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AUS DEM INHALT Vom Trend zur täglichen Herausforderung Von Mariusz C. Bodek und Hendrik Hertel B1 Führung in der digitalen Transformation Von Fatih Pekbas B4 Kryptowerte und Geldwäsche- bekämpfung im Fokus Von Dr. Christian Schmies B2 Fiat-Geld, Stable Coins, Libra und mehr Von Dr. Thomas Schönfeld und Markus Jensen B5 Bitcoins bieten Diversifikationsvorteile Von Nassib Boueri B2 Warum der Plattformökonomie die Zukunft gehört Von Dr. Tim Sievers B5 Börsen stellen sich Herausforderungen der Blockchain Von Thorsten Gommel B3 Digitale Assets erreichen die Vermögensverwaltung Von Karl im Brahm B6 Blockchain revolutioniert die Investmentwelt Von Daniel Andemeskel B4 Gewinner im Zeichen des digitalen Wandels ermitteln Von David Eiswert B6 Digitalisierung, Blockchain und Krypto Vom Trend zur täglichen Herausforderung Lösungen aus einer Hand bieten Finanzdienstleistern im digitalen Zeitalter wertvolle Unterstützung bei der Generierung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile derungsprozesse leidet nachweislich die Erfolgsquote für Veränderungen. Nur etwa ein Drittel der Verände- rungsprozesse führt laut Gartner zum Erfolg. Was es zu beachten gilt Damit die digitale Transformation nicht nur in Teilen, sondern vollstän- dig gelingt, muss die Organisation in ihrer Gesamtheit auf Veränderungs- bedarfe hin durchleuchtet werden. Erst dann können unternehmenswei- te Digitalisierungsziele erarbeitet und einzelne Digitalisierungsinitiati- ven sinnvoll aufeinander abgestimmt und konzertiert gesteuert werden. So wird vermieden, dass sich einzelne Digitalisierungsprojekte inhaltlich überlagern, und zugleich sicherge- stellt, dass sämtliche Maßnahmen gemeinsam und zielgerichtet die ganzheitliche digitale Transforma- tion des Unternehmens forcieren. Da es für eine erfolgreiche Trans- formation im digitalen Zeitalter einer Vielzahl spezieller Fähigkeiten und Erfahrungswerte bedarf, hat KPMG mit dem Digital Hub ein Ökosystem geschaffen, das Unternehmen der Finanzindustrie mit den zahlreichen Digitalisierungsexperten und Tech- Prozessen. Die Weiterentwicklung und Transformation komplexer, teils über Jahrzehnte gewachsener IT- Strukturen ist dabei eine große Herausforderung und behindert oft- mals größere Umstrukturierungen. Die Ablösung von Altsystemen, die Beherrschung der Schatten-IT und der Abbau technischer Schulden sind zeitaufwendig und kostenintensiv und erfolgen deshalb oftmals schritt- weise und unter Berücksichtigung der drängendsten Bedürfnisse. Um dennoch schnelle Erfolge bei der Automatisierung von Prozessen zu erzielen, setzen viele Finanzinstitute auf die sogenannte robotergesteuerte Prozessautomatisierung (Robotic Pro- cess Automation – kurz: RPA), bei der Software-Roboter als synthetische IT-An- wender fungieren und eine menschliche Interaktion mit Benut- zerschnittstellen verschiedener IT- Systeme nachahmen. Da weder tief- greifende Kenntnisse einer Program- miersprache noch von Systemschnitt- stellen erforderlich sind, können die Software-Roboter schnell und unkom- pliziert in bestehende Prozesse inte- griert werden und zuvor manuelle Prozessschritte automatisiert erledi- gen. In vielen Finanzhäusern entlas- ten die Software-Roboter als „virtuel- le“ Mitarbeiter bereits heute menschli- che Kollegen von unterschiedlichen Routineaufgaben. So erreicht der technologische Fort- schritt auch Unternehmensbereiche, die bisher bei der Digitalisierung von Prozessketten außen vor waren. RPA ersetzt zwar nicht die langfristige IT- Transformation, kann diese als erster Schritt hin zu einer umfassenderen Prozessautomatisierung aber ent- scheidend unterstützen, sofern die Bots von Anfang an als Zwischenlö- sung geplant werden und ihr Einsatz der Erreichung längerfristiger Ziele nicht entgegensteht. Immer schneller reagieren Neben den durch die Digitalisie- rung getriebenen technologischen Neuerungen sehen sich viele Finanz- institute weiteren, noch umfassende- ren Veränderungsbedarfen gegen- über. Die Digitalisierung verschärft das Wettbewerbsumfeld und verän- dert rasant die Marktgegebenheiten. Die Notwendigkeit, immer flexibler und schneller auf Veränderungen und neue Trends zu reagieren, for- ciert grundsätzliche Transforma- tionsbedarfe. Denn die Digitalisie- rung wirkt in unterschiedlichste Bereiche der Banken: Das Geschäfts- modell verändert sich durch die Niedrigzinsphase, und neue Erlös- potenziale werden gesucht, traditio- nelle Zusammenarbeitsformen und Organisationsstrukturen werden durch agilere Ansätze abgelöst. Kaum ein Mitarbeiter und Arbeitsplatz bleibt von diesen Umwälzun- gen verschont. Die Mit- arbeiter mitzunehmen, adäquat vorzubereiten und im Veränderungs- prozess zu begleiten wird zu einer zentralen Herausforderung. Diese wird mit jeder neu gestarteten Digitalisie- rungsinitiative und jedem zusätzlichen Ver- änderungsprozess grö- ßer. Das weltweit füh- rende Marktforschungsunterneh- men Gartner stellte in einer aktuellen Studie zum Thema Veränderungs- management fest, dass Unterneh- men durchschnittlich fünf funda- mentale Veränderungsprozesse innerhalb der letzten drei Jahre durchgeführt haben. Durch diese hohe Anzahl und teilweise komplexe Überlagerung verschiedener Verän- . . . und Hendrik Hertel Senior Manager und Leiter des Digital Hubs bei der KPMG AG Wirtschaftsprüfungs- gesellschaft Börsen-Zeitung, 4.9.2019 Die Digitalisierung ist aktuell eines der dominierenden Themen für die Unternehmen der Finanzindustrie. Banken, Versicherungen, Vermö- gensverwalter und andere Finanz- dienstleister widmen sich den zahl- reichen Herausforderungen, die die Digitalisierung für ihre Geschäftsmo- delle mit sich bringt, und treiben so den digitalen Wandel ihrer Branche voran. Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung ist dieser Wandel kei- ne rein technologische Entwicklung. Neben der Beherrschung neuer Tech- nologien, um unter anderem Prozes- se möglichst vollständig zu digitali- sieren, spielen andere Aspekte für die Unternehmen eine nicht weniger wichtige Rolle: So gilt es Mitarbeiter voranzubringen, Zusammenarbeits- formen wie auch Organisationsstruk- turen und somit letztlich das Geschäftsmodell als solches gezielt weiterzuentwickeln. Frischer Wind durch Fintechs Die Entwicklung der Fintechs zu ernst zu nehmenden Mitspielern im Bankenumfeld hat ihren Teil dazu beigetragen, dass sich die etablierten Unternehmen der Branche mit erhöhter Aufmerksamkeit der Digita- lisierung ihres Geschäfts widmen. Fintechs – junge Unternehmen aus dem Bereich der Finanztechnologie – zeichneten sich von Beginn an dadurch aus, dass sie es besser als die etablierten Unternehmen ver- standen, insbesondere weniger wis- sensintensive Finanzdienste voll- ständig zu digitalisieren und mit Hil- fe technologischer oder prozessualer Innovationen so zu individualisieren, dass vor allem für jüngere, internet- affine Kunden ein erheblicher Mehr- wert entsteht. Dadurch gelang es einigen von ihnen, entweder einzel- ne Teile der Wertschöpfungskette von Banken anzugreifen oder sich selbst zu einer vollwertigen Bank mit eigener Lizenz zu entwickeln. Diese zunächst als Nadelstiche empfundenen Angriffe auf das eige- ne Geschäftsmodell blieben den Ban- ken nicht verborgen und führten zu sehr unterschiedlichen Reaktionen: von anfänglichem Desinteresse über einen ausgeprägten Willen zur Kooperation bis hin zu Übernahmen oder der eigenständigen Adaption innovativer Geschäftsideen und Leis- tungsangebote. Die Nutzung der digitalen Möglichkeiten und die damit verbundenen Herausforde- rungen sind mittlerweile fester Bestandteil der Vorstandsagenden. Fintechs haben maßgeblich dazu bei- getragen – und tun dies auch künftig. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Entwicklungsspirale bei wichtigen Kerntechnologien wie bei- spielsweise der Cloud und bei künstlicher Intelligenz (KI) signifi- kant be- schleunigt. Viele Fortschritte der jünge- ren Vergangenheit in der Finanzbranche sind auf Entwicklungen in ausge- wählten Technologie- segmenten zurückzu- führen und erstrecken sich über alle Unterneh- mensteile vom Front- über das Middle- bis hin zum Back-Office. Ein prominentes Bei- spiel für die Digitalisierung an der Kundenschnittstelle ist die Geld- wäschegesetz-(GwG)-konforme Online-Identifikation per Video- Chat: Sie ermöglicht es dem Bank- kunden, ein Konto bei einer Bank innerhalb kürzester Zeit zu eröffnen, indem die Identität des Kunden mit- tels Ausweisprüfung während eines Videotelefonats durch die Bank oder ihren Dienstleister überprüft wird. Zuvor musste der Kunde mangels Alternativen die aufwendige Legiti- mationsprüfung via Postident durch- laufen. Der Kunde spart sich durch das neue Online-Verfahren den Weg zur Identifikationsstelle und viel Zeit; die Bank verschlankt ihre Prozesse und reduziert die Kosten für die Iden- tifizierung von Neukunden. Wegbe- reiter dieser heute selbstverständlich erscheinenden Prozessinnovation waren einzelne Fintechs und deren Beharrlichkeit im Dialog mit der Finanzdienstleistungsaufsicht. Auch unterhalb der für den Kun- den wahrnehmbaren Oberfläche tra- gen im „Maschinenraum“ der Finanz- institute zunehmend technologische Neuerungen zum Fortschritt bei. Ins- besondere die Verarbeitung von gro- ßen, bisher unstrukturierten Daten- mengen in aussagekräftige Erkennt- nisse und die Wandlung dieser Ergebnisse in Wettbewerbsvorteile sind nach wie vor eine große Heraus- forderung, die die Institute jedoch mit ansteigendem Erfolg meistern. Zudem ermöglichen Fortschritte im Bereich der Automatisierungslö- sungen sowie bei der Anwendung von KI die Reorganisation und Beschleunigung einer Vielzahl von Von Mariusz C. Bodek . . . Senior Manager und Leiter des Digital Hubs bei der KPMG AG Wirtschaftsprüfungs- gesellschaft „Die Notwendigkeit, immer flexibler und schneller auf Veränderungen und neue Trends zu reagieren, forciert grundsätzliche Transformationsbedarfe.“ nologiepartnern von KPMG vernetzt und Unterstützung bei den individu- ellen Herausforderungen in sämtli- chen Feldern der digitalen Transfor- mation bietet: von der Digitalisie- rung einzelner Prozesse oder Pro- dukte beziehungsweise Dienstleis- tungen über die gesamthafte Trans- formation von Geschäftsmodellen und IT-Systemen bis hin zur Steue- rung und Begleitung des Verände- rungsmanagements im Rahmen der Transformation. Dazu arbeitet KPMG mit einem Netz weltweit füh- render Software- und Serviceanbie- ter zusammen, um Lösungen umfas- send aus einer Hand anzubieten und Kunden bestmöglich bei der Generie- rung nachhaltiger Wettbewerbsvor- teile zu unterstützen. „Die Digitalisierung ist aktuell eines der dominierenden Themen für die Unternehmen der Finanzindustrie.“ www.lfa.de WIR FÖRDERN DIGITAL UND ANALOG NEU INNOVATIONSKREDIT 4.0 MIT TILGUNGSZUSCHUSS Bayerns Mittelstand ist stark in seiner Vielfalt. Als Förderbank für Bayern finanzieren wir digitale Ideen genauso wie bewährte Konzepte. Gerne beraten wir Sie kostenfrei, wie Sie unsere Fördermöglichkeiten nutzen können. Tel. 0800 - 21 24 24 0 Mittwoch, 4. September 2019 SONDERBEILAGE Börsen-Zeitung Nr. 169 B1

Mittwoch, 4. September 2019 Börsen-Zeitung Nr. 169 ...€¦ · Die Digitalisierung ist aktuell eines der dominierenden Themen für die Unternehmen der Finanzindustrie. Banken, Versicherungen,

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Page 1: Mittwoch, 4. September 2019 Börsen-Zeitung Nr. 169 ...€¦ · Die Digitalisierung ist aktuell eines der dominierenden Themen für die Unternehmen der Finanzindustrie. Banken, Versicherungen,

AUS DEM INHALTVom Trend zur täglichen HerausforderungVon Mariusz C. Bodek und Hendrik Hertel B1

Führung in der digitalen TransformationVon Fatih Pekbas B4

Kryptowerte und Geldwäsche­bekämpfung im FokusVon Dr. Christian Schmies B2

Fiat-Geld, Stable Coins, Libra und mehrVon Dr. Thomas Schönfeld und Markus Jensen B5

Bitcoins bieten DiversifikationsvorteileVon Nassib Boueri B2

Warum der Plattformökonomie die Zukunft gehörtVon Dr. Tim Sievers B5

Börsen stellen sich Herausforderungen der BlockchainVon Thorsten Gommel B3

Digitale Assets erreichen die VermögensverwaltungVon Karl im Brahm B6

Blockchain revolutioniert die InvestmentweltVon Daniel Andemeskel B4

Gewinner im Zeichen des digitalen Wandels ermittelnVon David Eiswert B6

Digitalisierung, Blockchainund Krypto

Vom Trend zur täglichen HerausforderungLösungen aus einer Hand bieten Finanzdienstleistern im digitalen Zeitalter wertvolle Unterstützung bei der Generierung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile

derungsprozesse leidet nachweislich die Erfolgsquote für Veränderungen. Nur etwa ein Drittel der Verände-rungsprozesse führt laut Gartner zum Erfolg.

