3
36 AIZ 3|2016 Unternehmen Innovationsfähigkeit war in den vergan- genen Jahren der entscheidende Erfolgs- faktor für Unternehmen. Damit verknüpft ist der Bedarf an innovationsfähigem Per- sonal. Außerdem sinkt die Loyalität qua- lifizierter Mitarbeiter gegenüber ihrem Arbeitgeber und im Informationszeitalter wächst die Transparenz der Arbeitsmärk- te dramatisch. Das hat zur Folge, dass der Wettbewerb um qualifizierte und talen- tierte Mitarbeiter an Schärfe zugenom- men hat. Die Autoren Ed Michaels, Helen Hendfield-Jones und Beth Axelrod haben dieses Phänomen mit dem Titel ihres Bu- ches „The War for Talent“ („Der Krieg um Talent“) drastisch auf den Punkt gebracht. Darin skizzieren sie erste Ansätze des Ta- lentmanagements. Mit Talent-Management soll der Dreiklang „Talente finden, fördern und binden“ er- reicht werden. Ziel ist es, Produktivität zu steigern und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Talent Management geht über Personalbeschaffung, -entwicklung und -bindung hinaus. Zu diesen drei Eck- punkten kommt ein vierter hinzu: Perso- naleinsatz. Es ist absolut notwendig und Von Ralf Haase b Fbエシb nb 8 8アシ チエエ 8 O|シ チア oYbV エYbア 8チO| アO|シt bエbシヘb。 bア 3bシシFbネbアF チ tチシb 8O|ア<nシb ヌbアエO|<アnシ エO| bア b|アV Ybエ|8F エシ ,8bシ~88tbbシ |bチシb Yb ネO|シtエシb マチnt8~ Fb Ybア (bアエ8nト|アチt。 Wie Sie das Potenzial ihrer Mitarbeiter voll ausschöpfen ,8bシ~88tbbシ

Mitarbeiter voll ausschöpfen · Arbeitgeber und im Informationszeitalter wächst die Transparenz der Arbeitsmärk-te dramatisch. Das hat zur Folge, dass der Wettbewerb um qualifizierte

  • Upload
    others

  • View
    2

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Mitarbeiter voll ausschöpfen · Arbeitgeber und im Informationszeitalter wächst die Transparenz der Arbeitsmärk-te dramatisch. Das hat zur Folge, dass der Wettbewerb um qualifizierte

36 AIZ 3|2016

Unternehmen

Innovationsfähigkeit war in den vergan-genen Jahren der entscheidende Erfolgs-faktor für Unternehmen. Damit verknüpft ist der Bedarf an innovationsfähigem Per-sonal. Außerdem sinkt die Loyalität qua-lifizierter Mitarbeiter gegenüber ihrem Arbeitgeber und im Informationszeitalter wächst die Transparenz der Arbeitsmärk-te dramatisch. Das hat zur Folge, dass der

Wettbewerb um qualifizierte und talen-tierte Mitarbeiter an Schärfe zugenom-men hat. Die Autoren Ed Michaels, Helen Hendfield-Jones und Beth Axelrod haben dieses Phänomen mit dem Titel ihres Bu-ches „The War for Talent“ („Der Krieg um Talent“) drastisch auf den Punkt gebracht. Darin skizzieren sie erste Ansätze des Ta-lentmanagements.

Mit Talent-Management soll der Dreiklang „Talente finden, fördern und binden“ er-reicht werden. Ziel ist es, Produktivität zu steigern und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Talent Management geht über Personalbeschaffung, -entwicklung und -bindung hinaus. Zu diesen drei Eck-punkten kommt ein vierter hinzu: Perso-naleinsatz. Es ist absolut notwendig und

Von Ralf Haase

Wie Sie das Potenzial ihrerMitarbeiter voll ausschöpfen

AIZ_3_2016__9-2_Mitarbeiter_Potential.indd 2 25.02.2016 17:01:32

Page 2: Mitarbeiter voll ausschöpfen · Arbeitgeber und im Informationszeitalter wächst die Transparenz der Arbeitsmärk-te dramatisch. Das hat zur Folge, dass der Wettbewerb um qualifizierte

