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Quartetto 3 Tetzlaff Quartett Mittwoch 27. Februar 2013 20:00

Mittwoch 27. Februar 2013 20:00 - Kölner Philharmonie · wissenschaftler George Perle Mitte der 1970er-Jahre eine von Berg handschriftlich mit mannigfaltigen programmatischen

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Quartetto 3

Tetzlaff Quartett

Mittwoch27. Februar 201320:00

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Bitte beachten Sie:

Ihr Husten stört Besucher und Künstler. Wir halten daher für Sie an den Garderoben

Ricola-Kräuterbonbons bereit und händigen Ihnen Stoff taschen tücher des Hauses

Franz Sauer aus.

Sollten Sie elektronische Geräte, insbesondere Handys, bei sich haben: Bitte

schalten Sie diese zur Vermeidung akustischer Störungen aus.

Wir bitten um Ihr Verständnis, dass Bild- und Tonaufnahmen aus urheberrechtlichen

Gründen nicht gestattet sind.

Wenn Sie einmal zu spät zum Konzert kommen sollten, bitten wir Sie um

Verständnis, dass wir Sie nicht sofort einlassen können. Wir bemühen uns, Ihnen

so schnell wie möglich Zugang zum Konzertsaal zu gewähren. Ihre Plätze können

Sie spätestens in der Pause einnehmen.

Sollten Sie einmal das Konzert nicht bis zum Ende hören können, helfen wir Ihnen

gern bei der Auswahl geeigneter Plätze, von denen Sie den Saal störungsfrei (auch

für andere Konzertbesucher) und ohne Verzögerung verlassen können.

Mit dem Kauf der Eintrittskarte erklären Sie sich damit einverstanden, dass ihr Bild

möglicherweise im Fernsehen oder in anderen Medien ausgestrahlt wird oder auf

Fotos in Medienveröffentlichungen erscheint.

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Quartetto 3

Tetzlaff Quartett

Christian Tetzlaff Violine

Elisabeth Kufferath Violine

Hanna Weinmeister Viola

Tanja Tetzlaff Violoncello

Mittwoch27. Februar 2013 20:00

Pause gegen 20:55

Ende gegen 22:00

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PROGRAMM

Joseph Haydn 1732 – 1809

Streichquartett C-Dur op. 20,2 Hob. III:32 (1772)

aus: 6 Divertimenti (»Sonnenquartette«) op. 20 (1772)

Moderato

Capriccio. Adagio

Menuet. Allegretto

Fuga a quattro Soggetti. Allegro

Alban Berg 1885 – 1935

Lyrische Suite für Streichquartett (1925 – 26)

Allegretto gioviale

Andante amoroso

Allegro misterioso – Trio estatico

Adagio appassionato

Presto delirando – Tenebroso

Largo desolato

Pause

Ludwig van Beethoven 1770 – 1827

Streichquartett a-Moll op. 132 (1825)

Assai sostenuto – Allegro

Allegro ma non tanto

Canzona di ringraziamento. Molto adagio

Alla Marcia, assai vivace

Allegro appassionato

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ZU DEN WERKEN DES HEUTIGEN KONZERTS

Zwischen Klassik und aufkeimender Moderne – Haydn

in Experimentierlaune

»Sturm und Drang«: Das war nicht nur der Titel eines Dramas von

Friedrich Maximilian Klinger, sondern Symptom und Motto eines

allumfassenden Lebensgefühls, das sich zwischen den Sechzi-

ger- und Achtzigerjahren des 18. Jahrhunderts flächenbrandar-

tig in Deutschland ausbreitete. Auch Joseph Haydn, seit 1766 am

Hofe des gleichermaßen betuchten wie kunstsinnigen und -för-

dernden Fürsten Nikolaus Joseph Esterházy angestellt, war von

der neuen Strömung elektrifiziert, die gegen Künstlichkeit, Ratio-

nalismus und erstarrte Konventionen rebellierte und sich stattdes-

sen das Emotionale, Schöpferische, Spontane und Individuelle

auf ihre Fahnen schrieb. Und da er bei seinem Brotgeber sowohl

für die Kirchenmusik, die Oper, die orchestrale Unterhaltung als

auch die Kammermusik verantwortlich zeichnete, klopfte er auch

das Streichquartett auf seine Möglichkeiten hin ab und lotete aus,

was in puncto Form und Ausdruck so alles in ihm steckt.

