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Krzysztof Skwierczyński Imitatio regni. Adelige Stiftungen im Polen des 11. und 12. Jahrhunderts Adlige Stiftungen als imitatio regni Welche Gründe veranlassten Adlige, kirchliche Einrichtungen zu stiften, welche Funktionen sollten solche Stiftungen erfüllen und wie sahen die finanziellen Mög- lichkeiten der adligen Stifter eines Klosters oder einer Kirche aus? Bei einer Befas- sung mit diesen Fragen ist zu berücksichtigen, dass auch die von Adligen realisier- ten Stiftungen kirchlicher Einrichtungen und deren anschließende materielle Unter- stützung einen Prozess darstellten, in dem eine spezifische Wechselbeziehung zwischen Laien und Kirche zum Tragen kam. Roman Michałowski hat am Rande seiner Betrachtungen über die Stiftungen der Piasten im 10.–13. Jahrhundert auch wichtige Bemerkungen hinsichtlich der Stiftertätigkeit von Adligen gemacht. 1 So verwies er darauf, dass auch die einschlägigen Aktivitäten der adligen Elite einem Wunsch nach Imitation entspringen konnten. So wie die piastischen Herrscher Stiftungen realisiert hätten, um die Tätigkeit des Kaisers nachzuahmen (imitatio imperi), seien Adlige bestrebt gewesen, mit ihren Stiftungen ihrerseits ihre piasti- schen Herrscher nachzuahmen (imitatio regni). Zweifellos sind Kirchen- und Klo- sterstiftungen nicht ohne Bedeutung für die Hebung und Festigung des Prestiges des jeweiligen Adelsgeschlechts geblieben und der Herrscher hat als freigiebiger Stifter und Schenker dabei stets ein nachahmenswertes Vorbild dargestellt. Diese Nachah- mung bezog sich nicht allein auf die bloße Tatsache der Gründung einer kirchlichen Institution. Michałowski verweist hierzu auf das Beispiel der Kirche Johannes des Täufers in Prandocin, die in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts von Prandota dem Alten oder seinen Erben gestiftet wurde. Interessant ist die architektonische Gestalt dieses Gottes- 1 Roman Michałowski, Princeps fundator. Studium z dziejów kultury politycznej w Polsce X–XII wieku [Princeps fundator. Studien zur Geschichte der politischen Kultur in Polen im 10.– 13. Jahrhundert]. Warszawa 1993, 110–112. Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst Library Authenticated Download Date | 10/9/14 3:17 PM

Monarchische und adlige Sakralstiftungen im mittelalterlichen Polen ||

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Krzysztof Skwierczyński

Imitatio regni. Adelige Stiftungen im Polendes 11. und 12. Jahrhunderts

Adlige Stiftungen als imitatio regni

Welche Gründe veranlassten Adlige, kirchliche Einrichtungen zu stiften, welcheFunktionen sollten solche Stiftungen erfüllen und wie sahen die finanziellen Mög-lichkeiten der adligen Stifter eines Klosters oder einer Kirche aus? Bei einer Befas-sung mit diesen Fragen ist zu berücksichtigen, dass auch die von Adligen realisier-ten Stiftungen kirchlicher Einrichtungen und deren anschließende materielle Unter-stützung einen Prozess darstellten, in dem eine spezifische Wechselbeziehungzwischen Laien und Kirche zum Tragen kam. Roman Michałowski hat am Randeseiner Betrachtungen über die Stiftungen der Piasten im 10.–13. Jahrhundert auchwichtige Bemerkungen hinsichtlich der Stiftertätigkeit von Adligen gemacht.1 Soverwies er darauf, dass auch die einschlägigen Aktivitäten der adligen Elite einemWunsch nach Imitation entspringen konnten. So wie die piastischen HerrscherStiftungen realisiert hätten, um die Tätigkeit des Kaisers nachzuahmen (imitatioimperi), seien Adlige bestrebt gewesen, mit ihren Stiftungen ihrerseits ihre piasti-schen Herrscher nachzuahmen (imitatio regni). Zweifellos sind Kirchen- und Klo-sterstiftungen nicht ohne Bedeutung für die Hebung und Festigung des Prestiges desjeweiligen Adelsgeschlechts geblieben und der Herrscher hat als freigiebiger Stifterund Schenker dabei stets ein nachahmenswertes Vorbild dargestellt. Diese Nachah-mung bezog sich nicht allein auf die bloße Tatsache der Gründung einer kirchlichenInstitution. Michałowski verweist hierzu auf das Beispiel der Kirche Johannes desTäufers in Prandocin, die in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts von Prandota dem Altenoder seinen Erben gestiftet wurde. Interessant ist die architektonische Gestalt dieses Gottes-

1 Roman Michałowski, Princeps fundator. Studium z dziejów kultury politycznej w Polsce X–XIIwieku [Princeps fundator. Studien zur Geschichte der politischen Kultur in Polen im 10.–13. Jahrhundert]. Warszawa 1993, 110–112.

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hauses, für die eine doppelchorige Form verwendet wurde, wie sie an der Wende des11. / 12. Jahrhunderts in Polen gerade einmal fünf Mal bezeugt ist, u. a. in der zweitenWawelkathedrale.2 Höchstwahrscheinlich wollte Prandota der Alte, so Michałowski, durcheine Nachahmung der Form der Krakauer monarchischen Stiftung seine eigene hohe Würdemanifestieren.

Michałowski macht auch auf die wahrhaft monarchischen Ausmaße der Stiftungendes Piotr Włostowic aufmerksam, der sich mit seiner Stiftungstätigkeit den fürstlichenHerren Polens gewissermaßen gleichzustellen versucht habe, auch wenn der Schwungseines Engagements nicht unbedingt dahingehend gedeutet werden könne, dass er auchbeabsichtigt habe, nach der Herzogswürde selbst zu greifen. Tatsächlich erscheint einesolche Hypothese im Lichte der übrigen uns bekannten Quellen wenig wahrscheinlich.Naheliegender erscheint sie im Falle eines anderen Stifters, nämlich des comes palati-nus Sieciech. Das Prestige, das Große mit Hilfe von Stiftungen zu erlangen suchten,erwuchs nicht nur daraus, dass ihre freigiebigen Vergaben die Bedeutung ihres Ge-schlechts erhöhten bzw. unterstrichen, sondern auch – ja vielleicht vor allem – daraus,dass diese Stiftungen zu einer Ausdrucksform der Rivalität zwischen den großen Adels-geschlechtern wurden. Schließlich ging es darum, welche Familie in ihren Stiftungs-und Wohltätigkeitsaktivitäten am ehesten mit dem entsprechenden Engagement desHerrschers mithalten konnte.

Selbstverständlich können Rolle und Funktion von Kloster- und anderen Stiftungeninnerhalb der mittelalterlichen Gesellschaft nicht untersucht werden, ohne den Aspektder Frömmigkeit bzw. die Sorge der Stifter um die Sicherstellung ihres eigenen Seelen-heils und das ihrer nächsten Angehörigen zu berücksichtigen. Hinzukommt die imMittelalter vorherrschende Vorstellung, dass sich Gebete von verwandten Ordensbrü-dern und Nonnen durch eine größere Wirksamkeit auszeichnen würden. Daher mussteWert darauf gelegt werden, dass der Gottesdienst in den gestifteten Institutionen mög-lichst von Mitgliedern der eigenen Gründerfamilie abgehalten wurde. Stiftungen hattenüberdies auch eine wichtige Propagandafunktion zu erfüllen, dienten sie doch derManifestierung der Frömmigkeit der Stifterfamilie – und zwar sowohl gegenüber Gott(dies in erster Linie) als auch gegenüber dem herrschenden Monarchen sowie dergesamten politischen Elite.

2 Andrzej Tomaszewski, Romańskie kościoły z emporami zachodnimi na obszarze Polski, Czech i Węgier[Romanische Kirchen mit Westemporen auf dem Territorium Polens, Böhmens und Ungarns].Wrocław / Warszawa / Kraków 1974, 341f.; vgl. Jerzy Pietrusińki, Krakowska katedra romańskafundacji króla Bolesława II. Szczodrego [Die von König Bolesław II. dem Kühnen gestiftete romanischeKathedrale in Krakau], in: Joanna Daranowska-Łukaszewska (Hrsg.), Katedra krakowska wśredniowieczu. Krakow 1996, 43–105. Zu den Möglichkeiten einer Interpretation dieser ArchitekturTomasz Węcławowicz, Krakowski kościół katedralny w wiekach średnich. Funkcje i możliwościinterpretacji [Die Krakauer Kathedralkirche im Mittelalter. Funktionen und Interpretationsmöglichkei-ten]. Kraków 2005, passim.

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Durch die Gründung eines Klosters wurde der Stifter nach seinem Tode in gewissemSinne zu einem Vermittler zwischen dem Himmel und dem Mönchskonvent. Daherunternahmen die Ordensleute oft Versuche, ihren Wohltäter heiligsprechen zu lassen,zumindest aber förderten sie seinen Kult in der lokalen Gemeinschaft. Dies war selbst-verständlich mit der Beisetzung des Stifters und seiner Familienmitglieder innerhalb desvon ihm errichteten Gotteshauses verbunden. Dieses Phänomen ist aus westlichenMaterialien gut bekannt, doch lohnt es sich, ihm auch für das piastische Polen nachzu-gehen.3 Der ‚typische‘ heilige Stifter im Mittelalter entstammte einem Adelsgeschlecht(Ausnahmen von dieser Regel sind sehr selten). Er ließ es zumeist nicht bei einer einzi-gen Stiftung bewenden, sondern gründete oft mehrere Klöster. Ein solcher Stifter küm-merte sich anschließend auch um das geistliche Leben innerhalb der von ihm errichtetenInstitution; manchmal wurde er selbst Abt, gab der Ordensgemeinschaft eine Regel undwachte über ihre Einhaltung; sterbend schließlich hinterließ er ein geistiges Testamentund wurde danach in der Klosterkirche beigesetzt.4

Ohne Zweifel können Forschungen über das quellenmäßig schwach beleuchtetefrühpiastische Polen von den Errungenschaften der westlichen Historiographie, die jaüber eine unvergleichlich bessere Quellenlage verfügt, profitieren. Für das hier behan-delte Thema besonders inspirierend erscheinen Erkenntnisse, die die westliche Mediä-vistik über die im 11. und 12. Jahrhundert in Westeuropa aufgekommene Institution desso genannten Hausklosters zusammengetragen und zu einem Idealtypus im Max Weber-schen Sinn verdichtet hat. Folgende Merkmale sind dabei für ein solches Modellklosterermittelt worden:5 1. Gründung des Klosters und / oder Vergaben zu seinen Gunsten

3 Roman Michałowski, Klasztor prywatny w Niemczech IX–XII w. jako fakt religijny i społeczny.Wybrane zagadnienia [Das Privatkloster in Deutschland im 9.–12. Jahrhundert als religiöse undsoziale Tatsache. Ausgewählte Fragen], in: Jerzy Strzelczyk (Hrsg.), Niemcy – Polska wśredniowieczu. Poznań 1986, 47–66; Ders., Święta moc fundatora klasztoru (Niemcy XI–XII wiek)[Die heilige Kraft des Klosterstifters (Deutschland 11.–12. Jahrhundert)], in: Kwart. Hist. 91, 1984,1, 3–24; Ders., Wizerunek fundatorki klasztoru na antependium i pięczątkach z Göss [Das Bildnisder Klosterstifterin auf dem Antependium und den Stempeln von Göss], in: Danuta Gawinowa(Hrsg.), Kultura średniowieczna i staropolska. Studia ofiarowane Aleksandrowi Gieysztorowi wpięćdziesięciolecie pracy naukowej. Warszawa 1991, 207–215; Michał Tomaszek, Klasztor Ezzo-nidów w Brauweiler jako przykład fundacji rodu możnowładczego [Das Kloster der Ezzoniden inBrauweiler als Beispiel für die Stiftung eines Adelsgeschlechts], in: Marek Derwich / Anna Pobóg-Lenartowicz (Hrsg.), Klasztor w państwie średniowiecznym i nowożytnim. Wrocław / Opole 2005,165–175; Ders., Klasztor i jego założyciel w utrwalonej na piśmie tradycji początków zgromadzenia.Przykład benedyktyńskiego opactwa w Brauweiler [Das Kloster und sein Gründer in der schriftlichfestgehaltenen Tradition der Anfänge des Ordens], in: Stanisław Rosik / Przemysław Wiszewski(Hrsg.), Causa creandi. O pragmatyce źrodła historycznego. Wrocław 2005, 267–278.

4 Vgl. Paolo Golinelli, Topoi e motivi agiografici nelle Vitae dei santi fondatori di abbazie, in:Riccardo Fangarezzi / Paolo Golinelli / Alba Maria Orselli (Hrsg.), Sant’ Anselmo di Nonantola e isanti fondatori nella tradizione monastica tra Oriente e Occidente. Roma 2006, 181–202.

5 Thomas Hill, Könige, Fürsten und Klöster. Studien zu den dänischen Klostergründungen des12. Jahrhunderts. Frankfurt am Main 1992, bes. 105–181; vgl. auch Kim Esmark, Religious Patro-

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durch den Stifter und die Mitglieder seiner Familie; 2. Bestimmung des Klosters zurBeisetzungsstätte des Stifters und seiner Angehörigen (bei denen es sich nicht unbe-dingt nur um mit ihm verwandte oder verschwägerte Personen handeln musste); 3.Kultivierung des liturgischen Gedächtnisses (memoria) für die Mitglieder der Gründer-familie sowie andere Wohltäter durch die im Kloster lebenden Mönche; 4. Kontrolledes Kloster(leben)s durch den Stifter; 5. Bestimmung des Klosters zum Ort der Pflegedes Kultes eines der Familie des Stifters entstammenden oder eng mit dessen Familieverbundenen Heiligen; 6. Verpflichtung des Klosters zu bestimmten materiellen Dienst-leistungen gegenüber dem Stifter und seiner Familie (z. B. Gastung); 7. Nutzung desKlosters als Ausbildungsstätte für junge bzw. Pflegestätte für alte Familienmitgliederdes Stifters. Natürlich haben in der Realität nur sehr wenige Stiftungen alle diese Krite-rien erfüllt. Aber ihre Formulierung erlaubt doch wenigstens versuchsweise bestimmteTendenzen und Regeln in den Stiftungsprozessen aufzuzeigen.

