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Monotonie im Englischunterricht?- Zum Zweitspracherwerb von Negativen Polaritätselementen
Eva Csipak
Seminar für Englische Philologie
Universität Göttingen
Manfred Sailer
Seminar für Englische Philologie
Universität Gö[email protected]
Überblick
• Negative Polaritätselemente (NPI)– Daten– Theorien
• Lehrwerksanalyse English G 2000• NPIs: Grammatiktheorie und Grammatikographie?
Negative Polaritätselemente (NPIs)Daten und Theorien
Negative Polaritätselemente????
Alex kann keiner Fliege etwas zuleide tun.
* Alex kann einer Fliege etwas zuleide tun.
Was sind Negative Polaritätselemente (NPIs)?
• NPs– einen Tropfen; a drop Peter hat keinen Tropfen getrunken.
Peter didn‘t drink a drop.• Verben
– bother It doesn‘t bother me.
• Adverbien– ever Have you ever been to China?
• Indefinitpronomina– any- He didn‘t see anyone.
This year, we grew hardly any potatoes.
Wo können NPIs auftreten?
• Satznegation (Clausemate Negation, CMN)– not He did not see anyone.
• Negative Indefinita (N-Word, NW)– never Peter has never seen any cows.
• Abwärts-monotone Kontexte (Downward Entailing, DENT)– hardly We grew hardly any potatoes.
• Negatives Verb (NV)– doubt I doubt anyone will come.
• Frage (QUE)– ? Have you ever been to China?
• Konditional (IF)– if If anyone comes in, let me know.
…und viele andere mehr!
Verteilung von any im BNC (100 von 121.475)
CMNnCMNNWnoDetwithoutNVDENTQUEIFUNIVCOMPSUPIMPandere
Vergleich any vs. the im BNC
• any: 100 von 121.475 • the: 100 von 6.047.424
CMNnCMN NWnoDetwithoutNVDENTQUEIFUNIVCOMPSUPonlyandere
CMNnCMN NWnoDetwithoutNVDENTQUEIFUNIVCOMPSUPonlyandere
Verteilung von ever im BNC (100 von 24.715)
CMNnCMNNWnoDetwithoutNVDENTQUEIFUNIVCOMPSUPIMPandere
NPI-Typen
• Starke NPIsz.B. anymore (100 von 277)
• Schwache NPIsz.B. ever
CMNnCMN NWnoDetwithoutNVDENTQUEIFUNIVCOMPSUPonlyandere
Abwärts-Monotonie (Ladusaw, 1983)
• Abwärts-monotone Kontexte lizensieren NPIs:
• Peter hat keinen Alkohol getrunken. ==>• Peter hat keinen Wein getrunken.
• Peter hat keinen Tropfen getrunken.
• Aufwärts-monotone Kontexte lizensieren NPIs nicht:
• Peter hat Wein getrunken. ==>• Peter hat Alkohol getrunken.
• *Peter hat einen Tropfen getrunken.
Monotonie (Ladusaw, 1983)
Weitere abwärts-monotone Kontexte:
• kaum/hardly:– Peter hat kaum Alkohol getrunken. ==>
Peter hat kaum Wein getrunken.– NPI: Peter hat kaum jemals etwas getrunken.
• jeder, der:– Jeder, der Alkohol getrunken hat, nimmt die Straßenbahn. ==>
Jeder, der Wein getrunken hat, nimmt die Straßenbahn.– NPI: Jeder, der einen Tropfen getrunken hat, nimmt die Straßenbahn.
Pragmatische Theorien
• Fauconnier 1975, Krifka 1995, Eckardt 2005
• NPI-Lizensierung ist auf skalare Implikaturen zurückzuführen.
• Grice (1967): Maxime der Quantität – Sei so informativ wie möglich.
• Ich habe gestern ein Glas Wein getrunken.==> Ich habe gestern einen Schluck Wein getrunken.Implikatur: Ich habe gestern keine fünf Gläser Wein getrunken.
________|____________|______________________|___________ ein Schluck ein Glas fünf Gläser
Pragmatische Theorien
• NPIs sind – im Gegensatz zu ihren Alternativen – der Endpunkt einer Skala.
• ?? Ich habe einen Tropfen getrunken. • Ich habe keinen Tropfen getrunken.
==> Ich habe keinen Schluck getrunken.==> Ich habe kein Glas getrunken.==> Ich habe keine fünf Gläser getrunken.
