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1 ©Birger Jesch Blankenhain-Jahrbuch, 2014 Mit Pfauenauge und Bärentatzen Wenn Verschönerungsexperten erzählen: Das Pfauenauge-Motiv war in der Zeit des Jugendstil und Art Deco ein beliebtes, aus Südostasien stammendes Ornament. In der früher weit verbreiteten Bunzlauer Keramik aus Niederschlesien ist das Pfauenauge ein Erkennungsmerkmal. Es wurde auf den Scherben geschwämmelt, das meint: mit einem zugeschnitten Schwamm aufgestempelt Hier findet sich eine handwerkliche Parallele zur Rollstempeltechnik im traditionellen Malerhandwerk. Ein Gummi- oder Weich-PVC Zylinder mit erhabenem Musterprofil wird an seitlichen Achsstiften in eine Halterung mit Griff eingespannt und durch eine zweite, anliegende, mit Farbe gespeiste, Schaumgummiwalze zum rotierenden Druckwerkzeug. Jede Umdrehung – ein sich wiederholendes Rapportmuster. In der Blankenhainer Malerwerkstatt Locke in der Ackerwand findet man noch heute Musterwalzen aus jener Zeit, in der Meister Hugo Locke dort residierte. Er gründete 1920 den Betrieb, der inzwischen von seinem Enkel Jürgen Locke in dritter Generation weitergeführt wird. Siegfried Locke der den Betrieb durch DDR-Zeiten navigierte zeigte mir die Überbleibsel der einstigen Wanddrucktechnik. Er wusste auch noch Namen für einige Walzen zu nennen: Da gab es die „Wald- und-Wiesen-Walze“, ein Muster für alle Zwecke, unkompliziert anzuwenden. Es gab bei Lockes auch eine „Kickelhahns- Krallen“- genannte Strukturwalze. Natürlich die biedermeierliche „Blümchenwalze“ und für die gutbürgerliche Stube das „Pfauenauge“- Motiv.

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©Birger Jesch

Blankenhain-Jahrbuch, 2014

Mit Pfauenauge und Bärentatzen Wenn Verschönerungsexperten erzählen: Das Pfauenauge-Motiv war in der Zeit des Jugendstil und Art Deco ein beliebtes, aus Südostasien stammendes Ornament. In der früher weit verbreiteten Bunzlauer Keramik aus Niederschlesien ist das Pfauenauge ein Erkennungsmerkmal. Es wurde auf den Scherben geschwämmelt, das meint: mit einem zugeschnitten Schwamm aufgestempelt

Hier findet sich eine handwerkliche Parallele zur Rollstempeltechnik im traditionellen Malerhandwerk. Ein Gummi- oder Weich-PVC Zylinder mit erhabenem Musterprofil wird an seitlichen Achsstiften in eine Halterung mit Griff eingespannt und durch eine zweite, anliegende, mit Farbe gespeiste, Schaumgummiwalze zum rotierenden Druckwerkzeug. Jede Umdrehung – ein sich wiederholendes Rapportmuster.

In der Blankenhainer Malerwerkstatt Locke in der Ackerwand findet man noch heute Musterwalzen

aus jener Zeit, in der Meister Hugo Locke dort residierte. Er gründete 1920 den Betrieb, der inzwischen von seinem Enkel Jürgen Locke in dritter Generation weitergeführt wird. Siegfried Locke der den Betrieb durch DDR-Zeiten navigierte zeigte mir die Überbleibsel der einstigen Wanddrucktechnik. Er wusste auch noch Namen für einige Walzen zu nennen: Da gab es die „Wald-und-Wiesen-Walze“, ein Muster für alle Zwecke, unkompliziert anzuwenden. Es gab bei Lockes auch eine „Kickelhahns- Krallen“- genannte Strukturwalze. Natürlich die biedermeierliche „Blümchenwalze“ und für die gutbürgerliche Stube das „Pfauenauge“- Motiv.

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Das Pfauenauge aus der Werkstatt Locke Der Blankenhainer Maler Otto Jörk (2013)

Die Malerfamilie Jörk nannte ihre Walzen „Sputniks“, „Bärentatzen“ oder auch „Russische Unterschrift“. Otto Jörk kann sich noch gut an die Nachkriegszeit erinnern, als er mit seinen zwei Brüdern Franz und Horst als Maler viele Häuser und Räume in Blankenhain renovierte. Die drei Brüder setzten das Handwerk ihres in der Kriegsgefangenschaft gestorbenen Vaters Fritz Jörk fort. Der hatte bereits 1926 die Werkstatt von Malermeister Schäffer in der Karlstraße 28 übernommen. Der Älteste der Brüder qualifizierte sich 1953 zum Meister und bildete seinen jüngeren Bruder Otto aus, Horst lernte und arbeitete bei Hugo Locke.