37AIZ 3|2016

gut, wenn ein hochtalentierter Mitarbei-ter im Unternehmen gehegt und umsorgt wird. Die überwiegende Zeit in der Firma verbringt ein Mitarbeiter aber sinnvoller-weise mit Arbeit. Die meisten Fehler wer-den in der Personalarbeit gemacht: mit umständlichen Geschäftsprozessen, in-transparenten Aufgabenstellungen oder anstrengenden Führungskräften. Diese grundlegenden Unzulänglichkeiten kön-nen auch durch eine noch so aufwändige Personalentwicklung, die ein paar Mal im Jahr stattfindet, nicht kompensiert wer-den.

Erfahrungsgemäß wird im Talent Manage-ment die Wirkung von Spitzenkräften deutlich überschätzt. Es wird zwar häufig geglaubt, dass sich die Qualitäten wirklich guter Mitarbeiter stets durchsetzen wür-den, was auch oft stimmt. Dennoch gibt es zahlreiche Ausnahmen. Die Guten schei-tern oft nicht an der fachlichen Kompe-tenz, sondern, weil sie nicht in das Team des Unternehmens passen. Es ist nun einmal so: Die Chemie muss stimmen. In seiner Studie zu Unterschieden von groß-artigen zu bloß guten Unternehmen war

die wichtigste Erkenntnis von Jim Collins, dass zuerst das Wer und dann das Wie den Ausschlag gibt: „First who, then what – get the right people on the bus, then figure out where to go.“ („Erst wer, dann was – bringen Sie erst die richtigen Leute in einen Bus und finden Sie dann heraus, wohin die Reise geht.“)

Beim Sport kann man oft beobachten, dass vermeintlich über jeden Zweifel erhabene Superstars von eingeschwo-renen Mannschaften mittelmäßig talen-tierter Akteure in den Schatten gestellt werden. So ist es auch in Unternehmen häufig schwierig, leistungsstarke, aber sehr selbstbewusste Charaktere zu einem gemeinsamen Vorgehen und pfleglichen Miteinander zu bewegen. Deshalb ist es besser, von Anfang an den Fokus auf die Zusammensetzung des Teams zu legen, selbst unter Verzicht auf manches her-vorragende, jedoch schwer integrierbare Talent.

So garantiert die hohe individuelle Intel-ligenz Einzelner eben nicht gleich eine hohe kollektive Leistungsfähigkeit im

Team, nur wenn die einzelnen Teammit-glieder über eine hohe soziale Kompetenz verfügen, können sie auch im Team leis-tungsfähig sein.

Prof. Alex Pentland, der als Informatiker die Intelligenz von Gruppen erforscht, schreibt in seinem Buch „Social Physics: How Good Ideas Spread – The Lessons from a New Science“, dass kluge Köpfe kein Garant dafür sind, dass eine Gruppe klug handelt. All unser Tun und Denken hängt hochgradig von unseren Mitmenschen ab. Es wird immer behauptet, Intelligenz sei das, was sich zwischen den Ohren eines Individuums abspielt. Tatsächlich aber ist die Gruppenintelligenz mindestens ge-nauso wichtig. Die Wirtschaft, die Art wie Erfolge belohnt werden – alles dreht sich um den Einzelnen. In Wirklichkeit aber hängt all unser Tun und Denken hochgra-dig von unseren Mitmenschen ab.

Erkenntnisse kommen oftim Bus oder unter der Dusche

Pentlands Forschung hat gezeigt, dass bei der Teamarbeit, egal ob in einer Bank, Be-hörde oder im Labor, zwei Faktoren ent-scheidend sind: Zum einen müsse jeder auch außerhalb der Gruppe nach Ideen suchen und diese einbringen. Sonst ver-laufe die Debatte immer wieder in den-selben Bahnen. Die Geschichte zeigt, dass bedeutende Erkenntnisse den Wis-senschaftlern beim Einschlafen, unter der Dusche, im Bus oder sonst irgendwo gekommen sind. Jedenfalls in der Regel nicht beim Team-Meeting. Wir sind es ge-wohnt, individuelle Kreativität zu betonen. Tatsächlich aber besteht Kreativität darin, Ideen, die längst da sind, zu verknüpfen. Das ist die Quelle der Innovation.

