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Hintergrund: Moldau Nr. 40 / Juli 2015 | 1 Kommunalwahlen in Moldau – Batmans Sieg gegen Putins Marionetten Daniel Kaddik & Vladimir Gilca Hintergrund: Moldau Nr. 40 / 02. Juli 2015 Zusammenfassung Den europäischen Kurs fortführen oder doch eine Hinwendung zu Russland und Putin? In diesen groben Kategorien fand am Sonntag der zweite Urnengang der Kommunalwahlen in der moldauischen Hauptstadt Chisinau statt. Die Ergebnisse der Wahlen zeigen, wie – nicht nur in der Hauptstadt - gespalten die Kleinre- publik in Sachen EU-Integration bleibt. Über 53 % der Wähler stimmten für das dritte Mandat des liberalen EU- und NATO-orientierten Dorin Chirtoaca (37), der sich in der Stichwahl gegen die Kandidatin der Sozialisten Zinaida Greceanîi be- haupten konnte. Die Wahlbeteiligung lag aufgrund von Politikverdrossenheit und parteiübergreifenden Korruptionsanschuldigungen bei unter 50 % - selbst wenn die Liberalen bislang in keine der großen moldauischen Korruptionsskandale verwickelt waren. Die politische Zukunft Moldaus bleibt unsicher.

Moldau: Kommunalwahlen – Batmans Sieg gegen Putins Marionetten

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Den europäischen Kurs fortführen oder doch eine Hinwendung zu Russland und Putin? In diesen groben Kategorien fand am Sonntag der zweite Urnengang der Kommunalwahlen in der moldauischen Hauptstadt Chisinau statt. Die Ergebnisse der Wahlen zeigen, wie – nicht nur in der Hauptstadt - gespalten die Kleinrepublik in Sachen EU-Integration bleibt. Über 53 % der Wähler stimmten für das dritte Mandat des liberalen EU- und NATO-orientierten Dorin Chirtoaca (37), der sich in der Stichwahl gegen die Kandidatin der Sozialisten Zinaida Greceanîi behaupten konnte. Die Wahlbeteiligung lag aufgrund von Politikverdrossenheit und parteiübergreifenden Korruptionsanschuldigungen bei unter 50 % - selbst wenn die Liberalen bislang in keine der großen moldauischen Korruptionsskandale verwickelt waren. Die politische Zukunft Moldaus bleibt unsicher.

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  • Hintergrund: Moldau Nr. 40 / Juli 2015 | 1

    Kommunalwahlen in Moldau

    Batmans Sieg gegen Putins Marionetten

    Daniel Kaddik & Vladimir Gilca

    Hintergrund:

    Moldau

    Nr. 40 / 02. Juli 2015

    Zusammenfassung

    Den europischen Kurs fortfhren oder doch eine Hinwendung zu Russland und

    Putin? In diesen groben Kategorien fand am Sonntag der zweite Urnengang der

    Kommunalwahlen in der moldauischen Hauptstadt Chisinau statt. Die Ergebnisse

    der Wahlen zeigen, wie nicht nur in der Hauptstadt - gespalten die Kleinre-publik in Sachen EU-Integration bleibt. ber 53 % der Whler stimmten fr das

    dritte Mandat des liberalen EU- und NATO-orientierten Dorin Chirtoaca (37), der

    sich in der Stichwahl gegen die Kandidatin der Sozialisten Zinaida Greceani be-

    haupten konnte. Die Wahlbeteiligung lag aufgrund von Politikverdrossenheit und

    parteibergreifenden Korruptionsanschuldigungen bei unter 50 % - selbst wenn

    die Liberalen bislang in keine der groen moldauischen Korruptionsskandale

    verwickelt waren. Die politische Zukunft Moldaus bleibt unsicher.

  • Hintergrund: Moldau Nr. 40 / Juli 2015 | 2

    Dorin Chritoaca - Whlt! Fr Moskau oder Chisinau / Foto: FNF-Projekt Moldau

    Den europischen Kurs fortfhren oder doch eine Hinwendung zu Russland und Putin? Whrend sich

    die Republik Moldau weiterhin zerrissen zwischen Europa und Russland zeigt, haben die Kommunal-

    wahlen insgesamt zu einer Neupositionierung aller Parteien gefhrt.

