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DIE spezial Heiner Barz/Rudolf Tippelt (Hrsg.) Weiterbildung und soziale Milieus in Deutschland Band 1: Praxishandbuch Milieumarketing (Jutta Reich/Sylva Panyr/Doris Drexl/ Heiner Barz/Rudolf Tippelt)

Weiterbildung und soziale Milieus in Deutschland · 5 Die Teilnahme an Weiterbildung ist freiwillig. Viele Menschen besuchen aus eigenem Antrieb Weiterbildungsmaßnahmen oder bilden

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DIE spezial

Heiner Barz/Rudolf Tippelt

(Hrsg.)

Weiterbildung und

soziale Milieus in Deutschland

Band 1:

Praxishandbuch Milieumarketing

(Jutta Reich/Sylva Panyr/Doris Drexl/

Heiner Barz/Rudolf Tippelt)

studie die_bd_1 12.10.2004 11:41 Uhr Seite 1

DIE spezial

Als „DIE spezial“ erscheinen in lockerer Folge Veröffentlichungen,

die für die Weiterbildungslandschaft grundlegend sind und eine

nachhaltige Wirkung erwarten lassen.

Herausgebende Institution

Das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE) ist eine Einrich-

tung der Leibniz-Gemeinschaft und wird von Bund und Ländern ge-

meinsam gefördert. Als wissenschaftliches Institut erbringt es Dienst-

leistungen für Forschung und Praxis der Weiterbildung. Das Institut

wird getragen von 18 Einrichtungen und Organisationen aus Wissen-

schaft und Praxis der Erwachsenenbildung, die Mitglieder im einge-

tragenen Verein „DIE“ sind.

Lektorat: Dr. Peter Brandt / Hella Huntemann (DIE)

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deut-

schen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im

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Weiterbildung und soziale Milieus in Deutschland

(Band 1 + 2 im Paket)

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GEFÖRDERT VOM

Die dieser Publikation zugrundeliegenden Vorhaben wurden mit Mit-

teln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem

Förderkennzeichen W 121200 gefördert. Die Verantwortung für den

Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autorinnen und Autoren.

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Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

1. Warum Milieumarketing? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

1.1 Marketing als Strategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

1.2 Soziale Milieus als Analyseeinheit im Weiterbildungsmarkt . . . . . . . . . 12

2. Zur Methodik des Forschungsvorhabens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

2.1 Forschungsdesign und -methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

2.2 Qualitative Forschungsmethode: Problemzentriertes Interview . . . . . . . 17

2.3 Qualitative Forschungsmethode: Gruppendiskussion . . . . . . . . . . . . . . . 20

2.4 Aufbereitung der Interviews und Gruppendiskussionen . . . . . . . . . . . . . 20

2.5 Auswertung der Interviews und Gruppendiskussionen . . . . . . . . . . . . . . 21

3. Weiterbildungsverhalten und -interessen von sozialen Milieus im Überblick . . . . . 22

4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

4.1 Etablierte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

4.2 Postmaterielle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

4.3 Moderne Performer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

4.4 Konservative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

4.5 Traditionsverwurzelte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

4.6 DDR-Nostalgische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

4.7 Bürgerliche Mitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

4.8 Konsum-Materialisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

4.9 Experimentalisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

4.10 Hedonisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

5. Konsequenzen für ein milieuspezifisches Weiterbildungsmarketing . . . . . . . . . . 168

5.1 Einstellungen zu Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

5.2 Art der Informationssuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

5.3 Weiterbildungsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170

5.4 Komplexitätsgrad der Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

5.5 Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

5.6 Preisbereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

5.7 Relevante Auswahlkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

Inhalt

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6. Didaktische Hinweise für eine milieuspezifische Angebots- und

Programmplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

6.1 Etablierte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

6.2 Postmaterielle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179

6.3 Moderne Performer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

6.4 Konservative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

6.5 Traditionsverwurzelte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182

6.6 DDR-Nostalgische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

6.7 Bürgerliche Mitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

6.8 Konsum-Materialisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

6.9 Experimentalisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

6.10 Hedonisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188

Herausgeber und Autor/inn/en . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

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Inhalt

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Die Teilnahme an Weiterbildung ist freiwillig.Viele Menschen besuchen aus eigenem AntriebWeiterbildungsmaßnahmen oder bilden sich in an-deren Kontexten kontinuierlich fort. Andere müs-sen motiviert und für Weiterbildung gewonnenwerden. Wieder anderen müssen erst bestimmteZeit- oder Geldbudgets verfügbar gemacht sein,damit überhaupt Weiterbildung in Angriff genom-men werden kann. Dieser Sachverhalt ist be-kannt, seit es die Weiterbildung als ein diskutier-tes und wissenschaftlich bearbeitetes Feld gibt.

Traditionell wurde dies unter dem Stichwort „Teil-nehmergewinnung“ diskutiert; seit mehreren Jah-ren nun hat sich dafür der Begriff des „Marketing“durchgesetzt. Er signalisiert, dass es sich um ei-nen Wechselprozess zwischen Institution, Ange-bot und Adressat handelt. Mit Marketing ist überden Begriff Teilnehmergewinnung hinaus auchProfilierung der Einrichtung, Marktanalyse, Ziel-orientierung gemeint. Das Deutsche Institut fürErwachsenenbildung (DIE) hat in den vergange-nen Jahren durch Veranstaltungen und Publikati-onen sowie durch Fortbildungen dazu beigetra-gen, dass theoretisch und praktisch das Instru-mentarium des Marketing für Weiterbildung ein-geführt, präzisiert und in einer Weise umgesetztwird, die humanen Bildungszielen verpflichtet ist.

Mit dem hier vorliegenden zweibändigen Werk,herausgegeben von Heiner Barz (Düsseldorf) undRudolf Tippelt (München), ist ein weiterer Schrittin Richtung einer professionellen Anwendungvon Marketingstrategien im Weiterbildungsbe-reich erfolgt. Das Verdienst dieser Arbeit ist diegelungene Verbindung von wissenschaftlicherund forschungsorientierter Grundlage mit einerfür die Praxis aufgearbeiteten Umsetzung. Mitdem von den Autoren gewählten Milieuansatzgelingt es zudem, die Lücke zwischen einem„Zielgruppenansatz“ und einer allgemeinen„Adressatenorientierung“ praxisrelevant undfruchtbar für die Forschung zu schließen.

In diesem ersten Band entfalten die Herausgeberund ihre Forschungsgruppe den Milieubegriff underläutern die Methodik der qualitativ-empiri-schen Vorgehensweise. Das Vorwärtsweisende:

Die Ergebnisse werden in Form von strukturier-ten, für die Praxis verwendbaren Milieutypolo-gien vorgelegt. Mit dem so entstandenen Praxis-handbuch lassen sich Marketingstrategien an ein-zelnen Weiterbildungseinrichtungen begründenund zielgerichtet entwickeln.

Der zweite Band ist ein profunder, hauptsächlichquantitativ basierter Beitrag zur Adressaten- undMilieuforschung für die Weiterbildung.

Beide Bände sind aufgrund ihrer besonderen Leis-tungen geeignet, einen neuen Typ Publikation desDeutschen Instituts für Erwachsenenbildung zueröffnen: Als „DIE spezial“ werden zukünftig inlockerer Folge solche Arbeiten veröffentlicht, vondenen das Institut annimmt, dass sie für die Wei-terbildungslandschaft grundlegend und von nach-haltiger Bedeutung sind. Das Format stützt sichauf Forschungsvorhaben von überregionaler Re-levanz. „DIE spezial“ ist aktuell, setzt Standardsund ist für alle Akteure im Bereich der Weiterbil-dung wichtig.

Die Unterstützung der Praxis der Weiterbildungist für das DIE eine zentrale Aufgabe. In der Publi-kationsreihe „Perspektive Praxis“ wird auf aktu-ellster wissenschaftlicher Grundlage Handlungs-wissen für die Praxis präsentiert. Dem gleichenInteresse ist auch das hier vorliegende Praxis-handbuch verpflichtet. Das Institut ist daran inte-ressiert, welche Erfahrungen mit der Anwendungdes Praxishandbuches gemacht werden. Wir freu-en uns über Rückmeldungen unter www.die-bonn.de (Menüpunkt Publikationen).

Ekkehard NuisslDeutsches Institut für Erwachsenenbildung

Vorbemerkungen

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Die Pluralität des Lern- und Bildungsverständnis-ses verschiedener sozialer Milieus stand im Mit-telpunkt des nun abgeschlossenen Forschungs-projektes zum Weiterbildungsverhalten der bun-desdeutschen Bevölkerung unter Leitung vonProf. Tippelt (LMU München) und Prof. Barz(HHU Düsseldorf), dessen Ergebnisse Ende 2003zunächst in einem knapp 400-seitigen For-schungsbericht vorgelegt wurden. Inzwischen hatder Bericht mit den beiden Bänden „Weiterbil-dung in Deutschland: Adressaten und soziale Milieus“ als „DIE spezial“ eine Veröffentlichungs-form gefunden, in der die Ergebnisse – für die Ziel-gruppen der Weiterbildungspraxis und der Wis-senschaft getrennt zugeschnitten – in zwei Bän-den präsentiert werden.

Die deutschlandweite, vom Bundesministeriumfür Bildung und Forschung geförderte Untersu-chung „Soziale und regionale Differenzierungvon Weiterbildungsverhalten und -interessen“(2001–2003) erweitert das Instrumentarium zurAnalyse der Heterogenität des Weiterbildungs-marktes erheblich und nimmt erstmals die Nach-frageseite des gesamtdeutschen Weiterbildungs-marktes in den Blick. Ziel war es, eine umfassen-de Topographie der WeiterbildungslandschaftDeutschland aus der Sicht der Adressaten undTeilnehmenden zu erstellen. Dazu wurden nebendem konkreten Weiterbildungsverhalten auchgrundlegende Weiterbildungsinteressen, -einstel-lungen, -motive und -barrieren der 18- bis 75-Jäh-rigen deutschsprachigen Bevölkerung analysiert.Schwerpunkte bildeten die derzeit expandierendenThemenbereiche der Gesundheitsbildung, derSchlüsselqualifikationen, der Entwicklung vonPersönlichkeitskompetenz sowie des informellenLernens.

Die empirische Studie steht in einer langen undinteressanten historischen Tradition der Adressa-tenforschung und Teilnehmerorientierung in derErwachsenen- und Weiterbildung. Künftig wer-den zur Programm- und Angebotsentwicklungder Weiterbildungsinstitutionen mehr empirischgesicherte Daten und Informationen über dieMarktsegmentation und über entwicklungsfähigeAdressaten- und Teilnehmerpotenziale gebraucht.Bewusst analysiert daher die vorliegende Unter-suchung ein breites Altersspektrum und differen-ziert das Weiterbildungsverhalten und die -inte-ressen nach soziodemografischen Aspekten wieBildung, Berufsstatus, Geschlecht etc. Neu ist dieBeschreibung und Analyse von Unterschiedenzwischen sozialen Milieus. Wir sehen darin dieChance, besonders intensiv Gründe, Wünsche,Lernformen und explizite und implizite Forderun-gen an die Weiterbildung aus Teilnehmersicht zuexplorieren. Insofern steht diese Studie im Kon-text eines verbesserten Qualitätsmanagements inder Weiterbildung.

