsch, Kommentar, § 6 Rz 3. 1490

Roth, Gläubigerschutz bei der GmbH – Was ist unverzichtbar?, in: Kalss/Nowotny/Schauer, Festschrift Peter Doralt

zum 65. Geburtstag, Manz Verlag, Wien 2004, 481, 484 mwN zur Situation in Deutschland (69 %). 1491

Vgl Davies, Legal Capital, AG 1998, 353. 1492

Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 6 Rn 3; Vgl Wünsch, Kommentar, § 6 Rz 3.

1493 Jud, Zur Erneuerung des Rechts der GmbH, in: Reformen des Rechts. Festschrift zur 200-Jahr-Feier der

Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz, Leykam-Verlag, Graz 1979, 304. 1494

Jud, Zur Erneuerung des Rechts der GmbH, 303. 1495

Freiherr von Falkenhausen, Diskussionsbeitrag, in: Wiethölter et al., Probleme der GmbH-Reform, Verlag Dr. Otto

Schmidt KG, Köln 1970, 189.

Page 224: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

208

vorgeschrieben werde, dass das Kapital jeweils in einem bestimmten Verhältnis zu dem betriebenen

Unternehmen stehe. Derartige Vorschläge wurden allerdings vom Rechtsausschuss letztlich verworfen.1496

Für Blaurock hat die Starrheit des Mindestkapitals volkswirtschaftliche Nachteile im Sinne eine

Fehlallokation von Mitteln, da auch solche Gesellschaften zur Aufbringung des Mindestkapitals verpflichtet

seien, deren Zweck aus Sicht eventueller Gläubiger weniger Eigenkapital erfordert, wie etwa bei

gemeinnützigen Gesellschaften oder GmbHs mit ideellen Zwecken bzw Verwaltungsgesellschaften ohne

Umsatz. Die Regeln über eine feste Mindestkapitalziffer seien daher zu überdenken.1497

Trotz dieser Nachteile ist man sich aber einig, dass die Bestimmung einer flexiblen und gleichzeitig für den

Gläubigerschutz adäquaten Norm nicht leicht sein dürfte. Eine allgemeine Umschreibung der

Mindestkapitalaufbringung in der Form, dass die Gesellschaft „mit angemessenem Kapital ausgestattet

werden müsse“, ist nach Ansicht von Rüffler aufgrund der Rechtsunsicherheit, die diese Bestimmung mit

sich bringen würde, nicht praktikabel.1498

Aber auch eine konkretere Bestimmung, die „vom echten Kapitalbedarf des jeweiligen Unternehmens in

seinem jeweiligen Entwicklungsstadium“ abhängt, wie sie auch Roth vorschlägt,1499

scheitert nach Ansicht

der Kritiker daran, dass operable Kriterien für eine zureichende Eigenkapitalausstattung, und somit für einen

„echten Kapitalbedarf“, weder von rechts- noch von betriebswissenschaftlicher Seite ermittelt werden

können.1500

Zudem müssten die Gesellschafter verpflichtet werden, ihre unternehmerischen Absichten offen

zu legen, da nur auf diese Weise ein konkreter Kapitalbedarf geschätzt werden kann.1501

Auch Bauer hält die gesetzliche Festlegung eines angemessenen Mindesteigenkapitals für „praktisch nicht

durchführbar“: selbst wenn man einen ex ante bestimmbaren und justitiablen Begriff der angemessenen

Eigenkapitalaustattung entwickeln könnte (was aber schon aufgrund der überhaupt geringen Aussagekraft

der Eigenkapitalquote zweifelhaft ist, so kann etwa ein Unternehmen mit einer Eigenkapitalquote von 70 %

trotzdem hohe Jahresverluste erwarten, während Gesellschaften mit einem Verhältnis von Fremd- zu

Eigenkapital von 10:1 noch nicht per se unterkapitalisiert sind), würde die Pflicht zur Erhaltung eines

angemessenen Mindesteigenkapitals durch eine nachträgliche Erweiterung des Geschäftsbetriebs leicht zu

umgehen sein und damit wirkunglos; aber auch eine Pflicht zur permanenten Einhaltung einer bestimmten

Eigenkapitalquote liefe auf eine Verlustdeckungspflicht und damit auf die Abschaffung der

Haftungsbeschränkung hinaus.1502

Wenn auch für Kreditinstitute gem § 22 BWG komplexe Vorschriften über eine Mindesteigenkapitalquote

von 8 % bestehen, so kann man derartige Regeln nicht ohne Probleme auf alle Kapitalgesellschaften

ausdehnen: der Zweck der Mindesteigenkapitalausstattung von Banken besteht in der Notwendigkeit des

1496

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss), Deutscher Bundestag, 8. Wahlperiode,

Drucksache 8/3908, 68 mwN. 1497

Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: Damm/Heermann/Veil, FS Raiser, 15f. 1498

Rüffler, Gläubigerschutz durch Mindestkapital und Kapitalerhaltung, GeS 2005, 146f. 1499

Roth, Gläubigerschutz und Mindestkapital in der GmbH, GesRZ 1982, 141 mwN. 1500

Vgl Priester, Kapitalaufbringung, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 160 FN 3 mwN. 1501

Oelkers, Mindestkapital und Nennkapital, GesRZ 2004, 366 mwN. 1502

Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer, 119, 123f, 129; Fromm, Gläubigerschutz durch

Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung, 92f mwN.

Page 225: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

209

Schutzes privater, also besonders schutzbedürftiger Gläubiger und letztlich in der Verhinderung gravierender

Folgen einer Insolvenz eines Kreditinstituts; machte man eine derartige Regel für eine „kleine“ GmbH

anwendbar, wäre eine Kostenexplosion im Gründungsvorgang und eine umfassende Aufsicht während des

Betriebs der Firma die unzumutbare Folge.1503

Eine bereits ex ante feststehende Pflicht zur Aufbringung eines bestimmten Eigenkapitals ist laut Roth aber

gar nicht notwendig: es kommt nicht auf die effektive Eigenkapitalzuführung an, sondern auf die Bezifferung

des Risikos persönlicher Haftung. Dies könne „durchaus auch ex post und je nach dem Ausgang des

wirtschaftlichen Wagnisses geschehen“.1504

Escher-Weingart schlägt ebenfalls die Festsetzung einer pauschalen, wenn auch geringeren,

Eigenkapitalquote vor: einerseits wäre eine völlige Freigabe, also die Bestimmung der Höhe des

prozentualen Anteils am Gesamtkapital durch jede Gesellschaft selbst, zwar eine flexible Lösung; aber doch

sollte im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs ein Minimalschutz aufrecht erhalten

werden. Andererseits wäre eine Staffelung der Eigenkapitalquoten nach Branchen zu regelungsintensiv und

würde doch nicht zu einer adäquaten Eigenkapitalausstattung bei jedem Unternehmen führen. Daher bleibe

als Lösung nur die Festsetzung einer pauschalen Eigenkapitalquote, die wiederum nicht zu hoch, aber auch

nicht zu niedrig sein dürfe. Die von Chemieunternehmen meist erreichte Eigenkapitalquote von um die 30 %

sei etwa zu hoch; Escher-Weingart schlägt daher eine Eigenkapitalquote von 5 % vor; dieser Prozentsatz soll

das notwendige Mindestvertrauen in den Fortbestand der Gesellschaft gewährleisten und steigt bzw fällt mit

der Größe der Gesellschaft, „ohne jedoch auf die anerkannter Maßen nicht bewältigbare

wirtschaftswissenschaftliche Bestimmung einer angemessenen Kapitalausstattung angewiesen zu sein“. Eine

Einzahlungspflicht besteht nach dem Vorschlag von Escher-Weingart nicht; bei Nichterreichung der

Eigenkapitalquote dürfe aber lediglich die Hälfte des in dem entsprechenden Jahr erwirtschafteten Gewinns

ausgeschüttet werden.1505

Dieses für die AG entwickelte Modell eines „Basiskapitals“ mit fünfprozentiger

Eigenkapitalquote anstelle eines Stammkapitals sei besonders auch für die GmbH sinnvoll, da bei dieser

Rechtsform die Größenklassen der Unternehmen noch stärker variieren als bei der AG und somit eine

flexible Kapitalausstattung „wesentlich sinnvoller“ sei als ein Stammkapital „mit einem Mindestnennwert

von X DM“. Wertsteigerungen sollen mittels Wertsteigerungsrücklage aktivierbar sein und zur Erreichung

der Fünf-Prozent-Quote beitragen.1506

Aber auch dieser Vorschlag bleibt hinsichtlich seiner gläubigerschützenden Wirkung fraglich: eine fixe

Eigenkapitalquote wirkt wiederum zu pauschal und willkürlich, um auf einzelne Geschäftsfelder und seine

Risiken eingehen zu können. Außerdem liegt die vorgeschlagene Quote von 5 %, auch wenn sie mit der

Unternehmensgröße steigt und fällt und daher eine gewisse Flexibilität im Gegensatz zur starren

Mindestkapitalziffer gegeben ist, unter der durchschnittlichen Eigenkapitalquote österreichischer Klein- und

1503

Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer, 127; Oelkers, Mindestkapital und Nennkapital,

GesRZ 2004, 366 FN 75 mwN. 1504

Roth, Gläubigerschutz und Mindestkapital in der GmbH, GesRZ 1982, 141. 1505

Escher-Weingart, Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, 247f, 249f mwN. 1506

Escher-Weingart, Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, 294.

Page 226: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

210

Mittelunternehmen von ca 23 % (im Bilanzjahr 2006/07)1507

. Eine zu geringe pauschale Quote dient somit

kaum der Förderung der Eigenkapitalausstattung, und letztlich auch nicht der Verbesserung des

Gläubigerschutzes: mit einem gesetzlich statuierten unteren Wert der Eigenkapitalausstattung steht zwar den

Gläubigern ein je nach Größe des Unternehmens flexibler Haftungsfonds zur Verfügung; dieser wird aber

geringer (oder gefährdeter), je kleiner (oder risikoträchtiger) das Unternehmen ist.

