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Vernichtung altamerikanischer Hochkulturen Ein Reader

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Vernichtung altamerikanischer Hochkulturen

Ein Reader

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Vernichtung der Azteken durch Cortés

HERNÁN CORTÉS

Zwischen 1519 und 1521 unterwarfen die Spanier das Reich der Azteken im heutigen Mexi-ko. Im Februar 1519 stach der spanische Eroberer HERNÁN CORTÉS mit 11 Schiffen, über 600 Soldaten, 14 Geschützen und 16 Pferden in Richtung mittelamerikanischer Küste in See. Bereits zwei Jahre später hatte die kleine spanische Streitmacht die aztekische Hauptstadt Tenochtitlán (heute Mexiko-Stadt) im Hochland von Mexiko erobert und weitgehend zer-stört, ein riesiges Heer vernichtend geschlagen und damit das Reich der Azteken ausgelöscht. Das Volk der Azteken hatte nach dem Sieg der Spanier bis zu 240 000 Opfer zu beklagen. Die Spanier kostete der Mexiko-Feldzug dagegen weniger als 1000 Mann an Verlusten. Wenige Jahrzehnte später schon waren neun Millionen Azteken an den aus Europa einge-schleppten Krankheiten, wie Pocken, Masern und Colera, gestorben. Die Azteken hatten da-mit praktisch aufgehört zu existieren.

CORTÉS auf dem Weg zur Hauptstadt der Azteken Als CORTÉS an der mexikanischen Küste landete, gründete er die Stadt Veracruz. In Veracruz suchten ihn Häuptlinge der hier lebenden Totonaken auf. Das Volk der Totonaken wurde von den Azteken unterdrückt und grausam ausgebeutet wie zahlreiche andere Indianer-stämme auch. In CORTÉS und seinen Soldaten sahen diese Völker einen Helfer im Befreiungskampf ge-gen die Azteken. CORTÉS musste sich darüber im Klaren gewesen sein, dass er ohne solche Verbündete seine Ziele nicht erreichen konnte. Er begab sich deshalb mit seinen Gefährten nach Cempoala, der Hauptstadt der Totonaken. Hier konnten die Spanier verschnaufen und Kräfte sammeln. Außerdem bekamen sie 1000 totonakische Träger für den Transport der schweren Kanonen ins Hochland.

Noch im Küstengebiet hatte es aber bereits die erste Schlacht gegeben. Die Spanier mussten hier den Widerstand der Chontala brechen. Ihren Sieg über dieses Indianervolk hatten sie, wie auch später gegen die Azteken, nicht nur ihren überlegenen Waffen, sondern vor allem

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auch Geschöpfen zu verdanken, die die Indianer noch nie gesehen hatten: Die Pferde der Spanier waren es, die die Indianer in Angst und Schrecken versetzten und schließlich in die Flucht trieben. Die Chontala glaubten nämlich u. a., wie andere Indianervölker in Mittel- und Südamerika auch, Reiter und Pferd seien miteinander verwachsen.

Auseinandersetzung und Bündnis mit den Tlaxcalteken Im Hochland von Mexiko musste CORTÉS auf dem Marsch nach Tenochtitlán das Land der Tlaxcalteken durchqueren.

Desiderio Hernandez Xochitiotzin malte den Sieg der Tlaxcalteken über die Azteken.

Die Konföderation von Tlaxcala war der einzige größere Staat im zentralen Mexiko, den die Azteken niemals unterwerfen konnten, obgleich er von allen Seiten von aztekischem Gebiet umgeben war. Obwohl die Spanier gegen ihre Erbfeinde zogen, versuchten die Tlaxcalteken zunächst, das spanische Heer am Durchmarsch durch ihr Land zu hindern. Zwar schlugen die Spanier auch die Tlaxcalteken, doch CORTÉS war mehr an deren Freundschaft gelegen als an einem Sieg über sie. Schließlich gelang es CORTÉS auch, die Tlaxcalteken als indianische Bündnispartner zu gewinnen. Die Spanier konnten nun neue Kraft schöpfen, sich mit Vorrä-ten versorgen und ohne weitere kriegerische Auseinandersetzungen das Land durchqueren. Außerdem unterstützten mehrere Tausend tlaxcaltekische Krieger, die sich in der Kriegstech-nik der Azteken hervorragend auskannten, die Spanier auf ihrem weiteren Vormarsch. In Tenochtitlán Nachdem CORTÉS 1520 die aztekischen Hauptstadt Tenochtitlán erreicht hatte, berichtete er über ihre Lage inmitten eines Sees:

„Die Hauptstadt Tenochtitlán liegt in einem salzigen Landsee, und von jedem Punkte des Festlandes, von welcher Seite man auch kommen möge, sind es zwei Leguas (etwa 11 km). Sie hat vier Zugänge, alle über Steindämme füh-rend, die von Menschenhand erbaut und etwa zwei Reiterlanzen breit sind. Die Stadt ist so groß wie Sevilla und Córdoba. Ihre Hauptstraßen sind sehr breit und gerade, einige sind zur Hälfte fester Boden, zur anderen Hälfte aber Was-ser, auf dem die Boote fahren. Alle Straßen sind in größeren Zwischenräumen

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durchschnitten, sodass zwischen ihnen eine Wasserverbindung besteht. Alle diese Durchschnitte, wovon einige sehr breit sind, haben ihre Brücken aus starken zusammenfügbaren Balken, sodass zehn Reiter in Front darüberziehen können.“

Die Spanier marschieren in Tlaxcala ein.