Dreißig Quartette hatte Haydn bereits zu Papier gebracht, als er

sich 1772 daran machte, die Sechsergruppe op. 20 zu komponie-

ren und damit die Experimentierlust eines etablierten Vierzigjäh-

rigen unter Beweis zu stellen. Ja derart gewagt erschienen diese

vielseitigen und aufregenden Streichquartette so manchem

Musikforscher fürderhin, dass sie unter anderem verlauten lie-

ßen, Haydn sei in der »Sackgasse eines übersteigerten Radika-

lismus« gelandet.

Tatsächlich weisen diese aufgrund des Titelblattes einer Ams-

terdamer Ausgabe inhaltlich irreführend als »Sonnenquartette«

bezeichneten Werke im Vergleich zu Haydns sonst so ausgewo-

genem Kompositionsstil einige Schroffheiten und Eigenarten

auf. Beispielsweise die strikte Individualisierung der vier Stim-

men, eine gesteigerte Emotionalität, die Gleichzeitigkeit von

satztechnischer Strenge und gesteigerter Dramatik sowie eine

Vorliebe für engmaschig gesetzte Kontraste – Neuerungen, die

sowohl für den späten Mozart als auch für Beethoven und fol-

gende Komponistengenerationen stilbildend wirkten.

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Schon im ersten Satz des zweiten Quartetts von Opus 20, in dem

das Cello sowohl das Hauptthema der Exposition als auch –

zusammen mit der ersten Violine – in der Durchführung ein neues,

weitgespanntes Motiv vorstellt, wird klar, dass Haydn dieses Ins-

trument nicht mehr wie bisher üblich auf seine bassstützende

Funktion reduziert, sondern es als gleichberechtigten Partner im

Viererteam einsetzt. Allen voran ist es jedoch der zweite Satz, ein

als Capriccio bezeichnetes Adagio, an dem ein Gutteil der Eigen-

arten auszumachen ist. Mit seinen Unisono-Ausbrüchen und

schweifenden Solostimmen, seinen affektbetonten anfänglichen

Trillern und in Folge disparaten, teils zugespitzt dramatischen

Elementen sowie seinem sprechenden Charakter wirkt dieser

formal freie, eigenwillig zerklüftete Satz wie eine Übernahme

aus der Welt der Oper, wie eine Szene mit begleitetem Rezitativ

und nachfolgender Arie. Nach einer Fermate in allen vier Stim-

men geht es ohne Unterbrechung direkt zu einem zarten Alle-

gretto-Menuett. Das Finale schließlich generiert Haydn als Fuge

mit vier Themen und setzt so einen grandiosen, mit allen Raf-

finessen der Fugentechnik gespickten und ob seiner Schnellig-

keit schier atemraubenden Schlusspunkt. Weniger gelehrsam

als duftig leicht, beginnt dieser letzte Satz in gedämpftem Tonfall

und endet – erst in wirbelnden Sechzehnteln, dann in markantem

Unisono – in einer etwas martialischen Coda. Die letzten Takte

des Autografs versah der Katholik Haydn mit den Dankesworten

»Gelobt sei Gott«, fügte aber außerdem noch eine speziell auf

den Schlusssatz des Quartetts bezogene Pointe an: »So flieht

der Freund vor dem Freunde.« Wen der spitzfindige Haydn damit

wohl gemeint haben mag?