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Verwendet wurde zum Walzen ein Bügel mit dahinter rotierender Speisewalze aus Schaumgummi. Die Schwammwalze wurde mit Farbe eingestrichen, in der Hoffnung das sie für einen Rollvorgang von Decke bis Fußboden reicht, ohne dass das der obere Teil der Wand kräftiger bedruckt wurde als der Untere. Praktischer waren die sogenannten Rollkästen, bei denen es sich um ein Farb-Auffanggefäß mit integrierten gegeneinander rotierenden Walzen handelt. Für das horizontale Walzen war das System mit der farbgespeisten Schwammwalze hingegen die einzige Lösung. Verwendet wurde vor allem jenes Druckwerkzeug, welches einen guten Gesamteindruck auf der gerollten Wand hinterließ. Die Bedingungen waren für den Maler nicht optimal: Senkrechte und vertikal laufende Aufputz- Elektroleitungen und krumme Wände erforderten Mut zur Improvisation.

Mit einer der ehemaligen Walzen aus der Werkstatt Jörk habe ich 2012 die Stube der neu rekonstruierten Lehrerwohnung des Thüringer Freilichtmuseums in Hohenfeldten bedruckt. Es war ein Nachempfinden der Wandgestaltung der Nachkriegszeit, als der Lehrer noch im kleinen Schulgebäude direkt über dem Klassenzimmer wohnte. Die Volkskundlerin und Chefin des Museums Franziska Zschäcke erarbeitete ein Konzept und entschied sich für einen gelben Grundanstrich für die Wände der Stube. Darauf wurde dann ein weißer und ein goldglimmriger Aufdruck übereinander gedruckt. Gearbeitet wurde mit den damals üblichen Mineralfarben, Gesteinsmehl abgebunden mit Kalkkaseinleim und eingefärbt mit Trockenpigmenten. Das als zweite Walzfarbe verwendete Glimmerpigment, das auch als Fischsilber bezeichnet wurde, war damals sehr beliebt. Bei einem bestimmten Lichteinfall entfaltete sich der glitzernde Effekt auf der Wandoberfläche.

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Im rekonstruierten Lehrerschlafzimmer des Thüringer Freilichtmuseums Hohenfelden wurde ein silbriger Aufdruck mit einer Ringwalze über das mittelgrüne Pusteblumen/Sterne Motiv gedruckt.

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Aus der Malerfamilie Jörk ist eine Broschüre Fachliteratur zum Textkonstruieren und –Schreiben im Malerberuf erhalten. Plakate, Werbung, Verbotstafel – das waren alles Arbeitsfelder des örtlichen Malermeisters.

Schriftschablonen aus der Werkstatt Klein

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In Blankenhain waren noch andere Malermeister vor Ort. In der Amalienstrasse hatte Oswald Hoffmann, Meister seit 1948, mit den Gesellen Udo und Rolf sein Domizil. Vor 1945 gab es in der Ackerwand Meister Hans Zange mit seinen Gesellen Paul Dietrich und Otto Reuse. Zange wurde aus politischen Gründen nach Kriegsende verhaftet und verschwand in sowjetischen Lagern. Der Sohn Walther Zange ging daraufhin 1950 in den Westen und wanderte nach Südamerika aus. Ob die Liste der alten Malermeister vollständig ist kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Anfang des Jahrhunderts gab es bereits in der Karlstrasse 28 den Malermeister Hans Schäffer und auch Meister Paul Müller war dort mit seinem Sohn Kurt in der Nummer 15 zu Hause. Dessen Schablonenfundus, der noch aus der Zeit um 1900 stammt, übernahm später Paul Klein.

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Das vierschlägige Blütenmotiv wird nacheinander vierfarbig übereinander schabloniert. Die äußersten Ausschnitte bilden jeweils die Passmarken, durch die eine exakte Abstimmung gewährleistet wird.

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Schmale Walzen, Schriftschablonen aus Blech, Proben von Musterwalzen an der Werkstattdecke in der ehemaligen Werkstatt von Paul Klein.