Bei der Einnahme dieser großen, strategisch günstig gelegenen Stadt wurde CORTÉS auch durch bestimmte religiöse Vorstellungen desr Azteken unterstützt: So glaubten die Azteken, ihr Gott Quetzalcoatl werde eines Tages in Menschengestalt aus dem Osten wieder zu ihnen zurückkommen. Als 1519 das spanische Heer unter HERNÁN CORTÉS an der Ostküste Mexikos landete, verbreitete sich deshalb rasch das Gerücht, Quetzalcoatl sei blond und bärtig zurückgekehrt. Der König war im Falle der Rückkehr des Gottes verpflichtet, diesen mit höchster Ehrerbietung zu empfangen. Deshalb auch mussten die Spanier Tenochtitlán nicht mit Waffengewalt erobern, sondern konnten die Stadt auf Ein-ladung des aztekischen Herrschers MONTEZUMA II. als Gäste betreten. Im Palast von MONTEZUMA, aber auch in dem Palast, den „die weißen Götter“ von ihm als Quartier zugewiesen bekommen hatten, gingen denen die Augen über, denn sie erblickten überall Gold in Hülle und Fülle.

CORTÉS erhielt vom aztekischen Herrscher eine ganze Schatzkammer voll Gold für den spa-nischen König, KARL V. Dieser Erfolg löste den Neid des spanischen Gouverneurs in Kuba aus, der eine bewaffnete Streitmacht zur Verhaftung von CORTÉS nach Mexiko in Bewe-gung setzte. CORTÉS zog dieser mit den wenigen ihm noch verbliebenen Männern entgegen. Er konnte die Mehrzahl der Söldner des Gouverneurs durch Bestechung für sich gewinnen und seine Truppen mit ihnen stärken.

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Montezuma II.

Der Sieg über die Azteken Flucht aus Tenochtitlán Während CORTÉS' Abwesenheit kam es gegen den Willen MONTEZUMAS in Tenochtitlán zu einem Aufstand gegen die Spanier. Der zurückkehrende CORTÉS konnte den Aufstand aber mit Tücke und Grausamkeit niederschlagen: Auf deren Bitte hin erlaubte er den Azteken, einen Gottesdienst zu Ehren ihres Gottes Huitzi-lopochtli abzuhalten. Bedingung war aber, dass die Teilnehmer am Gottesdienst unbewaffnet erschienen. Als dann die wehrlosen Teilnehmer des Gottesdienstes, 600 Adlige und Hohe-priester, d. h. die Blüte der aztekischen Oberschicht, vollständig versammelt waren, wurden sie allesamt von den Spaniern gnadenlos niedergemetzelt.

Allein MONTEZUMAS Autorität rettete die Spanier nach diesem Verrat vor der Vernichtung durch das aztekische Heer. MONTEZUMA selbst, der in den Kämpfen verwundet wurde und bald darauf starb, forderte die atztekischen Heerführer auf, den Kampf zu beenden. Dennoch mussten sich die Spanier fluchtartig aus der Stadt zurückziehen. Auf dem Rückzug stellte sich ihnen ein riesiges aztekisches Heer in den Weg, dem CORTÉS

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und seine Söldner mit taktischem Geschick entkommen konnten: CORTÉS wusste, dass die Kampfkraft der aztekischen Krieger stark von ihrem Heerführer abhing. Deshalb schlug er sich zu diesem durch, tötete ihn, raubte das Schlachtbanner und konnte sich so von seinen verwirrten und unschlüssigen Gegnern absetzen.

Die Entscheidung Nach dem Tod MONTEZUMAS II. war als Nachfolger und letzter Herrscher der Azteken QUAUHTÉMOC gewählt worden. Dieser ahnte, dass die entscheidende letzte Schlacht mit den Spaniern noch nicht geschlagen war. Deshalb bereitete er sich und sein Volk darauf vor. Aber auch CORTÉS blieb nicht untätig: Er ließ in Tlaxcala dreizehn Brigantinen (kleine Segelschiffe) bauen. Diese wurden, in Einzel-teile zerlegt, von einigen Tausend indianischen Trägern ans Ufer des Sees gebracht, in dem die Hauptstadt der Azteken lag. Hier wurden aus den Einzelteilen wieder Brigantinen, aus den tlaxcaltekischen Trägern wurden Krieger.

Anfang Juni 1520 begann CORTÉS die lang andauernde Blockade, und der Hunger und Durst hatten die Verteidiger zunehmend geschwächt. Den Spaniern gelang es deshalb, zunächst an einigen Stellen in die Insel-Stadt einzudringen, um sie schließlich ganz einzunehmen. Nach der Einnahme gingen die Spanier brutal gegen die Bevölkerung vor, metzelten fast eine Vier-tel Mio. Menschen nieder und begannen, Tenochtitlán dem Erdboden gleichzumachen.

Mitte August 1521 eroberte dann eine der Brigantinen ein großes Boot, in dem sich weitere führende aztekische Adlige befanden. Damit war das Schicksal der Azteken und ihres Rei-ches endgültig besiegelt, das zur spanischen Kolonie wurde. 1525 stand QUAUHTÉMOC vor seinen spanischen Henkern. Zu diesem Zeitpunkt war er aber bereits zum Christentum bekehrt und Tenochtitlán zur spanischen Residenz Ciudad Real de México geworden.