Band I thematisiert den Zusammenhang von so-zialen Milieus und Weiterbildung. Das Besonde-re dieses Milieuansatzes besteht darin, dass beider Milieukonstruktion und Gruppenbildung so-wohl die soziale Lage als auch die alltagsästheti-schen Lebensstile bedeutsam sind. Die Informa-tionen in diesem Band sollen die Teilnehmerori-entierung der Weiterbildung stärken. Weiterbil-dungseinrichtungen und Träger können entschei-den, ob bei der gegebenen Marktsegmentierungbestimmte Teilnehmer- und Adressatengruppenverstärkt einbezogen und angesprochen werden.Die Charakterisierung des Weiterbildungsverhal-tens und -interesses in sozialen Milieus liefertbspw. Hinweise für die Kursplanung, die makro-

Vorwort

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didaktische Gestaltung der Erwachsenenbildung,Hinweise für den zeitlichen Rahmen, den Ta-gungsort, die Bereichsgestaltung und auch dieKommunikationspolitik. Entsprechende Teilneh-merorientierung, Zielgruppenarbeit, Bedarfsana-lysen und Adressatenbezug sind ohne empirischeExplorationen und Analysen des Feldes nichtmöglich. Insofern verstehen sich die folgendenExplorationen sozialer Milieus auch als ein Beitragfür ein sozialverträgliches Bildungsmarketing.

Die Studie basiert einerseits auf einer Repräsenta-tiverhebung und andererseits auf qualitativen In-terviews und Gruppendiskussionen. In Band Iwerden die Ergebnisse der Tiefenexplorationensozialer Milieus verstärkt dargestellt. Daher ist diemethodische und methodologische Basis dieserqualitativen Studienanteile in diesem Band be-schrieben. Hinweise auf das quantitative Vorge-hen der Repräsentativstudie sind Band II zu ent-nehmen.

An dieser Stelle ist auch Dank zu sagen, denn nurdurch die intensive Kooperation mit anderen In-stitutionen und Personen kann eine so umfangrei-che empirische Weiterbildungsstudie durchge-führt werden: Finanziell gefördert wurde das Pro-jekt durch das Bundesministerium für Bildungund Forschung, für die konstruktive Zusammenar-beit im Projektbeirat danken wir Frau Helga Rein-hardt und Herrn Heinz Westkamp (BMBF), HerrnProf. Dr. Klaus Meisel und Herrn Klaus Pehl (DIE),Frau Dr. Elisabeth Krekel (BIBB). Die quantitativeRepräsentativerhebung wurde in Kooperation mitInfratest und mit Helmut Kuwan durchgeführt.Spezielle Auswertungen wurden vom SINUS-Institut und von Prof. Dr. Thomas Eckert vorge-nommen. Diana Baum, Agnes Braune, VerenaBuddenberg, Jörn Killinger, Claudia Strobel, Jo-hanna Weizer haben die Texte zum vorliegendenBand intensiv gegengelesen, Frau Braune oblagdarüber hinaus der Entwurf einer Gestaltungsvor-lage für das Schlussmanuskript. In einer Vorphasedes Projektes waren Frau Dr. Ruth Hoh, Frau Ul-rike Haidary und Frau Meike Weiland beteiligt.Besonderer Dank geht auch an die Studierendender Pädagogik an der LMU München, die in Se-minaren theoretische und auch konzeptionelleAnregungen diskutierten. Die LehrstuhlsekretärinFrau Roswitha Grzeschik war insbesondere beiverschiedenen administrativen Arbeitsschritten amLehrstuhl für Allgemeine Pädagogik und Bildungs-forschung der LMU-München sehr hilfreich.

Mit dem vorliegenden Bericht sollen Anregungenfür Planungsüberlegungen in den Weiterbildungs-institutionen gegeben werden, wobei hervorzuhe-ben ist, dass die Studie sowohl über aktive Wei-terbildungsteilnehmende als auch über Nichtteil-nehmende, also Adressaten, Informationen aufbe-reitet. In einer Fortsetzung des Projektes werdenwir mit ausgewählten WeiterbildungsinstitutionenImplementierungsüberlegungen konkretisieren,so dass Fallanalysen und modellhafte Umsetzun-gen entstehen werden. Weiterbildungsplanungmuss direkt vor Ort geschehen und immer wiederunmittelbar die sich artikulierenden Interessenund Wünsche der potenziellen Teilnehmer/innenund der eigenen Institution berücksichtigen.

München und Düsseldorf im Juni 2004Rudolf Tippelt und Heiner Barz

Vorwort

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Die Forderung nach Marketing in der Weiterbil-dung ist beinahe so alt wie die junge Disziplinder Weiter- und Erwachsenenbildung selbst. Ar-gumentiert wurde in den 60er-Jahren vor allemmit den der Erwachsenenbildung immanentenOrdnungsprinzipien der „Freiwilligkeit“ und „An-gebotspluralität“, die eine „Bewerbung“ (vgl.Pöggeler 1964) von Weiterbildungsmaßnahmennahezu unabdinglich machten. Heute werdenÜberlegungen zum Marketing in der Weiterbil-dung noch wichtiger (vgl. Tippelt u. a. 1996).

Durch das zurückliegende quantitative Wachs-tum, aber auch durch damit einhergehende funk-tionale und auch qualitative Ausdifferenzierungder Weiterbildungsanbieter und des damit ver-bundenen Weiterbildungsmarktes wurden immerneue Institutionen und Aufgaben in die Weiterbil-dung integriert. Es ergeben sich daraus Herausfor-derungen an die Profilbildung der Weiterbil-dungsakteure (vgl. auch Bojanowski u. a. 1991, S.292; Tippelt u. a. 2003, S. 149).

Neben vereinzelten Bemühungen, betriebswirt-schaftliche Strategien der ebenfalls relativ jungenkommerziellen Marketinglehre auf die Erwachse-nenbildung zu übertragen (vgl. Beckel u. a. 1974;Sarges u. a. 1980), lässt sich eine tiefergehendeAuseinandersetzung mit Strategien des Marke-tings erst in den 90er-Jahren nachweisen. Zuneh-mende Konkurrenz und verschärfter Wettbewerbauf dem Weiterbildungsmarkt, rückläufige Förde-rungen aus öffentlicher Hand, die Ausdifferenzie-rung von Teilnehmerinteressen, eine zunehmen-de Intransparenz in Bezug auf Anbieter und An-gebote sowie der generelle Bedeutungszuwachsvon Humankapital als Standortfaktor führten zueinem regelrechten „Marketingboom“ (vgl. Möl-

ler 2002), der sich in einer verstärkten Diskussionvon Konzepten und Ideen der kommerziellenMarketinglehre manifestierte.

Nach dieser „massiven“ (Meisel 1994, S. 16),aber dennoch unzureichenden Diskussionscheint das Thema „Weiterbildungsmarketing“um die Jahrhundertwende herum plötzlich „inder Versenkung verschwunden“ (Petersen 2000,S. 159). Trotz ihrer Intensität bleibt die Auseinan-dersetzung im Marketingboom lückenhaft; dieEntwicklung einer eigenständigen, erwachsenen-pädagogischen Begriffs- und Theoriebildung inBezug auf Marketing steckt bislang in den Kinder-schuhen (vgl. Möller 2002), und die Rezeptionbetriebswirtschaftlichen Gedankenguts bleibtmeist auf die Teilaspekte „Werbung“ und „Öffent-lichkeitsarbeit“ beschränkt. Weiterhin ist einMangel an empirischen Überprüfungen des Re-alisierungsgrades sowie der Realisierbarkeit vonMarketingstrategien in der erwachsenenpädago-gischen Praxis zu konstatieren.

Alles andere als dünn gesät sind dagegen Vor-und Ratschläge allgemeiner Natur zur Konzepti-on und Umsetzung von Marketingstrategien inder Weiterbildung (vgl. Schöll 1996; Bernecker2001). Jenseits dieser allgemeinen Richtlinien fin-det vor allem der Praktiker in der Weiter- und Er-wachsenenbildung kaum konkrete Anhaltspunktefür die zielgruppenspezifische Umsetzung einerMarketingstrategie – zumal systematische For-schungsergebnisse zu aktuellen und potenziellenTeilnehmer/innen auf dem bundesweiten Weiter-bildungsmarkt bislang fehlen. Um im Sinne derRentabilität breite Gruppen der gesellschaftlichenMitte einerseits, aber auch bildungsfernere und fi-nanzschwächere Gruppierungen andererseits ge-

1. Warum Milieumarketing?

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zielt anzusprechen und in die Weiter- und Er-wachsenenbildung zu integrieren, bedarf es nichtnur detaillierter Informationen über Vorausset-zungen, Vorwissen und auch Lebenswelt der ak-tuell Teilnehmenden, sondern auch Kenntnisseüber die sich immer weiter ausdifferenzierendenBedürfnisse, Motive und Interessen aktueller so-wie potenzieller Teilnehmer/innen.

Die vorliegende Studie nimmt als erste Untersu-chung den gesamtdeutschen Weiterbildungs-markt von der Nachfrageseite her in den Blickund zeichnet auf der Basis des Modells sozialerMilieus eine umfassende Topographie der aktuel-len und potenziellen Teilnehmer/innen nach. An-stelle allgemeiner Vorschläge können auf der Ba-sis detaillierter und trennscharfer Zielgruppenpro-file erstmals konkrete Anhaltspunkte für die Kon-zeption und Umsetzung einer zielgruppenspezifi-schen Marketingstrategie bereitgestellt werden(Milieumarketing). Diese Zielgruppenprofile wer-den in diesem Band I der Gesamtstudie exempla-risch vorgestellt und auf eine Formulierung vonMarketingstrategien hin zugespitzt.

1.1 Marketing als Strategie

Was aber bedeutet Marketing? Welche Prozesseund Ziele werden mit dieser Terminologie um-schrieben? Und: inwieweit ist sie tatsächlich indie Weiterbildung integrierbar?

Anhand der breiten Palette an Definitionsmög-lichkeiten innerhalb der kommerziellen Marke-tinglehre wird deutlich, dass sich Marketing – wieauch andere komplexe, real existierende Systeme– letztendlich einer befriedigenden und allgemeingültigen Formaldefinition entzieht. Aussagekräfti-ger sind hier verbindliche Kriterien und Merkma-le von Marketing, wie sie bspw. Möller (2002) ausder Sicht der Erwachsenenbildung zusammen-stellt: Demnach bezeichnet Marketing einen ge-planten und systematischen Entscheidungspro-zess. Im Mittelpunkt steht die Verbesserung desLeistungsprogramms durch die Ausrichtung aufden Kunden- bzw. Teilnehmernutzen. Im Sinneeiner Profilbildung im hart umkämpften Weiter-bildungsmarkt schließt Marketing auch kreativeund innovative, auf den Markt gerichtete Prob-lemlösungsprozesse mit ein.

Obwohl sich innerhalb der kommerziellen Mar-ketinglehre keine einheitliche Definition des Mar-ketingbegriffes durchsetzen konnte, sind sich un-terschiedlichste Vertreter dieses Faches einig,welche Aktivitäten oder Teilschritte eine umfas-sende Marketing-Planung beinhalten sollte. Diesein der Regel sechs hauptsächlichen Entschei-dungstatbestände einer Marketingplanung (vgl.Möller 2002, S. 23ff.) werden im Folgenden in ei-nem Überblick vorgestellt. Besondere Aufmerk-samkeit erfahren dabei die Tatbestände der strate-gisch bedeutsamen Zielformulierung sowie dieGestaltung und Zusammensetzung der Marke-tinginstrumente, für welche die Milieuforschungwichtige Anhaltspunkte liefert.

Das in Abbildung 1 dargestellte Modell visuali-siert die Bausteine einer umfassenden Marketing-strategie im Bereich der Erwachsenenbildung.Den sechs Entscheidungstatbeständen entsprechendie an den Spitzen der Pfeile oder Pfeilbündel lie-genden Textfelder „Ziele der Einrichtung“, „Ope-rative Marketingziele“, „Marketinginstrumente“,„-mix“, „-organisation“ und „-kontrolle“. Groblassen sich in Anlehnung an Schöll (1996) „Infor-mationsinstrumente“ und „Aktionsinstrumente“unterscheiden. Zu den erstgenannten zählen hier-bei im Kontext der Zielformulierung Marktseg-mentierung, Marktforschung sowie die Unter-scheidung zentraler Marktfeldstrategien; die Akti-onsinstrumente zur Umsetzung der Marketingzie-le setzen sich aus den vier Marketinginstrumen-ten, dem Marketingmix, der Marketingorganisati-on sowie der Marketingkontrolle zusammen.