Was es zu beachten gilt

Damit die digitale Transformation nicht nur in Teilen, sondern vollstän-dig gelingt, muss die Organisation in ihrer Gesamtheit auf Veränderungs-bedarfe hin durchleuchtet werden. Erst dann können unternehmenswei-te Digitalisierungsziele erarbeitet und einzelne Digitalisierungsinitiati-ven sinnvoll aufeinander abgestimmt und konzertiert gesteuert werden. So wird vermieden, dass sich einzelne Digitalisierungsprojekte inhaltlich überlagern, und zugleich sicherge-stellt, dass sämtliche Maßnahmen gemeinsam und zielgerichtet die ganzheitliche digitale Transforma-tion des Unternehmens forcieren.

Da es für eine erfolgreiche Trans-formation im digitalen Zeitalter einer Vielzahl spezieller Fähigkeiten und Erfahrungswerte bedarf, hat KPMG mit dem Digital Hub ein Ökosystem geschaffen, das Unternehmen der Finanzindustrie mit den zahlreichen Digitalisierungsexperten und Tech-

Prozessen. Die Weiterentwicklung und Transformation komplexer, teils über Jahrzehnte gewachsener IT-Strukturen ist dabei eine große Herausforderung und behindert oft-mals größere Umstrukturierungen. Die Ablösung von Altsystemen, die

Beherrschung der Schatten-IT und der Abbau technischer Schulden sind zeitaufwendig und kostenintensiv und erfolgen deshalb oftmals schritt-weise und unter Berücksichtigung der drängendsten Bedürfnisse.

Um dennoch schnelle Erfolge bei der Automatisierung von Prozessen zu erzielen, setzen viele Finanzinstitute auf die sogenannte robotergesteuerte Prozessautomatisierung (Robotic Pro-cess Automation – kurz: RPA), bei der Software-Roboter als synthetische IT-An­wender fungieren und eine menschliche Interaktion mit Benut-zerschnittstellen verschiedener IT-Systeme nachahmen. Da weder tief-greifende Kenntnisse einer Program-miersprache noch von Systemschnitt-stellen erforderlich sind, können die Software-Roboter schnell und unkom-pliziert in bestehende Prozesse inte­-griert werden und zuvor manuelle Prozessschritte automatisiert erledi-gen. In vielen Finanzhäusern entlas-ten die Software-Roboter als „virtuel-le“ Mitarbeiter bereits heute menschli-che Kollegen von unterschiedlichen Routineaufgaben.

So erreicht der technologische Fort-schritt auch Unternehmensbereiche, die bisher bei der Digitalisierung von Prozessketten außen vor waren. RPA ersetzt zwar nicht die langfristige IT-Transformation, kann diese als erster Schritt hin zu einer umfassenderen Prozessautomatisierung aber ent-scheidend unterstützen, sofern die Bots von Anfang an als Zwischenlö-sung geplant werden und ihr Einsatz der Erreichung längerfristiger Ziele nicht entgegensteht.

Immer schneller reagieren

Neben den durch die Digitalisie-rung getriebenen technologischen Neuerungen sehen sich viele Finanz-institute weiteren, noch umfassende-ren Veränderungsbedarfen gegen-über. Die Digitalisierung verschärft das Wettbewerbsumfeld und verän-dert rasant die Marktgegebenheiten. Die Notwendigkeit, immer flexibler und schneller auf Veränderungen und neue Trends zu reagieren, for-ciert grundsätzliche Transforma-tionsbedarfe. Denn die Digitalisie-rung wirkt in unterschiedlichste

Bereiche der Banken: Das Geschäfts-modell verändert sich durch die Niedrigzinsphase, und neue Erlös-potenziale werden gesucht, traditio-nelle Zusammenarbeitsformen und Organisationsstrukturen werden durch agilere Ansätze abgelöst.

Kaum ein Mitarbeiter und Arbeitsplatz bleibt von diesen Umwälzun-gen verschont. Die Mit-arbeiter mitzunehmen, adäquat vorzubereiten und im Veränderungs-prozess zu begleiten wird zu einer zentralen Herausforderung. Diese wird mit jeder neu gestarteten Digitalisie-rungsinitiative und jedem zusätzlichen Ver-änderungsprozess grö-ßer. Das weltweit füh-

rende Marktforschungsunterneh-men Gartner stellte in einer aktuellen Studie zum Thema Veränderungs-management fest, dass Unterneh-men durchschnittlich fünf funda-mentale Veränderungsprozesse innerhalb der letzten drei Jahre durchgeführt haben. Durch diese hohe Anzahl und teilweise komplexe Überlagerung verschiedener Verän-

. . . undHendrik Hertel

Senior Manager und Leiter des Digital Hubs bei der KPMG AG Wirtschaftsprüfungs­-gesellschaft

Börsen-Zeitung, 4.9.2019Die Digitalisierung ist aktuell eines der dominierenden Themen für die Unternehmen der Finanzindustrie. Banken, Versicherungen, Vermö-gensverwalter und andere Finanz-dienstleister widmen sich den zahl-

reichen Herausforderungen, die die Digitalisierung für ihre Geschäftsmo-delle mit sich bringt, und treiben so den digitalen Wandel ihrer Branche voran. Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung ist dieser Wandel kei-ne rein technologische Entwicklung. Neben der Beherrschung neuer Tech-nologien, um unter anderem Prozes-se möglichst vollständig zu digitali-sieren, spielen andere Aspekte für die Unternehmen eine nicht weniger wichtige Rolle: So gilt es Mitarbeiter voranzubringen, Zusammenarbeits-formen wie auch Organisationsstruk-turen und somit letztlich das Geschäftsmodell als solches gezielt weiterzuentwickeln.

Frischer Wind durch Fintechs

Die Entwicklung der Fintechs zu ernst zu nehmenden Mitspielern im Bankenumfeld hat ihren Teil dazu beigetragen, dass sich die etablierten Unternehmen der Branche mit erhöhter Aufmerksamkeit der Digita-lisierung ihres Geschäfts widmen. Fintechs – junge Unternehmen aus dem Bereich der Finanztechnologie – zeichneten sich von Beginn an dadurch aus, dass sie es besser als die etablierten Unternehmen ver-standen, insbesondere weniger wis-sensintensive Finanzdienste voll-ständig zu digitalisieren und mit Hil-fe technologischer oder prozessualer Innovationen so zu individualisieren, dass vor allem für jüngere, internet-affine Kunden ein erheblicher Mehr-wert entsteht. Dadurch gelang es einigen von ihnen, entweder einzel-ne Teile der Wertschöpfungskette von Banken anzugreifen oder sich selbst zu einer vollwertigen Bank mit eigener Lizenz zu entwickeln.

Diese zunächst als Nadelstiche empfundenen Angriffe auf das eige-ne Geschäftsmodell blieben den Ban-ken nicht verborgen und führten zu sehr unterschiedlichen Reaktionen: von anfänglichem Desinteresse über einen ausgeprägten Willen zur Kooperation bis hin zu Übernahmen oder der eigenständigen Adaption innovativer Geschäftsideen und Leis-tungsangebote. Die Nutzung der digitalen Möglichkeiten und die damit verbundenen Herausforde-

rungen sind mittlerweile fester Bestandteil der Vorstandsagenden. Fintechs haben maßgeblich dazu bei-getragen – und tun dies auch künftig.

In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Entwicklungsspirale bei wichtigen Kerntechnologien wie bei-

spielsweise der Cloud und bei künstlicher Intelligenz (KI) signifi-kant be­schleunigt. Viele Fortschritte der jünge-ren Vergangenheit in der Finanzbranche sind auf Entwicklungen in ausge-wählten Technologie-segmenten zurückzu-führen und erstrecken sich über alle Unterneh-mensteile vom Front- über das Middle- bis hin zum Back-Office.

Ein prominentes Bei-spiel für die Digitalisierung an der Kundenschnittstelle ist die Geld­-wäschegesetz-(GwG)-konforme Online-Identifikation per Video-Chat: Sie ermöglicht es dem Bank-kunden, ein Konto bei einer Bank innerhalb kürzester Zeit zu eröffnen, indem die Identität des Kunden mit-tels Ausweisprüfung während eines Videotelefonats durch die Bank oder ihren Dienstleister überprüft wird. Zuvor musste der Kunde mangels Alternativen die aufwendige Legiti-mationsprüfung via Postident durch-laufen. Der Kunde spart sich durch das neue Online-Verfahren den Weg zur Identifikationsstelle und viel Zeit; die Bank verschlankt ihre Prozesse

und reduziert die Kosten für die Iden-tifizierung von Neukunden. Wegbe-reiter dieser heute selbstverständlich erscheinenden Prozessinnovation waren einzelne Fintechs und deren Beharrlichkeit im Dialog mit der Finanzdienstleistungsaufsicht.

Auch unterhalb der für den Kun-den wahrnehmbaren Oberfläche tra-gen im „Maschinenraum“ der Finanz-institute zunehmend technologische Neuerungen zum Fortschritt bei. Ins-besondere die Verarbeitung von gro-ßen, bisher unstrukturierten Daten-mengen in aussagekräftige Erkennt-nisse und die Wandlung dieser Ergebnisse in Wettbewerbsvorteile sind nach wie vor eine große Heraus-forderung, die die Institute jedoch mit ansteigendem Erfolg meistern.

Zudem ermöglichen Fortschritte im Bereich der Automatisierungslö-sungen sowie bei der Anwendung von KI die Reorganisation und Beschleunigung einer Vielzahl von

VonMariusz C. Bodek . . .

Senior Manager und Leiter des Digital Hubs bei der KPMG AG Wirtschaftsprüfungs­-gesellschaft

„Die Notwendigkeit, immer flexibler und schneller auf Veränderungen und neue Trends zu reagieren, forciert grundsätzliche Transformationsbedarfe.“

nologiepartnern von KPMG vernetzt und Unterstützung bei den individu-ellen Herausforderungen in sämtli-chen Feldern der digitalen Transfor-mation bietet: von der Digitalisie-rung einzelner Prozesse oder Pro-dukte beziehungsweise Dienstleis-tungen über die gesamthafte Trans-

formation von Geschäftsmodellen und IT-Systemen bis hin zur Steue-rung und Begleitung des Verände-rungsmanagements im Rahmen der Transformation. Dazu arbeitet KPMG mit einem Netz weltweit füh-render Software- und Serviceanbie-ter zusammen, um Lösungen umfas-send aus einer Hand anzubieten und Kunden bestmöglich bei der Generie-rung nachhaltiger Wettbewerbsvor-teile zu unterstützen.

„Die Digitalisierung ist aktuell eines der dominierenden Themen für die Unternehmen der Finanzindustrie.“

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MIT TILGUNGSZUSCHUSS

Bayerns Mittelstand ist stark in seiner Vielfalt. Als Förderbank für Bayernfinanzieren wir digitale Ideen genauso wie bewährte Konzepte. Gerneberaten wir Sie kostenfrei, wie Sie unsere Fördermöglichkeiten nutzenkönnen. Tel. 0800 - 21 24 24 0

Mittwoch, 4. September 2019 SONDERBEILAGE Börsen-Zeitung Nr. 169 B1

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Bitcoins bieten DiversifikationsvorteileGroßes Potenzial bei weiter kontinuierlich verbesserten Rahmenbedingungen – Über eine Anlage sollte nur nach sorgfältiger Prüfung entschieden werden

Netzwerk die Grundbedingung ver-einbart haben: Es können niemals mehr als 21 Millionen Bitcoins in Umlauf gebracht werden. Zusätzlich ist es nahezu kostenlos, Bitcoins zu überweisen, aufzubewahren und aufzuteilen. Letztlich zeichnet sich die Kryptowährung durch die Dezentralisierung ihrer Netzwerke, Infrastrukturen und Entscheidungs-prozesse aus. Infolgedessen sind Bit-coin-Überweisungen unanfechtbar und unwiderruflich.

Bitcoins können auch technisch nicht bewegt werden, solange der Besitzer sein „Passwort“ nicht offen-bart. Diese Eigenschaft wird neuer-dings zum Beispiel in Venezuela benutzt, um Kapital vor Beschlag-nahmung, Inflation und Staatsge-walt zu schützen. Dezentralisierung und Robustheit sind die Hauptmerk-male, die Bitcoins von den anderen Kryptowährungen unterscheiden. Daher ist der Bitcoin als unabhängi-ges Wertaufbewahrungs- und Ver-rechnungssystem optimiert. Wir sind der Auffassung, dass der Bitcoin das Potenzial hat, „Gold 2.0“ zu werden. In einem solchen Szenario sollte die Preisvolatilität der Kryptowährung allmählich abnehmen.

Die öffentliche Debatte zum Bit­-coin scheint in den meisten Fällen von Leidenschaften oder Interessen-konflikten geprägt zu sein. Die bestehenden Vorwürfe gegen den Bitcoin könnten durch die Entwick-lung eines Eco-Systems von regulier-ten Finanzintermediären zwischen

Blockchain und allen Marktteilneh-mern gelöst werden.

Direkt in Bitcoins zu investieren ist nämlich ein komplizierter Vorgang. Obwohl das Bitcoin-Protokoll nie beeinträchtigt wurde, sind Hacks ein ernsthaftes Risiko. Der Schwach-punkt ist dabei eher das Computer-system der Internetmarktplätze, wo viele Bitcoin-Anleger ihre Krypto-währungen hinterlegen. Ein bewähr-tes Verfahren einer direkten Investi-tion ist deshalb, seine Bitcoins selbst in der Blockchain aufzubewahren und sein Passwort mit maximal mög-licher Vorsicht zu schützen.

Es gibt kein Rechtsmittel im dezentralisierten Bitcoin-System. Daher müssen Privatinvestoren für den Erbfall eine Möglichkeit finden, das Passwort zu übermitteln, ohne es zu kompromittieren. Für institu-tionelle Investoren ist es in diesem Zusammenhang entscheidend, inter-ne Protokolle und Systeme zu entwi-ckeln, um rechtswidrige oder irrtüm-liche Transaktionen zu vermeiden.

Börsennotierte Bitcoin-replizie-rende Finanzprodukte bieten eine praktische Alternative. Man muss jedoch auf ihre Struktur achten. Geschlossene Fonds werden zum Beispiel mit wechselnder Prämie gehandelt, sodass sie die Renditen des Bitcoin-Kassakurses nicht nach-bilden. Mit Finanzderivaten ist immer ein Gegenparteirisiko verbun-den. Eine andere Gefahr liegt in den sogenannten Bitcoin Forks, die Aus-gliederungen oder Dividenden

Kryptowerte und Geldwäschebekämpfung im FokusEs erscheint plausibel, das Kryptoverwahrgeschäft der Aufsicht zu unterstellen – Der deutsche Gesetzgeber könnte damit eine Entwicklung vorwegnehmen

Über die geldwäscherechtlichen Vorgaben des europäischen Gesetz-gebers geht der Regierungsentwurf in erster Linie mit der Einführung des sogenannten „Kryptoverwahrge-schäfts“ hinaus. Die Verwahrung, die Verwaltung und die Sicherung von Kryptowerten oder privaten krypto-grafischen Schlüsseln, die dazu die-nen, Kryptowerte zu halten, soll zukünftig eine Finanzdienstleistung darstellen und damit insbesondere einer Erlaubnispflicht unterworfen werden. Die Erlaubnispflicht soll grundsätzlich bereits zum 1. Januar 2020 eingeführt werden, was im Hin-blick darauf, dass das parlamentari-sche Verfahren noch bevorsteht, sehr knapp bemessen erscheint.

