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Andrzej Pleszczyński Zur Geschichte und Bedeutung der Stiftung des Klarissenklosters in Zawichost Im Jahre 1245 wurde auf Wunsch Herzog Bolesławs des Schamhaften eine Gruppe von Klarissen nach Zawichost an der Weichsel geschickt, in die damaligen Ostgebiete des Krakauer Herzogtums. Unter ihnen befand sich auch die Herzogin Salomea, die leibli- che Schwester des Herzogs, die später seliggesprochen wurde. 1 Neben dem Frauenklo- ster siedelte sich bald ein Konvent von Franziskanern an, die zur liturgischen Betreuung des Nonnenordens bestimmt waren. Innerhalb weniger Jahre wurde in Zawichost eine gemauerte Kirche errichtet, zudem entstand ein Spital, während die Klosteranlage befestigt wurde. Unter den damaligen polnischen Bedingungen waren Umfang und Tempo der Realisierung dieser Investitionen außergewöhnlich. Um so verwunderlicher ist die Tatsache ihrer schnellen Annullierung; bereits im Jahre 1257 wurde ein Teil der Nonnen nach Skała unweit von Krakau versetzt, und bald nach 1260 siedelte sich der gesamte Konvent zunächst in Skała an. Später, zu Beginn des 14. Jahrhunderts, wohn- ten die Klarissen in Krakau neben der St. Andreas-Kirche, direkt an dem zur Wawel- burg führenden ‚Königstrakt‘. 2 Von der Zawichoster Gründung blieb nicht viel übrig. Es sind nur einige wenige kur- ze Fragmente narrativer Quellen erhalten, die ihr Funktionieren und ihre Bestimmung außerordentlich lakonisch beleuchten, sowie einige wenige Urkunden. Schließlich hat der männliche Franziskanerkonvent überdauert, der nach dem Umzug der Klarissen übrigblieb, sich aber nie ernsthaft entwickelte. Es ist bisher nicht gelungen, bauliche Relikte des ersten Klosters aufzufinden, obwohl das gemauerte Kloster und die Kirche 1 Vgl. Jerzy Wyrozumski, Salomea, in: Henryk Markiewicz (Hrsg.), Polski Słownik Biograficzny, Bd. 34. Kraków 1993, 366–368; Cecylian Niezgoda, Błogosławiona Salomea Piastówna [Die selige Piastentochter Salomea]. Kraków 1996. 2 Feliks Kiryk, Zawichost. Z dziejów nadwiślańskiego miasta od XII do XVI stulecia [Zawichost. Zur Geschichte der Weichselstadt vom 12. bis zum 16. Jahrhundert], in: Feliks Kiryk (Hrsg.), Wisła w dziejach i kulturze Polski. Studia i Materiały z dziejów osadnictwa i gospodarki górnej Wisły w okresie przedrozbiorowym. Warszawa 1990, 37–57, hier 41. Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst Library Authenticated Download Date | 10/9/14 3:17 PM

Monarchische und adlige Sakralstiftungen im mittelalterlichen Polen ||

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Andrzej Pleszczyński

Zur Geschichte und Bedeutung der Stiftungdes Klarissenklosters in Zawichost

Im Jahre 1245 wurde auf Wunsch Herzog Bolesławs des Schamhaften eine Gruppe vonKlarissen nach Zawichost an der Weichsel geschickt, in die damaligen Ostgebiete desKrakauer Herzogtums. Unter ihnen befand sich auch die Herzogin Salomea, die leibli-che Schwester des Herzogs, die später seliggesprochen wurde.1 Neben dem Frauenklo-ster siedelte sich bald ein Konvent von Franziskanern an, die zur liturgischen Betreuungdes Nonnenordens bestimmt waren. Innerhalb weniger Jahre wurde in Zawichost einegemauerte Kirche errichtet, zudem entstand ein Spital, während die Klosteranlagebefestigt wurde. Unter den damaligen polnischen Bedingungen waren Umfang undTempo der Realisierung dieser Investitionen außergewöhnlich. Um so verwunderlicherist die Tatsache ihrer schnellen Annullierung; bereits im Jahre 1257 wurde ein Teil derNonnen nach Skała unweit von Krakau versetzt, und bald nach 1260 siedelte sich dergesamte Konvent zunächst in Skała an. Später, zu Beginn des 14. Jahrhunderts, wohn-ten die Klarissen in Krakau neben der St. Andreas-Kirche, direkt an dem zur Wawel-burg führenden ‚Königstrakt‘.2

Von der Zawichoster Gründung blieb nicht viel übrig. Es sind nur einige wenige kur-ze Fragmente narrativer Quellen erhalten, die ihr Funktionieren und ihre Bestimmungaußerordentlich lakonisch beleuchten, sowie einige wenige Urkunden. Schließlich hatder männliche Franziskanerkonvent überdauert, der nach dem Umzug der Klarissenübrigblieb, sich aber nie ernsthaft entwickelte. Es ist bisher nicht gelungen, baulicheRelikte des ersten Klosters aufzufinden, obwohl das gemauerte Kloster und die Kirche

1 Vgl. Jerzy Wyrozumski, Salomea, in: Henryk Markiewicz (Hrsg.), Polski Słownik Biograficzny,Bd. 34. Kraków 1993, 366–368; Cecylian Niezgoda, Błogosławiona Salomea Piastówna [Die seligePiastentochter Salomea]. Kraków 1996.

2 Feliks Kiryk, Zawichost. Z dziejów nadwiślańskiego miasta od XII do XVI stulecia [Zawichost.Zur Geschichte der Weichselstadt vom 12. bis zum 16. Jahrhundert], in: Feliks Kiryk (Hrsg.),Wisła w dziejach i kulturze Polski. Studia i Materiały z dziejów osadnictwa i gospodarki górnejWisły w okresie przedrozbiorowym. Warszawa 1990, 37–57, hier 41.

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mitsamt dem Spital vor der Translation der Ordensgemeinschaft errichtet worden sind.3

Wir wissen nicht, in welchem architektonischen Zusammenhang die bis heute existie-rende – mehrfach zerstörte – frühgotische Franziskanerkirche (13./14. Jahrhundert) mitdem früheren Gotteshaus der Klarissen stand. Strittig ist, ob dieses Objekt eine Weiter-führung der Kirche der seligen Salomea war oder lediglich nahe des früheren Bauwer-kes errichtet worden ist, dessen Überreste zusammen mit der Uferböschung zerstörtwurden, die von der an dieser Stelle sehr starken Strömung der Weichsel ständig unter-spült wurde.4

Die kurze Zeit des Bestehens des Zawichoster Klosters ist sicher der Grund dafür,dass sich die Geschichtsschreibung kaum für seine späteren Geschicke interessierte.Über die Ordensgemeinschaft der Herzogin Salomea in Zawichost wurde nur gelegent-lich anderer Betrachtungen geschrieben, wobei das uns interessierende Kloster und dieMotive seiner Gründung lediglich am Rande berührt wurden. Das meiste Gewichtwurde Fragen beigemessen, die im Zusammenhang mit der Versorgung der Gemein-schaft der Klarissen standen, denn diese hielten ja die alten Donationen aus der Za-wichoster Lokalisierung aufrecht, obwohl sie schon längst in Skała und später in Kra-kau lebten.5 Manchmal tritt das Problem des Klosters auch in Studien über dieGeschichte von Zawichost selbst in Erscheinung6 oder auch in Betrachtungen, die denKirchen dieser Stadt gewidmet sind.7 Auch wenn die Stiftung für die Klarissen inZawichost nur recht kurze Zeit existierte, müssen für ihre Entstehung und Ansiedlung

3 Kodeks Dyplomatyczny Małopolski [Kleinpolnisches Urkundenbuch], Bd. 2. Ed. FranciszekPiekosiński. Kraków 1886, Nr. 446 (18. April 1255); vgl. Józef S. Jamroz, Kościół pofrancis-zkański w Zawichoście [Die ehemalige Franziskanerkirche in Zawichost], in: Biul. Hist. Szt. i Kult.10, 1948, 3/4, 185–230, hier 186.

4 Zu den Verlagerungen des Flussbettes vgl. Henryk Maruszczak, Zmiany biegu Wisły i jejdopływów w rejonie Wzgórza Zawichojskiego w czasach historycznych [Die Veränderung desFlusslaufes der Weichsel und ihrer Nebenflüsse in der Region der Anhöhe von Zawichost in histo-rischer Zeit], in: Teresa Dunin-Wąsowicz / Stanisław Tabaczyński (Hrsg.), Szkice Zawichojskie.Zawichost 1999, 157–164; Jolanta Nogaj-Chachaj, Wybrane zagadnienia topografii średniowiecz-nego Zawichostu [Ausgewählte Fragen zur Topografie des mittelalterlichen Zawichost], in: ebd.,165–178.

5 Vgl. Bronisław Ulanowski, O założeniu klasztoru św. Andrzeja w Krakowie i jego najdawniejszychprzywilejach [Über die Gründung des Klosters St. Andreas in Krakau und seine ältesten Privile-gien], in: Pamiętnik Wydziału filozoficzno-historycznego Akademii Umiejętności 6, 1885, 13–31;Janina Stoksik, Powstanie i późniejszy rozwój uposażenia klasztoru klarysek w Krakowie w XIII iXIV wieku [Die Entstehung und spätere Entwicklung der Ausstattung des Klarissenklosters in Kra-kau im 13. und 14. Jahrhundert], in: Rocz. Krak. 35, 1961, 93–128.

6 Tadeusz Lalik, Zawichost we wcześniejszym średniowieczu [Zawichost im früheren Mittelalter],in: Kwart. Hist. Kult. Mater. 1992, 2, 137–149; Roman Chyła, Dzieje Zawichostu do początkówXIX wieku [Die Geschichte von Zawichost bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts]. Zawichost 2010.

7 Jan Zuba, Klasztor pofranciszkański w Zawichoście w świetle ostatnich badań [Das ehemaligeFranziskanerkloster in Zawichost im Lichte der neuesten Untersuchungen], in: Zeszyty Sandomier-skie 11, 2004, 18, 28–36.

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gerade an diesem Ort des damaligen Krakauer Herzogtums entsprechende ernsthafteGründe bestanden haben. Der vorliegende Text bietet eine Skizze der Geschichte desKlarissenordens in Zawichost und versucht, die politischen und ideologischen Fragenaufzuzeigen, die sich hinter der Verwirklichung dieser frommen Absicht Herzog Bo-lesławs des Schamhaften verbargen, sowie die Motive für die Evakuierung der Nonnenaus diesem Kloster an der Weichsel.

