12
VORLESUNG ZUR EINFÜHRUNG IN DIE PSYCHOLOGIE 1 Diktat unter zwei Bedingungen – handschriftlich vs. tastaturschriftlich deutlich besser Erinnerung an das Diktat vor einer Woche: je gebundener desto besser je mehr Finger, desto besser Gedächtnis • Geschichte der Gedächtnispsychologie • Mehr-Speicher-Modell • Mehr-Ebenen-Modell • Erinnern und Vergessen Hermann Ebbingshaus 7. Gedächtnis

VORLESUNG ZUR EINFÜHRUNG IN DIE PSYCHOLOGIE 1 · Diktat unter zwei Bedingungen – handschriftlich vs. tastaturschriftlich deutlich besser Erinnerung an das Diktat vor einer Woche:

  • Upload
    others

  • View
    3

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: VORLESUNG ZUR EINFÜHRUNG IN DIE PSYCHOLOGIE 1 · Diktat unter zwei Bedingungen – handschriftlich vs. tastaturschriftlich deutlich besser Erinnerung an das Diktat vor einer Woche:

VORLESUNG ZUR EINFÜHRUNG IN DIE PSYCHOLOGIE 1

Diktat unter zwei Bedingungen – handschriftlich vs. tastaturschriftlich

deutlich besser

Erinnerung an das Diktat vor einer Woche:

je gebundener desto besser

je mehr Finger, desto besser

Gedächtnis

•  Geschichte der Gedächtnispsychologie •  Mehr-Speicher-Modell •  Mehr-Ebenen-Modell •  Erinnern und Vergessen

Hermann Ebbingshaus

7. Gedächtnis

Page 2: VORLESUNG ZUR EINFÜHRUNG IN DIE PSYCHOLOGIE 1 · Diktat unter zwei Bedingungen – handschriftlich vs. tastaturschriftlich deutlich besser Erinnerung an das Diktat vor einer Woche:

VORLESUNG ZUR EINFÜHRUNG IN DIE PSYCHOLOGIE 2

Ers

parn

is b

eim

2te

n E

inpr

ägen

der

Lis

ten

in

Pro

zent

Zeitabstand zum ersten Einprägen

7. Gedächtnis

Vergessenskurve für in der Schule erlerntes Spanisch (Bahrick, 1984)

7. Gedächtnis

Bei Gedächtnisleistungen sind drei Schritte zu unterscheiden:

Zeit

Einprägen Erinnern Behalten

Encoding Decoding Storage

Aufnahme Entnahme Ablage Informations-

7. Gedächtnis

Page 3: VORLESUNG ZUR EINFÜHRUNG IN DIE PSYCHOLOGIE 1 · Diktat unter zwei Bedingungen – handschriftlich vs. tastaturschriftlich deutlich besser Erinnerung an das Diktat vor einer Woche:

VORLESUNG ZUR EINFÜHRUNG IN DIE PSYCHOLOGIE 3

Das umgangssprachliche „Lernen“ psychologisch aufgeschlüsselt

Zeit

Einprägen Abrufen Behalten

Klassisches Konditionieren

Operantes Konditionieren Beobachtung Wiederholen Verstehen

“Lernen“

bewusst

unbewusst

7. Gedächtnis

Weiter muss zwischen •  Beteiligten Strukturen (Organisation)

und •  Prozessen (Aktivitäten des Gedächtnisses)

unterschieden werden

Wahrnehmung

Gedächtnis

Denken Handeln

7. Gedächtnis

Erinnern ist ein produktiver Prozess – eine Rekonstruktion und Interpretation

7. Gedächtnis

Page 4: VORLESUNG ZUR EINFÜHRUNG IN DIE PSYCHOLOGIE 1 · Diktat unter zwei Bedingungen – handschriftlich vs. tastaturschriftlich deutlich besser Erinnerung an das Diktat vor einer Woche:

VORLESUNG ZUR EINFÜHRUNG IN DIE PSYCHOLOGIE 4

Durch die Art der Frage wird die Erinnerung beeinflusst!

7. Gedächtnis

Modelle – Metaphern – des Gedächtnisses

•  Vögel in einer Vogelvoliere (Platon) •  Telefonzentrale •  Grammophon, Tonbandgerät •  Bibliothek (mit und ohne Bibliothekar) •  Förderband •  Computer

Alle nicht passend!