Unternehmen, die derzeit bezie-hungsweise vor dem Inkrafttreten der Erlaubnispflicht bereits Geschäf-te betreiben, die als Kryptoverwahr-geschäft einzustufen sind, wird aller-dings eine kleine Erleichterung zu Teil, weil diese ihr Geschäft bis zu einer endgültigen Entscheidung über einen Erlaubnisantrag fortführen können, sofern sie innerhalb von einem Monat nach Inkrafttreten der Erlaubnispflicht der BaFin die Absicht zur Stellung eines Erlaubnis-antrags anzeigen und diesen binnen sechs Monaten nach Einführung der Erlaubnispflicht stellen.

Kontroverse Diskussionen

Im Gesetzgebungsverfahren kon­-trovers diskutiert werden dürfte der Ansatz des Regierungsentwurfs, eine

tungen durchschlagen sollen. In gewissem Kontrast dazu steht frei-lich, dass das als besonders riskant betrachtete Kryptoverwahrgeschäft damit Unternehmen vorbehalten bleibt, für die nicht einmal besonders strikte bankaufsichtsrechtliche Kapi-talanforderungen vorgesehen sind, was vermutlich dem Umstand geschuldet ist, dass innovative Unter-nehmen in diesem Bereich neben der Erlaubnispflicht nicht auch noch belastenden Eigenmittelanforderun-gen unterworfen werden sollen. Man wird insofern nicht ganz den Ein-druck los, dass es der Entwurf lieber hinnimmt, das Geschäft der Krypto-verwahrung gegebenenfalls auch bei schwach kapitalisierten Start-ups zu belassen, als etablierte Kreditinstitu-ten den Risiken dieses Geschäfts aus-zusetzen.

Kein Fremdkörper im KWG

Der Ansatz, Kreditinstituten bestimmte, als besonders riskant betrachtete Geschäfte zu versagen, ist kein Fremdkörper im KWG, das bestimmten bedeutenden Kreditins-tituten bereits heute in § 3 Abs. 2 KWG bestimmte Geschäfte, so zum Beispiel Kredit- und Garantiege-schäfte mit Hedgefonds, untersagt. Gleichwohl erscheint diskussionsbe-dürftig, ob die spezifischen Risiken des Kryptoverwahrgeschäfts tatsäch-lich derart einschneidende Restrik-tionen rechtfertigen. Erhebliche IT-Risiken können Banken und Finanz-dienstleistern auch bei ihrem tradi-

tionellen Geschäft entstehen, und zu Recht hat die BaFin dem Umgang mit diesen Risiken in den vergangenen Jahren unter anderem durch ver-schiedene Verlautbarungen und Standards besondere Rechnung getragen.

Insbesondere der Ausschluss von Unternehmen vom Kryptoverwahr-geschäft, die als Depotbank bereits über Jahrzehnte bei der Verwahrung und Überwachung anderer, inzwi-schen weit über Bankguthaben und Wertpapiere hinausgehender Ver-mögensklassen sammeln könnten, erscheint fragwürdig. Hier dürften im Rahmen des Gesetzgebungsver-fahrens auch Wechselwirkungen zum Investmentrecht zu berücksich-tigen sein, wenn der Auflage von Investmentvermögen, die in Krypto-werte investieren, keine unüber-windbaren Hindernisse aus dem Bankaufsichtsrecht entstehen sollen.

Nach der Gesetzesbegründung soll die Verwahrung von Kryptower-ten, die gleichzeitig als Wertpapiere (wohl im Sinne des Investment-rechts) qualifizieren, zwar der angeblich spezielleren Regelung des „eingeschränkten Verwahrge-schäfts“ (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 12 KWG) unterfallen beziehungsweise, soweit Kryptowerte gar unter den Wertpapierbegriff des Depotgeset-zes fallen, als Depotgeschäft zuläs-sig sein. Virtuelle Währungen dürf-ten aber regelmäßig nicht von die-sen Wertpapierbegriffen erfasst sein. Unternehmen, die lediglich über eine Erlaubnis für das Krypto-verwahrgeschäft verfügen und damit auch virtuelle Währungen verwahren und verwalten können, sind im Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) jedoch auch nach dem Regierungsentwurf nicht als Ver-wahrstellen vorgesehen.

Zudem hält bereits der Regie-rungsentwurf die „Abschirmung“ anderer Institute von den Risiken des Kryptoverwahrgeschäfts nicht kon-sequent durch, soweit er die Verwah-rung dieser Werte zulässt, wenn es sich gleichzeitig um Wertpapiere handelt. Stimmiger erschiene es, das Kryptoverwahrgeschäft auch denje-nigen Instituten zu öffnen, die bereits das traditionelle Depotgeschäft betreiben.

Bei aller Kritik, denen die „natio-nalen Alleingänge“ im Referenten- und Regierungsentwurf bereits aus-gesetzt waren, erscheint es grund-sätzlich plausibel, das Kryptover-wahrgeschäft der Aufsicht zu unter-stellen. Es wäre auch nicht verwun-derlich, wenn der deutsche Gesetz-geber damit lediglich eine Entwick-lung vorwegnimmt, die zu einem späteren Zeitpunkt in vergleichbarer Weise auf europäischer Ebene nach-gezogen wird.

Börsen-Zeitung, 4.9.2019 Mit der Änderungsrichtlinie zur Vier-ten EU-Geldwäscherichtlinie vom 30. Mai 2018, weithin auch als „Fünf-te Geldwäscherichtlinie” bezeichnet, hat Europas Gesetzgeber unter ande-rem virtuelle Währungen ins Visier genommen. Die Anbieter bestimmter

Dienstleistungen im Bereich virtuel-ler Währungen werden mit der Ände-rungsrichtlinie in den Stand der geld-wäscherechtlich Verpflichteten erho-ben und unterliegen damit fortan europaweit umfangreichen geldwä-scherechtlichen Anforderungen. Als virtuelle Währungen erfasst die Änderungsrichtlinie dabei die „digi-tale Darstellung eines Werts, die von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert wurde oder garan-tiert wird und nicht zwangsläufig an eine gesetzlich festgelegte Währung angebunden ist und die nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Geld besitzt, aber von

natürlichen oder juristischen Perso-nen als Tauschmittel akzeptiert wird und die auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehan-delt werden kann.“

Die Änderungen der europäischen Geldwäscherichtlinie sind bis zum 10. Januar 2020 in nationales Recht umzusetzen; nach Veröffentlichung eines Referentenentwurfs im Früh-jahr dieses Jahres liegt seit Kurzem

nunmehr auch der Regierungsent-wurf zur Umsetzung der Änderungs-richtlinie vor. Die durch die Richtli-nie vorgegebenen Änderungen im Bereich virtueller Währungen ent-sprechen allerdings aufgrund der Verwaltungspraxis der Bundesan-stalt für Finanzdienstleistungsauf-

sicht (BaFin) in weiten Bereichen dem, was ohnehin bereits für viele Dienstleister im Bereich der virtuellen Währun-gen in Deutschland gilt: Denn gemäß langjähri-ger Verwaltungspraxis der BaFin stuft diese vir-tuelle Währungen regel-mäßig als sogenannte „Rechnungseinheiten“ und damit auch als „Finanzinstrumente“ im Sinne des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG)

ein. Dies hat zunächst zur Folge, dass die für Dienstleistungen in Finanz-instrumenten geltenden Erlaubnis-pflichten auch dann einschlägig sind, wenn sich die Dienstleistungen auf virtuelle Währungen beziehen. Mit dem Status als Finanzdienstleis-tungs- oder gar Kreditinstitut geht sodann auch die Stellung als Ver-pflichteter im Sinne des Geldwäsche-gesetzes einher.

Für Anlagezwecke

Die Verwaltungspraxis der BaFin war zwar seit jeher umstritten und ist noch zuletzt durch das Kammer-gericht Berlin in einer strafrechtli-chen Entscheidung verworfen wor-den. Nach dem Gesetzentwurf wer-den diese Kontroversen obsolet. Denn der Regierungsentwurf veran-kert den sogenannten „Kryptowert“ nunmehr als weitere Unterform des „Finanzinstruments“ unter anderem im KWG. Dabei geht der nationale Begriff des „Kryptowerts“ allerdings über die Vorgaben der Richtlinie hinaus und erfasst nicht nur virtuelle Währungen: Neben der Tauschmit-telfunktion, die nach der Richtlinie erforderlich ist, reicht für die Qualifi-kation als „Kryptowert“ nämlich auch aus, dass der Kryptowert Anla-gezwecken dient.

Jenseits von virtuellen Währungen erfasst der Begriff des Kryptowerts damit auch Werte, die gemeinhin mit dem Begriff „Security Token“ oder „Investment Token“ bezeichnet wer-den. Auch diesbezüglich entwickelt der Regierungsentwurf grundsätz-lich die bisherige Verwaltungspraxis der BaFin fort, wonach bereits heute entsprechende Token als Wert-papier, Investmentanteil oder Ver-mögensanlage qualifizieren, unter anderem mit den entsprechenden prospektrechtlichen Folgen.

VonChristian Schmies

Partner bei der Kanzlei Hengeler Mueller in Frankfurt

„Mit der Änderungsricht­-linie zur Vierten EU-Geldwäscherichtlinie vom 30. Mai 2018, weithin auch als ‚Fünfte Geldwäscherichtlinie‘ bezeichnet, hat der europäische Gesetz­-geber unter anderem virtuelle Währungen ins Visier genommen.“

Die Anbieter bestimmter Dienstleistungen im Bereich virtueller Währungen werden mit der Änderungsrichtlinie in den Stand der geldwäscherechtlich Verpflichteten erhoben. Foto: Eisenhans/Adobe Stock

lagern, zu transportieren und aufzu-teilen ist. Zusätzlich ist es in gewis-sem Maße inflationär. Die jährliche Goldproduktion hat sich nämlich seit den siebziger Jahren mehr als ver-doppelt. Dagegen werden nationale Währungen zu sehr manipuliert, um einen glaubwürdigen Maßstab zu bil-den. Die Frage der Geldmenge ist nämlich heutzutage bedeutender denn je. Wir leben im Zeitalter des

Quantitative Easing, also einer locke-ren Geldpolitik, und der wachsenden Debatte über die Modern Monetary Theory, die man als das unbe-schränkte Abwerten der eigenen Währung für die Begleichung der staatlichen Schulden karikieren kann.

Überweisungen unanfechtbar

In diesem Kontext bietet der Bit­-coin einen Paradigmenwechsel an, wobei die Teilnehmer im Bitcoin-

„Der Bitcoin hat sich in der Vergangen­-heit manchmal antizyklisch zu Markt­-bewegungen der traditionellen Finanz­-märkte verhalten.“

Börsen-Zeitung, 4.9.2019 Der Bitcoin wurde oft als „Wilde Spe-kulation“ abgestempelt, nicht zuletzt aufgrund von Kursschwankungen von bis zu 75 % innerhalb einer Woche. Dies sollte aber nicht unbe-dingt eine Investition ausschließen. Denn es geht grundsätzlich nicht um

die Entscheidung „Investiere ich oder investiere ich nicht?“, sondern wie viel bin ich bereit angesichts des Risi-kos aufs Spiel zu setzen?

Trotz der Kursschwankungen der Kryptowährung hat eine TOBAM-Studie ergeben, dass bereits ein geringer Bitcoin-Anteil das Risiko aller untersuchten Portfolien gesenkt hat. Dies lässt sich anhand des Bei-spiels von Chlor leichter verständlich machen. Chlor ist ein sehr reaktives Element, das in hohen Konzentratio-nen toxisch ist. Dagegen kann eine geringe Menge davon verseuchtes Wasser trinkbar machen. In ähnli-

cher Weise kann das relativ instabile Element Bitcoin als Portfolio-Stabili-sator dienen.

Der Bitcoin scheint nämlich mit den anderen Marktwerten nicht ­kor-reliert zu sein. Seine Kursbewegun-gen erweisen sich zum Beispiel im Gegenteil zum Dax von globalen

Aktienindizes und Im­-mo­bilienwerten unab-hängig. So hat sich der Bitcoin in der Vergan-genheit manchmal anti-zyklisch zu Markt­-bewegungen der tradi-tionellen Finanzmärkte verhalten. Dementspre-chend kann ein gut dosierter Bitcoin-Anteil Ku r s s chwankungen eines Portfolios ab­-schwächen.

Der Bitcoin ist also ein diversifizierendes Pro-

dukt, das im Rahmen einer Investi-tionsthesis in Betracht gezogen wer-den sollte. Wir sind der Ansicht, der Bitcoin besitzt das Potenzial, ein finanzieller Wertmaßstab zu wer-den. In Volkswirtschaften geht es um die Erzeugung und den Austausch von Waren und Dienstleistungen, die anhand eines Maßstabes bewertet werden. So galt der Gold-Standard bis 1933, er endete, als Franklin D. Roosevelt den privaten Goldbesitz verbot und gleichzeitig die Goldkon-vertibilität des Dollar aussetzte.

Gold war aber kein perfekter Maß-stab, da es teuer und schwer zu

VonNassib Boueri

Quantitative Researcher bei TOBAM

Art „Trennbankengesetzgebung“ auch für das Kryptoverwahrgeschäft vorzusehen. Zu den Voraussetzun-gen für die Erlangung einer Erlaubnis für das Kryptoverwahrgeschäft soll nämlich unter anderem gehören, dass der Erlaubnisträger keine sons-tigen nach dem KWG erlaubnis-pflichtigen Tätigkeiten erbringt. Sofern sich dieser Ansatz durchset-zen sollte, hätte dies beispielsweise

zur Folge, dass die etablierten Depot-banken, die das klassische Depotge-schäft der Wertpapierverwahrung erbringen, jedenfalls dann nicht durch denselben Rechtsträger auch das Kryptoverwahrgeschäft erbrin-gen dürfen, sofern sich dieses nicht auf Kryptowerte beschränkt, die gleichzeitig als Wertpapiere qualifi-zieren.