Las Casas - über die Vernichtung der Maya

BARTOLOMÉ DE LAS CASAS Der Spanier FRAY BARTOLOMÉ DE LAS CASAS wurde 1474 als Sohn eines Adligen geboren. Sein Vater begleitete CHRISTOPH KOLUMBUS auf dessen erster oder zweiter Reise über den Atlantik nach Amerika. LAS CASAS diente acht Jahre lang als Kolonialoffizier in spanischen Diensten in Amerika. Seine Anwesenheit auf der Antilleninsel Hispaniola ist seit 1502 verbürgt. Im Jahre 1511 wurde LAS CASAS in der Inselhauptstadt Santo Domingo zum Priester geweiht. LAS CA-SAS bereiste viele spanische Kolonialbesitzungen Lateinamerikas, lernte dabei über ein Dut-zend Indianerdialekte und wurde so zu einem gesuchten Dolmetscher. Während seiner Reisen erlebte er Gräueltaten der spanischen Eroberer oder erfuhr von ihnen aus zeitgenössischen Berichten. LAS CASAS verurteilte das. Er begann bald, als Priester sei-ne Stimme gegen die Verbrechen der Konquistadoren zu erheben und für eine menschliche Behandlung der Indianer einzutreten. Wegen seines Engagements wird er auch als der „Apos-tel der Indianer“ bezeichnet. Da er vieles schriftlich festhielt, wurde er zu einem der Chro-nisten der spanischen Eroberungen in Lateinamerika. Folgen wir einigen Berichten von LA CASAS.

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LAS CASAS als „Apostel der Indiander“ – Fresko

Völkermord Die spanische Eroberung großer Teile vor allem Mittel- und Südamerikas glich einem Völ-kermord, dem wahrscheinlich bis zu 20 Millionen Menschen zum Opfer fielen. Dieser Völ-kermord wütete besonders vom heutigen Mexiko über die Halbinsel Yucatán und das heutige Guatemala bis in die peruanische Andenregion:

Im Jahre 1517 betraten erstmals Spanier unter Führung von HERNÁN CORTÉS mexikani-schen Boden.

„Bei Gelegenheit dieser Entdeckung“, so schrieb LAS CASAS, „ward den In-dianern von denen, welche es entdeckten, großes Ärgernis gegeben; auch wur-den von ihnen verschiedene Mordtaten begangen.“ (S. 39)

„Grausamkeit und Blutvergießen, Menschenmord und Verheerung, Entvölkerung, Raub, Ge-walttätigkeit und Tyrannei ...“ geschahen so häufig und „... auf eine so unerhörte Art“, dass sie alles von LAS CASAS bisher schon auf Hispaniola Gesehene in den Schatten stellten. Schwert und Lanze – oder der Scheiterhaufen – richteten über indianisches Leben. Dabei spielte es keine Rolle, „... ob Mann oder Weib, jung oder alt“. Die spanischen Eroberungen, schrieb LAS CASAS weiter, waren

„... nichts anderes, als gewaltsame Einfälle grausamer Wütriche, unvereinbar mit dem Gesetz Gottes und verboten ... auch nach allen menschlichen Geset-zen. Wirklichen Christen dagegen“, so urteilte LAS CASAS, „hätten die indi-anischen Ureinwohner ... Freude und Vergnügen gemacht.“ (S. 40)

LAS CASAS kennzeichnete auch die Hintergründe der Verbrechen, indem er hervorhob „daß der Vorwand, unter welchem die Spanier alle die unschuldigen Men-schen ermordeten, und Länder entvölkerten ... darin bestand, daß man von ihnen verlangte, sie sollten kommen, sich unterwerfen und dem Könige von Spanien huldigen; wo nicht, so werde man sie ermorden und zu Sklaven ma-chen. Diejenigen, welche nun nicht gleich herbeieilten, diese unvernünftige

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und närrische Forderung zu erfüllen und sich den Händen so ruchloser, grau-samer und viehischer Menschen anzuvertrauen, die nannten sie Rebellen und Aufrührer, welche sich dem Dienste Seiner Majestät entziehen wollten.“ (S. 47)

UNTERWERFUNG DER MAYA FRANCISCO HERNÁN DE CÓRDOBA landete 1517 auf der Halbinsel Yucatán und traf dort als erster auf die Hochkultur der Maya. Die Maya waren Träger der am höchsten entwi-ckelten Kultur Amerikas vor KOLUMBUS.

Sie verfügten über eine eigene Bilderschrift.

Der Madrider Codex (Codex Tro Cortesiano) wurde von Abbé Charles Étienne Brasseur de Bourbourg (1814–1874) entdeckt. 1875 fand man dann das so genannte „Cortesiano“-Fragment. Es befindet sich

im Madrider „Museo del Americas“.