Neben einer gewissen Modellbildung vermag auch ein vorsichtiger Vergleich zu-sätzliche Erkenntnismöglichkeiten zu eröffnen. Allerdings ist eine einfache Zusammen-stellung ähnlicher Tatsachen kaum wirklich hilfreich. Angesichts der für Polen zukonstatierenden Quellenarmut wird man aber auch bei der Erforschung der Stiftungenpolnischer Adliger nicht darauf verzichten können, aus anderen Gebieten stammendeAnalogien heranzuziehen. Doch müssen solche Analogien sehr vorsichtig gewählt undgenutzt werden und man muss sich stets im Klaren darüber sein, dass solche Analogienallenfalls bestimmte Hypothesen nahezulegen, aber die fraglichen Probleme kaumeindeutig zu lösen vermögen. Schließlich gilt es, die verfügbare Quellenbasis nachMöglichkeit zu erweitern. Hier ist auf die Errungenschaften der Archäologie, der Ar-chitekturgeschichte und der Kunstgeschichte zu verweisen. Denn Überreste von Gebäu-den, die Raumgliederung der Gotteshäuser und die in den Stiftungstympana zum Aus-druck kommenden Ideen können uns viel über die Gründe einer Stiftung und ihrenideellen Hintergrund verraten. Berücksichtigt werden müssen auch numismatischeFunde; die jüngsten Untersuchungen von Stanisław Suchodolski etwa haben gezeigt,dass sich Münzen (nicht nur mit ihrer Ikonographie, sondern auch ihrer chemischenZusammensetzung) beispielsweise für Forschungen über den Tod des Krakauer Bi-schofs Stanisław6 oder über die Politik – auch die Stiftungspolitik – des comes palatinusSieciech als hilfreich erweisen können.

nage and Family Consciousness: Sorø Abbey and the „Hvide Family“, c 1150–1250, in: EmiliaJamroziak / Janet Burton (Hrsg.), Religious and Laity in Western Europe 1000–1400. Interaction,Negotiation, and Power. Turnhout 2006, 93–110; Michałowski, Klasztor prywatny (wie Anm. 3);Jürgen Dendorfer, Freunde und Getreue – Adelige Gruppen in der klösterlichen Memoria des12. Jahrhunderts in Bayern, in: Natalie Kruppa (Hrsg.), Adlige – Stifter – Mönche. Zum Verhältniszwischen Klöstern und mittelalterlichem Adel. Göttingen 2007, 63–105.

6 Stanisław Suchodolski, Polityka mennicza a wydarzenia polityczne w Polsce we wczesnymśredniowieczu [Münzpolitik und politische Ereignisse im frühmittelalterlichen Polen], in:Społeczeństwo Polski średniowiecznej 6, 1994, 39–52.

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Bei der Analyse der Kirchenstiftungen von Vertretern höherer sozialer Schichtenmuss noch eine weitere Schwierigkeit berücksichtigt werden. Die erhaltenen Quellenberichten über die Aktivitäten von Vertretern der höchsten Elite des Landes, wobei dieentsprechenden Hinweise oft im archäologischen Material eine Bestätigung finden.Dagegen finden die bescheideneren Stiftungen der ‚gewöhnlichen‘ Ritterschaft kaumNiederschlag in den verfügbaren Schriftquellen. Viele Stiftungen wurden zudem vonFamilien unterstützt, die weniger bedeutend waren und deren Unterstützung daher nichtunbedingt in Gestalt von Landvergaben erfolgte, die naheliegenderweise stets dieauffälligsten Spuren in den Schriftquellen hinterlassen, selbst wenn diese zeitlich langenach der Beschenkung des betreffenden Klosters oder der betreffenden Kirche entstan-den sind.7

Erste Hinweise auf kleinere ritterliche Stiftungen begegnen in der Chronik des sogenannten Gallus Anonymus, der u. a. die moralisierende Geschichte von den katastro-phalen Folgen eines am Tage der Kirchweihe geschlossenen Verlöbnisses erzählt. Diesgeschah in Ruda, wo ein Ritter eine Kirche errichtet und zu ihrer Konsekration denblutjungen Bolesław Schiefmund eingeladen hatte. Anliegen des Chronisten war esnicht, die Geschichte des Ritters und seiner Kirchenstiftung zu erzählen, sondern vonder Strafe des Himmels zu berichten, die Menschen traf, die ein göttliches Verlöbnis,wie eine Kirchweihe, mit einem fleischlichen verbinden wollten.8 Daraus lässt sich derSchluss ziehen, dass die Stiftung einer ‚Privatkirche‘ durch einen Ritter für den Chro-nisten nichts besonderes darstellte, das eigens hätte hervorgehoben werden müssen; vonder Kirchenstiftung erfahren wir hier gleichsam nur nebenbei. Zweitens wurde zu dieserFeier, die, wie Gallus betont, im Grenzgebiet des Landes stattfand, der Herzog selbsteingeladen. Von der Teilnahme des Herrschers an einer ähnlichen Feierlichkeit informiertuns die Chronik auch an anderer Stelle – wobei auch dort nicht die Tatsache der Stiftungden Grund für die Erzählung liefert, sondern die Buße Herzog Bolesławs für den Brucheines seinem Stifbruder Zbigniew gegenüber geleisteten Eides. Wir erfahren nämlich,dass die Bischöfe und Priester den Herzog im Verlauf dieser Buße mit Gebeten unter-stützten und „ihm zu jedem größeren Fest oder anlässlich einer Kirchweihe kraft ihrerkanonischen Ermächtigung etwas von seiner Buße erließen“.9 Es darf angenommen

7 Selbst in Ländern mit einer viel umfangreichereren Quellenlage ist es manchmal schwierig, weni-ger bedeutende Spender zu identifizieren; vgl. Linda Rasmussen, Monastic Benefactors in Englandand Denmark: Their Social Background and Gender Distribution, in: Jamroziak / Burton, Religious(wie Anm. 5), 77–91. In Urkunden für Miechów aus dem Jahr 1198 finden wir neben Mitgliedernder Piastendynastie und mächtigen Großen auch viel bescheidenere Donatoren; Kodeksdyplomatyczny Małopolski [Kleinpolnisches Urkundenbuch]. Bd. 2. Ed. Franciszek Piekosiński.Kraków 1886, Nr. 375 und 376.

8 Galli Anonymi cronicae et gesta ducum sive principum Polonorum. Ed. Karol Maleczyński, in:MPH NS. Bd. 2. Kraków 1952, 100: Forte quidam nobilis in confinio terre ecclesiam construxit, adcuius consecracionem Bolezlauum ducem, adhuc satis puerum cum suis iuvenibus invitavit.

9 Ebd., 157f.: Pretera pontifices, abbates, presbiteri missis et ieiuniis cum quisque pro suis viribus

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werden, dass der Chronist, wenn es um eine vom Herzog im Rahmen seiner Bußleistun-gen gestiftete Kirche gegangen wäre, diese Tatsache zweifellos hervorgehoben hätte;daher wird es hier sicher um adlige oder bischöfliche Stiftungen gegangen sein.

Eine andere Geschichte des Gallus erzählt davon, wie die Pomoranen auf einemRaubzug in Spycimierz einfielen, wo in der dortigen Kirche gerade der Gnesener Erzbi-schof Marcin weilte, der daraufhin in einer Ecke unter dem Dach des GotteshausesSchutz suchte. Die ganze Geschichte endete glücklich: Der in Gefangenschaft gerateneArchidiakon wurde freigelassen, und auch die von den Pomoranen aus der Kirchegeraubten Reliquien sowie die dem Erzbischof gehörenden Paramente kehrten zurück.Uns interessiert hier eine bestimmte Information, die am Rande dieser Anekdote ver-mittelt wird. Die Kirche von Spycimierz war nämlich aus Holz errichtet, so dass diePriester befürchteten, sie könnte jeden Augenblick vom Feind in Brand gesetzt wer-den.10 Wahrscheinlich bestand die oben erwähnte, von einem anonymen Ritter errich-tete Kirche von Ruda ebenfalls aus Holz. Es ist leicht vorstellbar, wie viele derartigerStiftungen von hölzernen Kirchenbauten, die keinerlei archäologische Spuren hinterlas-sen haben, in völlige Vergessenheit geraten sind.

In Spycimierz zitterten der Erzbischof und die ihn begleitenden Priester vor Angst,denn sie waren unbewaffnet und hatten nur eine zahlenmäßig geringe Dienerschaft anihrer Seite, und in der Kirche konnten sie sich aus verständlichen Gründen auch nichteinschließen. Das lenkt unsere Aufmerksamkeit auf eine weitere wichtige Funktion derKirchenstiftungen, nämlich ihre defensive und militärische Funktion. Ein gut befestig-tes, steinernes Gotteshaus oder ein festungsmäßig ausgestattetes Kloster konnte derumliegenden Bevölkerung im Falle einer Bedrohung als Zufluchtsort dienen. In Spyci-mierz, wie an vielen anderen Orten, bestand das Gotteshaus freilich nur aus Holz. Unddennoch hatte, wie Gallus berichtet, „der allmächtige Gott, wie er den Erzbischof, denPriester und die Kirche gerettet hatte, danach auch die Reliquien und alle heiligenGerätschaften dem Erzbischof unbefleckt und ungeschändet“ zurückgegeben. DieVerteidigungsfunktion einer Kirche darf augenscheinlich nicht ausschließlich im buch-stäblichen Sinne verstanden werden; selbst eine Holzkirche konnte dank ihre Konsek-ration, dank ihres Schutzheiligen und dank der in ihr befindlichen Reliquien einenwirksamen Ort des Schutzes vor Gefahren, sowohl vor geistigen als auch vor körperli-chen, darstellen. In der Tat haben bei den mittelalterlichen Stiftungen, auch jenen vonGroßen und Rittern, die religiösen und devotionalen Motive eine nicht unbedeutende,wenn nicht die erstrangige Rolle gespielt.11 Gallus teilt uns auch mit, dass Erzbischof

adiuvabant et in omni sollempnitate precipua vel in ecclesiarum consecrationibus aliquid sibi depentitentia canonica auctoritate relaxabant.

10 Ebd., 113: Arma nulla, clientes pauci, hostes in ianuis, et quod periculosius videbatur, ecclesialignea ad comburendum eos paratior habebatur.

11 Vgl. Krzysztof Skwierczyński, Custodia civitatis. Sakralny system ochrony miasta w Polscewcześniejszego średniowiecza na przykładzie siedzib biskupich [Custodia civitatis. Das sakrale

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Marcin in „seiner Kirche“ beichtete. Auch wenn diese Formulierung in diesem Kontextnicht eindeutig genug ist, verweist sie doch auf eine weitere wichtige Tatsache, nämlichdarauf, dass Eigenkirchen – und eine solche war auch die Kirche in Ruda – ihren Besit-zern in Gestalt der aus dem Zehnten oder den Gebühren für religiöse Handlungenfließenden Einnahmen auch einen beträchtlichen finanziellen Nutzen brachten.12 Öko-nomische Gesichtspunkte haben gewiss eine nicht geringe Rolle gespielt, vor allem beiStiftungen von Großen und Rittern. Eine Stiftung konnte für ihren Gründer schließlichauch eine Art Absicherung für die Zukunft, für den Fall finanzieller Schwierigkeitendarstellen.13

Die spärlichen Hinweise, die der Chronik des Gallus zu entnehmen sind, werdendurch einen interessanten Bericht seines böhmischen Zeitgenossen, Cosmas von Prag,ergänzt, der folgende Geschichte erzählt: Nach der Mitte des 11. Jahrhunderts stifteteein herzoglicher Amtsträger namens Mztis im Suburbium der Burgstadt Bilin mitEinverständnis des Herzogs eine dem Apostel Paulus geweihte Kirche. Zur Konsekra-tion dieses Gotteshauses lud er den Herzog und den Bischof ein. Nach der feierlichenKirchweihe begab sich der Herzog auf die Burg, und der Palatin feierte mit dem Bi-schof in seinem Hof in der Burgsiedlung. Während des Festmahls erschien ein Bote desHerzogs, der bekanntgab, dass der Herzog Mztis wegen früherer Verfehlungen seinesAmtes enthoben habe. Bezeichnend sind die in dieser Situation von Mztis geäußertenWorte: „Der Herzog ist Herr, er mag über seine Stadt verfügen, wie ihm beliebt; wasaber meine Kirche heute erhalten hat, das ihr zu nehmen hat er nicht die Macht.“14 DerBericht bietet einige wertvolle Informationen, die auch mit Blick auf die polnischenVerhältnisse relevant erscheinen. Ersten wurde der Landesherr zur Konsekration einerEigenkirche eingeladen. Zwar konnte die Kirchweihfeier im Falle des Mztis nichtverhindern, dass der Herzog die Gelegenheit zur Rache für eine frühere Beleidigung

System des Schutzes der Stadt im frühmittelalterlichen Polen am Beispiel der Bischofssitze], in:Kwart. Hist. 103, 1996, 3, 3–51, hier 30f.

12 Artur Chojnacki hat im Historischen Institut der Jagiellonen-Universität eine Doktorarbeitvorbereitet unter dem Titel: Kościoły pod zakonnym patronatem w średniowiecznej Małopolsce(XII–XV wiek) [Die Kirchen unter Ordenspatronat im mittelalterlichen Kleinpolen (12.–15. Jahrhundert)], in der er auch die Institution der Eigenkirche in Polen behandelt. Vgl. auchMarcin Rafał Pauk, Działalność fundacyjna możnowładztwa czeskiego i jej uwarunkowaniaspołeczne (XI–XIII wiek) [Die Stiftungstätigkeit der böhmischen Großen und ihre gesellschaftli-chen Bedingungen (11.–13. Jahrhundert)]. Kraków / Warszawa 2000, 41f: sowie allgemein zurEigenkirche Susan Wood, The Proprietary Church in the Medieval West. Oxford 2006.

13 Vgl. Janet Burton, Fundator Noster: Roger de Mowbray as Founder and Patron of Monasteries,in: Jamroziak / Burton, Religious (wie Anm. 5), 23–39.

14 Cosmae Pragensis chronica Boemorum. Ed. Berthold Bretholz, in: MGH SS NS 2. München1955, II, 19: Dux est et dominus, de civitate sua faciat, quod sibi placet. Quom autem mea eccle-sia hodie habet, auferendi dux potestatem non habet; deutsch zitiert nach: Des Dekans CosmasChronik der Böhmen. Übersetzt von Georg Grandaur. Leipzig 1939, 112; vgl. Pauk, Działalnośćfundacyjna (wie Anm. 12), 37f.