Das Problem der Zawichoster Stiftung scheint aus mehreren Gründen wichtig zusein. Erstens ist bereits bemerkenswert, dass diese Unternehmung Bolesławs desSchamhaften die erste Gründung eines Klosters für die Schwestern der hl. Klara aufpolnischem Boden darstellte.8 Bekanntlich stand die gesamte franziskanische Bewe-gung im 13. Jahrhundert im Ruf besonderer Frömmigkeit und war bei den damaligenpolnischen und mitteleuropäischen Eliten überhaupt außerordentlich in Mode. DerHerrscher selbst gehörte dem Dritten Orden an.9 In dieser Situation bedeutete dieEntscheidung des Krakauer Herzogs viel – und sie muss mit einer besonderen Absichtverbunden gewesen sein. Wichtig für die Beurteilung der Zawichoster Stiftung ist auch,dass in Polen, in der Mitte des 13. Jahrhunderts die Ansiedlung einer Ordensgemein-schaft, insbesondere durch den herzoglichen Herrscher selbst, auch vom Gesichtspunktder Herrschaftspraxis eine außerordentlich bedeutsame Tatsache darstellte.10 Einesolche Unternehmung unterstrich die Verbindung des Dynasten mit der übernatürlichenWelt und sollte ihm die Gunst des Himmels für seine Absichten erwirken,11 und damitwurde – durch eine entsprechende Situierung des Sakralzentrums und die Wahl desKultes – oftmals auch die Richtung und der Charakter der Politik des Herrschers nach-drücklich bestimmt. Die Stiftung verschaffte dem Herrscher eine Unterstützung seinerPläne: physisch, denn das Kloster war im Prinzip befestigt, aber vor allem ideologisch,denn hier betete eine Gruppe ihrem Wohltäter hingegebener Geistlicher für das Wohl-ergehen des Dynasten und seines Landes, wodurch alle Anhänger des Herrschersgleichsam auf dieses ‚staatliche‘ Kultzentrum hin orientiert und moralisch gestärkt

8 Stoksik, Powstanie (wie Anm. 5), 94.9 Kazimierz Jasiński, Franciszkańskie pochówki Piastów [Franziskanische Grabstätten der Piasten],

in: Urszula Borkowska (Hrsg.), Franciszkanie w Polsce średniowiecznej 1/2–3. Kraków 1982,177–195, bes. 193.

10 Ein frommer Herrscher und Kirchenstifter passte auch hervorragend zu den damaligen Idealen;vgl. Czesław Deptuła / Anna Witkowska, Wzorce ideowe zachowań ludzkich w XII i XIII wieku[Ideologische Vorbilder menschlichen Verhaltens im 12. und 13. Jahrhundert], in: AleksanderGieysztor (Hrsg.), Polska dzielnicowa i zjednoczona. Państwo, społeczeństwo, kultura. Warszawa1972, 119–158.

11 Ausführlicher zu dieser Problematik Hans-Rudolf Meier / Carolina Jäggi / Philipe Büttner(Hrsg.), Für irdischen Ruhm und himmlischen Lohn. Stifter und Auftraggeber in der mittelalterli-chen Kunst. Berlin 1995, 91–107; Klaus Gereon Beuckers, Das ottonische Stifterbild. Bildtypen,Handlungsmotive und Stifterstatus in ottonischen und frühsalischen Stifterdarstellungen, in:Klaus G. Beuckers / Johannes Cramer / Michael Imhof (Hrsg.), Die Ottonen. Kunst – Architektur– Geschichte. Petersberg 2002, 63–102.

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wurden und dadurch auch das verwegene Vorgehen seiner Gegner gezügelt wurde.Diese Vorzüge einer Stiftung wurden durch die körperliche Anwesenheit eines Mit-glieds der Herrscherfamilie im Kloster noch verstärkt, und zwar sowohl wenn diesessich dort den monastischen Praktiken widmete, als auch dann, wenn nur ein Verstorbe-ner dort beigesetzt war.12

In der Zawichoster Klarissenkirche wurde im Jahre 1259 die Mutter Bolesławs desSchamhaften Grzymisława beigesetzt. Diese Tatsache ist bemerkenswert – denn siestarb bekanntlich in Krakau und wurde extra in das Kloster an der Weichsel überführt.13

Dort hätte sicher auch die Schwester des Herzogs Salomea selbst ihre letzte Ruhegefunden, wenn dem nicht die Verlegung der Ordensgemeinschaft im Wege gestandenhätte. Auf jeden Fall scheint sicher zu sein, dass die Stiftung für die Klarissen in Za-wichost kein zufälliges Asyl für die Schwester Bolesławs des Schamhaften war, damitsie den Rest ihrer Tage in ihrem eigenen Kloster gottesfürchtig, in Sammlung undGebet verbringen konnte. Denn der Ort selbst, an dem die fromme Unternehmung desKrakauer Herzogs lokalisiert war, eignete sich nicht für einen stillen und kontemplati-ven Aufenthalt, sondern bewegte zur Inangriffnahme außergewöhnlicher Herausforde-rungen. Zawichost war um die Mitte des 13. Jahrhunderts eine Stadt mit relativ zahlrei-cher Bevölkerung; ihre Einwohnerzahl übertraf jene des damals nur ein gutes DutzendKilometer entfernten Sandomir,14 des nach Krakau wichtigsten politischen ZentrumsKleinpolens.15 Seine damalige Karriere verdankte Zawichost seiner günstigen Lage ander seinerzeit wichtigsten Überfahrt über die mittlere Weichsel.16 Die durch die Stadtverlaufende Handelsstraße führte von Westeuropa über Schlesien und Kleinpolen nachRuthenien und Litauen. Im tiefen Hinterland der Zawichoster Furt, südöstlich vonLublin gelegen, befanden sich die in den Quellen erwähnten ruthenischen lackie vorota

12 Ursula Lewald, Burg, Kloster, Stift, in: Heinrich Patze (Hrsg.), Die Burgen im deutschen Sprach-raum. Ihre rechts- und verfassungsgeschichtliche Bedeutung, Bd. 1. Sigmaringen 1976, 155–180;Otto G. Oexle, Die Gegenwart der Toten, in: Herman Braet (Hrsg.), Death in the Middle Ages.Leuven 1983, 19–77.

13 Rocznik Małopolski [Kleinpolnische Annalen]. Ed. August Bielowski, in: MPH 3, Lwów 1878,135–202, hier 168; Jamroz, Kościół (wie Anm. 3), 186.

14 Kiryk, Zawichost (wie Anm. 2), 40.15 Marek Florek, Sandomierski ośrodek grodowo-miejski w średniowieczu: przemiany przestrzenne

i funkcjonalne [Das Sandomirer Burgstadtzentrum im Mittelalter. Räumliche und funktionaleWandlungen]. Warszawa 2005.

16 Teresa Wąsowiczówna, Sandomierska sieć drożna w wiekach średnich [Das Sandomirer Straßennetzim Mittelalter], in: Teresa Wąsowiczówna / Jan Pazdura (Hrsg.), Studia Sandomierskie. Materiały dodziejów miasta Sandomierza i regionu sandomierskiego. Sandomierz 1967, 111–130; Lalik, Zawichost(wie Anm. 6), 138 sowie Henryk Grocholski, Powstanie archidiakonatu zawichojskiego i jegonajstarsze kościoły do poł. XIV w. [Die Entstehung des Archidiakonats Zawichost und seine ältestenKirchen bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts], in: Rocz. Hum. 13, 1965, 2, 151–162.

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(‚Polnische Pforte‘),17 die einen bequemen Weg für Kaufleute, aber auch für Kriegs-züge, in den Osten eröffneten. Die polnischen Quellen bezeichneten diesen Ort als einTor.18 Hinter ihm begann, den Worten des Krakauer Bischofs Matthäus zufolge Ruthe-nia, que quasi est alter orbis.“19

Je stärker die Krakauer Herrscher an jener Welt interessiert waren, desto mehr wuchsauch die Bedeutung von Zawichost. Die südöstlichen Gebiete der Rus’ fesselten dieAufmerksamkeit der Piasten damals schon seit längerer Zeit.20 Schon der GroßvaterBolesławs des Schamhaften, Kasimir II. der Gerechte, hatte häufig in die Kämpfezwischen den dortigen Fürsten eingegriffen und seinen Einfluss bei ihnen gefestigt.Eine ähnliche Politik betrieb Leszek der Weiße. Allerdings stieß dieser Herzog in derPerson des ungarischen Königs Andreas II. auf einen gefährlichen Rivalen.21 Im Jahre1214 kam es zur Einigung und zum Bündnis. Leszek erklärte sich mit der HerrschaftKolomans in Halič einverstanden. Er war der Sohn von Andreas II. und erhielt dieTochter des Krakauer Herzogs, Salomea, die oben erwähnte Schwester Bolesławs desSchamhaften und spätere Klarisse in Zawichost zur Frau.22 Nur zwei Jahre (von 1219bis 1221) währte die Herrschaft dieses Ehepaares in Halič.23 Dann schlug der Novgoro-der Fürst Mstislaw mit Unterstützung anderer ruthenischer Herrscher die Ungarn unddrängte sie über die Karpaten; das junge Paar (Koloman war gerade 13, Salomea 10Jahre alt) geriet in Gefangenschaft. Nach einer gewissen Zeit veranlasste Salomeas

17 Zum Beispiel Ipat’evskaja Letopis' [Die Hypatius-Chronik]. Ed. Aleksej A. Šachmatov, in:Polnoje Sobranije Russkich letopisiej 2. Sankt Petersburg 1908, 865f.

18 In metis Poloniae, que porta dicitur; Rocznik Franciszkański Krakowski [Die Krakauer Franzis-kaner-Annalen]. Ed. August Bielowski, in:MPH, Bd. 3. Lwów 1878, 46–52, hier 48.

19 Das Zitat stammt aus einem vom Krakauer Erzbischof Mateusz und dem schlesischen GroßenPiotr Włostowic verfassten Schreiben an Bernhard von Clairvaux (um 1145); Schlesisches Ur-kundenbuch, Bd. 1. Ed. Heinrich Appelt. Wien 1971, Nr. 11; vgl. Marian Plezia, List biskupaMateusza do św. Bernarda [Der Brief des Bischofs Matthäus an den hl. Bernhard], in: Zofia Bud-kowa (Hrsg.), Prace z dziejów Polski feudalnej ofiarowane Romanowi Grodeckiemu w 70.rocznicę urodzin. Warszawa 1960, 123–140; Brygida Kürbis, Cystersi w kulturze polskiego śred-niowiecza. Trzy świadectwa z XII wieku [Die Zisterzienser in der Kultur des polnischen Mittel-alters. Drei Zeugnisse aus dem 12. Jahrhundert], in: Jerzy Strzelczyk (Hrsg.), Historia i kulturacystersów w dawnej Polsce i ich europejskie związki. Poznań 1987, 321–342, hier 325.

20 Bronisław Włodarski, Polska i Ruś 1194–1340 [Polen und die Rus’ 1194–1340]. Warszawa 1966,67–90.

21 Der dort eine starke Position innehatte; vgl. Władysław Abraham, Powstanie organizacji kościołałacińskiego na Rusi [Die Entstehung der lateinischen Kirchenorganisation in Ruthenien]. Bd. 1.Lwów 1904, 100ff.