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Dokumente eines Berufslebens

Die Baustellen waren früher alle zu Fuß erreichbar. Die wenigsten Maler waren vor den 1960er Jahren motorisiert. Der typische Malerkarren auf dem Material, Werkzeug und Leitern geladen wurde war ein Leiterwagen. Er wurde gezogen und geschoben, auch bei Glätte, Nässe und Schnee. Später gab es Mopeds und Motorräder mit Beiwagen oder Anhänger. Die zu DDR Zeiten gegründeten PGH´s unterhielten meist einen Fahrer und Lageristen, der mit dem Multi Car oder LKW die Baustellen belieferte.

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In den Produktions-Genossenschaften des Handwerks gingen oft ganze Belegschaften einstiger alter Meisterbetriebe auf, denen durch staatlichen Druck das private Unternehmertum ausgetrieben wurde. Im Nachbarort Bad Berka existierte z.B. die PGH „Farbe und Raum“ bis 1990. Gegründet wurde sie 1958 von den drei örtlichen Malermeistern Redemann, Winzer und Schwalenberg. Es war die ersten PGH des Kreis Weimar. Ein Erfolgsmodell, denn 1969 erhielten die drei Gründermeister die Ehrenspange „Pionier des Handwerks“. Nach 1990 wurde der Betrieb von wechselnden Geschäftsführern als GmbH weitergeführt bis diese 2002 unter dem letzten Geschäftsführer Günther Iser aufgelöst wurde.

Doch schauen wir noch einmal zurück: Gefragt waren damals immer wieder auch Holzimitationen mit Bier- und anderen Lasurmischungen auf astreichen Holztüren, Bänken, Truhen und Schränken. Die damaligen Meister konnten das, und wenn etwas doch zu kompliziert war, dann holte man oft den Hans Wagner aus Krakendorf, der ein Händchen für gestalterische Sachen hatte. Er führte sein Geschäft von 1946 – 1987. Auch der Sohn, Klaus-Dieter war von 1989 – 2013 als Malermeister und als Discjockey unterwegs. Er berichtete, dass schon sein Urgroßvater mit dem Pinsel sein Brot verdiente, als Porzellanmaler bei Weimar-Porzellan. Von ihm erbte wohl Hans Wagner sein Talent zum Gestalten und imitieren. Schon damals war nicht jeder gelernte Maler dazu in der Lage. Wie Otto Jörk erzählte, wurde eine Wandbild- Bemalung in der Gaststätte Lindenhaus von einem aus Weimar kommenden Malermeister ausgeführt. Der einstige Maler kann sich auch noch an die Umgestaltung der Fasoldschen Villa in einen Kindergarten erinnern. Vorgezeichnete Märchenmotive wurden per Pause auf die Wand übertragen. Man perforierte dazu die auf Packpapier gezeichneten Linien der Figuren mit einer Nadel und stäubte durch die kleinen Löcher Papierasche, so dass sich das Motiv als Aschespur auf der Wand wiederfand und mit Pinsel und Farben ausgelegt werden konnte. Bei Altmeister Locke fand sich in den Unterlagen auch noch ein Blatt, auf dem die Dekorationstechniken des alten Malerhandwerks aufgeführt und mit Zahlen hinterlegt sind.

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Da wurden Tätigkeiten wie Kämmen, Wickeln, Schlagen und Modellieren mit dem dafür errechneten Zeitaufwand hinterlegt. Diese Begriffe würden heutige Malerlehrlinge wohl eher den Friseuren oder Masseuren zuordnen; sind doch diese Dekorationstechniken fast ganz aus dem Berufsbild verschwunden. Dabei war die Kammzugtechnik vor allem auf Türblättern und Möbeln ein damals nicht außergewöhnliches Verfahren um Flächen zu schmücken. Auf eine bereits grundierte Fläche wird eine zweite Farbschicht aufgetragen und aus dieser noch frischen Farbe, mit einem Leder -oder Gummikamm Linien und Strukturen partiell herausgewischt. Dieses Verfahren ähnelt der historischen Sgrafitto-Technik an Fassaden bei welcher reliefartige Bildmotive dadurch entstanden weil der Handwerker mit einem Schabeisen durch die oberste andersfarbige Putzschicht sein Motiv kratzt. Das Herauskratzen und Wischen ist genauso wie der eingangs erwähnte Stempeldruck mit der Musterwalze eine Dekorationstechnik welche den Malern in der Porzellanindustrie wie auch den kunsthandwerklichen Keramikern vertraut war.