9.2.3 Abschaffung oder Reduzierung des Mindestkapitals

Einerseits ist die Regelung des Mindestkapitals de lege lata als zu starr und „letztlich willkürlich“

beschrieben worden; sie lasse eine Orientierung am individuellen Eigenkapitalbedarf des jeweiligen

Unternehmens und damit am konkreten Insolvenzrisiko des Rechtsverkehrs vermissen und verhindere

volkswirtschaftlich sinnvolle Gründungen von Kleinstunternehmen; auch ein Gläubigerschutz ist nicht

(mehr) gewährleistet, was auch die vielen masselosen Insolvenzen belegen.1508

Überhaupt ist eine besondere

„Krisenstabilität“ der GmbH mit dem derzeitigen, relativ hohen Mindestkapital für Meyer/Ludwig nicht

ersichtlich.1509

Zudem scheint das Mindestkapital auch nicht jede Gesellschaft und ihren Gläubiger vor

unseriösen Gründern bewahren zu können; eine „erzieherische Wirkung“ des Mindestkapitals im Zeitpunkt

der Gründung oder danach ist zumindest nicht belegt (wenn auch absolute „Habenichtse“ selbst nach

Meinung von Kritikern von der Gründung abgeschreckt werden).1510

Andererseits scheint aber auch die Regelung de lege ferenda, ein angemessenes Mindestkapital zu verankern,

zu komplex und legislatorisch kaum durchführbar; auch eine pauschale Bezifferung eines unteren Werts der

Eigenkapitalquote scheint, wie erwähnt, letztlich wenig gläubigerschützende Wirkung zu haben.

Wer das Mindestkapital angesichts dieser Befunde als „schwächstes Glied in der Normenkette des

kapitalorientierten Gläubigerschutzes“ ansieht1511

und auch keinen unauflösbaren Zusammenhang zwischen

Haftungsbeschränkung und Mindestkapital sieht,1512

wird daher zumeist für dessen Abschaffung plädieren.

Auch im Hinblick auf die Steigerung der Attraktivität und somit der Wettbewerbsfähigkeit der GmbH

scheint die Abschaffung ein adäquater Weg zu sein.1513

Bei der Wahl der Gesellschaftsform würde eine

ausländische Alternative nach Ansicht von Kalss bei den Gründern „mit einem Schlag jede Attraktivität“

verlieren.1514

Auch für die Expansion österreichischer Unternehmen in den neuen EU-Mitgliedstaaten wäre

eine im internationalen Vergleich attraktive GmbH von Nutzen, wobei man hier auch mit den anderen

Vorteilen des österreichischen Rechtssystems – etwa der kurzen Verfahrensdauer und der Rechtssicherheit –

1507

Selbst Kleinstbetriebe haben eine durchschnittliche Eigenkapitalquote von 9 %; s KMU-Forschung Austria,

Verbesserung der Eigenkapitalausstattung der KMU, 1, abrufbar unter:

http://www.kmuforschung.ac.at/de/Presse/2008/Verbesserung_Eigenkapitalausstattung.pdf. 1508

S die Zusammenfassung der Kritiken bei Kleindiek, Krisenvermeidung in der GmbH, ZGR 2006, 337 mwN. 1509

Für Deutschland Meyer/Ludwig, Französische GmbH-Reform 2003/2004, GmbHR 2005, 350 mwN. 1510

So etwa Haas, Mindestkapital und Gläubigerschutz, DStR 2006, 994f. 1511

Zusammenfassung einer Kritik bei Kleindiek, Krisenvermeidung in der GmbH, ZGR 2006, 337. 1512

So Haas, Mindestkapital und Gläubigerschutz, DStR 2006, 995f. 1513

Haas, Mindestkapital und Gläubigerschutz, DStR 2006, 999. 1514

Kalss, Die Zukunft der GmbH, GesRZ 2006 Spezial „100 Jahre GmbH“, 51.

Page 227: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

211

werben könnte. Eine Kapitalaufbringungskontrolle wäre zudem bei einem Stammkapital von € 1

entbehrlich.1515

Dem kann man entgegnen, dass die Nachteile (aber ebenso auch die Vorteile) des Mindestkapitals nicht

bewiesen sind. Es ist auch nicht belegt, dass das derzeitige, im europäischen Vergleich hohe Mindestkapital

die Gründung von Unternehmen hindert.1516

Aus diesem Grund sieht etwa Kleindiek keine Veranlassung zur

Reduzierung oder gar Abschaffung dieses Systems gegeben. Das Mindestkapital erfülle seine Funktion als

„Eintrittspreis“, und diesbezüglich sei etwa auch eine Regelung hinsichtlich einer angemessenen

Eigenkapitalausstattung nicht notwendig: bei der Funktion als „Eintrittspreis“ komme es für die Ermittlung

der Höhe des Mindestkapitals nicht auf das durchschnittliche Risikoprofil einer Gesellschaft an; maßgeblich

sei vielmehr, bei welchem Mindestbetrag die Filterwirkung noch erreicht wird, ohne gleichzeitig die

Gründung rentabler Unternehmungen zu verhindern.1517

Kleindiek schlägt daher im Hinblick auf die

Filterwirkung des Mindestkapitals eine „Volleinzahlungspflicht bei Gründungen, die sich mit dem

Mindestkapital begnügen oder nicht wesentlich darüber hinaus gehen“, vor; diese Option wurde schon vom

Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags im Zusammenhang mit der dGmbHG-Reform 1980

gefordert.1518

Nowotny sieht ebenfalls in einer möglichen Abschaffung des Mindestkapitalerfordernisses eine

überschießende Maßnahme; vor allem sei ein „vollständiges Facelifting“ unter dem Eindruck des

Wettbewerbs der Rechtsordnungen unangebracht. Ein Wettbewerb der Volkswirtschaften um die

Attraktivierung von Unternehmensgründungen sei einerseits in Österreich in Relation zu Deutschland

weniger zu bemerken; andererseits könne einem allenfalls künftigen vermehrten Eindringen von

Billiggründungen mit Hilfe steuer-, arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher sowie administrativer

Regulierungen und letztlich mit Hilfe des Marktes gegengesteuert werden.1519

Die gänzliche Abschaffung des Mindestkapitals scheint ebenso wie die deutliche Herabsetzung eine

mögliche Lösung des Problems der Bedrohung der GmbH durch die Gründung von

Scheinauslandsgesellschaften zu sein. Anders sieht dies auch Wilhelmi, der für die Beibehaltung des

Mindestkapitals in der jetzigen Form plädiert: eine Abschaffung oder Herabsetzung des Mindestkapitals

hätte eine Absenkung des Gläubigerschutzniveaus zur Folge, da viele Gesellschaftsgründer, die schon bisher

nur den Mindestkapitalbetrag als Stammkapitalziffer gewählt haben, nur noch das dann geltende

Mindestkapital – im Extremfall einen Euro – als Stammkapital wählen würden. Der bisher bestehende

Mindestschutz ginge für die Gläubiger also mit einem Schlag verloren. Zudem sieht Wilhelmi entgegen der

sonstigen Kritik die GmbH gerade mit einem Mindestkapital als wettbewerbsfähige Gesellschaftsform an:

die GmbH wirke aufgrund der Funktion des Mindestkapitals als „Seriositätsausweis“ im Rechtsverkehr

seriöser, dies könne man sogar als Wettbewerbsvorteil ansehen.1520

1515

Kalss, Die Zukunft der GmbH, GesRZ 2006 Spezial „100 Jahre GmbH“, 51 mwN. 1516

Kleindiek, Krisenvermeidung in der GmbH, ZGR 2006, 344. 1517

Kleindiek, Krisenvermeidung in der GmbH, ZGR 2006, 344 mwn. 1518

Kleindiek, Krisenvermeidung in der GmbH, ZGR 2006, 344f mwN. 1519

Nowotny, Hundert Jahre GmbH-Gesetz, RdW 2006, 483f, 485. 1520

Wilhelmi, Das Mindestkapital als Mindestschutz, GmbHR 2006, 23.

Page 228: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

212

9.2.4 Die „einfache GmbH“ (Kalss) als Mittelweg und Ausgleichsmechanismen

Neben diesen Vorschlägen, die für die Abschaffung bzw deutliche Herabsetzung des Mindestkapitals oder

sein Weiterbestehen plädieren, schlugen Kalss/Schauer entgegen dieser „Alles-oder-Nichts-Lösung“1521

bereits 2006 einen Mittelweg vor, der kurze Zeit später in Deutschland realisiert werden sollte, nämlich die

Einführung einer kleinen Variante der GmbH. Kalss/Schauer benannten diesen „zweiten Typus“ der GmbH

„einfache GmbH“, welche ohne Mindestkapital auskommt und den Gründern zur freiwilligen Wahl zwischen

dieser oder der „traditionellen“ Variante der GmbH, welche die bisherige Mindestkapitalregelung weiter

führt, steht. Dadurch soll nicht nur der Wettbewerb mit der Limited aufgenommen werden, sondern auch der

interne Wettbewerb mit der „traditionellen“ GmbH – letztlich soll dieser Wettbewerb entscheiden, ob das

System mit oder jenes ohne Mindestkapital effizienter ist.1522

Fraglich ist für Kalss/Schauer, ob eine praktikable Alternative zum für die „einfache GmbH“ abgeschafften

