23
Einleitung Karies und Parodontitis sind multifaktorielle Erkran- kungen, die durch genetische und umweltbedingte Risikofaktoren beeinflusst werden. Während die gene- tischen Ursachen derzeit nicht oder kaum beeinflusst werden können, sind die umweltbedingten Faktoren der Hauptansatzpunkt in der Therapie. Ein Großteil der umweltbedingten Faktoren wird durch das Verhalten des Individuums bestimmt. So sind in der Kariesent- stehung die Menge und die Häufigkeit des Kohlen- hydratekonsums sowie die Qualität und Quantität der chemomechanischen Plaquekontrolle wichtige Ein- flussfaktoren. Im Falle der Parodontitisentstehung kommen neben der Mundhygiene noch weitere ent- zündungsmodulierende Faktoren hinzu, wie Rauchen, Ernährung, körperliche Aktivität, Stress, Adipositas, Blutzuckerkontrolle bei Diabetikern sowie das Wahr- nehmen des regelmäßigen Kontrollbesuchs beim Zahnarzt im Rahmen der parodontalen Nachsorge [1]. Aufgrund der Bedeutung dieser verhaltensbedingten Faktoren sollten in einer präventiv ausgerichteten und kausal-therapierenden zahnärztlichen Behandlung neben der restaurativen Therapie oder der mecha- nischen Belagentfernung auch das Gesundheitsver- halten des Patienten adressiert werden. Die Fragen, welche Faktoren zum Entstehen der Erkrankung beim individuellen Patienten dazu beigetragen haben und welche Faktoren zukünftig moduliert werden können, sind dabei von wesentlicher Bedeutung. Die Technik des Motivational Interviewing (MI, dt.: Motivierende Gesprächsführung), die ursprünglich zur Therapie von Suchterkrankten entwickelt wurde, hat sich dabei in vielen Gesundheitsbereichen als nachweislich wirk- same Methode gezeigt, Gesundheitsverhalten positiv zu beeinflussen [2, 3]. Im Gegensatz zu der Annahme, dass Patienten nicht motiviert sind, wird im MI davon ausgegangen, dass Patienten lediglich ambivalent ge- genüber dem problematischen Verhalten sind. In einem partnerschaftlichen Umgang wird diese Ambi- valenz mithilfe von MI empathisch erforscht und auf- gelöst. Der vorliegende Artikel soll einen allgemeinen Überblick über die klinische Methode des MI und deren Anwendung speziell im zahnärztlichen Setting geben. Was ist Motivational Interviewing? Motivational Interviewing ist eine evidenzbasierte Methode der Kommunikation zur Förderung der Ver- änderungsbereitschaft. Die Gesprächsmethode des MI geht auf die Arbeiten der Psychologen William R. Miller und Stephen Rollnick zurück. Aufgrund der Unzufrie- denheit der Therapeuten mit der Wirksamkeit von Motivierende Gesprächsführung in der zahnärztlichen Therapie Johan Wölber, Katrin Frick Übersicht Einleitung 247 Was ist Motivational Interviewing? 247 MI in der zahnärztlichen Therapie 259 Fazit 265 Zahnmedizin up2date 3 Œ 2014 Œ 247 269 Œ DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0033-1357922 Audio-Podcast online! Sie finden den Audio-Podcast zu diesem Beitrag unter www.thieme-connect.de/ejournals bei Ihrer Zahnmedizin up2date. Parodontologie 247 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung

Motivierende Gesprächsführung in der zahnärztlichenTherapie · em Namen sei. MI wäre eher als „evolution of client-centered counseling“ zu verstehen, unter Hervor-hebung der

  • Upload
    others

  • View
    4

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Einleitung

Karies und Parodontitis sind multifaktorielle Erkran-kungen, die durch genetische und umweltbedingteRisikofaktoren beeinflusst werden. Während die gene-tischen Ursachen derzeit nicht oder kaum beeinflusstwerden können, sind die umweltbedingten Faktorender Hauptansatzpunkt in der Therapie. Ein Großteil derumweltbedingten Faktoren wird durch das Verhaltendes Individuums bestimmt. So sind in der Kariesent-stehung die Menge und die Häufigkeit des Kohlen-hydratekonsums sowie die Qualität und Quantität derchemomechanischen Plaquekontrolle wichtige Ein-flussfaktoren. Im Falle der Parodontitisentstehungkommen neben der Mundhygiene noch weitere ent-zündungsmodulierende Faktoren hinzu, wie Rauchen,Ernährung, körperliche Aktivität, Stress, Adipositas,Blutzuckerkontrolle bei Diabetikern sowie das Wahr-nehmen des regelmäßigen Kontrollbesuchs beimZahnarzt im Rahmen der parodontalen Nachsorge [1].

Aufgrund der Bedeutung dieser verhaltensbedingtenFaktoren sollten in einer präventiv ausgerichteten undkausal-therapierenden zahnärztlichen Behandlung –

neben der restaurativen Therapie oder der mecha-nischen Belagentfernung – auch das Gesundheitsver-halten des Patienten adressiert werden. Die Fragen,welche Faktoren zum Entstehen der Erkrankung beim

individuellen Patienten dazu beigetragen haben undwelche Faktoren zukünftig moduliert werden können,sind dabei von wesentlicher Bedeutung. Die Technikdes Motivational Interviewing (MI, dt.: „Motivierende

Gesprächsführung“), die ursprünglich zur Therapie vonSuchterkrankten entwickelt wurde, hat sich dabei invielen Gesundheitsbereichen als nachweislich wirk-same Methode gezeigt, Gesundheitsverhalten positivzu beeinflussen [2,3]. Im Gegensatz zu der Annahme,dass Patienten nicht motiviert sind, wird im MI davonausgegangen, dass Patienten lediglich ambivalent ge-genüber dem problematischen Verhalten sind. Ineinem partnerschaftlichen Umgang wird diese Ambi-valenz mithilfe von MI empathisch erforscht und auf-gelöst. Der vorliegende Artikel soll einen allgemeinenÜberblick über die klinischeMethode des MI und derenAnwendung speziell im zahnärztlichen Setting geben.

Was ist MotivationalInterviewing?

Motivational Interviewing ist eine evidenzbasierteMethode der Kommunikation zur Förderung der Ver-änderungsbereitschaft. Die Gesprächsmethode des MIgeht auf die Arbeiten der PsychologenWilliam R. Millerund Stephen Rollnick zurück. Aufgrund der Unzufrie-denheit der Therapeuten mit der Wirksamkeit von

Motivierende Gesprächsführungin der zahnärztlichen TherapieJohan Wölber, Katrin Frick

Übersicht

Einleitung 247Was ist Motivational Interviewing? 247MI in der zahnärztlichen Therapie 259Fazit 265

Zahnmedizin up2date 3 Œ2014 Œ247–269 ŒDOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0033-1357922

Audio-Podcast online!

Sie finden den Audio-Podcast zu diesem Beitragunter www.thieme-connect.de/ejournalsbei Ihrer Zahnmedizin up2date.

Parodontologie 247El

ektr

onis

cher

Son

derd

ruck

zur

per

sönl

iche

n Ve

rwen

dung

konfrontativen Therapiemethoden in der Behandlungvon Suchterkrankten entwickelten Miller und RollnickAnfang der 1990er-Jahre eine Kommunikationsmetho-de, die einen personzentrierten Ansatz verfolgte. Auf-grund der besseren empirischen Ergebnisse dieser In-tervention im Vergleich zu konfrontativen Methodenwurden immer weitere Einsatzgebiete für MI gefundenund deren Wirksamkeit erfolgreich getestet. Über Sub-stanzmissbrauch und ‑abhängigkeit hinaus erwies sichdie Intervention als wirksam in vielen anderen verhal-tensabhängigen Gesundheitsbereichen und hinsicht-lich verschiedenster Outcome-Kriterien, z.B. [2–5]:n Diätplaneinhaltungn Gewichtn Blutdruckn HIV‑riskantes Verhaltenn Mundhygiene

In einem Review von Rubak et al. [3] zeigte sich dieWirksamkeit von MI in 74% der untersuchten 72 Stu-dien aus unterschiedlichen Anwendungsfeldern. Dabeiwurden gleichermaßen hohe Effekte für somatischewie auch psychische Störungen gefunden und dieWirksamkeit von MI schon bei kurzen Anwendungs-zeiten von 10–20 Minuten in 64% der Studien nach-gewiesen. Die Metaanalyse von 19 Studien im Rahmendieses Reviews zeigte signifikante Effekte in Bezug auf:n Body-Mass-Indexn Cholesterinwerten systolischen Druckn Blutalkohol

MI gilt inzwischen als State-of-the-Art-Basisinterven-tion in der Suchtbehandlung und fand Eingang in ein-schlägige Weiterbildungscurricula. Verschiedene An-wendungsmanuale und Arbeitsbücher stehen für dasSelbststudium zur Verfügung, für Forschungszweckegibt es ein auch für den deutschen Sprachraum adap-tiertes Messverfahren [6–9].

Merke: MI ist eine evidenzbasierte Gesprächs-

intervention, deren Wirksamkeit in verschiedenen

Anwendungsfeldern gesundheitsschädlichen Ver-

haltens nachgewiesen ist.

Miller u. Rollnick [8] definieren MI als eine klienten-zentrierte, direktive Methode der Kommunikation zurFörderung der intrinsischen Motivation für eine Ver-haltensänderung mittels der Erforschung und Auf-lösung von Ambivalenz. Neben dieser Hauptdefinitionbeschreiben die Psychologen die notwendige Einstel-lung und Grundhaltung (engl.: „spirit“) des Therapeu-ten dem Patienten gegenüber, um MI anwenden zu

können, sowie vier allgemeine Prinzipien und fünfBasisstrategien zur Umsetzung.

Merke: MI ist eine personzentrierte, direktive

Kommunikationsmethode zur Förderung intrin-

sischer Motivation für eine Verhaltensänderung

durch Exploration und Auflösung von Ambivalenz.

Personzentrierter Ansatz

Die Methode des MI fußt in weiten Teilen auf derklientenzentrierten Therapie des US‑amerikanischenPsychologen Carl Rogers [10]. Der klienten- oder per-sonzentrierte Ansatz basiert imWesentlichen aufEmpathie, positiver Wertschätzung und bedingungsloser

Akzeptanz dem Klienten gegenüber sowie auf Selbstkon-gruenz und Echtheit des Therapeuten. Diese Variablendes Therapeutenverhaltens haben sich empirisch alswirksam erwiesen. Das einfühlende Verstehen und diepartnerschaftliche therapeutische Beziehung stehen imZentrum des Ansatzes unter der Annahme, dass dieUnterstützung von Veränderungsprozessen überhaupterst in transparenter und vertrauensvoller Atmosphäreermöglicht wird, in der auch problematisches Verhal-ten akzeptiert und nicht verteidigt werden muss. Dietherapeutische Beziehung blieb auch in der jüngerenTherapieforschung der letzten zwei Jahrzehnte Gegen-stand des Forschungsinteresses und erwies sich als be-deutender globalerWirkfaktor und Outcome-Prädiktor[11]. Dazu kommt, dass die Empathie auch als einer derHauptwirkfaktoren im Rahmen der Psychotherapie ge-wertet wird [12].

Um Empathie auszudrücken, wandte Rogers das sog.aktive Zuhören an, eine Gesprächstechnik, in welcherder Therapeut dem Klienten durch offene Fragen undreflektierendes Zuhören im Gespräch unbestimmt(nondirektiv) folgt und zur Selbstreflexion anregt. Diedurch das einfühlende Verstehen gewonnenen Spiege-lungen verbalisieren vor allem emotionale Erlebnis-inhalte, ohne dem Klienten Interpretationen aus derDeutungswelt des Therapeuten aufzudrängen. Rogersverwendete den neutraleren Begriff „Klient“ statt„Patient“, um die negativen Konnotationen (Mehrdeu-tungen) des Begriffs zu vermeiden.