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nutzte, doch dürfen wir getrost davon ausgehen, dass die Stiftung einer Kirche und ihrefeierliche Konsekration mit Beteiligung des Herrschers sowie weltlicher und geistlicherWürdenträger unter anderen Umständen dem Stifter durchaus erlaubte, seine Bedeutungzu unterstreichen, sein Prestige zu stärken, verschiedene Angelegenheiten zu erledigenund eine engere Zusammenarbeit mit dem Herrscher herbeizuführen. Solche Kirchwei-hen mögen in der Tat Konferenzen des Monarchen mit der politischen Elite seinesLandes gewesen sein. Zweitens gibt der Bericht des Cosmas Aufschluss über die mate-riellen Grundlagen der gestifteten kirchlichen Institutionen, denn nicht einmal derHerzog hatte offenbar das Recht, diesen materiellen Status anzutasten. Drittens ist auchdie Tirade des Amtsträgers selbst interessant, der zwar das Recht des Herzogs aner-kennt, nach Gutdünken über die weltlichen Ämter zu verfügen, jedoch betont, dass dieneue Kirche sein Eigentum sei. Viertens besaß der auf der Burg amtierende Amtsträgereinen zweiten, privaten Wohnsitz in der Burgsiedlung, und eben auf diesem Privatge-lände hatte er seine Stiftung angesiedelt. Schließlich erfahren wir auch noch, dass seineKirche dem hl. Apostel Paulus geweiht wurde. Gallus hat uns Informationen über diePatrozinien der oben erwähnten polnischen Kirchen vorenthalten. Aber es scheint, dassdie Schutzheiligen der von Adligen getätigten Stiftungen nicht zufällig gewählt wordensind, so dass die Frage der Patrozinien nicht nur am Rande behandelt werden sollte.15

Bei der Erforschung adliger Stiftungen kann auch ein weiteres wichtiges Problemnicht umgangen werden, nämlich die Frage nach der Herausbildung dieser Schicht undihrer wirtschaftlichen, politischen und sozialen Verselbständigung. Der entsprechendeEmanzipationsprozess fiel zeitlich mit einer grundlegenden Veränderung der wirt-schaftlichen Basis der kirchlichen Institutionen zusammen. Spätestens seit Bolesławdem Kühnen, vielleicht auch bereits während der Herrschaftszeit Kasimirs des Erneue-rers, wurden die beweglichen Einkünfte der Kirche durch Landvergaben ersetzt. DieseVeränderung der Politik der Herrscher betraf sicherlich auch die politischen Eliten.Dank Landvergaben und der Mehrung ihres Besitzes konnten es sich Mitglieder derElite bald erlauben, ihrerseits kirchlichen Institutionen Schenkungen zu verleihen bzw.Kirchen und Klöster zu stiften. Wie Marcin R. Pauk am böhmischen Beispiel gezeigthat, zeugt „die Entstehung von Eigenkirchen in Böhmen zwischen dem 11. und dem12. Jahrhundert (…) von sehr tiefgreifenden sozialen Veränderungen. Informationenüber derartige Gotteshäuser finden sich oftmals im Kontext der ältesten Erwähnungenüber den Landbesitz des Adels. Der Prozess der Errichtung von Landgütern und derÜbernahme monarchischer Rechte auf die Stiftung von Pfarrkirchen und auf das Patro-nat über diese verlief also parallel.“16 In diesem Zusammenhang ist interessant, dass

15 Vgl. Skwierczyński, Custodia civitatis (wie Anm. 11), 36f.16 Pauk, Działalność fundacyjna (wie Anm. 12), 43; vgl. auch Ders., Der böhmische Adel im

13. Jahrhundert: Zwischen Herrschaftsbildung und Gemeinschaftsgefühl, in: IvanHlaváček / Alexander Patschovsky (Hrsg.), Böhmen und seine Nachbarn in der Přemyslidenzeit.Ostfildern 2011, 247–287, hier 263.

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Große und weltliche Würdenträger erst mit der Herrschaftszeit Władysław Hermans,also seit dem letzten Viertel des 11. Jahrhunderts die Seiten der Chronik des GallusAnonymus zu bevölkern beginnen. Die Erklärung für dieses Phänomens erscheintbanal: Der Chronist hat eben jene Ereignisse detailliert geschildert, die zu seiner eige-nen Zeit geschahen oder zeitlich nicht weit zurücklagen und von denen er durch seineInformanten bzw. die Protektoren seines Werkes Kenntnis erhalten hatte. Eine ganzähnliche Gesetzmäßigkeit lässt das böhmische Material erkennen; auch in der Chronikdes Cosmas finden sich die ausführlichsten und häufigsten Informationen über Adligeerst im letzten Buch. Vielleicht liegt die Hauptursache dafür darin, dass der Chronist indiesem Buch Ereignisse schildert, an denen er selbst teilgenommen oder von denen erdurch Augenzeugen Kenntnis erhalten hat. Doch darf auch die These nicht ausgeschlos-sen werden, dass der Adel erst seit Mitte des 11. Jahrhunderts zu einem wichtigenTeilnehmer des politischen Spiels in Böhmen wurde.17

In Bezug auf das fühpiastische Polen wird selbstverständlich stets auf den Mangel anschriftlichen Quellen verwiesen. Doch kann wohl davon ausgegangen werden, dass dieStiftung eines Klosters in späteren Schriftquellen (die Erinnerung an die Stifter wurde jain den von ihnen gegründeten kirchlichen Institutionen stets sorgfältig gepflegt) oderauch im archäologischen Material irgendwelche Spuren hinterlassen haben dürfte.Daher wird das zeitliche Zusammenfallen von Hinweisen auf die Aktivitäten des comespalatinus Sieciech, auf seine Stiftungen, die nach ihm benannte Burgsiedlung und seineaußergewöhnlich ehrgeizigen politischen Pläne, und des Beginns des Prozesses derKonzentration von Landbesitz und der Schaffung von Familienzentren, die nach undnach mit verschiedenen kirchlichen Institutionen ausgestattet wurden, kein Zufall sein.Seit der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert begannen sich in Polen agnatische Adels-familien herauszubilden;18 damals traten auch die ersten bedeutsamen adligen Stiftun-gen in Erscheinung, und der Herrscher verlor sein Monopol hinsichtlich der Sorge umdie Kirche. Selbstverständlich resultierte dieses ‚Monopol‘ nicht aus irgendwelchenrechtlichen oder gewohnheitsrechtlichen Bedingungen, vielmehr war es lediglich dieFolge des Fehlens finanzieller Mittel, die den Großen den Bau und die entsprechendeAusstattung einer Kirche oder eines Klosters ermöglicht hätten. Das zeitliche Zusam-menfallen beider Phänomene ist also kein Zufall, sondern stand im Zusammenhang miteinem spezifischen Ethos der Großen, dessen Hauptmerkmal die Imitation des Herr-schers war, auch und gerade was dessen Politik gegenüber der Kirche betraf. Zurschrittweisen Stärkung der Position der Großen und der Ritterschaft gegenüber demHerrscher und der Kirche haben schließlich jene Konflikte und Streitigkeiten nicht

17 Pauk, Działalność fundacyjna (wie Anm. 12), 13.18 Vgl. Sławomir Gawlas, O kształt zjednoczonego Królestwa. Niemieckie władztwo terytorialne a

geneza społeczno-ustrojowej odrębności Polski [Über die Gestalt des vereinigten Königreiches.Die deutsche Territorialherrschaft und die Genese der verfassungspolitischen und sozialen Eigen-heit Polens]. Warszawa ²2000, 77.

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unmaßgeblich beigetragen, die nach dem Tod Bolesławs III. Schiefmund (1138) unterdessen Söhnen ausbrachen. Die Großen haben diese Konflikte geradezu befördert, umsich bestimmte Vorteile zu verschaffen bzw. ihre eigenen Interessen zu verfolgen. Diekleinpolnischen Großen versuchten nach dem Tode Kasimirs des Gerechten (1194) garüber die Besetzung des Krakauer Thrones zu entscheiden.19

Erste adlige Sakralstiftungen im ausgehenden 11.,beginnenden 12. Jahrhundert

Über die ältesten Stiftungen weltlicher Großer im piastischen Polen lässt sich wenigSicheres sagen. Am Beginn stehen die Stiftungen des Sieciech, des unter WładysławHerman mächtigsten Großen des Landes. Zu ihnen dürften die (seit dem 14. Jahrhundertdem hl. Andreas geweihte) St. Ägidiuskirche im Krakauer Stadtteil Okół, die KapelleSt. Benedikt in Radziwie bei Płock sowie das Benediktinerkloster in Sieciechów gezähltwerden.20 Sieciech war von Władysław Herman wahrscheinlich gleich nach 1079,vielleicht aber auch erst während seiner Amtszeit als comes palatinus (1090–1100) mitzahlreichen Vergaben bedacht worden. Auf jeden Fall muss die StiftungstätigkeitSieciechs enorme finanzielle Mittel verschlungen haben. Während Holzbauten ver-gleichsweise geringe Mittel benötigten (das Baumaterial war billig und allgemeinzugänglich, für die Errichtung war keine spezialisierte Bauhütte erforderlich, ein großerTeil der Arbeiten konnte im Rahmen von Zwangsarbeiten durchgeführt werden), erfor-derten Steinbauten bereits ganz beträchtliche Geldmittel.21 Bezeichnend ist in diesemZusammenhang, dass die großen, von Herrschern wie von Großen getätigten Bauinves-

19 Auf klare Weise schildert diesen Prozess Magdalena Bintaś-Szkopek, Konflikty w łonie dynastiipiastowskiej a wzrost znaczenia możnowładztwa na przykładzie sporów synów BolesławaKrzywoustego [Die Konflikte im Schoße der Piastendynastie und die Zunahme der Bedeutungdes Adels am Beispiel der Streitigkeiten der Söhne von Bolesław Schiefmund], in: Józef Do-bosz / Jakub Kujawiński / Marzena Matla-Kozłowska (Hrsg.), Pierwsze polsko-czeskie forummłodych mediewistów. Poznań 2007, 159–172.

20 Diese Diskussion präsentiert Józef Dobosz, Herzogliche und adlige Stiftungstätigkeit im piasti-schen Polen des 12. Jahrhundert, in diesem Band 201–267, hier 236–243.

21 Zur Planung, Organisation und Realisierung großer Bauvorhaben vgl. vor allem Günther Binding,Baubetrieb im Mittelalter. Darmstadt 1997; die interessanten Bemerkungen von Oleg M. Joan-nisjan, O jednym z małopolskich warsztatów budowlanych czasów romańskich (próbarekonstrukcji i charakterystyki jego twórczości) [Über eine der kleinpolnischen Bauwerkstättender romanischen Zeit (Versuch einer Rekonstruktion und Charakteristik ihres Schaffens)], in:Jerzy Gadomski / Katarzyna Kolowca-Chmura (Hrsg.), Lapides viventes. Zaginiony Krakówwieków średnich. Księga dedykowana profesor Klementynie Żurowskiej. Kraków 2005, 269–276.

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titionen des 12. Jahrhunderts vor allem in Schlesien, einer besonders metallreichenRegion, erfolgten.22

Die kirchlichen Stiftungen des Siechiech waren zweifellos auch eine Manifestationseiner Machtambitionen, die von Gallus in ausgesprochen negativem Licht geschildertwurden und u. a. auch in einer eigenen Münzprägung zum Ausdruck kamen.23 Dercomes palatinus ahmte die Stiftungstätigkeit des Herrschers nach, wodurch er seinPrestige mehrte und seine Bedeutung unterstrich. Doch begnügte sich die imitatio regniin diesem Fall offenbar nicht damit, die Unternehmungen des Herzogs bloß nachzuah-men, sondern stellte den Versuch dar, sich auf eine Stufe mit dem Herrscher zu stellen.Bezeichnend erscheint in diesem Sinn die Lage der Kirche St. Ägidius (St. Andreas)

22 Mit dieser Frage beschäftigte sich Tadeusz Lalik, Uwagi o finansowaniu budownictwa murowa-nego w Polsce do początku XIII wieku [Bemerkungen zur Finanzierung des Steinbaus in Polenbis zum Beginn des 13. Jahrhunderts], in: Kwart. Hist. Kult. Mater. 15, 1967, 1, 55–74; vgl. auchdie interessanten Bemerkungen über die Herkunft der zur Errichtung von Kirchenbauten notwen-digen Geldmittel, des Baumaterials und der benötigten Arbeitskräfte bei Andrzej Wyrobisz,Inwestycje i siła robocza w średniowiecznym budownictwie [Investitionen und Arbeitskräfte immittelalterlichen Bauwesen], in: Stanisław Herbst / Anna Mazur (Hrsg.), Społeczeństwo,gospodarka, kultura. Warszawa 1974, 413–424.

23 Es sind zwei Typen von Denaren bekannt – auf der Vorderseite beider findet sich das ZeichenSieciechs (zwei übereinander angebrachte Halbbögen, verbunden durch ein vertikales Elementund mit einem Kreuz bekrönt) sowie der Name ZETECH. Auf der Rückseite des ersten Typsprangt ein sogenanntes Kavalierskreuz sowie die Legende CRIX, während die zweite Variante eingeheimnisvolles Ensemble von Zeichen darstellt, wahrscheinlich einen deformierten Wimpel undeinen Hirtenstab; Stanisław Suchodolski, Moneta możnowładcza i kościelna w Polscewczesnośredniowiecznej [Vom Adel und von der Kirche geprägte Münzen im frühmittelalterli-chen Polen]. Wrocław / Warszawa 1987, 13–44. Inwieweit Sieciechs Münzprägung ursächlichmit seinen Stiftungen zusammenhing, ist unklar; möglicherweise diente sie der Bezahlung aus-ländischer Bauhütten, vielleicht wurden die Denare aber auch während der Konsekrationen vonKirchen verteilt und auch ein devotionaler Charakter beider Emissionen kann nicht ausgeschlos-sen werden (die Denare können den gestifteten kirchlichen Institutionen geschenkt worden sein).Die in der polnischen Numismatik schon seit langem geäußerte Vermutung, die MünzprägungenSieciechs könnten im engen Zusammenhang mit der Finanzierung seiner kirchlichen Stiftungengestanden haben, hat unlängst eine unerwartete Bestätigung gefunden. Denn es stellte sich heraus,dass der Palatin außer den bisher bekannten beiden Typen von Denaren auch noch eine anonymeMünze geprägt hat, auf der sein Zeichen und sein Name fehlt, die stilistisch und metrologisch andie populären Kreuzdenare anknüpft und (angesichts ihres geringeren Silbergehalts) bereits aus-schließlich ökonomischen Charakter besaß; Vgl. die Diskussion zu diesem Thema bei StanisławTrawkowski, Charakter denarów palatyna Sieciecha [Der Charakter der Denare des Palatins Sie-ciech], in: Ryszard Kiersnowski (Hrsg.), Moneta mediaevalis. Studia numizmatyczne i histo-ryczne ofiarowane Profesorowi Stanisławowi Suchodolskiemu w 65. rocznicę urodzin. Warszawa2002, 283–290; Stanisław Suchodolski, Czy monety palatyna Sieciecha świadczą o jego dążeniudo przejęcia władzy w Polsce? [Zeugen die Münzen des Palatins Sieciech von seinem Bestrebennach Übernahme der Macht in Polen?], in: Rosik / Wiszewski, Causa creandi (wie Anm. 3), 365–375; Adam Kędzierski, Polskie denary krzyżowe w skarbie ze Słuszkowa [Polnische Kreuzdenareim Schatz von Słuszków], in: Wiadomości Numizmatyczne 42, 1998, 1–2, 21–48.

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fast zu Füßen der herzoglichen Wawelburg. Dieses Gotteshaus, dass sich aus der Holz-bebauung des Krakauer Siedlungsteils Okół imposant herausgehoben haben muss,unterstrich die Macht und Bedeutung seines adligen Stifters, der gleich nebenan inseinem Herrenhaus residierte.24 Im Fall der besonders kontrovers diskutierten Kloster-stiftung des Siechiech in dem nach ihm benannten Sieciechów, scheinen die Stiftungs-motive noch etwas komplizierter gewesen zu sein. Möglicherweise hat der Palatin dasBenediktiner-Kloster in dem Moment gestiftet, als er beim Herzog in Ungnade gefallenwar und mit seiner Verbannung rechnen musste. Das Motiv wäre in diesem Fall nichtzuletzt in dem Bestreben zu suchen, seine Besitztümer durch die großzügig ausgestatte-te Stiftung vor einer herzoglichen Konfiszierung zu schützen. Vielleicht hat Siechiechdiese Stiftung aber auch in erster Linie mit Blick auf ein Hauskloster für seine Familiebegründet.