Motiviert wird dieser Regelungs-ansatz ausweislich der Entwurfsbe-gründung durch das Ansinnen, dass die besonderen Risiken des Krypto-verwahrgeschäfts nicht auf andere Bankgeschäfte und Finanzdienstleis-

„Die Änderungen der europäischen Geld­-wäsche­richtlinie sind bis zum 10. Januar 2020 in nationales Recht umzusetzen.“

ähneln und die den Investoren nicht immer gutgeschrieben werden. Das ist in etwa so, als ob ein Fonds Ausschüt­tungen nicht den Anlegern, sondern den Fondsmanagern zu­-weist.

Fazit – Der Bitcoin hat unserer Mei-nung nach ein großes Potenzial, wenn die Rahmenbedingungen wei-ter kontinuierlich verbessert werden. Wenn er mit der nötigen Umsicht

gehandhabt wird, bietet er außer-dem Diversifikationsvorteile. Grund-sätzlich soll über eine mögliche Anla-ge nur nach sorgfältiger Prüfung und im Rahmen einer diversifizierten Vermögensallokationsstrategie ent-schieden werden.

„Wir sind der Ansicht, der Bitcoin besitzt das Potenzial, ein finanzieller Wertmaßstab zu werden. In Volkswirt­-schaften geht es um die Er­zeugung und den Austausch von Waren und Dienst­-leistungen, die anhand eines Maßstabes bewertet werden.“

B2 Börsen-Zeitung Nr. 169 SONDERBEILAGE Mittwoch, 4. September 2019

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Börsen stellen sich Herausforderungen der BlockchainWesentlich kommt es darauf an, miteinander kommunizierende Systeme zu entwickeln – Ansonsten entstehen Lösungen, die erneut Schnittstellenprobleme auslösen

gegen-Zahlung mit Smart Contracts oder selbst ausführbaren, algorith-mischen Rechtsvereinbarungen zu automatisieren.

Die Deutsche Börse

Auch die Deutsche Börse investiert bereits intensiv in die Entwicklung von Dienstleistungen, die auf dem Prinzip der Blockchain-Technologie basieren. Gemeinsam mit der „Liqui-dity Alliance“, einer Gruppe von Zentralverwahrern, hat die Deutsche Börse beispielsweise eine Block-chain-Lösung erarbeitet, die den grenzüberschreitenden Sicherheits-transfer von Wertpapieren erleich-tert. Diese Lösung ermöglicht außer-dem eine direkte Interaktion zwi-schen den Teilnehmern.

In Kooperation mit der Deutschen Bundesbank entwickelte die Deut-sche Börse 2018 darüber hinaus zwei Prototypen zur Wertpapierabwick-lung. Diese haben zum Ziel, die Abwicklung von Wertpapiertransak-tionen, Zahlungen, Zinszahlungen und Rückzahlungen bei Fälligkeit einer Anleihe zu unterstützen. Die erfolgreichen Tests der Prototypen zeigen, dass beide Lösungen für den Produktivbetrieb einer Finanzmarkt-infrastruktur geeignet sind und als Basis für weiterführende Entwick-lungen dienen können. Da sowohl die Digital-Asset-Plattform als auch die Hyperledger-Fabric-Lösung seit-her weiterentwickelt wurden, dürfte die Leistungsfähigkeit der entwickel-ten Prototypen heute sogar noch bes-ser sein.

Im Frühjahr 2019 verkündete die Deutsche Börse, dass sie gemeinsam mit der Commerzbank eine rechts-verbindliche Wertpapierabwicklung

über die DLT durchgeführt habe. Hierzu wurde eine prototypische Transaktion mittels Lieferung-gegen-Zahlung durchgeführt. Bei der Transaktion wurden zunächst digita-le Tokens in Form von Buchgeld (Cash Token) sowie von Wertpapie-ren (Securities Token) generiert, um anschließend den zeitgleichen Aus-tausch der Tokens auf Basis der DLT rechtsverbindlich abzuwickeln.

Im März 2019 ist die Deutsche Bör-se außerdem eine strategische Part-nerschaft mit Swisscom und Sygnum eingegangen. Diese Partnerschaft hat zum Ziel, eine vertrauenswürdi-ge Finanzmarktinfrastruktur für Digital Assets aufzubauen, die den regulatorischen Anforderungen ent-spricht. Kernelemente dieses Ökosys-tems sind die Emission und Verwah-rung von Digital Assets sowie der Zugang zu Liquidität und entspre-chenden Bankdienstleistungen.

Standards setzen

Die zahlreichen Machbarkeitsstu-dien, Prototyp-Entwicklungen und Evaluationstests an den aufgezeigten Börsenplätzen der Welt sind ohne Zweifel ein wichtiger Schritt, um ver-lässliche Erkenntnisse über die Vor-teile der Blockchain-Technologie im Wertpapierhandel zu erhalten. Trotz aller dabei erzielten Erfolge sollte aber nicht übersehen werden, dass es wesentlich darauf ankommt, mit-einander kommunizierende Systeme zu entwickeln. Andernfalls entstehen Lösungen, die nur in beschränkten, isolierten Ökosystemen funktionie-ren und erneut Schnittstellenproble-me auslösen.

Um dies zu verhindern, sollten sich die Akteure möglichst bald auf allge-

die örtliche Aufsichtsbehörde, bekannt, dass sie erfolgreich DVP-Funktionen für die Abwicklung toke-nisierter Vermögenswerte über ver-schiedene Blockchain-Plattformen entwickelt hätten.

Der entwickelte Prototyp verkürzt den Handelsabwicklungszyklus und reduziert das Abwicklungsrisiko. Darüber hinaus verbessert die zeit-gleiche Umsetzung von Austausch und Abwicklung digitaler Vermö-

genswerte und Wertpapiere auf ver-schiedenen Plattformen auch erheb-lich die operative Effizienz im Trans-aktionsverlauf. Die SGX und die Monetary Authority of Singapore prüfen derzeit, ob es sinnvoll wäre, den Abwicklungsprozess Lieferung-

„Auch die Deutsche Börse investiert bereits intensiv in die Entwicklung von Dienstleistungen, die auf dem Prinzip der Blockchain-Technologie basieren. Gemeinsam mit der ‚Liquidity Alliance‘, einer Gruppe von Zentralverwahrern, hat die Deutsche Börse beispielsweise eine Blockchain-Lösung erarbeitet.“

meingültige Standards einigen und ganzheitliche Regelungskonzepte für die Blockchain aufsetzen. Als Bei-spiel kann die Swift (Society for Worldwide Interbank Financial Tele-

communication) dienen, die mit der Definition von Standards für den Nachrichtenverkehr im Finanzwesen die branchenweite Effizienz erhöhte und gleichzeitig das Risiko der Marktteilnehmer reduzierte.

Umzusetzen wäre dies beispiels-weise durch die Integration von DLT in ISO 20022 oder durch die Entwick-lung eines völlig neuen Standards. Gelingt eine derartige Standardisie-rung nicht, könnte dies zu einer star-ken Fragmentierung der Blockchain führen, sodass für die Endnutzer letztendlich nur wenige – oder gar keine – Kostenvorteile entstehen.

„Die zahlreichen Machbarkeitsstudien, Prototyp-Entwicklungen und Evaluationstests an den aufgezeigten Börsenplätzen der Welt sind ohne Zweifel ein wichtiger Schritt, um verlässliche Erkenntnisse über die Vorteile der Blockchain-Technologie im Wertpapierhandel zu erhalten.“

Börsen-Zeitung, 4.9.2019 Mit der Blockchain-Technologie sind mit Blick auf den Kauf und Verkauf sowie auf die Verwaltung von Wert-papieren große Erwartungen ver-bunden. Zahlreiche Marktteilneh-

mer sehen in der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) vielversprechen-de Möglichkeiten, den Wertpapier-handel sicherer, schneller und ein-heitlicher zu machen und damit ins-gesamt effizienter und kostengünsti-ger zu gestalten. Es ist daher nicht verwunderlich, dass rund um die Welt viele Projekte zur Implementie-rung der Blockchain initiiert wurden und sich die Börsen mit einer mögli-chen Umsetzung dieser Technologie intensiv beschäftigen.

Ein Blick auf die diesbezüglichen Aktivitäten einiger großer Börsen zeigt, dass bei der Implementierung der Blockchain im Trading- und Post-Trading-Bereich in den vergangenen zwei Jahren große Fortschritte erzielt worden sind. Wenngleich die Experimentier- und Testphase noch längst nicht vorüber ist, haben einige Börsen bereits angekündigt, die DLT einführen zu wollen – und dies zum Teil auch in ihren Kernsystemen und -prozessen.

Die ASX

Die Australian Securities Ex­-change (ASX) lässt sich zweifellos als eine Vorreiterin im Einsatz der Block-chain-Technologie bezeichnen. Be­-reits 2016 kündigte sie an, ihr

25 Jahre altes CHESS (Clearing House Electronic Sub-Register Sys-tem) auf DLT umzustellen. Dazu ent-wickelte sie im Rahmen einer Part-nerschaft mit Digital Asset, einem

führenden Anbieter von DLT-Lösun-gen, einen funktionsfähigen Proto-typ einer Post-Trade-Plattform für den Clearing- und Abwicklungspro-zess im Kassa-Aktienhandel. An die-ser Initiative wirkte auch BNP Pari-

bas Securities Services in den vergangenen Jahren mit.

CHESS hat dazu beige-tragen, physische Aktien-urkunden zu demateriali-sieren und den Handels-abwicklungszyklus von T+5 auf T+2 zu verkür-zen. Experten sind davon überzeugt, dass die ASX mit einer DLT-gestützten Plattform ihr Geschäft zukunftssicherer auf-stellt, ihr Produktangebot erweitern und ihre Kun-

den besser und sicherer betreuen kann. Die ASX hat daher angekündigt, die DLT-Plattform im März/April 2021 online stellen zu wollen.

Die HKEX

Das Ziel, ihre Post-Trade-Infra-struktur zu optimieren, verfolgt auch die Hong Kong Exchange and Clea-ring (HKEX). Sie entwickelt derzeit in Zusammenarbeit mit Digital Asset und BNP Paribas eine Blockchain-Lö-sung, die die Abwicklung der Trans-aktionen im „Nordwärtshandel“ über Stock Connect beschleunigen soll. Beim „Nordwärtshandel“ können globale Investoren von Hongkong aus bis zu 568 in Schanghai gelistete Aktien handeln. Stock Connect ist ein Programm zum Handel von Aktien zwischen der HKEX, der Shanghai Stock Exchange und der Shenzhen Stock Exchange.

Anleger, die chinesische A-Shares über Stock Connect handeln wollen, haben für die Abwicklung ihrer Transaktion aktuell nur vier Stunden Zeit. Dieses enge Zeitfenster zwingt die an dieser Transaktion beteiligten Institute dazu, ihre Handelsgeschäf-te vorzufinanzieren, wodurch das Abwicklungsrisiko steigt. Außerdem können einige regulierte Fondspro-dukte wie OGAW (Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapie-ren) und AIFM (Alternative Invest-ment Fund Manager) derzeit noch nicht über Stock Connect gehandelt werden, da keine tatsächliche Liefe-rung-gegen-Zahlung (DVP – Delivery Versus Payment) erfolgt.

Ziel ist es daher, eine Lösung zu entwickeln, mit der die Marktteil-nehmer ihre Abwicklungsabläufe vorab spezifizieren können, sodass sich verschiedene Zeitzonen über-brücken lassen. Zugleich soll eine Echtzeitsynchronisierung des Post-Trade-Status zwischen den Assetma-nagern, Brokern, Verwahrstellen und der Hong Kong Securities Clea-ring Company ermöglicht werden.

Die SGX

Neben der ASX und der HKEX treibt auch die Singapore Exchange (SGX) systematisch die Implemen-tierung der Blockchain-Technologie in ihre Infrastruktur voran. Im November 2018 gaben die SGX und die Monetary Authority of Singapore,

Von Thorsten Gommel

Head of BNP Paribas Securities Services für Deutschland und Österreich

„Mit der Blockchain-Technologie sind mit Blick auf den Kauf und Verkauf sowie auf die Verwaltung von Wertpapieren große Erwartungen verbunden. Zahlreiche Marktteil­-nehmer sehen in der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) vielversprechende Möglichkeiten.“

Impressum

Börsen-ZeitungSonderbeilage

Digitalisierung, Blockchain und KryptoAm 4. September 2019

Redaktion: Claudia Weippert-StemmerAnzeigen: Bernd Bernhardt (verantwortlich)

Technik: Tom Maier Typografische Umsetzung: Nicole Weinel

Verlag der Börsen-Zeitung in der Herausgebergemeinschaft WERTPAPIER-MITTEILUNGEN Keppler, Lehmann GmbH & Co. KG

Düsseldorfer Straße 16 · 60329 Frankfurt am Main · Tel.: 069/2732-0(Anzeigen) Tel.: 069/2732-115 · Fax: 069/233702 · (Vertrieb) 069/234173

Geschäftsführung: Axel Harms, Torsten Ulrich, Dr. Jens Zinke

Druck: Westdeutsche Verlags- und Druckerei GmbH · Kurhessenstraße 4–6 · 64546 Mörfelden-Walldorf

Mittwoch, 4. September 2019 SONDERBEILAGE Börsen-Zeitung Nr. 169 B3

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Blockchain revolutioniert die InvestmentweltWie Vertrieb, Investments und Operations einer Kapitalverwaltungsgesellschaft die Technologie nutzen

für zusätzlichen Schutz und Verein-fachungen beim Prozess sorgen. Smart Contracts sind Computerpro-tokolle, die Verträge abbilden oder überprüfen und die Verhandlung oder Abwicklung eines Vertrags tech-nisch unterstützen. Die Vertragsge-staltung bei der Auflage eines Fonds ist in der heutigen Praxis noch sehr papierlastig und kann mehrere Wochen dauern. Durch die Block-chain kann dieser Prozess unter Berücksichtigung von Datenschutz-anforderungen innerhalb von Minu-ten erfolgen. Die Entwicklung sol-cher Anwendungen ist bei uns bereits weit fortgeschritten.

Investmentprozess

Beim Investmentprozess geht es um das Managen digitaler Wert-papiere und Fonds. Besonders in der Tokenisierung von Wertpapieren hat die Branche bereits sehr viele Fort-schritte gemacht. Ein Beispiel sind die ersten, von Regulatoren geneh-migten Emissionen von Security Tokens, also digitalen Wertpapieren.