Mindestkapital als Instrument des Gläubigerschutzes existiert.1523

Eine Möglichkeit wäre die Übernahme des

in Kapitel 7.3 vorgestellten anglo-amerikanischen Systems, welches auf privatautonomen Entscheidungen

der Gläubiger, gestützt auf Informationsmöglichkeiten, basiert: das gesetzliche Mindestkapital soll durch

Informationen über die Gesellschaft ersetzt werden; Gläubiger sollen sich also – gegen Bestellung einer

Sicherheit – etwa bei der Entscheidung, ob sie einer „einfachen GmbH“ bzw einer GmbH ohne

Mindestkapital Kredit gewähren wollen, auf verlässliche Informationen stützen können. „Schwache“ oder

„unfreiwillige“ Gläubiger, also vor allem Gläubiger aus einem gesetzlichen Schutzverhältnis1524

wie etwa

deliktisch Geschädigte, müssten besonders geschützt werden, da sie selten Informationen einholen werden

bzw überhaupt ohne ihre Entscheidung in die Gläubigerstellung gedrängt werden.1525

Für diese besonders schützenswerten Gläubigergruppen müssten demnach besondere gesetzliche Regeln

eingeführt werden, etwa eine Pflichtversicherung der Ansprüche unfreiwilliger Gläubiger oder eine anteilige

(„Pro-Rata“-)Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten gegenüber unfreiwilligen Gläubigern. Ein

solcher Haftungsdurchgriff wäre als Ausgleich für den Entfall des Mindestkapitals anzusehen und daher

betragsmäßig zu beschränken.1526

Alternativ empfehlen Kalss/Schauer die Sicherung der Konkurseröffnung

durch eine gesetzliche Pflichtversicherung für die Anlaufkosten des Konkurses, welche nicht nur für die

„einfache“ GmbH, sondern überhaupt für alle Kapitalgesellschaften vorzusehen wäre; dies wäre ein

überlegenswertes Mittel zur Eindämmung der masselosen Insolvenzen und deren Folgen, etwa die geringe

Aufdeckungswahrscheinlichkeit von strafrechtlich relevantem Verhalten der Geschäftsführer, wenn die

Insolvenz nicht eröffnet wird.1527

1521

So Kalss, Die Zukunft der GmbH, GesRZ 2006 Spezial „100 Jahre GmbH“, 52. 1522

Kalss, Die Zukunft der GmbH, GesRZ 2006 Spezial „100 Jahre GmbH“, 52; Kalss/Schauer, Die Reform des

Österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, 459f. 1523

Kalss/Schauer, Die Reform des Österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, 482. 1524

So die Definition der „unfreiwilligen Gläubiger“ von Kirchner, Zur ökonomischen Theorie der juristischen Person –

Die juristische Person im Gesellschaftsrecht im Lichte der Institutionenökonomik, in: Damm/Heermann/Veil,

Festschrift für Thomas Raiser, De Gruyter Verlag, Berlin 2005, 185f. 1525

Kalss/Schauer, Die Reform des Österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, 460f mwN. 1526

Kalss/Schauer, Die Reform des Österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, 482f. 1527

S näher Kalss/Schauer, Die Reform des Österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, 478, 484 mwN.

Page 229: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

213

9.2.5 Die deutsche UG (haftungsbeschränkt) und ihre Ausgleichsmechanismen

Die Einführung der UG zeigte, dass der deutsche Gesetzgeber von derlei Alternativen keinen Gebrauch

machte. Als einzigen praktikablen, gläubigerschützenden Ausgleich zum Entfall des Mindestkapitals bei der

UG kann man deren Pflicht zur Rücklagenbildung ansehen; hinsichtlich der weiteren drei Regelungen, die

der Gesetzgeber bei der UG als Ausgleich für den Entfall des Mindestkapitals eingerichtet hat, nämlich die

Firmenbezeichnung „haftungsbeschränkt“, die Volleinzahlungspflicht bzw Unzulässigkeit von Sacheinlagen

sowie die Einberufung der Gesellschafterversammlung bei drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 5a Abs 4

dGmbHG)1528

ist es zweifelhaft, ob sie auch eine gläubigerschützende Funktion erfüllen werden: die

Firmenbezeichnung stellt, wie erwähnt, keine allzu transparente Bezeichnung dar, wie dies aber vom

Gesetzgeber gedacht war.1529

Die Volleinzahlungspflicht bzw das Sacheinlagenverbot ist bei einer UG mit

einem Stammkapital von € 1 ein zahnloses Instrument. Zudem stellt die Einberufungspflicht nach § 5a Abs 4

dGmbHG keine spezifisch gläubigerschützende Norm dar; die Regelung wurde gegenüber der allgemeinen

Regel, wonach bei Verlust der Hälfte des Stammkapitals die Versammlung einzuberufen ist, nur abgeändert,

da letztere Regel bei einer Stammkapitalziffer von € 1 nutzlos wäre.1530

Selbst die Pflicht zur Bildung von Rücklagen gem § 5a Abs 3 dGmbHG wird ihre gläubigerschützende

Wirkung erst beweisen müssen: zwar „artikuliert sich (im Gebot der Rücklagenbildung) der Glaube an die

gläubigerschützende Funktion des Mindestkapitals“1531

, dh die UG (haftungsbeschränkt) ist nur als

vorläufige Rechtsform (bzw Unterform der dGmbH) konzipiert und muss mittels Rücklagenbildung auf ein

größeres, gläubigerschützendes Stammkapital „hinarbeiten“; da die Rücklagen neben dem Stammkapital als

eigene Position bilanziert werden, bliebe zudem, selbst wenn die Rücklagen später entgegen der Möglichkeit

nach § 5a Abs 5 dGmbHG nicht zum Stammkapital hinzugerechnet werden, ein dem Stammkapital

vorgelagerter „Reservefonds“ für die Gläubiger.1532

Aber einerseits würde dessen Größe je nach

wirtschaftlichem Erfolg der UG variieren. Auch sind die Rücklagen nicht von der Ausschüttungssperre des §

30 dGmbHG betroffen; eine tatsächliche Verbesserung des Gläubigerschutzniveaus ist daher nur mit der in §

5a Abs 5 dGmbHG fakultativ vorgesehenen Stammkapitalerhöhung mittels Rücklagen möglich. Schärtl

schlägt aus diesem Grund vor, mit den Rücklagen die Stammkapitalziffer zwingend kontinuierlich zu

erhöhen oder klarzustellen, dass die einmal gebildete Rücklage nicht durch spätere Verluste der Gesellschaft

aufgezehrt werden darf bzw zunächst vollständig bis zu ihrem ursprünglichen Höchststand wiederaufgefüllt

werden muss, bevor Ausschüttungen an die Gesellschafter erfolgen dürfen.1533

1528

Für Veil sind diese Regelungen hingegen gläubigerschützend, vgl Veil, Die Unternehmergesellschaft, GmbHR

2007, 1081. 1529

Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung

von Missbräuchen (MoMiG), Drucksache des Bundesrates 354/07, 25.5.2007, 71. 1530

Dies kann man aus der Formulierung der Erläuterung im MoMiG-Regierungsentwurf schließen, wonach sich die

Einberufung der Gesellschafterversammlung „nicht wie sonst an den Verlust der Hälfte des Stammkapitals knüpfen

(kann)“; s Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur

Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), Drucksache des Bundesrates 354/07, 25.5.2007, 72. 1531

Veil, Die Unternehmergesellschaft, GmbHR 2007, 1083. 1532

Schärtl, Unternehmergesellschaft, GmbHR 2007, R 306 mwN. 1533

Schärtl, Unternehmergesellschaft, GmbHR 2007, R 306.

Page 230: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

214

Der Gesetzgeber hat auch, wie erwähnt, die vielfach vorgeschlagene Pflicht zur Angabe des

Stammkapitalbetrags auf Geschäftsbriefen nicht ins Gesetz aufgenommen. Eine derartige Pflicht hätte wie

auch die von Kalss/Schauer vorgeschlagenen Alternativen ein komplexeres Schutzsystem für schwächere

Gläubiger benötigt; nach Ansicht von Wilhelmi schützt nämlich die Angabe auf Geschäftsbriefen wie alle

Publizitätspflichten vor allem starke, nicht aber die schwachen und gesetzlichen bzw „unfreiwilligen“

Gläubiger.1534

Einen einseitigen Gläubigerschutz kann man auch für die im angloamerikanischen Rechtskreis verwendeten

Alternativen des Haftungsdurchgriffs und der Pflichtversicherung konstatieren: ein Haftungsdurchgriff

würde vor allem starke Vertragsgläubiger, eine Pflichtversicherung vor allem „unfreiwillige“ Gläubiger

schützen.1535

Es dürfte auch schwierig sein, die große und heterogene Gruppe der „unfreiwilligen“ Gläubiger

gesetzlich zu definieren bzw konkrete Kriterien etwa für eine Pflichtversicherung aufzustellen, um eine

vollständige Kompensation des Mindestkapitals für den Bereich des Gläubigerschutzes zu erreichen. Ein

solcher vollständiger Ausgleich wäre nämlich notwendig, vor allem da auch das Mindestkapital, trotz seiner

zweifelhaft gewordenen Funktion als Gläubigerschutzinstrument, nicht zwischen „freiwilligen“ und

„unfreiwilligen“ Gläubigern unterscheidet.

1534

Wilhelmi, Das Mindestkapital als Mindestschutz, GmbHR 2006, 16. 1535

So auch Wilhelmi, Das Mindestkapital als Mindestschutz, GmbHR 2006, 19f.