Beachtung verdienen die im Kontext von Sieciechs Stiftungstätigkeit begegnendenPatrozinien, insbesondere jenes der Krakauer Kirche. Der imponierende Bau, der einenbeträchtlichen Teil des frühmittelalterlichen Krakau dominierte, war dem hl. Ägidiusgeweiht.25 Die Verbindung der Verehrung dieses Heiligen mit der herrschenden Dyna-stie, mit Władysław Herman und seines – nach Gallus – dank einer Fürsprache deshl. Ägidius geborenen Sohnes Bolesław III. Schiefmund ist offensichtlich genug. ÜberSieciechs Motive, gerade dieses Patrozinium zu wählen, können nur Vermutungenangestellt werden. Vielleicht wurde die Kirche zu einem Zeitpunkt geweiht, als er nocheng mit dem Herzog Władysław Herman kooperierte und der Stifter damit seiner Loya-lität dem Herrscher gegenüber Ausdruck verleihen wollte. Aber auch ein völlig entge-gengesetztes Motiv kann nicht ausgeschlossen werden: dass Sieciech, der sein Prestigegefestigt hatte und möglicherweise bereits eine Machtübernahme im regnum ins Augefasste, nun denselben Heiligen seine Verehrung erwies, deren Kult auch von der Dynas-tie betrieben wurde. Und noch eine dritte Vermutung wäre möglich: Vielleicht war esja, neben dem Bischof Franko, gerade die Familie des Sieciech, die seinerzeitWładysław Herman und seine Gattin Judit dazu inspiriert hatte, eine Gesandtschaft insferne provencalische Kloster Saint-Gilles zu schicken, um mit Blick auf ihren Kinder-

24 Vgl. den populärwissenschaftlichen Beitrag mit bezeichnendem Titel von Tadeusz Lalik, Pycha wkamień zakuta. Kościoły palatynów Sieciecha i Skarbimira w Krakowie i Skalbmierzu [Hochmutin Stein gehauen. Die Kirchen der Palatine Sieciech und Skarbimir in Krakau und Skalbmierz],in: Mówią wieki 10, 1967, 7, 33–37.

25 Vgl. Jerzy Wyrozumski, Kraków do schyłku wieków średnich [Krakau bis zum Ausgang des Mittelal-ters]. Kraków 1992, 118; Andrzej Niewiński, Przestrzeń kościelna w topografii średniowiecznegoKrakowa. Próba syntezy [Der kirchliche Raum in der Topografie des mittelalterlichen Krakau. Versucheiner Synthese]. Lublin 2004, 59f.; Jerzy Rajman, Kraków. Zespół osadniczy, proces lokacji,mieszczanie do roku 1333 [Krakau. Das Siedlungsensemble, der Lokationsprozess und die Bürger-schaft bis zum Jahre 1333]. Kraków 2004, 66f.; Teresa Rodzińska-Chorąży / Andrzej Włodarek,Romańskie malowidła ścienne w południowej apsydioli kościoła św. Andrzeja w Krakowie [Romani-sche Wandmalereien in der südlichen Apsodiole der St. Andreaskirche in Krakau], in:Gadomski / Kolowca-Chmura, Lapides viventes (wie Anm. 21), 127–148.

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wunsch geistige Hilfe zu erbitten. Das Ägidius-Patrozinium der Krakauer Kirche ist imÜbrigen nicht das einzige Zeugnis einer Verbindung von Sieciechs Familie mit demKloster Saint-Gilles und dem hl. Ägidius. In den gegen Ende des ersten Viertels des12. Jahrhunderts niedergeschriebenen Miracula sancti Aegidi wird ein Wunder be-schrieben, das einen Mundschenk des Herzogs Bolesław mit Namen Sieciech betrifft(höchstwahrscheinlich ein Enkel des comes palatinus). Der vom hl. Ägidius geheilteWürdenträger begab sich auf eine Wallfahrt zum Grab dieses Heiligen nach Saint-Gilles.26

Weniger Informationen liegen zu den Stiftungen der Awdańcen vor. Immerhin kannsicher gesagt werden, dass diese Familie zu Beginn des 12. Jahrhunderts über beträcht-liche ökonomische Ressourcen verfügte, die es ihr nicht nur erlaubten, die KrakauerKathedrale zu beschenken,27 sondern auch Vergaben zugunsten der Abtei in Lubiń zuveranlassen. Eine bloße Hypothese stellt die Vermutung dar, die Awdańcen wären aufirgendeine Weise an der Ausstattung dieses Klosters zur Zeit seiner Stiftung durchBolesław den Kühnen beteiligt gewesen. Sicher aber waren sie an der so genanntenzweiten Phase der Stiftung dieses Klosters in den 1130er Jahren beteiligt.28

Intensivierung und Wandel adliger Stiftertätigkeit imVerlauf des 12. Jahrhunderts

Seit dem 12. Jahrhundert beschränkten sich die Großen nicht mehr allein auf die Stif-tung eigener Kirchen und Abteien. Vielmehr beteiligten sie sich nun auch gemeinsam

26 De pincerna ducis Poloniae a morte liberato. Ed. Wojciech Kętrzyński, in: MPH. Bd. 4. Lwów1884, 745–747. Zu den Kirchen mit dem Patrozinium des hl. Ägidius und dessen Kult in PolenDobosz, Herzogliche und adlige Stiftungstätigkeit (wie Anm. 20), 201f.; Skwierczyński, Custodiacivitatis (wie Anm. 11), 46; Mieczyslaw Rokosz, Średniowieczne dzieje kościoła św. Idziego wGiebułtowie [Die Geschichte der St. Ägidiuskirche in Giebułtów], in: Gadomski / Kolowca-Chmura, Lapides viventes (wie Anm. 21), 247–257, dort weiterführende Literaturangaben. ZumKult des hl. Ägidius Pierre-Gilles Girault, La chasse et les reliques de saint Gilles au Moyen Age.Une tension entre corps saint et images?, in: Pecia 8–11, 2005, 179–204.

27 Spisy dawne skarbca i biblioteki kapitulnej krakowskiej (II) [Alte Verzeichnisse der KrakauerKapitelbibliothek und Schatzkammer]. Ed. August Bielowski, in: MPH. Bd. 1. Lwów 1864, 376–378, hier 377.

28 Vgl. Magdalena Żurek, Kościół konwentualny Panny Marii w Lubiniu. Rekonstrukcja kolejnychfaz budowy i rozbudowy w XI–XIII wieku [Die Konventualkirche der Jungfrau Maria in Lubiń.Rekonstruktion der einzelnen Bau- und Ausbauphasen im 11.–13. Jahrhundert], in: Zofia Kur-natowska (Hrsg.), Opactwo Benedyktynów w Lubiniu. Pierwsze wieki istnienia. Poznań 1996,35–57; Marek Derwich, Fundacja lubińska na tle rozwoju monastycyzmu benedyktyńskiego wPolsce (XI–XII wieku) [Die Lubińer Stiftung vor dem Hintergrund der Entwicklung des benedik-tinischen Monastizismus in Polen (11.–12. Jahrhundert)], in: ebd., 12–23; Dobosz, Stiftungstätig-keit (wie Anm. 20), 223–228.

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mit dem Herrscher an der Schaffung neuer kirchlicher Einrichtungen. Ihre Motive dafürkonnten vielfältig sein und in dem Wunsch bestehen, ihre Loyalität gegenüber demHerrscher zu betonen, dessen Gunst zu erlangen oder gleichsam die sich aus einerwichtigen Stiftung ergebenden geistigen Profite ‚anzuzapfen‘. Daneben nahmen siezahlreiche Vergaben vor und überließen bereits bestehenden Institutionen Einkünfteund Rechte. Zu den Motiven, die Große wie Herrscher zu ihren Stiftungen veranlassten,muss der Wunsch nach Wiedergutmachung begangener Fehltritte bzw. eine von derKirche auferlegte Busse für Sünden oder Straftaten zählen. Ein charakteristischesBeispiel hierfür bietet der Große Piotr Włostowic. Dieser soll der im ausgehenden 13.und 14. Jahrhundert verfassten Großpolnischen Chronik zufolge einem päpstlichenBeichtvater in Rom bekannt haben, dass er sich die Schätze des verstorbenen Dänenkö-nigs angeeignet hatte. Als Buße für dieses Vergehen sei ihm auferlegt worden, siebenKlöster zu errichten und auszustatten. Nach Polen zurückgekehrt habe Piotr daher eineAbtei der Regularkanoniker auf der Breslauer Sandinsel, eine weitere außerhalb vonBreslau zu Ehren des hl. Vinzenz, außerdem die Abtei in Czerwińsk, das Kloster inStrzelno, das Pfarrhaus an der Kirche St. Laurentius bei Kalisch, die Abtei in Sulejówsowie das Pfarrhaus in Mstów gestiftet. Darüber hinaus soll er aus Stein und Ziegelnnoch siebzig weitere Kirchen erbaut haben.29 Der Tod habe es ihm dann nicht erlaubt,sein Werk zu vollenden, so dass dieses von seinem Sohn Piotr weitergeführt worden sei.Lassen wir die Frage nach der Glaubwürdigkeit einer so riesigen Zahl von Stiftungeneinmal beiseite und betrachten zunächst den Umstand, dass das monumentale Stiftungs-programm des Piotr Włostowic augenscheinlich durch eine ihm auferlegte Buße veran-lasst war.30 Wir sehen, dass wir es hier mit einer Art erzwungener imitatio regni zu tunhaben. Die Adligen waren nicht nur selbst darum bemüht, in ihrer Tätigkeit die Herr-schenden nachzuahmen, sondern wurden gelegentlich auch durch kirchliche Entschei-dungen bzw. auferlegte Bußen zu einem solchen Verhalten gezwungen. Die Adligenihrerseits bemühten sich, in ihren Aktivitäten den Herzogen und Königen ähnlich zuwerden – was ihr Prestige und ihre Bedeutung heben sollte –, andererseits aber mussten

29 Chronica Poloniae Maioris. Ed. Brygida Kürbis, in: MPH NS. Bd. 8. Warszawa 1970, 50: Quirediens in suburbio Wratislauiensi in honorem beate Virginis Marie abbaciam canonicorum re-gularium in Arena et aliam in honorem sancti Wincencii extra urbem eandem fundavit et abundedotavit. Item abbaciam in Czirwensko, monasterium sanctimonialium in Strzelna, preposituram adsanctum Laurencium prope Kalis, abbaciam in Suleyow, preposituram in Mstow similiter erexit etdotavit: ac alias septuaginta ecclesias ex lapide dolato et coctis lateribus tertur construxisse.

30 Elżbieta Kowalczyk, Pielgrzymki pokutne we wczesnym średniowieczu: Bolesław Krzywousty iPiotr Włostowic [Bußwallfahrten im Frühmittelalter: Bolesław Schiefmund und Piotr Włostowic],in: Halina Manikowska / Hanna Zaremska (Hrsg.), Peregrinationes. Pielgrzymki w kulturzedawnej Europy. Warszawa 1995, 157–159; Zbigniew Dalewski, Ritual and Politics. Writing theHistory of a Dynastic Conflict in Medieval Poland. Leiden / Boston 2008, 85–133.

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Imitatio regni. Adlige Stiftungen im Polen des 11. und 12. Jahrhunderts 185

sie auch die Lasten und Konsequenzen ihrer Handlungen tragen, so wie diese den Herr-schenden auferlegt waren.31

Es wurde bereits mehrfach auf das Erfordernis hinreichender materieller Ressourcenverwiesen, ohne die Stiftungen praktisch nicht möglich waren. Im Fall des PiotrWłostowic informiert uns die Großpolnische Chronik, dass er für sich und seine Kinderdank des von einem fremden Herrscher angeeigneten Schatzes viele Güter erworbenhatte und dank der Freigiebigkeit Bolesław III. Schiefmunds und dessen Söhnen weitereLändereien in verschiedenen Teilgebieten Polens hinzugewann.32 Angesichts derschwungvollen Stiftungstätigkeit dieses Großen, aber auch zahlreicher weiterer für das12. Jahrhundert belegter adeliger Stiftungen, die im Herzen der jeweiligen Familiengü-tern entstanden (Łekno, Koprzywnica, Lubiń, Wąchock und Brzeźnica), ist SławomirGawlas zuzustimmen, dass die in der Literatur vertretene Ansicht von einem geringenAusmaß adeliger Güter im 12. Jahrhundert nicht überzeugt.33 Gawlas verweist zurechtdarauf, dass es im 12. Jahrhundert adlige Burgstädte gab (z. B. besaß der Große Zbylut,der Stifter von Łekno, eine eigene Burgsiedlung mit Kirche). Zudem ist bekannt, dassGroße über Regalien (Münzprägungen Sieciechs, aber von Piotr Wszeborowic, einemEnkel des Piotr Włostowic) sowie über das Recht, Gottesurteile herbeiführen zu lassen(z. B. Prandota der Alte), verfügten.34 Ebenso erlaubt eine Analyse des Siedlungswesensin den Klostergütern die Schlussfolgerung, dass der Landbesitz der Großen im12. Jahrhundert bereits weit entwickelt war. Bezeichnend ist in dieser Hinsicht das Bei-spiel des Benediktinerklosters in Sieciechów, das u. a. dank reichlicher Schenkungen vonGroßen, zu den größten Landbesitzern des frühmittelalterlichen Polen gehörte.35

31 Ein Jahrhundert zuvor hatte der Heilige Stuhl gegen den böhmischen Herzog Břetislav Anklageerhoben, der den Leichnam des hl. Adalbert aus Gnesen entführt hatte. Letztendlich entschied derPapst, dass der Herzog und der Prager Bischof zur Genugtuung ein entsprechend ausgestattetes Klostererrichten sollten. Die diesem Bußgebot gehorsamen Böhmen stifteten in der Ortschaft Boleslav an derElbe eine dem hl. Wenzel geweihte Kirche, die im Jahre 1046 von Bischof Severus konsekriert wurde;Cosmae Pragensis chronica. Ed. Bretholz (wie Anm. 14), 93: Sed quia vos sive per ignorantiam sivebone intentionis ob gratiam hanc rem fecistis, ut pro hac tam temeri presumptione dux vester et episco-pus cenobium omnibus ecclesiasticis usibus et honoribus sufficienter amplificatum in competenti lococonstruant probatasque personas ac officia servientium clericorum ex more constituant, ubi Deo se-dulum servicium tam pro vivis fidelibus quam pro defunctis in sempiternum exhibeatur, ut saltem vel sicin conspectu Dei reatus vestri transgressio deleatur.

32 Chronica Poloniae Maioris. Ed. Kürbis (wie Anm. 29), 39: Cum quo multas possesiones pro se etsius liberis comparavit et nonnullas hereditates ex largicione regis Boleslai et suorum filiorumsuccessione sibi donatas fuerat in diversis provinciis Polonie consecutus.

33 Gawlas, O kształt (wie Anm. 18), 78.34 Ebd., 76f.; zu den Münzprägungen des Piotr Wszeborowic muss bemerkt werden, dass diese

einen anderen Charakter hatten als diejenigen von Palatin Sieciech, denn sie erfolgten mit demEinverständnis Mieszkos des Alten – auf der Rückseite der Münzen befindet sich ein Monogramdes Petrus, auf der Vorderseite eine Darstellung des Herrschers, die dessen Münzhoheit symboli-siert; vgl. Suchodolski, Moneta możnowładcza (wie Anm. 23), 45–66.