»Du, die in meinen endlosen Träumen wohnt!«

Schon in seiner Jugend hatte der gebürtige Wiener Alban Berg

ein Faible fürs Literarische, allem voran für die Lyrik. Es verwun-

dert deshalb nicht, dass das Lied in seinen frühen Schaffens-

jahren, noch vor seinem Unterricht bei Arnold Schönberg, einen

prominenten Platz einnimmt. Aber auch in seiner zwischen

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September 1925 und Juni 1926 entstandenen Lyrischen Suite für

Streichquartett, die er wie Haydn sein Opus 20 als gestandener

Vierzigjähriger komponierte, spielen Gedichte eine tragende

Rolle, wenngleich die Verse in der vor spieltechnischen und

anderen minutiös notierten Anweisungen nur so wimmelnden

Partitur nicht aufgeführt sind. Da ist zum einen das Gedicht des

Literaturnobelpreisträgers Rabindranath Tagore (1861 – 1941) Du

bist die Abendwolke, das in dem Werk seine Spuren hinterlassen

hat:

Du bist die Abendwolke, die am Himmel meiner Träume hinzieht. Ich gebe Dir Farbe und Form mit den Wünschen meiner Liebe.Du bist mein Eigen, mein Eigen, Du, die in meinen endlosen Träumen wohnt!

Deine Füße sind rosig rot von der Glut meines sehnsüchtigen Herzens, Du, Ährenleserin meiner Abendlieder!Deine Lippen sind bittersüß, denn sie kosteten aus meinem Leidenskelch.Du bist mein Eigen, mein Eigen, Du, Bild meiner einsamen Träume.

Mit dem Schatten meiner Leidenschaft hab ich Deine Augen verdunkelt, als sie in meinen Blick hinabtauchten.Ich hab Dich gefangen und Dich eingesponnen, Geliebte, in das Netz meiner Musik. Du bist mein Eigen, mein Eigen, Du, die in meinen endlosen Träumen wohnt!

Die Tagore-Verse hatten bereits anno 1923 Bergs Freund Alexan-

der von Zemlinsky zu einem Liedzyklus für Sopran, Bariton und

Orchester mit dem Titel Lyrische Symphonie inspiriert – der Berg

dann zu der dem Freund gewidmeten Lyrischen Suite beflügelte.

Um die Verbindung der beiden so ähnlich betitelten Werke zu

bekräftigen, zitierte Berg im vierten Satz seiner Suite jene Melo-

die, mit der Zemlinsky den Refrain »Du bist mein Eigen, mein

Eigen« vertont hatte. Aber auch über das melodische Zitat und

den vierten Satz hinaus dürfte das Gedicht, das die Liebe, Sehn-

sucht und Leidenschaft thematisiert, für Bergs Lyrische Suite eine

erhebliche Rolle gespielt haben. Zumal der Komponist den Tem-

poangaben der sechs höchst emotionalen und expressiv sinnli-

chen Sätze Adjektive wie liebevoll (amoroso), verzückt (estatico)

oder leidenschaftlich (appassionato) beifügte.

Versteckter und subtiler noch als die Tagore-Verse hat der Kom-

ponist jedoch das Gedicht De profundis clamavi von Charles

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Baudelaire (1821 – 1867) aus dem Zyklus Les Fleurs du Mal (Die

Blumen des Bösen) in sein Werk eingewoben. Erst als der Musik-

wissenschaftler George Perle Mitte der 1970er-Jahre eine von

Berg handschriftlich mit mannigfaltigen programmatischen

Anmerkungen versehene Taschenpartitur der Lyrischen Suite ent-

deckte, die der Komponist einst der Prager Industriellen-Gattin

Hanna Fuchs-Robettin gewidmet und in der er die Hauptstimmen

des letzten Satzes gleich einer Gesangslinie mit den von Stefan

George ins Deutsche übersetzten Versen Baudelaires unterlegt

hatte, wurde die Bedeutung des Gedichts offenbar. Und noch

eines geht aus diesen Eintragungen ohne Umschweife hervor:

dass Berg anno 1925 in einer – zwar geheim gehaltenen, seiner

Frau Helene aber durchaus bekannten, letztlich wohl unerfüllten

– Liebesbeziehung zu Hanna Fuchs-Robettin stand, die ihn maß-

geblich zur Komposition der Lyrischen Suite anregte. Zu eindeu-

tig sind die ersten Zeilen des Gedichts »Zu Dir, Du einzig Teure,

dringt mein Schrei, aus tiefster Schlucht, darin mein Herz gefal-

len«. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, wird auch das Zitat aus