Page 231: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

215

9.3 Regelung der Kapitalerhaltung

9.3.1 Kritikpunkte am deutschen bzw österreichischen Kapitalerhaltungssystem

9.3.1.1 Starrheit und Kosten des Kapitalerhaltungsregimes

Das System der Kapitalerhaltung in Deutschland und Österreich ist logische Folge der Mindestkapital- und

Kapitalaufbringungsregeln. Aus diesem Grund sind auch die Kritikpunkte ähnlich: so kritisiert Schön, das

System der Kapitalerhaltung stelle einen „pauschalierenden Rechtspaternalismus“ dar, der maßgeschneiderte

Lösungen verhindere und den Kreditmarkt eher verfälsche als verbessere.1536

Das angloamerikanische

System bietet hier die noch zu besprechende Alternative der individualvertraglichen „Financial Covenants“.

Für Nowotny und Jungmann sind die Kapitalerhaltungsregeln zu starr: einerseits würden durch die

Inflexibilität der Kapitalerhaltungsregeln häufig sinnvolle Wege der Unternehmensfinanzierung verhindert;

berechtigte Interessen der Gesellschaft, Vermögenswerte unter anderen als den vom Gesetz genannten

Bedingungen an die Gesellschafter zu transferieren, bleiben unberücksichtigt.1537

Andererseits stellten einige

Kapitalerhaltungsregeln regelrechte „Fallen“ auch für seriös agierende Gesellschafter dar: so würden auch

unschuldige Gesellschafter nach den Regeln der Ausfallshaftung etwa gem §§ 70, 83 GmbHG „zum

Handkuss kommen“. Eine Lösung dieses Problems wäre nach Nowotny die Beschränkung der Haftung auf

den Schuldner und seine Vormänner, wobei in diesem Fall die Fünfjahresfrist verlängert werden könnte.1538

Außerdem könnte hinsichtlich des Ausschüttungsverbots dem deutschen Pendant gefolgt werden und

Ausschüttung zulasten freier Rücklagen auch außerhalb der Gewinnausschüttung zugelassen werden, soweit

keine Unterbilanz besteht oder dadurch bewirkt wird.1539

Durch das strenge System der Kapitalerhaltung, welches auch vor seriösen Unternehmern nicht halt macht,

würden also nach der Kritik letztlich ökonomisch sinnvolle Transaktionen verhindert; besser sei eine

Lockerung iS eines Solvenztests, der nur an die Erhaltung der Zahlungsfähigkeit und Vermeidung der

Überschuldung anknüpft, wodurch nicht benötigte liquide Mittel rückgeführt und gewinnbringend anderswo

verwendet werden können.1540

Auch für Kalss/Schauer ist das Verbot der Einlagenrückgewhr rigide und

beschwert etwa Leveraged-Buyout-Transaktionen oder Konzernfinanzierungsmodelle.1541

Unter letztere

Modelle dürfte vor allem die Praxis des Cash-Pooling fallen, die in Österreich noch einer gesetzlichen

Regelung harrt und daher, wie in Kapitel 4.2.4 beschrieben, mit Rechtsunsicherheit verbunden ist. Eine

Lösungsmöglichkeit wäre die Übernahme des in Kapitel 6.4.3.2 beschriebenen deutschen Modells; die

„pragmatische“ Variante von Kalss/Schauer geht weiter: demnach könnte „bei Beibehaltung des festen

1536

Zusammenstellung der Kritik bei Schön, Editorial: Wer schützt den Kapitalschutz?, ZHR 2002, 4. 1537

Jungmann, Solvenztest- versus Kapitalschutzregeln, ZGR 2006, 641 mwN. 1538

Nowotny, Hundert Jahre GmbH-Gesetz, RdW 2006, 484. 1539

Nowotny, Hundert Jahre GmbH-Gesetz, RdW 2006, 484 mwN. 1540

Zusammenstellung der Kritik bei Rüffler, Gläubigerschutz durch Mindestkapital und Kapitalerhaltung, GeS 2005,

145 mwN. 1541

Kalss/Schauer, Die Reform des Österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, 302, 322.

Page 232: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

216

Kapitals als Ausschüttungssperre … eine unterjährige Ausschüttung“ oder generell ein „Vermögenstransfer

an die Gesellschafter ermöglicht“ werden.1542

Neben der Starrheit werden häufig auch hohe Kosten als Argument gegen das deutsche bzw österreichische

Kapitalerhaltungssystem ins Feld geführt: vor allem sind an Gerichtskosten, Gutachterkosten, sowie Notar-

und Rechtsanwaltskosten aufgrund möglicher Rechtsstreitigkeiten, die aufgrund der komplexen

Kapitalerhaltungsregeln entstehen können, zu denken.1543

9.3.1.2 Gläubigerschädigende Anreize

An der Kapitalerhaltung wird allerdings nicht nur ihre Starrheit und Strenge kritisiert; überhaupt scheint ein

vollständiger Gläubigerschutz mit den derzeitigen Regelungen kaum möglich zu sein, wenn man nur

bedenkt, dass das Ausschüttungsverbot bei Verlusten nicht anwendbar ist und diese daher das Vermögen

einer GmbH völlig aufzehren können.

Aber auch im Anwendungsgebiet des § 82 GmbHG bestehen Risiken für die Gläubiger: selbst bei

vorsichtiger Bemessung kann laut Rammert nicht verhindert werden, dass die Gläubiger in Einzelfällen

einem hohen Insolvenzrisiko ausgesetzt seien. Auch eine Stabilisierung der Höhe des Insolvenzrisikos durch

die Regeln der Kapitalerhaltung ist nach seiner Ansicht nicht möglich; Ausschüttungssperren können sogar

zu einer Steigerung des Insolvenzrisikos führen und verursachen Kosten durch

Unternehmenswertvernichtung.1544

Vor allem das „Überinvestitionsproblem“ (auch bekannt als „gambling for resurrection“) kann

gläubigerschädigende Wirkungen haben:1545

charakteristisch hierfür sind eigenkapitalfinanzierte

Geschäftsprojekte mit hohem Risiko in Situationen hoher Bestandsgefährdung, also gesteigerter

Insolvenzgefahr des Unternehmens. Die Gesellschafter setzen „alles auf eine Karte“: gelingt das Geschäft

(was selten der Fall sein wird), fließt der Ertrag einzig an die Gesellschafter als Residualberechtigte.

Scheitert das Projekt, so geht dies fast ausschließlich zu Lasten der Gläubiger, da einerseits nach dem

Scheitern meist Konkurs angemeldet werden muss und andererseits in der Krisensituation das Eigenkapital

auch ohne das riskante Geschäft aufgezehrt und damit wertlos wäre. Die Ausschüttungssperre verschärft den

Anreiz zur Überinvestition: da die Gesellschafter gezwungen sind, Zahlungsüberschüsse unternehmensintern

zu reinvestieren und diese nicht ausschütten dürfen, steigt bei hoher Bestandsgefährdung die

Wahrscheinlichkeit des „gambling“.1546

1542

Kalss/Schauer, Die Reform des Österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, 321. 1543

Zusammenfassung der Kritik bei Kuhner, Zur Zukunft der Kapitalerhaltung, ZGR 2005, 774 mwN. 1544

Zur deutschen Rechtslage vgl Rammert, Lohnt die Erhaltung der Kapitalerhaltung?, BFuP 2004, 591f. 1545

Vgl dazu Kuhner, Zur Zukunft der Kapitalerhaltung, ZGR 2005, 768f mwN. 1546

Kuhner, Zur Zukunft der Kapitalerhaltung, ZGR 2005, 769.

Page 233: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

217

9.3.2 Financial Covenants

9.3.2.1 Einführung

Financial Covenants sind nach Kuhner „Geschäfts- und Auschüttungsrestriktionen, die von einzelnen

Gläubigern ausgehandelt werden und bei Verletzung zur sofortigen Fälligstellung des Kredites führen“.1547

Den Gesellschaftern werden somit von (verhandlungsstarken) Gläubigern (wie Banken oder Versicherungen)

Verhaltenspflichten vertraglich auferlegt, wobei es sich um Gebote (positive covenants) oder Verbote

(negative covenants) handeln kann.1548

Wie bereits in Kapitel 7.3.3 erwähnt, stammt dieses Instrument aus

dem angloamerikanischen Rechtskreis, welcher kein gesetzliches Kapitalschutzsystem kennt und daher

Eigenbeteiligungs- bzw Ausschüttungsregeln auf vertraglicher Ebene entwickelte. Nicht beim Gesetzgeber

liegt also in den USA die Initiative für den Gläubigerschutz, sondern bei den Gläubigern selbst.1549

Inhalt von Financial Covenants, welche in Kreditverträgen ausgehandelt werden, kann etwa ein Versprechen

der Gesellschaft sein, ihre Dividendenzahlungen zu begrenzen, ein gewisses Mindestkapital zu erhalten oder

eine bestimmte Eigenkapitalquote einzuhalten. Ebenso kann auch beschlossen werden, dass die Gesellschaft

Informations- und Rechnungslegungspflichten übernimmt. Letztlich ähneln also die Financial Covenants

dem gesetzlichen Kapitalerhaltungsrecht in Deutschland und Österreich.1550

9.3.2.2 Vorteile

Der augenscheinliche Vorteil von Financial Covenants ist deren Flexibilität; Covenants können an die

spezifischen Verhältnisse eines Unternehmens angepasst werden,1551

Kapitalerhaltungsregeln auf

gesetzlicher Ebene hingegen nicht. Einerseits können etwa bei Unternehmen mit schlechten

Vertragsaussichten großzügigere Ausschüttungsbegrenzungen vereinbart werden, um der in Kapitel 9.3.1.2

besprochenen Gefahr von Überinvestitionen vorzubeugen.1552

Andererseits können Financial Covenants

sogar weiter gehen als das deutsche bzw österreichische Kapitalschutzsystem, wenn sie etwa die tatsächliche

Gewährleistung eines bestimmten Kapitals beinhalten.1553

Werden Financial Covenants vereinbart, werden

durch Ausschüttungsbegrenzungs- und Kapitalaufbringungspflichten zudem auch alle anderen Gläubiger

(zumindest indirekt) geschützt, also auch etwa unfreiwillige oder verhandlungsschwächere Gläubiger.1554

1547

Kuhner, Zur Zukunft der Kapitalerhaltung, ZGR 2005, 763 FN 30 mwN; Rammert, Lohnt die Erhaltung der

Kapitalerhaltung?, BFuP 2004, 584. 1548

Drygala, Stammkapital heute, ZGR 2006, 597; Rammert, Lohnt die Erhaltung der Kapitalerhaltung?, BFuP 2004,

588 mwN. 1549

Vgl Merkt, Der Kapitalschutz in Europa, ZGR 2004, 313. 1550

Merkt, Der Kapitalschutz in Europa, ZGR 2004, 313 mwN. 1551

Rammert, Lohnt die Erhaltung der Kapitalerhaltung?, BFuP 2004, 589. 1552

Rammert, Lohnt die Erhaltung der Kapitalerhaltung?, BFuP 2004, 589 mwN. 1553

Wilhelmi, Das Mindestkapital als Mindestschutz, GmbHR 2006, 15 mwN. 1554

Rammert, Lohnt die Erhaltung der Kapitalerhaltung?, BFuP 2004, 589 mwN; Rüffler, Gläubigerschutz durch

Mindestkapital und Kapitalerhaltung, GeS 2005, 147.