Ein weiterer Faktor, der ein Team erfolg-reich macht, ist dass jeder mit jedem re-det. Nur so ziehen wirklich alle am selben Strang. Die Rolle des Chefs dabei ist es, den Meinungsaustausch zu verfolgen, zu moderieren und einzugreifen, wenn etwas schiefläuft, oder dafür zu sorgen, dass niemand die Debatte dominiert und dass jeder etwas beiträgt. Eine gute Führung muss Einigkeit herstellen. Allenfalls im Notfall ist der starke Chef gefragt. Auch ohne Begeisterung für das Ziel kann es kein Team zu Höchstleistungen bringen.

Ein weiterer wichtiger Hebel, der die Leis-tung von Arbeitsgruppen fördert, ist die

Foto: © Remains

AIZ_3_2016__9-2_Mitarbeiter_Potential.indd 3 25.02.2016 17:01:32

Page 3: Mitarbeiter voll ausschöpfen · Arbeitgeber und im Informationszeitalter wächst die Transparenz der Arbeitsmärk-te dramatisch. Das hat zur Folge, dass der Wettbewerb um qualifizierte

AIZ 3|201638

Unternehmen

gleichmäßige Beteiligung an Entschei-dungen. Dadurch sind die Teammitglie-der stärker betroffen und somit motivier-ter. Einzelne sehr dominante Mitglieder im Team behindern die Entfaltung der kollektiven Intelligenz.

Teamarbeit bietet auch viele nichtmone-täre Belohnungsmöglichkeiten: Stellt man ein Projektteam aus Mitarbeitern mit gu-ter Erfahrung oder hoher Leistungsfähig-keit zusammen, möchten oft andere Mit-arbeiter gern zu diesem Spezialistenteam gehören, um Anerkennung zu erleben. Außerdem können erfahrene Teammit-glieder Führungsaufgaben übernehmen, was dem Machtbedürfnis einiger Mitar-beiter entgegen kommt.

Wertschätzung steigertdie Motivation

Belohnungen, deren Attraktivität der von den Mitarbeitern eingebrachten Leistung entsprechen sollte, sind oft simpler und kostengünstiger, als man denkt: Es muss nicht immer die üppige Prämie auf dem Gehaltszettel sein, deren Umfang ohne-hin oft durch die Abgaben frustrierend klein wird – einen erfolgreichen Projekt-abschluss könnte man beispielsweise mit einem gemeinsamen Betriebsausfl ug be-lohnen und damit das Beziehungs- und Lernbedürfnis der Mitarbeiter anspre-chen. Für den Abschluss kleinerer Pro-jektabschnitte reicht nicht selten schon eine gemeinsame Kaffeepause mit einem Stück Kuchen. Das alles unterstreicht die Wertschätzungskultur eines Unterneh-mens und lässt die Motivation der Mit-arbeiter steigen Höchstleistungen zu er-bringen.

Auch wenn das so einfach klingt, schei-nen es viele Führungskräfte nicht rich-tig umzusetzen. Wie eine Studie der Hay Group zeigt, erzeugt fast die Hälfte der deutschen Chefs eine demotivierende Ar-beitsatmosphäre und nur jeder dritte ist in der Lage für ein leistungsförderndes oder motivierendes Klima zu sorgen. Da-bei hängt der Erfolg von Führungskräften in der Regel stark davon ab, wie gut es ihnen gelingt ihre Mitarbeiter zu motivie-ren.

Stattdessen wird allzu oft auf Überwa-chung gesetzt. Aber das erzeugt tenden-ziell ein Unsicherheitsklima und ohnehin ist der wirtschaftliche Nutzen der Über-

wachung von Leistung und Verhalten Angestellter mehr als zweifelhaft. Zwar sprechen Anbieter von Überwachungs-technologie zum Beispiel von 30 Prozent Arbeitszeitverlust durch private Internet-nutzung. Aber als die Nutzung des Inter-nets am Arbeitsplatz besteuert werden sollte, erstellte der Arbeitgeberverband ein Gutachten, das von lediglich zwei bis sechs Euro Kosten täglich durch private Internetnutzung während der Arbeitszeit ausging. Ergebnisse motivationspsychologischer Untersuchungen zeigen, dass sowohl ein Verbot privater Kommunikation, als auch weitgehende Büroüberwachung durchaus kontraproduktiv seien und nicht nur die Motivation der betroffenen Mitarbeiter