Gummikämme Glimmerpigment

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Für die Kammzugtechnik kann man im 1937 errichteten Gebäude der Marie-Seebach-Stiftung auf der Tiefurter Allee in Weimar auf den Türen gelungene Beispielen finden.

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Eine der damals populärsten Gestaltungstechniken, die mit etwas Geschick auch vom Laien angewendet werden konnte, war das Wickeln. Dabei wurde ein mit etwas Farbe getränkter zusammengerollter Lappen über eine Fläche gerollt. Besonders auf Sockelflächen in Küchen oder Treppenhäusern wurde dieser marmorierende Effekt gewünscht. Für das Wickeln wurde laut Liste pro m² 10 Minuten veranschlagt. Für das Walzen mit Musterwalzen, mit dem man denselben Effekt, nur etwas gleichmäßiger erzielen kann gab es nur 7 Minuten. Auch mit Stupfen, Sprenkeln, Stempeln und Schablonieren wurden Oberflächen veredelt. Mit einem Gummi-Schläger konnte man granitartige Dekorationen auf Ölsockeln erzielen. Ein Zackenpinsel, bei dem viele kleine Pinsel gebündelt sind wurde zum „Durchziehen“ benutzt. Damit erzielte man eine Streifen- bzw. Linienstruktur auf der Wand. Mit Lineal und Pinsel wurden einzelne Bänder und Striche gezogen; vor allem als Abschluss einer Wand oder Sockelfläche. Ein Verfahren zur Holz- und Steinimitation war ein weiteres Betätigungsfeld des Malers, das viel Geschick erforderte. Ganze Lehrbücher und Anleitungsmappen unterrichteten den Maler in die einzelnen Schritte.

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Ehemaligers Werkzeug des Malergesellen Willy Schachtschabel aus Hochdorf. Dieser begann 1935 seine Lehre bei dem Blankenhainer Malermeister Hans Schäffer. Kurz vor dem Krieg, aus dem er nicht zurückkehrte, kaufte er sich diesen Rollkasten aus Aluminiumguß sowie die dazu gehörigen Musterwalzen.

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Pinsel für Dekorationstechniken

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Mit einer Vielzahl von Pinseln, Kämmen und Schwämmen konnte man durch viel Übung eine täuschend echte Oberfläche erzielen, die nach Birke oder Ahorn aussah. Die Türen oder Schränke waren aus einfachem Bauholz mit vielen Ästen gefertigt. Sie wurden grundsätzlich gestrichen denn einfache Kiefernholzoptik war verpönt. Man täuschte dann eine edle Holzart vor. Eine recht populäre Methode war das Arbeiten mit Bierlasuren. Die Bierlasurtechnik ist eine Imitationstechnik in der Dekorationsmalerei, bei der Pigmente in Tropfbier eingerührt werden, um Stein, insbesondere Marmor sowie Holzmaserungen wie z. B. Nussbaum zu imitieren. Zu den häufig verwendeten lasierenden Pigmenten gehören Kasseler Erde, Siena und Ocker. Das Bier dient als Bindemittel. Da die Lasur nicht abriebfest ist, werden die lasierten Oberflächen mit einer Schutzschicht aus Firnis überzogen. Besonders bei Möbeln wird die Bierlasurtechnik verwendet, aber auch für Treppenhäuser und Holzpaneele. Die klassische Methode mit Öl Lasur oder Wasserlasur (also Teiglasur, Bierlasur oder Essiglasur) zeichnet sich durch ihre besondere Transparenz und Haltbarkeit aus. Beide Lasurarten richtig angewandt ergeben wunderschöne naturgetreue Holzmaserbilder. Zum Maserieren werden Porenwalze, Fladerpinsel, Birkenmodler, Dachshaarvertreiber, Fingerpinsel, Schwämme und strukturierte Gummiplatten verwendet. Vor allem in Dorfkirchen kann man noch heute Marmorierungen und Holzimitationen finden. Auch das Vergolden mit Blattgold für einen beständigen Goldglanz gehörte zur Tätigkeit des Malermeisters. Die vorbereitete Fläche wird mit einem Anlegemittel (Mixtion) gestrichen und in das gerade abgebundene Feld mit einem sogenannten Anschießer das hauchdünne Blattgoldquadrat eingelegt. Der Anschießerflachpinsel besteht aus Eichhörnchen Haar, an ihm haftet das Goldblatt und wird so vorsichtig zur Arbeitsfläche geführt. Mit einem Abkehrpinsel wird das Blattgold abgetupft und die nicht vom Anlege Öl festgehaltenen Partikel abgekehrt. Danach wird mit einem Achatpolierstein das Material in den Untergrund einpoliert. Echte Vergoldungen kann man oft an den sich überlappenden Felder erkennen. Die dekorativen Techniken des Malerhandwerks, wie sie seit den Gründerjahren Ende des 19. Jahrhunderts üblich waren und bis in die 1970iger Jahre noch Anwendung fanden, sind fast nirgends mehr im Original zu besichtigen.