Page 234: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

218

9.3.2.3 Nachteile

Daneben bestehen aber verschiedene Nachteile der Financial Covenants, die sich bei einer Übernahme dieses

Systems in Deutschland bzw Österreich negativ auswirken würden: erstens können Delikts- bzw

Vertragsgläubiger idR keine Financial Covenants abschließen; dies zeigt auch die bisherige geringe

Praxisrelevanz der Financial Covenants, welche etwa in Deutschland nur in Verträgen über syndizierte

Großkredite anzutreffen sind; ansonsten geben sich idR auch (verhandlungsstarke) Banken mit dem

Eigenkapital als Haftungsgrundlage zufrieden oder lassen sich vom Unternehmer Sicherheiten in seinem

Privatvermögen ausstellen; aufgrund dieser bereits im deutschen bzw österreichischen Sachenrecht

verankerten, für den Gläubiger vorteilhaften Sicherheiten (etwa Bürgschaften) wird sich an der

Praxisrelevanz von Financial Covenants auch in Hinkunft wenig ändern, wenn das bisherige gesetzliche

Kapitalschutzsystem erhalten bleibt.1555

Zu bedenken ist hierbei aber, dass zwar das Recht der Limited kein

Mindestkapital vorschreibt, dennoch aber Financial Covenants auch in England wenig praxisrelevant

sind.1556

Zweitens erzeugen Financial Covenants relativ hohe Kosten, die besonders für Kleingläubiger nicht zu

bezahlen sind. Darunter fallen vor allem Verhandlungs-, aber auch Überwachungskosten. Aus

Kostenersparnisgründen müssten also etwa, wie dies bereits in den USA der Fall ist, Standardverträge

ausverhandelt werden,1557

wodurch aber ein großer Vorteil der Financial Covenants – deren Flexibilität –

abgeschwächt würde.

Drittens sind verhandlungsschwache oder unfreiwillige Gläubiger eines Unternehmens nur – und dann auch

nur indirekt – geschützt, wenn verhandlungsstarke Gläubiger Financial Covenants mit dem Unternehmen

abschließen. Hierbei werden letztere aber vor allem ihre eigenen Interessen wahren und idR nicht die Rolle

eines „Sachwalters der kleinen Gläubiger“1558

übernehmen. Auf eine Änderung oder Beendigung der

Vereinbarung haben „kleine Gläubiger“ zudem keinen Einfluss.1559

Viertens sind Financial Covenants auch aus der Sicht der möglichen Zielgruppe – GmbHs, also Klein- und

Mittelbetriebe – nachteilig: ein verhandlungsstarker Gläubiger kann etwa ein Mitspracherecht im

Unternehmen des Schuldners vereinbaren. Diese Möglichkeit mag bei großen Unternehmen wenig Schaden

anrichten; derartige Vereinbarungen mit KMU dürften aber wegen Knebelung des Schuldners sittenwidrig

sein.1560

1555

Drygala, Stammkapital heute, ZGR 2006, 598 mwN; Wilhelmi, Das Mindestkapital als Mindestschutz, GmbHR

2006, 16 mwN. 1556

Wilhelmi, Das Mindestkapital als Mindestschutz, GmbHR 2006, 15 mwN. 1557

Rüffler, Gläubigerschutz durch Mindestkapital und Kapitalerhaltung, GeS 2005, 148. 1558

So aber Merkt, Der Kapitalschutz in Europa, ZGR 2004, 313. 1559

Merkt, Der Kapitalschutz in Europa, ZGR 2004, 314. 1560

Vgl Drygala, Stammkapital heute, ZGR 2006, 598.

Page 235: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

219

9.3.2.4 Fazit

Eine bedingungslose Übernahme der angloamerikanischen Financial Covenants und somit des Modells des

Gläubigerselbstschutzes als Alternative zum geltenden System des Mindestkapitals und der Kapitalerhaltung

ist aufgrund einer Vielzahl von Nachteilen, die damit verbunden wären, kaum möglich, vor allem, da

Financial Covenants für den angloamerikanischen Markt mit seinen großen Unternehmen konzipiert ist, und

nicht für KMU. Dennoch wird aber erst die Tragweite der bevorstehenden GmbH-Reform zeigen, ob

Financial Covenants praxisrelevanter werden und möglicherweise zusätzlich zu den bestehenden

sachenrechtlichen Sicherheiten vereinbart werden. Denn würden die Regelungen des Mindestkapitals und

der Kapitalerhaltung bei der GmbH deutlich gelockert oder gar aufgegeben, würde sich dies auf den

Gläubiger nachteilig auswirken, der sich bei entsprechender Verhandlungsmacht nach vertraglichen

Alternativen umsehen muss. Die Vorteile des bestehenden Systems der sachenrechtlichen Sicherheiten kann

eine kreditvertragliche Vereinbarung aber, wie erwähnt, nicht ausgleichen; wenngleich ein Problem eines

allein auf Sicherheiten gestützten Kapitalschutzes bei der GmbH deren mangelnder Schutz für andere

Gläubiger sein dürfte: denn Sicherheiten schützen nur den Sicherungsnehmer, nicht aber Dritte.1561

1561

Vgl dazu näher Rüffler, Gläubigerschutz durch Mindestkapital und Kapitalerhaltung, GeS 2005, 147.

Page 236: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

220

9.3.3 Solvenztest

9.3.3.1 Einführung

Eine Art Mittelweg zwischen Gläubigerselbstschutz und strengem gesetzlichen Kapitalschutz stellt der

bereits in Kapitel 7.3.3 skizzierte angloamerikanische Solvenztest dar: Ausschüttungen stehen nach diesem

System nämlich grundsätzlich im Belieben der Geschäftsführer; unzulässig wird die Ausschüttung nur, wenn

die Gesellschaft dadurch ihre Fähigkeit zur Erfüllung der fälligen Verbindlichkeiten verliert (equity

insolvency test) oder wenn die Schulden der Gesellschaft aufgrund der Ausschüttung die Vermögenswerte

übersteigen (bankruptcy insolvency test). Die historischen Wurzeln hat der Solvenztest im Richterrecht

Englands; englische equity courts entwickelten den nach ihnen benannten und in der europäischen

Diskussion häufiger besprochenen equity insolvency test.1562

Dieser ist für den angloamerikanischen Raum

etwa im Model Business Corporation Act (MBCA), und zwar in § 6.40 (c)(1) leg cit, kodifiziert:

„No distribution may be made, if, after giving it effect, the corporation would not be able to pay its debts as

they become due in the usual course of business“.1563

Im vom MBCA abweichenden Corporations Code von Kalifornien ist der equity insolvency test in § 501 leg

cit folgendermaßen geregelt:

„Neither a corporation nor any of its subsidiaries shall make any distribution to the corporation‟s

shareholders … if the corporation or the subsidiary making the distribution is, or as a result thereof would be,

likely to be unable to meet its liabilities (except those whose payment is otherwise adequately provided for)

as they mature“.1564

Eine Ausschüttung ist demnach nur erlaubt, wenn die Gesellschaft anschließend in der Lage ist, ihre im

gewöhnlichen Geschäftsverlauf fällig werdenden Verbindlichkeiten zu begleichen; wenn die Gesellschaft die

Verbindlichkeiten bei Fälligkeit nicht aus eigenen Mitteln begleichen kann, ermöglicht der California

Corporations Code zudem die anderweitige Sicherstellung der Zahlung („adequately provided for“).1565

9.3.3.2 Vorteile

Der Solvenztest hat vor allem einen gläubigerschützenden Effekt: Kapitaltransfers der solvent bleibenden

Gesellschaft an ihre Gesellschafter sind aus dem Blickwinkel des Gläubigerschutzes unbedenklich.1566

Demgegenüber sind die deutschen bzw österreichischen Kapitalerhaltungsregeln einerseits strenger und

verbieten auch Ausschüttungen, welche keine Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft herbeiführen würden.

Beim Kapitalschutzsystem des § 82 GmbHG wird also ein Gläubigerschutz durch möglichst weitreichende

1562

Pellens/Jödicke/Richard, Solvenztests als Alternative zur bilanziellen Kapitalerhaltung?, DB 2005, 1395; Kleindiek,

Krisenvermeidung in der GmbH, ZGR 2006, 345. 1563

Zitiert nach Pellens/Jödicke/Richard, Solvenztests als Alternative, DB 2005, 1396. 1564

Zitiert nach Pellens/Jödicke/Richard, Solvenztests als Alternative, DB 2005, 1397. 1565

Übersetzung von § 6.40 MBCA von Pellens/Jödicke/Richard, Solvenztests als Alternative, DB 2005, 1396f. 1566

So Jungmann, Solvenztest- versus Kapitalschutzregeln, ZGR 2006, 648 mwN zu aA.