1.1.1 Zielformulierung

Der strategisch bedeutsame Prozess der Zielfor-mulierung bezieht sich zunächst auf die Ablei-tung so genannter „realer“ Oberziele aus den be-sonderen Absichten der jeweiligen Einrichtungsowie den allgemeinen Richtlinien und Maximender Weiter- und Erwachsenenbildung (vgl. Sargesu. a. 1980). Marktfeldstrategien, Aspekte der Markt-bzw. Marketingforschung sowie der Marktseg-mentierung tragen dazu bei, die immer noch rela-tiv abstrakten Oberziele auf operative Marketing-ziele, die sich an der Marktsituation und demAdressaten orientieren, herunterzubrechen.

Dabei dienen Marktfeldstrategien der Systema-tisierung strategischer Alternativen im Rahmen

1.1 Marketing als Strategie

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einer Marketingplanung und strukturieren dasmarktpolitische Entscheidungsfeld. Es sind vierstrategische Alternativen zu unterscheiden:

„In Strategie 1 geht es um Marktdurchdrin-gung und -ausschöpfung: Bei einem vorhan-denen Teilnehmerstamm und vorhandenemAngebotsspektrum sollen zusätzlich Adressa-ten für Veranstaltungen gewonnen werden,darunter auch andere als die bisher erreich-ten. Außerdem geht es darum, die bereits ge-wonnenen Teilnehmenden an Veranstaltun-gen und an die jeweilige Situation zu binden,d.h. die Teilnahme aufrecht zu erhalten, zu in-tensivieren und damit das Teilnahmeengage-ment zu erhöhen.

In Strategie 2 geht es um die Marktauswei-tung, d.h. um die Gewinnung neuer Teilneh-mergruppen für ein vorliegendes Veranstal-tungsangebot. Dies kann durch diverse Mar-ketinginstrumente wie Werbung, Distribution,neue Programmplanung, Dozentenwahl, PublicRelations, Angebotsdurchführung, Raumgestal-tung etc. erreicht werden.

In Strategie 3 geht es um die Erschließung vonMarktlücken, d.h. um die Verbesserung desbisherigen Programms durch Neueinführun-gen und Änderungen insbesondere in Berei-chen, die bislang ungenutzt blieben sowieauch um die Eliminierung von Veranstaltun-gen.

In Strategie 4 geht es um neue Angebote, dieexplizit für bisherige Nichtteilnehmende ent-wickelt werden. Es kommt demnach zur Di-versifikation von Kurs- und Seminarangebo-ten“ (vgl. ebd., S. 33).

Zur Marktforschung zählt sowohl die Analyse ex-terner (Konkurrenz, Teilnehmer/innen, Teilnah-mebarrieren, Abbruchursachen usw.) als auch dieUntersuchung interner Faktoren (personelle, fi-nanzielle, zeitliche Ressourcen). Dieser auch als„Informationsanalyse“ (Bernecker 2001) bezeich-nete Prozess liefert wichtige Anhaltspunkte für ei-ne teilnehmerorientierte Gestaltung der Interakti-on zwischen Nachfrager und Anbieter, die sichinsbesondere im Bildungsbereich besonders in-tensiv gestaltet. An dieser Stelle ist auch der Bei-trag der Milieuforschung zu verorten, die vor al-lem detaillierte Informationen über die Struktur

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1. Warum Milieumarketing?

Produktpolitik

Preispolitik

Distributionspolitik

Kommunikationspolitik

Offizielle Oberziele

Reale Oberziele

Informationsanalyse

Aktionsparameter

Besondere Absichten

des Trägers

Ziele der Einrichtung

Marktsegmentierung

Marktfeldstrategien

Marktforschung: interne

und externe Faktoren

Operative Marketingziele

Marketinginstrumente

Marketingmix

Marketingorganisation

Marketingkontrolle

Allgemeine Richtziele der EB

Abbildung 1:

Entscheidungstatbestände einer Marketingstrategie

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des Nachfragemarktes liefern kann. Unterstüt-zung bei der Formulierung operativer Marketing-ziele liefert darüber hinaus die Strategie der„Marktsegmentierung“.

Marktsegmentierung übernimmt dabei die Aufga-be, den gesamten Zielmarkt nach sozio-ökonomi-schen oder auch nach psychographischen Aspek-ten in intern homogene und extern heterogeneTeilgruppen aufzuteilen. Diese Teilgruppen kön-nen schließlich leichter im Sinne der Erstellungvon Verhaltensprognosen für absatzorientierteStrategien bearbeitet werden (vgl. Bernecker2001). Auch hier liefert die Milieuforschung ei-nen entscheidenden Beitrag, indem der Ansatzsozialer Milieus den Nachfragemarkt sowohlnach sozio-ökonomischen Aspekten wie bspw.Alter, Berufsstatus, Bildungsniveau, Haushaltsein-kommen als auch nach psychographischen Va-riablen wie bspw. Motiven, Einstellungen und In-teressen zu differenzieren vermag. Differenzie-rungen auf der Basis sozialer Milieus werden mitunseren milieuspezifischen Befunden derdeutschlandweiten Untersuchung in diesem Banddetailliert aufgezeigt.

1.1.2 Marketinginstrumente und

Marketingmix

Besondere Aufmerksamkeit innerhalb der Mar-ketingstrategie wurde bislang den so genanntenMarketinginstrumenten oder auch „Aktionspara-metern“ (Schöll 1996) zugemessen, mit derenHilfe die konkret formulierten, operativen Marke-tingziele umgesetzt werden sollen. In Anlehnungan die vier „P’s“ nach Mc Carthy werden in der Mar-ketinglehre folgende Instrumente unterschieden:Produktpolitik (Product), Kommunikationspolitik(Promotion), Distributionspolitik (Place) undPreispolitik (Price). Insbesondere bei der Formu-lierung der Marketinginstrumente gilt es aller-dings, die Besonderheiten des Gutes Bildung(Komplexität, Einfluss externer Faktoren, Hetero-genität der Leistungserbringung, Immaterialität)zu beachten. Auch an dieser Stelle der Marketing-strategie liefern Weiterbildungsstudien in der Tra-dition der Milieuforschung wertvolle Anhalts-punkte: so kann z. B. pro Milieu ein detailliertesweiterbildungsbezogenes Interessens- und Moti-vationsprofil nachgezeichnet werden, das Folge-rungen für die zielgruppenspezifische Gestaltungder Marketinginstrumente zulässt.

Das Instrument der Produkt- bzw. Angebotspolitikbezieht sich nach Bernecker (2001) auf das ge-samte Leistungsprogramm eines Anbieters, ange-fangen von den jeweiligen Themenbereichen, derQualifikation der Dozenten und der Teilnehmer-schaft bis hin zum Freizeitangebot und eventuel-len Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Die jeweili-gen Präferenzen, Interessen und Bedürfnisse po-tenzieller und aktueller Teilnehmer/innen solltenan dieser Stelle der Marketingstrategie Berück-sichtigung finden.

Die Kommunikationspolitik umfasst alle auf denMarkt gerichteten Möglichkeiten der Kommuni-kation und Information. Neben den bekannten Ins-trumenten der Werbung und der Öffentlichkeits-arbeit, auf die Marketing häufig reduziert wird,sind hierunter auch weitere Kommunikationsfor-men wie direct-marketing (vgl. Möller 2002),Mund-zu-Mund-Propaganda oder direkter Ver-kauf zu fassen. Mit Hilfe des Milieumodells wur-den bspw. in der vorliegenden Weiterbildungsstu-die Ansprachemöglichkeiten und Ansprachewün-sche detailliert für gesellschaftliche Teilgruppenherausgearbeitet.

Die Distributionspolitik als weiteres Instrumenteiner Marketingstrategie bezieht sich auf sämtli-che Aktivitäten, die den Weg der Bildungsleistungbis hin zum/r Abnehmer/in bzw. Teilnehmer/inbetreffen. Hierunter sind in Anlehnung an Bern-ecker (2001) Absatzwege bzw. -organe, Standort-wahl, Räumlichkeiten und Ausstattung sowie diezeitliche Strukturierung zu subsumieren. Auchdie Präferenzen hinsichtlich der Infrastruktur so-wie des Ambientes wurden mit der Untersuchung„soziale und regionale Differenzierung von Wei-terbildungsverhalten und -interessen“ nach mi-lieuspezifischen Aspekten differenziert.

Als letzter Baustein ist die Preispolitik zu nennen.Diese kann zum einen als Regulativ zur Erhöhungdes Kostendeckungsgrades von Einrichtungendienen (z. B. durch das Robin-Hood-Prinzip; vgl.Schöll 1996); zum anderen trägt sie durch dieMöglichkeit der Preisdifferenzierung dazu bei,milieuspezifische Weiterbildungsbarrieren finan-zieller Art zu eliminieren.

An dieser Stelle ist anzumerken, dass die Trennungzwischen den vier Marketinginstrumenten lediglichanalytischer Natur ist. Nur in einem harmoni-schen Zusammenspiel können diese Instrumente

1.1 Marketing als Strategie

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ihre Wirkung entfalten. Die sinnvolle Kombinati-on und Ausgestaltung der Marketinginstrumentewird sowohl von der betriebswirtschaftlichen, alsauch von der erwachsenenpädagogischen Seiteals „Marketingmix“ bezeichnet (vgl. Voss 1999;Bernecker 2001; Möller 2002).

Es wird deutlich, dass es an allgemeinen Vor-schlägen zur Konzeption und Gestaltung einer er-wachsenenpädagogischen Marketingstrategienicht fehlt – ganz im Gegensatz zu Implikationenfür eine konkrete Umsetzung dieser Ratschläge inmakrodidaktische Handlungsfelder. Die vorlie-gende Studie liefert hierfür Anhaltspunkte. Band Ibasiert auf dem Modell sozialer Milieus, welchesein zentrales Instrument im Kontext der Formulie-rung und Gestaltung zielgruppenspezifischerMarketingziele darstellt.

Was aber sind soziale Milieus? Und: inwiefernkann dieses Modell der Sozialstrukturanalyse zurKonzeption und Umsetzung einer erwachsenen-pädagogischen Marketingstrategie beitragen?

1.2 Soziale Milieus als Analyseeinheit im Weiterbildungsmarkt

Aufgrund der zunehmenden Komplexität desWeiterbildungsmarktes gewinnt die Strukturie-rung und Analyse der Nachfrageseite zunehmendan Bedeutung. Wie verdeutlicht, stellt die genaueAnalyse des Teilnehmermarktes (Informationsana-lyse externer Faktoren, vgl. Abbildung 1) einenzentralen Bestandteil der umfassenden Marke-tingstrategie dar. Der Markt der aktuellen und po-tenziellen Teilnehmer/innen kann – so verdeut-licht es der Grundgedanke der Marktsegmentie-rung – nach soziodemographischen sowie nach„psychographischen“ (Bernecker 2001) Faktorendifferenziert werden. Ein Konzept, das neben tra-ditionellen soziodemographischen Kriterien so-zialer Lage wie Einkommen, Berufsstatus und Bil-dungsabschluss auch „psychographische“ Aspek-te wie grundlegende Wertorientierungen, Lebens-auffassungen und Lebensstile berücksichtigt, istdas vom Heidelberger Forschungsinstitut SINUSSOCIOVISION entworfene Modell sozialer Mi-lieus. Dieses inzwischen in vielen Studien derMarkt-, Politik-, Medien- und Bildungsforschungbewährte Modell bildet die Grundlage für einedifferenzierte Beschreibung und Analyse gesell-schaftlicher Teilgruppen – und damit auch der

Gesamtheit der aktuellen und potenziellen Wei-terbildungsteilnehmenden.