22 Eine Besprechung der Quellen findet sich bei Márta Font, Geschichtschreibung des13. Jahrhunderts an der Grenze zweier Kulturen. Das Königreich Ungarn und das Fürstentum Ha-litsch-Wolhynien. Stuttgart 2005.

23 Im Jahre 1215 wurde der siebenjährige Koloman in Ungarn zum König von Halič gekrönt,während Salomea wahrscheinlich nie gekrönt wurde; vgl. Bronisław Włodarski, Salomea, królo-wa halicka [Salomea, Königin von Halič], in: Nasza Przeszł. 5, 1957, 61–83, hier 71.

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mächtiger Schwiegervater, dass Mstislaw die kurzzeitigen Herrscher von Halič freiließ,die jedoch daraufhin nie mehr nach Ruthenien zurückkehrten.

Nach dem Mongoleneinfall in Mitteleuropa und Kolomans Tod im Jahre 1241 ge-langte Salomea nach Polen und verbarg sich am Hofe ihres Bruders. Damals war sieungefähr 30 Jahre alt und hatte noch genügend Kraft, sich darum zu bemühen, eineRolle im Leben des Krakauer Herzogs zu spielen. Mit Sicherheit bewirkten ihre uner-füllten königlichen Aspirationen und ihr Engagement für Halič, dass sich zumindest einTeil ihrer Aufmerksamkeit nach Osten richtete. Die Ruthenien-Politik Bolesławs desSchamhaften unterlag ernsthaften Beschränkungen; angesichts des Fehlens entspre-chender Voraussetzungen vermochte der Krakauer Herzog auch auf militärischemGebiet hier wenig auszurichten. Überdies war seine Situation fast während seinergesamten Herrschaftszeit in Kleinpolen angespannt, so dass ihm kaum übermäßigeaußenpolitische Aktivitäten im traditionellen Sinne möglich waren. Schon in seinerfrühen Jugend wandte sich sein Oheim Konrad von Masowien gegen ihn, ja vertrieb ihnsogar vorübergehend aus Krakau.24 Konrad war mit Daniel von Halič verbündet, einerherausragenden Persönlichkeit seiner Zeit, die mit beträchtlichen militärischen Talentenausgestattet war.25 Zusätzlich war das Handlungsfeld Bolesławs des Schamhaftendadurch eingeengt, dass sein Schwiegervater, der König einer regionalen Großmacht,Béla IV., selbst an einer Stärkung des ungarischen Einflusses in Ruthenien interessiertwar und sich daher einer stärkeren polnischen Infiltration widersetzte, auch wenn essich dabei um seinen eigenen Bündnispartner handelte. In dieser Situation verband derKrakauer Herzog, der übrigens sehr fromm war,26 seine politischen Aktivitäten inRuthenien mit den Bemühungen der Kirche, die bestrebt war, Osteuropa dem religiösenPatronat Roms zu unterwerfen. Bemühungen um eine Union mit der Orthodoxie bilde-ten damals bereits seit einiger Zeit eine der wichtigsten, die päpstliche Diplomatieinteressierenden Fragen.27 Seit der Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzfahrerim Jahre 1204 und die Einsetzung eines lateinischen Patriarchen in dieser Stadt entfal-teten die jeweiligen Päpste lebhafte Aktivitäten, die auf eine Unterwerfung der übrigen

24 Ausführlicher Marian Łodyński, Stosunki w Sandomierskiem w latach 1234–1239 [Die Beziehun-gen im Sandomirer Land in den Jahren 1234–1239], in: Kwart. Hist. 25, 1911, 1–34.

25 Zur Person des Fürsten Daniel vgl. Mariusz Bartnicki, Polityka zagraniczna księcia DanielaHalickiego w latach 1217–1264 [Die Außenpolitik des Fürsten Daniel von Halitsch in den Jahren1217–1264]. Lublin 2003.

26 Andrzej Marzec, Bolesław V Wstydliwy [Bolesław V. der Schamhafte], in: StanisławSzczur / Krzysztof Ożóg (Hrsg.), Piastowie. Leksykon biograficzny. Kraków 1999, 191–197.

27 Ein Teil der russischen Forscher hatte (und hat) Obsessionen in der Frage einer angeblichenBedrohung der ‚Heiligen Rus’‘ durch Rom und den Westen; vgl. z. B. Grigorij Vernadskij, Mon-golskoje igo v russkoj istorii [Das Mongolenjoch in der russischen Geschichte], in: EvrazijskijVremennik 1925, 4–21; zu älteren und neueren Literatur Lev Gumilev, Ot Rusi do Rossii. Očerkietničeskoj istorii [Von der Rus‘ zu Russland. Studien zur ethnischen Geschichte]. Moskva 2001,125ff.

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orthodoxen Länder unter die Oberhoheit Roms zielten.28 Bereits im Jahre 1207 reisteGregor, ein Legat des Papstes Innozenz III., nach Ruthenien und rief die dortigenBischöfe auf, das Schisma zu beenden. Seit dieser Zeit besuchten päpstliche Gesandt-schaften recht häufig die Höfe ruthenischer Herrscher.29

Neben Ungarn und dem Deutschordensstaat befand sich Polen in der Nachbarschaftder die römische Kurie vital interessierenden Gebiete. Darüber hinaus wirkten in Polenund insbesondere im Herzogtum Krakau entsprechende religiöse Zentren, die in be-trächtlichem Maße auf die Ruthenienmission eingestellt waren – in Form der gegenEnde des 12. Jahrhunderts entstandenen Stiftungen für die Zisterzienser in Wąchock,Koprzywnica, Sulejów und Jędrzejów. Diese wurden nicht nur vom Herzog und vomBischof unterstützt, sondern auch von den kleinpolnischen Großen. Die Translation derReliquien des hl. Florian aus Modena im Jahre 1148 durch den Krakauer BischofGedko und ihre Unterbringung in den erwähnten Abteien stand ebenfalls im Zusam-menhang mit der ideologischen Stärkung dieser Niederlassungen.30 Den Höhepunkt derzisterziensischen Erfolge in der Ostmission bildete um 1232 die Gründung einer ruthe-nischen Diözese in Opatów mit dem Zisterziensermönch Gerard an der Spitze,31 dervorher wahrscheinlich Abt in Wąchock war.32 Auch die Dominikaner waren bemüht,mit den Zisterziensern Schritt zu halten: Hyazinth (poln. Jacek) aus dem mächtigenGeschlecht Odrowąż, der spätere Heilige, ein Bruder des Krakauer Bischofs Iwo,gründete Ordensniederlassungen in Halič und Kiew.33

28 Ausführlicher zu den päpstlichen Kontakte mit der Rus’ Eduard Winter, Russland und das Papsttum.Bd. 1: Von der Christianisierung bis zu den Anfängen der Aufklärung. Berlin 1960, 69ff.

29 Boris J. Ramm, Papstvo i Rus’ v X–XV vekach [Das Papsttum und die Rus’ im 10.–15. Jahrhundert]. Moskva 1959, 85ff.

30 Teresa Dunin-Wąsowicz, Projets missionnaires cisterciens dans la Rus' du sud-ouest aux XIIe–XIIIe siècles, in: Harvard Ukrainian Studies 12–13, 1988–1989, 531–550, hier 536; ausführlicherhierzu auch Józef Dobosz, Działalność fundacyjna Kazimierza Sprawiedliwego [Die Stiftungstä-tigkeit Kasimirs des Gerechten], Poznań 1995, 86ff.

31 Vgl. z. B. Tadeusz Manteuffel, Papiestwo i cystersi ze szczególnym uwzględnieniem ich roli wPolsce na przełomie XII i XIII w. [Das Papsttum und die Zisterzienser unter besonderer Berück-sichtigung ihrer Rolle in Polen an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert]. Warszawa 1955, 69;107ff.; Aleksander Gieysztor, Początki misji ruskiej biskupstwa lubuskiego [Die Anfänge der Ru-thenienmission des Lebuser Bistums], in: Nasza Przeszł. 4, 1948, 83–102, hier 95ff.; JózefSzymański, Kanonicy opatowscy w planach polityki ruskiej z przełomu XII i XIII wieku [Die Ka-noniker von Opatów in den Plänen der Ruthenienpolitik an der Wende vom 12. zum13. Jahrhundert], in: Prz. Hist. 56, 1965, 388–396.

32 Polemisch zu den Missionsaufgaben der Zisterzienser Zofia Kozłowska-Budkowa / StanisławSzczur, Dzieje opactwa cystersów w Koprzywnicy do końca XIV wieku [Die Geschichte der Zi-sterzienserabtei in Koprzywnica bis zum Ende des 14. Jahrhunderts], in: Nasza Przeszł. 60, 1983,5–76, hier 12.

33 Dariusz A. Dekański, Początki zakonu dominikanów prowincji polsko-czeskiej: pokolenie św.Jacka w zakonie [Die Anfänge der polnisch-böhmischen Provinz des Dominikanerordens: dieGeneration des hl. Hyazinth im Orden]. Gdańsk 1999.

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Im dritten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts trat in Mitteleuropa ein neuer, sich dyna-misch entwickelnder Orden in Erscheinung – die Franziskaner. Im Jahre 1232 wurdeeine große Ordensprovinz gegründet, die als ‚sächsisch‘ bezeichnet wurde, aber auchdie polnischen Gebiete umfasste. An ihrer Spitze stand ein Gefährte des hl. Franziskus –Giovanni Piano Carpine.34 Bereits 1239 wurde eine böhmisch-polnische Provinz orga-nisiert. In dieser Zeit vermachte der Krakauer Wojewode Teodor-Czader den Franzis-kanern sein Herrenhaus in Krakau, und Bolesław der Schamhafte stiftete dort eine demhl. Franziskus geweihte Kirche.35 Die Minoriten gewannen schnell Scharen von Anhä-ngern unter den polnischen Eliten im weiteren Sinne, und vor 1241 befanden sich ihreMissionen dann auch schon in Ruthenien – in Halič. In dieser Zeit gewannen die Fran-ziskaner großen Einfluss am päpstlichen Hof und spielten in der Diplomatie der römi-schen Kurie eine besonders große Rolle. Sie engagierten sich auch für eine Anknüpfungvon Kontakten mit der Ostkirche. Die Intensivierung der Dialogversuche mit der Or-thodoxie gewann während des Pontifikats von Innozenz IV. (1243–1254) zusätzlicheBedeutung. Zwei Jahre nach Besteigung des Stuhls Petri berief dieser energische Papstdie Bischöfe des Westens nach Lyon ein. Große Bedeutung auf dieser Synode hatte derAuftritt des geheimnisvollen, nur aus spärlicher Überlieferung bekannten ruthenischenErzbischofs Petr, der sein Land auf der Flucht vor den Mongolen verlassen hatte.36

Sicher wurde sein Auftritt als ein Appell um Hilfe sowie als ausgestreckte Hand zurVersöhnung mit den Katholiken verstanden. Eines der wichtigsten Probleme, die imFrühjahr 1245 in Lyon besprochen wurden, betraf somit eine Union mit der orthodoxenKirche – in Verbindung mit dem geschickten Plan einer Abwehr der mongolischenGefahr von Europa.