Page 237: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

221

Kapitalbindung erzielt; Gesellschafter haben erst im Fall der Liquidation Anspruch auf Rückzahlung des

Eigenkapitals, bis dahin steht das Eigenkapital der Gesellschaft unbefristet zur Verfügung.1567

Andererseits

kann aber der Solvenztest in einigen Fällen sogar weitergehenden Schutz der Gläubiger bieten: da das

deutsche bzw österreichische Kapitalschutzsystem keinen insolvenzrechtlichen Bezug besitzt, kann etwa

auch § 82 GmbHG nicht ausschließen, dass durch Entnahmen die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft –

und damit eine faktische Einschränkung der Gläubigeransprüche im nachfolgenden Konkurs – ausgelöst

wird.1568

Der Wortlaut des § 6.40 MBCA schließt hingegen diese Gefahr aus.

Zumindest in der Theorie scheint daher der Solvenztest für den Gläubigerschutz zu genügen; aufgrund der

besseren Möglichkeiten zu Kapitaltransfers und der damit erreichbaren optimalen Unternehmensfinanzierung

und Ressourcenallokation nennt Jungmann das Solvenztestsystem überhaupt den „Königsweg zur

Erreichung eines sachgerechten Gläubigerschutzes“.1569

9.3.3.3 Nachteile

In der Praxis erweist sich der Solvenztest allerdings als schwer handhabbares Instrument, dessen

gläubigerschützende Wirkung daher fraglich ist: während das geltende Kapitalschutzsystem zwar starr, aber

doch einfach zu handhaben ist, ist für Schmidt der Solvenztest zwar dynamisch und moderner, aber auch

unsicherer und somit von den Geschäftsführern als unmittelbar Verantwortlichen schwerer zu befolgen.1570

Denn der Solvenztest setzt voraus, dass eine mögliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts durch

Entnahmen festgestellt werden kann; es ist also eine Prognose erforderlich, in der ermittelt wird, ob die

Ertragskraft des Unternehmens ausreicht, um die konkreten Verbindlichkeiten bei deren Fälligkeit zu

befriedigen.1571

Ein Instrument hierfür ist der Finanzplan, in welchem der zukünftige Zahlungsstrom der Gesellschaft und

deren Cashflow-Prognosen abzubilden ist.1572

Ein Finanzplan stellt also im Idealfall sämtliche möglichen

Zukunftsereignisse einer Gesellschaft und ihre Konsequenzen innerhalb etwa eines Jahres in einer Tabelle

dar.1573

Bei der Aufstellung des Finanzplans wird dem Aufsteller jedoch ein großer Ermessensspielraum

eingeräumt, der laut Rammert den Anforderungen an die Objektivierung nicht Rechnung trägt.1574

Vom

Aufsteller bewusst realitätsfern gestaltete Erwartungen an die Zukunft der Gesellschaft müssen daher mit

Sanktionen, etwa einer Haftung der Unternehmensleitung für die Ordnungsmäßigkeit des Insolvenztests,

1567

Jungmann, Solvenztest- versus Kapitalschutzregeln, ZGR 2006, 646, 674. 1568

Für das in Deutschland von der Kapitalbindung her sogar noch lockerere Kapitalerhaltungssystem vgl Rammert,

Lohnt die Erhaltung der Kapitalerhaltung?, BFuP 2004, 590. 1569

Für Jungmann ist dieser Königsweg „jedenfalls in der Theorie“ erreichbar, s Jungmann, Solvenztest- versus

Kapitalschutzregeln, ZGR 2006, 648. 1570

Schmidt, GmbH-Reform, Solvenzgewährleistung und Insolvenzpraxis, GmbHR 2007, 4. 1571

So der offizielle Kommentar zur – im Wortlaut dem § 6.40 MBCA gleichen – Regelung in § 6.40 RMBCA;

Übersetzung von Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer, 320 mwN. 1572

Rammert, Lohnt die Erhaltung der Kapitalerhaltung?, BFuP 2004, 590. 1573

S mit graphischer Darstellung Pellens/Jödicke/Richard, Solvenztests als Alternative, DB 2005, 1400. 1574

Rammert, Lohnt die Erhaltung der Kapitalerhaltung?, BFuP 2004, 590 mwN.

Page 238: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

222

bewehrt sein.1575

Letztlich schätzt Rammert aus diesen Gründen die Schutzwirkung eines Insolvenztests für

die Gläubiger als gering ein.1576

Auf diese Schutzwirkung achten die US-amerikanischen

Gesellschaftsrechtsordnungen, wie erwähnt, nicht. Solvenztests werden in den USA auch nur flankierend mit

Financial Covenants eingesetzt;1577

im Gesellschaftsrecht von Delaware fehlt überhaupt eine Regelung des

Solvenztests.1578

Ein vollständiger Ausgleich des traditionellen, auf Gläubigerschutz abzielenden

Kapitalschutzsystems nur (oder hauptsächlich) durch ein Solvenztestsystem ist aus den genannten Gründen

der Unsicherheit in der Prognostizierung jedenfalls nicht möglich.

1575

Pellens/Jödicke/Richard, Solvenztests als Alternative, DB 2005, 1398. 1576

Rammert, Lohnt die Erhaltung der Kapitalerhaltung?, BFuP 2004, 591 mwN. 1577

Kleindiek, Krisenvermeidung in der GmbH, ZGR 2006, 346. 1578

Pellens/Jödicke/Richard, Solvenztests als Alternative, DB 2005, 1396.

Page 239: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

223

10. Eigener Lösungsvorschlag und Zusammenfassung

10.1 Abbau des traditionellen Kapitalschutzsystems?

Mit der UG (haftungsbeschränkt) in Deutschland und der „einfachen GmbH“ von Kalss/Schauer wurden

zwei Modelle vorgestellt, die das traditionelle Mindestkapital aufgeben; als Ausgleich für die Aufgabe des

Mindestkapitals wurden sowohl bei der in Kraft getretenen UG als auch bei der noch theoretischen

„einfachen GmbH“ keine Mechanismen implementiert, die die Funktionen des Mindestkapitals zur Gänze

übernehmen könnten; so ist vor allem ein adäquater Gläubigerschutz mit den neuen Instrumenten der

Thesaurierungspflicht bei der UG oder der direkten, wenngleich vertraglich beschränkten Haftung der

Gesellschafter für die Ansprüche „unfreiwilliger Gläubiger“ bei der „einfachen GmbH“ kaum möglich.

Letzterer Vorschlag greift überhaupt in das kapitalgesellschaftsrechtliche Trennungsprinzip ein.

Diese neuen Tendenzen, die im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht am 1. Oktober 2008 durch die

Einführung des MoMiG verwirklicht wurden und sich in Österreich noch in der Diskussionsphase befinden,

führen letztlich dazu, dass Gläubiger nicht mehr als schutzwürdig angesehen werden, wenn sie nicht die

Bonität ihres Schuldners hinreichend genau prüfen.1579

Mit dieser Ansicht wird das traditionelle Konzept der

Kapitalaufbringung wie auch der Kapitalerhaltung aus der Balance gebracht. Einerseits kann man

argumentieren, dass auch der bestehende gesellschaftsrechtliche Kapitalschutz Konkurse nicht verhindern

kann. Andererseits erinnert Krejci die Situation an jemanden, „der die Streichung des Mordparagraphen

fordert, weil es ja trotz dieser Regelung immer wieder zu Morden kommt“.1580

Dieser bildhafte Vergleich von Krejci trifft das Wesen der Diskussion rund um die Beibehaltung oder

Abschaffung des Kapitalschutzsystems: warum bietet der „Mordparagraph“, also das traditionelle

Kapitalschutzsystem, keinen ausreichenden Schutz, und wie könnte man den Schutz verbessern? Welche

Folgen hätte es weiters, wenn er abgeschafft würde, und welcher Ausgleich wäre dann vonnöten, um

wenigstens den bisherigen Schutzstandard aufrechterhalten zu können?

10.2 Gewährleistet das derzeitige System noch einen ausreichenden Schutz?

Eine eindeutige Antwort auf diese erste Frage gibt es nicht. Kalss/Schauer bezeichnen etwa die Frage der

Sinnhaftigkeit des Mindestkapitals überhaupt als „Glaubensfrage“.1581

Zunächst sind nämlich die Wirkungen

des bestehenden Systems, wie erwähnt, bislang noch nicht empirisch festgestellt worden; sowohl Vor- als

auch Nachteile der Mindestkapital- und Kapitalerhaltungsregeln sind nicht belegt. Einziger Anhaltspunkt ist,

soweit ersichtlich, der seit 1906 stetig herabgestufte „Eintrittspreis“ in die GmbH, welcher einst noch die

1579

Vgl Krejci, Gegen Billig-Gesellschaften m.b.H., ÖZW 2008, 45. 1580

Krejci, Gegen Billig-Gesellschaften m.b.H., ÖZW 2008, 45. 1581

Kalss/Eckert, Die GmbH ohne Mindeststammkapital, in: Bachner (Hrsg.), GmbH-Reform, 18.