35 Vgl. Andrzej Rozwałka, Nowy obraz sieci osadniczej Lubelszczyzny (w granicach

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Die Gründung eines Klosters oder die Errichtung einer Kirche musste trotz der damitverbundenen beträchtlichen Ausgaben für Bauten und Ausstattung letztlich keineMinderung des Vermögens des Stifters bedeuten. Schließlich vollzog sich der Übergangvon der Eigenkirche zum Patronat ziemlich langsam. Eine Kirche oder ein Klostererbrachten ihrem Besitzer nicht nur Einkünfte, so dass sich eine Stiftung durchaus alseine einträgliche Investition erweisen konnte; sie vermochten mitunter– wie am Bei-spiel von Mztis und Sieciech bereits deutlich geworden ist – auch einen Teil der Land-güter eines Großen vor einer eventuellen Konfiszierung zu schützen.

Der beträchtlichen zahlenmäßigen Zunahme adeliger Stiftungen im 12. Jahrhundertlagen mehrere Faktoren zugrunde. Vor allem begann die Schicht der reichsten Vertreterder Großen und der Ritterschaft dank der noch von Kasimir dem Erneuerer und Bo-lesław dem Kühnen getätigten Landvergaben zu erstarken und sich immer mehr vomRest der Gesellschaft abzusondern. Außerdem begann infolge der teilfürstlichen Zer-splitterung und der Entstehung mehrerer wichtiger regionaler Herrschaftszentren so-wohl die Position von Vertretern der Kirche als auch des Adels zu erstarken.36 BeideGruppen begannen allmählich die Rolle von Vermittlern zwischen den zerstrittenenFürsten zu spielen; außerdem entstanden in allen Teilfürstentümern Höfe, womitzwangsläufig auch die Zahl der Ämter und der sie ausübenden Amtsträger anstieg. Jeschwächer die Position der Herzöge wurde, desto größere Selbständigkeit konnten dieGroßen gewinnen, und diese Selbständigkeit zeigte sich auch in ihrer Stiftungstätigkeit.

średniowiecznego archidiakonatu lubelskiego) w okresie XI–XII w. w świetle badańarcheologicznych i historycznych [Ein neues Bild des Siedlungsnetzes der Lubliner Region (inden Grenzen des mittelalterlichen Archidiakonats Lublin) in der Zeit des 11.–13. Jahrhunderts imLichte archäologischer und historischer Forschungen], in: Zenon Wożniak / Jan Gancarski(Hrsg.), Polonia Minor medii aevi. Studia ofiarowane panu profesorowi Andrzejowi Żakiemu wosiemdziesiątą rocznicę urodzin. Kraków-Krosno 2003, 393–416.

36 Das vollständigste Bild des frühpiastischen polnischen Adels skizziert Janusz Bieniak, Polskaelita polityczna XII wieku [Die polnische Elite des 12. Jahrhunderts]: I. Tło działalności [Hinter-grund der Tätigkeit], in: Społeczeństwo Polski średniowiecznej 2, 1982, 11–61; II. Wróźda i zgo-da [Fehde und Eintracht], in: ebd. 3, 1985, 13–74; III A. Arbitrzy książąt – krąg rodzinny PiotraWłostowica [Arbiter der Fürsten – der Familienkreis von Piotr Włostowic], in: ebd. 4, 1990, 13–107; III B. Arbitrzy książąt – trudne początki [Arbiter der Fürsten – schwierige Anfänge], in: ebd.7, 1996, 11–44; III C. Arbitrzy książąt – pełnia władzy [Arbiter der Fürsten – die Fülle derMacht], in: ebd. 8, 1999, 9–66; III D. Arbitrzy książąt – zmierzch [Arbiter der Fürsten – der Un-tergang], in: ebd. 9, 2001, 9–53; IV A. Dwa możnowładztwa wobec jedności państwa (I) [ZweiAdelsherschaften gegenüber der Einheit des Staates (I)], in: ebd. 10, 2004, 19–46 und IV A. Dwamożnowładztwa – wobec jedności państwa (II), in: ebd. 11, 2007, 9–19; eine deutsche, um einenim Polnischen noch unveröffentlichten Schlussteil ergänzte Fassung der beiden letzten Teile: Ja-nusz Bienak, Die Großen und die Einheit der piastischen Monarchie im 11.–12. Jahrhundert, in:Eduard Mühle (Hrsg.), Studien zum Adel im mittelalterlichen Polen. Wiesbaden 2012, 171–220.Ein Teil von Bieniaks Thesen wird in Frage gestellt z. B. von Jarosław Wenta, O stróżach „testa-mentu“ Bolesława Krzywoustego [Über die Hüter des „Testaments“ von Bolesław Schiefmund],in: Społeczeństwo Polski średniowiecznej 8, 1999, 67–112.

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Immer häufiger entstanden auch gemischte Gründungen, die vom Fürsten und einerAdelsfamilie gemeinsam gestiftet wurden. Diese Stiftungen hatten einen ausgesprochenpolitischen Charakter; sie zeugen von engen Beziehungen und einer Zusammenarbeitbeider Seiten. Andererseits darf nicht vergessen werden, dass die politische Zersplitte-rung auch zu einem relativen Rückgang der Bedeutung der Adelsgeschlechter führte.Denn die von ihren Vertretern besetzten Ämter nahmen mit der teilfürstlichen Regiona-lisierung einen regionalen bzw. lokalen Charakter an. Daher begegnet in der zweitenHälfte des 12. Jahrhunderts auch kein so mächtiger Mann mehr wie Sieciech, der seinereale Macht über das gesamte regnum hätte ausdehnen können. Die Position der Herr-scher der einzelnen Teilfürstentümer begann sich im letzten Viertel dieses Jahrhundertszu verändern. Das beste Beispiel für den entsprechenden Konsolidierungsprozess bietetdas Wirken Mieszkos III. des Alten, der als wichtigste Instrumente einer Stärkungseiner Position die Gerichtsgewalt und die Jagdregalien, die Münzhoheit und das Juden-recht ausnutzte.37 Die Bedeutung und der Einfluss der Adelsgeschlechter wurden damitim 13. Jahrhundert auf Dimensionen beschränkt, die den Teilfürstentümern entspra-chen. Dies geschah sowohl infolge der Verfestigung der territorialen Zersplitterung unddes Endes der Senioratsherrschaft, die nach dem Tode von Bolesław Schiefmundlediglich wenige Jahrzehnte funktioniert hatte, als auch infolge einer bewussten unddurchaus beabsichtigten Politik der Fürsten, die eine Stärkung ihrer – auch wirtschaftli-chen – Macht und Position anstrebten. Sławomir Gawlas zufolge bestand diese Politiku. a. darin, den Adel von jenen Profiten abzuschneiden, die sich aus neuen, mit demLandesausbau einhergehenden Wirtschaftsformen ergaben.38 Im 13. Jahrhundert könnenwir auch die Praxis beobachten, dass die Fürsten Vertreter großer Familien der wich-tigsten Ämter enthoben haben, um diese anschließend mit Rittern zu besetzen, diehäufig aus einem anderen Teilfürstentum stammten. Auf diese Weise sicherten sich dieHerrscher die Loyalität und treuen Dienste ihrer Amtsträger.39

Das 12. Jahrhundert wird von den Quellen zweifellos erheblich besser erhellt als das11. Jahrhundert; dennoch scheinen den Historikern zahlreiche Stiftungen, die weitausbescheidener waren als die imponierenden Klosterabteien oder Steinkirchen, entgangenzu sein. Wie Gallus Anonymus für das 11., so bietet auch der Verfasser der zweitältes-ten polnischen Chronik, Magister Vincentius, im ausgehenden 12. Jahrhundert hierfürgewisse Hinweise. So erzählt er von einem feigen Ritter, der sich zwar durch Herkunftund Ehren auszeichnete, aber dennoch vom Schlachtfeld floh. Bolesław III. Schiefmund‚belohnte‘ einen solchen Mangel an Tapferkeit, so Vincentius, indem er ihm einenSpinnrocken, eine Spindel und Hasenfelle schenkte. Der Ritter verstand die Bedeutungdieser Gegenstände sehr wohl und erhängte sich am Riemen der Glocke in seiner eige-

37 Vgl. vor allem die überzeugenden Ausführungen von Gawlas, O kształt (wie Anm. 18), 79f.38 Ebd., 82.39 Vgl. Benedykt Zientara, Heinrich der Bärtige und seine Zeit. Politik und Gesellschaft im mittelal-

terlichen Schlesien. München 2002, 268f.

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nen Kapelle.40 Diese Anekdote, die anlässlich der Schilderung der Niederlage despolnischen Heeres am Fluß Sajó im Jahre 1132 erzählt wird, bietet noch eine weitereinteressante Information. Denn als das Ross unter dem tapfer kämpfenden polnischenHerzog zusammenbrach und Bolesław zu Fuß vom Schlachtfeld zurückkehrte, bot ihmein Bauer sein Pferd an und sagte: „Gedenke meiner, o Herr, wenn du in dein Reichkommst“. Der Herzog ließ diese Geste nicht unbelohnt; er befreite den Bauern aus derLeibeigenschaft, machte ihn reich und erhob ihn in den Ritterstand.41 Diese Erzählungillustriert eine der Möglichkeiten sozialen Aufstiegs und verweist zugleich auf dieQuelle jenes Besitzes, dank dessen Große und Ritter auf ihren Gütern Kirchen undandere kirchliche Institutionen stiften konnten.

Im 12. Jahrhundert erfolgten tatsächlich bereits zahlreiche und bedeutende Stiftungendurch polnische Adlige.42 Ein Vertreter der Adelsfamilie der Gryfen stiftete irgendwannzu Beginn des 12. Jahrhunderts in Brzeźnica eine wahrscheinlich dem hl. Andreasgeweihte Kirche mit einer Westempore. Zur gleichen Zeit errichtete ein gewisserSięmian aus dem Geschlecht der Nagodzica die St. Martinskirche in Pacanów. Derbereits erwähnte Prandota der Alte war der Gründer und Wohltäter einer demhl. Johannes dem Täufer geweihten Kirche in Prandocin. Und Wojsław, der Truchsessund enge Mitarbeiter Bolesławs Schiefmunds, schenkte ähnlich wie Michał Awdaniecder Krakauer Kathedrale Priestergewänder und stiftete in den 1130er Jahren zusammenmit seinem Fürsten das Benediktinerkloster in Łysiec,43 und wahrscheinlich war er esauch, der dem Bistum Breslau mehrere Dörfer übergab. Zbylut aus der Familie Pałuk,der Stifter des Zisterzienserklosters in Łekno,44 schenkte darüber hinaus dem Benedikti-

40 Magistri Vincentii dicti Kadlubek Chronica Polonorum. Ed. Marian Plezia, in: MPH NS. Bd. 11.Kraków 1994, 117: Quibus ille intellectis, in oratorio proprio campane loramento suspensus, mi-serum permisere spiritum axalat. Zu solchen kleinen, einschiffigen Kirchen vgl. die wertvollenBemerkungen von Artur Różański, Ecclesiae laicorum w Wielkopolsce – przykład Giecza [Eccle-siae laicorum in Großpolen – das Beispiel von Giecz], in: Tomasz Janiak / Dariusz Stryniak(Hrsg.), Początki architektury monumentalnej w Polsce. Materiały z sesji naukowej. Gniezno, 20–21 listopada 2003 roku. Gniezno 2004, 333–348.

41 Magistri Vincentii Chronica. Ed. Plezia (wie Anm. 40), 117f.: Illum autem, illum originarium obliberalitatis insigne seruituri emancipat, emancipatum locupletat, locupletatum equestriumpretexta nobilitat.

42 Diese Stiftungen werdem mit ausführlichen Quellen- und Literaturverweisen besprochen undkommentiert bei Dobosz, Stiftungstätigkeit (wie Anm. 20), 223–258 sowie Ders., Monarcha imożni wobec kościoła w Polsce do początku XIII wieku [Der Monarch und die Großen und dieKirche in Polen bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts]. Poznań 2002, 367–405.

43 Vgl. vor allem Marek Derwich, Benedyktyński klasztor św. Krzyża na Łysej Górze wśredniowieczu [Das Benediktinerkloster zum Heiligen Kreuz auf der Łysa Góra im Mittelalter].Warszawa / Wrocław 1992.

44 Józef Dobosz, Założenie klasztoru w Łeknie na tle dwunastowiecznych fundacji cysterskich naziemiach polskich [Die Gründung des Klosters in Łekno vor dem Hintergrund der Zisterzienser-stiftungen des 12. Jahrhunderts in den polnischen Gebieten], in: Andrzej M. Wyrwa (Hrsg.), Cystersiłekneńscy w krajobrazie ziem polskich. Łekno / Wągrowiec / Poznań 2004, 681–689; Marek Górny,

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nerkloster in Mogilno die St. Jakobskirche und das Dorf Boguszyno. Ähnlich schenkteauch Dobrogost der Alte aus Nałęczów diesem Kloster eine Kirche und ein Dorf. Zuden erwähnten Stiftungen kommen noch zahlreiche Vergaben von Dörfern an verschie-dene kirchliche Institutionen hinzu, die von Vertretern weniger bedeutender Adels- undRitterfamilien getätigt wurden. Während der Herrschaftszeit Bolesław Schiefmundskonnte die polnische Kirche dank des Herzogs und des Adels ihre materielle Positionbeträchtlich stärken.

An der Spitze der Stifter aus dem frühen 12. Jahrhundert muss selbstverständlich derschon mehrfach erwähnte Piotr Włostowic genannt werden.45 Er und sein Schwieger-sohn Jaxa zeichneten sich mit Sicherheit durch einen außerordentlichen, geradezufürstlichen Ehrgeiz aus, wovon sowohl die zeitgenössischen wie späteren Quellenzeugen. Magister Vincentius charakterisierte Piotr in seiner Chronik folgendermaßen:„Ein Adliger von hoher Abkunft und in seiner Würde dem Herzog am nächsten, einMann edler Großherzigkeit, sowohl mit starker Hand als auch mit einem eifrigen Her-zen – das ist dieser berühmte Piotr Włostowic.“46 Sein Ehrgeiz äußerte sich u. a. in derNachahmung der Stiftungstätigkeit fürstlicher Herren; tatsächlich übertraf der Palatindabei die Errungenschaften der Piasten sogar noch. Schließlich bildete das von ihmgestiftete Breslauer Benediktinerkloster neben der Kathedrale den einzigen imposantenSakralbau dieser Stadt. Selbst wenn wir die legendäre Zahl von 70 oder 77 von ihmgestifteten Objekten auf – wie es die skeptischsten unter den Historikern fordern – vierbeschränken würden (die Abteien auf dem Breslauer Elbing und auf der Sandinsel, das

Ród Pałuków a klasztor cystersów w Łeknie – w poszukiwaniu zaginionej tradycji pochodzenia [DieFamilie Pałuk und das Zisterzienserkloster in Łekno – auf der Suche nach der verlorenen Herkunfts-tradition], in: ebd. 83–88; Andrzej M. Wyrwa, Monumentalna i drewniana architektura sakralna włekneńskim kompleksie osadniczym do końca XIII wieku [Sakrale Monumental- und Holzarchitek-tur im Siedlungskomplex von Łekno bis zum Ende des 13. Jahrhunderts], in: Janiak / Stryniak,Początki architektury (wie Anm. 40), 213–243; Ders., Sieć kościołów w łekneńskim kompleksieosadniczym i ich darowanie w świetle najnowszych badań [Das Netz der Kirchen im Siedlungskom-plex von Łekno und ihre Vergabe im Lichte der neuesten Forschungen], in: Gadomski / Kolowca-Chmura, Lapides viventes (wie Anm. 21), 343–353.