Die päpstliche Diplomatie leitete Aktivitäten in großem Maßstab ein; aus Lyon rei-sten vier Gesandtschaften nach dem Osten ab.37 Mit zwei von ihnen wurden die Domi-nikaner betraut, die bereits über gewisse Erfahrungen in der Ostmission verfügten.38 DieLegaten wandten sich an die Mongolen, aber ebenso wichtig war die vor ihnen stehende

34 Józef Umiński, Niebezpieczeństwo tatarskie w połowie XIII wieku i papież Innocenty IV [Dietatarische Gefahr in der Mitte des 13. Jahrhunderts und Papst Innozenz IV.]. Lwów 1922, 26; Zo-fia Birkenmajerowa, Z najstarszych dziejów zakonów serafickich w Polsce [Zur ältesten Ge-schichte der seraphischen Orden in Polen], in: Przegląd Powszechny 166, 1925, 73–98, hier 78.

35 Gerard Labuda, Kto był pierwszym fundatorem-założycielem klasztoru franciszkanów w Krako-wie [Wer war der erste Stifter und Gründer des Franziskanerklosters in Krakau?], in: Borkowska,Franciszkanie (wie Anm. 9), 369–381.

36 Gian A. Bezzola, Die Mongolen in abendländischer Sicht [1220–1270]. Ein Beitrag zur Frage derVölkerbegegnungen. Bern 1974, 214ff; Heinrich Dörrie, Drei Texte zur Geschichte der Ungarnund Mongolen. Die Missionenreisen des fr. Julianus OP ins Uralgebiet (1234 / 5) und nach Russ-land (1237) und der Bericht des Erzbischofs Peter über die Tartaren, in: Nachrichten der Akade-mie der Wissenschaften in Göttingen. I. Philologisch-Historische Klasse. Göttingen 1956, 125–202; Umiński, Niebezpieczeństwo tatarskie (wie Anm. 34), 14–16.

37 Umiński, Niebezpieczeństwo tatarskie (wie Anm. 34), 24ff.38 Bezzola, Mongolen (wie Anm. 36), 31ff.

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Zur Geschichte und Bedeutung des Klarissenkosters Zawichost 403

Aufgabe, die Christen im Osten zur Union mit Rom zu bewegen. Auch die Franziskanerleiteten zwei Gesandtschaften. Lorenz aus Portugal sollte über Bulgarien auf einem unsnicht näher bekannten Weg nach Osten reisen, blieb aber schon an der Donau hängen,wo er Verhandlungen leitete, die die Bulgaren zur Anerkennung des päpstlichen Pri-mats bewegen sollten. Die größten Erfolge von allen Gesandten erzielte der bereitserwähnte Giovanni Piano Carpine.39 Dieser Legat Innozenz’ IV. gelangte bis an denHof des Großkhans, der sich im Herzen der Mongolei befand. Für unseren Zusammen-hang am interessantesten ist der polnische Abschnitt seiner Reise. Da Carpine mit demböhmischen König Přemysl Ottokar I. in persönlicher Vertrautheit verbunden war,begann die mitteleuropäische Etappe seiner Reise in Prag. Der böhmische Herrscherwar so etwas wie ein Gönner des Franziskaners, und er war es auch, der ihn zu seinemSchwager Bolesław II. dem Kahlen schickte. Dieser schlesische Herzog wiederumschickte den Boten zu Konrad von Masowien. In Łęczyca begegnete Giovanni PianoCarpine, was vielleicht kein Zufall war, einem weiteren Verbündeten des masowischenHerzogs, dem Haličer Herrscher Vasylko Romanovič, Daniels Bruder.40 Alle genanntenHerrscher waren seit längerer Zeit durch eine politische Allianz miteinander verbunden,der ein anderes Bündnis gegenüberstand, dem der ungarische König Bela IV. und seinebeiden Schwiegersöhne Bolesław der Schamhafte und der Anwärter auf den HaličerThron, Rostislav Michajlovič, angehörten. Dieses makropolitische Kräfteverhältniswiderspiegelte sich in den polnischen Gebieten in Gestalt der viele Jahre andauerndenKämpfe zwischen Konrad von Masowien und Bolesław dem Schamhaften.41

Im Kontext dieser Situation ist es bemerkenswert, dass Carpine als Unterstützer derGesandtschaft neben seinen oben genannten Gönnern auch die Mutter Bolesławs desSchamhaften – Grzymisława – und den Krakauer Bischof erwähnte, deren Gaben beson-ders großzügig oder aus bestimmten Gründen für den päpstlichen Abgesandten wertvollgewesen sein sollen, was in seinem Reisebericht unterstrichen wird.42 Wir wissen zwarnicht, wo es zur Begegnung der Herzogin und der Krakauer Würdenträger mit dem Lega-ten kam, aber die Tatsache, dass der damals wichtigste Weg von Polen nach Ruthenien

39 Johannes Gießauf, Die Mongolengeschichte des Johannes von Piano Carpine, Graz 1995; derOriginaltext: Itinera et relationes fratrum minorum saeculi XIII et XIV. Ed. Anastasius van denWyngaert, in: Sinica Franciscana 1, 1929, 27–130.

40 Johannes de Plano Carpini, Ystoria Mongalorum. Ed. van den Wyngaert (wie Anm. 39), 102.Mehr über diesen Fürsten, insbesondere im Kontext seiner familiären Verschwägerungen bietetDariusz Dąbrowski, Małżeństwa Wasylka Romanowicza [Die Ehen des Vasylko Romanovič], in:Krystyna Zielińska-Melkowska (Hrsg.), Europa środkowa i wschodnia w polityce Piastów. Toruń1997, 221–233.

41 Bronisałw Włodarski, Polityczne plany Konrada I, księcia mazowieckiego [Die politischen Plänedes masowischen Herzogs Konrad I.], Toruń 1971, 29ff.; Paweł Żmudzki, Książę Leszek Czarny.Studium podzielonego Królestwa [Herzog Leszek der Schwarze. Eine Studie über das geteilteKönigreich]. Warszawa 2000, 113ff.; Mariá F. Font, Ungarn, Polen und Galizien-Wolhynien imersten Drittel des 13. Jh., in: Slavica Hungariae 38, 1993, 27–39.

42 Plano Carpini, Ystoria Mongalorum. Ed. van den Wyngaert (wie Anm. 40), 103.

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404 Andrzej Pleszczyński

eben durch Zawichost führte, macht die Annahme wahrscheinlich, dass diese Begeg-nung gerade dort stattgefunden haben könnte. Selbst wenn der Ort, an dem die KrakauerHerzogin mit dem päpstlichen Gesandten zusammentraf, ein anderer gewesen seinsollte, muss die Tatsache dieser Begegnung Einfluss auf die Entscheidung für dieStiftung für die Klarissen gehabt haben – denn schließlich fand sie im gleichen Jahrstatt. Und noch weitere Umstände verbinden das Zawichoster Kloster mit der Rutheni-enmission, mit welcher Carpinis Reise ja doch irgendwie in Verbindung stand. Der Zugdes päpstlichen Legaten und auch seine Rückkehr im Jahre 1247, die ebenfalls durchPolen führte, war ganz sicher von einer Aura des Außergewöhnlichen und der religiösenBegeisterung begleitet.43 Diese Atmosphäre begünstigte mit Sicherheit den Beschluss,in Zawichost ein Klarissenkloster ins Leben zu rufen. Bestärkt wird eine solche Vermu-tung durch die Erwähnung einiger Quellen, in denen hervorgehoben wird, dass derKrakauer Herzog sich eben unter dem Einfluss seiner Mutter für die Zawichoster Stif-tung entschied, deren Interesse an religiösen Novitäten von der Mitteilung des päpstli-chen Gesandten bestätigt wird.44

Klarissenkloster Zawichost mit St. Johannes der Täufer-Kirche, Mitte 13. Jahrhundert

43 Die Tatsache dieser Reise notierten die Annalen des Traska und die Krakauer Annalen. Ed.August Bielowski, in: MPH 2, 826–860, hier 838; Miracula s. Stanislai. Ed. ZbigniewPerzanowski / Janina Pleziowa, in: Analecta Cracoviensia 11, 1979, 47–141, hier 96.

44 Plano Carpini, Ystoria Mongalorum. Ed. van den Wyngaert (wie Anm. 40), 103

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Zur Geschichte und Bedeutung des Klarissenkosters Zawichost 405

Mit dem Bau des Klosters wurde wahrscheinlich schon 1245 begonnen, gleich nachdem Erhalt des Nonnenschleiers durch Salomea. Die mit der Aufnahme der Schwesterdes Herzogs in den Orden verbundenen Feierlichkeiten leitete der franziskanischeProvinzial für Polen und Böhmen Rajmund. Die Zeremonie selbst fand in Sandomirstatt, wo zwei Jahre zuvo eine Gruppe von Franziskanern angesiedelt worden war.45

Diese nach Zawichost verlegten Mönche wurden zur priesterlichen Betreuung desFrauenklosters bestimmt. Die Klosterkirche erhielt das Patrozinium des hl. Franziskusund der hl. Elisabeth,46 der Tochter des ungarischen Königs Andreas II., Gattin desLandgrafen von Thüringen und Salomeas Schwägerin. Diese von den jungen Ordenverehrte Heilige genoss gerade bei den Franziskanern besondere Anerkennung. Außer-dem war ein solches Patrozinium des Zawichoster Klosters durch familiäre Rücksichtenbegründet – schließlich war Kinga, die Gattin Bolesławs des Schamhaften, eine engeVerwandte der erwähnten Heiligen. Zusätzlich engagierten sich die Zawichoster Klaris-sen intensiv für die Propagierung des Kultes des hl. Damian, d. h. eigentlich derhll. Damian und Kosmas, der Schutzheiligen der Ärzte.47 Dies entsprach dem Wesender Tätigkeit der hl. Elisabeth, die im Jahre 1229 in Marburg ein Spital gegründet hatte.

Die Zawichoster Klarissen widmeten sich, wie sich dies ja aus dem Charakter ihrerDevotion ergab, schon seit Anbeginn des Klosters gewissen Formen der Krankenpflege.Aber die strenge Regel behinderte die Entwicklung der Stiftung – worüber sich Salo-

45 Jamroz, Kościół (wie Anm. 3), 185.46 Elisabeth (gest. 1227) war die älteste Schwester Kolomans; zur Person Günter Hoppe, Elizabeth.