• Dadurch sind besonders starke Aussagen möglich, weil in abwärts-monotonen Kontexten ALLE Alternativen ausgeschlossen werden.
|________________|___________|____________________|______ein Tropfen ein Schluck ein Glas fünf Gläser
Kollokationsansatz
• Affinität zu Negation ist ein Frequenzeffekt• NPI-Eigenschaft ist nicht aus lexikalischer Semantik ableitbar:
– Lexikalische Doubletten: sonderlich (NPI), ziemlich (PPI)
• Literatur:– Sinclair 2004: semantic prosody– van der Wouden 1998: collocations
• Idiosynkratische Kontextpräferenzen: budge: NV; ever: QUEbudge (100 von 169) : ever:
CMNnCMN NWnoDetwithoutNVDENTQUEIFUNIVCOMPSUPonlyandere
CMNnCMN NWnoDetwithoutNVDENTQUEIFUNIVCOMPSUPonlyandere
Kollokationsansatz
• Stark-negative Kontexte (CMN, nCMN, NW, noDet):– Direkte Verneinung: Positive question tag möglich– Starke NPIs nur in stark-negativen Kontexten
• Schwach-negative Kontexte (DENT, IF, QUE, …)– Indirekte Verneinung/ lexikalische Dekomposition (Linebarger 1987,
Sailer 2007)Even at the time of William Shakespeare, hardly anyone outside England spoke the language. (A5) = … it was not often the case that anyone …
– Schwache NPIs auch in schwach-negativen Kontexten.
• Probleme:– Welche Elemente sind NPIs?– Welche Elemente sind starke/schwache NPIs?
Projektfragestellung
• DFG-Projekt: Negative Polarity Items: Between Syntactic and Pragmatic Licensing. Universität Göttingen. – Eva Csipak, Regine Eckardt, Mingya Liu, Manfred Sailer.– www.negative-polarity-items.uni-goettingen.de/wiki/
• Charakterisierung der NPIs und der Lizenzierungskontexte strukturell oder pragmatisch?
NPIs: Theorie vs. Sprachvermittlung
• Fragen aus der Theorie an die Sprachvermittlung:– Müssen NPI-Eigenschaften gelehrt werden? – Muss gelehrt werden, ob ein Element ein NPI ist?– Strukturelle Theorien: Keine Beziehung zwischen Bedeutung eines
Elements und seiner NPI-Eigenschaft.Pragmatische Theorien: NPI-Eigenschaft ergibt sich aus Bedeutung des Elements.
• Fragen aus der Sprachvermittlung an die Theorie:– Vermittelbare Generalisierung über NPI-lizenzierenden Kontexte?– Vermittelbare Generalisierung, welche Elemente NPIs sind?
Lehrwerkanalyse English G 2000, Gymnasium
Lehrwerksanalyse
• Cornelsen, English G2000, A (Gymnasium), • Jahrgänge A2, A3, A5, A6. (6.,7.,9.,10. Klasse)• Einführung any: Ende A1.• Untersucht: any-, ever, either, yet, anymore• Klassifikation nach CoDII (Trawiński & Soehn 2008):
– Collection of Distributionally Idiosyncratic Items– Online Sammlung von deutschen und rumänischen NPIs– www.sfb441.uni-tuebingen.de/a5/codii
Verteilung von any-
In A2:• 46 Auftreten• CMN, NW, QUE
Im BNC:
CMNnCMN NWnoDetwithoutNVDENTQUEIFUNIVCOMPSUPonlyandere
CMNnCMN NWnoDetwithoutNVDENTQUEIFUNIVCOMPSUPonlyandere
Verteilung von any-
In A3:• 33 Auftreten• CMN, QUE, IF, andere
Im BNC:
CMNnCMN NWnoDetwithoutNVDENTQUEIFUNIVCOMPSUPonlyandere
CMNnCMN NWnoDetwithoutNVDENTQUEIFUNIVCOMPSUPonlyandere
Verteilung von any-
In A5:• 55 Auftreten• CMN, QUE, IF, andere
Im BNC:
CMNnCMN NWnoDetwithoutNVDENTQUEIFUNIVCOMPSUPonlyandere
CMNnCMN NWnoDetwithoutNVDENTQUEIFUNIVCOMPSUPonlyandere
Verteilung von any-
In A6:• 83 Auftreten
Im BNC:
CMNnCMN NWnoDetwithoutNVDENTQUEIFUNIVCOMPSUPonlyandere
CMNnCMN NWnoDetwithoutNVDENTQUEIFUNIVCOMPSUPonlyandere
• Von prototypischen Kontexten zu mehr Variation• Explizite Übungen zu any- nur in A2• Dictionary (A4): any: jede(r) (beliebige) ° not … any kein(e) °
not … any more nicht mehr ° any? (irgend)welche?
Verteilung von any-
CMNnCMN NWnoDetwithoutNVDENTQUEIFUNIVCOMPSUPonlyandere
Verteilung von ever
• A2 (18), A3 (13), A5 (10), A6 (20)
• Primär: QUE
In G 2000:• Dictionary (A4): ever: je,
jemals, schon mal
Im BNC:CMNnCMN NWnoDetwithoutNVDENTQUEIFUNIVCOMPSUPonlyandere
Lehrstrategie in English G 2000, Gymnasium
• Any- wird explizit eingeführt, aber nur in zwei Kontexten
• Ever wird als lexikalisches Element eingeführt (Transfer mit jemals)
• Andere funktionale NPIs (yet, either, anymore) werden als lexikalische Element eingeführt, treten aber kaum auf.