Richard Wagners Vorspiel zum ersten Akt von Tristan und Isolde

im Schlusssatz sinnfällig. Und die letzten Zeilen des Gedichts,

»Ich neide des gemeinsten Tieres Los, das tauchen kann in

stumpfen Schlafes Schwindel. So langsam rollt sich ab der Zeiten

Spindel!«, machen auch den einzigartigen »morendo«-Schluss

der Lyrischen Suite plausibel, bei dem alle vier Instrumente peu

à peu im Nichts verebben, ersterben, ohne dass wie sonst üblich

ein Doppelstrich das Werk definitiv beschließen würde.

In Anbetracht der immensen Emotionalität, Sinnlichkeit und

Expressivität der Musik überrascht die Tatsache, dass die Lyri-

sche Suite formal und kompositionstechnisch streng durchkon-

struiert ist. Wobei sich die Entwicklung, die laut Berg dem Prin-

zip der »Stimmungssteigerung« folgt, innerhalb zweier immer

mehr auseinanderstrebender Ebenen vollzieht: Das Tempo der

lebhaften Sätze wird zunehmend schneller (Allegretto, Allegro,

Presto), das der getragenen immer langsamer (Andante, Adagio,

Largo). Die Kompositionstechnik wechselt regelmäßig zwischen

dodekaphonisch gearbeiteten Sätzen oder Satzteilen und frei

atonal angelegten. So liegt dem ersten Satz eine Zwölftonreihe

des Schönberg-Schülers Fritz Heinrich Klein zugrunde, die nicht

nur alle zwölf Töne und Intervalle enthält, sondern außerdem

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Möglichkeiten zur Bildung tonaler Komplexe und Konsonanzen

aufweist. Schon daran lässt sich erkennen, dass Berg – im Gegen-

satz zu seinem Lehrer Schönberg – einen undogmatischen, sehr

fantasievollen Umgang mit der Zwölftontechnik bevorzugte, bei

dem er auch Dreiklänge und andere tonale Elemente einbezog.

Das motivisch-thematische Geflecht, das die sechs Sätze der

Komposition zusammenschweißt, geht jedoch weit über die Ver-

bindung durch die Zwölftonreihe hinaus. »Die Verknüpfung der

einzelnen Sätze geschieht […] dadurch, dass jeweils ein Bestand-

teil (ein Thema oder eine Reihe, ein Stück oder eine Idee) in den

folgenden Satz hinübergenommen wird und der letzte wiederum

auf den ersten zurückgreift«, erklärte Berg in einer Werk-Analyse.

Wobei das Material – ganz im Sinne des von Schönberg postu-

lierten Terminus der »entwickelnden Variation« – der ständigen

Umstellung, Verwandlung und wechselnden Beleuchtung ein-

zelner Aspekte unterliegt. Als motivisch verbindendem Mate-

rial kommt der den Initialen von Alban Berg und Hanna Fuchs

entlehnten Tonfolge besondere Bedeutung zu. Beinahe in allen

Sätzen präsent, tritt es als bestimmendes Motiv am offensicht-

lichsten im fast durchweg mit Dämpfer zu spielenden Allegro

misterioso in Erscheinung, in dem Berg die Zwölftonreihe derart

transformierte, dass die Töne B-A-F-H zusammenstehen und

den gesamten Satz durchwirken. Was einmal mehr zeigt, wie raf-

finiert und ausgewogen Berg komplexe Konstruktion, expressive

Sinnlichkeit und – teils versteckt, teils offen dargelegt – Außer-

musikalisches miteinander zu verschmelzen verstand.