Landgräfin von Thüringen. Eisenach 1984. Die Frage der Patrozinien der Kirche ist sehr verwor-ren. Einfluss darauf hatte die stürmische Geschichte dieses Gotteshauses; zuerst erfolgte der Um-zug der Klarissen, später im Jahre 1412 wurde ein Teil der Gebäude abgerissen, und am Ende des16. Jahrhunderts ließ der Starost von Dębnik einen Teil der Gebäude des Ordens abtragen. DieseEreignisse konnten mit bestimmten Veränderungen der Funktion der Kirche verbunden gewesensein. Die drei im Text erwähnten Patrozinien scheinen für das 13. Jahrhundert durch Quellen-überlieferungen und den historischen Kontext gut bezeugt zu sein. Das heutige Gotteshaus istdem hl. Johannes dem Täufer gewidmet, sicher schon seit dem 17. Jahrhundert; vgl. Alojzy Kar-wacki, Błogosławiona Salomea za życia i po śmierci [Die selige Salomea zu Lebzeiten und nachihrem Tode]. Kraków 1911, 75f. Ausführlicher zur Verehrung der hl. Elisabeth Kazimierz Jasińs-ki, Kult św. Elżbiety w dynastii piastowskiej [Der Kult der hl. Elisabeth in der piastischen Dynas-tie], in: Zielińska-Melkowska, Europa (wie Anm. 40), 197–212. Das Patrozinium des hl. Franzis-kus ist auch in diesem Fall typisch; vgl. Bolesław Ulanowski, O założeniu klasztoru św. Andrzejaw Krakowie i jego najdawniejszych przywilejach [Über die Gründung des Klosters St. Andreas inKrakau und seine ältesten Privilegien], in: Pamiętnik Akademii Umiejętności w Krakowie.Wydział filologiczny i historyczno-filozoficzny 6, 1887, 1–41, hier 11.

47 Gewisse Elemente der Wunder, die am Sarg der verstorbenen Salomea geschahen, ähneln derLegende des hl. Damian; vgl. Vita sanctae salomeae reginae Haliciensis. Ed. Wojciech Kętrzyński,in: MPH 4, Lwów 1884, 770–796, hier 782–783; Rocznik Franciszkański Krakowski. Ed.Bielowski (wie Anm. 18) 49; vgl. Wilhelm Weyh, Die syrische Kosmas- und Damian-Legende.Schweinfurt 1910, 22.

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406 Andrzej Pleszczyński

mea in einem Brief an Papst Innozenz IV. in Rom beklagte.48 Der Krakauer Herzog warjedoch sehr daran interessiert, seiner Gründung Glanz zu verleihen. Denn obwohl derGedanke, ein Kloster zu errichten, wie es scheint von Grzymisława ausgegangen war,49

brachte diese Stiftung Bolesław dem Schamhaften beträchtlichen Nutzen ideologischerund politischer Natur, von der persönlichen Befriedigung des frommen Herrschers ganzzu schweigen. Die Stärkung der ideologischen Grundlagen herzoglicher Herrschaft war inPolen in der Mitte des 13. Jahrhunderts zu einer nicht zu unterschätzenden Notwendigkeitgeworden. Nach der Ratsversammlung von Łęczyca im Jahre 1180 wuchs die Rolle derKirche, die eine Säkularisierung der weltlichen Macht anstrebte. Liquidiert wurden dieadministrativen und juristischen Verbindungen der Herzöge mit kirchlichen Institutionen.Der Besitz der älteren herrscherlichen Stiftungen, der bislang als Eigentum des Monar-chen gegolten hatte, der von den Geistlichen lediglich genutzt werden konnte, wurde denvon den Bischöfen geschaffenen neuen Strukturen einverleibt; damit wurden die Eigen-tumsverbindungen dieser Stiftungen mit ihren früheren Stiftern liquidiert.50

Die Realisierung des Programms einer gewissen ‚Desakralisierung‘ weltlicher Herr-schaft musste bei den Dynasten notgedrungen auf Widerstand stoßen. Die Herzögeselbst als auch ihre Familienmitglieder, die möglichst viel von dem ihnen notwendigerscheinenden Sacrum bewahren wollten, reagierten oft mit ostentativer Devotion undtraten in diesem Sinn auch mit den neuen Orden in Verbindung, die dem Weltklerus imPrinzip eher feindlich gesinnt waren. Aus diesem Grunde erfreuten sich die Franziska-ner, die von religiösem Eifer erfüllt waren und mit authentischer Leidenschaft eine Auraneuer Heiligkeit um sich verbreiteten, im 13. Jahrhundert einer besonderen Anerken-nung an den Höfen der polnischen Herzöge.51 Der Eintritt der Schwester des Herzogs indie weibliche Alternative der Minoriten, d. h. in die Kongregation der Klarissen, bestä-tigte, dass auch Bolesław der Schamhafte sich dem geistig und ideologisch neu gestal-teten Sacrum angeschlossen hatte.52 Die Stiftung eines Klosters, noch dazu für ein

48 Der Brief ist nicht erhalten, aber die päpstliche Antwort vom 3. August 1254 ist überliefert;Kodeks dyplomatyczny Małopolski. Ed. Piekosiński (wie Anm. 3), Nr. 444.

49 Grzymisławas Beteiligung an der Idee der Stiftung ist in den Quellen gut bezeugt; vgl. Kodeksdyplomatyczny Małopolski [Kleinpolnisches Urkundenbuch]. Ed. Franciszek Piekosiński. Bd. 1.Kraków 1876, Nr. 44 sowie ebd., Bd. 2, Nr. 446; ein weiterer Beleg ist die Tatsache, dass sich dieHerzogin im Jahre 1259 in der Klarissenkirche beisetzen ließ; ebd., Bd. 2 (wie Anm. 13), 168f.

50 Józef Szymański, Wczesnośredniowieczne kanonickie środowisko zawichojsko-sandomierskie[Das frühmittelalterliche kanonische Milieu von Zawichost und Sandomir], in: Rocz. Hum. 12,1964, 2, 215–229, hier 223f.

51 Stefan Kwiatkowski, Powstanie i kształtowanie się chrześcijańskiej mentalności religijnej wPolsce do końca XIII wieku [Die Entstehung und Herausbildung einer christlichen religiösenMentalität in Polen bis zum Ende des 13. Jahrhunderts]. Warszawa / Poznań / Toruń 1980, 80–93;Aleksandra Witkowska, Błogosławiona Kinga w średniowiecznych przekazach hagiograficznych[Die selige Kinga in den mittelalterlichen hagiografischen Überlieferungen], in: Tarnowskie Stu-dia Teologiczne 10, 1986, 274–282, hier 278f.

52 Im 13. Jahrhundert waren 31 Piastentöchter Klarissen, davon drei Piastengattinnen und die Zugehö-

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Zur Geschichte und Bedeutung des Klarissenkosters Zawichost 407

nahes Familienmitglied, vergrößerte den Effekt dieser Annäherung des Herrschers andas neue Ideal der Heiligkeit ungemein und vergrößerte in der Konsequenz seine Chan-cen auf die besondere Gnade höherer Kräfte, was ihm den Respekt der Zeitgenossensicherte.

Die Wahl von Zawichost zu eben jenem Ort, an dem durch die (schließlich kostspie-lige) Stiftung eines Klosters der Himmel dazu bewegt werden sollte, Bolesław demSchamhaften seine Hilfe zu erweisen, darf mithin nicht bagatellisiert werden. Daher istzu fragen, welche anderen Faktoren neben den bereits erwähnten dafür sprachen, geradediesen Ort für die fromme Unternehmung zu wählen. Wenn wir uns die damaligepolitische Situation des Krakauer Herzogs vor Augen führen, dann wird offensichtlich,dass er der Hilfe des Himmels vor allem gegen seinen Oheim sofort und dringendbedurfte. Konrad von Masowien hatte sein Herzogtum einige Jahre vor seinem Todeunter seine Söhne aufgeteilt und für sich nur den südlichen Teil behalten. Von Nordenher bedrückte er das Sandomirer Land und zögerte nicht, es selbst mit Hilfe der heidni-schen Litauer zu überfallen.53 Ein durch die Stiftung Bolesławs des Schamhaften ideo-logisch gestärktes Zawichost konnte in diesem Fall das aus historisch-ideologischenGründen wichtige Sandomir und das Innere des Krakauer Teilfürstentums von Nordenher gegen die Gelüste der masowischen Herrscher schützen. Nicht minder ernste Geg-ner des Krakauer Herzogs waren die ruthenischen Fürsten von Wolhynien und Halič.Wie erwähnt befand sich gerade in Zawichost der Ausgangsort für die Expansion derkleinpolnischen Großen nach dem Lubliner Land und Ruthenien; umgekehrt verlief inder Nähe der Zawichoster Flussüberfahrt auch die Haupteinfallsstraße für die rutheni-schen Übergriffe auf die Besitztümer des Krakauer Herzogs. Ein neues Kultzentrum inZawichost musste daher für Kleinpolen auch eine starke ideologische Unterstützunggegen seine östlichen Nachbarn, die zwar auch Christen, aber eben doch Schismatikerwaren, darstellen.54

Bemühungen um die Hilfe des Himmels gegen die Ruthenen sind in den polnischenQuellen recht zahlreich bezeugt. Im Jahre 1205 gewann, wie die Annalen des Traska

rigkeit zum Laienorden des hl. Franziskus, den Terziaren, wurde für die Eliten geradezu zu einer Artsittlicher Norm; Terziaren waren auch Bolesław der Schamhafte und dessen Mutter Grzymisława;vgl. Birkenmajerowa, Z najstarszych dziejów (wie Anm. 34), 97; Aleksandra Witkowska, VitaSanctae Kyngae Ducissae Cracoviensis jako źródło hagiograficzne [Die Vita Sanctae Kyngae Duci-ssae Cracoviensis als hagiografische Quelle], in: Rocz. Hum. 10, 1961, 2, 40–166, hier 153; AntoniZwiercan, Nowe spojrzenie na początki franciszkanów w Polsce [Ein neuer Blick auf die Anfängeder Franziskaner in Polen], in: Nasza Przeszł. 63, 1985, 5–51, hier 11–15.

53 Roman Grodecki / Stanisław Zachorowski, Dzieje Polski średniowiecznej. Tom pierwszy do roku1333 [Geschichte des mittelalterlichen Polen. Band 1 bis zum Jahr 1333]. Kraków 1926, 306.

54 Im 13. Jahrhundert kam es in Polen zu einem zunehmenden Gefühl der Distanzierung gegenüberder Ostkirche; vgl. Krzysztof Ratajczak, Między Wschodem a Zachodem – kontakty kulturalnedynastii piastowskiej [Zwischen Ost und West – kulturelle Kontakte der piastischen Dynastie], in:Aleksander W. Mikołajczak / Mariola Walczak-Mikołajczakowa (Hrsg.), Tradycja łacińska i bi-zantyjska wobec jedności europejskiej. Gniezno 2003, 62–85, hier 70ff.

