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MSD Gesundheitspreis 2018 Qualitätsmanagementprojekt Sepsisdialog der Universitätsmedizin Greifswald

MSD Gesundheitspreis 2018 Qualitätsmanagementprojekt ... · Informationsmaterialien wie Kitteltaschenkarten (siehe Abbildung 2) und Poster ergänzen die Weiterbildungsmaßnahmen

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MSD Gesundheitspreis 2018

Qualitätsmanagementprojekt

Sepsisdialog der Universitätsmedizin Greifswald

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Qualitätsmanagementprojekt Sepsisdialog

der Universitätsmedizin Greifswald

Autoren: Christian Fuchs, Matthias Gründling, Christian Scheer

Management Summary

Das Qualitätsmanagementprojekt Sepsisdialog zielt darauf ab, Sepsis-Patienten qualitativ besser zu versorgen. Die schnelle und adäquate Diagnostik sowie Therapie senkt die Sterblichkeit dieser Patienten und kann durch Verkürzung der Liegezeit Kosten reduzie-ren.

Durch das Projekt werden Sepsis-Patienten der Universitätsmedizin Greifswald mit neu-esten diagnostischen Methoden und gemäß internationaler Leitlinien versorgt. Jede Be-rufsgruppe, die Patienten mit einer Sepsis oder nur einem Sepsis-Risiko behandelt, wird fortlaufend geschult. Gleichzeitig werden die Daten der betroffenen Patienten, zum Bei-spiel demografische Daten und Komorbiditäten sowie die eingeleiteten Therapiemaßnah-men, erfasst und analysiert. Die Prozessqualität der Versorgung wird in Echtzeit regis-triert und Prozesse können jederzeit angepasst werden.

Die Universitätsmedizin Greifswald initiierte das Projekt im Jahr 2006. Dr. Matthias Gründling ist der derzeitige Leiter. Ein interdisziplinäres Team kümmert sich um die Um-setzung der einzelnen Projektelemente. Der Vorstand der Universitätsmedizin Greifswald, die Klinik für Anästhesiologie, Anästhesie-, Intensiv-, Notfall- und Schmerzmedizin und verschiedene Industriepartner finanzieren die Projektkosten.

Versorgungsherausforderung

Bei der Sepsis handelt es sich um ein lebensbedrohliches Organversagen, das durch eine fehlgeleitete Immunantwort des Körpers auf eine Infektion entsteht. Der septische Schock ist eine besonders schwerwiegende Ausprägung der Sepsis (Singer et al., 2016; Brunkhorst et al., 2018). Jede Art einer Infektion – hervorgerufen durch Bakterien, Viren oder Pilze - kann eine Sepsis auslösen. Somit können verschiedene Krankheiten wie Lun-genentzündung, Hirnhautentzündung oder Grippe eine Sepsis verursachen (Singer et al., 2016). Im Jahr 2013 gab es rund 279.520 Sepsis-Fälle in deutschen Krankenhäusern. Im Zeitraum von 2007 bis 2013 ist die Zahl der Sepsis Patienten um durchschnittlich 5,7 Prozent pro Jahr gestiegen (Fleischmann et al., 2016). Die zunehmend ältere Bevölke-rung und damit größer werdende Risikogruppe ist einer der Gründe hierfür. Weitere Fak-toren sind der medizinische Fortschritt, der mit einer wachsenden Zahl invasiver Eingriffe einhergeht und die zunehmende Verbreitung multiresistenter Erreger. Diese Faktoren erhöhen das Infektionsrisiko und somit auch das Risiko einer Sepsis (Fleischmann et al., 2016; Scheithauer et al., 2015). Aufgrund der hohen Versorgungsanforderungen und langen Krankenhausaufenthalte ist die Sepsis ein kostenintensives Krankheitsbild. In Deutschland verursacht sie geschätzt Kosten zwischen 3,6 und 7,8 Milliarden Euro jähr-lich (Moerer & Burchardi, 2006). Obwohl die genauen Angaben schwanken und die allge-meinen Überlebenschancen steigen, ist die Sepsis weiterhin von einer hohen Sterblich-keitsrate gekennzeichnet. Laut einer Studie von Fleischmann et al. (2016) liegt sie im Fall einer schweren Sepsis bei 43,6 Prozent, bei einem septischen Schock sogar bei 58,8 Pro-zent.