45 Das Stiftungsprogramm dieses Adligen analysiert Halina Manikowska, Princeps fundator imvorrechtsstädtischen Breslau. Von Piotr Włostowic bis zu Heinrich dem Bärtigen, in diesemBand, 281–305. Vgl. auch Leszek Kajzer, Jeszcze o 70 kościołach fundacji Piotra Włostowica(uwagi na marginesie studium Janusza Bieniaka) [Noch zu den 70 Kirchen der Stiftung von PiotrWłostowic (Randbemerkungen zur Studie von Janusz Bieniak)], in: Kwart. Hist. Kult. Mater. 39,1991, 2, 177–185; Anna Pobóg-Lenartowicz, A czyny ich były liczne i godne pamięci. Konwentklasztoru kanoników regularnych NMP na Piasku we Wrocławiu do początku XVI wieku [Undihre Taten waren zahlreich und erinnerungswürdig. Der Konvent des Klosters der Regularkanoni-ker Unserer Lieben Frau auf der Sandinsel in Breslau bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts]. Opo-le 2007.

46 Magistri Vincentii Chronica. Ed. Plezia (wie Anm. 40), 108: (…) alti sanguinis princeps etprincipi dignitate proximus, uir magnanimitatis generose, tam strennuus manu quam pectore in-dustrius, ecce ille fame celeberrime Petrus Vlostides.

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Kloster auf dem Zobtenberg und die Kirche in Skrzyńsko),47 so wäre dies, in Anbe-tracht der auch für diese vier Gründungen erforderlichen enormen ökonomischenAnstrengungen, gleichwohl eine überaus imponierende Stiftertätigkeit.48

Wie bereits betont haben sich die Stiftungen der Monarchen nicht auf die Errichtungvon Bauwerken beschränkt, sondern auch eine entsprechende Ausstattung der neuenkirchlichen Institutionen umfasst. Bolesław der Kühne bestellte einige wertvolle gol-dene Codices und bedachte die Kirchen auch mit Reliquien. So schenkte er dem frischgegründeten Bistum Płock eine stattliche Sammlung von Reliquien, darunter zweiChristusreliquien. Wir wissen, dass Adlige der Wawelkathedrale liturgische Gewändergeschenkt haben. Auch Piotr Włostowic hat sein Wirken nicht auf die Bautätigkeitbeschränkt, sondern beispielsweise aus Magdeburg die wertvollen Reliquien deshl. Vinzenz nach Breslau in das Kloster auf dem Elbing geholt, das er als Familiennek-ropole errichtet hatte. Ebenfalls auf Veranlassung von Piotr Włostowic gelangte (viaRuthenien) eine überaus wertvolle Reliquie der Hand des hl. Stephanus nach Polen, dieer bei Herzog Bolesław Schiefmund dann gegen großzügige Landvergaben zugunstenseines Breslauer Klosters eintauschte.49

Das Geschlecht der Włostowicen (vielleicht schon Piotrs Vater Włost) errichteteauch eine Kirche auf dem Zobtenberg und war am Bau der dem hl. Adalbert (Wojciech)geweihten Kirche in Breslau beteiligt. Vielleicht stiftete Piotr Włostowic auch dieHeilig-Kreuz-Kirche in Strzelno, wo sein Enkel Piotr Wszeborowic dann den imponie-renden Bau des Prämonstratenserinnenklosters veranlasste.50 Aus einer Bulle PapstCoelestins III. von 1193 erfahren wir den Namen der Äbtissin dieser Gemeinschaft,Beatrice, die dem Geschlecht des Stifters entstammte und vielleicht eine Tochter Piotrswar. Jerzy Rajman hat die Hypothese aufgestellt, Piotr habe sowohl das Kloster inKościelna Wieś bei Kalisch als auch das Kanonissenstift in Strzelno gestiftet. Vor 1175wurde der Doppelkonvent bei Kalisch aufgeteilt – die Prämonstratenser kamen nachBreslau (Elbing), die Prämonstratenserinnen nach Strzelno. Der neue Konvent mit derÄbtissin Beatrice residierte zunächst bei der Kirche Unserer Lieben Frau und zog dann

47 Vgl. Zygmunt Świechowski, Fundacje Piotra Włostowica [Die Stiftungen des Piotr Włostowic], in:Jerzy Rozpędowski (Hrsg.), Architektura Wrocławia. Bd. 3: Świątynia. Wrocław 1997, 9–21.

48 Manikowska, Princeps fundator (wie Anm. 45), 295: „Die wichtigsten Organisatoren des sakralenRaums in Breslau in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts waren in der Konsequenz ihrer Akti-vitäten Piotr Włostowic und seine Familie. Ihr Stiftungswerk betrieben sie mit einem Elan, mitdem die piastischen Herzöge nicht mithalten konnten. Daher können wir annehmen, dass die vonBolesław dem Langen in Breslau vorgefundenen Stiftungen des Piotr Włostowic und seiner Fa-milie eine gewaltige Herausforderung für ihn bedeutet haben müssen.“

49 Vgl. Szymon Wieczorek, Die Schenkungen Bolesławs III. und Salomeas von Berg an die Bendik-tinerabtei Zwiefalten in den 1130–40er Jahren, in diesem Band 131–170; 138–141.

50 Über diese Stiftung schrieb zuletzt Krystyna Sułkowska-Tuszyńska, Klasztor Norbertanek wStrzelnie (XII–XVI wiek). Sacrum i profanum [Das Prämonstratenserinnenkloster in Strzelno(12.–16. Jahrhundert). Sacrum und Profanum]. Toruń 2006.

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in die von Wszeborowic gestiftete Dreifaltigkeitsbasilika um.51 Und Mikora, ein Cousinvon Piotr Wszeborowic, machte der Peterskirche auf der Dominsel eine Reihe vonSchenkungen.

Włostowic’ Schwiegersohn Jaxa52 begab sich 1162 auf eine Pilgerfahrt ins HeiligeLand. Nach seiner Rückkehr errichtete er das Kloster der Ritter vom Heiligen Grab inMiechów, das dann von anderen Mitgliedern seiner Familie auch noch großzügigausgestattet wurde.53 Jaxas Wallfahrt ins Heilige Land muss für ihn enorme Bedeutunggehabt haben, wovon nicht nur die Tatsache seiner anschließenden Klosterstiftungzeugt, sondern auch die Darstellung auf den von Jaxa (als Fürst von Köpenick/Copnic,Kopanica) geprägten Münzen. Auf diesen Brakteaten ist das Motiv eines Palmzweigesin der Hand des Herrschers dargestellt, ein Symbol der Pilgerfahrt.54 Pilgerfahrten insHeilige Land, die einzelnen Kreuzzüge und der allgemeine Kreuzzugseifer haben umdie Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert auch den Impuls zur Entstehung einiger Stif-tungen der Johanniterritter geliefert, so in Tyniec (eine Stiftung der Awdańcen), inStriegau (eine Stiftung des comes Imbram) oder in Maków (eine Stiftung des RittersSieciech Konradowic).55

51 Jerzy Rajman, Norbertanie polscy w XII wieku. Możni wobec ordinis novi [Die polnischenPrämonstratenser im 12. Jahrhundert. Die Mönche und der ordo novus], in: Społeczeństwo Polskiśredniowiecznej 7, 1996, 71–105, hier 80f.; vgl. auch Gerard Kucharski, Od premonstratensówdo benedyktynów. Klasztor św. Wawrzyńca w Kościelnej Wsi pod Kaliszem do połowy XIIIwieku [Von den Prämonstratensern zu den Benediktinern. Das Kloster St. Laurentius in KościelnaWieś bei Kalisch bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts], in: Nasza Przeszł. 93, 2000, 341–362; Jad-wiga Chudziakowa, Romańska Bazylika Trójcy Świętej i Panny Marii w Strzelnie w świetlenajnowszych odkryć (2000–2001) [Die romanische Basilika zur Heiligen Dreifaltigkeit und Unse-ren Lieben Frau in Strzelno im Lichte der neuesten Entdeckungen (2000–2001)], in:Gadomski / Kolowca-Chmura, Lapides viventes (wie Anm. 21), 319–324.

52 Der Persönlichkeit dieses herausragenden Adligen ist eine umfangreiche Literatur gewidmet, siewird von Marek L. Wójcik, Małopolanin czy Połabianin? Głos w dyskusji nad problemempochodzenia Jaksy [Kleinpole oder Elbslawe? Diskussionsbeitrag zum Problem der HerkunftJaxas], in: Mateusz Goliński / Stanisław Rosik (Hrsg.), Viae historicae. Księga jubileuszowadedykowana profesorowi Lechowi A. Tyszkiewiczowi w siedemdziesiątą rocznicę urodzin.Wrocław 2001, 261–273 zusammengefasst und um einige neue Vorschläge bereichert.

53 Vgl. Zbigniew Piłat, Fundator i fundacja klasztoru Bożogrobców w Miechowie [Stifter undStiftung des Klosters der Ritter vom Heiligen Grab in Miechów], in: Bożogrobcy w Polsce.Miechów / Warszawa 1999, 11–43.

54 Ryszard Kiersnowski, Jaksa i jego monety (Na marginesie rozprawy J. Bieniaka: Polska elitapolityczna XII w.) [Jaxa und seine Münzen (Randbemerkungen zu J. Bieniaks Abhandlung: Diepolitische Elite in Polen im 12. Jahrhundert)], in: Społeczeństwo Polski średniowiecznej 5, 1992,153–160. Zur Pilgerfahrt vgl. auch Mikołaj Gładysz, Zapomniani krzyżowcy. Polska wobec ruchukrucjatowego w XII–XIII wieku [Vergessene Kreuzfahrer. Polen und die Kreuzzugsbewegung im12.–13. Jahrhundert]. Warszawa 2002, 106–112.

55 Robert Heś, Joannici na Śląsku w średniowieczu [Die Johanniter in Schlesien im Mittelalter].Kraków 2007, 60f.; zu den frühesten Kreuzfahrerstiftungen Maria Starnawska, MiędzyJerozolimą a Łukowem. Zakony krzyżowe na ziemiach polskich w średniowieczu [Zwischen Je-

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Einige Jahre früher als in Miechów hatte eine andere Stiftungsaktion Jaxas stattge-funden, und zwar die Gründung des Prämonstratenserinnenklosters in Zwierzyniec. Inden Nekrologaufzeichnungen dieses ältesten kleinpolnischen Kanonissenstifts hat dieErinnerung an Jaxa als Stifter überdauert.56 Jaxa war auch ein großzügiger Wohltäterdes Benediktinerklosters in Sieciechów und begann mit dem Bau der Michaelskircheauf dem Breslauer Elbing, die dann von seiner Gattin Agata fertiggestellt wurde.57 Derprozentuale Anteil von Frauen unter den Stiftern und Donatoren kirchlicher Institutio-nen war im Übrigen verhältnismäßig gering. Außer den bereits erwähnten Wohltäterin-nen Agata und Beatrice finden sich nur noch wenige andere Frauen unter den Stiftern,so z. B. Dobiechna, die die Kirche Unserer Lieben Frau in Płock ausstattete; die GattinDzierżeks, die das von ihrem Mann ererbte Vermögen dem Kloster in Busko ver-machte; die Ehefrau des Włost (Vlostissa), die als Wohltäterin der Breslauer Vinzenz-kirche auftrat,58 und schließlich einige in verschiedenen Urkunden erwähnte Donatorin-nen wie uxor Gneomiri oder uxor Wseborij.59 Dieser Sachverhalt entspricht eineranalogen Situation im übrigen Europa, wo etwa 15 % der Donatoren Frauen waren,wobei diese ihre Schenkungen bevorzugt weiblichen Ordensgemeinschaften machten.60

Die meisten dieser Stifterinnen und Wohltäterinnen waren in der Regel Witwen.61

Auch die Nachkommen anderer Geschlechter setzten die begonnene Stiftungstätig-keit fort. Mit Beteiligung seiner Angehörigen aus dem Geschlecht der Gryfen siedelteetwa Erzbischof Johann Mitte des 12. Jahrhunderts im bereits erwähnten Brzeźni-ca/Jędrzejów Graue Mönche an. Und Wojsławs Nachkommen beschenkten großzügigverschiedenste kirchliche Institutionen und stifteten auch die Kirche Unserer LiebenFrau in Płock, die sogenannte Kirche des Wojsław. Für die zweite Hälfte des12. Jahrhunderts sind Stiftungen (bzw. Mitwirkungen an Stiftungen) für ein gutes

rusalem und Łuków. Kreuzfahrerorden in den polnischen Gebieten im Mittelalter]. Warszawa1999; über die Johanniter ebd. 25f., über die Ritter vom Heiligen Grab ebd. 73f.; Gładysz,Zapomniani (wie Anm. 54), 113f.

56 Rajman, Norbertanie polscy (wie Anm. 51), 90f.; Ders., Klasztor norbertanek na Zwierzyńcu wwiekach średnich [Das Prämonstratenserinnenkloster in Zwierzyniec im Mittelalter]. Kraków1993, 30f.; Ders., Nowożytne relacje o początkach klasztoru na Zwierzyńcu [Neuzeitliche Be-richte über die Anfänge des Klosters in Zwierzyniec], in: Jerzy Rajman (Hrsg.), Premonstratensina ziemiach polskich w średniowieczu i epoce nowożytnej. Kraków 2007, 58–65.

57 Jerzy Rajman, Pilger und Stifter. Zu den Sakralstiftungen und zur Herkunft des Fürsten Jaxa, indiesem Band 317–345; Dobosz, Monarcha i możni (wie Anm. 42), 368f.

58 Vgl. z. B. Bieniak, Polska elita polityczna XII wieku. II (wie Anm. 36), 21; 72f.59 Kodeks dyplomatyczny Małopolski. Ed. Piekosiński (wie Anm. 7); Nr. 375 und 376.60 Solche Berechnungen liefert Rasmussen, Monastic Benefactors (wie Anm. 7), 89f. Zu den

Stifterinnen und Donatorinnen siehe auch Pauk, Działalność fundacyjna (wie Anm. 12), passim.61 Zur Lage der Witwen in der mittelalterlichen Gesellschaft vgl. Aneta Pieniądz, Wdowieństwo kobiet

we wczesnym średniowieczu. Między swobodą a wykluczeniem [Die Witwenschaft der Frauen imFrühmittelalter. Zwischen Freiheit und Ausschließung], in: Stanisław Rosik / Przemysław Wis-zewski (Hrsg.), Mundus hominis – cywilizacja, kultura, natura. Wokół interdyscyplinarności badańhistorycznych. Wrocław 2006, 63–78.