Ein soziales Milieu fasst Menschen mit ähnlichenWerthaltungen, Lebensauffassungen und Lebens-weisen zusammen (vgl. Flaig u. a. 1994). Die An-gehörigen eines Milieus teilen ähnliche Einstel-lungen zu relevanten Lebensbereichen wie Ar-beit, Freizeit, Partnerschaft, Konsum, Alltags-ästhetik oder eben Bildung und Weiterbildung.Während umfassende Milieucharakteristika(auch: Milieubausteine) für die erstgenannten Le-bensbereiche regelmäßig durch SINUS erarbeitetund angepasst werden, können Aussagen zumMilieubaustein „Weiterbildung“ erstmals auf derBasis der vorliegenden deutschlandweiten Studiegetroffen werden. Das Milieumodell wurde vonSINUS in den frühen 1980er Jahren entwickeltund seither kontinuierlich an den sozialen Wan-del angepasst. Derzeit sind zehn soziale Milieuszu unterscheiden, die sich innerhalb des sozialenRaums auf einer vertikalen (Sozialschicht, „sozio-demographisch“) sowie auf einer horizontalenAchse (Wertorientierungen, „psychographisch“)verorten lassen (vgl. Abbildung 2). Unsere Befun-de konnten die Milieuverteilung in Deutschland(quantitative Befunde), aber auch die Charakteris-tika der sozialen Milieus (soziale Lage, Lebens-welt) in weiten Teilen validieren, in einzelnen Be-reichen werden aber auch „feine“ Modifikationenauf der Basis der eigenen Befunde vorgenommen.

Die in diesem Band zusammengeführten eigenenBeschreibungen, Analysen und didaktischen Hin-weise schließen an die Charakterisierung sozialerMilieus (nach SINUS) in der München-Studie(Tippelt u. a. 2003) und der Freiburger Studie(Barz 2000; Barz u. a. 1999) an, gehen aber überdiese regional begrenzten Studien hinaus und er-stellen eine Topographie der Weiterbildungsland-schaft Deutschland aus der Sicht der Adressatenund Teilnehmenden. Sie differenzieren die sozi-alen Milieus nach expliziten Bildungs- und Weiter-bildungsbausteinen. Unter 1.2.1 bis 1.2.4 werdendie Ausgangscharakteristika der sozialen Milieusvorgestellt und bereits mit Aussagen zur Bildungs-und Weiterbildungseinstellung kombiniert.

1.2.1 Gesellschaftliche Leitmilieus

Die Etablierten (abgekürzt ETB) stellen die gut aus-gebildete, sehr selbstbewusste Elite. Hohe Exklu-

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1. Warum Milieumarketing?

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sivitätsansprüche, bewusste Abgrenzung gegen-über anderen. Beruflicher Erfolg ist ihnen wichtig.Verfolgen klare Karrierestrategien. Lebenskonzeptorientiert sich am Machbaren, reagieren flexibelauf neue Herausforderungen. Sie konsumierenedel, genießen Luxus. Soziale Lage: Leitende be-rufliche Positionen, hohe bis höchste Einkom-men. Bildung/Weiterbildung: Überdurchschnitt-lich hohes Bildungsniveau. SelbstverständlicheIntegration von Lernen in den (Arbeits-)Alltag. Be-fürwortung informeller Formen der Weiterbil-dung: umfassendes politisches, wirtschaftlichesund literarisches Interesse; Tagungen und Kon-gresse. Hohe Ansprüche an Ambiente und Stil desVeranstaltungsortes von Weiterbildung. Selbstbe-wusste Auswahl privater Anbieter; Geld spielt da-bei kaum eine Rolle.

Die Postmateriellen (PMA) verkörpern die Nach-68er. Überwiegend hoch gebildet, kosmopoli-tisch, tolerant. Kritik an negativen Folgen derTechnologisierung und Globalisierung. Erfolg umjeden Preis lehnen sie ab, definieren sich mehrüber Intellekt und Kreativität denn Besitz undKonsum. Soziale Lage: Sehr gute und beste Aus-bildung, gehobene Angestellte, Beamte, Freibe-rufler, Selbstständige, gehobene Einkommen. Bil-dung/Weiterbildung: Hohe und höchste Bildungs-abschlüsse; überdurchschnittlich viele Studentenund Akademiker. Selbstverständliche Integrationlebenslangen Lernens in den Alltag; „nicht auf der

Stelle treten“, „in Bewegung bleiben“. Hohe Ak-zeptanz von Angeboten zur Persönlichkeitsent-wicklung und Gesundheitsbildung. Vor allem imprivaten Bereich vergleichsweise häufiger Besuchvon Weiterbildungsinstitutionen. Kritische und in-formierte Wahl von Weiterbildungsveranstaltun-gen im beruflichen Bereich: Tendenz zu privatenAnbietern. Bevorzugung eines „natürlichen“,stimmigen Ambientes.

Die Modernen Performer (PER) stellen die junge,unkonventionelle Leistungselite, leben beruflichund privat Multioptionalität und Flexibilität. Aus-geprägter Ehrgeiz, oft selbstständig (Start-Ups),treibendes Motiv ist Lust, sich zu erproben undChancen zu nutzen. Nutzen intensiv moderneKommunikationsmedien. Soziale Lage: Schüler/Studenten, mit Nebenjobs, kleine Selbstständige,Freiberufler, gehobenes Einkommen. Bildung/Weiterbildung: Hohes Bildungsniveau, teilweisenoch Schüler/Studenten mit Nebenjobs. HoherStellenwert von Weiterlernen; „nicht stehen blei-ben“. Favorisiert werden vor allem informelleFormen des Lernens. Hohe Expertise im Bereichvon Informations- und Kommunikationstechnolo-gien. Kaum Beteiligung an organisierten Formender Weiterbildung.

1.2 Soziale Milieus als Analyseeinheit im Weiterbildungsmarkt

Abbildung 2:

Erster Überblick über die quantitative Verteilung der sozialen Milieus in Deutschland 2002/2003

eigene Daten n=2920 und in Klammern zum Vergleich SINUS 2001

Oberschicht/

Obere Mittelschicht

Mittlere Mittelschicht

Untere Mittelschicht/

Unterschicht

Soziale

Lage Traditionelle Werte Modernisierung I Modernisierung II

Grund- Pflichterfüllung, Konsum-Hedonismus und Patchworking,

orientierung Ordnung Postmaterialismus Virtualisierung

Etablierte 12,3% (11%)

Postmaterielle 11,1% (10%)

Konservative 5,4% (5%)

Moderne Performer 8,5% (8%)

Experimentalisten 6,4% (7%)

Bürgerliche Mitte

17,3% (18%)

Konsum-Materialisten 10,8% (11%)

Hedonisten

10,4% (11%)

Traditionsverwurzelte 12,1% (15%)

DDR-Nostalgische 5,5% (6%

)

Sinusmodell

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1.2.2 Traditionelle Milieus

Die Konservativen (KON) repräsentieren das alteBildungsbürgertum, pflegen Traditionen, eine hu-manistisch geprägte Pflichtauffassung. Nach er-folgreicher Berufskarriere häufig im Ruhestand,ehrenamtliches Engagement. Distanz zu moder-nen Lebensstilen und technologischem Fort-schritt. Soziale Lage: Früher leitende Angestellte,Beamte, Selbstständige, gehobenes Einkommen,teilweise größeres Vermögen. Bildung/Weiterbil-dung: Akademische Abschlüsse, aber auch einfa-che Schulbildung (besonders bei Frauen). HoherStellenwert selbstgesteuerten Lernens; „Selbster-ziehungsethos“. Interessengebiete: Literatur, Mu-sik, Kultur. Wertschätzung von Parteien, Stiftun-gen und kirchlichen Trägern. Ablehnung privater,nicht etablierter gesellschaftlicher Anbieter undesoterischer Inhalte. Festhalten an eher traditi-onellen Lehr-/Lernformen. Hohe Ansprüche andie Qualifikation von Dozenten. PragmatischeEinstellung hinsichtlich der Ausstattung des Ver-anstaltungsortes; Wertschätzung von Ordnungund Sauberkeit.

Die Traditionsverwurzelten (TRA) verkörpern „Si-cherheit und Ordnung“. Kriegsgeneration, Wur-zeln im Kleinbürgertum oder in traditioneller Ar-beiterkultur. Verstehen sich als Bewahrer vonPflichterfüllung, Disziplin und Moral. Nach ar-beitsreichem Leben kreisen die Interessen um dieeigenen vier Wände und Gesundheit. Leben be-scheiden, unterstützen ihre Kinder/Enkel. SozialeLage: Hoher Anteil an Rentnern, früher kleine Be-amte und Angestellte, Arbeiter, Bauern, kleinerebis mittlere Einkommen. Bildung/Weiterbildung:Niedrige bis mittlere Bildungsabschlüsse. Weiter-bildung als Möglichkeit, um den Status Quo zu si-chern. Bevorzugung schulisch orientierter Lern-formen; Ausrichtung auf den Erwerb konkreterHandlungskompetenz. Keine besonderen Ansprü-che an Räumlichkeit und Veranstaltungsort („sau-ber muss es sein“).

Die DDR-Nostalgischen (DDR) sehen sich als Ver-lierer der Wende. Vergangenheit wird verklärt,Verbitterung über die Gegenwart. Früher häufigim Führungskader, heute einfache Berufe oder ar-beitslos. Führen einfaches Leben, konzentriert aufFamilie, gleichgesinnte Freunde und Vereine. So-

ziale Lage: Einfache Angestellte, Arbeiter, hoherAnteil von Beziehern von Altersübergangsgeldoder Rente, kleine bis mittlere Einkommen. Bildung/Weiterbildung: Einfache bis mittlere Bildung; auchHochschulabschluss. Interesse an informeller Wei-terbildung: politisches Interesse, auf dem Laufen-den bleiben. Ablehnung von Kursen zur Persön-lichkeitsentwicklung. Nutzung staatlich geförderterAngebote; häufig Umschulungen. Wertschätzungvertrauter, schulischer Formen des Lernens.

1.2.3 Mainstream-Milieus

Die Bürgerliche Mitte (BÜM) stellt den statusorien-tierten Mainstream. Streben nach moderatemWohlstand. Sie sind leistungsorientiert und ziel-strebig. Wichtig sind beruflicher Erfolg, gesicher-te Position, Etablierung in der Mitte der Gesell-schaft, manchmal von Abstiegsängsten geplagt.Soziale Lage: Kinderfreundliches Milieu, qualifi-zierte, mittlere Bildungsabschlüsse, einfache,mittlere Angestellte/Beamte, mittlere Einkom-mensklassen. Bildung/Weiterbildung: MittlereReife mit Lehre, Abitur mit Lehre, teilweise auchakademische Abschlüsse. Lernen als Notwendig-keit, um am Ball zu bleiben. Im Mittelpunkt stehtdie Vermittlung konkreten Handwerkzeugs fürden (Berufs-)Alltag. Überdurchschnittlich vieleVHS-Besucher. Geringere Ansprüche an Ambien-te und Räumlichkeit von Veranstaltungen; nebender notwendigen Ausstattung ist vor allem derkompetente Dozent von Bedeutung.

Die Konsum-Materialisten (MAT) wollen wegen ih-rer beschränkten finanziellen Mittel zeigen, dasssie mithalten können. Berufliche Chancen sehreingeschränkt durch mangelnde Qualifikation,ungünstige persönliche Rahmenbedingungen.Möchten als Durchschnittsbürger gelten, fühlensich häufig benachteiligt. Soziale Lage: Volks-/Hauptschulabschluss mit oder ohne Berufsausbil-dung, Arbeiter, viele Arbeitslose, unteres bis hinzu mittlerem Haushaltseinkommen, Häufung so-zialer Benachteiligungen. Bildung/Weiterbildung:Kein oder formal niedriger Bildungsabschluss (mitAusnahmen), häufig abgebrochene Ausbildun-gen. Meist gebrochenes Verhältnis zu Bildungs-institutionen, hohe Schwellenängste. Besuch vonWeiterbildungsveranstaltungen über Arbeitsamt1

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1 Da sich das „Arbeitsamt“ erst mit Beginn des Jahres 2004 in „Agentur“ umbenannt hat, im Untersuchungszeitraum aber noch den

alten Namen trug, wird dieser im vorliegenden Buch durchgängig verwendet.