Wenngleich sich MI auf Erkenntnisse und methodischeBestandteile der personzentrierten Beratung beziehtund die gleiche humanistische und autonomieorien-tierte Grundhaltung teilt, betonen Miller u. Rollnick[13], dass MI nicht einfach eine „Reinkarnation“ derRogerʼschen klientenzentrierten Beratung unter neu-

Motivierende Gesprächsführung in der zahnärztlichen Therapie248

Zahnmedizin up2date 3 Π2014

Elek

tron

isch

er S

onde

rdru

ck z

ur p

ersö

nlic

hen

Verw

endu

ng

em Namen sei. MI wäre eher als „evolution of client-centered counseling“ zu verstehen, unter Hervor-hebung der Bedeutung und Nutzung spezifischer ver-änderungsrelevanter Klientenäußerungen, die im MIals Change-Talk benannt werden und später näher er-läutert werden.

n Direktiv und nondirektiv

Unter Direktivität lässt sich der Grad an Richtungs-bestimmung durch den Therapeuten beschreiben. ImGegensatz zum klassischen aktiven Zuhören nachRogers, bei dem nicht der Therapeut die Richtung desGesprächs vorgibt, sondern dieser dem Klienten non-direktiv (im Sinne von unbestimmt) folgt, führt im MIder Therapeut den Patienten in Richtung Ambivalenz-auflösung und Förderung der Veränderungsbereit-schaft. Im Gespräch reagiert der Therapeut bewusstund selektiv auf selbstmotivierende Patientenäuße-rungen in Richtung einer gesundheitsförderlichen Ver-haltensänderung und er versucht durch seine Fragen,solche Äußerungen hervorzulocken. Allerdingsbezieht sich im MI die Direktivität vor allem auf dieveränderungsrelevanten Äußerungen und Themen desGesprächs, ohne den Patienten zu bedrängen und eige-ne Werte oder Ziele vorzugeben oder gar Entscheidun-gen abzuverlangen.

n Beispiele der Direktivität im MI

Anbei ein paar Beispiele von Äußerungen des Zahnarz-tes, die die Richtung des Gesprächs direktiv lenken:n „Wäre das in Ordnung für Sie, wenn wir uns zum

Abschluss des Gesprächs einmal über das Rauchenunterhalten?“

n „Wie denken Sie zurzeit über Ihr Rauchverhalten?“n „Was sind denn die Vor- und Nachteile des Rauchens

aus Ihrer Sicht?“n „Mit der aktuellen Situation sind Sie nicht so glück-

lich –was hätten Sie denn gerne anders?“n „Angenommen, Sie entscheiden sich, am Rauchen

etwas zu ändern –wie könnte das aussehen?“

Ambivalenz

Eine Grundannahme im MI ist, dass jedes Verhalten alsambivalent betrachtet wird, also mit positiven und ne-gativen Begleiterscheinungen einhergeht. Ausdrückentut sich dies meist in Gedankenwie dass man eigentlich

etwas tun sollte, aber wiederum andere Gründe da-

gegen sprechen. So kann Joggen auf der einen Seiteverbunden sein mit:n körperlicher Fitnessn Stressabbaun körperlicher Attraktivitätn psychischemWohlfühlen

Auf der anderen Seite aber auch mit:n Anstrengungn Überwindungn KaufvonnotwendigemMaterial,z.B. Joggingschuhenn sich dem evtl. schlechten Wetter aussetzenn hoher Zeitaufwand

Diese Ambivalenz lässt sich metaphorisch als Waagedarstellen (Abb. 1). Falls das betreffende Verhalten nunregelmäßig durchgeführt wird, überwiegen das Ge-wicht der Argumente einer Seite bzw. die subjektiv ge-wichteten Argumente auf einer Seite und es erhöht dieWahrscheinlichkeit für das entsprechende Verhalten.Ziel im MI ist es, dass der Patient das betreffende Ge-sundheitsverhalten bezüglich seiner Vor- und Nachtei-le beleuchtet. Bei diesem Prozess werden die Patientenvom Therapeuten durch aktives Zuhören unterstütztund begleitet. Beide Seiten der Ambivalenz werden be-nannt und gehalten. Doch durch Hervorlocken undVerstärken veränderungsrelevanter Äußerungen wirddabei die Veränderungsseite gestärkt. Die intensiveAuseinandersetzung mit dem Für und Wider aus sub-jektiver Sicht lässt Diskrepanzen widersprüchlicherWerte und Ziele entstehen. Ambivalenz ist unange-nehm. Da eine bewusste Diskrepanz zwischen dem Ist-und dem Soll-Zustand besonders schwer auszuhalten

Nutzen einer Veränderung„Kosten“ des Status quo

Nutzen des Status quo„Kosten“ einer Veränderung

Abb. 1 Waagemodell der Ambivalenz. Jedes Verhalten wird durch den Patienten mit Vor-und Nachteilen bezüglich seiner Ausführung betrachtet und die Veränderungsseite durchMotivierende Gesprächsführung gestärkt (modifiziert nach [14]).

Parodontologie 249

Zahnmedizin up2date 3 Π2014

Elek

tron

isch

er S

onde

rdru

ck z

ur p

ersö

nlic

hen

Verw

endu

ng

ist, tendieren die Patienten zu einer Auflösung dieserAmbivalenz.

Merke: Ziel im MI ist es, dass der Patient das be-

treffende Gesundheitsverhalten bezüglich seiner

Vor- und Nachteile beleuchtet. Da eine bewusste

Diskrepanz zwischen dem Ist- und dem Soll-Zu-

stand besonders schwer auszuhalten ist, tendieren

die Patienten zu einer Auflösung dieser Ambiva-

lenz.

Das Modell einer Entscheidungswaage lässt sich beiBedarf einfach verwenden, um die Exploration anzu-stoßen. Ein auf einem Blatt grob skizziertes Vier-Fel-der-Schema kann es dem Patienten erleichtern, seinePro- und Kontraargumente zu sortieren und die Ge-wichtungen zu visualisieren. Auf der einen Seite – derdes Status quo – stehen alle Gründe, Ziele, Konsequen-zen, die für das alte Verhalten sprechen und im Felddarunter alle gegen das neue Verhalten. Auf der ande-ren, der Veränderungsseite werden im oberen Feld alleArgumente gegen das alte Verhalten notiert und darun-ter die für das neue Verhalten. Diese alte Technik hat fürsich genommen nichts mit MI zu tun, wie Miller u.Rollnick [13] betonen, kann jedoch gelegentlich hilf-reich sein, die Absichtsfindung anzustoßen – vor allembei Patienten zu Beginn der Absichtsfindung, wenn esim Gespräch nur zögerlich gelingt, Veränderungsargu-mente beim Patienten hervorzulocken.

Bei der Exploration der Status-quo-Seite und speziellder Vorteile gesundheitsschädlichen Verhaltens ist

allerdings auch Vorsicht geboten. Es ist zwar wichtig,die Funktionalität des problematischen Verhaltens zuverstehen, Hindernisse für eine Verhaltensänderung zuidentifizieren und zu reflektieren, es gilt jedoch zuvermeiden, dabei den „sustain talk“ (Beibehaltungs-

sprache) zu stark zu betonen und damit die Argumentefür den Erhalt des gesundheitsschädlichen Verhaltenszu verstärken.

n Widerstand und Change-Talk –die beiden Seiten der Ambivalenz

Miller u. Rollnick [8] beschreiben im MI verschiedenePatientenreaktionen, die in Zusammenhang mit derAuseinandersetzung der Ambivalenz stehen (Tab. 1).Eine mögliche Reaktion von Patienten ist dabei derWiderstand. Dieser umfasst nach Miller u. Rollnick alleÄußerungen des Patienten, die für das problematischeVerhalten sprechen, bzw. gegen das Gesundheitsver-halten oder auch Pessimismus gegenüber einer Verän-derung.

Merke: Widerstand ist meist auch Ausdruck einer

Dissonanz in der therapeutischen Beziehung.

Auf der anderen Seite zeigt das Auftreten von selbst-motivierenden Aussagen (= Change-Talk) eine Kon-sonanz der therapeutischen Beziehung. Change-Talkumfasst alle Aussagen des Patienten, die für einen Ver-änderungsprozess in Richtung Gesundheitsverhaltenoder Vermeidung des gesundheitsschädlichen Verhal-tens sprechen oder Optimismus bezüglich einer Ver-änderung ausdrücken. Zunächst einmal gilt es, Change-Talk zu erkennen und herauszuhören. Tab. 2 zeigt un-terschiedliche Beispiele von Change-Talk.

Merke: Change-Talk sind Patientenäußerungen,

mit denen sie ihre Gründe, Fähigkeiten, Zuversicht

sowie Bereitschaft und Absicht für eine Verände-

rung zum Ausdruck bringen.

Miller u. Rollnick [8] sehen Change-Talk und Wider-stand als „zwei Pole der Ambivalenz“ an. Das Verhältnisvon Widerstand und Change-Talk ist abhängig vomTherapeutenverhalten. Während ein konfrontativerGesprächsstil eher viel Widerstand und wenig Change-Talk provoziert, ruft MI umgekehrt mehr Change-Talkund weniger Widerstand hervor. Im Verfahrensver-gleich von MI und konfrontativen Methoden zeigte sichim Ein-Jahres-Outcome, dass Patienten umso mehrtranken, je mehr die Therapeuten konfrontiert hatten[15].

Tabelle 1

Kategorien von Widerstandsverhalten (nach [8]) und Beispiele vonPatientenäußerungen.

Verhalten Äußerung

Argumentieren(Patient greift dieExpertise des Arztes an)

Patient: „Ich bin dagegen, dass wir ein Antibiotikumbenutzen! Bakterien sind ja nicht nur schlecht.“

Patient: „Was Sie gesagt haben, hat gar nicht funktioniert.Ich habe zweimal am Tag geputzt und habe nun doch einLoch bekommen.“

Unterbrechen Der Patient fällt dem Arzt ins Wort.

Negieren(Patient zeigt Unwilligkeit,die Probleme zu erkennen)

Patient: „Am Rauchen können Sie auch nichts ändern.Schauen Sie sich Helmut Schmidt an! Der ist 90 undraucht immer noch.“

Ignorieren Der Patient ist unaufmerksam, hört nicht zu, antwortetnicht oder lenkt ab.

Motivierende Gesprächsführung in der zahnärztlichen Therapie250

Zahnmedizin up2date 3 Π2014

Elek

tron

isch

er S

onde

rdru

ck z

ur p

ersö

nlic

hen

Verw

endu

ng

Merke: Das Verhältnis von Widerstand und

Change-Talk ist abhängig vom Therapeuten-

verhalten.

Motivation

Nach Deci u. Ryan [16] lassen sich zwei Arten derMotivation unterscheiden:n intrinsische Motivationn extrinsische Motivation

Intrinsisch motivierte Verhaltensweisen werden umihrer selbst willen durchgeführt, da sie Spaß machenund/oder für das Individuum Sinn in ihrer Ausführungergeben. Im Gegensatz dazu werden extrinsisch moti-vierte Verhaltensweisen durchgeführt, um eine Beloh-nung zu erhalten oder einer Bestrafung vorzubeugen.Letztere Faktoren können starke Motivatoren sein, dasVerhalten hört jedoch in der Regel auf, wenn diesewegfallen.

MI zielt deswegen auf die Stärkung der intrinsischen

Motivation ab, um ein langfristig gesichertes Verhaltenzu unterstützen.

Merke: Voraussetzung zur Förderung eines intrin-

sisch motivierten Verhaltens ist die Wahrung der

Autonomie des Patienten, da Eigenmotivation nur

auf einem freiheitlichen Boden entstehen kann, der

auch gegenteiliges Verhalten zulässt.

Wesentlich hierbei ist, dass der Patient die Ziele im Ge-sundheitsverhalten selbst formulieren und bestimmenkann, und nicht von außen vorgegeben bekommt.

Im MI wird Motivation als Verhaltensbereitschaft undnatürlicher Vorgang verstanden, der sich jedoch durchgeschicktes Gesprächsverhalten fördern lässt. DerBehandelnde bzw. sein Gesprächsstil können dieMotivation maßgeblich und in beide Richtungen be-einflussen, d.h. je nach Gesprächsstil die Verän-derungsbereitschaft eher fördern oder hindern undüber Reaktanzphänomene zu einer Festigung des alten

Verhaltens beitragen. Miller u. Rollnick [8] heben auchdie besondere Bedeutung der Zuversicht und Selbst-wirksamkeitserwartung hervor. Die Überzeugung, sichändern zu können, wirkt motivierend.

Entgegen eines intuitiven Verständnisses vonMotiva-tion, dass dieses v.a. mit intentionalen Aspekten gleich-setzt, lohntessich,drei AspektederMotivationnäher zubetrachten (Abb. 2). Neben der Absicht, in der sich diesubjektiv empfundeneWichtigkeit einer Verhaltens-änderung spiegelt, sind nachMiller u. Rollnick [8] nochzweiweitere Bestimmungsstücke zu berücksichtigen:Diewahrgenommene Fähigkeit sowie die aktuelle Be-reitschaft, das Verhalten umzusetzen. Die Intention al-leine reicht nicht aus. Ein Patient kann beispielsweisevon der Notwendigkeit korrekterMundhygiene über-

Tabelle 2

Kategorien für das Auftreten von Change-Talk (nach [8]) und Beispiele vonPatientenäußerungen.

Kategorie Äußerung

Erkennen der Nachteile desderzeitigen Verhaltens

Patient: „Ich glaube, wenn ich so weiterrauche,dann verliere ich meine Zähne wirklich.“

Erkennen der Vorteileeiner Veränderung

Patient: „Wenn ich mit dieser intensiven Reinigungmeine Zähne retten kann, ist das doch eine lohnens-werte Sache.“

Zuversicht bezüglicheiner Veränderung (auch„Confidence-Talk“ genannt)

Patient: „Ich denke, das mit der Mundhygiene werdeich gut hinbekommen.“

Äußern einerVeränderungsabsicht

Patient: „Ich muss jetzt etwas ändern, das kann sonicht weitergehen!“

Absicht

BereitschaftFähigkeit

Absicht

BereitschaftFähigkeit

Abb. 2 Die dreiKomponenten derMotivation (nach[7]).

Übungsvorschlag

Change-Talk

Versuchen Sie, in Ihrem nächsten Patientengespräch

auf Change-Talk zu achten. Gelingt es Ihnen, ab und zu

Change-Talk zu identifizieren? Dies ist nicht immer

einfach und leicht zu überhören.