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Die Überlebenschancen bei einer Sepsis hängen maßgeblich davon ab, wie schnell die Therapie beginnt. Mit jeder Stunde Verzögerung kann die Sterblichkeit um bis zu sieben Prozent steigen (Ferrer et al., 2014; Kumar et al., 2006). Es ist daher extrem wichtig, dass das Gesundheitspersonal eine Sepsis früh erkennt und entsprechend handeln kann. In der Realität ist dies häufig nicht der Fall. Das Krankheitsbild selbst ist komplex und die Möglichkeiten zur Diagnose sind noch eingeschränkt (Brunkhorst et al., 2018). Das Pro-jekt Sepsisdialog geht diese Versorgungsherausforderungen an. Es setzt neueste wissen-schaftliche Erkenntnisse um, indem es alle beteiligten Mitarbeiter den aktuellsten Leitli-nien entsprechend schult. Es ist außerdem an nationaler und internationaler Forschung und an Lernkonzepten internationaler Fachgesellschaften beteiligt. Zudem bietet das Qualitätsmanagementprojekt Sepsis auch extern Weiterbildungsmöglichkeiten an, um bereits bestehendes Wissen zum Thema Sepsis zu verbessern und zu verbreiten. So kann auch Gesundheitspersonal über die Region hinaus und sogar in anderen Ländern die Er-fahrungen der Universitätsmedizin Greifswald nutzen.

Entstehungsgeschichte Das Qualitätsmanagementprojekt Sepsisdialog wurde aufgrund der hohen Krankenhaus-sterblichkeit bei Sepsis-Patienten entwickelt. Dr. Matthias Gründling hat das Projekt im Jahr 2006 initiiert. Er arbeitet an der Klinik für Anästhesiologie der Universitätsmedizin Greifswald und ist Leiter der Arbeitsgruppe Klinische Sepsisforschung. Weitere Projekt-partner waren von Anfang an die Klinik für Innere Medizin, die auch weiterhin im Projekt-team vertreten ist, und das Friedrich-Loeffler-Institut für Medizinische Mikrobiologie. Heute ist das Projekt auf das gesamte Krankenhaus ausgedehnt. Alle patientenversor-genden Kliniken der Universitätsmedizin Greifswald nehmen teil, inklusive der Notauf-nahme und der Intensivstationen. Es gibt mittlerweile auch Fortbildungsangebote für Mit-arbeiter regionaler Partnerkrankenhäuser.

Kernelemente

Zielgruppe

Das Projekt richtet sich an alle Sepsis-Patienten und Patienten mit erhöhtem Sepsis Risiko und über die Beratungsangebote auch an die Angehörigen der Sepsis-Patienten.

Mit seinen Weiterbildungsmaßnahmen spricht der Sepsisdialog alle an der Diagnostik und Behandlung beteiligten Ärzte, Pflegekräfte und Funktionsdienste, wie beispielsweise das Krankenpflegepersonal für den Operationsdienst oder die Anästhesie, an. Da eine Sepsis in den verschiedensten Bereichen der medizinischen Versorgung auftreten kann, ist es äußert wichtig für das Projekt, alle beteiligten Berufsgruppen zu erreichen.

Versorgungskonzept

Der Sepsisdialog will Sepsis Neuerkrankungen vermeiden, schneller erkennen und dadurch Sepsis-Patienten qualitativ besser versorgen. Das bedeutet, dass weniger Patienten an einer Sepsis versterben und insgesamt sowie auch für das einzelne Krankenhaus weniger Kosten anfallen. Um dies zu erreichen sorgt das Projektteam unter anderem dafür, dass international abgestimmte Leitlinien im gesamten Krankenhaus um-gesetzt werden und die Versorgungsqualität fortlaufend überprüft wird. Maßnahmen und Ziele sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

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Tabelle 1 – Maßnahmen und Ziele des Qualitätsmanagementprojekts Sepsisdialog

Quelle: Eigene Darstellung.