    Die erste Runde fand am 14. Juni statt, nachdem Geopolitik eine wesentliche Rolle whrend des

    Wahlkampfes gespielt hatte. So whlten in vielen Fllen die Brger nicht zwischen zwei Kandidaten,

    sondern zwischen der Europischen und der Eurasischen Union. Auf nationaler Ebene erreichten die

    pro-europischen Parteien eine deutliche Mehrheit, erlitten jedoch Verluste im Vergleich zu den Wah-

    len von 2011. Im anderen Lager konnten zwei pro-russische Parteien ihre Position strken. Der groe

    Verlierer jedoch ist die kommunistische Partei, die fast ein Drittel ihrer Stimmen ein-ben musste.

    Die Kommunistische Partei, die einst fast unbesiegbar war, hat landesweit insgesamt nur noch 10,2 %

    der Stimmen erreichen knnen, im Vergleich zu 37 % bei den Kommunalwahlen im Jahr 2011. Die

    Mehrheit dieser verlorenen Stimmen gingen an zwei pro-russische Parteien: die Sozialistische Partei,

    die sich fr die Integration Moldaus in die Eurasische Union einsetzt, und ,,Partidul Nostru (dt. Un-

    sere Partei), eine Partei mit mutmalichen Verbindungen zum russischen Geheimdienst FSB und der russischen Mafia. Bei den Kommunalwahlen haben auch mehrere pro-russische Politiker wichtige Br-

    germeistermter errungen. In Orhei haben sich etwa 62 % der Brger fr Ilan Shor entschieden. Shor,

    ein moldauischer Oligarch mit engen Beziehungen zum Kreml, steht dabei unter Verdacht, an der

    Plnderung der moldauischen Sparkasse (BEM) beteiligt zu sein. Selbst unter diesen Korruptionsan-

    schuldigungen konnte Shor sich schon im ersten Wahlgang behaupten. Im Frhling 2015 war bekannt

    geworden, dass etwa eine Milliarde US-Dollar fast ein Zehntel des Bruttoinlandsproduktes - aus der

    moldauischen Sparkasse ber faule Kredite verschwunden sind. Shor gilt als Hauptverdchtiger in die-

    sem Fall, in dem auch die pro-europischen Regierungsparteien PD und PLDM sowie die Kommunisti-

    sche Partei PCRM beschuldigt werden.

    In Belz, der zweitgrten Stadt der Republik Moldau, haben sich 73 % der Whler fr Renato Usatii

    entschieden. Ein junger zwielichtiger Geschftsmann, dessen Partei bei den Parlaments-wahlen Ende

    vergangenen Jahres wegen illegaler Parteifinanzierung aus Russland nicht zur Wahl zugelassen wurde.

    Usatii, der in Moldau in 16 verschiedenen Strafverfahren angeklagt ist, pflegt weiterhin sehr gute

    Kontakte zur politischen Elite in Moskau, soll aber auch gute Beziehungen zu Vertretern der russi-

    schen Mafia haben.

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    Batman gegen Putins Marionetten

    Eine gewisse Neupositionierung kann man bei den pro-europischen Parteien feststellen. Landesweit

    haben die Liberaldemokraten 18,5 %, die Demokraten 17,3 % und die Liberalen 16,19 % der Stimmen

    bekommen. Die wichtigste politische Schlacht tobte um die Hauptstadt Chisinau, in der die Liberale

    Partei PL (Partner der Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit) als klarer Gewinner hervorging. Die

    PL konnte dabei 30 % der Stimmen fr den Stadtrat gewinnen, das beste Ergebnis aller pro-

    europischen Parteien. berdies konnte die Liberale Partei in der zweiten Runde die wichtigen Br-

    germeistermter in Nisporeni und Criuleni erringen.