Parodontologie 251

Zahnmedizin up2date 3 Π2014

Elek

tron

isch

er S

onde

rdru

ck z

ur p

ersö

nlic

hen

Verw

endu

ng

zeugt sein und sie umsetzenwollen, doch bei geringerSelbstwirksamkeitserwartung (vielleicht aufgrundmissglückter Vorerfahrungen) und fehlender Zuver-sicht, dass ihm die Fertigkeiten auch gelingen und siesich erfolgreich in seinen Alltag integrieren lassen, wirder das gewünschte Verhalten vermutlich nicht zeigen.Doch auch die vorhandene Absicht und hohe Selbst-wirksamkeitserwartung sind noch kein Garant für eineVerhaltensänderung. Der Patient kann die Veränderungwollen und auch überzeugt sein, dass sie ihmgelingt(„Wenn ichmir was vornehme, dann schaffe ich dasauch!“), aber das Verhalten dennoch nicht umsetzen,wenn die aktuelle Bereitschaft fehlt, weil er beispiels-weise nicht so kurz vor dem Campingurlaub damit an-fangenwill. Der Aspekt der Bereitschaft ist eine Frageaktueller Prioritäten. In der Begleitung ist eswichtig,alle drei Motivationsaspekte zu explorieren.

MI‑Grundhaltung

UmMI anwenden zu können, bedarf es einer entspre-chenden Grundhaltung („spirit“) des Therapeuten demPatienten gegenüber (Abb. 3). Dazu gehören:

n Wahren der Autonomie des Patientenn Partnerschaftlichkeitn Evokation (Hervorlocken individueller Verän-

derungsziele, anstatt sie autoritär vorzugeben)

Es ist zentraler Bestandteil von MI, dass der Patient dieZiele im Gesundheitsverhalten selbst formulieren undbestimmen kann und nicht von außen vorgegeben be-kommt.

Um diese Grundhaltung besser verstehen zu können,sollen im Folgenden die einzelnen Begriffe nähererläutert werden.

n Autonomie

Die Wahrung der Autonomie des Klienten und eineentsprechende Einstellung des Therapeuten sind vongrundlegender Bedeutung in der Anwendung von MI.Dies kann für Ärzte und Zahnärzte ein manchmalschwierig auszuhaltendes Verhalten sein, falls Patien-ten eine gesundheitsschädliche Absicht äußern odereine nur geringe Adhärenz (damals: Compliance) zei-gen, und hat natürlich Grenzen, falls suizidale Absich-ten geäußert werden oder Dritte gefährdet sind.

Über Ziele, Art und Ausmaß von Verhaltensänderungenentscheiden Patienten jederzeit selbst. Die Verantwor-tung für das gesundheitsrelevante (potenziell gesund-heitsschädliche oder ‑förderliche) Verhalten bleibtstets beim Patienten. Aufgabe von MI anwendendenBehandlern ist es, Patienten beim Prozess in Richtunggesundheitsförderlicher Verhaltensänderungen zu un-terstützen und nicht, die Änderung zu forcieren.

Für intrinsisch motiviertes Gesundheitsverhalten undeine partnerschaftliche Arzt-Patienten-Beziehung istdie Patientenautonomie wesentliche Voraussetzung,denn eine Einschränkung der Autonomie mündet oft inReaktanz (im Sinne einer menschlichen Abwehrreak-tion) und Widerstand. Umgekehrt kann es sehr hilf-reich sein, die Patientenautonomie explizit zu betonen,falls der Patient Widerstand äußert (Tab. 3).

Merke: Die Wahrung der Autonomie des Klienten

und eine entsprechende Einstellung des Thera-

peuten sind von grundlegender Bedeutung in der

Anwendung von MI.

Tabelle 3

Autonomieorientierung. Äußerungen, bei denen die Patientenautonomieunterschiedlich tangiert wird.

Gesprächsbeispiel Kommentar

ZA: „Sie müssen besser putzen, sonstwerden Sie alle Ihre Zähne verlieren!“

Pat.: „Na klasse, dann ist es endlichvorbei mit den Problemen!“

Der Zahnarzt gibt direktiv eine Verhaltens-weise vor und schränkt die Patienten-autonomie ein. Der Patient reagiert mitReaktanz und Widerstand.

ZA: „Rauchen Sie?“

Pat.: „Ja, aber fangen Sie bloß nicht an,darüber mit mir reden zu wollen!Das hat keinen Sinn!“

ZA: „Es liegt absolut nur bei Ihnen,ob Sie rauchen oder mit dem Rauchenaufhören wollen.“

Der Zahnarzt fragt nach einer für denPatienten problematisch empfundenenVerhaltensweise. Nachdem der Patientmit Widerstand reagiert, betont derZahnarzt die Autonomie.

ZA = Zahnarzt; Pat. = Patient

MI-Grundhaltung

Autonomie-orientierung

Partnerschaft-lichkeit

Evokation

Abb. 3 Die drei Grundhaltungen der Motivierenden Gesprächsführung.

Motivierende Gesprächsführung in der zahnärztlichen Therapie252

Zahnmedizin up2date 3 Π2014

Elek

tron

isch

er S

onde

rdru

ck z

ur p

ersö

nlic

hen

Verw

endu

ng

n Partnerschaftlichkeit

Im Gegensatz zu einer paternalistischen Therapeut-Patient-Beziehung, die in ihrem Ansatz auf dem Hip-pokratischen Eid fußt und besagt, dass allein der Arztdie notwendige Entscheidung trifft, basiert MI auf einerpartnerschaftlichen Therapeut-Patient-Beziehung. Indieser Partnerschaft wird der Patient auf gleicher Au-genhöhe und als gleichberechtigter Partner betrachtet.Der Arzt oder Therapeut gilt dabei als professionellerGesundheitsexperte, der dem Patienten in Bezug aufdessen Therapie unterstützend zur Seite steht. DerTherapeut versucht, eine positive, empathische Atmo-sphäre herzustellen, die einen Veränderungsprozessunterstützen kann.

n Evokation

Verhaltensziele, die durch den Patienten selbst geäu-ßert werden, werden häufiger auch umgesetzt undeingehalten. Vor dem Hintergrund der Autonomie undPartnerschaftlichkeit zielt MI darauf ab, dass der Pa-tient seine möglichen Verhaltensziele selbst formuliertund diese nicht durch den Therapeuten vorgegebenbekommt. Gründe und Motive für und gegen konkreteVerhaltensweisen sind keine Allgemeinplätze, sondernabhängig vom individuellen Wertesystem der Patien-ten. Auch deshalb ist es sinnvoll, die Äußerung solchsubjektiver Einstellungen zu evozieren (= hervor-zulocken), anstatt etwas vorzugeben oder gar vor-zuschreiben. Dies ist neben der Patientenautonomieein für Zahnärzte oftmals schwer einzuhaltendes Ziel,da es im engen zeitlichen Rahmen des Praxisalltags vielschneller geht, dem Patienten die Verhaltensziele di-rektiv aufzutragen. Betrachtet man allerdings die em-pirischen Ergebnisse der psychologischen Forschung,haben diese direktiven Vorgaben und ärztlichen Rat-schläge zwar gewisse positive Effekte [15], allerdings innur wesentlich geringerem Maße als patientenformu-lierte Ziele. Im Rahmen von MI können Verhaltenszieleund Change-Talk durch offene Fragen und geschicktes

Reflektieren evoziert werden (Tab. 4).

MI‑Prinzipien

Basierend auf der MI‑Grundhaltung folgt MI vierGrundprinzipien und allgemeinen Interventionen(Abb. 4).

n Ausdrücken von Empathie

Die Bedeutung von Empathie ist eng verbunden mitden personzentrierten Wurzeln von MI und wurdeeingangs auch im Zusammenhang mit den Implikatio-nen für das Therapie-Outcome hervorgehoben. Empa-thisches Zuhören und einfühlendes Verstehen ist auchim MI ein zentrales Element und prägt jede Ge-sprächssituation. Hierbei ist nicht notwendig, gleicherMeinung mit dem Patienten zu sein, sondern lediglich,

Tabelle 4

Evokation. Gesprächsbeispiele für das Evozieren von Gesundheitszielen imGegensatz zur direktiven Vorgabe des ärztlichen Ratschlags. Im Falle derdirektiven Vorgabe ist besonders die Kürze der Gesprächssequenz auffal-lend, sowie der geringe Grad an Information, den der Therapeut über denPatienten erfährt. Probleme in der Durchführung werden unter Umstän-den dadurch nicht erfasst.

Evokation von Verhaltenszielen direktives Vorgeben vonZielen durch den Arzt

ZA: „Wenn ich Sie fragen darf, wie betreiben Sie dennmomentan Mundhygiene?“

Pat.: „Ja, also Zähneputzen machʼ ich zweimal am Tag.“

ZA: „Prima. Wie schaut es bei Ihnen mit der Zahn-zwischenraumreinigung aus?“

Pat (zögerlich): „Ja, das ist so eine Sache. Das machich vielleicht einmal in der Woche.“

ZA: „Einmal in der Woche. Das ist doch schon einsuper Anfang.“

Pat.: „Ja, ich müsste eigentlich mehr, oder?“

ZA: „Ja, also empfohlen ist es, die Zahnzwischenräumeeinmal täglich zu reinigen. Aber ich weiß ja nicht,ob das bei Ihnen machbar wäre.“

Pat.: „Täglich wird wahrscheinlich schwierig, aber soalle zwei Tage wäre wahrscheinlich schon drinne!“

ZA: „Alle zwei Tage! Das finde ich klasse, dass Sie sichda steigern wollen!“

ZA: „Sie müssen zweimaltäglich putzen und einmalam Tag die Zahnzwischen-räume reinigen.“

ZA = Zahnarzt; Pat. = Patient

Übungsvorschlag

Grundhaltung

Versuchen Sie beim nächsten Patientengespräch einmal, auf die gesamte

Interaktionsatmosphäre zu achten:n Wie partnerschaftlich wirkt das Gespräch auf Sie – eher wie ein Tanz oder

wie Tauziehen?

n Fühlen Sie sich selbst eher entspannt oder unter Druck?n Was fällt Ihnen beim Patienten auf?

Parodontologie 253

Zahnmedizin up2date 3 Π2014

Elek

tron

isch

er S

onde

rdru

ck z

ur p

ersö

nlic

hen

Verw

endu

ng

sich in ihn hineinzuversetzen und einzufühlen. Empa-thie drückt sich verbal und nonverbal aus. Verbal wirdsie über die weiter unten beschriebene Basisstrategiedes aktiven Zuhörens oder auch Reflektierens aus-gedrückt.

n Entwicklung von Diskrepanzen

Bei aller Akzeptanz und Autonomieorientierung ist MIein direktives Verfahren und zielt auf die Förderunggesundheitsförderlicher Verhaltensänderungen. Auf-grund der kognitiven Dissonanz wächst die Bereit-schaft zur Ambivalenzauflösung in Richtung Verhal-tensänderung mit zunehmender Diskrepanz zwischenaktuellem Verhalten und wichtigen subjektiven Zielenund Werten, die mit dem alten Verhalten imWider-spruch stehen. Im MI wird deshalb versucht, solchewahrgenommenen Diskrepanzen zu erzeugen bzw. zuverstärken. Dies geschieht über die Exploration derAmbivalenz. Wichtig ist hierbei, sich stets an den per-sönlichen Werten und Zielen des Patienten zu orien-tieren und nicht an vermuteten Diskrepanzen, die viel-leicht dem Therapeuten plausibel erscheinen, für denPatienten und dessen individuelles Wertesystem je-doch keine Bedeutung haben.

n Umlenkung von Widerstand

In mehreren Studien konnten Miller u. Rollnick [8] auf-zeigen, dass das Auftreten von Widerstand aufseitendes Patienten mit einer geringeren positiven Verände-rung korreliert war. Nicht zuletzt aus diesem Grundezielt das Gesprächsverhalten darauf, Widerstand mög-lichst zu vermeiden oder zu minimieren. Von daherwird im Gespräch auftretender Widerstand als wichti-ges Signal aufgenommen und versucht, diesen umzu-lenken.

Merke: Widerstand wird im MI nicht mit Wider-

stand begegnet.

Im Gespräch ist Widerstand ein Zeichen von Dissonanzund einer interaktionellen Störung, die signalisiert, an-ders zu reagieren und das Gesprächsverhalten zu ver-ändern. Im Zweifelsfall hilft es zu reflektieren (s.Kap.„MI‑Basisstrategien“). Mitunter kann es sinnvoll sein,explizit die Wahl- und Entscheidungsfreiheit zu beto-nen (Tab. 4). Weitere Möglichkeiten eines „geschmei-digen Umgangs mit Widerstand“ [14] ist das Reframing

oder die Zustimmung mit einer Wendung. Noch besserals darauf zu reagieren ist die Vermeidung von Wider-stand auslösendem Verhalten. Wie bereits erläutert, istdas Ausmaß an Widerstandsverhalten abhängig vomTherapeutenverhalten. Ein bevormundendes Thera-peutenverhalten löst beim Patienten besonders leichtWiderstand aus und ist daher zu vermeiden. Miller undRollnick [8] nennen in diesem Zusammenhang sechsBevormundungsarten, die möglichst vermieden wer-den sollten:n für eine Veränderung argumentierenn Expertenrolle einnehmenn kritisieren, beschämen oder Schuld zuweisenn etikettierenn in Eile seinn Vorrang beanspruchen

MI-Prinzipien

Ausdrückenvon Empathie

Entwicklung vonDiskrepanzen

Umlenkungvon Widerstand

Förderung vonSelbstwirksamkeit

Abb. 4 Die vier Grundprinzipien der Motivierenden Gesprächsführung.

Übungsvorschlag

Widerstand

Versuchen Sie, auf die nachfolgende Patientenäußerung

jeweils eine Antwort zu finden, die versuchtn zu argumentieren

n zu belehren

n durch empathisches Reflektieren Widerstand zu

vermeiden

Wie ist Ihre Vermutung der Patientenreaktion auf die

drei Varianten?