CÓRDOBA war auf der Suche nach indianischen Sklaven für seine Güter auf Kuba. Das war notwendig, weil auf Kuba die einheimischen Indianer unter Peitsche und Schwert der Spanier schnell dahinstarben. Die Hauptrolle bei der rücksichtslosen Eroberung des Landes der Maya übernahm aller-dings FRANCISCO DE MONTEJO: HERNÁN CORTÉS, der Eroberer Mexikos und der aztekischen Hauptstadt Tenochtitlán, schickte im Jahre 1519 seinen Mitstreiter MONTEJO von Mexiko nach Spanien. In Spanien sollte dieser dem König, wie es gesetzlich festgelegt war, ein Fünftel dessen übergeben, was die Eroberung des Aztekenlandes den Spaniern bis zu diesem Zeitpunkt bereits eingebracht hatte. Der spanische König KARL V. musste zufrieden gewesen sein mit dem, was seine Männer in Neu-Spanien zusammengeraubt hatten. Denn DE MONTEJO bekam von ihm 1527 das Recht verliehen, das Land der Maya zu erobern. Im Unterschied zu CORTÉS in Mexiko

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und später zu FRANCISCO PIZARRO im Reich der Inka, fand DE MONTEJO allerdings auf Yucatán kein Gold. Die Mayastädte mit ihren Palästen, Tempeln und steinernen Statuen wa-ren ihm keinen Pfifferling wert, ganz zu schweigen von der Kunst der Maya. Er entvölkerte die blühenden Städte, indem er ihre Bewohner an die Spanier auf Kuba und Hispaniola als Sklaven verkaufte.

... LAS CASAS berichtet darüber

LAS CASAS als katholischer Priester

In einem Bericht von BARTOLOMÉ DE LAS CASAS lesen wir über das Wirken des FRANCISCO DE MONTEJO als Gouverneur von Yucatán:

„Dieser Barbar fing damit an, dass er die guten schuldlosen Leute, die fried-lich in ihren Wohnungen lebten und niemand das geringste zuwider taten, mit dreihundert Mann, die er bei sich hatte, auf die grausamste Art bekriegte, und eine große Anzahl von ihnen ermorden ließ. Da dies Land kein Gold enthielt, – denn hätte er nur ein Stückchen Gold darin gefunden, so würde er sie in die Bergwerke geschickt haben, wo sie ohnedies umgekommen wären – so be-schloss er, diese Menschen ... mit Leib und Seele in Gold zu verwandeln. Er machte demnach diejenigen, welche er nicht umbrachte, samt und sonders zu Sklaven; und da überall, wo man Sklaven witterte, eine Menge Schiffe bei der Hand waren, so ließ er dieselben schwer genug mit Menschen beladen, ver-handelte sie gegen Wein, Öl, Weinessig, Speck, Kleidungsstücke, Pferde, kurz gegen alles, was entweder er oder seine Gefährten vonnöten hatten, und ver-fuhr hierbei nach Gutdünken. Er ließ jedem freie Wahl, unter fünfzig bis hun-dert Mädchen sich dasjenige auszusuchen, das ihm am besten gefiel, und nahm dann eine Arrobe Wein, Öl, Essig, oder auch wohl eine Speckseite dafür. Um denselben Preis war ein hübscher Bursche zu haben, der unter zwei- bis drei-hundert andern ausgesucht ward ... Es ereignete sich unter andern, dass man einen jungen Menschen, der eines Fürsten Sohn zu sein schien, um einen Käse weggab, hundert andere Personen aber gegen ein Pferd vertauschte (S. 63) ... Die Spanier suchten die Indianer, sowohl Männer als Weiber, mit wilden Hun-den auf, die ihrer Spur folgten. Da nun einst eine kranke Indianerin sah, daß sie diesen Hunden nicht entfliehen könne, und, gleich andern, von ihnen zerris-sen werden würde; so nahm sie einen Strick, band sich ihr Kind, das nur erst ein Jahr alt war, an den einen Fuß, und erhing sich dann an einem Balken. Kaum war sie fertig damit, als die Hunde kamen und das Kind stückweise zer-rissen; doch ward es noch vor seinem Ende von einem Ordensgeistlichen ge-tauft.“ (S. 64)

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FRANCISCO DE MONTEJO hatte sich nach LAS CASAS vor allem dadurch einen Namen unter den spanischen Eroberern gemacht, dass er seine Hunde mit den Kindern von India-nern fütterte.

Es gab nur wenige humanistische Stimmen unter den Eroberern – aber es gab sie. Auch der Dominikaner ANTONIO DE MONTESINOS gehörte zu ihnen. In einer Predigt, gehalten am Sonntag vor Weihnachten im Jahre 1511 in der Kirche von San-to Domingo, fragte MONTESINO: „Sind dies keine Menschen?“

„Besitzen sie nicht vernunftbegabte Seelen? Seid ihr nicht verpflichtet, sie zu lieben wie euch selbst? Das versteht ihr nicht - das fühlt ihr nicht?“

Im Jahre 1537 hatte Papst PAUL II. in einer Bulle die Indios zu Menschen erklärt. BARTOLOMÉ DE LAS CASAS starb im Sommer 1566 in Madrid. REINHOLD SCHNEIDER griff den Stoff in seinem 1938 erschienenen historischen Roman „Las Casas vor Karl V. Szenen aus der Konquistadorenzeit.“ auf als „die Möglichkeit eines Protestes gegen die Verfolgung der Juden“.

Die zitierten Ausschnitte aus Berichten LAS CASAS stammen aus: Bartolomé de Las Casas: Kurzgefaßter Be-richt von der Verwüstung der westindischen Länder. Herausgegeben von HANS MAGNUS ENZENSBERGER. insel taschenbuch 553. 1. Auflage 1981. © Insel Verlag Frankfurt am Main 1966.

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Die Vernichtung des Inka-Reiches durch Pizarro

Das Reich der Inka

Peru liegt in den Anden.