7. Gedächtnis

Kritik an den Raummodellen:

1. Nein-Antworten sind schneller als Ja-Antworten

BROHWOL ROTKOHL

2. Semantische Netze sind zu unflexibel und zu komplex

7. Gedächtnis

Page 5: VORLESUNG ZUR EINFÜHRUNG IN DIE PSYCHOLOGIE 1 · Diktat unter zwei Bedingungen – handschriftlich vs. tastaturschriftlich deutlich besser Erinnerung an das Diktat vor einer Woche:

VORLESUNG ZUR EINFÜHRUNG IN DIE PSYCHOLOGIE 5

Zwei Arten von Speichermodellen gibt es:

•  Mehr-Ebenen-Modelle (multi level models) und

•  Mehr-Speicher-Modelle (multi-store models) – Sensorisches Register – Kurzzeitgedächtnis –  Langzeitgedächtnis

7. Gedächtnis

Der Versuchs-ablauf in Expe-rimenten zum Sensorischen Register

Teilberichtsmethode

7. Gedächtnis

Das Kurzzeitgedächtnis

Kurzzeitgedächtnis > The magical number seven plus/minus two <

7. Gedächtnis

Page 6: VORLESUNG ZUR EINFÜHRUNG IN DIE PSYCHOLOGIE 1 · Diktat unter zwei Bedingungen – handschriftlich vs. tastaturschriftlich deutlich besser Erinnerung an das Diktat vor einer Woche:

VORLESUNG ZUR EINFÜHRUNG IN DIE PSYCHOLOGIE 6

Kurzzeitgedächtnis: Clustering

oder Chunking

B M W T V W D R I B M V W

1. BM WTV WD RIB MVW

2. BMW TV WDR IBM VW

3. Zwei Autos und drei Elektrogeräte

7. Gedächtnis

Positionseffekte für die Erinnerungsleistung von Serien:

primacy recency

7. Gedächtnis

7. Gedächtnis

Deklaratives G. Expliziter Abruf

Semantisches G.

Episodisches G.

Prozedurales G.

Assoziatives G.

Langzeitgedächtnis

Nicht-Deklaratives G. Impliziter Abruf

--> Gefühle, Emotionen

Page 7: VORLESUNG ZUR EINFÜHRUNG IN DIE PSYCHOLOGIE 1 · Diktat unter zwei Bedingungen – handschriftlich vs. tastaturschriftlich deutlich besser Erinnerung an das Diktat vor einer Woche:

VORLESUNG ZUR EINFÜHRUNG IN DIE PSYCHOLOGIE 7

Die drei Speicher im Vergleich: Sensorisches

Register Kurzzeit-

gedächtnis Langzeit-

gedächtnis Erleben gar nicht flüchtig beständig

Haltezeit 0,5 sec ca. 10 sec lang

Kapazität sehr groß 7 +/- 2 sehr groß

Zeitdruck der Reproduktion

- groß klein

Organisation visuelle Merkmale

insbes. akustisch

insbes. semantisch

7. Gedächtnis

Das Mehr-Speicher-Modell

Strukturen Prozesse

7. Gedächtnis

Organisation des Langzeitgedächtnis Deklaratives Gedächtnis

(explizit)

Semantisches Gedächtnis

• Wissen • Fakten

Episodisches Gedächtnis

• Ereignisse

Ich-Bezug Emotionen Ortsbezug Zeitbezug

Nicht-deklaratives Gedächtnis

(implizit)

Prozedurales Gedächtnis

• Bewegungs-

abläufe • Fähigkeiten

• Gewohnheiten

Assoziatives Gedächtnis

• Klassisch und

operant konditionierte Verbindungen

Gefühle / Emotionen

Page 8: VORLESUNG ZUR EINFÜHRUNG IN DIE PSYCHOLOGIE 1 · Diktat unter zwei Bedingungen – handschriftlich vs. tastaturschriftlich deutlich besser Erinnerung an das Diktat vor einer Woche:

VORLESUNG ZUR EINFÜHRUNG IN DIE PSYCHOLOGIE 8

Mehr-Ebenen-Modell Unterschiedliche Verarbeitungs“tiefe“

Craig & Lockhart, 1972

„Depth of processing is defined in terms of the meaningfulness extracted from the stimulus rather than in terms of the number analyses performed upon it.“

7. Gedächtnis

Lernen und Gedächtnis - 11 32

0

4

8

12

16

20

Satz 2 oder g Wort Häufigkeit Angenehm

Experiment zur Verarbeitungstiefe

Fazit:

- Die Lernintention ist nicht so wichtig,

- sondern die Art der Verarbeitung (Tiefe) entscheidet darüber, ob etwas behalten wird.