Patient: „Morgens in der Hektik vor der Arbeit und bis

die Kinder endlich raus zur Schule sind, da habʼ ich echt

keine Zeit, mir noch lang die Zähne zu putzen!“

Motivierende Gesprächsführung in der zahnärztlichen Therapie254

Zahnmedizin up2date 3 Π2014

Elek

tron

isch

er S

onde

rdru

ck z

ur p

ersö

nlic

hen

Verw

endu

ng

Wenn dies nicht möglich ist (wie im Falle der Eile) kannes helfen, diese transparent zu benennen und z.B. eineweitere Terminoption anzubieten.

Cave: Widerstand nicht mit Widerstand begegnen!

Das Auftreten von Widerstand ist ein Signal, etwas

im Gesprächsverhalten zu verändern.

n Förderung von Selbstwirksamkeit

Wie bereits erwähnt ist die Selbstwirksamkeitserwar-tung einwesentliches Element der Motivation. Je höherdie Selbstwirksamkeitserwartung von Patienten hin-sichtlich eines bestimmten Verhaltens ist, desto höherist auch die Wahrscheinlichkeit für den Erfolg der Ver-haltensänderung [17]. Patienten, die zuversichtlichsind, dass es ihnen gelingt, mit dem Rauchen aufzuhö-ren, sind erfolgreicher als Patienten, die Zweifel haben,ob sie es schaffen können [18].

Merke: Die Selbstwirksamkeitserwartung zu för-

dern ist daher zielführend und ein fester Bestand-

teil des MI.

Die Selbstwirksamkeitserwartung wird auch von bis-herigen Erfahrungen mit zurückliegenden Versuchen,dieses oder ein ähnliches Verhalten zu ändern, beein-flusst. Es kann also hilfreich sein, bei geringer Selbst-wirksamkeitserwartung frühere Erfolge oder ggf. auchallgemeine Ressourcen im Gespräch zu explorieren,diese zu erfragen und zu reflektieren.

MI‑Basisstrategien

Nach der Erläuterung der Grundhaltung, Ziele undMI‑Prinzipien stellt sich nun die Frage, wie sich all daskonkret im Gespräch umsetzen lässt. Hierzu gibt es fünfBasisstrategien (Abb. 5), die nachfolgend anhand vonBeispielen erklärt werden.

n Offene Fragen

Offene Fragen lassen sich im Gegensatz zu geschlosse-nen Fragen nicht nur mit Ja oder Nein beantworten.Dadurch laden sie zur Exploration ein, fördern denGesprächsfluss bzw. den Anteil des Patienten am Ge-spräch und geben ihm die Möglichkeit, bestimmte An-liegen breiter auszuführen. Die berufliche Sozialisationin der Medizin fördert meist einen von geschlossenenFragen geprägten Gesprächsstil. Geschlossene Fragenbremsen jedoch den Gesprächsfluss und dienen demschnellen Erfassen von wichtigen Fragen oder Ent-scheidungen, wie es eher in Notfallsituationen an-gebracht ist als im motivierenden Gespräch, das aufVerhaltensänderung zielt (Tab. 5). Für MI liegt derHauptfokus auf den Patientenaussagen, wodurchhauptsächlich offene Fragen zum Einsatz kommen.

Cave: Vermeiden Sie zu viele Fragen, vor allem

geschlossene!

n Reflektieren/aktives Zuhören

Reflexionen sind verbale Wiedergaben von verbalenund nonverbalen Äußerungen und erfüllen im Ge-spräch vielfältige Funktionen. Dabei kann die Reflexiondieselben verwendeten Worte des Patienten beinhal-ten oder den inhaltlichen Sinn in anderen Worten aus-drücken.

MI-Basisstrategien

offeneFragen

aktives Zuhö-ren/reflektieren

bestätigen/würdigen

zusammen-fassen

Change-Talkhervorrufen

Abb. 5 Die fünf Basisstrategien der Motivierenden Gesprächsführung.

Tabelle 5

Beispiele für geschlossene und offene Fragen.

Geschlossene Frage Offene Frage

„Putzen Sie zweimal am Tag die Zähne?“ „Wie betreiben Sie aktuell Mundhygiene?“

„Kommen Sie mit der Diabetestherapiezurecht?“

„Wie kommen Sie mit der Diabetestherapiezurecht?“

„Rauchen Sie?“ „Was denken Sie über das Rauchen?“

Parodontologie 255

Zahnmedizin up2date 3 Π2014

Elek

tron

isch

er S

onde

rdru

ck z

ur p

ersö

nlic

hen

Verw

endu

ng

Durch das Reflektierenn hört der Patient seine Aussage noch einmal und

kann diese neu bewerten,n erfährt der Patient eine Wertschätzung dadurch,

dass die Bedeutung des Gesagten erhört wird und sowichtig war, dass der Arzt sie wiederholt,

n fühlt der Patient sich verstanden („Der Arzt hört mirwirklich zu“),

n kann der Therapeut zu einem besseren Verständnisder Inhalte kommen.

Bei den Reflexionen lassen sich einfache von komple-xen Reflexionen unterscheiden (Tab. 6). Die kleinsteForm der Reflexion ist das sog. Echoing, die Wieder-holung eines Wortes oder eines Wortfragments. DasEchoing dient eher als eine Art Gesprächsverstärker,dass der Gesprächspartner gehört wurde. Der Patientwird damit zumWeiterreden ermutigt.

Die einfache Reflexion fügt dem Gesagten wenig oderkeine neuen Informationen hinzu, während komplexe

Reflexionen Gefühle und Einstellungen besonderer Be-deutung spiegeln. Es ist auch möglich, dem Gesagtendurch Verschieben des Schwerpunkts ein erheblichesMaß an Bedeutung oder Gewichtung hinzuzufügen.

Eine geschickte Möglichkeit, beide Seiten der Ambiva-lenz zu spiegeln, ist die doppelseitige Reflexion, in derzuvor geäußerte ambivalente Positionen in einer Ge-samtreflexion zusammenfasst werden. Eine weitereForm ist die sog. überzogene Reflexion, eine stark über-spitzte Wiedergabe von Gesprächsinhalten, mit demZiel, eine Auseinandersetzung mit der Ambivalenz zuprovozieren und ggf. Change-Talk in Richtung der an-deren Ambivalenzseite anzuregen.

Cave: Bei der überzogenen Reflexion ist die akzep-

tierende Haltung besonders wichtig und es sollte

unbedingt vermieden werden, dass eigene Wer-

tungen oder gar ein ironischer Unterton mit-

schwingen.

n Bestätigung/Würdigung

Direkte Anerkennung gegenüber dem Patienten aus-zudrücken bzw. konkrete Verhaltensweisen und Leis-tungen anzuerkennen ist eine weitere Basisstrategie imMI. Bestätigungen fördern die positive Beziehung undverstärken die Exploration. Besondere Bedeutung ge-winnen solche anerkennenden Würdigungen anläss-lich kleiner Erfolge der Selbstüberwindung, wenn einPatient z.B. trotz Scham über den schlechten Zahn-zustand oder Erwartung einer aversiven Behandlungbeim Zahnarzt erscheint. Das Erscheinen als Erfolg zuattribuieren kann selbstwirksamkeits- und adhärenz-förderlich wirken.

n Zusammenfassungen

Zusammenfassungen sind genau genommen eineKombination verschiedener, oft komplexer Reflexio-nen. Indemwesentliche Inhalte und Change-Talk nocheinmal zusammenfassend angeboten werden, werdendiese verstärkt. Gleichzeitig wird eine Überprüfung er-möglicht, ob der Therapeut den Patienten richtig ver-standen hat, bzw. Gelegenheit zur Korrektur und wei-teren Exploration gegeben. In einer Zusammenfassung

Übungsvorschlag

Aktives Zuhören

Versuchen Sie, im Gespräch mit einem „einfachen“

Patienten das aktive Zuhören auszuprobieren. Gelingt

es Ihnen, auf einige der Äußerungen mit einer Reflexion

anstatt einer Frage zu reagieren?

Tabelle 6

Beispiele unterschiedlicher Arten von Reflexionen.

Reflexion Beispiel

einfache Reflexion Pat.: „Wissen Sie, Herr Doktor, wenn ich abends nach Hausekomme, habe ich so überhaupt keine Energie mehr, mir noch10 Minuten Zeit fürs Zähneputzen zu nehmen.“

ZA: „Wenn Sie abends nach Hause kommen, fehlt Ihneneinfach die Energie zur Mundhygiene.“

komplexe Reflexion Pat.: siehe oben

ZA: „Sie sind abends total erschöpft und haben dann keineLust mehr.“

doppelseitige Reflexion Pat.: siehe oben

ZA: „Auf der einen Seite sind Sie abends nach der Arbeit totalerschöpft und alles ist zu anstrengend. Auf der anderen Seitewürden Sie schon gerne was für Ihre Zähne tun und sich dafürZeit nehmen können.“

überzogene Reflexion Pat.: „Ach ja, wissen Sie, bei uns in der Familie haben wireinfach schlechtes Zahnmaterial.“

ZA: „Sie können überhaupt nichts für den Zustand IhrerZähne.“

ZA = Zahnarzt; Pat. = Patient

Motivierende Gesprächsführung in der zahnärztlichen Therapie256

Zahnmedizin up2date 3 Π2014

Elek

tron

isch

er S

onde

rdru

ck z

ur p

ersö

nlic

hen

Verw

endu

ng

lassen sich Äußerungen reframen, d.h. in einen ande-ren Zusammenhang stellen oder den Schwerpunktverschieben.

n Förderung von Change-Talk

Im Rahmen des MI gilt es, diesen Change-Talk hervor-zurufen und zu fördern. Das heißt demnach auch, dassder Hauptgesprächsanteil beim Patienten liegen sollte.Der vom Patienten geäußerte Change-Talk wirkt alsMotivationsverstärker und selbstverpflichtend. Es gehtfür den Patienten darum, sich mit eigenen Argumentenin die Veränderung sozusagen hineinzureden. Grund-sätzlich wirkt Reflektieren generell Change-Talk-för-dernd und ruft selbstmotivierende Äußerungen hervor.

Auch die Exploration von Selbsteinschätzungen aufimaginierten oder skizzierten Skalen kann Change-Talkfördern.

Zwei wichtige Faktoren innerhalb des Ambivalenz-modells sind:n Wichtigkeit/Dringlichkeitn Zuversicht

Es bietet sich an, diese Dimensionen anhand einer Ska-la zu klären, um ein Bild von der Veränderungsabsichtder Person zu bekommen und gleichzeitig Change-Talkhervorzurufen. Die Dringlichkeit lässt sich beispielhaftmit der Frage „Wie dringend ist es für Sie zu…?“ erfra-gen und auf einer Skala von 0 (überhaupt nicht wichtig)bis 10 (extremwichtig) zu markieren. Die Zuversicht

lässt sich dementsprechendmit der Frage „Falls Sie sichschon für … entschieden hätten: Wie zuversichtlichsind Sie, dass…?“ erfassen. Die Frage nach der Zuver-sicht ist deshalb anders formuliert, um nicht einer Per-son die Entscheidung vorwegzunehmen. Falls der Pa-tient gar nicht die Absicht besitzt, mit dem Rauchenaufzuhören, wäre die Frage nach der Zuversicht ziem-lich verstörend.

Bei der Verwendung solcher Ratings ist nicht der abso-lute Wert von Interesse, sondern die Möglichkeit, aufBasis dieser Selbsteinschätzung durch weiteres explo-rierendes Befragen Change-Talk hervorzurufen. Hierzukann der Patient beispielsweise gefragt werden, warumer den Wert x und nicht Null gewählt hat. Auf dieseFrage reagiert der Patient in der Regel mit Change-Talk,also individuellen Begründungen, wieso er sich sichersei, jenes Verhalten anzustreben oder auch zu erzielen.

Cave: Beim Einsatz von Selbsteinschätzungsskalen

geht es nicht um die Erhebung absoluter Werte,

sondern um den in der Exploration des Ratings

hervorgerufenen Change-Talk.

Zuversichtsäußerungen (Confidence-Talk) als Sonder-form des Change-Talk lassen sich auch durch Explora-tion früherer erfolgreicher Veränderung anderer Ver-haltensweisen hervorlocken und verstärken. Auch einallgemeines Brainstorming zu hilfreichen Ideen bei derUnterstützung der Veränderungsumsetzung und derenReflexion lässt sich nutzen, um Confidence-Talk zu un-terstützen. Bei lähmendem Fokus auf Schwierigkeitenund Hindernisse kann ein hypothetischer Blick hilf-reich sein, unterstützende Faktoren zu identifizierenund so die Zuversicht zu stärken. Dafür wird der Patientermuntert, so zu tun, als ob die Veränderung schon ge-lungen und die Hindernisse überwunden wären, umdann hypothetisch auf die dabei hilfreichen Faktorenzurückzuschauen.

Kommunikationsfallen

Eine mögliche Kommunikationsfalle, die Frage-Ant-

wort-Falle, resultiert aus dem zu häufigen Stellen vongeschlossenen Fragen. Des Weiteren sollte in der Kom-munikation mit Patienten unbedingt vermieden wer-den, aus einer Expertenrolle heraus belehrende Argu-mentationen anzubieten. Nicht nur aufgrund derPrinzipien der Partnerschaftlichkeit und Evokationsollte der Therapeut nicht für das Gesundheitsziel ar-gumentieren, sondern auch aufgrund der Ambivalenzdes Verhaltens. Wenn jedes Verhaltenmit persönlichenVor- und Nachteilen belegt ist, führt ein einseitiges Ar-gumentieren des Therapeuten für eine Seite zum aus-gleichenden und kontraproduktiven Argumentierenfür die andere Seite. Dies nennt man die Falle des „Par-teiergreifens“; es erinnert im Gespräch an ein verbalesTauziehen. Direkt daran anknüpfend beschreibt dieExpertenfalle (Tab. 7) eine übereifrige Lösungsorientie-rung, die den Patienten mit vielen gut gemeinten, pro-fessionell fundierten Lösungsvorschlägen und Angebo-ten überfährt [8].