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408 Andrzej Pleszczyński

sowie einige andere Überlieferungen berichten, Leszek der Weiße dank der Hilfe derhll. Gervasius und Protasius die Schlacht bei Zawichost.55 Und die Vita der hl. Kingaenthält eine ausführliche Beschreibung, wie Gervasius und Protasius dank der Gebeteder Herzogin dem Heer Bolesławs des Schamhaften halfen, die Tataren und die Schis-matiker zu schlagen. Keiner der Polen wurde getötet oder geriet in Gefangenschaft.56

Andere Quellen präzisieren dieses Ereignis und informieren über die Schlacht von 1266mit dem ruthenischen Fürsten Švarno, die am ‚Polnischen Tor‘ (lackie vorota) oder inmetis Poloniae, que porta dicitur57 stattfand, d. h. im östlichen Vorfeld der ZawichosterFurt. Das Auftreten der hll. Gervasius und Protasius scheint wohl mit dem Versuch inVerbindung gestanden haben, dem Kult der orthodoxen Heiligen Boris und Gleb entge-genzuwirken, deren Verehrung ausdrücklich antiwestlichen (und antipolnischen)58

Charakter hatte. Boris und Gleb waren seit dem 12. Jahrhundert in Ruthenien ebenfallsals Schlachtenhelfer populär.59 Bemerkenswert ist auch, dass die allgemeine Gestaltdieses Paares ruthenischer Schutzheiliger dem Wesen entsprach, nach dem die Gestal-ten von Gervasius und Protasius modelliert wurden. Unterstrichen werden muss außer-

55 Sie fand am Tag dieser Heiligen statt, was ein untrennbares Attribut des mittelalterlichen Kultesheiliger Schlachtenhelfer darstellte; vgl. František Graus, Der Heilige als Schlachtenhelfer. ZurNationalisierung einer Wundererzählung in der mittelalterlichen Chronistik, in: Kurt-UlrichJäschke / Reinhard Wenskus (Hrsg.), Festschrift für Helmut Beumann. Sigmaringen 1977, 330–348, hier 337.

56 Vita et Miracula sanctae Kyngae ducissae Cracoviensis. Ed. Wojciech Kętrzyński, in: MPH 4.Lwów 1884, 662–774, hier 694.

57 Vgl. oben Anm. 18 und 19.58 An diesem Tag besiegte der Haličer Fürst Daniel im Jahre 1245 das ungarische und kleinpolni-

sche Heer bei Jarosław; vgl. Włodarski, Polska i Ruś (wie Anm 20), 127; zur Entstehung diesesKultes und zu dessen antiwestlichem (antipolnischem) Charakter vgl. Andrzej Poppe, Politik undHeiligenverehrung in der Kiever Rus’. Der apostelgleiche Herrscher und seine Märtyrersöhne, in:Jürgen Petersohn (Hrsg.), Politik und Heiligenverehrung im Hochmittelalter. Sigmaringen 1994,403–422; Alexandr N. Użankow, Svjatye strastoterpcy Boris i Gleb. K istorii kanonizacij i napisa-nija żitij [Die heiligen Märtyrer Boris und Gleb. Zur Geschichte der Kanonisierung und Abfas-sung der Viten], in: Drevnjaja Rus’ – Voprosy medievistyki 2, 2000, 28–50.

59 Żitie Aleksandra Nevskogo [Die Vita des Alexander Nevskij]. Ed. Viljo Mansikka, in: Pamjatnikidrevnerusskogo iskusstva i pis’mennosti. Sankt Petersburg 1913, 3f.; Regina Petelczyc, Pierwsiruscy święci Borys i Gleb w legendach staroruskich [Die ersten rus’ischen Heiligen Boris undGleb in den altrussischen Legenden], in: Prz. Humanist. 289, 1989, 10, 45–53, hier 53; die Kraftund der Expansionsdrang dieses Kultes wird bestätigt durch die Tatsache, dass sich im11. Jahrhundert im slawischen Benediktinerkloster in Sazava in Böhmen Reliquien von ihnen be-fanden; Monachi Sazavensis Continuatio Cosmae. Ed. Richard Koepke, in: MGH SS 9. Stuttgart²1983, 148–163, hier 154; vgl. auch Kronika Wielkopolska (Boguchwała i Godysława Paska)[Großpolnische Chronik (von Boguchwał und Godysław Pasek)]. Ed. August Bielowski, in: MPH2. Lwów 1872, 454–598, hier 553; Rocznik franciszkański krakowski. Ed. Bielowski (wieAnm. 18), 48. Im Jahre 1266 wurden die Rus’ am Tag des hl. Gervasius besiegt, ebd. 592; Švarnowurde am Tag des hl. Gervasius besiegt; Rocznik Traski. Ed. August Bielowski, in: MPH 2.Lwów 1872, 826–861, hier 869 verbindet den Sieg Bolesławs des Schamhaften mit Zawichost.

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Zur Geschichte und Bedeutung des Klarissenkosters Zawichost 409

dem, dass diese Heiligenpaare aufgrund ihres dioskurischen Charakters sehr tief in derslawischen und überhaupt in der indoeuropäischen Mythologie verwurzelt waren.60

Der in Zawichost von den Klarissen praktizierte Kult der hll. Damian und Kosmas,beides Ärzte und Heiler, konnte ein Äquivalent und eine Ergänzung des ritterlichenKultes der hll. Protasius und Gervasius darstellen. Diese Heiligen wurden auch von denOrthodoxen verehrt. Die Einrichtung eines auch den hll. Damian und Kosmas gewid-meten religiösen Zentrums im Randgebiet des Herzogtums, direkt an der kulturellenGrenze, hatte also einen tiefen Sinn. Um so praktischer war es, dass dies mit der damalsausdrücklich an Ruthenien interessierten Politik der römischen Kurie im Zusammen-hang stand. Zusätzlich bot ein solches ‚modisches‘ religiöses Engagement Bolesławsdes Schamhaften – wegen seiner Ostorientierung und des damals großes Prestige genie-ßenden Minoritismus – in Zukunft Chancen für eine Heiligsprechung der Schwester desHerzogs. Schließlich stammten damals viele Selige und Heilige, die Bolesław demSchamhaften bekannt waren, aus der franziskanischen Bewegung: die hl. Elisabeth vonThüringen, Salomeas Schwägerin, sowie Anna und Agnes, die Töchter des böhmischenKönigs Přemysl Ottokar I. Schließlich wurde auch Kinga heiliggesprochen, die GattinBolesławs des Schamhaften. Diese Personen lieferten Muster, die auch Salomea zuerfüllen bemüht war. Schließlich engagierte sich die ehemalige Königin von Halič, wiesie in den Quellen allgemein bezeichnet wird, ausdrücklich für die Aktion der Auswei-tung des abendländischen Christentums. Wie groß das praktische Bedürfnis nach einemsolchen Kult war, bezeugt auch die Tatsache, dass die kleinpolnischen Eliten selbstnach dem Scheitern der Idee des Zawichoster Kultzentrums, in einer Situation, als dasneue Kloster in Skała den Plänen der ursprünglichen Stiftung doch nicht das Wasserreichen konnte, sehr an einer Kanonisierung der Schwester Bolesławs des Schamhafteninteressiert waren.61

Nach 1247, dem Todesjahr Konrads von Masowien, erlangte die Zawichoster Stif-tung noch eine andere Bedeutung. Bolesław der Schamhafte versöhnte sich mit seinenmasowischen Vettern. Zudem kam es, wahrscheinlich von der kirchlichen Diplomatievermittelt, zu einer Annäherung Bolesławs des Schamhaften und des ungarischenKönigs mit den ruthenischen Romanovič. Die entsprechende Übereinkunft wurde 1246

60 Jacek Banaszkiewicz, „Gerwazy groźny ręką, językiem Protazy“, wzorzec bohaterów – dioskuróww „Panu Tadeuszu“ Adama Mickiewicza i we wcześniejszej tradycji [„Gervasius gefährlich mitder Hand, Protasius mit dem Mund“ – das Muster der Dioskurenhelden in Adam MickiewiczsEpos „Pan Tadeusz“], in: Prz. Humanist. 1987, 5, 51–80, hier 67; Borys A. Uspieński, Kult św.Mikołaja na Rusi [Der Kult des hl. Nikolaus in der Rus’]. Lublin 1985, 190–199.

61 Anna Witkowska, Miracula małopolskie z XIII i XIV wieku. Studium źródłoznawcze [Kleinpolni-sche Miracula aus dem 13. und 14. Jahrhundert. Eine quellenkundliche Studie], in: Rocz. Hum.19, 1971, 2, 29–161, hier 52ff.; Marian Kanior, Proces beatyfikacyjny bł. Salomei [Der Beatifi-zierungsprozess der seligen Salomea], in: Jan M. Małecki (Hrsg.), Z przeszłości Krakowa, Wars-zawa / Kraków 1989, 69–94; Zwiercan, Nowe spojrzenie (wie Anm. 52), 37.

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mit der Heirat von Daniels Sohn Lev mit der Tochter Belas IV., Konstanze, besiegelt.62

Diese mit der franziskanischen Bewegung verbundene ungarische Prinzessin erleich-terte die Kontakte der ruthenischen Herrscher mit dem lateinischen Westen. Der päpst-lichen Diplomatie war besonders daran gelegen, den Haličer Fürsten an ihr politischesLager zu binden. Nach langwierigen Verhandlungen und überredet von Bolesław demSchamhaften sowie der Herzogin Kinga empfing Daniel im Jahre 1252 die Königs-krone. Die Krönungszeremonie fand ein Jahr später in Drohiczyn statt. Gleichzeitigsollte der Haličer orthodoxe Klerus eine Union mit Rom schließen.63

Bekräftigt wurde das Bündnis der Piasten mit den Romanovič durch einen formalenAkt der Aufteilung des Gebietes der heidnischen Jadwinger (der Gegend um das heu-tige Białystok) zwischen den masowischen Herzögen, Daniel von Halič und Bolesławdem Schamhaften im Jahre 1253. Ein päpstliches Privileg erlaubte jedem Unterzeichnerdes Abkommens, den ihm zufallenden Teil des heidnischen Territoriums jeweils demeigenen Herrschaftsgebiet einzuverleiben und dort eine gesonderte Diözese zu grün-den.64 Der Krakauer Herzog wollte sein Missionsbistum in Łuków ansiedeln und beab-sichtigte, den Franziskaner Bartholomäus von Prag zu dessen Oberhaupt zu ernennen.65

Das Zawichoster Kloster konnte die Grundlage der vom Herzog realisierten Unterneh-mung bilden, auch wenn es im Falle ihres Erfolges sicher zugunsten der Hauptstadt derneuen Diözese an Bedeutung verloren hätte. Die skizzierten politischen Übereinkünftezwischen den weltlichen Herrschern waren in die diplomatischen Pläne der römischenKurie entsprechend einbezogen. Sie strebten die Schaffung einer großen Gruppierungmittel- und osteuropäischer Staaten an, die unter dem Patronat Roms dem Druck derTataren würde standhalten können. Im Rahmen dieser Aktion brachten es die päpstli-chen Diplomaten sogar fertig, die sich bis dahin verbissen bekämpfenden HerrscherBöhmens und Ungarns für eine gewisse Zeit miteinander zu versöhnen.66 Und der imJahre 1253 durch Vermittlung der Ordensritter zum Herrscher Litauens gekrönte

62 Włodarski, Polska i Ruś (wie Anm. 20), 132.63 Umiński, Niebezpieczeństwo tatarskie (wie Anm. 34), 108ff.; Vladimir T. Pašuto, Očerki po

istorii Galicko-vołynskoj Rusi. Moskva 1950, 260; Mykola Andrusiak, Kings of Kijev and Gali-cia, in: The Slavonic and East European Review 33, 1954, 342–349.