Vor rund 500 Jahren erlebte im Inka-Reich eine der großartigsten indianischen Hochkultu-ren in Amerika ihre Blütezeit. Kernland des Inka-Reiches, das sich an der südamerikanischen Westküste über 4000 km vom Gebiet des heutigen Ecuador im Norden bis weit nach Süden in die Andenregion Chiles erstreckte, war das heutige Peru. In den peruanischen Anden zeugen noch heute eindrucksvolle Denkmäler vom hohen kulturellen Niveau der Inka.

Die Inka beherrschten die Kunst, ihre Bauten ohne Zuhilfenahme von Zement oder anderen Bindemitteln zusammenzufügen. Die Zwischenräume der Steine sind so klein , dass nicht einmal eine Rasierklinge hindurch passt.

Im peruanischen Andenhochland lag auch seine Hauptstadt Cuzco. Dieser Name bedeutet in einer Sprache der Inka „Nabel“. Damit wird die überragen-de Bedeutung dieser Anfang des 16. Jahrhunderts größten indianischen Stadt Südamerikas unterstrichen. Das Inka-Reich war ein perfekt organisierter Zentral-staat mit bis zu 12 Mio. Einwohnern. An seiner Spitze stand ein mit großer Machtfülle ausgestatteter Inka, der als Sohn des Sonnengottes galt. Den Adelstitel Inka durften nur die männlichen Nachkommen weniger Fa-milien tragen, die zu den Gründern des Inka-Reiches zählten. Aber auch das mächtige Inka-Reich widerstand im 16.

Jh. nicht dem Ansturm goldhungriger spanischer Eroberer. Von 1531 bis 1533 wurde es,

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mit der Eroberung von Cuzco und der Ermordung des letzten Inka-Herrschers beginnend, von 167 spanischen Söldnern in die Knie gezwungen.

Die Vernichtung des Inka-Reiches

Bündnis der Eroberer und die Eroberung von Cuzco Die spanischen Eroberer hatten bald, nachdem sie den Boden Amerikas betreten hatten, von einem sagenhaften Goldland erfahren, das sie Eldorado nannten. Das löste bei ihnen einen regelrechten Goldrausch aus.

Auf der Suche nach diesem Eldorado betraten die Spanier, die vom Goldreichtum der Inka erfahren hatten, erstmals 1527 peruanischen Boden. Ihr Anführer FRANCISCO PIZARRO hatte sich mit anderen Spaniern zur Ausbeutung des an Gold reichen Landes verbündet. In einem Vertrag war sogar festgelegt worden, wie groß die jeweiligen Anteile an der Beute sein sollten, die im Reich der Inka zu erwarten war.

FRANCISCO PIZARRO (1476–1541) reiste 1504 zum ersten Mal nach Amerika. Von KARL V. wurde er 1529 mit der Eroberung Perus betraut und zum Vizekönig der eroberten Gebiete ernannt. Am 6. Januar 1535 gründete PIZAARO die heutige peruanische Hauptstadt Lima.

Im Jahre 1532 fiel dann eine spanische Söldnertruppe unter Befehl von PIZARRO ins Inka-Reiche ein. Ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen, drangen sie später bis zu seiner Hauptstadt Cuzco vor. Die Spanier glaubten, Eldorado erreicht zu haben. Überall wohin sie kamen: Gold, Gold ... Um diese Reichtümer für Spanien in Besitz zu nehmen, mussten sie aber das Inka-Reich mit seinem Herrscher ATAHUALPA an der Spitze unterwerfen.

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Die Provokation Die wenigen, zahlenmäßig weit unterlegenen, aber besser bewaffneten Spanier mit ihren den einheimischen Indianern unbekannten Pferden wurden als von den Göttern gesandte Wesen betrachtet. Sie waren von ATAHUALPA ohne Feindseligkeit empfangen worden. Deshalb bedienten sie sich einer Provokation, um sich des Inka-Herrschers zu bemächtigen. Aus dem Bericht eines Begleiters von PIZARRO erfahren wir:

Statue des Inka-Königs ATAHUALPA

In der Inka-Stadt Cajamarca bat PIZARRO den Inka um ein Zusammentreffen auf dem drei-eckigen Hauptplatz der Stadt. Als sich der Inka und sein Gefolge dort einfanden, war jedoch von den Weißen nichts zu sehen. Lediglich einer der Spanier, ein Dominikanermönch na-mens VINCENTE DE VALVERDE, erschien in Begleitung eines indianischen Dolmetschers. Der Mönch hielt in seiner linken Hand ein Kreuz, in seiner rechten eine in Leder gebun-dene Bibel. Er ging auf ATAHUALPA zu und forderte ihn auf, sich dem mächtigen König jenseits des Meeres, der ihn und seine Kamera-den hergesandt habe, zu unterwerfen. Weiter erklärte er, er wolle ihm und seinem ganzen „heidnischen“ Volk den einzig wahren Glauben verkünden. Der offensichtlich verdutzte ATA-HUALPA erfuhr aus dem Munde dieses Mön-ches auch vom Papst im fernen Rom, der der Stellvertreter Gottes auf Erden sei. Dieser Papst, so fuhr VALVERDE fort, habe dem spanischen König das Recht zugesprochen, Amerika und die Völker, die es bewohnten, zu beherrschen. Der Inka hielt dem Mönch entgegen: „Euer Kaiser mag ein großer Fürst sein: Ich zweifle nicht daran, wenn ich sehe, daß er seine Untertanen so weit übers Meer geschickt hat. Und ich bin willens, ihn als meinen Bruder zu behandeln. Was den Papst angeht, von dem ihr gesprochen habt, so muß er wahnsinnig sein, wenn er davon redet, Länder zu verschenken, die ihm nicht gehören. Was meinen Glauben betrifft, so werde ich ihn nicht ändern. Euer Gott wurde, wie ihr mir sagt, von eben den Men-schen getötet, die er geschaffen hat. Aber mein Gott schaut noch immer auf seine Kinder her-ab.“ (zitiert nach: Die Welt der Indianer. Geschichte, Kunst, Kultur von den Anfängen bis zur Ge-genwart. 4. Aufl. München 1998, S. 131) Auch die von VALVERDE überreichte Bibel musste dem Inka unverständlich und unnütz erschienen sein, weshalb er dem Mönch die Heilige Schrift der Europäer voller Zorn vor die Füße warf. Damit hatten die Spanier den Anlass erreicht, den sie schaffen wollten. VALVERDE gab das Angriffssignal mit dem Ruf:

„Tötet die heidnischen Hunde, diese gottlosen Indios!“

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Das Massaker und die Ermordung des Inka Von drei Seiten stürmten nun die bis an die Zähne bewaffneten Soldaten PIZARROS den Stadtplatz von Cajamarca. Außerdem schossen die Spanier mit ihren beiden Kanonen auf die Indianer. Das den Indianern unbekannte Geschützfeuer und die sich aufbäumenden Pferde verursachten ein heilloses Durcheinander. 6000 Mann der Leibwache ATAHUALPAS wurden getötet. PIZARRO schlug sich schließlich mit einem Elitetrupp zu ATAHUALPA durch und nahm ihn gefangen. Damit war der Sieg der Spanier perfekt. Bei allem stand das Heer des Inka nur wenige hundert Meter vor der Stadt, griff aber nicht ein. Durch die Gefangennahme ihres Sonnensohns waren die Heerführer und Soldaten des Inka wie vom Schock gelähmt. PIZARRO erpresste von seinem Gefangenen große Mengen Gold als Lösegeld, indem er ihm Leben und Freiheit versprach. Das nützte ATAHUALPA aber alles nichts. In einem Scheinverfahren befand PIZARRO den Inka u. a. für „schuldig“,

• heidnischen Göttern Götzendienst geleistet und auch

• Vielweiberei betrieben zu haben. Für diese Vergehen wurde ATAHUALPA zum Tode durch Verbrennen auf dem Scheiter-haufen verurteilt. Gleichzeitig bot man ihm einen „großzügigen“ Tausch an. Wenn er sich taufen ließe, also zum Christentum übertrete, würde er nicht verbrannt, sondern „nur“ er-drosselt werden. Und so geschah es auch: Am 19. August 1533 verkündete die Totenglocke das Ende des letzten Inkaherrschers (Bild 5). Seine letzten Worte sollen der Überlieferung nach gewesen sein:

„Sie wollen Gold. Sie winseln um Gold, sie schreien um Gold, sie zerfleischen einander um Gold.“

Die Ermordung ATAHUALPAS läutete zugleich das Ende des größten altamerikanischen Reiches ein. PIZARRO zog mordend und brandschatzend durch Peru und nahm die Haupt-stadt Cuzco und zerstörte sie und weitere Inka-Städte.

Atahualpa wird von den Spaniern erdrosselt.

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Aus dem Schiffstagebuch von Kolumbus - Begegnung mit Indianern

„Kolumbus“ - Grafik von J. Dhal

Das Original des von CHRISTOPH KOLUMBUS geführten Bordtagebuches ging verloren. Doch sein Inhalt wurde überliefert – dank einer Abschrift, die der spanische Priester BAR-TOLOMÉ DE LAS CASAS angefertigt hatte. Diese Abschrift befindet sich heute in der Handschriftenabteilung der Nationalbibliothek zu Madrid. LAS CASAS referiert allerdings nur die Tagebuchnotizen, zitierte also die eigenen Worte KOLUMBUS' nur in Auszügen. Ansonsten spricht er vom Admiral in der dritten Person.

Santa Maria, Pinta und Niña KOLUMBUS konnte, nachdem er schon beim König von Portugal gescheitert war, auch das spanische Königshaus zunächst nicht davon überzeugen, seine Pläne zu unterstützen. Erst nach sechs Jahren langen Wartens, nachdem die Reconquista mit dem Sieg über Grana-da, der letzten maurischen Bastion in Spanien, ihren Abschluss fand, erhielt KOLUMBUS die Unterstützung der katholischen Majestäten, wie ISABELLA und FERDINAND in ihrer Zeit bezeichnet wurden. Sie unterstützten den Bau und die Ausrüstung der Schiffe, mit denen KOLUMBUS zwischen 1492 und 1504 auf vier Reisen achtmal den Atlantik überquerte. Umgekehrt erhielt er vom Königshaus den Auftrag, für Spanien neue Ländereien mit deren Bewohnern und Reichtümern zu gewinnen.

KOLUMBUS ging auf seiner ersten Reise mit drei Schiffen auf Westkurs, um jenseits des Atlantik das sagenhafte und vor allem goldreiche Indien zu finden. Das Flaggschiff „Santa

Briefmarke der tschechoslowaki-schen Post anlässlich der 500-Jahrfeier der Entdeckung Ameri-kas durch Christoph Kolumbus. Der Seefahrer ist als Gallionsfigur auf seinem Flaggschiff „Santa Maria“ abgebildet.