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Zum Glück gibt es Ausnahmen: Für die Nachwelt gerettet wurden Teile der Wandmalerei vom Anfang des 20. Jahrhunderts im Tanzsaals des einstigen Kapellendorfer Gast- und Logierhaus „Bergschlösschen“. Hier sind dank dem guten Gespür der neuen Besitzer große Teile der Wandbemalung, während der Komplettsanierung Anfang der 1990ger Jahre, erhalten geblieben. Sie passen mit ihrem theatralischen Ausdruck gut zur neue Bestimmung: Spielstätte der Geraer Kabarettbühne „Fettnäpfchen“. Hier sieht man die damals üblichen Dekorationstechniken: Striche, Bänder, Friese, Walzmuster, Schablonenmalereien und den Willen zum Gesamtkunstwerk. Die Malereien stammen aus der Entstehungszeit des Anbaus, dem Jahr 1912.

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Viel älter, um 1520 (Spätgotik), ist die unter der Leitung des Weimarer Restaurators Karl Heinz Bastian fachmännisch restaurierte Schablonenmalerei auf der Holzdecke der Reinstädter Kirche St. Michael. Als Bindemittel wurde ein tierischer Leim verwendet.

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Ein anderes der raren Beispiele für erhaltene historische Dekorationstechniken findet man noch in einem Haus in Geunitz, im Reinstädter Grund. Die junge Familie, die den 3-Seiten-Hof behutsam renoviert, wird leider nicht umhinkommen, diese heute noch sichtbare Wandgestaltungen zu renovieren.

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Man kann hier noch gut eine der vorigen Gestaltungsvarianten erkennen, bei der die farbige Gestaltung fast bis zur Decke ausgeführt wurde. In einem Abstellraum wurden Historismus- Schablonen ausprobiert, die wahrscheinlich einmal in der repräsentativen Wohnstube verwendet wurden.

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Auch in Altdörnfeld im Stammhaus Luge, welches von der Ortschronistin Barbara Koch betreut wird, kann man noch Reste von früheren Walzmustern und Schablonenmalereien sehen.

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In der DDR gab es 12 Farbtöne geleimter Wandfarbe: von Smaragdgrün über Rosenholz bis Zitronengelb. Die Kreidefarben aus Rügen in 3 kg Tüten wurden vorher in Wasser angeteigt.Das war die Portionierung für den Heimwerker. Die Maler hingegen bekamen die Kreide in 40kg Säcken und dazu den Stärkeleim im Holzfass. Der sah aus wie Vanille-Pudding und wurde mit dem Rührholz sämig „geschlagen“- d.h. kräftig mit etwas Wasser „schlank“ gerührt. Beim dritten Arbeitsgang wurde nun die Leimlösung mit der eingesumpften Kreide verrührt. Im Verhältnis von etwa 1:5. Mit Pigmentbrei wurde die weiße Kreide meist pastellfarbig eingefärbt. Später kamen dann zunehmend auch fertige Abtönpasten zur Anwendung.

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Die Ära der Leimfarbenanstriche endete in den 1970iger Jahren. Neue Anstrichstoffe wie Latexfarben (Polyvinylacetat), Ilmatin (Farbfabrik Ilmenau), Marolit und Risinomatt waren fertig verarbeitbare Produkte, die problemlos überstrichen werden konnten und dem Maler das lästige Abwaschen der alten, wasserlöslichen Farben ersparte. Bei der Umstellung auf Dispersionsfarben mussten die, von der Leimfarbe befreiten, Flächen vorbehandelt werden. Was heute der mit Wasser verdünnbare Einlassgrund ist, war damals oft eine abenteuerliche Mischung: Halböl (Firnis/Terpentin) und ein Schuss weißer Ölgrundfarbe um die Fläche heterogener zu machen. Der Autor erinnert sich an Vergiftungserscheinungen durch das stundenlange Einatmen der Lösemitteldämpfe, nach großflächigem Vorölen. Benommenheit und Schwindelgefühl stellten sich ein.