    Die Wiederwahl des erst 37 Jahre

    alten amtierenden Brgermeisters

    Dorin Chirtoaca erwies sich als

    wahrer Politthriller. Whrend

    beiden Kandidaten aufgrund der

    Demobilisierung der pro-

    europischen Whler und Mobili-

    sierung der pro-russischen Krfte

    gleiche Chancen eingerumt

    wurden, verstrkte das Fehlen

    von verlsslichen Umfragen so-

    wohl vor als auch whrend des

    Wahltages die Anspannung. Da-

    bei offenbarten beide Seiten

    nicht nur deutliche Unterschiede

    in der geopolitischen Ausrichtung,

    sondern vor allem im Stil der

    Kommunikation.

    Chirtoaca setzte auf die positive Wirkung von Bildern ber die Leistungen seiner zwei vorangegange-

    nen Amtszeiten und gezielte Sticheleien gegen seine sozialistische Gegenkandidatin, die ehemalige

    Premierministerin Zinaida Greceanii. Ich akzeptiere nicht, das kleinere bel zu sein, so Dorin Chi-

    rtoaca, der als Brgermeister der konkreten Ergebnisse in den Wahlkampf einstieg. Natrlich werden wir diese Wahlen gewinnen. Wir werden gengend Menschen mobilisieren, damit wir die berbleibsel

    des kommunistischen Regimes hinter uns lassen.

    Greceanii hingegen blieb weitgehend blass und berlie es anderen, sich mit Dorin Chirtoaca in Fern-

    sehduellen zu messen. Dabei machte sie aus ihrer Prferenz einer Anbindung Moldaus an Russland

    keinen Hehl. Zudem berlieen es die Sozialisten der Kommunistischen Partei, eine umfangreiche Ver-

    leumdungskampagne gegen Dorin Chirtoaca zu fahren. So wurden etwa Flug-bltter am Eingang oder

    in der Nhe von mehreren Kirchen verteilt, in denen Chirtoaca als Homosexueller und Auslser eines

    Konfliktes zwischen Chisinau und Comrat, der Hauptstadt der autonomen Region Gagausien, bezeich-

    net wurde. Am Ende schreiben die Autoren, dass die Brger eine wahre Hausfrau mit Familie und Kin-

    dern whlen sollen.

    Dorin Chirtoaca - Chirtoaca und das 10.000 Menschen-Selfie / Foto: FNF-Projekt Mol-

    dau

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    Solche Provokationen liefen jedoch zumeist ins Leere. Einerseits, da Chirtoaca die gegnerischen Argu-

    mente erfolgreich mit Zahlen konterte, andererseits aufgrund seiner gefrchteten Schlagfertigkeit. So

    kommentierte er einen von den Sozialisten provozierten Tumult im Stadtrat mit den Worten: Ich bin Batman, ich bin berall zugleich und liefere pnktlich. Und ihr seid Putins kleine Marionetten.

    Wie bei der letzten Wahl war wohl die Jugend in Chisinau das Znglein an der Waage. Am Tag vor der

    Wahl versammelten sich mehr als 10.000 hauptschlich junge, Menschen, um Chirtoaca bei seinem

    finalen Wahlkampfauftritt zu untersttzen.

    Wahlerfolg mit schalem Beigeschmack

    Letztendlich musste sich Greceanii mit 46,46 % Chirtoaca geschlagen geben, der 53,54 % er-zielte

    und bei einer Pressekonferenz erneut deutlich machte, worum es bei der Wahl eigentlich ging: Ich bin stolz auf euch und unser Land werde es euch nicht vergessen. Gestern haben die Brger nicht nur ei-

    nen Brgermeister gewhlt, sondern haben sich fr die Fortsetzung der europischen Integration ent-

    schieden.

    Die Sozialistische Partei erkennt die Kommunalwahlen in Chisinau nicht an. Das teilte der Parteivorsit-

    zende der PSRM, Igor Dodon, der Presse mit. Dodon sprach von Dutzenden und Hunderten Wahlver-

    sten und hat bereits angekndigt zu klagen. Dies, obgleich Beobachter und parallele Zhlungen das

    offizielle Ergebnis untersttzen. Fr Dodon bleibe Chirtoaca ein unionistischer Streuner. dessen Par-

    tei die liberale Krtze sei.