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Dutzend von Klöstern sowie zahlreiche Vergaben von Dörfern belegt; manche Große,wie zum Beispiel Jaxa, vermochten dabei mit ihrer schwungvollen Stiftungstätigkeitdem diesbezüglichen Wirken der Herzöge in den einzelnen Teilfürstentümern durchausKonkurrenz zu machen.

Seit der Wende des 11. / 12. Jahrhunderts machten immer mehr Vertreter der heimi-schen Adelsschicht kirchliche Karrieren bis hin zur Bischofs- und Metropolitenwürde.Diese lokalen Eliten entstammenden Würdenträger intensivierten die Stiftungen neuerkirchlicher Institutionen – sei es, dass sie Klöster gründeten und Kirchen bauten oderihre Verwandten zu Vergaben zugunsten der Kirche mobilisierten.62 So veranlasstenetwa die Nachfolger des Erzbischofs Johann, Janik und Bogumił, die wie er der heimi-schen Adelselite entstammten, Schenkungen aus ihren Familienvermögen. Andererseitsscheint sich der Episkopat hauptsächlich darauf konzentriert zu haben, die Fürsten undden Adel zur Unterstützung neuer oder bereits bestehender Institutionen zu ermuntern.Als ein Hauptinstrument der Mitbeteiligung der Bischöfe an derartigen Aktivitätenfungierte der Zehnte.63

Das 12. Jahrhundert brachte nicht nur hinsichtlich der Personen der Klöster- und Kir-chenstifter grundlegende Veränderungen, es wurden auch neue kirchliche Institutioneneingeführt. So entstanden in den piastischen Teilfürstentümern in dieser Zeit siebenZisterzienserklöster, von denen vier das Werk von Laien und Geistlichen waren, dieadeligen Familien entstammten; daneben erhielten auch die drei von Herzögen gegrün-deten Zisterzienserklöster adlige Schenkungen. Die großen Adelsfamilien hatten daherüber die Ansiedlung der Zisterzienser beträchtlichen Anteil an den ökonomischen,juristischen, architektonischen oder religiösen Veränderungen, die mit dem Aufkom-men des Zisterzienserordens verbunden waren.64 Das Übergewicht der Zisterzienserhielt sich allerdings nicht lange, denn bereits in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhundertstrat ein beträchtlicher Popularitätsrückgang der Zisterzienserklöster zugunsten andererKanonikergemeinschaften ein. Ähnliche ‚Modewellen‘ bei der Unterstützung bestimm-ter Ordensgemeinschaften lassen sich auch in anderen Ländern beobachten.65 Generellkann gesagt werden, dass die Piastenherzöge eher Mönchsorden bevorzugten, währendder Adel den Kanonikergemeinschaften stärkere Aufmerksamkeit widmete.66

62 Zu dieser Tätigkeit Dobosz, Monarcha i możni (wie Anm. 42), 406–421.63 Vgl. die Bemerkungen von Dariusz A. Sikorski, Kościół polski w X–XII wieku we władze

monarchy i możnych [Die polnische Kirche im 10.–12. Jahrhundert unter der Herrschaft der Mo-narchen und Großen], in: Nasza Przeszł. 100, 2003, 455–482, hier 467f.

64 Vgl. Dobosz, Założenie klasztoru w Łeknie (wie Anm. 44), 69–81.65 Vgl. Diana Zunker, Ne cadant in oblivionis obscurum que fuerint in luce – Adel und Klöster in

Westfalen, in: Kruppa, Adlige (wie Anm. 5), 107–134.66 Józef Dobosz, Piastowie wobec premonstratensów i innych form kanonikatu regularnego w XII

wieku [Die Piasten, die Prämonstratenser und andere Regularkanoniker im 12. Jahrhundert], in:Rajman, Premonstratensi (wie Anm. 56), 6–18, hier 18.

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Im Kreis der Familie des Piotr Włostowic entstanden die Prämonstratenserklöster inKościelna Wieś bei Kalisch, in Strzelno und im Krakauer Zwierzyniec, und mit der Zeittauchten die Prämonstratenser auch auf dem Breslauer Elbing auf. Mit dem Geschlechtder Janins waren die Häuser in Witów, Busko und Płock verbunden. „Die Verpflanzungdes Prämonstratenserordens nach Polen war das Werk von Adligen, die aktiv an derPropagierung von Klöstern ordinis novi teilnahmen.“67 Bemerkenswert ist die großeZahl weiblicher Ordensgemeinschaften: die Klöster in Strzelno, Zwierzyniec und Buskostellten eine Antwort auf konkrete soziale Bedürfnisse dar, denn in ihnen fanden Töch-ter und Witwen aus den Stifterfamilien Zuflucht. In Strzelno war wie bereits erwähnteine Tochter des Piotr Włostowic, Beatrice, Ordensoberin; Dzierżeks Witwe trat insKloster in Busko ein; und aus späteren, nur schwer zu verifizierenden Quellen erfahrenwir, dass auch Jaxas Tochter Veronika zuerst als Prämonstratenserin in Doksany lebteund danach in das von ihrem Vater gestiftete Kloster bei Krakau umzog. Im selbenKloster lebte die sel. Bronisława,68 die Tochter von Anna, einer weiteren TochterJaxas.69 In der Literatur findet sich auch die Vermutung, Jaxas Witwe Agata könntegegen Ende ihres Lebens ebenfalls in das Kloster von Zwierzyniec eingetreten sein.70

Betrachtet man die angeführten Beispiele von Stiftungstätigkeiten polnischer Adligernäher, dann ist nicht zu übersehen, dass die größte Aktivität auf diesem Gebiet in dieZeit der Herrschaft von Bolesław III. Schiefmund (1108–1138) und – einen konventio-nellen Terminus verwendend – auf die Generation des Piotr Włostowic entfällt. Dielange Herschaft Schiefmunds, seine aktive Außenpolitik und seine zahlreichen Kriegs-züge bewirkten ganz sicher eine Zunahme sowohl der politischen als auch der ökono-mischen Bedeutung des Adels und der Ritterschaft. Aber war dies die alleinige Ursachefür eine so beträchtliche Belebung der Stiftungstätigkeit in dieser Generation? Schein-bar stand die beträchtliche und verhältnismäßig schnelle Stärkung der Rolle des Adelsin einem tiefen Zusammenhang mit der Krise der Herrschaft Bolesławs II. des Kühnenund der Beteiligung dieser sozialen Gruppe an dessen Vertreibung vom gerade erwor-benen Königsthron. Bolesławs II. Nachfolger, sowohl Władysław Herman als auchBolesław III. Schiefmund, mussten in Anbetracht dieser zeitlich noch nicht so weitzurückliegenden Geschehnisse auf die Meinung der Adligen gewiss größere Rücksichtnehmen und sich deren Gunst geradezu ‚erkaufen‘, zum Beispiel durch großzügigeLandvergaben und Schenkungen. Das führte zwangsläufig zu einer immer stärkeren

67 Rajman, Norbertanie polscy (wie Anm. 51), 104. Zum Kloster von Płock siehe Marek Stawski,Początki klasztoru norbertanek w Płocku [Die Anfänge des Klosters der Prämonstratenserinnen inPłock], in: Rajman,Premonstratensi (wie Anm. 66), 36–51.

68 Jolanta Gwoździk, Norbertańscy święci i błogosławieni w „Księdze żywotów świętych“dedykowanej ksieni Dorocie Kąckiej z klasztoru na Zwierzyńcu [Heilige und Selige aus dem Prä-monstratenserorden in dem Äbtissin Dorota Kącka aus dem Kloster in Zwierzyniec gewidmeten„Buch der Heiligenviten“], in: Rajman, Premonstratensi (wie Anm. 56), 222–234, hier 230f.

69 Rajman, Norbertanie polscy (wie Anm. 51), 93; 98.70 Dies vermutet Bieniak, Polska elita polityczna, III A (wie Anm. 56), 66.

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Imitatio regni. Adlige Stiftungen im Polen des 11. und 12. Jahrhunderts 195

Aktivität der Adelsschicht, auch auf dem Gebiet der Stiftungen und der Unterstützungkirchlicher Institutionen.71 Charakteristisch dafür ist das Beispiel der ZusammenarbeitJaxas mit mehreren Piastenherzögen; die von diesem Adligen in Miechów angesiedel-ten Ritter vom Heiligen Grab erhielten ihre Immunität sicher noch von Bolesław IV.Kraushaar, die dann von Mieszko III., dem Alten, und Kasimir II., dem Gerechten,bestätigt wurde. Letzterer tätigte auch beträchtliche Vergaben an die Prämonstratense-rinnen in Zwierzyniec. Es sei daran erinnert, dass Jaxa einer der wichtigsten Verbünde-ten des Herzogs war, „so dass die Kontakte mit den Rittern vom Heiligen Grab und denPrämonstratenserinnen mit Sicherheit das Resultat der Zusammenarbeit des jungenHerzogs mit diesem erfahrenen Adligen und vielleicht eine Form der Begleichungpolitischer Verpflichtungen seitens des ersteren bildeten“.72 Von solchen Beispieleneiner gegenseitigen Beschenkung kirchlicher Stiftungen durch Herzöge und Adligesowie durch Adlige untereinander, die das Ergebnis ihrer politischen Zusammenarbeitdarstellten, könnten für das 12. Jahrhundert noch weitere genannt werden.73

Eine weitere qualitative Veränderung in der Stiftungstätigkeit ist in der zweiten Hälf-te des 12. Jahrhunderts erkennbar. Obwohl die Adligen auch weiterhin neue kirchlicheInstitutionen gründeten, lassen sich diese Prozesse dennoch nicht mehr mit derschwungvollen Stiftungstätigkeit während der Herrschaftszeit Bolesław III. Schief-munds vergleichen. Während sich die Adligen eher auf großzügige Vergaben undSchenkungen zugunsten der bereits existierenden Klöster konzentrierten, wurden dieMitglieder des polnischen Episkopats (die freilich ebenfalls in hohem Maße Adelsfami-lien entstammten) immer aktiver. Ein charakteristisches Merkmal dieser Zeit ist auchdas triadische Zusammenwirken von Herzögen, Adligen und Bischöfen in den Stif-tungsprozessen. In der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts stellten die Stiftungen einselbständiges Werk der Herzöge oder der Adligen dar oder es kam zum Zusammenwir-ken beider Faktoren.

Die wachsende Zahl von Stiftungen, die von Mitgliedern derselben Familie ins Le-ben gerufen wurden, wird die Schenkungen für bereits existierende Institutionen ganzgewiss eingeschränkt haben. Eine ähnliche Situation entstand, wenn in einer Gegend einneues, wichtiges Kloster gegründet wurde. Und wenn neben einer männlichen Ordens-gemeinschaft ein Frauenkloster entstand, dann konnten die Frauen aus dem Geschlechtder Wohltäter ihre nächsten Angehörigen beeinflussen, diese neue Institution zu unter-stützen. Die auf der Grundlage westlicher Materialien durchgeführten Untersuchungenzeigen allerdings, dass es in solchen Situationen nur sehr selten dazu kam, diese Schen-

71 Vgl. Krzysztof Skwierczyński, Recepcja idei gregoriańskich w Polsce do początku XIII wieku [DieRezeption der gregorianischen Ideen in Polen bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts]. Wrocław2005, 115–246.

72 Dobosz, Piastowie wobec premonstratensów (wie Anm. 66), 13f.; zit. 16.73 Vgl. z. B. Bieniak, Polska elita polityczna, II. (wie Anm. 36), 21f., 72f.

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kungen neuen Klöstern zuzuwenden; eher wurden die Vergaben dann zwischen zweioder mehreren kirchlichen Institutionen aufgeteilt.74

Die zunehmende Bedeutung der Bischöfe und des Metropoliten sowie die vonGawlas betonte sukzessive Einschränkung der Bedeutung des Adels durch die Herzögeder Teilfürstentümer trug in hohem Maße zu einer Veränderung der Proportionen dervon den verschiedenen Gruppen der polnischen Gesellschaft getätigten Stiftungen bei.Die Aktivität der Kirche war diesbezüglich mit dem langfristigen Prozess ihrer Emanzi-pation verbunden. Langfristig war er deshalb, weil seine Anfänge bis in die Zeit vonBolesław II. dem Kühnen, zurückreichten, dem erste grundlegende Veränderungenhinsichtlich der ökonomischen Basis der kirchlichen Institutionen zu verdanken waren.Die nächsten eineinhalb Jahrhunderte hindurch konzentrierte sich die polnische Hierar-chie dann auf die Erlangung wirtschaftlicher Unabhängigkeit, den Schutz des kirchli-chen Vermögens und – in der letzten Etappe – auf die Erlangung einer unabhängigenGerichtsbarkeit. In diesen Aktivitäten nutzte die polnische Kirche die Hilfe des HeiligenStuhls, der ihren Besitzstand mit päpstlichen Bullen bestätigte: zum Beispiel für dasErzbistum Gnesen im Jahre 1136, für die Diözese Kujawien 1148, die Diözese Breslau1155, die Diözese Płock 1196 und das Kloster in Trzemeszno im Jahre 1147. Begün-stigt wurde die Emanzipation der Kirche durch die territoriale Zersplitterung und dieinnerdynastischen Fehden. Schon unter der Regierung Schiefmunds fungierten diepolnischen Bischöfe als Vermittler bei inneren Auseinandersetzungen und Zerwürfnis-sen, und mit der Vertiefung der politischen Zersplitterung verstärkte sich diese Funktionweiter. Die von der Hierarchie und den Herrschern gespielten Rollen begannen sichumzukehren: früher hatte der Herrscher ihm gegenüber loyale Bischöfe bestimmt, nunwurde die Kirche zum Garanten der Einheit des früheren Königreiches. Die Unabhän-gigkeit von den weltlichen Machthabern, wirtschaftliche Immunitäten, Bemühungen umdie Einführung einer kirchlichen Gerichtsbarkeit und schließlich die Verbesserung derDisziplin des Klerus bewirkten, dass die Geistlichkeit einen besonderen Stand derpolnischen Gesellschaft zu schaffen begann. Einen Stand, der auch viele Formen vonAktivitäten übenahm, die früher der Dynastie und den reichsten weltlichen Familienvorbehalten waren, darunter auch die Stiftungen von Kirchen und Abteien.75

74 Vgl. Belle S. Tuten, Fashion and Benefaction in Twelfth-Century Western France, in: Jamro-ziak / Burton, Religious (wie Anm. 5), 41–62.

75 Vgl. Skwierczyński, Recepcja (wie Anm. 71), passim sowie Jacek Maciejewski, Episkopat polskidoby dzielnicowej 1180–1320 [Der polnische Episkopat in der Zeit der Feudalzersplitterung].Kraków / Bydgoszcz 2003; Wojciech Baran-Kozłowski, Arcybiskup gnieźnieński Henryk Kietlicz(1199–1219). Działalność kościelna i polityczna [Der Gnesener Erzbischof Henryk Kietlicz(1199–1219). Sein kirchliches und politisches Wirken]. Poznań 2005; Marek Szymaniak, Biskuppłocki Gedko (1206–1223). Działalność kościelno-polityczna na tle emancypacji Kościołapolskiego spod władzy ksiąźęcej [Der Płocker Bischof Gedko (1206–1223). Sein kirchenpoliti-sches Wirken vor dem Hintergrund der Emanzipation der polnischen Kirche von der Fürstenherr-schaft]. Toruń 2007.