Page 240: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

224

Anfangskosten eines mittleren Unternehmens decken konnte. Der heutige Preis iHv € 35.000 dürfte nur mehr

die Anfangskosten eines kleinen Dienstleisters decken. In Bezug auf den „Eintrittspreis“ liegt zwar der

Betrag von € 35.000 an der Spitze der europaweiten Mindestkapitalbeträge, gefolgt von Deutschland mit €

25.000 (bei der „klassischen“ GmbH) und Belgien mit € 18.550; der durchschnittliche „Eintrittspreis“ liegt

überhaupt bei nur € 7.000.1582

Wer annimmt, dass die Seriosität eines Unternehmens mit der Höhe des

Mindestkapitals als „Eintrittspreises“ steigt, darf die österreichische GmbH daher als „seriöseste“

Privatgesellschaft Europas bezeichnen. Dennoch kann einerseits auch ein geringerer Eintrittspreis eine

ausreichende Seriosität rechtfertigen, andererseits reichen aber auch € 35.000 nicht mehr aus, um einen

adäquaten Haftungsfonds für Gläubiger darzustellen.

10.3 Wie könnte man den derzeitigen Schutz verbessern?

Fraglich ist daher, wie ein solcher adäquater Haftungsfonds für Gläubiger geschaffen werden kann.

Einerseits könnte das Mindestkapital erhöht werden, wie dies etwa Brogyányi1583

gefordert hat. Eine

Erhöhung auf einen wiederum starren Betrag, etwa iHv € 50.000, wäre allerdings willkürlich und würde

daher nicht dem durchschnittlichen Gläubigerschutzbedarf gerecht. Ein zu hohes Mindestkapital würde

zudem erfolgversprechende, aber zu kleine Unternehmen an der Gründung hindern. Zudem wäre die

Schaffung eines angemessenen Mindestkapitals bzw einer Mindest-Eigenkapitalquote1584

mit legistischen

Unsicherheiten behaftet oder würde keinen adäquaten Gläubigerschutz darstellen.

Auch die Verbesserung der bestehenden Kapitalerhaltungsnormen kann, wie erwähnt, nicht bedingungslos

an angloamerikanische Vorbilder ausgerichtet werden: Financial Covenants sind für Großunternehmen

konzipiert und können zudem nur flankierend eingesetzt werden; auch Solvenztests können nur begleitend

eingesetzt werden und ermöglichen aufgrund von Objektivierungs- und Umgehungsproblemen für sich allein

ebenfalls keinen umfassenden Gläubigerschutz.

Eine Möglichkeit wäre aber eine Annäherung des österreichischen Kapitalerhaltungssystems an das

Instrument des Solvenztests: bislang fehlt nämlich eine Anknüpfung der Kapitalerhaltungsregeln, besonders

der Ausschüttungsregel des § 82 GmbHG, an den Moment der Krise; eine derartige Anknüpfung würde eine

Ausschüttung bei einer gegenwärtigen oder drohenden Krise verbieten. Naheliegend ist daher an eine

Übernahme des § 2 EKEG zu denken, wie dies auch Kalss/Schauer vorgeschlagen haben.1585

Daneben ist eine Anpassung des starren Kapitalerhaltungssystems an moderne Geschäftspraktiken wie etwa

Cash-Pooling vonnöten; eine wörtliche Übernahme des § 30 Abs 1 S 2 dGmbHG nF kommt dabei aber nicht

in Betracht, da das MoMiG hierbei spezifisch auf das November-Urteil des BGH Rücksicht genommen hat;

bislang erging noch keine explizite Entscheidung des OGH zur Problematik des Cash-Pooling, wenngleich

1582

Unter Einbeziehung auch der Staaten, die kein Mindestkapital vorsehen; s Kalss/Eckert, Die GmbH ohne

Mindeststammkapital, in: Bachner (Hrsg.), GmbH-Reform, 18. 1583

S Kapitel 9.2.1. 1584

S dazu Kapitel 9.2.2. 1585

Kalss/Schauer, Die Reform des Österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, 510.

Page 241: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

225

der OGH, wie erwähnt, in seiner Ende 2005 ergangenen Entscheidung1586

auf die ex-ante-Abwägung der

Risiken als Voraussetzung einer zulässigen Ausschüttung im Allgemeinen hinwies. Diese herrschende

Ansicht sollte gesetzlich festgehalten werden; nur wenn die Vorteile des Cash Pooling die Risiken

überwiegen, sollte eine Ausschüttung möglich sein.

Die Reform der Kapitalerhaltung muss mit einer entsprechenden, auf den gegenwärtigen Schutzstandard

achtenden Reform des Mindestkapitals und der Kapitalaufbringung einhergehen: hier muss abgewogen

werden zwischen den Interessen der Gründer hinsichtlich eines möglichst niedrigen Liquiditätsaufwandes bei

der Gründung1587

und einem möglichst weitreichenden Schutz der Gläubiger. Dabei sollte das gegenwärtige

System der Kapitalaufbringung und des Mindestkapitals in seinen Grundzügen beibehalten werden, da es

sich im Laufe der letzten 103 Jahre bewährt hat. Eine Notwendigkeit der Abschaffung des Mindestkapitals

ist allein aus nationalen Gründen nämlich nicht ersichtlich bzw auch nicht empirisch belegt.

10.4 Welche Folgen brächte eine Abschaffung des derzeit geltenden Systems?

Bislang wurde die Diskussion nur aus dem Blickwinkel nationaler Notwendigkeiten betrachtet: eine

Abschaffung des geltenden, seit über hundert Jahren bestehenden und daher bewährten Systems des

Mindestkapitals und der Kapitalerhaltung käme ohne die einschränkende Centros-Rsp des EuGH und der

Schlussanträge der Generalanwälte La Pergola und Alber sowie aufgrund des daraufhin entstandenen

Wettbewerbs der Gesellschaftsrechte nicht in Frage. Daneben bestehen mehrere europaweite Tendenzen:

zum einen könnte eine günstig zu gründende EPG den Wettbewerb der Gesellschaftsrechte für sich

entscheiden, sofern nicht noch das Erfordernis der grenzüberschreitenden Tätigkeit in die derzeit diskutierte

EPG-Verordnung aufgenommen wird; zum anderen besteht auch ein Wunsch zur Reform der für die AG

geltenden Zweiten Gesellschaftsrechtlichen Richtlinie, deren Ausgang möglicherweise mittelbar auch die

Diskussion hinsichtlich der GmbH beeinflussen wird: die Winter-Gruppe forderte etwa in ihrem Bericht

bereits 2002 eine „Vereinfachung“ der Kapitalrichtlinie, wenngleich sie – in Anlehnung an die „SLIM“-

Initiative – die Beibehaltung des gegenwärtigen Mindestkapitalbetrags in der Richtlinie vorschlug, da es

keine Belege dafür gebe, dass das Mindestkapital „ein Hindernis für die Geschäftstätigkeit“ darstelle. Auch

sollte „relevanteren Fragen“ zunächst mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.1588

Diese Ansicht kann man auf die Reform der GmbH übertragen: eine deutliche Herabsenkung oder gar

Abschaffung des Mindestkapitals wäre zu weit gegriffen, nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass bislang

in Österreich kein allzu starker Wettbewerb durch ausländische Gesellschaftsformen bemerkbar ist. In

Deutschland hingegen waren Berichte von 10.000 bis 40.000 aktiven Limiteds Auslöser für die Reform

1586

1.12.2005, 6 Ob 271/05d = JBl 2006, 388. S dazu näher in Kapitel 4.2.4. 1587

Vgl etwa Kalss/Schauer, Die Reform des Österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, 442. 1588

Winter et al., Bericht, 88.

Page 242: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

226

durch das MoMiG, das auch andere Problembereiche im Recht der dGmbH löste.1589

Ob eine Abschaffung

des Mindestkapitals mittels Einführung einer Unterform der GmbH den Wettbewerb für sich entscheiden

kann, wird die Anwendung der UG in Deutschland zeigen; in Frankreich und Spanien gilt die neue €-1-

SARL bzw Sociedad Limitada Nueva Empresa bereits als erfolgreich. Problematisch ist aber der bei allen

drei Gesellschaften fehlende Ausgleich des Mindestkapitals, der sich in einer schlechteren Stellung der

Gläubiger niederschlägt, welche nunmehr nicht mehr mit gesetzlichem Schutz rechnen können, sondern mit

der eigenen Durchsetzung von Sicherheiten und vertraglichen Schutzstandards konfrontiert sind.

10.5 Welche Ausgleichsmechanismen können den bisherigen Schutzstandard

aufrechterhalten?

Bei einer möglichen Abschaffung des Mindestkapitals müssen daher Ausgleichsmechanismen implementiert

werden, um vor allem verhandlungsschwachen, kleinen und unfreiwilligen Gläubiger nicht „von heute auf

morgen“ den bisherigen gesetzlichen Mindestschutz zu nehmen. Eine bloße Angabe der Stammkapitalziffer

auf den Geschäftsbriefen kann dabei nur als ein Teil des ganzen Ausgleichsinstrumentariums angesehen

werden; wichtiger wären großzügige Möglichkeiten eines Haftungsdurchgriffs, wobei hier aber wiederum

die Interessen der „anderen Seite“, dh der Gesellschafter, beachtet werden müssen, welche mit der Gründung

einer GmbH gerade keine persönliche Haftung auf sich nehmen wollen.