Freiheit des Alters

Haydns Opus 20 attestierte man einen ȟbersteigerten Radi-

kalismus«; und Theodor W. Adorno charakterisierte den kam-

mermusikalischen Spätstil Ludwig van Beethovens, wie er

sich ausgeprägt in den zwischen 1824 und 1826 entstandenen

Streichquartetten offenbart, als eine sich »rücksichtslos bekun-

dende Subjektivität, die da um des Ausdrucks ihrer selbst willen

das Rund der Form durchbricht«. Schwingt in diesen Aussagen

nicht Ähnliches mit? Zumal Adorno bei seinen Ausführungen

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die »den sinnlichen Reiz verschmähende Selbstherrlichkeit des

freigesetzten Geistes« des Komponisten betonte. Die Frage,

warum sich Beethoven für seine letzten, sozusagen Fazit zie-

henden musikalischen Gedanken noch einmal auf das Streich-

quartett besann, das er zuvor für nahezu vierzehn Jahre vernach-

lässigt hatte, lässt sich anhand der dokumentarischen Quellen

nur unzureichend beantworten. Sicherlich stimulierte aber der

Wunsch des russischen Fürsten Nikolaus Galitzin vom November

1822 den Kompositionsprozess dieser Werke, von denen heute

das a-Moll-Quartett op. 132 zu hören ist.

Schon die Fünfsätzigkeit dieses Quartetts und die Wiederholung

der Reprise statt wie üblich der Exposition im ersten Satz des

ziemlich genau hundert Jahre vor Bergs Lyrischer Suite kompo-

nierten Werkes verdeutlichen Beethovens Wunsch, traditionelle

Formmuster aufzuweichen. Und indem Beethoven auf dialekti-

sche Auseinandersetzungen weitgehend verzichtet und folge-

richtig die Durchführung des Kopfsatzes komprimiert, geht er

noch einen weiteren Schritt in diese Richtung. Auch in puncto

Struktur hatte Beethoven Besonderes im Sinn, und sein Faible für

kontrapunktische Feinarbeit und motivisch-rhythmische Variati-

onskunst allein liefert dafür nur bedingt eine Erklärung. Vielmehr

dürfte es ihm um eine neue Art der Gesamtkonzeption gegangen

sein, bei der durch Tonartenbeziehungen sowie Motivverwandt-

schaften die Sätze miteinander verknüpft sind. Ein schönes Bei-

spiel hierfür ist die Verarbeitung des zu Beginn der langsamen

Einleitung exponierten, nachdenklich-meditativen Viertonmotivs

nicht nur im ersten, sondern auch im zweiten und im letzten Satz

des Quartetts – ein Motiv, das aufgrund der Wirkung seiner bei-

den am Anfang und Ende in Gegenrichtung gesetzten Halbton-

schritte häufig als »unveränderlicher Schicksalsspruch« gedeu-

tet worden ist.

Das Herzstück des Quartetts, an dem Beethoven in den Jahren

1824/1825 unter teils starker gesundheitlicher Beeinträchtigung

arbeitete, bildet jedoch der fünfteilige dritte Satz Canzona di

ringraziamento, dem der Komponist die Bezeichnung »Heili-

ger Dankgesang eines Genesenden an die Gottheit, in der lydi-

schen Tonart« zufügte. Frappierend fortschrittlich erscheint hier

Beethovens Rückgriff auf die archaische, eine fremdartig-herbe

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Kirchentonart, hier das Lydische. Und natürlich liegt die Vermu-

tung nahe, Beethoven habe hier Erinnerungen an seine Krankheit

und Genesung musikalisch verarbeitet und so programmatische

Aspekte in die absoluteste der Musikgattungen einfließen las-

sen. Die choralartige Melodie und ihre beiden Variationen wech-

seln sich mit kontrastierenden Teilen ab, die Beethoven mit dem

Hinweis »Neue Kraft fühlend« versah. Verbindungen zwischen

all diesen unterschiedlichen Abschnitten gibt es nicht: Viel-

mehr steht Ruhe gegen Bewegung, Stufen- gegen Sprungme-

lodik, kirchentonale harmonische Besonderheit gegen übliche

Kadenzharmonik. Und die auf Schubert verweisende »himmli-

sche Länge« dieses nahezu fünfzehnminütigen langsamen Sat-

zes, der trotz seiner Schlichtheit nie eintönig wirkt, hat vielleicht

auch etwas damit zu tun, dass der Mensch im Alter der Zeit eine

andere Bedeutung beimisst und manchen Dingen schlichtweg

mehr Raum gewährt.