1. Warum Milieumarketing?

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vermittelt. Weiterbildungsveranstaltungen stehenin engem Zusammenhang mit schulischem Ler-nen und Stress. Lernen stellt eine zusätzliche Be-lastung zum problembeladenen Alltag dar. DerVerwertungsaspekt einer Weiterbildung muss klarersichtlich sein.

1.2.4 Hedonistische Milieus

Die Experimentalisten (EXP) sind die extrem indi-vidualistische neue Bohème. Tolerant gegenüberunterschiedlichsten Lebensstilen, Szenen, Kultu-ren, sehr spontan. Materieller Erfolg und Statussind weniger wichtig, häufig Patchwork-Karrie-ren. Nutzen Multimedia, engagieren sich fürRandgruppen, betreiben mentales Training undkreative Hobbies. Soziale Lage: Schüler, Studen-ten, kleinere Selbstständige, Freiberufler, über-durchschnittliches Einkommen. Bildung/Weiter-bildung: Oft gehobene Bildungsabschlüsse, Schü-ler und Studenten. Weiterbildung und lebenslan-ges Lernen als Bestandteil der individuellenSelbstverwirklichung. Im Milieuvergleich größteBandbreite der Weiterbildungsinteressen. Selbst-verständliche Integration selbstgesteuerten Ler-nens in die Lebensführung. Große Bedeutung eines„passenden, harmonischen“ Ambientes der Wei-terbildungsveranstaltung je nach Themengebiet.

Die Hedonisten (HED) sind die untere Mittel- bisUnterschicht. Auf der Suche nach Fun und Action,Träume von geordnetem Leben. Angepasstheit imBerufsalltag steht im Gegensatz zum hedonisti-schen Leben in der Freizeit. Aggressive Under-dog-Gefühle gegenüber ihrer Umwelt. Unterhal-tung in krassen Szenen, Clubs, Fangemeinden.Soziale Lage: Oft ohne Berufsausbildung, einfa-che und mittlere Angestellte, Arbeiter, Schüler,Azubis, häufig ohne eigenes Einkommen, den-noch auch mittlere und höhere Einkommen. Bil-dung/Weiterbildung: Niedrige bis mittlere, teil-weise auch gehobene formale Bildungsabschlüs-se; überproportional viele Auszubildende undSchüler. Akzeptanz von Umschulungen/Weiter-bildungen eng verbunden mit Antizipation finan-ziellen Nutzens. Kaum eigenständiges Interessean organisierten Formen der Weiterbildung. Auf-grund der steigenden Bedeutung des Internets alsFun-Medium könnte auch das informelle, netzba-sierte Lernen und Informieren an Bedeutung ge-winnen.

Kenntnisse über soziale Milieus und Adressaten-forschung lassen sich auf Marketingstrategien be-ziehen. Marketing hat allgemein etwas mit derAusrichtung am Kundennutzen zu tun, ordnetPlanungs- und Entscheidungsprozesse von Orga-nisationen und Unternehmen, orientiert die Orga-nisations- und Unternehmensführung auch anAnforderungen des Marktes, sucht nach kreativenund innovativen Lösungen und versucht Aussa-gen zu machen über verschiedenste weitere Akti-vitäten wie Entwicklungen von Angeboten, Wer-bung, Marktforschung, Public Relations, Proble-me der Qualitätssicherung und des Controllings.Bei den Marketingstrategien in der Weiterbildunggeht es vornehmlich um nichtkommerzielles Mar-keting (vgl. Möller 2002, S. 28).

1.2 Soziale Milieus als Analyseeinheit im Weiterbildungsmarkt

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2.1 Forschungsdesign und -methoden

Das im Juli 2001 gestartete Forschungsprojekt er-stellte unter Einbeziehung unterschiedlicher Erhe-bungsmethoden eine qualitative und quantitativeBestandsaufnahme der Weiterbildungsinteressenund des Weiterbildungsverhaltens der 18- bis 75-jährigen Wohnbevölkerung der BundesrepublikDeutschland. Unter Berücksichtigung von regio-nalen (Ballungsräume, Städte, ländlicher Raum,Ost/West), soziodemographischen (Einkommen,Beruf, Bildungsabschluss, Geschlecht, Alter etc.)und lebensstilbezogenen Differenzierungen (so-ziale Milieus nach SINUS-Sociovision) entstandeine Topographie der WeiterbildungslandschaftDeutschland aus der Perspektive der Adressatenund Teilnehmer.

Durchgeführt wurden:

a) eine qualitative Explorationsstudie mit 160problemzentrierten Einzelinterviews (zentra-les Differenzierungskriterium des Stichpro-benplans war die Zuordnung der Gesprächs-partner zu den zehn Sinus-Milieus) sowie mit

14 Gruppendiskussionen. Zentrale Auswahl-kriterien für die Rekrutierung der Teilnehmerwaren berufliche Tätigkeitsfelder bzw. Ar-beitslosigkeit

b) eine bundesweite Repräsentativerhebung mit3008 auswertbaren CATI-Interviews (Compu-ter Assisted Telephone Interview). Feldarbeit:Infratest Sozialforschung, München (vgl. aus-führlich Band 2).

Hinzu kamen individuelle Expertengespräche so-wie mehrfache Projektberatung im Projektbeiratmit ausgewiesenen Kennern von Theorie und Pra-xis der deutschen Weiterbildungslandschaft.

Die zeitliche Verzahnung der einzelnen Baustei-ne konnte die durch die Methodentriangulationgegebenen Synergieeffekte am wirkungsvollstenerschließen. In der letzten Phase wurden die Er-gebnisse im Hinblick auf eine anvisierte eigeneImplementierungsphase aufbereitet und Kontaktezu potenziellen Kooperationspartnern aufgenom-men. Die eigentliche Implementierung selbst istein Anschlussprojekt und noch nicht Bestandteildes vorgelegten Berichts.

2. Zur Methodik des Forschungsvorhabens

Zeitraum/Erhebung

Expertenworkshops

Repräsentativerhebung

Qualitative Interviews

Gruppendiskussionen

07/01–12/01

Vorbereitung und Konzeption Durchführung und Aufbereitung Auswertung, Analyse, Interpretation

01/02–06/02 07/02–12/02 01/03–06/03 07/03–12/03

Tabelle 1:

Zeitliche Verzahnung der Methoden

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Für die in diesem Band vorliegenden Analysenmit Milieubezug ist die qualitative Explorations-studie ausschlaggebend. Ihrer Methodik gilt daherim Folgenden das Augenmerk.

2.2 Qualitative Forschungsmethode: Problemzentriertes Interview

Eine zentrale Methode des Forschungsprojektsstellt das leitfadengestützte, problemzentrierte In-terview dar. Dieses wurde durch den Einsatz vonRating-Listen und kontrollierten Assoziationsver-suchen ergänzt, um eine möglichst variationsrei-che Gestaltung zu gewinnen.

Im Allgemeinen lassen sich zwei Hauptformenqualitativer Interviews unterscheiden. Im narrati-ven Interview steht das freie Erzählen im Mittel-punkt. Ziel ist es, die subjektiven Bedeutungs-strukturen der Gesprächspartner/innen (im Fol-genden: „der Gesprächspartner“) zu erschließen.Die Interviews werden nur leicht strukturiert, dieRolle von Interviewerin oder Interviewer (im Fol-genden: „die Interviewerin“) besteht in der Haupt-sache in „aktivem Zuhören“ (vgl. Mayring 1999).

Die vorliegende Arbeit stützt sich auf problem-zentrierte Interviews. Das problemzentrierte In-terview (PZI) wurde von Witzel (1985) beschrie-ben. Es umfasst alle Formen der offenen, halb-strukturierten Befragung. Folglich stellen sowohldas qualitative Interview (vgl. Witzel 1985) alsauch die biografische Methode und die Fallanaly-se Formen des PZI dar. Hierbei steht eine Prob-lemstellung im Zentrum, mit der die Interviewerinsich im Vorfeld befasst hat. Auf der Grundlage desVorwissens und Forschungsinteresses entwickeltdie Untersuchungsleitung einen Leitfaden, mitdessen Hilfe das Interview strukturiert wird (vgl.Mayring 1999). Der Leitfaden dient folglich derthematischen Organisation des Hintergrundwis-sens der Interviewerin (vgl. Witzel 1985). Dabeiist klar, dass durch die Konstruktion des Ge-sprächsleitfadens bereits Vorinterpretationen er-folgen (vgl. Witzel 1996). Ein Interview beinhalteti.d.R. vier Arten von Fragen:

Nach der Gestaltung eines Gesprächsanfanges,mit dem eine narrative Gesprächsstruktur hervor-gerufen werden soll (z. B. durch eine Frage, dieerzählend beantwortet wird) folgen zum Einstiegin die Thematik allgemeine Sondierungsfragen.Hierbei wird zum einen die Entwicklung des In-terviewgesprächs angestrebt, zum anderen sollein Eindruck über die Bedeutung der Thematik fürden Interviewten gewonnen werden. Des Weite-ren werden in spezifischen Sondierungsfragenwichtige Aspekte der Thematik direkt von der In-terviewerin angesprochen. Weiter kann auf dieKommunikationsformen der Zurückspiegelung2,der Verständnisfrage und der Konfrontation3 zu-rückgegriffen werden (vgl. Witzel 1989). Außer-dem besteht die Möglichkeit, Ad-hoc-Fragen zuformulieren, die nicht im Leitfaden enthaltensind, aber der Vertiefung von einzelnen Aspektenoder der Erhaltung des Gesprächs dienen (vgl.Witzel 1985).

Der Leitfaden dient dabei als Orientierungshilfeund Gedächtnisstütze für die Interviewerin undermöglicht mit der Zusammenstellung relevanterAspekte eines Themenbereiches eine gewisseStandardisierung und Vergleichbarkeit von Ein-zelinterviews, wie dies auch für die Auswertungder 160 leitfadengestützten Interviews im Rah-men der vorliegenden Untersuchung unabding-bar war. Anders als bei völlig standardisierten Be-fragungen verlangt ein qualitatives Vorgehen er-höhte Kompetenz sowohl von Seiten des Inter-viewten als auch von Seiten der Interviewerin.Diese muss mit den Fragestellungen und dem hin-ter der Leitfadenkonstruktion stehenden theoreti-schen Ansatz vertraut sein. Sie sollte in der Lagesein, abschätzen zu können, wann es angemes-sen ist, vom Leitfaden abzuweichen und an wel-chen Stellen intensiver nachgefragt werden sollte(vgl. Hopf 1991). Generell gilt es im Sinne eineroffenen Gesprächsführung und der Herstellungeiner angenehmen Atmosphäre, den Leitfaden fle-xibel zu handhaben – was wiederum eine inten-sive Vertrautheit mit den Fragestellungen und denzu Grunde liegenden Hypothesen voraussetzt.Des Weiteren muss die Frageformulierung demjeweiligen Sprachcode der Gesprächsperson an-

2 Bei der Zurückspiegelung wird von der Interviewerin eine Art Bilanz oder Interpretationsangebot des im Interview Gesagten an den

Befragten herangetragen, das zur Überprüfung der Interviewerinterpretation durch die Interviewten dienen kann (vgl. Witzel 1985).

3 Verständnisfragen und Konfrontationen mit dem im Interview Gesagten kann die Gesprächsleitung z. B. dann einleiten, wenn sich die

Aussagen des Interviewten widersprechen oder schwer verständlich sind. Sie führen zur Explikation und Darlegung der Konstruktion

der Realitätsdarstellung des Gesprächspartners (vgl. ebd).