Um die Versorgung an der Universitätsmedizin Greifswald zu verbessern sind die Kern-elemente der Weiter- und Fortbildungsveranstaltungen für Gesundheitspersonal an den diagnostischen und therapeutischen Zielen der Surviving Sepsis Campaign ausgerichtet. Die Surviving Sepsis Campaign ist eine Initiative, die seit 2002 besteht. Die Society of Critical Care Medicine und die European Society of Intensive Care Medicine arbeiten hier gemeinsam daran, die Sepsis-Sterblichkeit und deren Krankheitsfolgen weltweit zu redu-zieren. Sie erstellen ein sogenanntes Sepsis-Bundle (Levy et al., 2018). Das sind gebün-delte Therapiemaßnahmen, die dem aktuellen Forschungsstand zu Diagnose und Behand-lung der Krankheit entsprechen (siehe Abbildung 1). Alle grundlegenden Bestandteile des Qualitätsmanagementprojektes Sepsisdialog orientieren sich an diesem Bundle, gemäß der jüngsten internationalen Sepsis-Definition (Singer et al., 2016). Eine aktuelle Leitlinie spezifisch für Deutschland gibt es derzeit noch nicht.

Abbildung 1 – Sepsis-Bundle: Gebündelte Therapiemaßnahmen für die erste Stunde nach Diagnose einer Sepsis

Quelle: Modifiziert nach Society of Critical Care Medicine, European Society of Intensive Care Medicine (2018).

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Je nach Zielgruppe werden die Veranstaltungen inhaltlich für die verschiedenen Aufga-bengebiete des Gesundheitspersonals angepasst. Weil die Schulungen regelmäßig statt-finden, werden inhaltliche Neuerungen und neues Personal berücksichtigt. Die vermittel-ten Wissensinhalte decken die Bereiche Prävention (beispielsweise Händehygiene und Impfungen), Wissen zum Krankheitsbild (beispielsweise Bedeutung der Sepsis für den klinischen Alltag), Diagnostik (beispielsweise klinische oder laborchemische Diagnostik) und Therapie ab.

Informationsmaterialien wie Kitteltaschenkarten (siehe Abbildung 2) und Poster ergänzen die Weiterbildungsmaßnahmen. So sind die komplexen Inhalte dauerhaft und auf einen Blick verfügbar. Weitere Informationsangebote für medizinisches Personal, Patienten und deren Angehörige sind auch auf der Homepage www.sepsisdialog.de zu finden.

Abbildung 2 – Kitteltaschenkarten Sepsisdialog

Quelle: Sepsisdialog – Universitätsmedizin Greifswald.

Über den Arbeitskreis Intensivmedizin Mecklenburg-Vorpommern bestehen Kontakte zu Intensivmedizinern im gesamten Bundesland. Für Patienten und Angehörige gibt es ebenfalls Informationsangebote. Während des Krankenhausaufenthaltes sind rund um die Uhr Patientenbesuche möglich. Arztgespräche werden bedarfsorientiert durchgeführt, zum Teil täglich. Nach der Entlassung stehen Broschüren oder eine telefonische Beratung zur Verfügung.

Zusätzlich erfasst und analysiert das Projekt die Versorgungsqualität bei Sepsis an der Universitätsmedizin Greifswald. Die Qualitätskontrolle erfolgt gemäß des Plan-Do-Check-Act-Zyklus (siehe Abbildung 3). Seit Projektbeginn werden hierfür Patientendaten, Daten zu Art und Schwere der Erkrankung sowie verschiedene Qualitätsindikatoren (z.B. Zeit bis zur adäquaten antiinfektiven Therapie, Zeitpunkt abgenommener Blutkulturen, Sep-sissterblichkeit, Krankenhausverweildauer) protokolliert. Das Projekt erfasst unter ande-rem Angaben zur angewandten Therapieform und verschiedene Vital- und Laborwerte des Patienten. Für die Datenanalyse hat die Klinik für Anästhesiologie die SIQ Datenbank

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– Sepsis Information System zur Qualitätssicherung – entwickelt. Auf diese Weise lässt sich die Prozessqualität der Sepsisversorgung in Echtzeit mitverfolgen. Die Ergebnisse werden im Rahmen von Weiterbildungsveranstaltungen weitergegeben, es gibt demnach ein direktes Feedback für das beteiligte Personal. Die Resultate der Auswertung beein-flussen darüber hinaus, welche Themen in den nächsten Fortbildungsveranstaltungen angesprochen werden.

Abbildung 3 - Plan-Do-Check-Act-Zyklus (Demingkreis) des Qualitätsmanagementpro-jekts Sepsisdialog

Quelle: Eigene Darstellung.