Und noch zwei weitere Besonderheiten des Quartetts gilt es zu

erwähnen: zum einen das am Ende des knappen vierten Satzes

von der ersten Geige vorgetragene instrumentale Rezitativ, eine

in Musik gegossene sprachliche Mitteilung; zum anderen die

Ausweitung des Tonumfangs im Cellopart, den Beethoven im

letzten Teil (Presto) des rondoartigen, subjektiv expressiven Fina-

les in höchsten Diskantregionen parallel zur ersten Violine führt

– ein Abschnitt, der aufgrund seiner spieltechnischen Schwierig-

keiten so manchen Interpreten zum Schwitzen bringt.

Ulrike Heckenmüller

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BIOGRAPHIE

Tetzlaff Quartett

Das Tetzlaff Quartett erwarb sich innerhalb kürzester Zeit den

Ruf als »eines der faszinierendsten Kammermusikensembles der

Welt.« (Florenz, La Nazione). Die gemeinsame Leidenschaft für

Kammermusik führte Christian und Tanja Tetzlaff sowie Hanna

Weinmeister und Elisabeth Kufferath 1994 zu einem Streich-

quartett zusammen. Und obwohl die Künstler nur phasenweise

zusammenarbeiten, entwickelte sich das Quartett schnell zu

einer der gefragtesten Streichquartettformationen dieser Tage.

Konzerte führten das Tetzlaff Quartett durch Deutschland, nach

Frankreich, Italien, Belgien, Großbritannien, in die Schweiz

sowie in die USA. Das Ensemble ist zu Hause auf den großen

internationalen Podien wie dem Auditorium du Louvre in Paris,

in der Société Philharmonique in Brüssel, im Wiener Musikver-

ein und im Concertgebouw Amsterdam. Es ist ein gefragter Gast

bei internationalen Festivals wie den Berliner Festspielen, dem

Schleswig-Holstein Musik Festival oder dem Musikfest Bremen.

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Eine CD mit Quartetten von Schönberg und Sibelius ist im Herbst

2010 erschienen.

Der Geiger Christian Tetzlaff ist ein gefragter Gast auf allen

Konzertpodien der Welt. Gleichermaßen heimisch im Reper-

toire der Klassik und Romantik sowie im 20. Jahrhundert, setzt

Christian Tetzlaff Maßstäbe mit seinen Interpretationen der

Violinkonzerte von Beethoven, Brahms, Tschaikowsky, Berg,

Schönberg, Schostakowitsch und Ligeti ebenso wie mit seinen

unvergleichlichen Aufführungen der Solosonaten und -partiten

von Bach. Musical America kürte ihn 2005 zum »Instrumentalist

of the Year«. Er gibt regelmäßig Duoabende mit Leif Ove Ands-

nes und Lars Vogt. Als Solist und Kammermusiker gastiert er in

allen internationalen Musikmetropolen wie New York (Carnegie

Hall und Lincoln Center), Amsterdam, Wien, London, Paris, Ber-

lin und München. Christian Tetzlaff spielt eine Violine des deut-

schen Geigenbauers Peter Greiner und lebt mit seiner Familie in

der Nähe von Frankfurt.