werden. Die Menschen reden eigentlich ständig von der Arbeit, von den Methoden im Umgang mit den Kunden zum Beispiel. Selbst wenn gar nicht direkt über die Ar-beit geredet wird – auch ein Austausch über die Suche nach einem Babysitter ge-hört mit zum Job.

Welche Aufgaben machtder Mitarbeiter gerne?

Menschliche Bedürfnisse der Mitarbeiter sind der Motor ihres Handelns. Um auf deren Bedürfnisse reagieren zu können, sollten Führungskräfte das Verhalten ih-rer Teammitglieder bewusst beobachten und analysieren. Die Erkenntnis, welche Aufgaben ein Mitarbeiter gerne und wel-che ungerne erledigt und was für Bedürf-nisse mit den bevorzugten Tätigkeiten befriedigt werden, ist meist der Schlüssel zu enormer Motivations- und Leistungs-steigerung. Welche individuellen Bedürf-nisse verletzen Aufgaben, die er ungern erledigt? So kann mit sozialer Kompetenz schon bei der Aufgabenverteilung Motiva-tion gefördert und Frustration vermieden werden. Denn in der Regel haben Mitglie-der eines Teams so unterschiedliche Prä-ferenzen, dass alle notwendigen Arbeiten einen „Liebhaber“ fi nden.

Wichtig für die Performance-Steigerung in den Mannschaften ist auch eine effi zien-te und individuelle Feedback-Kultur. Viele Unternehmen versuchen mehr und mehr ihren Mitarbeitern häufi geres und objek-tiveres Feedback zu geben. Diejenigen, die gut sind, wollen immer besser werden – und dafür benötigen sie qualifi zierte Beurteilungen ihrer Arbeit. Die meisten aktuellen Systeme zur Leistungsbewer-tung bieten hilfreiche Informationen für eher durchschnittliche oder unterdurch-schnittliche Mitarbeiter. Aber Spitzenkräf-te brauchen ein detaillierteres Feedback als bloß eine mehr oder weniger subjek-tive Bewertung auf einer Fünf-Punkte-Skala.

Und schließlich geht es natürlich auch um das Gehalt der Mitarbeiter. „Zahlen Sie ungerecht“ schreibt Lazlo Bock in sei-nem Buch „Work Rules“ mit einem Ein-blick, wie Google mit dem Thema umgeht. Wenn gute Angestellte zweimal, fünfmal oder zehnmal mehr leisten, als der Durch-schnitt der Mannschaft, macht es kaum Sinn, ihnen lediglich wenige Prozente mehr zu bezahlen als den anderen.

Fast die Hälfte der Chefs erzeugt eine demotivierende

Arbeits- atmosphäre.

erheblich senken, sondern auch den Aus-fall durch Krankheit erhöhen können.

Oft geht es auch nur um simple Dinge, die zu verändern sind – jemanden woan-ders hinzusetzen, einen Platz fürs Pau-senessen einzurichten oder darum, wo der Kaffeeautomat steht. Mehr Meetings abzuhalten ist nur selten eine Lösung. Da schaltet dann einer auf Sendung, und die anderen sitzen daneben – Kommunikati-on geht anders.

Vielfach wird befürchtet, dass in zu vie-len Kaffeepausen enorm viel Arbeitszeit verloren geht. Aber die Erfahrung zeigt, dass in einer guten Arbeitsatmosphäre diese kommunikativen Pausen überwie-gend für den Austausch des bewusst oder unbewusst erworbenen Wissens für die Projekte genutzt wird. Üblicherweise be-kommt in vielen Unternehmen jeder mor-gens seine Instruktionen und dann wird gearbeitet. Aber die Mitarbeiter müssen miteinander reden, um produktiver zu

AIZ_3_2016__9-2_Mitarbeiter_Potential.indd 4 25.02.2016 17:01:32