Alle Handwerker mit DDR- Arbeitsbiographie erinnern sich noch an den ständigen Mangel an Material und Werkzeug. Auch die Maler mussten improvisieren: so gab es Zeiten, in denen Latexfarbe nicht lieferbar aber das Bindemittel verfügbar war. So wurde aus Kreidebrei und verfügbarem Latex-Bindemittel eine eigene altweisse Dispersionsfarbe angerührt. Einmal bekam ich einen Eimer Titandioxyd von einem Eisenbahner des Güterverkehrs. Daraus war ein strahlendes, gut deckendes Weiß herzustellen. Als Grundierung für einen nachfolgenden hochglänzenden PUR-Lack Anstrich. Dem neuen Wunderlack aus zwei Komponenten, der wie Autolack brillierte. Der Farben und Lacke- Markt wurde planwirtschaftlich verwaltet. So gab es für die Musterwalzenherstellung nach dem Krieg in Mitteldeutschland zwei große sächsische Manufakturen: Paul Grohmann GmbH in Dresden-Löbtau und Dr. Albert Schulze in Leipzig, von denen noch Jahreskataloge erhalten blieben. Daraus wird ersichtlich, dass sich die Motive der verschiedenen Holzimitat -Walzen in den zwei Firmen nicht oft doppeln. Planwirtschaftliche Absprache eben. PAGRO in Dresden produzierte Kirsche, Nussbaum und Birke(wellig geflammt). Die Firma DAS in Leipzig, seit 1968 unter Leitung von Hans-Joachim Näther, ließ hingegen ungarische Esche, Schwedische Birke und Vogelahorn herstellen.

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Bei der Verstaatlichungswelle unter ostdeutschen Kleinunternehmern in den 1970er Jahren wurde aus der 1906 gegründeten Paul Grohmann GmbH 1972 ein volkseigener Betrieb die „VEB Dresdner Schablonenfabrik“. Die Gesamtproduktion belief sich bis zum Jahr 1978 auf 2408 verschiedene Musterwalzen. Durch vorliegende Kataloge und der konsequenten Nummerierung aller Musterwalzen dieser Manufaktur können folgende Angaben gemacht werden: Durchschnittlich wurden in den 15 Jahren von 1963 bis 1978 jährlich 33 neue Motive entwickelt. Dabei waren es in den 1960er Jahren jährlich ca. 50 Neukreationen, im nächsten Jahrzehnt auf Grund nachlassender Nachfrage weniger als die Hälfte. Die in den 1950igern oder früher entwickelten 15 verschiedenen Holzmaserierungswalzen blieben durchgängig im Programm.

Auch heute lassen sich Dekorationen mit Schablonen und Musterwalzen sehr effektvoll einsetzten. Nach Kundenwunsch gestaltete Schauwände in Firmen, öffentlichen Gebäuden und Privaträumen sind individuelle Statements. Ein weiterer Anwendungsaspekt ist die aktuelle Hinwendung zu Naturbaustoffen und diffusionsoffenen Oberflächen, auf denen Schimmel keine Chance hat. So erleben jetzt Musterwalzen eine Renaissance, nachdem sie jahrzehntelang als „Bauerntapete“ verrufen waren. Schließlich erleben wir auch gerade eine Welle der Land-Romantik. Eine Flut von Publikationen und TV-Sendungen bedient diese Sehnsucht nach einer vermeintlich heilen Welt früherer Zeiten, die es so nie gab. Darüber hinaus zeigt sich eine positive Rückbesinnung auf lokale Handwerkstraditionen, die zu bewahren eine beglückende Tätigkeit ist.

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Neue Gestaltungen mit altem Werkzeug:

Wandgestaltung mit Musterwalzen 2014 in Kirchhasel in einer sanierten Bauernhausstube

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Schauwandgestaltung 2012 in einer Küche in Bad Berka

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Detail der Schauwand im Pausen- und Seminarraum der SSR-Technik Blankenhain, 2011