In Deutschland ist die Universitätsmedizin Greifswald als sogenanntes SepNet-Zentrum an verschiedenen Studien beteiligt. Das SepNet ist ein interdisziplinäres Netzwerk, das Experten auf dem Gebiet der klinischen und experimentellen Sepsisforschung zusam-menbringt (https://www.sepsis-stiftung.eu/sepnet/). Das Qualitätsmanagementprojekt Sepsisdialog legt derzeit einen besonderen Schwerpunkt auf die Bereiche Screening und mikrobiologische Diagnostik. Das Ziel ist es, für alle Patienten, die am Notfall Sepsis er-kranken, 7 Tage in der Woche und 24 Stunden täglich eine schnelle mikrobiologische Di-agnostik zu garantieren. Außerdem sind Mitarbeiter des Projektes direkt an der Entwick-lung von Leitlinien und Lernkonzepten beteiligt.

Mehrwert und Patientenorientierung

Das Projekt hilft, Sepsis Neuerkrankungen zu vermeiden. In allen Bereichen wird die Be-handlung zunehmend am Patienten orientiert. Die Versorgung kann schneller erfolgen, ist besser abgestimmt und koordiniert und unterliegt regelmäßigen Qualitätskontrollen. Die Patienten und deren Angehörige werden nicht nur besser zu betreut, sondern profitieren außerdem schnellstmöglich von den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Folglich steigen die Überlebenschancen der Patienten.

Im Rahmen des Sepsisdialoges werden komplexe Inhalte vermittelt, die direkt im Klinik-alltag von allen Mitarbeitern angewendet werden können.

Für das Krankenhaus selbst und das Gesundheitssystem allgemein ergibt sich ein wirt-schaftlicher Mehrwert. Verkürzte Krankenhausaufenthalte senken die Kosten pro Patient. Außerdem werden Kapazitäten frei, um andere Patienten zu versorgen, insbesondere

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Patienten, die auf eine intensivmedizinische Versorgung angewiesen sind. Sepsis-Patienten, die mit guter Lebensqualität überleben, können in das Alltag- und Arbeitsleben zurückkehren.

Finanzierung

Das Projekt finanziert sich über drei Säulen. Der Vorstand der Universitätsmedizin Greifswald finanziert eine Sepsisschwester. Der Forschungsetat der Klinik für Anästhesio-logie, Anästhesie-, Intensiv-, Notfall- und Schmerzmedizin deckt die Kosten für die Soft-wareentwicklung sowie Wartungs- und Serverkosten. Für weitere Kosten gibt es ver-schiedene Verträge mit Industriepartnern. Zu diesen zusätzlichen Kosten gehören unter anderem Personalkosten, Sachkosten (beispielsweise in Zusammenhang mit der mikrobi-ologischen Diagnostik und den Informationsmaterialien) sowie Reise- und Marketingkos-ten. Insgesamt entstehen jährlich Kosten zwischen 50.000 Euro bis 75.000 Euro.

Management

Der Klinikvorstand der Universitätsmedizin Greifswald hat ein interdisziplinäres Change-Team ins Leben gerufen. Ärzte, Wissenschaftler und Pflegepersonal sind Teil der Arbeits-gruppe, die von Dr. Matthias Gründling geleitet wird. Weitere Kernmitglieder sind eine Sepsisschwester und drei ärztliche Mitarbeiter. Das Kernteam trifft sich regelmäßig, dis-kutiert Probleme und Ziele, und stimmt Schulungsveranstaltungen ab. Auch verschiedene Qualitätsparameter werden im Rahmen der Treffen evaluiert.

Der Sepsisschwester kommt eine besondere Rolle zu: Sie koordiniert die Schulungen, die Daten und Screening Erfassung, sowie die Forschungsaktivitäten.

An der Umsetzung des Projektes insgesamt sind alle Berufsgruppen beteiligt, die für die Erkennung und Versorgung der Sepsis relevant sind. Für den Erfolg des Projektes ist dementsprechend die Motivation aller Mitarbeiter ausschlaggebend.

Evaluation

Verschiedene Studien haben den medizinischen, gesundheitlichen und ökonomischen Mehrwert des Projektes betrachtet.

Der Sepsisdialog konnte die Sepsis Sterblichkeit an der Universitätsmedizin Greifswald um 20 Prozent senken. Vor Projektbeginn lag die 90 Tagessterblichkeit bei 65 Prozent. Diese konnte dauerhaft auf 45 Prozent gesenkt werden. Diese Verbesserung ist darauf zurückzuführen, dass die Erkrankung schneller erkannt, diagnostiziert und therapiert werden konnte (siehe Abbildung 4; Scheer et al., 2017).