Kapitalverwaltungsgesellschaften müssen sich vorbereiten, um mit die-ser neuen Art Wertpapier umgehen zu können. Das umfasst die Bewer-tung und geht über den Handel bis hin zum Risikomanagement der digi-talen Wertpapiere.

Dies bedingt unter anderem, ein neues Entscheidungs-, Handels- und Bewertungssystem aufzubauen. Genau hier liegt eines der größten Potenziale der Blockchain. Die ersten Security Tokens sind größtenteils sehr einfache Wertpapiergattungen wie Schuldscheindarlehen. Insbe-sonders bei den Over-the-coun-ter(OTC)-Instrumenten, wie zum Beispiel Real Assets, wird der Einsatz der Blockchain besonders deutlich. Eine Immobilie binnen zehn Minuten kaufen zu können, ist heute eine Uto-pie und dauert stattdessen mehrere Wochen. Zukünftig wird dies mit-samt erheblichen Kosteneinsparun-gen möglich sein. Die Blockchain wird die Fungibilität solcher Instru-mente erheblich erhöhen. Die ersten Real Estate Security Tokens sind ­­­Mit-te des Jahres auch schon in Deutsch-

land von der Bundesanstalt für Finanzdienst leistungsaufs icht (BaFin) genehmigt worden. Wir erwarten, dass weitere OTC-Instru-mente folgen werden; aber Anbieter werden auch normale Instrumente wie Aktien bald in digitaler Form emittieren.

Der Kauf und Verkauf von digita-len Fonds ist allerdings etwas kom-plexer. Solche Transaktionen invol-vieren verschiedene Marktteilneh-mer; vom Investor über den Assetma-nager und die KVG bis hin zur depot-führenden Stelle. Durch den Einsatz der Blockchain und die damit einher-gehende Desintermediation werden sich einige Funktionen fundamental verändern oder ganz wegfallen. Die Fortschritte beim regulatorischen Umgang mit sogenannten Krypto-werten und Kryptoverwahrstellen bewirken, dass sich hier in der nächs-ten Zeit einiges bewegen wird.

Administrationsprozess

Der Administrationsprozess und -aufwand wird sich, logischerweise, wenn Vertrieb und Investmentpro-zess auf der Blockchain basieren, ebenfalls verändern. Durch die ver-teilte Systemstruktur und die damit einhergehende Disintermediation werden sich das Settlement, die Buchhaltung und Verwahrung stark verändern. Einige der Funktionen in der heutigen Praxis könnten sogar ganz entfallen. Dies wird besonders vor dem Hintergrund klar, dass der Zeit- und Arbeitsaufwand signifikant geringer ist, weil nur noch digitale Werte gehandelt, geführt, verwaltet und verwahrt werden. Ein großer Vorteil ist, dass damit rein technisch Transaktionen nahezu in Echtzeit möglich sein werden. Bei Universal-Investment untersuchen und testen wir die Auswirkungen auf die Admi-nistration von digitalen Wertpapie-ren und Fonds. Die weitaus größeren Umwälzungen werden sich aber bei der Verwahrung dieser digitalen Wertpapiere ergeben.

Aber auch im Reporting kann die Blockchain eine Unterstützung sein. Sie hilft, die Effizienz zu steigern, indem das regulatorische Berichts-wesen erleichtert wird. Bereits heute befassen sich viele sogenannte Reg-tech-Start-ups mit Fragen, wie sie mit Einsatz von Technologie die Umset-zung von regulatorischen Pflichten von Marktteilnehmern erleichtern können. Denkbar ist, dass in einem geschützten Ökosystem Dokumente

Führung in der digitalen TransformationDie Finanzbranche hat Digital Leadership für sich entdeckt – Doch wer darunter lediglich eine Zusatzkompetenz sieht, springt zu kurz

In der Praxis jedoch halten immer noch viele Manager an dem Selbst-bild fest, das sie vor vielen Jahren gelernt und immer weiter verfeinert haben. Sie denken bankfachlich oft in den traditionellen Kategorien der Branche – in der Regel handelt es sich dabei um Produktkategorien. Und sie behalten ihr gewachsenes Führungs-verhalten bei, das aber in ihrem Team immer häufiger auf Unver-ständnis trifft. Sie erleben subjektiv einen Bedeutungsverlust, wenn jün-gere Kollegen ihre Autorität in Frage stellen, mutig neue Ansätze einbrin-gen und, wenn sie nicht wahrgenom-men werden, sich demotiviert ander-weitig orientieren. Attraktiver, als sich selbst in der Rolle des Bremsers zu erleben, wäre es, sich den positi-ven Aspekten einer Unternehmens-kultur im Wandel zuzuwenden.

Dazu gehört einerseits eine neue Flexibilität. Man kann es als gestan-dene Führungskraft lieben oder has-sen, aber die anstehenden Aufgaben lassen sich nur in flexiblen Struktu-ren lösen, interdisziplinär und un­-hierarchisch. Wenn ich als Führungs-kraft die Möglichkeiten der neuen Technik nicht umfassend verstehe und mir auch die Anforderungen der Kunden fremder werden, als das frü-her der Fall war, dann kann ich neue Produktideen, neue Geschäftsideen oder sogar ein neues Geschäftsmo-dell nur in einem Team entwickeln, das möglichst viele verschiedene Funktionen, Erfahrungswelten und hierarchische Stufen umfasst.

Daraus ergibt sich der nächste Vor-teil: Diversity. Millennials sind offe-ner für die Zusammenarbeit quer über gesellschaftliche Schichten, nationale und kulturelle Hintergrün-de und natürlich Geschlechter. Die junge Generation hat ein anderes

net für die schnellen Veränderungen der heutigen Arbeitswelt, so dass ein Unterschied sich heute eher zwi-schen den Generationen als zwischen den Geschlechtern ausmachen lässt.

Dieser Rückgang geschlechtsspe-zifischer Unterschiede wird auch ein neues Führungsverhalten nach sich ziehen. In Zukunft wird es einen immer geringeren Unterschied machen, ob ein Team oder ein Unter-nehmen von einem Mann oder einer Frau geführt wird. Oder ob ein Deut-scher an der Spitze steht oder ein Angehöriger eines anderen Landes oder Kulturkreises. Diese Offenheit tut dringend not, denn gemessen am internationalen oder sogar globalen Anspruch der großen deutschen Finanzinstitute sind die Führungsrie-gen immer noch sehr monokulturell.

Richtet man den Blick auf eher national ausgerichtete Adressen wie etwa die Sparkassen oder die genos-senschaftlichen Institute, so ist die Führung meist komplett in deutscher Hand. Man könnte einwenden, ohne internationalen Anspruch sei eine deutsche Führung ausreichend, doch auch diese Institute benötigen trans-formative Impulse, um die anstehen-den Aufgaben der Weiterentwick-lung, der Digitalisierung und neuer Formen der Zusammenarbeit zu meistern. Solche Impulse entstehen am ehesten in einem möglichst viel-fältig besetzten Gremium.

Die kommenden Aufgaben sind groß, und heute weiß niemand, wie die Institute nach Abschluss der digita-len Transformation aussehen werden – oder ob es solch einen Abschluss überhaupt jemals geben wird. Unter-nehmen der Finanzbranche sollten sich so gute Ausgangsbedingungen für diesen Prozess sichern, wie sie kön-nen. Sie werden sie brauchen.

Börsen-Zeitung, 4.9.2019 Praktisch jede Führungskraft in der Finanzbranche soll heute Digital-kompetenz aufweisen. Im Einzelfall wird allerdings selten definiert, was genau der Bewerber oder die Bewer-berin beherrschen soll. Der Begriff wird einerseits inflationär genutzt

und muss für vermeintlich disruptiv relevante Aktivitäten herhalten, bei denen der digitale Geschäftsbezug fehlt. Andererseits wird er nicht aus-reichend konkret ausgestaltet, wenn es darum geht, eine für das Unter-nehmen wirtschaftlich sinnvolle und für seine Kunden wertstiftende Stra-tegie zu entwickeln.

Die Anforderungen an Digitalkom-petenz sind je nach Unternehmen und Position sehr unterschiedlich, so dass die pauschale Formulierung leicht zu Missverständnissen führt: Viele Bewerber, aber auch viele Unternehmen verstehen die Trans-formation, vor der die gesamte Finanzindustrie steht, in erster Linie als technisches Phänomen, das sich mit dem nötigen technischen Ver-ständnis und mit den nötigen IT-Spe-zialisten gestalten lasse. Diese Sicht-weise stellt auch den gesamten Pro-

zess weniger als Transformation als vielmehr als ein weiteres Change-Projekt dar, das man neben oder nach den ohnehin immer anstehen-den Change-Projekten wie gewohnt abarbeiten könne.

Tatsächlich geht es um eine Umwälzung, wie sie grundlegender

kaum sein könnte – um die strategische Neuaus-richtung des Geschäfts-modells. Eine aus den 2000er Jahren herüber-gerettete Digitalkompe-tenz kann hier nicht mehr zum Erfolg führen. Nur wer Business und IT integral betrachtet, kann diesen Prozess gewinn-bringend gestalten. Neben der auch bisher schon wichtigen fachli-chen Expertise kommen deshalb neue Führungs-

qualitäten hinzu, etwa eine offene Einstellung gegenüber Innovation, Kreativität, Gestaltungsräumen, Geschwindigkeit und Wandel und insbesondere die Bereitschaft, in einem gewissen Umfang Fehler zuzulassen, und sich ihnen zu stellen, wenn sie passieren.

Dazu gewinnt in viel größerem Maße als bisher die Fähigkeit zum Dialog an Bedeutung, weil junge Kol-leginnen und Kollegen zunehmend dialogorientiert eingestellt sind und Hierarchie nicht mehr ohne Rückfra-gen akzeptieren. Viele Führungskräf-te beklagen eine mangelnde Leis-tungsbereitschaft bei den Jüngeren und übersehen dabei zwei wesentli-che Punkte.

Zum einen stellen viele Millennials die Sinnfrage und beurteilen ihr Leben und auch ihre Arbeit nach den wertstiftenden Elementen darin. Sie

VonFatih Pekbas

Berater und Führungskräfte-Coach bei Eric Salmon & Partners Executive Search and Assessment in Frankfurt

Börsen-Zeitung, 4.9.2019 Die Investmentwelt diskutiert der-zeit intensiv über die Blockchain und ihr Potenzial. Auch Politik und Regu-lierer – in Deutschland wie interna-tional – zeigen sich sehr interessiert und sind erfreulicherweise offen für neue Konzepte und Ideen. Gerade

erst Ende Juli hatte das Bundesfi-nanzministerium im Rahmen des Gesetzes zur Umsetzung der Ände-rungsrichtlinie zur Vierten EU-Geld-wäscherichtlinie die Begriffe Krypto-werte und Kryptoverwahrung expli-zit in den Entwurf mit aufgenom-

men. Das Gesetz wird Anfang 2020 in Kraft treten.

Diese gesetzlichen Anpassungen sowie die Ankündigung von Face-book, Libra an den Start zu bringen, haben den Hype um Blockchain wei-ter gesteigert. Mark Zuckerbergs Vor-stellung einer Internetwährung, eine private Komplementärwährung, soll bereits 2020 marktreif sein. Sie ruft derzeit weltweit viele Fürsprecher, aber auch massive Gegenspieler auf den Plan.

Aber warum erhält die Blockchain derzeit so viel Aufmerksamkeit? Wir gehen davon aus, dass sie die Invest-mentindustrie nicht nur verändern, sondern revolutionieren wird – und dass dies eigentlich bereits heute schon passiert. Denn das Potenzial, die gesamte Finanzwelt fundamental

umzuwälzen, hat die Blockchain auf jeden Fall. Der wesentliche Unter-schied zu anderen Entwicklungen der vergangenen Jahre ist, dass die Technologie nicht nur an den Symp-tomen von Ineffizienzen in der Finanzindustrie ansetzt, sondern vielmehr versucht, deren Ursachen

durch Intermediation und ein dezentrales, aber verknüpftes System zu eliminieren.

Betrachten wir die Entwicklung dieser Technologie anhand von konkreten Anwen-dungspotenzialen in der Praxis einer Kapitalver-waltungsgesellschaft, einer KVG. Bei Univer-sal-Investment bei-spielsweise untersuchen wir derzeit das Potenzial der Blockchain entlang

unserer gesamten Wertschöpfungs-kette, da wir glauben, dass die Tech-nologie für verschiedene Funktionen signifikanten Mehrwert schaffen kann.

Dazu haben wir eine vereinfachte Darstellung unserer Wertschöp-fungskette konzipiert, die im wesent-lichen aus dem Distributionsprozess, dem Investmentprozess und der ope-rativen Administration besteht. Die-se Entscheidung erleichtert es auch, den klaren Kundenbezug beizube-halten. Denn die Akzeptanz und Sinnhaftigkeit für Kunden muss bei allen Veränderungen und Innovatio-nen oberste Priorität behalten.

Distributionsprozess

Beim Vertrieb geht es um die Vor-teile für Kunden, sowohl für institu-tionelle und Retail-Investoren, die durch die Blockchain geschaffen werden können. Unsere Vision ist es, unseren Kundengruppen zu ermögli-chen, Investmentfonds wie Bücher bei Amazon zu erwerben: schneller, einfacher und günstiger als es bisher der Fall ist.

An erster Stelle dieser Vision steht ganz klar das zum Teil noch sehr aufwendige und langwierige Kun-den-Onboarding, auch „KYC/AML“ genannt. Besonders in diesem Bereich stechen die Vorteile der kryp-tografischen und vollkommen digita-len Eigenschaften der Blockchain hervor. Sie ermöglicht es zum Bei-spiel, bestimmte notwendige Kun-deninformationen in sogenannten Smart Contracts zu hinterlegen, die

VonDaniel Andemeskel

Head of Innovation Management bei Universal-Investment

„Wie viele neue Technologien startet auch die Blockchain mit Insellösungen entlang der Wertschöpfungskette.“

elektronisch mit Zeitstempel und Authentifizierung an Prüfer und Regulatoren über einen direkten Zugang zur Verfügung gestellt wer-den. Viele Berichte werden heute noch in Papierform und per Post ver-sendet, was zu einem erheblichen zeitlichen wie finanziellen Aufwand für alle Marktteilnehmer inklusive Regulatoren und Prüfer führt.

Zudem kann die Blockchain auch helfen, den gesamten Ablauf einer Fondsauflage mit allen einhergehen-den Prozessen schneller, einfacher

und sicherer zu gestalten. Hierbei steht insbesondere die kryptografi-sche Eigenschaft im Vordergrund. Wir untersuchen und testen aktuell verschiedene Regtech-Lösungen und werten ihre Umsetzbarkeit aus.