2.2 Qualitativ Forschungsmethode: Problemzentriertes Interview

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gepasst werden. Dies erwies sich in der vorliegen-den Untersuchung gerade für die Gespräche mitAngehörigen bildungsfernerer sozialer Milieus (z.B. Konsum-Materialisten, Traditionsverwurzelte)als bedeutsam. Eine weitere wichtige Bedingungzur Gewährleistung einer Atmosphäre des Ver-trauens und der Offenheit ist die Aufrechterhal-tung einer zurückhaltend-interessierten Haltungder Interviewerin, z. B. das Akzeptieren von per-sönlichen Schilderungen der Befragten.

2.2.1 Stichprobe

Es wurden ca. 100 Personen aus den alten und 70aus den neuen Bundesländern rekrutiert. Um einemöglichst gute regionale Differenzierung zu errei-chen, wurden im alten Bundesgebiet pro Milieuje vier Interviews in Ballungsgebieten (Zentren),drei Interviews in mittleren Städten und weiteredrei in ländlichen Gebieten durchgeführt. In denneuen Bundesländern differenziert die Stichprobezwischen mittleren Städten und ländlichem Raummit jeweils drei Gesprächspersonen pro Milieu (s.Tabelle 2).

Tabelle 3:

Problemzentrierte Interviews/

Sozialdaten der Interviewpartner/innen

Gesamtzahl 173

Geschlecht

weiblich 84

männlich 89

Schulabschluss

kein Abschluss 9

Hauptschule 35

Mittlere Reife 46

(Fach-)Hochschulreife 83

Bundesland

Bayern 54

Baden-Württemberg 12

Bremen 4

Hamburg 14

Niedersachsen 3

Nordrhein-Westfalen 6

Sachsen 18

Sachsen-Anhalt 24

Schleswig-Holstein 10

Thüringen 28

Region

ländlicher Raum 59

mittlere Städte 62

Zentren 52

Neue/Alte Länder

West 103

Ost 70

18

2. Zur Methodik des Forschungsvorhabens

Tabelle 2:

Stichprobenplan der qualitativen Interviews

AlteLänder

NeueLänder

Gesamt

Zentren

Mittl.Städte

Ländl.Raum

Städte

Ländl.Raum

Soll

Ist

Soll

Ist

Soll

Ist

Soll

Ist

Soll

Ist

Soll

Ist

KON

4

4

3

3

3

2

3

2

3

2

16

13

ETB

4

4

3

2

3

4

3

3

3

3

16

16

PMA

4

5

3

4

3

3

3

5

3

2

16

19

PER

4

5

3

2

3

1

3

4

3

3

16

15

DDR

3

3

3

3

6

6

BÜM

4

6

3

5

3

4

3

5

3

5

16

25

TRA

4

5

3

2

3

2

3

3

3

3

16

15

MAT

4

6

3

3

3

2

3

5

3

4

16

20

EXP

4

7

3

4

3

3

3

3

3

3

16

20

HED

4

5

3

2

3

2

3

3

3

3

16

15

Gesamt

36

47

27

27

27

23

30

36

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13

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2.2.2 Milieudiagnosen

Die Zuordnung der Gesprächspartner zu denzehn Sinus-Milieus erfolgte über ein aufwändiges,mehrstufiges Verfahren: Eine erste vorläufige Vor-abzuordnung wurde bereits in der Phase der Kon-taktaufnahme vorgenommen. In dieser sog.„Screeningphase“ war aufgrund von bekanntenInformationen über die Zielpersonen eine ersteEingrenzung des in Frage kommenden Milieu-spektrums möglich. In einem zweiten Schritt stell-te die Interviewerin auf der Basis der Eindrückeund Erfahrungen mit den Interviewten eine ersteMilieudiagnose, die in einem dritten Schritt nachAuswertung des Interviews unabhängig von derErstzuordnung überprüft und gegebenenfalls mo-difiziert wurde. Bei Differenzen hinsichtlich derZuordnung einer Gesprächsperson zu einem Mi-lieu wurde in einem vierten Schritt im Team in ei-nem Prozess der kommunikativen Validierungüber die endgültige Milieuzuordnung entschieden.

Der Interviewleitfaden (siehe www.zielgruppen-portfolio-weiterbildung.de) beinhaltet folgendeAspekte: (A) Bildungsbiografie; (B) Weiterbildung(allgemein und beruflich); (C) Persönlichkeitsent-wicklung; (D) Gesundheitsbildung; (E) Schlüssel-qualifikationen und Kompetenzentwicklung; (F)Weiterbildungsmarketing.

Jeder dieser sechs Themenbereiche besteht auseiner übergreifenden Einstiegsfrage sowie einerSammlung optional anzusprechender bzw. zu ver-tiefender Aspekte. Die Einstiegsfrage fungiert alsGedächtnisstütze und thematischer „Anker“ für dieInterviewerin. Im Zuge der Herstellung und Auf-rechterhaltung einer echten Gesprächsatmosphärewaren die vom Gesprächspartner individuell thema-tisierten Problemstellungen zu bestimmten Themen-komplexen zu berücksichtigen. Hier gilt es, einegeschickte Synthese zwischen der Problemwahr-nehmung des Gesprächspartners und den vorge-sehenen und abzudeckenden Themenfeldern desLeitfadens vorzunehmen.

Neben Sorting-Versuchen zu den wichtigsten Auf-gaben der Schule (A 6), zu Themen der Gesund-heitsbildung (D 4) sowie zur Bewertung der lebens-weltlichen Relevanz bestimmter Schlüsselqualifi-kationen (E 4) zählten in diesen Interviews auch„kontrollierte Assoziationsversuche“ zum Metho-deninventar. Hier wurden spontane Gedanken

zum Thema „Berufliche Weiterbildung“ (B 5) und„Gesundheit“ (D 1) gesammelt.

Zum Abschluss des Interviews war von den Ge-sprächspartnern ein standardisierter Kurzfragebo-gen zur Erfassung zentraler soziodemographi-scher Daten sowie der Milieuindikator auszufüllen.

Kontakte zu den Gesprächspersonen wurden ent-weder über persönliche Beziehungen geknüpftoder über Vertrauenspersonen in Initiativen wie z.B. Schuldnerberatungen, Arbeitsloseninitiativenetc. aufgebaut. Nach einer ersten Anfrage überKontaktpersonen wurden die Gesprächspartnertelefonisch um eine Terminvereinbarung gebeten.In diesem Gespräch wurde der Gesprächspartnernoch einmal kurz über Inhalte und Ziele des In-terviews informiert. Fast alle Interviews fanden inden Wohnungen oder Häusern der Gesprächs-partner statt. Somit konnte auch in dieser Hinsichtein wichtiger methodisch-technischer Aspektqualitativer Sozialforschung erfüllt werden: DerGroßteil der Gespräche fand im „alltäglichen Mi-lieu der Befragten“ (Lamnek 1993, S. 68) statt,denn „um wirklich gute Interviews zu bekommen,muß man [...] in die Lebenswelt dieser betreffen-den Menschen gehen und darf sie nicht in Situ-ationen interviewen, die ihnen unangenehm oderfremd sind“ (Girtler 1984, S. 151). Durch die Ge-sprächsführung in einer gewohnten Umgebungwird den Interviewpartnern ein gewisser Exper-tenstatus zugestanden, der ihnen das Antwortenund auch die freie und offene Gesprächsführungerleichtert.

Dass die Dauer eines qualitativen Interviewsnicht genau abzusehen ist und je nach Ge-sprächsbereitschaft und Artikulationskompetenzdes Gegenübers „zwischen einer halben und vierund mehr Stunden dauern“ kann (Lamnek 1993,S. 66), zeigte sich auch in der vorliegenden Un-tersuchung: die Länge der Interviews variiertestark und schwankte zwischen zweieinhalb undknapp fünf Stunden. Alle Interviews wurden aufMini-Disc oder Kassettenaufnahmegerät aufge-zeichnet und im Anschluss verschriftlicht. Die Er-fassung soziodemographischer Daten per Frage-bogen erfolgte nach Beendigung des Gesprächs.Unmittelbar nach der Gesprächssituation wurdenso genannte „Feldnotizen“ (Schmidt 1997, S. 546)oder auch „Postskripte“ (vgl. Lamnek 1993, S. 77) inForm von Milieudiagnosen angefertigt. In diesen

2.2 Qualitative Forschungsmethode: Problemzentriertes Interview

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Schriftstücken wurden Merkmale der allgemeinenGesprächssituation, zentrale Aspekte der Umge-bung der Interviewten sowie die persönlichenEindrücke der Interviewerinnen festgehalten undeine erste Milieuzuordnung gewagt, die im An-schluss in den bereits beschriebenen mehrstufi-gen Validierungsprozess einmündete.

2.3 Qualitative Forschungsmethode: Gruppendiskussion

Eine weitere Methode, die besonders der Erfas-sung von Weiterbildungsinteressen und -verhal-ten spezifischer gesellschaftlicher Teilgruppendiente, war die Gruppendiskussion. Der Grund-gedanke ist, dass subjektive Bedeutungsstrukturenso stark an soziale Zusammenhänge gebundensind, dass sie v. a. in sozialen Gruppen teilweisebesser erhoben werden können als im Einzelinter-view. Ziele können die Erkundung von Meinun-gen und Einstellungen Einzelner, der ganzenGruppe, der Öffentlichkeit, gruppenspezifischerVerhaltensweisen oder Bewusstseinsstrukturender Teilnehmenden sein (vgl. Mayring 1999).

Die Gruppendiskussion wird häufig in der Markt-und Meinungsforschung eingesetzt. Eine Gruppeumfasst in der Regel zwischen acht und zwölfTeilnehmende. Diese können z. B. eine „Real-gruppe“ oder „natürliche Gruppe“ bilden, d.h.,dass sie zum Erhebungszeitpunkt bereits alsGruppe besteht. Wurde die Gruppe, wie es in dervorliegenden Erhebung der Fall war, speziell zumZweck der Befragung rekrutiert, so spricht manvon einer „Ad-hoc-Gruppe“ oder „künstlichenGruppe“. Zudem kann unterschieden werdenzwischen den in der vorliegenden Untersuchunggebildeten „homogenen“ Gruppen, deren Teil-nehmende sich in zentralen Merkmalen ähnelnund „heterogenen“ oder „inhomogenen“ Grup-pen (vgl. Bortz u. a. 2002).

Die Vorgehensweise bei einer problemzentriertenGruppendiskussion ähnelt auf den ersten Blickder des qualitativen Interviews: auch hier wirdein Leitfaden entwickelt, der die Gruppendiskus-sion strukturiert. Allerdings erfolgt der Umgangmit diesem noch offener, als es in der stärker vo-raussehbaren Interviewsituation der Fall ist: ZuBeginn wird eine Fragestellung formuliert, vonder ein Grundreiz ausgeht. Nach der Darbietungdieses Reizes (z. B. einer provozierenden These)

folgt eine freie Diskussion. Diese wird durch wei-tere Reizargumente der Diskussionsleitung ge-steuert und belebt. Am Ende der Diskussion emp-fiehlt sich eine „Metadiskussion“, in der den Teil-nehmenden die Möglichkeit gegeben wird, ihreErfahrungen während der Diskussion, eventuelleEinstellungsänderungen oder Grundeinstellungenzu formulieren (vgl. Mayring 1999).