• Idiomatische NPIs (lift a finger, sleep a wink) treten in der Lehrbuchphase nicht auf.
Negative PolaritätselementeGrammatiktheorie und Grammatikvermittlung
Mehr Linguistik nötig?
• Any-, ever:– Wichtigste Kontexte werden vermittelt. Generalisierungen ermöglicht?– Theorie: Kontexte bilden natürliche Klasse.– Motivation für NPIs durch pragmatische Erklärung deutlicher!
• Andere funktionale NPIs: anymore, yet, either:– Einheitliche Charakterisierung der NPI-Kontexte nützlich für Erwerb von
frequenten, funktionalen NPIs
• Idiomatische NPIs (lift a finger, drink a drop, ...): – sind niederfrequent.– Idiome nur für fortgeschrittene Lernervarietäten relevant.– Aber: semi-produktive, sprachübergreifende Muster.
JA!
Mehr Linguistik möglich?
• Logisch-semantische Theorie (Monotonie): ???
• Pragmatische Theorie:– NPIs bedeuten kleine Mengen.– Durch NPIs werden starke (emphatische) Äußerungen gemacht.– Für NPI-Idiome: semi-produktiv, gleiches Verhalten im Deutschen.
• Strukturelle/kollokationellen Theorie:– Dekomposition kann Negationsstärke verdeutlichen
(schwache Negation: few = not many, starke Neg.: doubt = think that not)– Erwerb durch häufige Präsentation in prototypischen Kontexten (Ellis &
Ferreira-Junior 2009)
• benötigt: examplarische Lehreinheiten
JA!
Einsichten aus dem Zweitspracherwerb?
• Wird Analogie zu NPIs in der Muttersprache genutzt?
• Werden nicht explizit vermittelte NPI-Kontexte trotzdem gelernt? (Einsicht in semantisch/pragmatische Generalisierungsmechanismen)
• Benötigt:– Produktionsstudie (Korpus), – Akzeptabilitätsurteile (Vergleich Muttersprachler/Zweitsprachler)
JA!
Monotonie im Englischunterricht?
• Systematische Einführung von NPIs im Englischunterricht wünschenswert (any, ever, yet, …).
• Montonie-basierte Ansätze nicht praktisch vermittelbar.
• Pragmatische und strukturelle Ansätze erlauben praxistaugliche Reformulierung.
• Daten zum Zweitspracherwerb von NPIs interessant für Theoriebildung.
Wir danken
• dem Cornelsen-Verlag für die Bereitstellung der Daten
• Dario Brickart, René Fischer, Malte Mensching, Katrin Stadefür die Extraktion der Daten aus dem Lehrwerk
und für Ihre Aufmerksamkeit!
Literatur
• Lehrwerke: Serie English G 2000 (für Gymnasium). 1. Auflage. Berlin: Cornelsen.
• Eckardt, R. 2005: Too Poor to Mention: Subminimal Events and Negative Polarity Items. In C. Maienborn & A. Wöllstein (Hg.): Event Arguments. Tübingen: Niemeyer. 301-330.
• Ellis, N.C. & F. Ferreira-Junior 2009: Construction Learning as a Function of Frequency, Frequency Distribution, and Function. The Modern Language Journal, 93(3). 370-385.
• Fauconnier, G. 1975: Polarity and the Scale Principle. Papers from the Eleventh Regional Meeting of the Chicago Linguistic Society. 188-199.
• Krifka, M. 1995: The Semantics and Pragmatics of Weak and Strong Polarity Items. Linguistic Analysis 25. 209-257.
Literatur
• Ladusaw, W. 1983: Logical Form and Conditions on Grammaticality. Linguistics and Philosophy 6. 373-392.
• Linebarger, M. 1987: Negative Polarity and Grammatical Representation, Linguistics and Philosophy 10, 325-387.
• Sailer, M. 2007: Complement Anaphora and Negative Polarity Items. In: E. Puig-Waldmüller (Hg.): Proceedings of Sinn und Bedeutung 11, Barcelona. 494-508.
• Sinclair, J. 2004: Trust the Text. New York, London: Routledge.• Trawiński, B. & J.-Ph. Soehn 2008: A Multilingual Database of
Polarity Items. In: Proceedings of the Sixth International Conference on Language Resources and Evaluation (LREC'08). Marrakesch, Marokko.
• Van der Wouden, T. 1997: Negative Contexts. Collocation, Polarity and Multiple Negation. London: Routledge.