64 Umiński, Niebezpieczeństwo tatarskie (wie Anm. 34), 110; allgemeiner zur Situation MarianBiskup / Gerard Labuda, Die Geschichte des Deutschen Ordens in Preußen. Wirtschaft – Gesell-schaft – Staat – Ideologie. Osnabrück 2000, 173; Romuald Wróblewski, Problem jaćwieski w po-lityce Bolesława Wstydliwego w latach 1248–1264 [Das Jadwingerproblem in der Politik Bo-lesławs des Schamhaften in den Jahren 1248–1264], in: Zeszyty Naukowe UniwersytetuŁódzkiego. Serie I, 1970, 72, 3–10.

65 Grodecki / Zachorowski, Dzieje Polski średniowiecznej (wie Anm. 53), 309f..66 Bolesław Włodarski, Polska i Czechy w drugiej połowie XIII i początkach XIV wieku (1250–

1306) [Polen und Böhmen in der zweiten Hälfte des 13. und zu Beginn des 14. Jahrhunderts(1250–1306)]. Lwów 1931, 17.

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Zur Geschichte und Bedeutung des Klarissenkosters Zawichost 411

Mindaugas wurde zur Zusammenarbeit mit Daniel und Vasylko Romanovič bewegt.67

Unterstützt wurden diese Allianzen durch familiäre Bande: Daniels Sohn Švarno heira-tete 1254 Mindaugas Tochter. Es gelang auch, den Großfürsten von Vladimir, AndrejJaroslavič, für die Pläne des Papstes zu gewinnen, der die Tochter Daniels von Haličheiratete.68 Aus Rom wurden auch mehrere Gesandtschaften an den damaligen No-vgoroder Fürsten Aleksandr Nevskij gerichtet.69 Im geografischen Zentrum der organi-sierten Allianzen stand das Bündnis Bolesławs des Schamhaften mit den Haličer Herr-schern Daniel und Vasylko. Der Krakauer Herzog verband Böhmen und Ungarn mitRuthenien und Litauen, gemeinsam mit den Nachkommen Konrads und dem Deutsch-ordensstaat, dem bewaffneten Arm des Papsttums im Osten Europas.70 Aufgrund seinergeografischen Lage befanden sich Zawichost und die uns interessierende herzoglicheStiftung mitten im Herzen dieser kühnen Pläne.

Die hinsichtlich der damaligen politischen Konjunktur günstige Situierung der Klo-stergründung war allerdings mit einem großen Risiko verbunden, denn schließlichverlief dort eine wichtige Kriegsstraße von Osten nach Westen. Umso bemerkenswerterwaren die Konsequenz des Herzogs, die Entschlossenheit der Nonnen und das durchzahlreiche Briefe bezeugte päpstliche Interesse am Zawichoster Zentrum. Der Herrscherbemühte sich auch um einen entsprechenden würdigen Rahmen für seine Stiftung inForm der kurz vor 1250 erfolgten Lokation der Stadt Zawichost nach MagdeburgerRecht. Trotz der strengen Regel versorgte Bolesław der Schamhafte das Kloster reich-lich genug. Dabei wandte er eine vorher in Prag erprobte Lösung an, die die Restriktio-nen der Ordensbräuche umging. Und zwar errichtete er ein Spital für die Klarissen, daser mit elf Dörfern, sechs Hufen Land in Zawichost selbst, einem Teil vom Gewinn desSalzbergwerks in Bochnia sowie einigen weiteren Einkommensquellen reich be-schenkte.71 Auf der Stiftungsversammlung des Zawichoster Spitals im Jahre 1255 tratenzusammen mit dem Krakauer Herrrscher auch die Söhne Konrads von Masowien –Kasimir von Kujawien und Ziemowit von Czersk – in Erscheinung.72 Es ist wahrschein-

67 Edvardas Gaudavičius, Polityczny problem Królestwa Litewskiego w połowie XIII w. [Daspolitische Problem des Königreiches Litauen in der Mitte des 13. Jahrhunderts], in: Marian Bis-kup (Hrsg.), Ekspansja niemieckich zakonów rycerskich w strefie Bałtyku od XIII do połowyXVI w.. Toruń 1990, 61–84, hier 64ff.; Krzysztof Stopka, Próby chrystianizacji Litwy w latach1248–1263 [Versuche der Christianisierung Litauens in den Jahren 1248–1263], in: AnalectaCracoviensia 19, 1987, 3–63.

68 Albert M. Ammann, Kirchenpolitische Wandlungen im Ostbaltikum. Bis zum Tode AleksanderNewski's. Rom 1936, 288.

69 Ramm, Papstvo i Rus' (wie Anm. 29), 165f.; Ammann, Kirchenpolitische Wandlungen (wieAnm. 68), 265ff.

70 Hinsichtlich der Möglichkeiten (und Ziele) des Ordens vgl. die Äußerung Wilhelms von Rubruk,eines Gesandten des französischen Königs nach Osten: Itinerarium Willelmi de Rubruk, in: Iti-nera et relationes. Ed. van den Wyngaert (wie Anm. 39), 164–332, hier 195.

71 Kiryk, Zawichost (wie Anm. 2), 40f.; Stoksik, Powstanie (wie Anm. 5), 98ff.72 Kodeks dyplomatyczny Małopolski. Ed. Piekosiński (wie Anm. 3), Nr. 44.

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lich, dass die damals geborene Tochter Ziemowits zu Ehren Salomeas und zur zusätzli-chen Bekräftigung dieser politischen Allianz deren Namen erhielt.73

Im Jahre 1255 waren Spital und Kirche schon gebaut, und das Kloster wurde angeb-lich kurz darauf fertiggestellt.74 Die ganze Anlage wurde befestigt; eine unsichere, weilaus dem 17. Jahrhundert stammende Überlieferung spricht von einem „Konvent mit 12Basteitürmen“ – aber diese Tradition ist schwerlich zu verwerfen, weil wir vom Abrissvon Befestigungsanlagen wissen, der sich vom 15. bis ins 17. Jahrhundert hinzog, alsdie Fundamente der Basteien endgültig beseitigt wurden.75 Es ist offensichtlich, dass andiesem Ort, der im 13. Jahrhundert so sehr von Überfällen bedroht war, die Notwendig-keit einer Befestigung des Klosters bestand. Das Detail der zwölf Basteitürme steigert,wenn es der Wahrheit entspricht, die Pracht des symbolisch an das Ideal des Himmli-schen Jerusalem anknüpfenden Klosters noch weiter.76 Vielleicht zeigt es auch, dass einvollständiger Konvent mit mindestens zwölf Schwestern entstehen konnte, an dessenSpitze eine Äbtissin stand. Allerdings war dies nicht Salomea, die den Regeln devotio-naler Bescheidenheit entsprechend diese Funktion einer anderen Nonne überlassenhatte. Sie selbst besaß als fundatrix monasterii sowieso die entscheidende Stimme imOrden.77

Als das Kloster bereits fertig war, kam es plötzlich zum Debakel: im Jahre 1257 ver-legte Herzog Bolesław der Schamhafte einen Teil der Klarissen nach Skała.78 Diesgeschah ohne Wissen des Papstes, was gegen die Regeln verstoßen hätte, wenn nichtungewöhnliche Umstände eingetreten wären.79 In Zawichost blieb nur eine nicht näherbekannte Zahl von Klarissen und zur priesterlichen Betreuung der Nonnen bestimmter

73 Salomea (von Masowien) starb 1301 als Klarisse in Skała; es ist nicht sicher, ob sie die Enkelinoder vielleicht die Tochter Konrads von Masowien war; vgl. Jasiński, Franciszkańskie pochówkiPiastów (wie Anm. 9), 180. Die erstere Lösung scheint am wahrscheinlichsten zu sein. Włodarski,Salomea (wie Anm. 23), 64f. wollte zwei Salomeas im Hause der Masowier sehen.

74 Die päpstlichen Urkunden aus dem Jahre 1257 schrieben vor, im Kloster zu wohnen, das bereitsfertig war; Kodeks dyplomatyczny Małopolski (wie Anm. 3) Nr. 45, 46, 47; Stoksik, Powstanie(wie Anm. 5), 94ff.; Jamroz, Kościół (wie Anm. 3), 186.

75 Karwacki, Błogosławiona Salomea (wie Anm. 46), 70ff.76 Die Zahl 12 wiederholt sich in der Apokalypse des hl. Johannes wie ein Refrain (21, 14; 21, 12;

21, 16; 21, 17; 21, 21); vgl. Alfred Weckwerth, Das altchristliche und das frühmittelalterliche Kir-chengebäude – ein Bild des „Gottesreiches“, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 69, 1958, 26–78; Robert Konrad, Das himmlische und das irdische Jerusalem im mittelalterlichen Denken.Mystische Vorstellung und geschichtliche Wirkung, in: Clemens Bauer (Hrsg.), Speculum Histo-riale. Geschichte im Spiegel von Geschichtsschreibung und Geschichtsdeutung (Festschrift Jo-hannes Spörl). München 1965, 523–540.

77 Karwacki, Błogosławiona Salomea (wie Anm. 46), 69; Ulanowski, O założeniu klasztoru (wieAnm. 5), 34.

78 Kodeks dyplomatyczny Małopolski. Ed. Piekosiński (wie Anm. 3), Nr. 57. Die herzogliche Burgin Skała lag ein gutes Dutzend Kilometer nordwestlich von Krakau am Fluss Prądnik.