Cave: Vermeiden Sie es, belehrend für Ihren ärzt-

lichen Ratschlag zu argumentieren – Argumente

provozieren Gegenargumente!

Parodontologie 257

Zahnmedizin up2date 3 Π2014

Elek

tron

isch

er S

onde

rdru

ck z

ur p

ersö

nlic

hen

Verw

endu

ng

Zwei Phasen im MI

Förderung und Aufbau der intrinsischen Motivationsind Gegenstand der ersten Phase des MI, in der dieAmbivalenzexploration während der Absichtsbildungim Mittelpunkt steht und die individuelle Wichtigkeitund Zuversicht bezüglich einer Verhaltensänderunggeklärt wird. Wenn die Ambivalenz dann kippt undVeränderungsbereitschaft signalisiert wird, gilt es, dieSelbstverpflichtung zur Veränderung zu verstärken,was nach Miller und Rollnick [8] die zweite Phase vonMI darstellt.

Im Übergang von Phase eins zu Phase zwei erweisensich Zusammenfassungen als hilfreich, die das Für undWider der Ambivalenz sowie wesentlichen Change-Talk und Zuversichtsäußerungen des Patienten zusam-menfassen. Über die bekannten Strategien der erstenPhase hinaus können nun noch weitere Strategien zurAnwendung kommen, um Selbstverpflichtungen zufördern und zu verstärken. Eine Möglichkeit sindSchlüsselfragen nach den nächsten Schritten oder Op-tionen, die Antworten werden dann in gewohnter Art

reflektiert. In dieser Phase ist auch die Bereitstellungvon Informationen und Empfehlungen unter Achtungder Autonomie denkbar, wenn Sie vom Patienten da-rum gebeten werden oder um Erlaubnis bitten, solcheVorschläge anzubieten.

Zentraler Gegenstand der zweiten Phase ist die Verein-barung eines Veränderungsplans. Es geht also nichtmehr um das Ob, sondern um dasWie undWas genau.In einem partnerschaftlichen Klärungsprozess werdenkonkrete Ziele erarbeitet und verschiedene Optionenzur Umsetzung beispielsweise in einem Brainstormingzusammengetragen und ausgewählt. Von besondererWichtigkeit ist auch hier die Wahrung der Autonomie

und eigenständige Formulierung der Ziele und Umset-zungspläne durch den Patienten, die in der Begleitungdurch Reflektieren und Zusammenfassungen verstärktwerden. Auch hier geht es nicht darum, Ziele und Pro-blemlösungen vorzugeben, sondern zu evozieren undzu verstärken. Äußerungen von Selbstverpflichtung

zum individuellen Veränderungsplan beenden diezweite MI‑Phase.

Merke: In der ersten Phase der Absichtsbildung

steht der Aufbau intrinsischer Motivation durch

Exploration von Ambivalenz, Wichtigkeit und Zu-

versicht im Mittelpunkt. Die zweite Phase zielt auf

einen Veränderungsplan und die Verstärkung der

Selbstverpflichtung.

In der Begleitung ist es allerdings wichtig zu wissen,dass auch nachdem ein Entschluss gefasst und ersteSchritte ins neue Verhalten ausprobiert wurden, Ambi-valenz auftreten kann. Diese wird dann in ebenso em-pathischer Grundhaltung begleitet wie in der erstenPhase, um die Motivation zu festigen bzw. erneut auf-zubauen.

Merke: Letztendlich kann Ambivalenz jederzeit

nach erfolgreicher Verhaltensänderung erneut auf-

treten, und Rückfälle in alte Verhaltensmuster sind

keine Seltenheit.

Doch auch hier lässt sich MI wieder erfolgreich an-wenden, um Motivation erneut zu fördern.

Tabelle 7

Partei ergreifen und Expertenfalle. Auf jede belehrende Aussage desZahnarztes, die nur eine Ambivalenzseite betont und explizit für eineVerhaltensänderung plädiert, reagiert der Patient mit einem aus-gleichenden, gegenteiligen Argument.

Beispiel Falle

ZA: „Sie sollten das Rauchen wirklich aufgeben.Das wird Sie die Zähne kosten!“

Pat.: „Ja, aber das ist nicht so einfach.Ich habʼs schon mehrmals probiert.“

Partei ergreifen

ZA: „Die Zähne sollten ein wichtiger Grund für Sie sein!“

Pat.: „Naja, Lungenkrebs wäre für mich schlimmer.“

Belehrung/Partei ergreifen

ZA: „Das Allerwichtigste ist, dass Sie jetzt endlichanfangen, die Zähne wie empfohlen zu putzen.Sonst können Sie sich die Therapie sparen!“

Pat.: „Ich bin Fernfahrer! Wie soll ich das auf denTouren machen?“

Expertenfalle

ZA: „Ihnen wird was einfallen müssen, wenn SieIhre Zähne retten wollen.“

Pat.: „Na klasse, dann kann ich meinen Job anden Nagel hängen.“

Partei ergreifen

ZA = Zahnarzt; Pat. = Patient

Motivierende Gesprächsführung in der zahnärztlichen Therapie258

Zahnmedizin up2date 3 Π2014

Elek

tron

isch

er S

onde

rdru

ck z

ur p

ersö

nlic

hen

Verw

endu

ng

MI in der zahnärztlichen Therapie

Wozu wäre MI im zahnärztlichen Rahmen nun sinnvollanzuwenden? Wie in der Einleitung erwähnt, sind diePrävention und die Therapie oraler Erkrankungen zumTeil stark verhaltensabhängig und damit gut geeignet,MI zu adressieren.

Die Anwendung von MI lässt sich erfahrungsgemäßnicht einfach 1:1 aus dem psychologischen Setting indas zahnärztliche Umfeld übertragen, bietet aber ineinem klar abgegrenzten Rahmen eine gute Möglich-keit, verhaltensbedingte Faktoren in der zahnärztlichenTherapie zu beeinflussen. Im Folgenden sollen die der-zeit verfügbare Evidenz für den zahnmedizinischenEinsatz, die praktischen Einschränkungen und diemöglichen Anwendungsfelder in der zahnärztlichenTherapie beleuchtet werden.

Derzeitiger Evidenzgrad zum Einsatzvon MI in der Zahnmedizin

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die derzeitigeEvidenz für die Wirksamkeit von MI in der Zahnmedi-zin noch gering ausfällt [19]. In einer Metaanalyse vonLundahl et al. [20] aus der Arbeitsgruppe um StephenRollnick wurde allerdings speziell auch der zahnmedi-zinische Bereich als vielversprechendes Einsatzgebiethervorgehoben, wie auch schon in einer Übersichts-arbeit von Renz et al. [21] erwähnt wurde. Die meistenpositiven Studien kommen aus dem Bereich der Prä-vention der frühkindlichen Karies, bei welchen MI imGespräch mit den Eltern eingesetzt wurde [22,23], undaus der Mundhygieneförderung von Erwachsenen[4,24]. In einer qualitativ gut durchgeführten Studievon Stenman et al. [25] konnte demgegenüber kein zu-sätzlicher Effekt des MI gefunden werde. Dabei ist zubeachten, dass – anders als in den Studienmit positivenErgebnissen –MI hierbei einmalig durch einen Psycho-logen und nicht durch einen zahnmedizinischenExperten angewandt wurde. Aus eigenen Studien-ergebnissen bei der Anwendung von MI im Studieren-denkurs bei Parodontitispatienten lässt sich ein gerin-ger, aber signifikant positiver Effekt des MI auf denGingivalzustand erkennen im Vergleich zu Patienten,die von nicht MI‑geschulten Studierenden behandeltwurden [26]. Die meisten Untersuchungen beziehensich jedoch auf einen nur kurzen Zeitraum von untereinem Jahr, sodass keine Aussagen für eine langfristigeVerhaltensveränderung gemacht werden können. ImBereich der Beeinflussung von anderen Gesundheits-

faktoren im zahnärztlichen Rahmen findet MI vorallem Erwähnung in der Motivation zur Raucherent-wöhnung und ist mittlerweile als expliziter Baustein ineinem europäischen Konsensusreport zur Rauchprä-vention durch Mundgesundheitsexperten genannt[27]. In einer interessanten Studie von Schoonheim-Klein et al. [28] wurde untersucht, inwieweit sich MIsinnvoll im Studierendenkurs zur Raucherentwöhnungeinsetzen lässt. Neben dem Ergebnis, das MI‑geschulteStudierende signifikant mehr Patienten zur Rauchfrei-heit motivieren konnten, schätzten die geschulten Stu-dierenden ihre kommunikativen Fähigkeiten nach derSchulung viel kritischer ein als die ungeschulten Stu-dierenden. Es kann davon ausgegangen werden, dassdie Beschäftigung mit einer Kommunikationsmethodewie demMI dazu anregt, sich mit dem Verständnis undden Fähigkeiten der eigenen Kommunikation und demVerhalten des Patienten auseinanderzusetzen.

Merke: Verschiedene Studien zeigen, dass die Be-

schäftigung mit einer Kommunikationsmethode

wie dem MI dazu anregt, sich mit dem Verständnis

und den Fähigkeiten der eigenen Kommunikation

und dem Verhalten des Patienten auseinander-

zusetzen.

Schwierigkeiten in der zahnärztlichenAnwendung von MI

Eine wesentliche Schwierigkeit in der Anwendung vonMI in der Zahnarztpraxis kann es sein, dass durch dengefühlten Zeitdruck des Zahnarztes wichtige Prinzipienwie Evokation, Partnerschaftlichkeit und Verwendungvon Reflexionen Widerstand im Verhalten des Zahn-arztes hervorrufen können. Gründe dafür liegen zumeinen in der nur geringen Vergütung des Zahnarzt-Patienten-Gesprächs im Leistungskatalog der Kranken-kassen und zum anderen vermutlich auch in dem er-lernten Handlungsverständnis eines Zahnarztes, über-wiegend Reparaturmedizin zu betreiben. Der letztePunkt wird jedoch stark interpersonell unterschiedlichsein und hängt auch wesentlich mit der Behandlungs-philosophie des zahnärztlichen Teams zusammen(Tab. 8).

Merke: Die Klärung des eigenen zahnärztlichen

Verständnisses ist daher für den Erfolg einer guten

Kommunikation in der zahnärztlichen Praxis von

wesentlicher Bedeutung.

Aus eigenen Erfahrungen, Erfahrung mit Studierendenim Umgang mit MI und ersten Studienergebnissen

Parodontologie 259

Zahnmedizin up2date 3 Π2014

Elek

tron

isch

er S

onde

rdru

ck z

ur p

ersö

nlic

hen

Verw

endu

ng

lässt sich allerdings sagen, dass MI eine sehr gute undpassende Methode in der Zahnmedizin sein kann. Be-stimmte Voraussetzungen können dabei den erfolgrei-chen Einsatz erleichtern (Tab. 9). Wie bei den Schwie-rigkeiten erwähnt, ist es definitiv hilfreich, sich vorherden zur Verfügung stehenden zeitlichen Rahmen unddas zu besprechende Thema klar zu machen. Der hoheGesprächsanteil des Patienten im MI kann sonst ent-sprechend zu einer gefühlten Hektik führen und denZahnarzt zu Unterbrechungen oder anderem nicht

MI‑adhärenten Verhalten beeinflussen. Es ist dabei zubeachten, dass durch die klientenzentrierte Gesprächs-führung anfangs mehr Zeit veranschlagt werden muss,in der Regel danach aber weitere Termine zeitlich pro-fitieren, da grundlegende Themen nicht immer neuthematisiert werden müssen. Zudem geht die Art derGesprächsführung mit einer hohen Patientenzufrie-denheit einher, was einen generell positiven Einflussauf das Zahnarzt-Patienten-Verhältnis hat [29]. Es istdavon auszugehen, dass dies einen erheblichen Einflussauf den wirtschaftlichen Erfolg einer zahnärztlichenPraxis hat.

Merke: MI kann durch die Art der Gesprächsfüh-

rung zu einer hohen Patientenzufriedenheit bei-

tragen, was den wirtschaftlichen Erfolg der Zahn-

arztpraxis sichern kann.

Zudem sollte klar sein, für welche Anwendungsfelderdas MI eingesetzt werden sollte. Dies kann je nachzahnmedizinischem Feld variieren. Tab. 10 stellt einigemögliche Beispiele für den Einsatz von MI in der Zahn-medizin dar. Insbesondere im Bereich der Parodonti-tistherapie ist die Förderung von antiinflammatori-schenMaßnahmen ein sehr interessantes Einsatzgebiet[1]. Abb. 6 zeigt ein Beispiel für ein Arbeitsblatt, das fürden Einsatz im Bereich der Mundhygiene und der Rau-cherentwöhnung eingesetzt werden kann.

Ethische Überlegungen

Nach den bisherigen Forschungserkenntnissen kanndavon ausgegangen werden, dass MI einen Einfluss aufdie Patienten hat. Miller u. Rollnick [8] widmen daherin ihrem Buch zur Motivierenden Gesprächsführungnotwendigerweise auch ein Kapitel den ethischenÜberlegungen zur Anwendung von MI.