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Imitatio regni. Adlige Stiftungen im Polen des 11. und 12. Jahrhunderts 197

Die Motive adliger Stiftungen

Das Phänomen adeliger Sakralstiftungen im Polen des 11. bis 12. Jahrhunderts ist einaußerordentlich komplexes und kompliziertes Problem. Unter den Hauptmotiven derStiftungstätigkeit ist die Frömmigkeit der Adligen und ihre Sorge um das Heil und dasewige Leben zu nennen. Die ältesten proemia der polnischen Urkunden besitzen denCharakter renumerierter Arengen und enthielten den Gedanken, dass eine der Möglich-keiten, das Heil zu erlangen, darin bestehe, Gott mit irdischen Dingen zu beschenken.Diese Formeln zeugen vom Interesse der polnischen politischen Eliten an eschatologi-schen Fragen, d. h. an einer Problematik, die das Bewusstsein der ja erst vor noch nichtallzu langer Zeit christianisierten Schichten am leichtesten erreicht hatte. Die Gegen-überstellung von irdischen Dingen und ewigen, unvergänglichen Gütern ist etwa in derStiftungsurkunde des vom comes Zbylut gegründeten Klosters Łekno aus dem Jahre1153 hervorragend erkennbar: Honestum ac beatum constat esse votum, immo sanctumac laudabile patet esse comertium, dare sua transitoria et recipere pro his aeterna,terena sibi disciplere et caelestia possidere.76 Der Aussteller dieser Urkunde unter-streicht (offensichtlich unter dem Diktat des Adressaten) in dieser Arenga geradeheraus,dass es seine Motivation ist, sich damit in das Buch des Lebens einzutragen, d. h. dasewige Heil zu gewinnen: decorem domus Dei et locum habitationis glorie sue diligens,simulque in libro vite cum iustis conscribi cupiens.77 Somit resultierte die imitatio regnidurch die polnischen Adligen und Ritter keineswegs allein aus dem Wunsch, ihr weltli-ches Prestige und ihre politische Bedeutung zu heben, sondern sie ahmten die Herrschervor allem in ihrer irdischen Wanderung zum ewigen Leben nach. Im so genanntenAlbum von Miechów, das vielleicht eine Kompilation des Verbrüderungsbuches und desKlosteraustattungsbuches darstellt, können wir über die Intentionen einiger Spenderlesen: Uxor Wseborij pro eius anima et sua filiorum suorum dedit uillam; DominusCagnimirus dedit pro anima sua Benganoo“.78

Wie bereits erwähnt, waren die pro remedio animae gegründeten Stiftungen ver-pflichtet, für die Seele des Stifters, der Spender und ihrer Familienmitglieder zu beten.Die memoria der Wohltäter des Klosters wurden sorgfältig gepflegt, auch aus für diekirchliche Institution ganz utilitaristischen Gründen – die Erinnerung daran, wer demKloster welche Ländereien gespendet hatte, besaß schließlich auch große praktische Be-

76 Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski [Großpolnisches Urkundenbuch]. Bd. 1. Ed. Ignacy Zakrzewski.Poznań 1877, Nr. 18.

77 Vgl. Tomasz Nowakowski, Idee areng dokumentów książąt polskich do połowy XIII wieku [DieIdeen der Arengen in den Urkunden polnischer Herzöge bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts].Bydgoszcz 1999, 44f., 72f.; Andrzej M. Wyrwa, Dokument fundacyjny klasztoru cysterskiego wŁeknie z roku 1153 [Die Stiftungsurkunde des Zisterzienserklosters in Łekno aus dem Jahre1153]. Poznań 2003.

78 Kodeks dyplomatyczny Małopolski. Ed. Piekosiński (wie Anm. 7), Nr 376; zu dieser UrkundePiłat, Fundator i fundacja klasztoru (wie Anm. 53), 39f.

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deutung, weil sie erlaubte, über den Besitzstand zu wachen. Und selbstverständlicherlaubte sie es nicht, die Stifter zu vergessen. Natürlich fungierte das Grab des Gründersoder Stifters als das sichtbarste Zeichen dieses Gedenkens: „The visual reality of aburial was also a powerful symbol of the close connection between the individual whohas been buried, his/her familiy, and the monastic community. The grave or tomb was avisual reminder of the bond between the person, the familiy, and the monastic commu-nity.“ Die Erinnerung an die Spender wurde auch – oder sollte man besser sagen: vorallem – dank der Nekrologe und Verbrüderungsbücher bewahrt. Das Gebet für dasWohlergehen der Lebenden oder auch für das Seelenheil der verstorbenen Wohltäterkonnte sehr feierliche Formen annehmen.79

Bemerkenswert sind schließlich auch die aus dem 12. Jahrhundert erhaltenen Stif-tungstympana,80 die eine ikonografische Illustration der aus der Arenga der Stiftungsur-

79 Aus der umfangreichen Literatur zu diesem Thema siehe vor allem Emilia Jamroziak, How RievaulxAbbey Remembered its Benefactors, in: Jamroziak / Burton, Religious (wie Anm. 5), 63–76, zit. 71–72; Eva-Maria Butz, Adel und liturgische Memoria am Ende des karolingischen Frankenreichs, in:Kruppa, Adlige (wie Anm. 5), 9–30, dort auch eine Zusammenstellung der wichtigsten Literatur zumThema; Wieczorek, Schenkungen (wie Anm. 49), 129, 141f.; Jarosław Wenta, Gnieźnieński dyptychżywych i umarłych w XII wieku? Próba interpretacji lubińskiej księgi brackiej [Stammt das GnesenerDiptychon mit den Namen Lebender und Verstorbener aus dem 12. Jahrhundert? Versuch einer Inter-pretation des Lubińer Verbrüderungsbuches], in: Jerzy Strzelczyk / Janusz Górny (Hrsg.), 1000 lat Ar-chidiecezji Gnieźnieńskiej. Gniezno 2000, 235–243.

80 Krystyna Mączewska-Pilch, Tympanon fundacyjny z Ołbina na tle przedstawień o charakterze do-nacyjnym [Das Stiftungstympanon vom Elbing vor dem Hintergrund der Darstellungen mit Schen-

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Stiftungstympanon der St. Prokopkirche des Prämonstratenserklosters in Strzelno, 12. Jahrhundert

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Imitatio regni. Adlige Stiftungen im Polen des 11. und 12. Jahrhunderts 199

kunde für das Kloster Łekno hervorgehenden Überzeugung darstellen. Zwei solcherTympana sind in Strzelno erhalten; auf dem ersten aus der St. Prokopkirche sind einsich tief verbeugender Mann (wahrscheinlich Krystyn, der Sohn des Piotr Wszeboro-wic, vielleicht aber auch Piotr selbst), der Christus das Modell einer Kirche darbietet,und eine leicht vorgebeugte Frau mit einem offenen Buch in den Händen zu sehen. Aufdem zweiten Tympanon aus der Klosterkirche wurde der vor der hl. Anna nieder-kniende Stifter Piotr dargestellt, der der Heiligen das Modell einer Kirche darbietet, undauf der anderen Seite des Tympanons sieht man eine Frau, die die hl. Anna verehrt(s. Abb. auf dem Cover dieses Bandes). Diese Szene ist mit folgender Inschrift verse-hen: TE VELVT OPTARAT HOC DONO PETR(vs) HONORAT / VIRGINIS ANNAPIE MATER VENERANDA MARIE.

Auf dem aus der Kirche Unserer Lieben Frau auf der Breslauer Sandinsel stammen-den Tympanon, das die Gattin des Piotr Włostowic Maria zusammen mit ihrem SohnŚwiętosław darstellt, die der Gottesgebärerin das Modell einer Kirche darbieten, prangtdie Inschrift: HAS MATRI VENIAE TIBI DO MARIA MARIAE / HAS OFFERTAEDES SWENTOSLAVS MEA PROLES (s. Abb. auf Seite 288). Ein weiteres Reliefaus der Breslauer Abtei auf dem Elbing stellt den in der Mandorla thronenden Christus,zwei Männer mit Kirchenmodellen in den Händen sowie eine kniende Frau dar. DieInschriften erklären, dass auf dem Tympanon Jaxa mit seiner Frau Agata sowie HerzogBolesław Kraushaar mitsamt dessen Sohn Leszek dargestellt sind (s. Abb. auf Seite313). Die Aufschrift auf dem vom Herrscher gehaltenen Gebäude informiert, dass essich um eine von ihm in Beuthen gestiftete Kirche handelt. Die eigentliche Stiftungsin-schrift, in der die Spender Christus bitten, ihre Gaben anzunehmen, lautet: [AD HANCNOVEL(l)A(m) D]VX FERT SUA DONA CAPELLAM / QVE FERT IACXO D(eu)SSVSPICE TEMPLA PIU[S].

Jaxas Tympanon illustriert darüber hinaus ein Phänomen, von dem weiter oben be-reits die Rede war, nämlich das Zusammenwirken von Fürsten und Adligen beim Werkder Stiftung und der Unterstützung bereits existierender kirchlicher Institutionen. Aufallen uns aus dem 12. Jahrhundert bekannten Stiftungstympana, die für von Adligen

kungscharakter]. Wrocław 1973; Zygmunt Świechowski, Sztuka romańska w Polsce [RomanischeKunst in Polen]. Warszawa 1990, 60f.; Paulina Ratkowska, Tympanon księcia Jaksy – kompozycjaśrodkowa i jej hipotetyczny pierwowzór [Das Tympanon von Fürst Jaxa – die Mittelkomposition undihr hypothetisches Urbild], in: Anna Pobóg-Lenartowicz / Marek Derwich (Hrsg.), Klasztor w kulturześredniowiecznej Polski. Opole 1995, 423–432; Cezary Sikorski, O fundacji klasztoru norbertanek wStrzelnie [Über die Stiftung des Prämonstratenserinnenklosters in Strzelno], in: Jerzy Olczak (Hrsg.), Zbadań nad dziejami klasztorów w Polsce. Toruń 1995, 193–210, hier 201f.; Tomasz Płóciennik, Lesinscriptions des tympans polonais relatives aux fondations d´eglises, in: Robert Favreau (Hrsg.), Épi-graphie et iconographie. Actes du Colloque tenu à Poitiers les 5–8 octobre 1995. Poitiers 1996, 201–210; Ders., L´épigraphie du tympan de Iaxa à Wrocław, in: Cahiers de civilisation médievale 40, 1997,103–118; Zbigniew Sroka, Romańskie tympanony w strzeleńskiej bazylice i rotundzie. Ikonografia[Romanische Tympana in der Strzelnoer Bazilika und Rotunde. Ikonografie]. Bydgoszcz 2003. DenWortlaut der Inschrift zitiere ich im Folgenden aus den Arbeiten von Tomasz Płóciennik.

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errichtete Bauwerke entstanden sind, sind Vertreter des – weit verstandenen – Geschlechtsdes Piotr Włostowic dargestellt. Auf dem Elbinger Bildnis figuriert, gleichsam, als Gast,ein Vertreter der Piastendynastie, aber wir müssen beachten, dass beide Stifter auf ähnli-che Weise dargestellt wurden und beide dem Heiland auch ähnliche, einschiffige Kir-chen darbieten. In visueller Hinsicht wurden Piotr und der Herzog also gleichsameinander gleichgestellt. Keiner der polnischen adeligen Stifter aus dem uns interessie-renden Zeitraum wurde als Heiliger anerkannt, aber die vom Breslauer KlosterSt. Vinzenz, in dem Piotr zusammen mit seiner Gattin beigesetzt wurde, diesem Großengewidmete Tradition enthält gewisse hagiografische Züge. Die Rede ist von dem wahr-scheinlich in den Jahren 1153–1163 entstandenen, heute verschollenen Poem CarmenMauri, das dem tragischen Schicksal des Palatins, seiner Verfolgung durch den HerzogWładysław II., den Vertriebenen, und schließlich Piotrs schwungvoll durchgeführterStiftungstätigkeit gewidmet ist.81 Das glorifizierende Werk weist Elemente einer unver-schuldeten Verfolgung und eines Leidens (passio) sowie der Wiedergutmachung dererfahrenen Leiden und Verfolgungen durch Gott – noch zu Lebzeiten des Palatins – aufund stellt Piotr als eine Verkörperung des die moralischen Werte verteidigenden idealenRitters und eines im Namen eben dieser Werte leidenden Märtyrers dar.82

Ein guter Herrscher sorgte dafür, dass die ihm von Gott anvertrauten Gläubigen nichtohne seelsorgliche Hilfe blieben – daher die häufige Praxis der Gründung neuer kirchli-cher Institutionen in noch schwach christianisierten Gegenden. Sicher schwebte denAdligen, die sich für die Menschen, die auf ihren Gütern lebten, verantwortlich fühlten,ein ähnlicher Gedanke vor. Das von Magister Vincentius erwähnte oratorium proprium,d. h. die sich auf dem Landbesitz des Adligen befindende kleine Eigenkirche, dientenämlich nicht nur der Familie des Stifters, sondern sollte auch die Seelsorge für seineUntergebenen gewährleisten. Die Stiftungstätigkeit des Adels und der Ritterschaft bewirk-te eine Verdichtung des Netzes kirchlicher Institutionen und erleichterte auf gerademWege (wenn auch in langer Perspektive) die Herausbildung der Pfarrorganisation. DieseRichtung, die der Prozess der imitatio regni annahm, ist identisch mit dem Verlauf desChristianisierungsprozesses im frühmittelalterlichen Polen, und die Adligen – reichgeworden dank der Freigiebigkeit des Herrschers – übernahmen einen Teil der Pflichtendes Fürsten – der Pflichten gegenüber Gott und den Gläubigen.

81 Cronica Petri comitis Poloniae. Accedunt Carminis Mauri fragmenta. Ed. Marian Plezia, in: MPHNS. Bd. 3. Kraków 1951; Kazimierz Liman, Antologia poezji łacińskiej w Polsce. Średniowiecze[Anthologie lateinischer Dichtung in Polen. Mittelalter]. Poznań 2004, 406–419 (mitsamt der pol-nischen Übersetzung von Ignacy Lewandowski).

82 Teresa Michałowska, Średniowiecze [Das Mittelalter]. Warszawa 1996, 145–149; die Diskussion zumThema dieses Kulturdenkmals referiert Jarosław Wenta, Tradycja o Piotrze. Na marginesie jednej z wiel-kich dyskusji [Die Tradition über Piotr. Randbemerkungen zu einer großen Diskussion], in: Danuta Zydo-rek (Hrsg.), Scriptura custos memoriae. Prace historyczne. Poznań 2001, 523–538; Wenta ist der Meinung,dass der Text Carmen Mauri nicht vor Kadłubeks Chronik entstanden sein kann, Ders., O stróżach„testamentu“ (wie Anm. 36), 102f.; zur Heiligkeit des Stifters Golinelli, Topoi (wie Anm. 4).

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