Eine Möglichkeit für eine ausgewogene Beachtung beider Interessensgruppen ist die gesetzliche Fixierung

eines Finanzplans samt damit verbundenem Haftungsdurchgriff, wie dies in Belgien bereits seit 1978 der Fall

ist:1590

in einem Finanzplan stellen, wie in Kapitel 9.3.3 erwähnt, die Gesellschafter die Kapitalausstattung

der Gesellschaft dar und müssen deren Angemessenheit rechtfertigen. Die Grundzüge des (in Belgien nicht

öffentlichen) Finanzplans sollten zu Publizitätszwecken veröffentlicht werden; auch aus den Grundzügen soll

hervorgehen, welche Tätigkeiten die Gesellschaft in ihren ersten zwei Jahren beabsichtigt und wie diese

finanziert werden sollen. Muss für die Gesellschaft nach drei Jahren der Konkurs angemeldet werden und

war das Gesellschaftskapital schon im Gründungszeitpunkt laut Finanzplan erkennbar unzureichend, so

haften die Gesellschafter als Gesamtschuldner nach außen zu einem vom Gericht festzusetzenden Anteil

wegen materieller Unterkapitalisierung.1591

Mit einer öffentlichen Gegenüberstellung der Grundzüge der

zukünftigen Geschäftspolitik und der dafür geplanten Mittel können die Gläubiger eine mögliche

Gefährdung ihrer Interessen von vornherein ausschließen; dadurch würde auch das Problem des zu großen

Ermessenspielraums bei der Darlegung des Finanzplans gemildert; letztlich wäre aber auch der Finanzplan

nur eine flankierende Maßnahme unter mehreren, da er vor allem größere Gläubiger schützen würde.

1589

Seibert, Reform in Deutschland: Der Regierungsentwurf eines MoMiG – aktueller Stand des

Gesetzgebungsverfahrens, in: Bachner (Hrsg.), GmbH-Reform: Erleichterte Gründung – Gläubigerschutz –

Insolvenzprophylaxe, Linde Verlag, Wien 2008, 44. 1590

Oelkers, Mindestkapital und Nennkapital, GesRZ 2004, 366f mwN. 1591

Oelkers, Mindestkapital und Nennkapital, GesRZ 2004, 367.

Page 243: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

227

10.6 (Noch) keine Relevanz der Abschaffung des geltenden Systems

Die von der Winter-Gruppe in ihrem Bericht bereits 2002 getätigte Aussage, man sollte „relevanteren

Fragen“ mehr Aufmerksamkeit schenken, gilt auch heute noch: eine Abschaffung des geltenden

Mindestkapitalbetrags oder auch eine Aufweichung des als zu starr beschriebenen Kapitalerhaltungssystems

allein aufgrund des Wettbewerbs mit ausländischen Rechtsformen ist nicht zweckmäßig. Anders gewendet:

die Anzahl an Limited-Gründungen in Österreich rechtfertigt keine an der Limited ausgerichtete Reform der

österreichischen GmbH. Die geltenden Regeln des Mindestkapitals sowie der Kapitalaufbringung und -

erhaltung wurden im Laufe des vergangenen Jahrhunderts verbessert und haben sich bewährt; ein plötzliches

Ende dieser Regeln käme auch einem Bruch von wohlerworbenen Gläubigerpositionen gleich.

Daher sollten zumindest die Grundzüge des geltenden Kapitalaufbringungs- und erhaltungssystems

beibehalten werden; die im Regierungsprogramm1592

vorgeschlagene Herabsenkung des Mindestkapitals auf

€ 10.000 würde die Seriositätsfunktion des Mindestkapitals zu sehr einschränken, auch wenn im

Regierungsprogramm gerade mit der Seriositätsgarantie argumentiert wird. Ein Gleichlauf mit der

„klassischen“ dGmbH (€ 25.000) ist eine überlegenswerte Alternative1593

; aus Gründen des

Gläubigerschutzes sollte die Herabsenkung mit einer Volleinzahlung des Mindestkapitals bei der Gründung

flankiert werden, wie es anlässlich früherer Novellierungsbestrebungen in der Literatur mehrfach gefordert

wurde. Diesbezüglich würde zudem die auch von Seiten der Kommission geforderte Vereinfachung der

Kapitalaufbringung berücksichtigt; durch derartige Vereinfachungen im Bereich der Kapitalaufbringung

könnten die auch von Schmidt erkannten Kosten einer „überperfektionierten Kapitalaufbringungskontrolle“

eingedämmt werden.1594

Die Einführung einer Unterform der GmbH ist aufgrund des bislang noch ausbleibenden Wettbewerbs mit

ausländischen Gesellschaftsformen nicht zu empfehlen; außerdem trägt die Einrichtung einer Unterform

einer Gesellschaft nicht zu deren Vereinfachung bei. Ob die UG (haftungsbeschränkt) aufgrund ihres

flexiblen Stammkapitals und der Besonderheit der gleichen Sprache in Österreich Fuß fassen wird, ist noch

nicht ersichtlich.

Die möglichen Verbesserungen der Kapitalerhaltungsregeln, nämlich eine zusätzliche Anknüpfung des

Ausschüttungsverbots an den Begriff der Krise sowie die gesetzliche Zulässigkeit moderner

Geschäftspraktiken, wurden bereits in Kapitel 10.3 vorgestellt. Eine Deregulierung im Bereich der

Kapitalerhaltung ist auch aus Kostengründen nicht zu empfehlen, denn, wie etwa Schmidt meint, ist die

Kapitalaufbringungskontrolle, nicht aber die Kapitalerhaltungskontrolle kostenintensiv.1595

1592

Bundeskanzleramt Österreich, Regierungsprogramm für die XXIV. Gesetzgebungsperiode 2009-2013, abrufbar

unter: http://www.austria.gv.at, 133. 1593

So auch – zum noch im Regierungsentwurf zum MoMiG vorgeschlagenen Betrag von € 10.000 – die Leiterin der

rechtspolitischen Abteilung der österreichischen Wirtschaftskammer, Rosemarie Schön, um zumindest einen Import

der deutschen „klassischen“ GmbH nach Österreich zu verhindern; s Schön, Stellungnahme der WKÖ zur GmbH-

Reform, in: Bachner (Hrsg.), GmbH-Reform: Erleichterte Gründung – Gläubigerschutz – Insolvenzprophylaxe, Linde

Verlag, Wien 2008, 125. 1594

Schmidt, GmbH-Reform, Solvenzgewährleistung und Insolvenzpraxis, GmbHR 2007, 10. 1595

Schmidt, GmbH-Reform, Solvenzgewährleistung und Insolvenzpraxis, GmbHR 2007, 10.

Page 244: Mindestkapital und Kapitalerhaltung bei der GmbH

228

10.7 Relevante Reformpunkte

Relevanter als die Abschaffung des geltenden Kapitalschutzsystems, und auch zweckmäßiger im Hinblick

auf einen möglichen Wettbewerb der Rechtsformen auch in Österreich, ist die Reform der

Gründungsmodalitäten. Wie in Kapitel 2.2.5.2 dargestellt, ist ein nicht zu unterschätzender

Wettbewerbsvorteil die Schnelligkeit der Gründung einer Gesellschaft: im Interesse der KMU schlug daher

etwa die Kommission in der am 25. Juni 2008 ergangenen, nicht verbindlichen Mitteilung des „Small

Business Act“ ein Herabsenken des für die Gründung eines Unternehmens erforderlichen Zeitaufwands unter

eine Woche vor.1596

Besser wäre, angelehnt an die Limited, eine 24-Stunden-Gründung, wenn möglich ohne

allzu große Zusatzkosten. Die Errichtung zentraler Anlaufstellen ähnlich der Centres de Formalités des

Entreprises in Frankreich ist ebenfalls eine auch von der Kommission aufgegriffene Möglichkeit der

Verbesserung der Gründung im Sinne der Klein- und Mittelunternehmer;1597

logische Voraussetzung eines

solchen „One-Stop-Shop-Verfahrens“ sollte die Vereinfachung der Gründungsurkunden sein.

Die Reform der Gründungsmodalitäten sollte aber nicht in die bewährte Notariatsaktspflicht eingreifen;

besonders für KMU ist eine Rechtsberatung bei der Gründung, insb bei der Abfassung des

Gesellschaftsvertrags, von Nutzen; für größere Unternehmen werden die Notariatskosten nicht von Relevanz

sein.1598

Zusammenfassend sollte ein Bündel an Maßnahmen ergriffen werden, um einerseits auf die Bedürfnisse der

Unternehmensgründer hinsichtlich einer schnell zu gründenden, aber auch seriösen Gesellschaftsform

einzugehen, und andererseits die bisherigen Funktionen des Systems des Mindestkapitals und der

Kapitalerhaltung nicht ersatzlos zu streichen; mangels besserer Alternativen wird die Beibehaltung des

Mindestkapitals und der Grundzüge der Kapitalerhaltungsregeln auch in Zukunft einen ausreichenden Schutz

für alle Gläubigergruppen bieten können.

1596

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Small Business Act, KOM (2008) 394 endg., 10. 1597

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Small Business Act, KOM (2008) 394 endg., 10. 1598

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EuGH 6.11.1984, Rs 182/83 („Fearon“), Slg 1984, 3677

EuGH 28.1.1986, Rs 270/83 („Kommission/Frankreich“ [„avoir fiscal“]), Slg 1986, 273.

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EuGH 27.9.1988, Rs C-81/87 („Daily Mail“), Slg. 1988, 5505

EuGH 31.3.1993, Rs C-19/92 („Kraus“), Slg 1993, I-1663, 1697

EuGH 30.11.1995, Rs C-55/94 („Gebhard“), Slg 1995, I-4165, 4197

EuGH 9.3.1999, Rs C-212/97 („Centros“), Slg. 1999, 1-1459

EuGH 5.11.2002, Rs C-208/00 („Überseering“), Slg. 2002, 1-9919

EuGH 30.9.2003, Rs C-167/01 („Inspire Art“), Slg. 2003, 1-10155

EuGH 11.3.2004, Rs C-9/02 („Hughes de Lasteyrie du Saillant“), Slg. 2004, 1-2431

EuGH 12.12.2005, Rs C-411/03 („SEVIC Systems AG“), Slg. 2005, 1-10805

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OGH 15.7.1999, 6 Ob 124/99z = wbl 2000, 85

OGH 1.12.2005, 6 Ob 271/05d = JBl 2006, 388

VfGH 26.1.1978, G 67, 68/77