Die Befragungsgruppen in der vorliegenden Un-tersuchung wurden in den Expertenworkshops(Projektbeirat) diskutiert und schließlich auf dieErarbeitung von Kriterien für die kompensatori-sche Kompetenzentwicklung und soziale Integra-tion spezifischer gesellschaftlicher Gruppen hinzusammengestellt. Somit ergaben sich vier For-men von homogenen Teilnehmergruppen, dieteilweise wiederum in Untergruppen spezifiziertwurden:

Arbeitslose (Ost- und Westdeutschland)Ältere: (a) „Jüngere Ältere“, die noch im Be-rufsleben stehen [zum organisationalen Kom-petenzmanagement befragt (Weitergabe vonKompetenzen im Unternehmen)] und (b) „Äl-tere Ältere“, an Weiterbildung interessierteRuheständler/innen, hier wiederum Auftei-lung in 60-bis 80-Jährige und Hochaltrige(über-80-Jährige)Ausländer/innen der (a) ersten und (b) zweitenGenerationJüngere: (a) Benachteiligte und (b) in gehobe-nen beruflichen Positionen (zum SchwerpunktPersönlichkeitsentwicklung befragt).

Die Rekrutierung der Gruppendiskussionsteilneh-mer/innen erfolgte in der Regel über Institutionen,z. B. Arbeitslosen- und Ausländerinitiativen, teil-weise wurden auch persönliche Kontakte genutzt.

2.4 Aufbereitung der Interviews und Gruppendiskussionen

Die Verschriftlichung der Interviews und Grup-pendiskussionen erfolgte teilweise in einem wort-getreuen und vollständigen Transkriptionsverfah-ren, in der Mehrzahl der Fälle wurden jedoch zu-sammenfassende Protokolle angefertigt. Auf einevollständige wörtliche Transkription kann ver-zichtet werden, wenn das Forschungsinteressesich v. a. auf die inhaltlich-thematische Seite desMaterials richtet (vgl. Mayring 1999), wie es hier

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2. Zur Methodik des Forschungsvorhabens

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der Fall war. Die zusammenfassenden Gesprächs-protokolle wurden unter Nutzung der Verfahrender qualitativen Inhaltsanalyse erstellt. Damitwurde eine methodische Kontrolle der Zusam-menfassung ermöglicht (vgl. Mayring 1995), d.h.die Aussagen wurden inhaltlich zusammenge-fasst, wenn möglich verallgemeinert und schonwährend der Verschriftlichung den sechs The-menkomplexen des Leitfadens zugeordnet. Dabeiwurden Originalzitate sowie wichtige, den Dis-kussionskontext betreffende Faktoren mit berück-sichtigt. So wurden bspw. auffällige Pausen, Beto-nungen, Versprecher sowie von der Interviewerinverbalisierte Gestik und Mimik der Gesprächsper-sonen mit ins Protokoll aufgenommen. Die Zu-sammenfassung der Transkription oder des Inter-views vom Band aus kann in sechs reduktivenProzessen ablaufen. (1) Zum einen besteht dieMöglichkeit, bedeutungstragende Aussagen(„Propositionen“) auszulassen, wenn sie an meh-reren Stellen bedeutungsgleich auftreten. (2) Beider Generalisation werden Propositionen durcheine diese implizierende und begrifflich überge-ordnete Aussage ersetzt. (3) Eine weitere Möglich-keit besteht darin, aus mehreren bedeutungstra-genden Aussagen eine übergeordnete zu konstru-ieren und (4) Propositionen, die von der konstru-ierten impliziert werden, auszulassen. (5) SindAussagen besonders zentral und aussagekräftig,so werden sie wörtlich beibehalten. (6) Solltenüber den Text verstreute Propositionen inhaltlicheinen engen Zusammenhang aufweisen, so wer-den sie gebündelt wiedergegeben (vgl. Mayring1999).

2.5 Auswertung der Interviews und Gruppendiskussionen

Zur Auswertung der Inhalte der qualitativen Erhe-bungen wurde die qualitative Inhaltsanalyse ge-wählt, weil diese sich besonders für theoriegelei-tete Fragestellungen und eine inhaltlich-themati-sche Analyse von Datenmaterial eignet (Mayring1995). Hierbei erfolgt eine schrittweise, systema-tische und methodisch kontrollierte Auswertungund Analyse des Datenmaterials. Dazu werdenzu Beginn Einheiten gebildet, die nacheinanderausgewertet werden. Die Aspekte der Analysewerden vor der Bearbeitung unter Berücksichti-gung des theoretischen Hintergrunds festgelegt.Es lassen sich drei Grundformen qualitativer In-haltsanalyse unterscheiden. (1) Ziel der Zusam-

menfassung ist eine Reduzierung der Materialfül-le unter Beibehaltung der zentralen Inhalte. (2)Die Explikation trägt zu fraglichen Bestandteilendes Materials weitere Daten heran, die das Ver-ständnis erweitern und eine umfassende Erklä-rung und Ausdeutung ermöglichen. (3) Bei derStrukturierung werden bestimmte Aspekte ausden Daten herausgearbeitet oder die Daten unterfestgelegten Kriterien analysiert (vgl. Mayring1995).

Bei der Explikation kann zum einen Material di-rekt aus dem Text im Umfeld der interpretations-bedürftigen Stelle, zum anderen über den Text hi-nausgehendes Material herangezogen werden.Die Explikation beinhaltet somit eine Kontextana-lyse. In der strukturierenden Analyse nun soll ei-ne Strukturierung des Materials unter bestimmtenAspekten vorgenommen werden. Hierbei emp-fiehlt es sich, in drei Schritten vorzugehen: (1) ZuBeginn werden die strukturierenden Kategorienformuliert und die dazugehörigen Textabschnittebestimmt. (2) In einem zweiten Schritt werden„Ankerbeispiele“ herausgearbeitet, die die Aussa-ge der Kategorie möglichst genau beschreiben. (3)Im Anschluss werden Kodierregeln aufgestellt, dieeine eindeutige Zuordnung des Materials ermög-lichen (vgl. Mayring 1999).

2.5 Auswertung der Interviews und Gruppendiskussionen

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Der Weiterbildungsmarkt richtet sich heute anden leistungsorientierten Manager ebenso wie anden Arbeitslosen, an den bildungsoffenen älterenMenschen wie an Personen aus der freizeit- undspaßorientierten modernen Unterschicht. Er offe-riert Bildungsreisen für Kulturinteressierte, Zu-satzqualifikationen für Karriereorientierte und An-passungsfortbildungen, die helfen, mit technolo-gischen Innovationen Schritt zu halten. Die Pri-oritäten der verschiedenen Zielgruppen in Bezugauf Angebotstypen und -inhalte differieren dabeibeträchtlich und zwingen Weiterbildungsträger,sich darauf einzustellen. Weiterbildungsangebotenach dem Motto „One size fits all“ haben ausge-dient. Wer alte Teilnehmergruppen halten undneue soziale Segmente gewinnen will, muss, umpassgenaue Angebote erstellen zu können, überBildungsbarrieren ebenso informiert sein wieüber milieugeprägte Lebensstile und Wertpräfe-renzen.

Mit dem Modell der Sinus-Milieus gelingt es die-ser Studie, deutschlandweit Weiterbildungsver-halten und -interessen nicht nur im Kontext her-kömmlicher soziodemographischer Merkmale,sondern auch im Hinblick auf Lebenswelten, Le-bensauffassungen und Lebensstile zu untersu-chen. Dabei wird begrifflich und empirisch da-von ausgegangen, dass soziale Milieus Menschenin ähnlicher sozialer Lage und mit ähnlichenWerthaltungen, Lebensauffassungen und Lebens-weisen zusammenfassen (vgl. Flaig u. a 1994,Lüdtke 1989). Die Angehörigen jedes der derzeitzehn Milieus teilen Einstellungen zu relevantenLebensbereichen wie Arbeit, Freizeit, Partner-schaft, Konsum, Alltagsästhetik, aber auch Bil-dung und Weiterbildung.

Die milieuspezifischen Befunde des umfangrei-chen Datenmaterials zeigen, dass folgende Ele-mente des in dieser Studie erstmals analysiertenThemenfeldes „Weiterbildung“ erheblich zwi-schen den zehn sozialen Milieus differieren – undsich letztendlich in höchst unterschiedlichemTeilnahmeverhalten manifestieren:

Prägende Bildungserfahrungen in Kindheitund JugendBildungsvorstellungen und BildungsbegriffTypische WeiterbildungsinteressenTypische WeiterbildungsbarrierenTypische Ansprüche an Methode und Am-bienteWeiterbildungsmarketingPersönlichkeitsbildungGesundheitsbildungSchlüsselqualifikationen/Kompetenzentwick-lungInformelles LernenNutzung und Image verschiedener Anbieter

Dass sich hinsichtlich des Teilnahmeverhaltensallgemein, aber auch hinsichtlich der Affinität zubestimmten Anbietern deutliche milieuspezifi-sche Differenzierungen ergeben, kann mit Befun-den zur beruflichen wie zur allgemeinen Weiter-bildung aufgezeigt werden (vgl. auch Barz 2000,Tippelt u. a. 1996, Tippelt u. a. 2003). Unter-schiede in motivationalen und einstellungsbezo-genen Merkmalen als zentralen Determinantendes Weiterbildungsverhaltens werden insbeson-dere bei den Bildungsorientierungen und denWeiterbildungsbarrieren in den verschiedenensozialen Milieus deutlich.

3. Weiterbildungsverhalten und -interessen von

sozialen Milieus im Überblick

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Beispiel: Mit insgesamt 54 % liegt die Teilnahme-quote an beruflicher Weiterbildung vergleichs-weise hoch. Der stärkste Einflussfaktor ist dabeierwartungsgemäß die Erwerbsbeteiligung und ne-ben den bekannten Einflussfaktoren der Berufsbil-dung und der Betriebsgröße wirkt sich auch dasHaushaltseinkommen stark aus. Die Basis bildendabei alle früher oder aktuell Erwerbstätigen ohneRentner/innen. Aus milieuspezifischer Perspekti-ve sind es vor allem die Milieus der modernenPerformer (Teilnahmequote von 67 %) und derExperimentalisten (65 %), die sich besonders in-tensiv an beruflicher Weiterbildung beteiligen.Auch die Teilnahmequote des Unterschichtmi-lieus der Konsum-Materialisten liegt mit 61 %vergleichsweise hoch. Diese für ein doch eherbildungsfernes Milieu erstaunlich starke Beteili-gung an beruflicher Weiterbildung vermögen Be-funde der Einzelexplorationen zu erläutern: Beiden besuchten Veranstaltungen handelt es sichzumeist um „erzwungene Maßnahmen“, derenBesuch den weiteren Bezug von Zuwendungenund Gratifikationen garantiert. Eher unterdurch-schnittlich beteiligen sich dagegen Angehörigeder DDR-Nostalgischen (46 %), der Konservati-ven (45 %) sowie der Traditionsverwurzelten (45%) an beruflicher Weiterbildung. In diesem „tra-ditionellen Segment“ des Milieumodells werdenneben Schwellenängsten und Bedenken hinsicht-lich des höheren Lebensalters vor allem mangeln-

de Nutzen- und Verwertungserwartungen alsWeiterbildungsbarrieren wirksam.

Mit der Differenzierung nach sozialen Milieuslassen sich allerdings nicht nur unterschiedlicheTeilnahmehäufigkeiten innerhalb der Gesamtbe-völkerung – und auch innerhalb einer sozialenSchicht – detailliert beschreiben, sondern auchzentrale Anbieterpräferenzen herausarbeiten. Da-bei erweist sich der Anbieter „Arbeitgeber/Be-trieb“ als stärkster Träger, insbesondere für dieEtablierten, die Bürgerliche Mitte und die DDR-Nostalgischen. Als zweitstärkster Anbieter im be-ruflichen Weiterbildungsbereich erweisen sichprivate Institutionen. Nahezu jede zehnte besuch-te Weiterbildungsveranstaltung entfällt auf diesenBereich. Besonders weiterbildungsaktiv zeigensich hier die (post)modernen Milieus der moder-nen Performer (17 %) sowie die Experimentalisten(13 %). Eher zurückhaltend agieren dagegen Ver-treter des traditionellen Segments der Milieuland-schaft: Traditionsverwurzelte (6 %), DDR-Nostal-gische (2 %) und Vertreter der Bürgerlichen Mitte(5 %) nutzen private Institutionen stark unter-durchschnittlich.