Ein ganzheitlicher Ansatz

Wie viele neue Technologien star-tet auch die Blockchain mit Insellö-sungen entlang der Wertschöpfungs-kette. Ihr volles Potenzial wird sie aber erst bei einer ganzheitlichen Betrachtung entfalten, also durch eine Verknüpfung aller auf ihr basie-renden Wertschöpfungsteile zu einem gesamten und integrierten Ökosystem. Andernfalls kosten immer wiederkehrende System- und Medienbrüche Zeit und Geld. Als langjähriger Plattformbetreiber für die Fondsindustrie verfolgen wir das Ziel, ein komplettes digitales und integriertes Ökosystem zu schaffen, das vom Vertrieb über den Invest-mentprozess bis hin zur Administra-tion auf der Blockchain basiert und alle Vorteile vereint. Bis diese Vision Realität ist, wird sich auf allen Seiten jedoch noch viel entwickeln müssen.

„Das volle Potenzial der Blockchain entfaltet sich erst bei einer ganzheitlichen Betrachtung, das heißt durch ein Verknüpfen aller Wertschöpfungsteile zu einem gesamten und integrierten Ökosystem.“

betreiben kein oder nur sehr wenig Impression Management, kämen also zum Beispiel nicht auf die Idee, abends länger im Büro zu bleiben, um einen arbeitsamen Eindruck zu hinterlassen. Im Gegenteil, wenn die

Arbeit getan ist, dann geht es nach Hause. Dieser Pragmatismus mag verwirren, lässt aber nicht automa-tisch auf Leistungsverweigerung schließen.

Zum anderen führt kein Weg an den jungen Kollegen vorbei. Wenn eine ganze Generation einen neuen Ton anschlägt, dann müssen Unter-nehmen sich darauf einstellen, ob sie wollen oder nicht. Sonst werden sie keinen Nachwuchs finden – Nach-wuchs, den sie umso dringender brauchen, weil irgendjemand ja das Verständnis von Technologie ins Unternehmen bringen und dort wei-terentwickeln muss. Ein 25-jähriger Digital Native hat nun mal bessere Karten als ein 55-jähriger Vorstand. Die meisten Führungskräfte sind hier überfordert und dementsprechend auf jüngere Mitarbeiter angewiesen.

„Die kommenden Aufgaben sind groß, und heute weiß niemand, wie die Institute nach Abschluss der digitalen Transformation aussehen werden – oder ob es solch einen Abschluss überhaupt jemals geben wird.“

Verständnis von Lebensrollen, von der Akzeptanz eines Gegenübers ohne oder zumindest mit wenigen Vorurteilen. Dementsprechend un­-ter­­scheiden sich auch die Geschlech-ter heute weniger in ihrem berufli-chen Verhalten, als das in früheren Generationen der Fall war.

Diversity schafft Flexibilität

Junge Männer legen Wert auf Familie und Freizeit, Sinnhaftigkeit und Stimmigkeit – alles Attribute, die wir früher eher nur mit Frauen in Verbindung gebracht hätten. Junge Frauen scheuen sich weniger als ihre Mütter, ihren Anspruch auf Karriere und gesellschaftliche Teilhabe zu

artikulieren und selbstbewusst zu vertreten – ein Verhalten, das früher eher Männern vorbehalten war. Schließlich sind beide Geschlechter in gleichem Maße in einer digitalen Welt aufgewachsen, technikaffin und flexibel. Sie sind besser gewapp-

„Wenn eine ganze Generation einen neuen Ton anschlägt, dann müssen Unternehmen sich darauf einstellen, ob sie wollen oder nicht. Sonst werden sie keinen Nachwuchs finden – Nachwuchs, den sie umso dringender brauchen.“

Die Blockchain hat das Potenzial, die gesamte Finanzwelt fundamental umzuwälzen. Foto: peshkova/Adobe Stock

B4 Börsen-Zeitung Nr. 169 SONDERBEILAGE Mittwoch, 4. September 2019

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Fiat-Geld, Stable Coins, Libra und mehrFünf Thesen von PwC zu Blockchain im Finanzwesen – Für den Erfolg ist es maßgeblich, dass das Ökosystem als Ganzes im Blick bleibt

mit schwachem Finanzsystem durch-setzen.

Die Ankündigung der Libra Asso-ciation im Juni 2019, mit „Libra“ eine eigene Kryptowährung zu entwi-ckeln, hat für großes Aufsehen gesorgt. Rasch meldeten sich kriti-sche Stimmen zu Wort, darunter Jerome Powell, Chef der US-Zentral-bank. Auch die G7- Finanzminister haben bereits angekündigt, die neue Währung von Facebook, Uber, Voda-fone, PayPal, Mastercard und ande-ren Unternehmen genau im Blick zu behalten.

Wir erwarten, dass es in Ländern mit stabilen, funktionierenden Fiat-Währungen und gut entwickeltem Finanzsystem starken Widerstand der etablierten Akteure, insbesonde-re der Zentralbanken, hierzu geben wird. Aber: In Ländern und Regionen mit schwach ausgebildetem Finanz-system oder gar dysfunktionaler Währung könnte „Libra“ sich durch-zusetzen. Denn dort wird die „Face-book-Währung“ den Bevölkerungen aller Voraussicht nach mehr Beteili-gung am Wirtschaftsleben ermögli-chen, was ihnen im bestehenden Sys-tem bislang oft verwehrt bleibt. Ob sich die Währung dann auch in hoch-entwickelten Finanzsystemen durch-setzen kann und, falls ja, wie schnell dies geschehen wird, ist zurzeit noch offen.

Fazit – Die Blockchain bietet enor-mes Potenzial, den Handel – insbe-sondere elektronisch verfügbarer Güter, zum Beispiel Wertpapiere – erheblich zu vereinfachen und die damit heute zum Teil einhergehen-den Kosten und Verzögerungen deut-lich zu reduzieren. Für den Erfolg ist allerdings maßgeblich, dass das Öko-system als Ganzes im Blick bleibt, sodass alle entscheidenden Akteure ihren Vorteil finden. Zumindest im ersten Schritt hilft es dazu, wenn die heute im B2B-Umfeld unverzichtba-ren Bestandteile der Geschäftspro-zesse (inklusive des Fiat-Geldes) ebenfalls auf der Blockchain verfüg-bar werden. Je evolutionärer der Pro-zess sich gestalten lässt, desto schnel-ler kann er sich etablieren und dann seine weitere Entwicklung nehmen.

Warum der Plattformökonomie die Zukunft gehörtNeuer Abwicklungsstandard für einen 50-Billionen-Dollar-Markt – Open Banking ist im Einlagengeschäft keine Nischenanwendung mehr

sen in Form eines „Deposits-as-a-Ser-vice“-Angebots. Sie vergrößert den adressierbaren Markt für die Einla-genangebote der Banken, reduziert so ihre Zinskosten und hilft ihnen, ihren Finanzierungsmix zu diversifi-zieren.

Auf diese Weise nutzt zum Beispiel die Creditplus Bank AG, eine speziali-sierte Konsumentenkreditbank, die zum französischen Crédit Agricole Konzern gehört, Open Banking im Einlagengeschäft. Als einlagenneh-mende Bank sammelt sie unter ande-rem von den Kunden des Direktpor-tals Zinspilot sowie der Deutschen Bank Kundengelder ein und erzielt so eine höhere Reichweite.

Zudem löst die Plattformökono-mie geografische Grenzen im Einla-gengeschäft auf. Die französische Mymoneybank etwa sammelt Privat-kundeneinlagen in Deutschland ein, ohne dafür extra eine eigene Infra-struktur hierzulande aufgebaut zu haben. Über die gleiche Plattform sammelt die britische Bank Close Brothers Limited Einlagen aus Deutschland in Euro ein und listet, als Absicherung gegen den Brexit, zusätzliche Produkte auf der Zins-plattform Savedo in der Schweiz, um Zugang zu Einlagen von Kunden außerhalb der Europäischen Union zu erhalten.

An diesem Beispiel wird die Effi-zienz der Plattform in der Wertschöp-fungskette deutlich: Einlagenneh-mende Banken erreichen mit einem Schlag eine Vielzahl von Point-of-Sale-Partnern. Sie sammeln Kunden-gelder über unterschiedliche Partner und aus unterschiedlichen Ländern ein, können dabei aber sämtliche Prozesse standardisiert und einheit-lich über die gleiche Infrastruktur abwickeln. Point-of-Sale-Partner auf der anderen Seite gewinnen über nur eine Implementierung Zugang zu einer großen Produktauswahl vieler Banken aus verschiedenen Ländern.

Die Nutzung einer Open-Banking-Plattform erlaubt es Banken dabei, sich als zentraler Financial Point of Sale für ihre Kunden aufzustellen, indem sie selbst auch Einlagenpro-

dukte von Drittbanken anbieten. Das geschieht über die bestehende Kun-denbeziehung, ohne dass der Kunde extra ein Konto bei der Drittbank eröffnen muss. Prominentes Beispiel hierfür ist die Deutsche Bank, die mit ihrem ZinsMarkt mit Hilfe der Platt-form von Deposit Solutions einen eigenen Zinsmarktplatz mit Drittan-geboten für ihre Kunden aufgebaut hat und diesen erfolgreich zur Kun-denbindung und Neukundengewin-nung nutzt.

Privatbanken wie Merck Finck begegnen dem Bedarf ihrer Kunden nach einer Verzinsung der Cash-Positionen ebenfalls mit dem Ange-bot von Einlagenprodukten von

Drittbanken – in diesem Fall gesteu-ert über die Kundenberater. Auch für sie steht das Ziel im Vorder-grund, sämtliche Bedürfnisse des Kunden vollumfänglich aus einer Hand zu bedienen.

Zugang für neue Teilnehmer

Die Plattform als neuer Abwick-lungsstandard ermöglicht es jedoch nicht nur Banken, den Nutzen von Einlagen als Kundenprodukt oder Finanzierungsquelle für sich zu maximieren, sondern sie erlaubt es neuen Marktteilnehmern, am Einla-gengeschäft zu partizipieren – und zwar auch solchen Akteuren, denen

dieser Zugang bislang strukturell bedingt verwehrt war.

So nutzt der genossenschaftliche Banksektor bereits seit geraumer Zeit Open Banking im Einlagengeschäft mit Erfolg: Die Münchener Hypothe-kenbank hatte als Immobilienkredit-spezialist zuvor keine Möglichkeit, Einlagenprodukte an Privatkunden zu vertreiben und sich auf diese Wei-se zu finanzieren. Die Volksbanken und Raiffeisenbanken wiederum ver-fügen traditionell über große Bestän-de an Einlagen und können häufig nicht mit den Zinssätzen anderer Banken konkurrieren – ihnen droht der allmähliche Verlust von Kunden.

Fortsetzung Seite B6

Börsen-Zeitung, 4.9.2019 Immer mehr Banken möchten Platt-formen nutzen oder selbst zu Platt-formen werden, um in bestimmten Segmenten ihren Marktzugang zu verbessern, ihre Reichweite zu erhö-hen oder Skaleneffekte auszunutzen. Im Einlagengeschäft verbessert die

Plattformökonomie bereits die Abwicklung zwischen Banken und ihren Kunden – und öffnet überdies den Markt für neue Akteure.

Die wahre Kraft der Digitalisierung zeigt sich immer dann, wenn Unter-nehmen nicht versuchen, konventio-nellen Produktangeboten eine neue digitale Verpackung zu geben, son-dern wenn sie von Grund auf die gesamte Wertschöpfungskette über-denken und neue Geschäftsmodelle entwickeln. Im Banking passiert genau dies seit einiger Zeit in einem Segment, das in den vergangenen Jahrzehnten nicht als besonders innovationsstark galt: dem Einlagen-geschäft.

Kundeneinlagen stellen mit rund 40% der gesamten Bilanzsumme europäischer Banken eine höchst relevante Finanzierungsquelle dar. Sie gelten als besonders stabil, wir-ken sich vorteilhaft auf Bilanzstruk-tur und Liquiditätskennzahlen aus, wie die kurzfristige Liquidity Cove­-rage Ratio (LCR) oder die strukturel-le Net Stable Funding Ratio (NSFR).

Gleichzeitig machen Spareinla-gen etwa ein Drittel des gesamten Privatvermögens aller Kunden weltweit aus und gelten gerade in

Deutschland als wichtige Ankerpro-dukte, über die Banken neue Kun-den gewinnen und die Beziehung zu bestehenden Kunden vertiefen können. Sie erfüllen somit zwei Funktionen gleichzeitig: Sie sind ein gefragtes Produkt bei Kunden und eine wichtige Finanzierungs-

quelle für Banken. In der Vergangenheit

konnten nur jene Ban-ken Kundeneinlagen zur Finanzierung einsam-meln, die über eine eige-ne Infrastruktur und einen eigenen Kunden-zugang verfügten, zum Beispiel über ein Filial-netz oder einen breiten Online-Kundenstamm, und die damit selbst als sogenannter Financial Point of Sale agieren konnten. Auf der ande-

ren Seite konnten nur jene Banken ihren Kunden Sparprodukte anbie-ten, denen es möglich war, die Kun-dengelder auf die eigene Bilanz zu nehmen, ohne zu hohe Kosten oder Ungleichgewichte in ihrer Bilanz-struktur zu verursachen.

An dieser Stelle verändert die Plattformökonomie die Spielregeln für alle Beteiligten: Sie ermöglicht die Trennung von Produktsteller und Financial Point of Sale. So können sich Banken vereinfacht gesagt aus-suchen, ob sie Einlagen zur Finanzie-rung einsammeln oder Einlagen als Produkt vertreiben möchten, ohne dass das eine das andere voraussetzt.

Geringere Zinskosten

Banken, die Einlagen einsammeln möchten, erhalten mit Hilfe einer Open-Banking-Plattform über die Vielzahl auf der anderen Seite ange-schlossener Point-of-Sale-Partner Zugang zu Millionen von Sparern, ohne sich selbst um Kundenakquise, Kontoführung, Kundenservice etc. kümmern zu müssen. Für die Bank steht der Zugang zu zusätzlichen Finanzierungsquellen im Mittel-punkt – die Plattform bietet ihr die-

VonTim Sievers

CEO und Gründer von Deposit Solutions

Börsen-Zeitung, 4.9.2019Die Blockchain-Technologie wird den Finanzsektor in den kommenden Jahren massiv verändern. Doch was genau kommt auf uns zu? PwC hat dazu fünf Thesen.