Merke: Ethische Bedenken sind vor allem dann

zentral, wenn Menschen zu etwas beeinflusst wer-

den sollen, was sie nicht tun wollen oder nicht ge-

tan hätten.

Eine wichtige Frage, die jeder zahnmedizinische Ex-perte zuvor mit sich und auch mit anderen Kollegenklären sollte, ist, in welchen thematischen BereichenMI eingesetzt werden darf und in welchen nicht. Milleru. Rollnick [8] formulieren, je mehr der persönlicheVorteil von einem bestimmten Behandlungsergebnisabhängt, umso mehr sollte der Einsatz von MI abge-wägt werden. Falls die zahnärztliche Intention nichtmit dem höchsten Wohl des Patienten übereinstimmt,

Tabelle 8

Faktoren, welche die Anwendung von MI im zahnärztlichen Rahmenerschweren können.

Faktor Auswirkung

gefühlter Zeitdruck Verhaltensänderungen, Evokation und Patientenzentrierungbenötigen Zeit, die im hektischen Praxisalltag oft fehlt.

fehlende Honorierung Das Zahnarzt-Patienten-Gespräch hat im Rahmen der Kranken-kassenleistungen einen nur untergeordneten Stellenwertund wird nicht entsprechend vergütet. Des Weiteren gibt eskeine Positionen zu speziellen Gesprächsmethoden.

Asymmetrie in derPartnerschaftlichkeit

Ein Gespräch auf Augenhöhe ist aufgrund der räumlichen undstrukturellen Eigenschaften der Zahnarztpraxis eingeschränkt(Geruch, Behandlungseinheit, Berufsbekleidung etc.).

Tabelle 9

Faktoren, die eine Anwendung von MI im zahnärztlichen Rahmen verein-fachen können.

Faktor Auswirkung

Klärung des eigenenzeitlichen Rahmens

Wichtig ist dabei die Klärung der Frage, wieviel Zeit für einmotivierendes Gespräch mit dem jeweiligen Patienten zurVerfügung steht.

zeitlich und strukturellbegrenzte Anwendungvon MI

Aufgrund der strukturellen Eigenheiten der zahnärztlichenBehandlung kann und sollte nicht ausschließlich im Sinne desMI kommuniziert werden. Von daher ist es sehr hilfreich,sich klare Gedanken zu machen, wann, wie lange und welchesThema besprochen werden sollte.

Klärung vonIndikationen undZielen des MI

Allein die bloße Anwendung von MI kann für den Patientenhilfreich sein, es sollte jedoch immer eine Indikation für das Ge-spräch vorliegen und es sollte für den zahnärztlichen Expertenklar sein, welche Verhaltensänderungen im Gespräch erzieltwerden können. Beispielhaft kann es ein Ziel sein, den Pa-tienten für eine Raucherentwöhnung zu gewinnen, die aller-dings final durch eine dritte Stelle (Krankenkasse, präventivorientierte ärztliche Einrichtungen) durchgeführt wird.Zudem sollten die ethischen Aspekte im Vorfeld geklärt sein(Operationen, Privatvereinbarungen etc.)

Motivierende Gesprächsführung in der zahnärztlichen Therapie260

Zahnmedizin up2date 3 Π2014

Elek

tron

isch

er S

onde

rdru

ck z

ur p

ersö

nlic

hen

Verw

endu

ng

ist der Gebrauch von MI eher unangebracht. In derzahnmedizinischen Tätigkeit kann insbesondere dortKonfliktpotenzial liegen, wo die Behandlung mit derVereinbarung von Privatzuzahlungen einhergeht, dienicht unbedingt medizinisch indiziert sind. Eine ethi-sche Abwägung dieser Behandlungen ist allerdingsauch ohne den Einsatz von MI absolut notwendig.

Beispiele und praktische Tipps zurzahnärztlichen Anwendung von MI

Im Folgenden sollen verschiedene Gesprächsbeispieledie Anwendung von MI bei zahnärztlichen Themenverdeutlichen. Aufgrund des engeren zeitlichen Rah-

mens in der zahnärztlichen Behandlung zeigen die Bei-spiele nicht durchweg alle Methoden desMI. BesondersReflexionen und offene Fragen sind allerdings geradeauch in kurzen Gesprächsabschnitten ideal, um verhal-tensabhängige Faktorenweiter zu klären. Aufgrund derspeziellen Autorenexpertise stammen die Beispiele vor

Mundhygiene Tabakkonsum

besprochen am: besprochen am:

Schwerpunktthema:

aktuell durchgeführte Mundhygienemaßnahmen:

Wie groß ist Ihre Absicht, die Mundhygienemaßnahme zu betreiben? Wie groß ist Ihre Absicht, das Rauchen aufzugeben?

Wie zuversichtlich sind Sie, die Mundhygienemaßnahmewie empfohlen umzusetzen?

Falls Absicht besteht:Wie zuversichtlich sind Sie, das Rauchen aufzugeben?

Vorteile von

Nachteile der Rauchfreiheit:

Vorteile des Rauchens:

Nachteile von

Vorteile von Rauchfreiheit:

Nachteile des Rauchens:

Zähneputzen

manuelle Zahnbürste

0 0

0 0

1 1

1 1

2 2

2 2

3 3

3 3

4 4

4 4

5 5

5 5

6 6

6 6

7 7

7 7

8 8

8 8

9 9

9 9

10 10

10 10

überhaupt nicht überhaupt nicht

überhaupt nicht überhaupt nicht

Zahnzwischenraumhygiene

Zahnseide

Zähneputzen

Zahnzwischenraum-reinigung

elektrische Zahnbürste

sehr groß sehr groß

sehr groß sehr groß

Zahnzwischenraumhygiene

Interdentalraumbürsten

Zähneputzen

Abb. 6 Arbeitsblatt der Motivierenden Gesprächsführung für den Einsatz im Bereich der Mundhygiene und Raucherentwöhnung.

Tabelle 10

Mögliche Einsatzgebiete für MI in der Zahnmedizin.

Bereich Einsatzgebiet

Kariologie Mundhygieneförderung, Prävention der frühkindlichen Karies,Ernährungslenkung (Reduktion von Kohlenhydraten bzw. vonsäurehaltigen Nahrungsmitteln), Therapieadhärenz

Parodontologie Mundhygieneförderung, Förderung von antiinflammatorischenMaßnahmen (Raucherentwöhnung, Ernährung, körperlicheAktivität, Adipositastherapie, Stressabbau), Therapieadhärenz(in der Parodontitistherapie sowie anderen medizinischen Gebietenwie der Diabetestherapie)

Prothetik Therapieadhärenz

Kieferorthopädie Therapieadhärenz in der Anwendung von kieferorthopädischenGeräten

zahnärztlicheChirurgie

Therapieadhärenz, Prävention von krebsförderlichem Verhalten(Raucherentwöhnung, Alkoholabstinenz)

Parodontologie 261

Zahnmedizin up2date 3 Π2014

Elek

tron

isch

er S

onde

rdru

ck z

ur p

ersö

nlic

hen

Verw

endu

ng

allem aus dem Bereich der Zahnerhaltung und Paro-dontologie (Tab. 11).

In Tab. 11 hört man gleich zu Beginn die Ambivalenzbzw. die Unzufriedenheit der Patientin mit dem HbA1c

Wert heraus („Ja, der könnte besser liegen…“). Stelltman sich in diesem Beispiel eine anweisende ärztlicheKommunikation vor („Oh, da müssen Sie auf jeden Fallwas machen!“), kann man sich weiter vorstellen, dassviele der in diesem Gespräch gewonnenen Informatio-nen vielleicht gar nicht zur Sprache gekommen wären.Interessanterweise hat die Patientin ein genaues Ge-spür für ihren gesundheitlichen Weg, sodass der Zahn-arzt ihr nur reflektierend folgenmuss. Die an einer Stelledurch den Zahnarzt reflektierte Ambivalenz (Schwie-rigkeit der Ernährung/Angst vor Konsequenzen) ent-scheidet die Patienten zugunsten eines Change-Talks,dass sie etwas ändern muss. Falls in diesem Fall dasGespräch noch länger gewesen wäre, hätte der Zahn-arzt auch fragen können, ob er das Thema bei einer dernächsten Sitzungen wieder thematisieren kann.

Das Beispiel in Tab. 12 zeigt einenmöglichen Einstieg inein zahnärztliches Gespräch zur Raucherentwöhnungmit einem eher konventionellen, nicht ganz MI‑adhä-renten Beginn unter Verwendung mehrerer geschlos-sener Fragen. Man bemerke, dass nach den geschlosse-nen Fragen der Fokus des Patienten eigentlich auf dernegativen Seite lag („aber das ist nicht das einfachste,gell“), vom Zahnarzt aber die positive Aussage des Pa-tienten gespiegelt und verstärkt wird („Natürlich?“), umweiteren Change-Talk hervorzulocken und den Patien-ten den Change-Talk dann weiter explorieren zu lassen(„Warumwollten Sie aufhören?“). Alternativ wäre hierauch eine doppelte Reflexionmöglich: „Es ist nicht soeinfach, das umzusetzen, aber es gab schon mal denGedanken, evtl. aufzuhören“. Man kann sich auch beidiesem Beispiel gut vorstellen, wie schnell eine anwei-sende ärztliche Kommunikation das Gespräch verhär-tet oder verkürzt hätte.

Im Falle eines extrem negativ eingestellten Patientenlässt sich ein Gespräch auch immer auf einen späteren

Zeitpunkt verschieben. Im Gesprächsbeispiel in Tab. 13befindet sich der Patient aktuell tatsächlich in stabilerAbsichtslosigkeit. Die überzogene Reflexionwar einVersuch, dies auszuloten. Bei Vorliegen erster Anzei-chen von Ambivalenz hätte sich durch dieses Reflexi-onsangebot evtl. eine erste Ambivalenzäußerung her-vorlocken lassen („Na, was heißt schon ‚kein Problem‘ –

aber ich rauche halt gerne und mag da jetzt nicht großdrüber reden.“). Bei einer derart geringen Verän-derungsabsicht ist die Indikation zur weiteren Explo-

Tabelle 11

Gesprächsbeispiel MI in der Parodontitistherapie am Beispiel der Blut-zuckereinstellung (ZA = Zahnarzt; Pat. = Patient).

Äußerung Kategorie

Zu Beginn der Anamnese:

ZA: „Leiden Sie an Diabetes?“

Pat.: „Ja, Typ II, seit 2 Jahren.“

ZA: „Mmh, wissen Sie Ihren aktuellen Langzeitblutzuckerwert,den HbA1c-Wert?“

Pat.: „Ja, der könnte besser liegen … Momentan so bei 9.“

ZA: „Da sagen Sie selbst, dass der Ihnen zu hoch ist.“ Reflexion

Pat.: „Ja, mein Doktor schimpft auch schon immer mit mir.Ich versuchʼs halt mit Ernährung und Bewegung in den Griffzu bekommen und möchte ungern Insulin spritzen.“

z.T. Change-Talk

ZA: „Ok, Sie möchten das Insulin gerne vermeiden, bekommendas allerdings mit Ernährung und Bewegung nur bedingt hin.“

Reflexion

Pat.: „Ja (überlegt) …, wahrscheinlich bin ich da von der Ernährungauch nicht wirklich konsequent genug. Ich meine, das Brötchenmorgens sollte wahrscheinlich wirklich nicht sein… Aber ich kannmir nicht vorstellen, dass das so schlimm sein soll.“

z.T. Change-Talk

ZA: „Sie meinen, was soll ein einziges Brötchen schon schaden.“ überzogeneReflexion

Pat.: „Naja, es ist ja nicht nur das Brötchen, sondern viele kleineDinge über den Tag hinweg. Dann gibtʼs hier mal einen Kuchenoder da mal ein Stück Schokolade. (überlegt) Ich sollte da abereigentlich wirklich mehr aufpassen … ich habe keine Lust, nachhermit so einem diabetischen Fuß aufzuwachen.“

z.T. Change-Talk

ZA: „Klingt so als hätten Sie einerseits wirklich Schwierigkeiten,eine kohlenhydratarme Ernährung über den Tag hinweg einzuhalten.Und andererseits graust es Ihnen auch vor den Konsequenzen.“

doppelseitigeReflexion derAmbivalenz

Pat.: „Ja, das wäre ja schlimm, die Augen können ja auchnoch betroffen werden.“

Change-Talk

ZA: „Also, das macht Ihnen Sorgen, dass der Diabetes am Fußnicht halt macht.“

Reflexion

Pat.: „Natürlich! Fehlt nur noch, dass Sie mir sagen, dass dieZähne davon auch ausfallen.“

Change-Talk

ZA: „Das ist leider in gewisser Weise der Fall. Auch Ihr Zahnhalte-apparat wird durch einen zu hohen HbA1c negativ beeinflusst.“

Information

Pat.: „Das habe ich befürchtet. Ich glaube, ich muss doch wiederzum Doktor. Das kann ja so nicht weitergehen.“

Change-Talk

ZA: „ Das ist eine gute Idee, ich glaube auch, das wäre wirklichwichtig für Sie! Und wenn Sie dort die richtige Unterstützungfür einen gut eingestellten Blutzucker bekommen, können wirIhnen mit Ihren Zähnen viel besser helfen.“

Pat.: „Ich werde mir Anfang der Woche einen Termin geben lassen.“

Bestätigung/Würdigungdes Patienten

Motivierende Gesprächsführung in der zahnärztlichen Therapie262

Zahnmedizin up2date 3 Π2014

Elek

tron

isch

er S

onde

rdru

ck z

ur p

ersö

nlic

hen

Verw

endu

ng

ration nur fraglich gegeben und hätte auch nur geringeErfolgsaussichten, da die Beziehung zwischen Zahnarztund Patient augenscheinlich noch nicht wirklich etab-liert ist. Die Gründe dafür können in vorherigen Arzt-besuchen oder in anderweitigen Erfahrungen liegen.