Elisabeth Kufferath, Violine, erhielt ihre Ausbildung bei

Uwe-Martin Haiberg und Nora Chastain in Lübeck, wo sie mit

dem Konzertexamen abschloss. Als Stipendiatin studierte sie

bei Donald Weilerstein am Cleveland Institute of Music. Sie ist

Preisträgerin des Cleveland Concerto Competition (1991) und des

Vienna Modern Masters International Competition in Wien (1996,

1. Preis). 2003 erhielt sie den Distinguished Musician’s Award der

IBLA Foundation. Elisabeth Kufferath ist gern gesehener Gast

bei internationalen Festivals wie den Berliner Festspielen, dem

Lucerne Festival, dem Festival »Spannungen« in Heimbach, dem

Schleswig-Holstein Musik Festival, dem Rheingau Musik Festival,

dem Helsinki Festival, den Interlochen Arts, dem Ravinia Festi-

val (USA) oder dem Aspen Festival (USA). Als Solistin wie auch

als Kammermusikern gastierte sie u. a. in den Philharmonien von

Berlin und Köln, im Wiener Musikverein, im Auditorium du Lou-

vre in Paris sowie in Rom, Florenz und Brüssel. Zu ihren regel-

mäßigen Kammermusikpartnern gehören u. a. Lars Vogt, Antje

Weithaas, Isabelle Faust, Jens Peter Maintz und Markus Becker.

Elisabeth Kufferath war von 1997 bis 2004 Konzertmeisterin der

Bamberger Symphoniker und danach Professorin für Violine

an der Hochschule für Musik Detmold. Seit 2009 hat sie eine

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Professur für Violine an der Hochschule für Musik und Theater in

Hannover inne. Elisabeth Kufferath spielt eine Violine des deut-

schen Geigenbauers Peter Greiner.

Hanna Weinmeister, in Salzburg geboren, wurde noch

während ihrer Schulzeit als Studentin am Mozarteum Salzburg

immatrikuliert, wechselte anschließend an die Wiener Musik-

hochschule zu Gerhard Schulz und absolvierte schließlich die

Meisterklasse von Zakhar Bron in Lübeck. Sie ist Preisträge-

rin zahlreicher internationaler Wettbewerbe, darunter 1991 der

Internationale Mozart-Wettbewerb in Salzburg und 1994 der

Concours International Jacques Thibaud. 1995 gewann sie den

International Parkhouse Award in London. Neben ihrer Stelle

als Erster Konzertmeisterin am Opernhaus Zürich konzertiert sie

als Solistin und Kammermusikerin mit Geige und Bratsche. Als

Solistin trat Hanna Weinmeister mit den Münchner Philharmo-

nikern, den Berliner Symphonikern, dem SWR Sinfonieorchester

Baden-Baden und Freiburg, dem Mozarteumorchester Salzburg,

dem Bruckner Orchester Linz und dem English Chamber Orches-

tra unter Dirigenten wie Franz Welser-Möst, Eliahu Inbal und

Michael Gielen auf. Als Kammermusikerin arbeitete sie u. a. mit

Heinrich Schiff, Leonidas Kavakos, Heinz Holliger, Gidon Kre-

mer, Alexander Lonquich, Alexei Lubimov und Benjamin Schmid

zusammen. Seit 1998 ist sie als Erste Konzertmeisterin fest beim

Orchester der Oper Zürich verpflichtet; außerdem unterrichtete

sie von 2000 bis 2004 an der Hochschule für Musik und Thea-

ter in Bern. Hanna Weinmeister spielt auf einer Viola von Peter

Greiner.

Tanja Tetzlaff studierte an der Musikhochschule Hamburg

bei Bernhard Gmelin sowie am Mozarteum Salzburg bei Heinrich

Schiff. Sie ist Preisträgerin internationaler Wettbewerbe, darunter

der Erste Internationale Musikwettbewerb in Wien 1992 (1. Preis)

und der ARD-Wettbewerb 1994 (3. Preis). Solistisch wie kam-

mermusikalisch konzertiert Tanja Tetzlaff in ganz Europa sowie

in den USA, in Australien und Japan und ist regelmäßig zu Gast

bei internationalen Festivals wie denen in Risør, Bergen, Feld-

kirch, Schwetzingen, Delft und Heimbach, bei den Berliner Fest-

wochen, dem Beethovenfest Bonn, dem Bremer Musikfest und

dem Klangbogen-Festival in Wien. Sie spielt mit den meisten

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namhaften Orchestern Deutschlands sowie mit den großen inter-