In den vergangenen zwei, drei Jah-ren wurden Blockchains einer breite-

ren Öffentlichkeit vor allem im Zusammenhang mit Kryptowährun-gen wie Bitcoin, Ethereum und ande-ren bekannt. Inzwischen zeigen auch Banken ein zunehmendes Interesse an der Technologie und arbeiten bei-spielsweise an Anwendungen für den Zahlungsverkehr oder das Regula-tionsmanagement. Zwar steht die Entwicklung noch am Anfang. Doch die folgenden Szenarien erscheinen bereits realistisch:

These 1: Für die Kernprozesse im Finanzwesen werden private Block-chains auf absehbare Zeit die größte Rolle spielen.

Unternehmen, die im heutigen regulierten Marktumfeld Block-chains einsetzen möchten, müssen zahlreiche Auflagen erfüllen. Die zurzeit wichtigsten sind die Daten-schutzgrundverordnung sowie Anti-Geldwäsche-Anforderungen wie KYC (Know Your Customer) und AML (Anti-Money Laundering). Außerdem müssen Finanzinstitute Möglichkeiten zur Korrektur, Stor-nierung und Rückabwicklung von Transaktionen bereitstellen. Wir sehen positive Signale der Regulie-rungsbehörden für den Blockchain-Einsatz; insbesondere auch Vorschlä-ge, die Rechtslage so zu erweitern,

dass etwa Wertpapieremissionen vollständig auf einer Blockchain erfolgen können, und zwar durch den Wegfall der Beurkundungs-pflicht für Inhaberschuldverschrei-bungen.

Allerdings darf dies nur ein erster Schritt sein, dem sehr schnell der

zweite folgen muss, nämlich alle Arten von Wertpapieren auf diese Weise für eine Begebung auf der Blockchain frei-zugeben. Entscheidend wird zudem sein, ob die Regulatoren dann kon-krete Blockchain-Projek-te genehmigen.

Absehbar ist deshalb, dass in den Kernprozes-sen von Banken und Ver-sicherungen vor allem private Blockchains ein-gesetzt werden – also

solche, die nur für eine bestimmte Nutzergruppe verfügbar sind und von zentral Verantwortlichen gesteu-ert werden. Abweichungen hiervon kann es dadurch geben, dass soge-nannte Sidechains zum Einsatz kom-men. Das Prinzip dahinter: Vertrauli-che Daten werden in einem „priva-ten“ Bereich (in der Regel einer Pri-vate Blockchain) gehalten; die ent-sprechenden Schlüssel (die selbst keinerlei vertrauliche Informationen enthalten) werden hingegen in einer Public Blockchain gespeichert und profitieren damit von deren hohem Sicherheitsschutz.

These 2: Blockchains brauchen einen validen Business Case.

Als 2018 mit dem Hype der Initial Coin Offerings (ICO) die auf der Blockchain-Technologie basierende Kapitalbeschaffung einen großen Aufschwung nahm, lag der Fokus sehr stark auf Kunden im Retail-Seg-ment. Andere Wirtschaftszweige spielten eine untergeordnete Rolle.

Erfolgreich in weiten Teilen des Geschäftslebens werden Blockchains aber nur sein, wenn sie für die gesam-ten Geschäftsprozesse nachweisbar Mehrwert schaffen. Unsere Projekt-erfahrung zeigt außerdem: Initiati-ven, die vor allem auf das Interesse

VonThomas Schönfeld . . .

Director PwC

einzelner Akteure an der Technolo-gie bauen, werden sich kaum auf breiter Basis durchsetzen können – zum Beispiel Vorstöße von Wert-papier-Emittenten, die die Interessen und Geschäftsmodelle der übrigen Marktteilnehmer nicht beachten. Entscheidungen für oder gegen

Blockchains werden nach rationalen Kriterien und in vorgegebenen Genehmigungsprozessen getroffen – hier sind in aller Regel Gremien statt Einzelpersonen beteiligt.

These 3: Entscheidend für den Einsatz der Blockchain im Finanzwe-sen wird sein, das Ökosystem als Ganzes im Blick zu behalten; ansons-ten werden wichtige Akteure deren Einsatz bremsen.

Beim Blockchain-Einsatz gilt: ganz oder gar nicht. Wenn es – jenseits von bereits heute vorhandenen Pro-totyen – dazu kommen soll, reicht es keinesfalls aus, nur Teile der Wert-schöpfungskette auf die Blockchain zu übertragen, sondern das gesamte Ökosystem ist zu berücksichtigen. Ansonsten verbleiben die „vergesse-nen“ Teile der Wertschöpfung in der „alten“ Welt – und müssen im Nach-hinein mit sehr großem Aufwand angebunden werden. Da das äußerst ineffizient wäre, würde es mit hoher Wahrscheinlichkeit den Business Case für den Einsatz der Blockchain empfindlich beeinträchtigen oder gar völlig zerstören.

Dies gilt insbesondere bei Prozes-sen, die sehr komplex und über viele Marktteilnehmer verteilt sind – wie das Kapitalmarktgeschäft. Hier

kommt Folgendes hinzu: Einige der wichtigsten Marktteilnehmer leben gut davon, dass sie die angesproche-nen Ineffizienzen für ihre Kunden managen. Prime Broker übernehmen beispielsweise Risiken für ihre Kun-den, die aus der aktuellen T+2-Erfül-lung, also der Verbuchung der

gehandelten Wertpapie-re am zweiten Tag nach dem Handel, resultie-ren. Diese Akteure sind für den Übergang in eine auf Blockchain basieren-de Welt notwendig, kön-nen selbst aber nur dann ein Interesse an der Technologie haben, wenn diese ihr Geschäftsmodell wenn nicht erhält, so doch Alternativen für neue Services bietet. Ansons-ten werden diese Markt-

teilnehmer kaum kooperieren. Denn sie würden durch Blockchains einen wesentlichen Teil ihres Geschäfts verlieren – ohne Kompensations-möglichkeit.

Allerdings werden diese Marktteil-nehmer die Blockchain nicht aufhal-ten können, wenn die Technologie für den Markt insgesamt die attrak-tivste Option ist. Sie können den Übergang in die Blockchain-Welt jedoch erheblich bremsen.

These 4: Fiat-Geld wird auf Block-chains entscheidend bleiben, Stable Coins werden verschwinden.

Die Vorteile von Blockchains bestehen darin, dass sie Vertrauen zwischen einander grundsätzlich misstrauenden Parteien schaffen, indem sie technisch durch multiple Redundanz Ausfallsicherheit schaf-fen und Manipulation verhindern. Ein weiterer entscheidender Vorzug besteht darin, dass sie es erlauben, verschiedene Prozessstränge über Smart Contracts beziehungsweise digitale Verträge miteinander zu ver-ketten. Finanzinstitute und andere Akteure können beispielsweise Geld oder Aktien transparent und kon-fliktfrei miteinander handeln. Ein konkretes Beispiel für eine solche Prozessverkettung ist die Produktlie-

. . . undMarkus Jensen

Senior Manager PwC

ferung und -bezahlung in Form einer Zug-um-Zug-Erfüllung (Delivery vs Payment, DvP).

Aber: Unternehmen bilanzieren in Fiat-Geld (in traditionellen Währun-gen wie Euro oder Dollar) – und werden dies auf absehbare Zeit auch weiterhin tun. Das bedeutet: Auch die Bezahlung einer Lieferung muss weiterhin in Fiat-Geld erfolgen. Wür-den Marktteilnehmer stattdessen in einer Kryptowährung wie Bitcoin oder Ethereum bezahlen, drohte ihnen ein zusätzliches Kursrisiko zu der verwendeten Kryptowährung. Und dies wiederum wäre eine weite-re Gefahr für das Geschäftsmodell dieser Marktteilnehmer. Fiat-Geld auf der Blockchain verfügbar zu machen, wird daher für deren Ein-satz entscheidend bleiben.

Kryptowährungen wie Bitcoin wurden in bewusster Abgrenzung zu Fiat-Währungen erzeugt. Diesen Zweck werden sie sicherlich auch weiterhin erfüllen und daher weiter-

existieren wie bisher. Stable Coins hingegen dürften mittelfristig ver-schwinden. Sie dienen heute im Wesentlichen dazu, stabile Assets wie Gold oder Fiat-Geld auf einer Blockchain abzubilden, ohne das Krypto-Ökosystem zu verlassen. Sobald es regulatorisch sicher Fiat-Geld auf Blockchains gibt, werden Stable Coins als Zahlungsmittel obsolet.

These 5: Die Facebook-Währung Libra wird sich vor allem in Ländern

„In den vergangenen zwei, drei Jahren wurden Blockchains einer breiteren Öffentlichkeit vor allem im Zusammenhang mit Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum und anderen bekannt.“

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Mittwoch, 4. September 2019 SONDERBEILAGE Börsen-Zeitung Nr. 169 B5

Page 6: Mittwoch, 4. September 2019 Börsen-Zeitung Nr. 169 ...€¦ · Die Digitalisierung ist aktuell eines der dominierenden Themen für die Unternehmen der Finanzindustrie. Banken, Versicherungen,

Digitale Assets erreichen die VermögensverwaltungDer Krypto-Markt reift immer mehr – Banken und Vermögensverwalter sollten ihre Chance jetzt nutzen

die Handelsvolumina das nach wie vor große Interesse. Tatsächlich wer-ten viele Analysten das Platzen der Krypto-Blase sogar als Zeichen der wachsenden Reife digitaler Assets.

• Der Diversifikationseffekt – Beim Aufbau eines Portfolios ist die Korrelation zwischen den enthalte-nen Vermögenswerten wichtig. Für eine maximale Diversifikation sollte das Risiko auf mehrere, nicht korre-lierte Marktfaktoren verteilt werden. Weil Bitcoin nicht durch einen Sach-wert gestützt wird, korreliert es meist nicht mit anderen finanziellen Ver-mögenswerten. Da die Volatilität von Krypto-Produkten derzeit hoch ist, kann sie auch die Portfolio-Perfor-mance steigern – die richtige Absi-cherungspolitik vorausgesetzt. Die Krypto-Währungs-Variante der Sta-blecoins – zu denen auch das jüngst vorgestellte Project Libra von Face-book zählt –, schränkt diese Volatili-tät bewusst ein.

Noch hält sich die Akzeptanz von Krypto-Assets in Grenzen, bei Inves-toren wie bei Finanzinstituten. Herausforderungen sind die techni-sche Komplexität und die Unsicher-heit der Marktteilnehmer. Wo fängt ein Privatanleger an, der sich prinzi-piell für Krypto-Währungen ent-schieden hat? Wer sind die vertrau-enswürdigen Akteure am Markt? Welche Liquidität bieten diese Bör-sen und wie zufriedenstellend sind die Custodian-Vereinbarungen?

Zudem berichten Medien fast täg-lich über Cyber-Angriffe auf Krypto-Börsen, Schlüsselverluste und ver-schwundene Guthaben. Neben den Fragen, die sich bereits für Privatan-leger stellen, sind für Banken und Wealth Manager auch Aspekte wie Marktliquidität, Abwicklung und Compliance bedeutsam. Welchen Einfluss haben die Krypto-Aktivitä-ten auf die Bilanz und wie lässt sich Geldwäsche bekämpfen? Wie wer-den die Vermögenswerte verwahrt und sind die neuen Krypto-Assets in

den bestehenden Anlageprozess integrierbar? Diese Fragen zu beant-worten, ist komplex. Der Krypto-Markt und seine Technologie sind noch unreif, was es Vermögensver-waltern und Banken besonders schwer macht, Krypto-Anlagen allein zu erforschen und aufzubauen.

Schon bald könnte es aber ein negatives Differenzierungsmerkmal sein, Krypto-Produkte nicht anzubie-ten. Ein Ansatz: Die Bank lagert Teile der Krypto-Wertschöpfungskette an spezialisierte Anbieter aus. So könn-te sie kryptobasierte Fonds von einem Vermögensverwalter oder Hedgefonds beziehen, um sie den eigenen Kunden zu offerieren. Dieser Outsourcing-Zugang zum Krypto-Markt vermeidet viele Belastungen für die Bank, schöpft aber auch nicht

alle Vorteile der zugrundeliegenden Krypto-Assets aus. Ebenso wäre der Zugang zu direkten Krypto-Investi-tionen über Drittverwahrer und Han-delsplätze möglich – Krypto-Custo­-dians bieten Cold-Wallet-Dienstleis-tungen an, die Assets sicher offline halten.

Weil Blockchain als Asset Reposi-tory fungiert, das von jedem Akteur entlang der Wertschöpfungskette genutzt wird, vereinfacht sich die Abwicklung – mit entsprechend dis-ruptiven Effekten für Depotverwah-rer und Central Security Depositories (CSD). Wer über die Kryptoschlüssel verfügt, kann Transaktionen durch-führen – die Beziehung zwischen Kunden und Depotbank wird unmit-telbar. Wenn Banken und Vermö-gensverwalter den gesamten Krypto-

Asset-Prozess integrieren, werden sie für Kunden zum Custodian ihrer Digital Assets – solche Krypto-Key-Management-Dienstleistungen wer-den für viele von ihnen wohl ein Muss.

Der große Vorteil für Kunden: Sie hätten dann einen One-Stop-Shop für traditionelle Anlagen und Krypto-Assetmanagement. Der entscheiden-de USP (Unique Selling Proposition) für etablierte Banken und Vermö-gensverwalter besteht in ihrer naht-losen Integration von Krypto-Assets in den gesamten Anlageprozess. Krypto-Anlagen stünden, wie alle anderen Anlagen auch im Invest-mentportfolio des Kunden zur Verfü-gung, ebenso wie das Reporting und die Analysen über Positionen, Perfor-mance und Risiko.

Krypto wird Mainstream

Derzeit sind viele Krypto-Unter-nehmen bestrebt, eine breite Palette zusätzlicher Assets zu tokenisieren – insbesondere bestehende traditio-nelle Assets. Es scheint gut möglich, dass Tokenisierung sich zum nächs-ten großen Trend entwickelt. So lie-ße sich etwa ein Token ausgeben, der die Passivseite eines nicht regu-lierten Fonds repräsentiert. Anstelle eines umständlichen, papierbasier-ten Prozesses zur Realisierung der Haftung im Namen des Kunden könnte eine Bank Fondsanteile als Token ausgeben. Dies verringert den Verwaltungsaufwand und erlaubt es zugleich, kleinere Stücke-lungen des Fonds zu verkaufen und eine breitere Kundenbasis zu adres-sieren.