    Unter dem neuen und alten Brgermeister Chirtoaca und dank des Erfolges der Liberalen Partei sind

    die pro-europischen Parteien nun in der Lage, eine Koalition in Chisinau zu grnden. Der neu ge-

    grndete Wahlblock des ehemaligen Premierministers Iurie Leanca hat 11,55 % der Stimmen im

    Stadtrat erhalten. Dieser untersttzte auch Chirtoaca im zweiten Wahlgang ffentlich. Die Liberalde-

    mokraten kamen dabei nur auf 3,62 % und die Demokraten sogar nur auf knappe 2,74 %. Zusammen

    erreichen aber alle vier Parteien etwa 47 % der Stimmen und somit die Mehrheit im Stadtrat. Ver-

    handlungen zur Bildung von Mehrheiten zwischen allen pro-europischen Krften laufen schon im

    ganzen Land.

    Dennoch bleibt ein schaler Beigeschmack: Die Wahlbeteiligung lag aufgrund von Politikverdrossenheit

    und parteibergreifenden Korruptionsanschuldigungen bei nur 49 %. Dabei haben insbesondere die

    PLDM und PD der Demokratie in Moldau einen Brendienst erwiesen. Das Verschwinden von einer

    Milliarde Dollar, die oligarchischen Machtstrukturen und die korrupte Justiz sind einige der Grnde,

    wegen derer die Whler sich fr pro-russische Parteien und Freunde des Kremls entschieden haben

    oder der Wahl ferngeblieben sind. Beide Parteien sind mageblich verantwortlich fr das Scheitern der

    Koalitionsverhandlungen nach den Parlamentswahlen im November 2014. Trotz einer rechnerisch be-

    quemen Mehrheit einer mglichen Koalition aus PLDM, PD und PL scheiterten die Verhandlungen ins-

    besondere, weil PLDM und PD nicht auf die Forderungen der Liberalen nach einem unabhngigen

    obersten Staatsanwalt eingehen wollten, der den Antikorruptionskampf und die Entflechtung der

    Machtstrukturen im Justizwesen htte beginnen sollen. Seither regieren PLDM und PD in einer Min-

    derheitsregierung mit Untersttzung der Kommunisten.

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    Frs Erste garantiert die Wahl und das pro-europische Votum der Brger in Chisinau das Fort-fhren

    des Modernisierungskurses der Stadt unter Dorin Chirtoaca. Dies knnte den notwendigen Impuls fr

    eine Regierungsumbildung auf nationaler Ebene unter Beteiligung der Liberalen geben mit dem Ziel

    einer pro-europischen Mehrheitsregierung.

    Mit Blick auf die geopolitische Gemengelage wren solche Impulse bitter ntig. Im Fahrwasser des

    Kriegs in der Ukraine wird die Rhetorik aus Russland zunehmend schrfer und die Einflussnahme

    steigt. Neben Handelssanktionen gegen Moldau und Einmischung in den Wahlkampf drohte Moskau

    unverhohlen mit einer Eskalation der Spannungen mit der abtrnnigen Region Transnistrien. Wenige

    Stunden nach diesem Statement lieen Regierungsvertreter aus Transnistrien verknden, dass man

    eine Visumpflicht fr moldauische Brger sowie eine Steuer von 100 % fr alle Waren, die in Moldau

    hergestellt wurden, prfe.

    Gleichzeitig verlieren die westlichen Partner die Geduld. Der IWF und die Weltbank haben ihre Zah-

    lungen an Moldau wegen ausbleibender Reformen bereits eingestellt. Auch die EU kndigte eine

    berprfung der Untersttzung an. Damit schliet sich das Fenster fr Moldaus Weg nach Europa. Die

    Regierung wre gut beraten, die Zeichen der Kommunalwahlen richtig zu deuten und in einer Regie-

    rung mit den Liberalen echte Reformen anzustoen. Mit Blick auf die Rolle von PLDM und PD im Ban-

    kenskandal sind die pro-europischen Parteien nur auf Bewhrung im Amt.

    Daniel Kaddik ist Projektleiter der FNF fr Sdosteuropa

    Vladimir Gilca ist Projektkoordinator der FNF fr Republik Moldau.

    Impressum

    Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit (FNF)

    Bereich Internationale Politik

    Referat fr Querschnittsaufgaben

    Karl-Marx-Strae 2

    D-14482 Potsdam