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Maria“, befehligte der Admiral selbst. Die „Niña“ und die „Pinta“ wurden von anderen Kapi-tänen befehligt.

Land für FERDINAND und ISABELLA Am 12. Oktober des Jahres 1492 erreichten KOLUMBUS und seine Begleiter Guanahani, eine kleine Insel der Bahamas (Bild 3). Diesen denkwürdigen Augenblick hielt KOLUMBUS im Schiffstagebuch fest:

„Bald sahen sie dort nackte Leute am Strand, und der Admiral fuhr in einem mit Waffen ausgerüsteten Boot an Land; Martín Alonso Pinzón und Vicente Anes, sein Bruder, der Kapitän auf der Niña war, begleiteten ihn. Der Admiral entfaltete das königliche Banner und die beiden Kapitäne zwei Fahnen mit dem grünen Kreuz; dieses führte der Admiral zur Kennzeichnung auf allen sei-nen Schiffen mit den Lettern F und Y: jeder Buchstabe trug eine Krone, der ei-ne stand links, der andere rechts vom waagerechten Kreuzesbalken. Als sie an Land stiegen, sahen sie sehr grüne Bäume und viele Gewässer und zahlreiche Früchte verschiedener Art. Der Admiral rief die beiden Kapitäne und die an-deren, die an Land gesprungen waren, zu sich ... und sagte, sie sollten getreu-lich bezeugen, daß er vor aller Augen für den König und die Königin, ihre Herren, von der Insel Besitz ergriff, und so tat er es auch.“

Freundschaftliche Begegnungen KOLUMBUS und seine Begleiter mussten nicht lange warten. Bald kamen zahlreiche Insel-bewohner an den Strand. Sie waren wahrscheinlich neugierig auf die Neuankömmlinge, de-ren Aussehen sich so sehr von dem ihren unterschied. Es waren freundliche Leute, auf die KOLUMBUS traf. Noch heute können wir seine Äußerungen über diese erste Begegnung mit „Indianern“, wie er die Menschen „dieser Indien“ nannte, in seinem Bordtagebuch nachle-sen. LAS CASAS betonte in diesem Falle, es seien wortwörtlich die Äußerungen des Admi-rals:

„Da sie uns große Freundschaft erwiesen und ich erkannte, daß es Leute wa-ren, die sich besser mit Liebe zu unserem heiligen Glauben befreien und be-kehren würden als mit Gewalt, gab ich einigen von ihnen ein paar bunte Müt-zen und etliche Glaskugeln, die sie sich um den Hals hängten, und allerhand andere Dinge von geringem Wert, an denen sie großes Vergnügen fanden, und sie waren uns derart zugetan, dass es ein Wunder war. Hernach kamen sie zu den Booten geschwommen, in denen wir saßen, und brachten uns Papageien und Knäuel mit Baumwollfäden, Wurfspieße und viele andere Dinge und tauschten sie gegen Dinge ein, die wir ihnen gaben, zum Beispiel Glaskügel-chen und Glöckchen. Kurz gesagt, sie nahmen alles und gaben sehr bereitwil-lig von dem, was sie hatten. Aber mir schien, als seien die Leute sehr arm an allem. Sie gehen allesamt nackt umher, wie sie ihre Mutter zur Welt gebracht hat, auch die Frauen.“

Gutmütig, aber mit leichter Auffassungsgabe KOLUMBUS erkannte, dass er es mit Menschen zu tun hatte, die keine Waffen trugen und auch keine kannten. Er berichtete in seinem Bordtagebuch weiter:

„... ich zeigte ihnen Schwerter, und sie fassten sie an der Schneide und schnit-ten sich aus Unwissenheit. Sie haben überhaupt kein Eisen: Ihre Wurfspieße sind Stöcke ohne Eisenspitze, und an manchen von ihnen ist vorne ein Fisch-zahn befestigt oder etwas anderes. Sie sind durchweg von großer Statur und gut gebaut, ihre Bewegungen sind anmutig; ich sah einige, deren Körper Spu-

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ren von Verletzungen aufwiesen; durch Gebärden fragte ich, was es damit auf sich habe, und sie bedeuteten mir, von anderen nahe gelegenen Inseln kämen Leute, die sie mitnehmen wollten, und sie leisteten Widerstand; aber ich glaub-te und glaube auch jetzt noch, daß jene vom Festland dorthin kommen, um sie gefangenzunehmen. Sie müssen treffliche Diener sein und von gutem Verstand, denn ich sah, dass sie sehr schnell alles nachsagen konnten, was ich ihnen vorsprach, und ich glaube, man könnte sie leicht zum Christentum bekehren, denn mir schien, daß sie keiner Sekte angehören. … All das sind Worte des Admirals.“

Sie werden sie zum Christentum bekehren ... KOLUMBUS kam also zur Überzeugung, dass die eingeborenen Indianer völlig arglos und wenig kriegerisch waren. Deshalb verbürgte er sich laut Tagebuch gegenüber seinen Auftrag-gebern FERDINAND und ISABELLA:

„...wenn fromme Kirchenmänner hierherkämen, die zu ihnen in ihrer Sprache reden könnten, dann würden sie alle auf der Stelle Christen werden; und so hoffe ich auf unsern Herrn, dass Eure Hoheiten sich mit großer Eile dazu ent-schließen werden, um diese großen Völker in den Schoß der Kirche heimzuho-len, und sie werden sie bekehren …“

Wahklplakat der SPD mit einer Szene aus einem Monumentalbild, das die Landung des Seefahrers darstellt.