Merke: In Fällen von negativ eingestellten Patien-

ten mit stabiler Absichtslosigkeit ist es besser,

zunächst eine vertrauensvolle Zahnarzt-Patienten-

Beziehung herzustellen, in der der Patient einen

Raum hat, in dem er sich öffnen kann.

Das Beispiel in Tab. 14 zeigt eine Möglichkeit, ein Moti-

vationsgespräch bezüglich der Mundhygiene zu führen.Zu beachten ist, dass die Rückmeldung über den Statusquo der Mundhygiene erst nach Erlaubnis durch denPatienten und zunächst mit einer positiven Rückmel-

dung erfolgt. Die Durchführung der Mundhygiene istfür viele Patienten immer noch ein mit Scham belegtesThema, und häufig reduzieren Patienten den Zahnarzt-besuch auf die Interaktion zur Mundhygiene („Er hatgesagt, ich soll mal wieder besser putzen.“). Des Wei-teren erfolgt nur ein Feedback über den zu verbessern-den Befund („Im Bereich der Zahnzwischenräume al-lerdings findet sich regelmäßig Zahnbelag.“), ohne dassdarauf gleich eine Anweisung (z.B. „Da müssen Siebesser reinigen.“) folgt. Der Zahnarzt könnte mit dieserdirektiven Anweisung die Thematik beenden und dannweiter machen. Die alleinige Rückmeldung des Befun-des gibt dem Patienten jedoch die Zeit zum Reagierenund zum Kommentieren des Befundes. In diesem Fallbesteht ein schon gutes Zahnarzt-Patienten-Verhältnis,sodass der Patient bemüht ist, einen Lösungsvorschlag

zu geben.

Tabelle 12

Gesprächssequenz zur Raucherentwöhnung.

Äußerung Kategorie

ZA: „Rauchen Sie?“

Pat.: „Ja.“

geschlosseneFrage

ZA: „Ok, und wie viel rauchen Sie so?“

Pat.: „Naja, so eine Schachtel wirdʼs schon sein.“

geschlosseneFrage

ZA: „Eine Schachtel. Und seit wie lange schon?“

Pat.: „Oje, da muss ich überlegen …10 Jährchen werdenʼs wohl schon sein.“

geschlosseneFrage

ZA: „Ok. Und haben Sie sich in der Zeit schonmal überlegt, mit dem Rauchen aufzuhören?“

Pat. (lacht): „Tja, natürlich, aber das ist nichtdas Einfachste, gell!“

geschlosseneFrage

ZA: „Natürlich? Warum wollten Sie dennaufhören?“

offene Frage

Pat.: „Naja, für die Lungen ist das ja nichtgerade förderlich. Und Geld kostetʼs auchnoch.“

Change-Talk

ZA: „Also aus gesundheitlichen Gründenund des Geldes wegen.“

Reflexion

Pat.: „Ja, und meine Frau beklagt sich immer,dass das Auto dann so riecht.“

Change-Talk

ZA (verschmitzt): „Also, da macht IhnenIhre Frau auch noch Druck.“

Pat.: „Ja, genau.“

Reflexion

ZA: „Wäre das in Ordnung für Sie, im Laufeder Behandlung noch mal über das ThemaRauchen zu sprechen?“

Pat.: „Natürlich. Aber versprechen Sie sichnicht zuviel davon.“

ZA: „Ok, prima, dann würde ich jetzt gernweitermachen mit …“

Einverständ-nis einholen,zeitlicheGliederung

Tabelle 13

Gesprächsbeispiel zur Raucherentwöhnung beieinem sehr negativ eingestellten Patienten.

Äußerung Kategorie

ZA: „Haben Sie sich schon einmal überlegt,mit dem Rauchen aufzuhören?“

geschlosseneFrage

Pat.: „Ich rauche gern. Wir brauchen daeigentlich nicht weiter drüber sprechen.“

Sustain-Talk/Widerstand

ZA: „Das Rauchen ist für Sie kein Problemund Sie möchten dazu auch nicht weiterbehelligt werden.“

Pat.: „Genau.“

überzogeneReflexion

ZA: „Ok, dann sprechen wir nicht weiterdarüber. Wäre es in Ordnung für Sie, wennich Sie beim nächsten Kontrolltermin dazunoch mal frage?“

Pat.: „Tun Sie was Sie nicht lassen können.“

Einverständniseinholen, zeit-liche Gliederung

Parodontologie 263

Zahnmedizin up2date 3 Π2014

Elek

tron

isch

er S

onde

rdru

ck z

ur p

ersö

nlic

hen

Verw

endu

ng

Im Weiteren folgt der Zahnarzt dem Patienten wert-

schätzend und unterstützt die Lösungsfindung mit of-fenen Fragen (Tab. 15). Interessant an diesem Beispielist die flexibel getroffene Lösung, dass der Patient inzwei Wochen noch einmal vorstellig wird, um ein wei-teres Feedback zu erhalten.

Merke: Die Vermeidung von anweisenden Elemen-

ten und der Evokation von Zielen führt in der Regel

oft zu sehr individuellen Lösungen und bereichert

die Vielfältigkeit in der zahnärztlichen Kommuni-

kation.

Bezüglich der Motivation zur Mundhygiene lässt sichallerdings auch eine eingangs erwähnte Schwierigkeitder vollständigen Umsetzung von Motivierender Ge-sprächsführung in der Zahnmedizin erkennen, da dieMotivierung und die Instruktion durch dieselbe Person(Zahnarzt oder Prophylaxekraft) erfolgen und mit derInstruktion in der Regel auch anweisende Kommentareverbunden sind (Prophylaxekraft demonstriert An-wendung von Interdentalraumbürsten vor dem Spiegelmit dem Patienten: „Schauen Sie, da hinten ist eineschwierig zu reinigende Stelle. Da würde ich Ihnenempfehlen, das Bürstchen leicht zu biegen.“). Hilfreichist es, diese Rückmeldungen und Anweisungen mit zu-vor erfragter Erlaubnis zu geben („Darf ich Ihnen einpaar Tipps in der Anwendung zu den Bürstchen ge-ben?“), sodass der Patient immer in die Anweisungeinwilligt. Zu beachten ist, dass dies lediglich den mo-tivationalen Aspekt der Mundhygiene anspricht. Ma-

Tabelle 14

Gesprächsbeispiel zur Motivation in der Mundhygiene.

Äußerung Kategorie

ZA: „Wäre es in Ordnung für Sie, über IhreMundhygiene zu sprechen?“

Pat.: „Natürlich. Sieht diese nicht so gut aus?“

eingehendes Einverständnis zumGespräch

ZA: „Also, auf den Glattflächen erreichen Sieeine sehr gute Reinigung. Da ist so gut wie keinBelag. Im Bereich der Zahnzwischenräumeallerdings findet sich regelmäßig Zahnbelag.“

Der Zahnarzt gibt zuerst ein positivesFeedback und stellt dann den zuverbessernden Befund.

Pat.: „Oh, dann sollte ich vielleicht doch öfterdie Zahnseide anwenden, oder?“

Patient spricht von sich aus Verhaltens-änderung an (Change-Talk).

ZA: „Das wäre natürlich eine prima Sache!Wie oft kommen Sie denn momentan dazu?“

Pat.: „Naja, wenn ich ehrlich sein soll …vielleicht so zweimal die Woche?“

Würdigung/geschlossene Frage

ZA: „Also, zweimal in der Woche schaffenSie das schon?“

Reflexion und Betonung des positivenAspekts (Reframing)

Pat.: „Ja, aber augenscheinlich reicht das janicht … Wahrscheinlich sollte ich das einmaltäglich machen, oder?“

Change-Talk und Frage an Experten

ZA: „Einmal täglich wäre die von den Fach-gesellschaften empfohlene Häufigkeit. Aberich weiß ja nicht, ob dass für Sie machbar ist.“

Information und offene Frage

Pat.: „Also, wenn mich das wirklich nachvorne bringt, mach ich das!“

Change-Talk/Selbstverpflichtung

ZA: „Das finde ich klasse, dass Sie da so auf-geschlossen sind! Was würde Ihnen helfen,die tägliche Anwendung auch auf Dauer zuschaffen?“

Würdigung und offene Frage

Fokus auf den positiven Aspekt

Pat.: „Gute Frage! (überlegt) Also, ich kannʼsja so machen, dass ich die Zwischenräume vordem Zähneputzen reinige und mir erst danndie Zähne putzen darf. Dann vergess’ ich dasnicht.“

Change-Talk, Zielformulierungdurchden Patienten

ZA: „Das finde ich eine tolle Idee! Dass Sieerst putzen dürfen, wenn Sie die Zwischen-räume gereinigt haben.“

Pat.: „Ja, das könnte funktionieren.“

Würdigung und Kooperation

ZA: „Sie sagen ‚könnte‘?“

Pat.: „Ich kenn mich ja… ich mach das dann zweiWochen und dann werd ich wieder nachlässig.“

Reflexion zur Exploration desHindernisses

Tabelle 14

Gesprächsbeispiel zur Motivation in der Mund-hygiene (Fortsetzung).

Äußerung Kategorie

ZA: „Zwei Wochen ist ja schon einelange Zeit! Was würde Ihnen helfen,dass Sie danach weiter machen?“

Pat.: (lacht) „Naja, eigentlich müssteich dann von Ihnen wieder hören,dass ich so weiter machen soll.“

ZA: „Ok, wenn Ihnen das helfen würde,lade ich Sie gerne in zwei Wochen zueinem kleinen Kontrolltermin ein undschaue mir an, wie gut Sie gearbeitethaben. Was halten Sie davon?“

Pat.: (lacht) „Wirklich? (überlegt)Also gut, warum nicht!“

ZA: „Prima!“

Würdigung/Reframingund offene Frage

Motivierende Gesprächsführung in der zahnärztlichen Therapie264

Zahnmedizin up2date 3 Π2014

Elek

tron

isch

er S

onde

rdru

ck z

ur p

ersö

nlic

hen

Verw

endu

ng

nuelle Fertigkeiten, Techniken und die notwendigenMundhygieneutensilien sind von genau so großer Be-deutung.

Die Eingangsfrage „Wäre das in Ordnung für Sie?“ isteine gute Möglichkeit, sich als Therapeut vorsichtigund Widerstand vermeidend zu nähern. Kaum ein Pa-tient wird die Frage verneinen und das folgende Ein-verständnis sichert die Gesprächsbegründung sowieden Gesprächsverlauf.

Fazit

Eine präventiv orientierte und kausal-therapierendeZahnmedizin sollte auch verhaltensbedingte Risikofak-toren adressieren. Die Methode der MotivierendenGesprächsführung (Motivational Interviewing, MI)stellt eine evidenzbasierte Gesprächsmethode dar,Patientenverhalten positiv zu beeinflussen. Unter Be-rücksichtigung eines geeigneten zeitlichen und struk-turellen Rahmens lassen sich viele Elemente des MI gutin der zahnärztlichen Praxis für unterschiedlichsteVerhaltensfaktoren (Mundhygiene, Rauchen, Wahr-nehmen des Recalls, Ernährung etc.) einsetzen.

Danksagung

Danke an Kristina Holst und Andreas Jähne für ihreAnregungen.

Tabelle 15

Beispielsätze, die in der Anwendung des MI hilfreich sein können.

Kategorie Äußerung

offene Fragen n „Sie bekommen vom Arzt bestimmt immer zu hören, dass Siemit dem Rauchen aufhören sollten. Mich würde aber interes-sieren, was Sie darüber denken?“

n „Darf ich Sie fragen, warum haben Sie schon mal überlegt,mit dem Rauchen aufzuhören?“

n „Wie betreiben Sie momentan Mundhygiene?“

n „Wie könnte ein nächster Schritt aussehen?“

n „Was würde Ihnen dabei helfen?“

n „Was meinen Sie, wie könnten Sie die Therapie optimal unter-stützen?“

zeitliche Gliederung n „Wäre das in Ordnung, wenn wir das Thema… am Ende einmalkurz besprechen?“

n „Wäre das für Sie in Ordnung, wenn ich Sie in den nächstenSitzungen wieder danach frage?“

Bestätigung/Würdigung

n „Ich finde es klasse, dass Sie so offen darüber sprechenkönnen!“

n „Das ist kein einfaches Thema für Sie und Sie schaffen estrotzdem, sich damit auseinanderzusetzen.“

Parodontologie 265

Zahnmedizin up2date 3 Π2014

Elek

tron

isch

er S

onde

rdru

ck z

ur p

ersö

nlic

hen

Verw

endu

ng

Über die Autoren

Johan Wölber

Dr. med. dent., 2007 Staatsexamen

Zahnmedizin an der Albert-Ludwigs-

Universität Freiburg im Breisgau. 2007

Assistenzzahnarzt in Praxis Dr. Wölber,

Dr. Intrau, Meldorf. Seit 2007 Assistenz-

zahnarzt und Wissenschaftlicher Mit-

arbeiter, Abteilung für Zahnerhaltungs-

kunde und Parodontologie des Univer-

sitätsklinikums Freiburg im Breisgau. 2010 Promotion. 2010

Oral-B blend-a-med Prophylaxepreis 2010 unter Schirmherr-

schaft der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde.