nationalen Orchestern, wie dem Tonhalle-Orchester Zürich, dem

Radiosinfonieorchester Moskau, der Camerata Salzburg oder

dem Queensland Symphony Orchestra Brisbane. Dabei arbei-

tet sie mit namhaften Dirigenten wie Daniel Harding, Sir Roger

Norrington, Vladimir Ashkenazy und Paavo Järvi zusammen. Ihre

besondere Liebe gilt der Kammermusik. Zu ihren Partnern zählen

dabei Künstler wie Lars Vogt, Alexander Lonquich, Martin Fröst,

Leif Ove Andsnes, Florian Donderer und Gunilla Süssmann. Tanja

Tetzlaff spielt ein Violoncello von Giovanni Baptista Guadagnini

aus dem Jahr 1776.

In der Kölner Philharmonie war das Tetzlaff Quartett zuletzt im

Januar 2000 zu Gast.

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KÖLNMUSIK-VORSCHAU

März

SO0316:00

Emmanuel Pahud Flöte

Franz Liszt Kammerorchester

Werke vonJohann Sebastian Bach, Antonio Vivaldi, Henry Purcell, Friedrich II. von Preußen, Frank Martin, Wolfgang Amadeus Mozart, Saverio Mercadante

13:00 Tanzschule lindig.art Blickwechsel EnSuite:»Barocke Tänze«

Sonntags um vier 4

SO0320:00

Moskauer KathedralchorAlexey Petrov Leitung

Michail GlinkaCheruvimskaja pesn’ (Cherubikon)

Aleksandr Kastal’skij»Dem guten Schäfer«

Modest Mussorgsky»Der Engel hat verkündet«

Pavel TschesnokovAm Bett des KrankenDas Abendopfer

Grigori Lwowskiy»Erbarme Dich unser«

Sergej RachmaninowVesper (Vsenoščnoe bdenie) op. 37 Das große Abend- und Morgenlob. Für gemischten Chor a cappella

IHR NÄCHSTESABONNEMENT-KONZERT

DO02

Mai20:00

ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln

JACK Quartet Ari Streisfeld Violine Christopher Otto Violine John Pickford Richards Viola Kevin McFarland Violoncello

Rodericus / JACK Quartet Angelorum Psalat

Iannis Xenakis ST/4, 1 – 080262 (1956 – 62)für Streichquartett

Guillaume Dufay / JACK Quartet Moribus et genere

Iannis Xenakis Ergma (1994)für Streichquartett

Iannis Xenakis Tetora (1990)für Streichquartett

Guillaume de Machaut / JACK Quartet Drei Stücke

Quartetto 4

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Samstag 30. März 2013

20:00

Faust –Eine deutsche VolkssageStummfilm mit Live-Musik, rekonstruierte Fassung

Als Friedrich Wilhelm Murnau seinen Faust-Film drehte, saß er bereits auf

gepackten Koffern, um seine Karriere in Hollywood fortzusetzen. Die aus-

gefeilte Kamera- und Tricktechnik versieht dieses weitere Meisterwerk des

Regisseurs mit einer besonderen visuellen Kraft. Die Bilder konfrontiert

Tobias Schwencke in seiner neuen Filmmusik mit hochromantischen Faust-

Vertonungen von Wagner, Mahler, Schumann und Liszt.

Nathan Plante Trompete

Johannes Öllinger E-Gitarre

Dominik Blum Hammondorgel

Ensemble ResonanzChristoph Altstaedt Dirigent

Friedrich Wilhelm Murnau Regie

Tobias Schwencke Komponist

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Redaktion: Sebastian Loelgen

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Textnachweis: Der Text von

Ulrike Heckenmüller ist ein Original -

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Mittwoch10.04.2013

20:00

Anne-Sophie Mutter

Violine

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London Philharmonic Orchestra Yannick Nézet-Séguin Dirigent

Modest Mussorgsky/

Nikolaj Rimskij-Korsakow

Vorspiel (Morgendämmerung an der Moskwa) aus: Chowanschtschina

Peter Iljitsch Tschaikowsky

Konzert für Violine undOrchester D-Dur op. 35

Dmitrij Schostakowitsch

Sinfonie Nr. 5 d-Moll op. 47

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