79 Franciszek Bogdan, Geneza i rozwój klauzury zakonnej. Studium prawno-historyczne. Poznań1954, 228f.

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Franziskaner zurück. Die Chroniken erklären diese plötzliche Verlegung der Klarissenmit der drohenden Gefahr litauischer Überfälle.80 Die wenigen, die sich mit diesemProblem befassten, übernahmen diese Erklärung, ohne sich allzu sehr in ihren Inhalt zuvertiefen. Als das Kloster im Jahre 1245 gegründet wurde, waren die Zeiten schließlichgenauso gefährlich wie in den fünfziger Jahren dieses Jahrhunderts. Bis 1247 mussteder Krakauer Herzog die Überfälle Konrads von Masowien abwehren, welcher keineHemmungen hatte, die Litauer gegen das Teilfürstentum seines Vetters aufzuhetzen.81

Damals unterstützten ihn die Haličer Herrscher Daniel und Vasylko. Allein in denJahren 1242 bis 1244 belagerten die Ruthenen dreimal Lublin und rüsteten sich zurWeichselüberfahrt bei Zawichost. Somit war nicht die Gefahr gelegentlicher Überfälleder Grund für die Abberufung der Klarissen aus Zawichost, denn mit solchen mussteschließlich schon von Anbeginn der Stiftung an gerechnet werden. Der Ort der Lokali-sierung des Klosters war schon an sich gefährlich. Den Grund dafür, warum Bolesławder Schamhafte feststellte, dass es nicht lohnte, seine eigene Schwester zu gefährden,bildete das Scheitern seiner politischen Pläne, mit denen diese Stiftung untrennbarverbunden war. Dies legt Salomea selbst ausdrücklich in einem Brief nahe, in dem siePapst Alexander IV. die Notwendigkeit erklärte, die Ordensgemeinschaft nach Skała zuverlegen, und in dem sie ausdrücklich von der tatarischen Gefahr spricht. Bis 1257 hatteeine solche Gefahr nicht bestanden. Kleinpolen schützte das Bündnis mit dem derGoldenen Horde feindlich gesinnten Fürstentum Halič.82 Die Steppenmacht hatte gegenEnde der Herrschaftszeit Batu Khans auch keine größere politische Aktivität mehrentwickelt. Aber schon einige Jahre vor der Verlegung des Klarissenklosters hatte sichim Osten viel verändert.

Die ersten Misserfolge der Pläne der päpstlichen Diplomatie traten bereits im Jahre1252 ein. Aleksandr Nevskij weigerte sich entschieden, sich mit der gegen die GoldeneHorde gerichteten politischen Gruppierung zu verbinden. Mit tatarischer Hilfe hatte erseinen leiblichen Bruder Andrej, den Großfürsten von Vladimir, aus dem Lande vertrie-ben.83 Die Tataren brauchten noch einige Jahre, um ihre Angelegenheiten in Ruthenienzu ordnen und ihre Herrschaft im Osten Europas endgültig zu konstituieren. Der neueKhan Berke, ein Bruder des im Jahre 1255 verstorbenen Batu, beschloss mit der ihmfeindlich gesinnten Koalition abzurechnen.84 Deren nächstgelegenes Mitglied war dasFürstentum Halič. Schon seit 1253 war es zu sporadischen Kämpfen zwischen den

80 Stoksik, Powstanie (wie Anm. 5), 95 nimmt das für bare Münze.81 Dies geschah z. B. im Jahre 1246; vgl. Jacek Banaszkiewicz, Kronika Dzierzwy. XIV–wieczne

kompedium historii ojczystej [Die Chronik des Dzierzwa. Ein Kompendium der Geschichte desVaterlandes aus dem 14. Jahrhundert]. Wrocław 1979, 101.

82 Włodarski, Polska i Ruś (wie Anm. 20), 133.83 Ausführlicher dazu John Fennel, Andrej Jaroslavovič and the Struggle for Power in 1252: An

Examination of the Sources, in: Russia Medievalis 1, 1973, 49–63; George Vernadsky, The Mon-gols and Russia. New Haven 1953; Ramm, Papstvo i Rus’ (wie Anm. 29), 165–167; Frithjof B.Schenk, Aleksandr Nevskij. Heiliger – Fürst – Nationalheld. Eine Erinnerungsfigur im russischenkulturellen Gedächtnis (1263–2000). Köln / Weimar / Wien 2004.

84 Bertold Spuler, Die Goldene Horde. Mongolen in Rußland 1223–1502. Wiesbaden 1965, 37ff.

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Tataren und Halič gekommen. Begonnen wurden die Auseinandersetzungen von Da-niel, der sicher mit der Hilfe der katholischen Staaten rechnete, denn Innozenz III. hattegerade in Assisi einen Kreuzzug gegen die Tataren ausgerufen.85 Aber die Worte desPapstes fanden kein Echo und die Haličer blieben letztendlich ganz allein mit der Machtder Goldenen Horde konfrontiert. Die Hypatiuschronik schildert den Verlauf der Ereig-nisse des Jahres 1257 sehr suggestiv: Die schnelle Invasion des von Burundaj ange-führten tatarischen Heeres löste allgemeine Bestürzung aus. Daniel floh nach Polen,danach nach Ungarn. Sein Sohn Lev und sein Bruder Vasylko unterwarfen sich denTataren. Infolgedessen wurde das Fürstentum Halič der Goldenen Horde untertan, undruthenische Hilfstruppen mussten am Kriegszug Burundajs gegen Litauen teilnehmen,der ein Jahr später stattfand.86 Daniel demütigte sich bald darauf vor dem Khan undwurde dann auch wieder als Herrscher eingesetzt, konnte in dieser Situation aber dasBündnis mit Bolesław dem Schamhaften nicht erneuern. Erwähnenswert ist jedoch,dass der Haličer Fürst nicht persönlich an den tatarischen Kriegszügen teilnahm, ob-wohl seine Abhängigkeit vom Khan dies eigentlich verlangt hätte. Vasylko führte dieRuthenen gegen Litauen. Nach der Verwüstung von Mindaugas’ Königreich kam dasnächste Mitglied der päpstlichen Koalition an die Reihe: das Herzogtum Bolesławs desSchamhaften; dieser Kriegszug fand im Jahre 1259 statt. Diesmal wurden die Noma-denkrieger von Daniels Sohn Lev begleitet.

Die Invasion der Tataren gegen das Fürstentum Halič fand zu Beginn des Jahres1257 statt, während die Translationsurkunde für Zawichost am 2. März dieses Jahresausgestellt wurde. Hier wird ein deutlicher zeitlicher Zuammenhang erkennbar. Allesspricht dafür, dass die plötzliche Verlegung der Klarissen nach Skała mit der Furcht vordem nahe bevorstehenden Überfall des Heeres der Goldenen Horde erklärt werdenmuss. Bolesław der Schamhafte zögerte jedoch mit der definitiven Bestätigung derTranslation des Klosters, so als ob er sich mit dem Fiasko seiner Pläne nicht abfindenwollte. Mehrere Jahre lang informierte der Herzog die Kurie nicht über die Tatsache derVerlegung – bis zum Jahre 1260 sind die päpstlichen Urkunden für die ZawichosterStiftung ausgestellt. Im Jahr 1259 starb Grzymisława, die Mutter des Herzogs. Siewurde im Klarissenkloster in Zawichost beigesetzt, wo sie beinahe wie eine Heiligeverehrt wurde.87 Die Wahl der letzten Ruhestätte der Herzogin mag von einem Senti-

85 Am 14. Mai 1253 rief der Papst dazu auf, per Russiam, per Regnum Bohemiae, Moraviam,Sarbiam et Pomoraviam, per Poloniam, zitiert nach Günter Stökl, Das Fürstentum Galizien-Wolhynien, in: Manfred Hellmann (Hrsg.), Handbuch der Geschichte Russlands. Bd. 1: Von derKiever Reichsbildung bis zum Moskauer Zartum (bis 1613). Stuttgart 1981, 484–533, hier 519.

86 Ipat’evskaja Letopis' (wie Anm. 17), 849f.; vgl. auch Michael B. Zdan, The dependence ofHalych-Volyn' Rus' on the Golden Horde, in: The Slavonic and East European Review 35, 1957,505–522; Pašuto, Očerki po istorii (wie Anm. 63), 235ff.

87 Karwacki, Błogosławiona Salomea (wie Anm. 46), 74; Bolesław Ulanowski, Szkice krytyczne zwieku XIII [Kritische Skizzen aus dem 13. Jahrhundert]. Kraków 1885, 36; Brygida Kürbisówna,Żywot bł. Salomei jako źródło historyczne [Die Vita der sel. Salomea als historische Quelle], in:

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Zur Geschichte und Bedeutung des Klarissenkosters Zawichost 415

ment diktiert worden sein – denn die Tochter Ingvars von Luck ließ sich an den Gren-zen Polens an der Hauptstraße nach Ruthenien begraben. Ein ähnliches Motiv findenwir bei Kinga, der Gattin Bolesławs des Schamhaften. Für sie hatte der Herzog bereits1255 beträchtliche Schenkungen im Sandezer Land getätigt. Kinga errichtete in Alt-Sandez ein Klarissenkloster, in dem sie nach dem Tod ihres Mannes als Nonne lebteund in dem sie schließlich auch begraben wurde. Die gebürtige Ungarin ließ sich alsoan der nach ihrem Heimatland führenden Hauptstraße beisetzen – und die Ruthenin ander Straße nach dem ihrigen.

Klarissenkloster Alt-Sandez, Wand-zeichnung in der St. Klara-Kirche,

Ende 13. Jahrhundert

Aleksander Gieysztor (Hrsg.), Studia historica. W 35 lecie pracy naukowej Henryka Łowmi-ańskiego. Warszawa 1958, 145–154.

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416 Andrzej Pleszczyński

Bei den Stiftungen für die Klarissen in Alt-Sandez und in Zawichost handelte es sichjedoch nicht nur um Klöster für die beiden an der Seite Bolesławs des Schamhaftenlebenden heiligen Frauen, sondern auch um Zentren, die die Hauptrichtungen derpolitischen Aktivität des Krakauer Herzogs manifestierten. Das erste dokumentiertesein Bündnis mit Ungarn, das zweite die unerfüllten Aspirationen seiner Ruthenienpoli-tik. Vor allem jedoch verlieh seine Stiftungstätigkeit zugunsten der Medikanten – inVerbindung mit der besonderen Beziehung des Herrschers zum Krakauer Franziskaner-kloster, in dem er sich dann auch begraben ließ – der Herrschaft Bolesławs des Scham-haften eine bestimmte Beziehung zum Sacrum. Die räumliche Verteilung von Mitglie-dern der Dynastie im Süden, im Zentrum und Nordosten des Herzogtums in vomMonarchen gestifteten und für eine damals das Ideal der Heiligkeit verkörpernde mo-nastische Bewegung geschaffenen Kultzentren markierte den eschatologischen Herr-schaftsbereich des Krakauer Herzogs und empfahl diesen zusammen mit den ihn be-wohnenden Menschen gleichsam der Obhut höherer Mächte.

Die Klöster in Krakau und in Alt-Sandez überlebten und entwickelten sich. In Za-wichost konnten die Absichten des Herzogs wegen der Nähe zur unruhigen Grenze undinfolge des Fiaskos seiner politischen Pläne keinen Erfolg haben. Aber erst nach demTatarenüberfall von 1258–1259, als klar wurde, dass die Dominanz der Goldenen Hordeüber Halič von Dauer sein sollte und der dortige Klerus die Union mit der lateinischenKirche ablehnte, bemühte sich der Krakauer Herzog um das päpstliche Einverständnisfür ein Verbleiben der Klarissen in Skała.88

88 Ulanowski, O założeniu klasztoru (wie Anm. 5), 19.

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