Der Krypto-Markt reift immer mehr – Banken und Vermögensver-walter sollten ihre Chancen jetzt nut-zen. Denn sie haben einen überzeu-genden USP: Sie verbinden die Stär-ke und Bewährtheit ihres traditionel-len Anlageangebots mit den Vortei-len der neuen Krypto-Asset-Welt.

Bei etlichen Kunden wächst die Erkenntnis, dass die neuen digitalen Assets er­hebliche Wachstumsmöglichkeiten eröffnen und einen inhärenten Wert be­sitzen – das richtige Management vorausgesetzt. Foto: Worldspectrum, pexels.com

Börsen-Zeitung, 4.9.2019 Die extreme Volatilität und Komple-xität der Krypto-Assets hält viele Anleger bisher von solchen Investi-tionen ab. Dennoch reift bei etlichen Kunden die Erkenntnis, dass die neu-en digitalen Assets erhebliche Wachstumsmöglichkeiten eröffnen

und einen inhärenten Wert besitzen – das richtige Management voraus-gesetzt. Vermögensverwalter und Privatbanken haben jetzt die Chance, ihre Kundenbeziehung von den tra-ditionellen Finanzanlagen auf den Investmentprozess für Krypto-Assets auszuweiten: Viele ihrer Kunden wünschen sich auch hier umfassende Management- und Beratungsdienst-leistungen.

Um das Potenzial von Krypto-As-sets zu beurteilen, ist der Kontext entscheidend. Denn Blockchain-Technologie ermöglicht nicht nur Krypto-Währungen, sondern auch Tokenisierung: die Generierung digi-taler Tokens, die verschiedene Arten von Assets repräsentieren. Bisher wurde die Tokenisierung hauptsäch-lich von Ethereum ermöglicht und für viele Initial Coin Offerings (ICOs) jenseits von Bitcoin genutzt. Auch nach dem Hype um Bitcoin und ICOs eröffnet Blockchain noch das große Potenzial, eine ganze Reihe verschie-dener Arten digitaler Assets durch Token zu unterstützen.

Sogar Regulierungsbehörden wie die Bundesanstalt für Finanzdienst-leistungsaufsicht (BaFin) sprechen inzwischen von einem Paradigmen-wechsel und betrachten den digita-len Token als Wertpapiergattung sui generis. Aus mehreren Gründen kön-nen sich Krypto-Assets auch für seriö-

se Investoren lohnen: Krypto-Assets fungieren als antiinflationärer Wertspeicher, eröffnen Wachstumspotenziale und bieten Diversifika-tionseffekte.

• Krypto-Assets als Wertspeicher – Die Ver-wendung als Wertspei-cher ist ein wesentliches Merkmal von Geld. Wegen der Inflation sucht aber gerade die Bevölkerung in Schwel-lenländern nach Alterna-

tiven. Während beispielsweise der argentinische Peso 2018 gegenüber dem Dollar um mehr als 50% nach-gab, verdoppelte sich in dem Zeit-

raum das Volumen der mit argentini-schen Pesos gekauften Bitcoins.

• Wachstumsspekulation – Kryp-to-Assets werden zudem spekulativ gehandelt. Ungeachtet des Preisver-falls nach der Rallye 2017 belegen

VonKarl im Brahm

CEO und Head of Germany der Avaloq Sourcing (Europe) AG

„Vermögensverwalter und Privatbanken haben jetzt die Chance, ihre Kundenbeziehung von den traditionellen Finanzanlagen auf den Investmentprozess für Krypto-Assets auszuweiten.“

Gewinner im Zeichen des digitalen Wandels ermittelnDisruptive Trends erfordern einen aktiven Investitionsansatz, der auf die Identifizierung derjenigen Unternehmen abzielt, die auf der richtigen Seite stehen

how und die daraus resultierenden Innovationen – mit entsprechender Sogwirkung – auf ganz bestimmte Regionen in den USA konzentriert, allen voran das Silicon Valley und neuerdings auch Seattle.

Chinesische Tech-Konzerne haben insbesondere von der politischen Ent-scheidung profitiert, ausländischen Webplattformen den Zugang zum hei-mischen Markt zu verschließen (Goo-gle-Suche ist in China seit 2010 blo-ckiert), was das Wachstum der lokalen Anbieter extrem begünstigt hat. Dadurch war es den Behörden gleich-zeitig möglich, die Kontrolle über die Regulierung, die Besteuerung und die Internetsicherheit in den eigenen Händen zu behalten.

Auch durch den regulativen Schutz gelang es den chinesischen Anbietern, einige Entwicklungs-schritte ihrer amerikanischen Mitbe-werber zu überspringen, indem sie die besten Elemente übernommen, zusammengefügt und auf ein neues Niveau gehoben haben. So stellt etwa Alibaba eine Verknüpfung aus Amazon, Amazon AWS, Paypal, Facebook, Youtube, Instagram und Google in nur einem Konzern dar. Diese Verbindung gibt dem Unter-nehmen außergewöhnliche Einbli-cke in die Nutzergewohnheiten sei-ner Kunden und ermöglicht ihm

damit die Erschließung immer neuer Einnahmequellen.

Europa musste sich dagegen mit zersplitterten politischen Entschei-dungen, einer offenen Regulierung des Internet, dem Fehlen von Pri­-vate-Equity-Mitteln und einem Mangel an einheimischen Innova-tionen in diesem Segment auseinan-

dersetzen. Hinzu kommt die starke Positionierung in klassischen Industrien, die dazu verleitet hat, sich zu lange an Althergebrachtes und Bewährtes zu klammern und zu wenig Risiko beim Einschlagen neu-er Wege einzugehen. Dies hat es den hiesigen Technologiechampions schwer gemacht, rechtzeitig den Fuß in die Tür zu bekommen und frühzeitig wichtige Felder zu beset-zen. Dabei wurde der Wandel in den Vereinigten Staaten beziehungs-weise das Auseinanderdriften der Entwicklung in den verschiedenen Märkten (USA versus Europa) durch das hohe Volumen an Liquidi-tät und dem Überschuss an verfüg-baren Krediten noch verschärft. Stellt sich abschließend die Frage, welche Investmentüberlegungen aus diesen Erkenntnissen abzulei-ten sind.

Growth-Aktien haben sich über die vergangene Dekade hinweg meist deutlich besser entwickelt als „Value-Werte“. Eine generelle Überteuerung dieses Segments gegenüber dem breiten Markt oder auch im Vergleich zu historischen Bewertungskennzif-fern sehen wir dennoch nicht. Gleich-wohl sollten entsprechende Invest-ments sehr selektiv vorgenommen werden. Der Schlüssel für eine erfolgreiche Auswahl liegt insbeson-

dere darin, den spezifischen Einfluss des schnellen technologischen Wan-dels auf das langfristige Potenzial eines Unternehmens möglichst genau zu bestimmen. Potenzielle Gewinner müssen eindeutig identifi-ziert werden, und es ist zu analysie-ren, bei welchen Gesellschaften die mit Wachstumstiteln gewöhnlich einhergehenden höheren Investi-tionsrisiken gerechtfertigt sind.

Schwierige Entscheidungen

Hierzu ist ein gewisses Maß an Vorstellungskraft darüber erforder-lich, was disruptive Technologien für eine Branche oder einzelne Gesellschaften bedeuten und wie das jeweilige Management mit ihnen wird umgehen können. Da Veränderungsprozesse vor regiona-len Grenzen nicht Halt machen, ist es praktisch unabdingbar, bei der Beurteilung eine möglichst globale Betrachtungsweise einzunehmen. Gleichzeitig müssen Anleger lernen, mit der höheren Volatilität dieser Aktien noch besser umzugehen. Alles in allem sind viele schwierige Entscheidungen zu treffen, bei denen sich Geschicklichkeit, Erfah-rung und die tiefe Einsicht in die Renditechancen von Zukunftswer-ten auszahlen werden.

PlattformökonomieMit der Münchener Hypothekenbank als einlagennehmender Bank und den Genossenschaftsbanken als Financial Points of Sale in einem geschlossenen System gewinnen bei-de Seiten. Die Genossenschaftsban-ken können ihren Kunden attraktive Einlagenprodukte der Münchener-Hyp anbieten, die Hypothekenbank nimmt das Geld auf ihre Bilanz und entlastet die genossenschaftlichen Institute.

Auch Nichtbanken erhalten Zugang zum Einlagenmarkt. Konto-informationsdienste, Vergleichspor-tale oder auch E-Commerce-Unter-nehmen entwickeln neue Geschäfts-

Fortsetzung von Seite B5 modelle und neue kundenzentrierte Angebote, um zur zentralen Anlauf-stelle für alle wichtigen Finanzbe-dürfnisse ihrer Kunden zu werden. Über den Anschluss an die Open-Banking-Plattform können auch sie ihren Kunden erstmalig Einlagenpro-dukte anbieten, obwohl sie selbst kei-ne Bank sind.

Vorteile für Marktteilnehmer

Die Entwicklung von Open Ban-king zum Industriestandard des glo-balen Einlagengeschäfts steht noch an ihrem Anfang. Beeindruckende 50-Bill. Dollar umfasst der weltwei-te Einlagenmarkt. Mit nahezu 100 Banken aus 17 Ländern, die allein

die Plattform von Deposit Solutions zusätzlich zu den genannten Bei-spielen nutzen, handelt es sich bei Open Banking im Einlagengeschäft allerdings um keine Nischenanwen-dung mehr. Dies beweist das beachtliche Wachstum und die internationale Expansion der Platt-form. Neben Europa wird sie künftig auch auf dem amerikanischen Markt für Banken nutzbar sein. Angesichts der großen Vorteile für alle Marktteilnehmer sowie der Tat-sache, dass Open Banking den Ein-lagenmarkt auch für neue Anbieter öffnet, dürfte das Zeitalter des Platt-form Banking in dieser wichtigen Produktkategorie endgültig ange-brochen sein.

Börsen-Zeitung, 4.9.2019Wir leben in einer Produktions- und Dienstleistungswelt, die sich rasant verändert. Traditionelle Geschäfts-modelle werden von neuen Markt-teilnehmern ausgehebelt, disruptive Innovationen gewinnen immer stär-ker an Bedeutung, und Wirtschafts-

prozesse werden durch den techno-logischen Wandel zwischen mobiler Kommunikation und digitaler Trans-formation für immer verändert. Betroffen sind hiervon nahezu alle Branchen und Industrien.

Während klassische Absatzmetho-den stark begrenzt sind, ist die Ange-botsvielfalt beim E-Commerce nicht limitiert. Über innovative Streaming- und Web-Funktionen für Home-En-tertainment können On-Demand-Dienste traditionelle Kabelfernseh-unternehmen sowohl bei der Bereit-stellung als auch der Produktion von Unterhaltungsinhalten herausfor-dern. Webbasierte Sender haben durch den beispiellosen Zugang zu Zuschaueranalysen ungeahnte Mög-lichkeiten erhalten, um die Bedürf-nisse ihres Publikums zu ermitteln. Etablierte Fernseh- und Printwerbe-aktivitäten verlieren beispielsweise zulasten von Instagram und Youtube immer mehr an Reichweite.

Wer den digitalen Wandel der Geschäftsmodelle nicht schafft, wird abgehängt. Dabei entsteht nicht selten eine „The winner takes it all“-Dynamik, und Traditions-unternehmen können durch Neu-einsteiger, die sich in Bezug auf Kos-ten und Qualität besser behaupten, aus dem Markt geworfen werden. Entsprechend groß fallen die Diver-genzen zwischen Gewinnern und Verlierern aus.

Schaut man sich etwa die Entwick-lung des S&P 500 Consumer Discre-tionary Index zwischen Ende 2015 und Ende 2018 an, ergeben sich für die E-Commerce-Unternehmen in den entsprechenden Bereichen Wert-steigerungen von durchschnittlich über 100%. Aktientitel aus der

Bekleidungs- und Luxus-güterindustrie konnten im Mittel dagegen nur um 3% zulegen.

Auch die regionalen Unterschiede sind signi-fikant. Während sich in den USA und in China eine neue Klasse interna-tionaler Technologie-champions gebildet hat, ist Europa an dieser Stel-le auf Kosten sogenann-ter „Slow Mover“ stark ins Hintertreffen gera-ten. So bringen es die

fünf amerikanischen Top-Technolo-gie-Aktien (Microsoft, Apple, Ama-zon Alphabet und Facebook) auf einen Market Cap von über 4 100 Mrd. Dollar. Bei den chinesischen Pendants (Alibaba, Tencent, China Mobile, JD.com und Baidu) ist es immerhin noch 1 Bill. Dollar. Die Marktkapitalisierung der fünf größ-ten europäischen Techwerte (SAP, ASML, Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica) beträgt zusammen-genommen dagegen gerade einmal 390 Mrd. Dollar und damit deutlich weniger als die Hälfte einer Apple oder einer Amazon, von Microsoft ganz zu schweigen. Europa fehlt es somit ganz eindeutig an lokalen Tech-Größen und dem First-Mover-Vorteil der Amerikaner.

Dabei sind es insbesondere die Politik, die monetären Bedingungen, das strukturelle Umfeld und die Dynamik der Branche, die dazu bei-getragen haben, dass viele Gewinner der Technologierevolution in den USA entstanden sind. Hinzu kommt der Vorsprung, den sich die Amerika-ner in heutigen Schlüsseltechnolo-gien, wie etwa der Computertechnik oder der Filmindustrie, schon über die Jahrzehnte zuvor erarbeitet haben. Während es für Europa auf-grund seiner nationalen Struktur nahezu unmöglich ist, regionale Kompetenzzentren auszubilden, haben sich das Technologie-Know-

VonDavid Eiswert

Portfoliomanager der Global Focused Growth Strategy bei T. Rowe Price

© Börsen-Zeitung Quelle: Factset Research Systems, Yahoo Finance, Stand: 15.8.2019

Marktkapitalisierung der jeweils fünf größten Tech-Konzerne in Mrd. US-DollarEuropa fehlt es an lokalen Tech-Größen

USA

China

Asien (ohne Japan u. China)

Europa

Japan

0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000

Legende (jeweils in absteigender Reihenfolge)USA: Microsoft, Apple, Amazon, Alphabet, Facebook; China: Alibaba, Tencent, China Mobile, JD.com, Baidu; Asien ohne Japan u. China: Samsung Electronics, Taiwan Semiconductor, Tata Consultant, Infosys, SK Hynix; Europa: SAP, ASML, Deutsche Telekom, Vodafone, Telefónica; Japan: Softbank, Nippon, NTT Docomo, Keyence, KDDI

B6 Börsen-Zeitung Nr. 169 SONDERBEILAGE Mittwoch, 4. September 2019