Erinnerte Worte

(Hyde & Jenkins, 1973)

Mehr-Ebenen-Ansatz

Art der Enkodierung

7. Gedächtnis

5.1.15

Page 9: VORLESUNG ZUR EINFÜHRUNG IN DIE PSYCHOLOGIE 1 · Diktat unter zwei Bedingungen – handschriftlich vs. tastaturschriftlich deutlich besser Erinnerung an das Diktat vor einer Woche:

VORLESUNG ZUR EINFÜHRUNG IN DIE PSYCHOLOGIE 9

Einflüsse auf Erinnerungsleistungen: Situativer Kontext

•  Situativer Kontext von Lernen und Abrufen

8. Denken und Problemlösen MO

Emotionen und Gedächtnis: Erinnerungsleistung

•  Emotion zum Zeitpunkt des Lernens und Zeitpunkt des Abrufens

= state dependency

Bower, 1981

8. Denken und Problemlösen

Einflüsse auf die Erinnerungsleistung:

•  Situativer Kontext •  Motivation und Emotion

8. Denken und Problemlösen

Page 10: VORLESUNG ZUR EINFÜHRUNG IN DIE PSYCHOLOGIE 1 · Diktat unter zwei Bedingungen – handschriftlich vs. tastaturschriftlich deutlich besser Erinnerung an das Diktat vor einer Woche:

VORLESUNG ZUR EINFÜHRUNG IN DIE PSYCHOLOGIE 10

Gedächtnisabruf findet bewusst (explizit) und unbewusst (implizit) statt.

8. Denken und Problemlösen

Amnesie retrograde - anterograde

Zeit

Kritisches Ereignis

Retrograde Amnesie

Anterograde Amnesie

davor danach

Prüfung des Gedächtnisses bei amnestischen Patienten

Explizite Prüfung •  freie Erinnerung („Woran kannst Du Sich erinnern?“) •  Wiedererkennen („Erkennst Du das wieder?“)

Implizite Prüfung •  Wortergänzungsaufgaben ohne Gedächtnisbezug

8. Denken und Problemlösen

Page 11: VORLESUNG ZUR EINFÜHRUNG IN DIE PSYCHOLOGIE 1 · Diktat unter zwei Bedingungen – handschriftlich vs. tastaturschriftlich deutlich besser Erinnerung an das Diktat vor einer Woche:

VORLESUNG ZUR EINFÜHRUNG IN DIE PSYCHOLOGIE 11

•  Wortergänzungsaufgaben •  H . . e . t . . g . r •  . . o . a . f s . r . . h •  . i . . e . l . n d

H o s e n t r ä g e r B r o t a u f s t r i c h S i e g e r l a n d

•  Zunächst werden den Patienten mit anterograder Amnesie Wortlisten vorgelesen

•  Danach werden sie explizit geprüft

•  Dann kommt es zur impliziten Prüfung

(Zur Hälfte sind die gesuchten Worte aus der o.g. Wortliste und zur anderen Hälfte aus neuen.)

• Fazit:

Die a.P. unterschei-den sich deutlich von der Kontrollgruppe im expliziten Test – nicht aber im implizi-ten.

8. Denken und Problemlösen

Welche Gedächtnisphänomene und –effekte sind bekannt?

•  Abruf kann ohne Bewusstheit erfolgen (impliziter Abruf; prozedurales Gedächtnis)

•  Gedächtnisabruf ist vom situativen Kontext abhängig

•  Gedächtnisabruf ist der Emotions- und Motivationslage abhängig („state dependency“ und „mood congruity“)

•  Gedächtnisabruf ist abhängig von dem, was vorher im Arbeitsgedächtnis war (priming)

•  Unterscheidung von freier Erinnerung und Wiedererkennen (free recall vs. recognition)

8. Denken und Problemlösen

Erklärungen von Vergessen

• Spurenzerfall •  Interferenz-Theorie • Verdrängung

8. Denken und Problemlösen

Page 12: VORLESUNG ZUR EINFÜHRUNG IN DIE PSYCHOLOGIE 1 · Diktat unter zwei Bedingungen – handschriftlich vs. tastaturschriftlich deutlich besser Erinnerung an das Diktat vor einer Woche:

VORLESUNG ZUR EINFÜHRUNG IN DIE PSYCHOLOGIE 12

8. Denken und Problemlösen

Zeit

Gedächtnis-inhalt

Erinnerung

Zeit

Gedächtnis-inhalt

Erinnerung

Zeit

Gedächtnis-inhalt

Erinnerung Zensur - Verdrängung

Therapie

Spurenzerfall

Interferenz

Verdrängung

•  Substrat-Theorien des Gedächtnis

•  Belege für ein permanentes Gedächtnis: –  elektrische Stimulation (Penfield, 1969) – Hypnose (Freud, 1900) –  84 % der Psychologen glauben daran (Loftus &

Loftus, 1980)

Erinnern und Vergessen

keine Belege bisher

Belege prinzipiell kaum zu erbringen

8. Denken und Problemlösen