2012 Curriculum „Zahnärztliche Hypnose und Kommunika-

tion“ (DGZH e.V.). 2012 Mitarbeit beim Nationalen Kom-

petenzbasierten Lernzielkatalog Zahnmedizin (NKLZ) der

DGZMK/VHZMK im Bereich Prävention. 2013 Tagungsbest-

preis der Jahrestagung des Arbeitskreises für Psychosomatik

und Psychologie in der DGZMK (AKPP). 2013 Early Career

Excellence in Dental Education Award der European Associa-

tion for Dental Education (ADEE), verliehen auf der 39. ADEE

Annual Meeting, 28.–31. August 2013, Birmingham, UK.

Katrin Frick

Dipl.-Psych. Seit 2009 Fachliche Leitung

an der Deutschen Psychologen Aka-

demie des Berufsverbandes Deutscher

Psychologen, Berlin. Seit 2003 Freibe-

rufliche Dozententätigkeit: Motivational

Interviewing, klientenzentrierte Ge-

sprächsführung, Focusing, alkoholis-

musspezifische Psychotherapie.

1994–2000 Studium der Psychologie an der Albert-Ludwigs-

Universität Freiburg. 1993–1997 Weiterbildung Klienten-

zentrierte Gesprächsführung und Personzentrierte Beratung

(AKT Siegen). 2001–2002 Psychotherapeutische Tätigkeit an

der Rehabilitationsklinik Hüttenbühl der BfA Bad Dürrheim.

2002–2008 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Univer-

sitätsklinik Freiburg, Abteilung für Psychiatrie, Schwerpunkt

Suchtforschung.

Motivierende Gesprächsführung in der zahnärztlichen Therapie266

Zahnmedizin up2date 3 Π2014

Elek

tron

isch

er S

onde

rdru

ck z

ur p

ersö

nlic

hen

Verw

endu

ng

Literatur

1 Genco RJ, Borgnakke WS. Risk factors for periodontal disease.

Periodontol 2000 2013; 62: 59–94

2 Dunn C, Deroo L, Rivara FP. The use of brief interventions adapted

from motivational interviewing across behavioral domains: a sys-

tematic review. Addiction 2001; 96: 1725–1742

3 Rubak S, Sandbaek A, Lauritzen T et al. Motivational interviewing:

a systematic review and meta-analysis. Br J Gen Pract 2005; 55:

305–312

4 Jönsson B, Ohrn K, Oscarson N et al. The effectiveness of an indi-

vidually tailored oral health educational programme on oral hy-

giene behaviour in patients with periodontal disease: a blinded

randomized-controlled clinical trial (one-year follow-up). J Clin

Periodontol 2009; 36: 1025–1034

5 Yevlahova D, Satur J. Models for individual oral health promotion

and their effectiveness: a systematic review. Aust Den J 2009; 54:

190–197

6 Brueck RK, Frick K, Loessl B et al. Psychometric properties of the

German version of the Motivational Interviewing Treatment In-

tegrity Code. J Subst Abuse Treat 2009; 36: 44–48

7 Frick KM, Brueck R. Kurzinterventionen mit motivierender Ge-

sprachsfuhrung. Koln: Deutscher Arzte-Verlag; 2010

8 Miller WR, Rollnick S. Motivierende Gesprächsführung. Freiburg

im Breisgau: Lambertus; 2004

9 Rosengren DB. Arbeitsbuch motivierende Gesprachsfuhrung.

Trainingsmanual. Lichtenau/Westfalen: Probst; 2012

10 Rogers CR. Client-centered Therapy: Its current Practice, Implica-

tions and Theory. Boston: Houghton Mifflin; 1951

11 Priebe S, Mccabe R. Therapeutic relationships in psychiatry: the

basis of therapy or therapy in itself? Int Rev Psychiatry 2008; 20:

521–526

12 Grawe K. Psychological Therapy. Cambridge, Mass.: Hogrefe and

Huber; 2004

13 Miller WR, Rollnick S. Ten things that motivational interviewing is

not. Behav Cogn Psychother 2009; 37: 129–140

14 Körkel J, Veltrup C. Motivational Interviewing: Eine Uebersicht.

Motivational interviewing: An overview. Suchttherapie 2003; 4:

115–124

15 Miller W, Benefield G, Tonigan J. Enhancing motivation for chance

in problem drinking: a controlled comparison of two therapist

styles. J Consult Clin Psychol 1993; 61: 455-461

16 Deci EL, Ryan RM. Intrinsic Motivation and Self-Determination in

human Behavior. New York: Plenum; 1985

17 Bandura A. Health promotion by social cognitive means. Health

Educ Behav 2004; 31: 143–164

18 Macnee CL, Talsma A. Predictors of progress in smoking cessa-

tion. Public Health Nurs 1995; 12: 242–248

19 Gao X, Lo EC, Kot SC et al. Motivational interviewing in improving

oral health: a systematic review of randomized controlled trials.

J Periodontol 2014; 85: 426–437

20 Lundahl B, Moleni T, Burke BL et al. Motivational interviewing in

medical care settings: a systematic review and meta-analysis of

randomized controlled trials. Patient Educ Couns 2013; 93:

157–168

21 Renz A, Ide M, Newton T et al. Psychological interventions to im-

prove adherence to oral hygiene instructions in adults with peri-

odontal diseases. Cochrane Database Syst Rev 2007; 2:

CD005097

22 Harrison R, Benton T, Everson-Stewart S et al. Effect of motiva-

tional interviewing on rates of early childhood caries: a random-

ized trial. Pediat Dent 2007; 29: 16–22

23 Weinstein P, Harrison R, Benton T. Motivating mothers to prevent

caries: confirming the beneficial effect of counseling. J Am Den

Assoc 2006; 137: 789–793

24 Jönsson B, Ohrn K, Lindberg P et al. Evaluation of an individually

tailored oral health educational programme on periodontal

health. J Clin Periodontol 2010; 37: 912–919

25 Stenman J, Lundgren J, Wennström JL et al. A single session of

motivational interviewing as an additive means to improve ad-

herence in periodontal infection control: a randomized controlled

trial. J Clin Periodont 2012; 39: 947–954

26 Woelber JP, Spann-Aloge N, Hanna, G. Einfluss von Motivational

Interviewing auf die Mundhygiene von Parodontitispatienten –

erste Ergebnisse einer randomisierten, kontrollierten Studie.

Parodontologie 2013; 24: 332

27 Ramseier CA, Warnakulasuriya S, Needleman IG et al. Consensus

Report: 2nd European Workshop on Tobacco Use Prevention and

Cessation for Oral Health Professionals. Int Dent J 2010; 60: 3–6

28 Schoonheim-Klein M, Gresnigt C, van der Velden U. Influence of

dental education in motivational interviewing on the efficacy of

interventions for smoking cessation. Eur J Dent Educ 2013; 17:

e28–e33

29 Hagenow F. Zahnbehandlungsangst: Evaluation eines Trainings-

kurses für Zahnärzte zum Umgang mit ängstlichen Patienten.

Saarbrucken: Akademikerverlag; 2012

Weiterführende Literatur

30 Frick KM, Brueck R. Kurzinterventionen mit Motivierender Ge-

sprächsführung. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag; 2010

31 Martin DJ, Garske JP, Davis MK. Relation of the therapeutic alliance

with outcome and other variables: a meta-analytic review. J Con-

sult Clin Psychol 2000; 68: 438–450

32 Miller W, Rollnick S. Motivierende Gesprächsführung. Freiburg:

Lambertus; 2004

33 Noonan WC, Moyers TB. Motivational interviewing. J Subst Misuse

1997; 2: 8–16

Internetadressen

34 http://www.motivationalinterviewing.org

Korrespondenzadresse

Dr. Johan Wölber

Klinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde

Abteilung für Zahnerhaltung und Parodontologie

Universitätsklinikum Freiburg

Hugstetter Str. 55

79106 Freiburg

Telefon: 0761/270-47310

E-Mail: [email protected]

Parodontologie 267

Zahnmedizin up2date 3 Π2014

Elek

tron

isch

er S

onde

rdru

ck z

ur p

ersö

nlic

hen

Verw

endu

ng

Motivierende Gesprächsführung in der zahnärztlichen Therapie268

1Was gehört nicht zu den zentralen

Prinzipien des Motivational

Interviewing?

A Widerstand umlenken

B Selbstwirksamkeit fördern

C Akzeptanz des ärztlichen Ratschlags

D Diskrepanzen zwischen Verhalten und persönlichen Zielen entwickeln

E Empathie ausdrücken

2Welche Strategien sind kein

Bestandteil der Motivierenden

Gesprächsführung?

A Zusammenfassungen

B offene Fragen stellen

C Change-Talk hervorrufen

D aktives Zuhören

E konfrontieren

3Welche Aussage ist falsch? A MI ist eine Kommunikationsmethode zur Förderung intrinsischer Motivation.

B MI ist eine nondirektive Gesprächsintervention.

C MI versucht, Veränderungsziele beim Patienten hervorzulocken anstatt sie vorzugeben.

D MI ist eine evidenzbasierte Methode, deren Wirksamkeit in verschiedenen Bereichen von

Gesundheitsverhalten belegt ist.

E MI basiert auf einer personenzentrierten Grundhaltung.

4Welche Verhaltensweisen eignen

sich nicht zum Evozieren und

Verstärken von Change-Talk

oder Confidence-Talk?

A Offene Fragen stellen.

B Vom Patienten geäußerte Nachteile des aktuellen Verhaltens reflektieren.

C Selbsteinschätzungsratings explorieren.

D Vom Patienten geäußerte Gründe, die für eine Verhaltensänderung sprechen, reflektieren.

E Für eine Veränderung argumentieren.

5Welche Aussage ist falsch? A MI versucht, durch spezifische Gesprächstechniken Change-Talk hervorzurufen und zu verstärken.

B MI basiert auf einer autonomieorientierten partnerschaftlichen Grundhaltung.

C MI bevorzugt offene Fragen, die zur Exploration einladen.

D MI empfiehlt eine effiziente Gesprächstechnik mit strukturierenden geschlossenen Fragen.

E Wesentlicher Bestandteil im MI ist es, die Selbstwirksamkeitserwartung zu fördern.

6Welche Aussage zur Anwendung

von MI in der zahnärztlichen Praxis

ist richtig?

A MI kann gut 1 :1 aus dem psychologischen Setting der Zahnheilkunde angewendet werden.

B MI kann ethisch einwandfrei zur Motivation für ästhetische Leistungen angewendet werden.

C Direktive Anweisungen durch den Zahnarzt verlängern die Gesprächszeit.

D MI kann zeitlich begrenzt für bestimmte Themen im zahnärztlichen Gespräch benutzt werden.

E Reflexionen im Sinne des MI sind gedankliche Überlegungen des Zahnarztes.

CME

CME‑Fragen

Elek

tron

isch

er S

onde

rdru

ck z

ur p

ersö

nlic

hen

Verw

endu

ng

Parodontologie 269

CME

7Welche Aussage zur derzeitigen

Evidenz der Anwendung von MI

ist richtig?

A Studien zeigen keine Evidenz für die Anwendung von MI in der Zahnmedizin.

B Studien zeigen eine sehr hohe Evidenz für die Wirksamkeit von MI in der Motivation zur Mund-

hygiene.

C Die Evidenz zur Wirksamkeit von MI zu zahnmedizinischen Themen ist noch als gering ein-

zustufen.

D Die meisten Studien in der Zahnmedizin stammen aus dem Bereich der Kieferorthopädie.

E Es gibt noch keine Metaanalysen zur Wirksamkeit von MI.

8Welche Aussage zu den ver-

haltensbedingten Risikofaktoren

in der Zahnmedizin ist richtig?

A Der Zahnarzt kann den Patienten motivieren, sich zur Raucherentwöhnung an eine weiterführen-

de Einrichtung zu wenden (Krankenkasse, ärztliche Einrichtung).

B Die Ätiologie der Parodontitis ist vor allem genetisch bedingt und kann damit nicht moduliert

werden.

C Die Mundhygiene ist der alleinige präventive Faktor innerhalb der Zahnerhaltung.

D Direktive Anweisungen durch den Zahnarzt fördern die Zahnarzt-Patienten-Beziehung.

E Verhaltensbedingte Risikofaktoren sind nicht beeinflussbar.

9Welche Aussage zur Anwendung

von MI in der zahnärztlichen

Therapie ist richtig?

A Das Herausarbeiten der Ambivalenz im Patientenverhalten ist eine einfach umzusetzende

Methode im MI.

B Offene Fragen und Reflexionen sind einfach umzusetzende Methoden von MI.

C Grundlage für MI ist ein paternalistisches Zahnarzt-Patienten-Verhältnis.

D Patienten können in der Regel keine eigenen Lösungen zu Problemen formulieren.

E Die Anwendung von Skalen im MI ist in der Zahnmedizin nicht möglich.

10Welche der folgenden Fragen

ist eine geschlossene Frage?

A „Wie denken Sie über Ihre Mundhygiene?“

B „Treiben Sie Sport?“

C „Was halten Sie von Rauchfreiheit?“

D „Warum betreiben Sie Mundhygiene?“

E „Weshalb haben Sie schon einmal überlegt, mit dem Rauchen aufzuhören?“

CME‑Fragen Motivierende Gesprächsführung in der zahnärztlichen Therapie

Elek

tron

isch

er S

onde

rdru

ck z

ur p

ersö

nlic

hen

Verw

endu

ng