Eine andere Stelle des Tagebuchs macht den Zweck der Bekehrung zum Christentum sicht-bar:

„...dass diese Leute keiner Sekte angehören und keine Götzen verehren, viel-mehr sind sie sehr sanft und wissen nicht, was böse ist, noch töten sie andere oder nehmen sie gefangen, sie tragen keinerlei Waffe und sind so furchtsam, daß hundert von ihnen vor einem der unseren Reißaus nehmen, selbst wenn man nur seinen Spaß mit ihnen treibt; sie neigen zur Gläubigkeit und wissen, dass Gott im Himmel ist; sie sind davon überzeugt, dass auch wir vom Himmel

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gekommen sind, und sehr schnell bereit zu jedem Gebet, dass wir ihnen vor-sprechen, sie sagen es nach und schlagen dabei das Kreuz. Und so sollten sich Eure Hoheiten entschließen, sie zu Christen zu machen, denn ich glaube, wenn man damit beginnt, wird man nach kurzer Zeit eine Vielzahl von Völkern voll-ends zu unserem heiligen Glauben bekehrt haben und so große Herrschaften und Reichtümer und alle diese Völker für Spanien gewinnen, denn zweifellos gibt es in diesen Gebieten riesige Mengen Goldes, und nicht ohne Grund sagen die Indios, die ich mitführe, dass es auf diesen Inseln Orte gibt, wo man das Gold aus der Erde gräbt ...“

Gold KOLUMBUS war, wie der eben zitierte Tagebuchausschnitt beweist, von seinen Auftragge-bern vor allem darauf orientiert worden, nach dem Vorhandensein von Gold zu forschen. Im Schiffstagebuch kann man darüber weiter lesen:

„Ich war aufmerksam und bemühte mich, in Erfahrung zu bringen, ob es Gold gäbe, und ich sah, dass ein paar von ihnen ein Stückchen in einer Öffnung tru-gen, die sie in die Nasenwand gebohrt hatten, und durch Zeichensprache konn-te ich folgendes herausfinden: Wenn man nach Süden gehe oder die Insel nach Süden zu umfahre, so sei dort ein König, der große Gefäße aus Gold habe und der sehr, sehr viel davon habe...Und sie geben mir immer wieder zu verstehen, daß es die Leute an den Armen und Beinen tragen, und es ist Gold, denn ich zeigte ihnen ein par Stücke von dem, das ich selbst bei mir habe; mit der Hilfe unseres Herrn kann ich nicht fehlgehen, und ich werde es finden, wo es anzu-treffen ist.“

Vom Laster der Indios zu fetten Steuern für die spanische Krone Das Tagebuch enthält auch eine interessante Passage zu den Ursprüngen eines Lasters, das in Europa bis in unsere Zeit hinein verbreitet ist, das Rauchen: KOLUMBUS sandte einmal zwei Männer aus, die den Auftrag erhielten, das Landesinnere genauer in Augenschein zu nehmen. Nachdem die Männer zurückgekehrt waren und Bericht erstattet hatten, notierte er im Schiffstagebuch:

„Die beiden Christen trafen auf ihrem Weg viele Leute, die durch ihre Dörfer zogen, Frauen und Männer, die glühende Scheite und Kräuter trugen, mit de-nen sie die bei ihnen üblichen Räucherungen vornahmen.“

MARTÍN FERNÁNDEZ DE NAVARRETE, der das Schiffstagebuch von KOLUMBUS im Jahre 1825 in Madrid herausgab, machte dazu noch folgende Anmerkung:

„Bischof LAS CASAS hat über diesen Vorfall ausführlicher berichtet. Er be-schrieb die Kräuter als 'trockene Kräuter', die man in ein bestimmtes ebenfalls trockenes Blatt steckt ... und wenn es an der einen Seite angezündet ist, dann saugen oder schlürfen oder entnehmen sie am anderen Ende jenen Rauch, in-dem sie ihn einatmen ... diese Kräuter hätten die Indianer selbst tabacos ge-nannt. Las Casas teilte mit, er habe auf der Isla Española Spanier kennenge-lernt, die sie zu verwenden pflegten und die, wenn man sie deshalb tadelte und sagte, dies sei ein Laster, antworteten, es stünde nicht in ihrer Macht, damit aufzuhören. Las Casas selbst meinte, er wüsste nicht, „welchen Nutzen oder Geschmack sie daran finden“.

DE NAVARRETE ergänzte seine Anmerkung weiter:

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„Hier liegt also der Ursprung unserer Zigarren. Wer würde damals gemeint haben, daß ihr Gebrauch und ihre Benutzung so verbreitet und allgemein wer-den würden und daß auf dieses neue und seltsame Laster eine der fettesten Steuern des Staates erhoben werden sollte?“

Die Zitate sind folgender Quelle entnommen: Christoph Columbus: Schiffstagebuch. Aus dem Spanischen. Übersetzung von Roland Erb. Nachwort von Jürgen Hell. Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig 1986, 4. Aufl. (Übersetzung nach: Cristóbal Colón: Diario de Navegación. Publicación de la Comisión Nacional Cubana de la UNESCO, La Habana 1961; Text und die als Anmerkungen wiedergegebenen Fußnoten der kubanischen Ausgabe folgen der Ausgabe von Martin Fernández de Navarrete, Madrid 1825).