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Abbildung 4 - 90-Tage Sterblichkeit vor (2006/2007) und während (2008-2013) der Durchführung des Qualitätsmanagementprojekts Sepsisdialog

Quelle: Modifiziert nach Scheer et al. (2017).

Auch die Liegedauer der Patienten konnte reduziert werden. Im Durchschnitt verbringt ein Sepsis-Patient nun 36 Tage im Krankenhaus, davor waren es 44 (Scheer et al., 2017). Dadurch können pro Patient rund 9.000 Euro eingespart werden. Die Universi-tätsmedizin kann die Kosten, die durch Sepsis-Fälle verursacht werden, geschätzt um mehr als eine Million Euro senken (Moerer & Burchardi, 2006).

Die Universitätsmedizin Greifswald hat außerdem am MEDUSA-Projekt (Medical Education for Sepsis Source Control and Antibiotics) teilgenommen. Im Rahmen des Projektes wur-de ein multimodales Weiterbildungs- und Trainingskonzept untersucht, welches die Er-kennung und Erstversorgung von Sepsis thematisiert. Es nahmen 43 Kliniken teil. Die gesamte Studie konnte keine Vorteile nachweisen, die Teilergebnisse für das Studien-zentrum Greifswald waren aber positiv (Bloos et al., 2017; MEDUSA-Daten für Greifswald nicht separat publiziert).

Das Projekt wird außerdem als Best Practice Beispiel vom Deutschen Qualitätsbündnis Sepsis ICOSMOS geführt. Auch hier zeigt sich im Deutschland-weiten Vergleich in Greifs-wald eine sehr niedrige Sepsissterblichkeit.

Nächste Schritte

Das Projekt soll im gesamten Bundesland Mecklenburg-Vorpommern etabliert werden. Die Kontakte, die über den Arbeitskreis Intensivmedizin Mecklenburg-Vorpommern be-stehen, können dazu genutzt werden, weitere Krankenhäuser einzubeziehen.

Ein Ziel ist es, an fünf bis zehn weiteren Kliniken das Modellprojekt Sepsisdialog einzu-führen. Hierfür kann die Universitätsmedizin Greifswald alle nötigen Materialien, Daten-banken und andere Informationen sofort bereitstellen. Als erstes werden die Notaufnah-men in das Qualitätsmanagementprojekt aufgenommen, dann folgen die Intensivstatio-nen und schließlich werden alle weiteren Abteilungen der Krankenhäuser einbezogen. Wesentlicher Bestandteil des Modellprojektes soll es sein, für alle Patienten, die am Not-fall Sepsis erkranken, 7 Tage in der Woche und 24 Stunden täglich eine schnelle mikrobi-ologische Diagnostik zu garantieren. Für die Durchführung soll ein Finanzierungskonzept

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zwischen den Kliniken, der Landesregierung, den Krankenkassen und Industriepartnern erarbeitet werden.

Außerdem soll die Bevölkerung zukünftig aktiv in die Früherkennung einbezogen werden. Patientenvertretungen wie die Deutsche Sepsis-Hilfe e.V., Informationsmaterialien, Ver-anstaltungen und Medien sollen dabei helfen. Da es noch keine spezifische Nachbehand-lung für Sepsis-Patienten gibt arbeitet das Projekt arbeitet darauf hin, diese Lücke zu schließen, und vermittelt in einigen Fällen bereits jetzt psychologische Unterstützung.

Ansprechpartner Dr. med. Christian Scheer Facharzt Klinik für Anästhesiologie, Universitäts-medizin Greifswald Ferdinand-Sauerbruch Straße 1 17475 Greifswald Telefon: 03834 - 8 658 01 E-Mail: [email protected]

Dr. med. Christian Fuchs Facharzt Klinik für Anästhesiologie, Universitäts-medizin Greifswald Ferdinand-Sauerbruch Straße 1 17475 Greifswald Telefon: 03834 - 8 658 01 E-Mail: [email protected]

PD Dr. med. habil. Matthias Gründling Oberarzt Klinik für Anästhesiologie, Universitäts-medizin Greifswald Ferdinand-Sauerbruch Straße 1 17475 Greifswald Telefon: 03834 - 8 658 62 E-Mail: [email protected]

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Brunkhorst, F. M. (2014). Sepsis–eine interdisziplinäre Herausforderung. Der Klinikarzt, 43(06), 283-283.

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Moerer, O., & Burchardi, H. (2006). Kosten der Sepsis. Der Anaesthesist, 55(1), 36-42.

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