Die Teilnahmequote in der allgemeinen Weiter-bildung liegt bei 41 %, wobei das Alter, das Ge-schlecht, die Berufsbildung und Schulbildung so-wie wiederum das Haushaltseinkommen starke

Abbildung 3:

Milieuspezifische Teilnahmequoten Berufliche Weiterbildung

n=2106, alle derzeit und früher Erwerbstätigen, außer Rentner/innen (*=.05/**=.01/***=.001)

Oberschicht/

Obere Mittelschicht

Mittlere Mittelschicht

Untere Mittelschicht/

Unterschicht

Soziale

Lage Traditionelle Werte Modernisierung I Modernisierung II

Grund- Pflichterfüllung, Konsum-Hedonismus und Patchworking,

orientierung Ordnung Postmaterialismus Virtualisierung

Etablierte 59%

Postmaterielle 53%

Konservative 45%***

Moderne Performer 67%***

Experimentalisten 65%***

Bürgerliche Mitte

50%

Konsum-Materialisten 61%***

Hedonisten

49%

Traditionsverwurzelte 45%***

DDR-Nostalgische 46%***

Sinusmodell

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3. Weiterbildungsverhalten und -interessen von sozialen Mileus im Überblick

Abbildung 4:

Milieuspezifische Teilnahmequoten an Allgemeiner Weiterbildung

n= 2920, nur Deutsche (*=.05/**=.01/***=.001)

38%

54%

36%

70%

30%

66%

29%

72%

27%

71%

18%

32%

17%

62%

11%

71%

Abbildung 5:

Teilnahmequoten und Lerninteressen bei Kursen zur Persönlichkeitsentwicklung nach Themenbereichen

n=1467, alle Befragten, die am Thema Persönlichkeitsentwicklung sehr oder eher interessiert sind

Entspannungsübungen

Rhetorik/Gesprächsführung

Selbstsicheres Auftreten

Kommunikation im Team

Konflikte konstruktiv

Techniken der Meditation

Umgang mit Stress

Eigene Potenziale

Teilnahme Interesse

Oberschicht/

Obere Mittelschicht

Mittlere Mittelschicht

Untere Mittelschicht/

Unterschicht

Soziale

Lage Traditionelle Werte Modernisierung I Modernisierung II

Grund- Pflichterfüllung, Konsum-Hedonismus und Patchworking,

orientierung Ordnung Postmaterialismus Virtualisierung

Etablierte 44,8%

Postmaterielle 48%**

Konservative 27,7%**

Moderne Performer 47,4%*

Experimentalisten 57,5***

Bürgerliche Mitte

39,8%

Konsum-Materialisten 36,3%

Hedonisten

42,9%

Traditionsverwurzelte 29,9%***

DDR-Nostalgische 25,6%***

Sinusmodell

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Einflussfaktoren sind. Die bildungsstarken moder-nen Milieus der Experimentalisten, der Postmate-riellen und der modernen Performer weisen signi-fikant höhere Teilnahmequoten auf.

Sowohl in der allgemeinen als auch in der beruf-lichen Weiterbildung expandiert das Themenge-biet Persönlichkeitsbildung, und es lässt sich hierexemplarisch aufzeigen, dass Angebote die Inte-ressen von Adressaten oftmals nur unzureichendaufgreifen. So liegt das in der Repräsentativerhe-bung geäußerte Interesse von Personen, diegrundsätzlich an Persönlichkeitsentwicklung inte-ressiert sind, bei allen abgefragten Themen deut-lich über ihrer bisherigen Teilnahmeerfahrung.

Die qualitativen Interviews geben Aufschlussüber die milieuspezifischen Unterschiede in denErwartungen an persönlichkeitsbildende Trai-nings: die Spannbreite erstreckt sich vom Ziel der„reinen“ Persönlichkeitsentwicklung im Sinne derSelbsterfahrung und -verwirklichung bis hin zumPersönlichkeitstraining mit dem Ziel der Selbst-vermarktung des eigenen Wirkens und Auftretens.Im traditionellen Segment findet sich oftmals eineausgeprägte Skepsis gegenüber persönlichkeits-bildenden Trainings, in modernen und postmo-dernen Milieus hingegen ist man diesen gegen-über aufgeschlossen.

Bei den Anbietern in der allgemeinen Weiterbil-dung erweisen sich auch in dieser Studie dieVolkshochschulen vor privaten Trägern, Verbän-den, kirchlichen Anbietern u.a. als besondersstark frequentiert. Die Volkshochschulen sind si-cher äußerst bekannt, können dieses positiveImage aber nicht bei allen sozialen Gruppen adä-quat umsetzen: weniger gut werden Jüngere, Per-sonen mit hohen Bildungsabschlüssen, Männer,Erwerbstätige und Adressaten in Ostdeutschlanderreicht. In Milieuperspektive erreichen dieVolkshochschulen das traditionelle und das neue(Klein-)Bürgertum offenbar am besten.

Befunde der Repräsentativerhebung (vgl. Band 2)vermögen das grundlegende Teilnahmeverhaltenin seiner Gesamttendenz darzustellen und nachgesellschaftlichen Teilgruppen (Milieus, Ge-schlecht, Alter, Einkommen, Bildung etc.) zu dif-ferenzieren, liefern allerdings unzureichende In-formationen über Motive, Einstellungen und Inte-ressen, die als Determinanten des Teilnahmever-haltens fungieren. Als Ergänzung und notwendigeVertiefung können hier die qualitativen Einzelex-plorationen herangezogen werden, die nebendem tatsächlichen Verhalten Motivstrukturen undEinstellungen näher beleuchten. Besonders deut-lich wird der Verdienst der qualitativen Interviewsfür die Themenbereiche „Bildungsorientierungen“und „typische Weiterbildungsbarrieren“. Bildungs-

Abbildung 6:

Teilnahmequoten in der Allgemeinen Weiterbildung: Volkshochschule

n=1180, alle Teilnehmer/innen an Allgemeiner Weiterbildung (*=.05/**=.01/***=.001)

Oberschicht/

Obere Mittelschicht

Mittlere Mittelschicht

Untere Mittelschicht/

Unterschicht

Soziale

Lage Traditionelle Werte Modernisierung I Modernisierung II

Grund- Pflichterfüllung, Konsum-Hedonismus und Patchworking,

orientierung Ordnung Postmaterialismus Virtualisierung

Etablierte 24,1%

Postmaterielle 30,8%

Konservative 27,9%

Moderne Performer 16,9%*

Experimentalisten 12,3%***

Bürgerliche Mitte

33,2%**

Konsum-Materialisten 16,5%*

Hedonisten

26,9%

Traditionsverwurzelte 35,5%*

DDR-Nostalgische 28,6%

Sinusmodell

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orientierungen umfassen dabei das jeweilige Verständnis von Bildung, prägende Bildungser-fahrungen sowie grundlegende Einstellungen undInteressen in Bezug auf Weiterbildung. Diese fun-gieren per se als Determinanten des konkretenWeiterbildungsverhaltens und stellen die Basis fürdie Exploration von Weiterbildungsbarrieren undTeilnahmemotiven dar.

In Anlehnung an die Göttinger (vgl. Strzelewicz u.a. 1966) sowie die Oldenburger Studie (vgl. Schu-lenberg u. a. 1978) wurde auch in dieser Untersu-chung das grundlegende Bildungsverständnis derBefragten erhoben. Bislang haben sich nur weni-ge Studien mit dieser phänomenologischen Annä-herung an den Bildungsbegriff befasst, was er-staunt, weil die Vorstellungen von Bildung und ei-nem „gebildeten Menschen“ nachweislich nichtnur in einem engen Zusammenhang mit der Ein-stellung zu lebenslangem Lernen, sondern auchmit dem konkreten Weiterbildungsverhalten ste-hen. Deutlich wird darüber hinaus in den aktuel-len Befunden, dass die Korrelation von Bildungund Charakterstärke gerade in den modernisier-ten gesellschaftlichen Segmenten zu bröckeln be-

ginnt: Während es für das TraditionsverwurzelteMilieu noch selbstverständlich zu sein scheint,dass Bildung auch „Charakter- und Herzensbil-dung“ hervorbringt, finden sich z. B. bei den Post-materialisten deutlich reduzierte Zustimmungs-werte.

Nicht nur die Bildungsvorstellungen, sondern auchdie konkreten Bildungserfahrungen und -erinne-rungen stehen in engem Zusammenhang mit dergrundlegenden Einstellung zur (Weiter-)Bildungund damit auch zum konkreten Weiterbildungs-verhalten. Die Erinnerung bspw. an die Schulzeitist dabei keinesfalls als bloßer Rückblick an einenerledigten Teil der Vergangenheit zu verstehen,sie hat vielmehr eine gegenwärtige Bedeutung.Wie in den traditionellen Leitstudien der Weiter-bildung zeigt sich auch in der vorliegenden Ana-lyse, dass die eigene Schulbildung für die meistenMenschen ein Lebensfaktor ist, „der ihnen positivoder negativ bis ins Alter bewusst bleibt, und inden Aussagen über die vergangene Schulzeitspiegeln sich gegenwärtige Einstellungen, Bedürf-nisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der Bildungwider“ (Schulenberg u. a. 1978, S. 153). In der

Abbildung 7:

Bildung im Allgemeinverständnis 2003

n=2920

26

3. Weiterbildungsverhalten und -interessen von sozialen Mileus im Überblick

9594

92 91,5

89,5

84,6

87,5

85,6

89,2

Kon

serv

ativ

e

Trad

itio

nsve

rwur

zelte

Etab

liert

e

DD

R-N

osta

lgis

che

Kon

sum

mat

eria

liste

n

Bür

gerl

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Mitte

Pos

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erie

lle

Hed

onis

ten

Expe

rim

enta

liste

n

Mod

erne

Per

form

er

100

90

80

97,5

Zu einem gebildeten Menschen gehört, dass er/sie einen guten Charakter hat.

Zustimmung: („trifft voll und ganz zu“ „trifft eher zu“)

Durchschnitt 90.8

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vorliegenden Studie wurden Bildungsverständnis,Bildungserfahrungen und (Weiter-)Bildungsein-stellungen für alle zehn sozialen Milieus erhoben,und es konnten gruppenspezifische „Profile“ im Hin-blick auf Bildungsorientierungen erstellt werden.

Mit der Erstellung einer Topographie des Weiter-bildungsmarktes aus der Sicht der Teilnehmendenund Adressaten wird die derzeitige Heterogenitätdes Weiterbildungsmarktes eindrucksvoll abgebil-det. Für eine zielgruppenspezifische Gestaltungvon Angebots- und Programmsegmenten sind In-formationen über Interessen, Barrieren und Teil-nahmemotive bestimmter gesellschaftlicher Teil-gruppen unabdingbar. Entsprechende detaillierteTeilnehmer- und Adressatenprofile haben wichti-ge Implikationen für die Angebots- und Pro-grammplanung der Weiterbildungsinstitutionenund liefern wichtige Anhaltspunkte zur Gestal-tung makrodidaktischer Handlungsfelder, die inder Studie zu praktischen Merklisten (Kap. 6) zu-sammengefasst und verdichtet wurden. In engerZusammenarbeit mit dem jeweiligen Anbieter istes damit möglich, Marketingkonzepte zu entwi-ckeln und auf der Basis einer vorangegangenenZielgruppenanalyse passgenaue Angebots- und Pro-grammsegmente zu erarbeiten und zu erproben.

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Mit den Gruppendiskussionen und qualitativenInterviews liegt umfangreiches Datenmaterial vor,auf Basis dessen zielgruppen- bzw. milieuspezifi-sche Profile erarbeitet werden können. Den qua-litativen, milieubezogenen Analysen zufolge dif-ferieren die derzeit zehn sozialen Milieus erheb-lich im Hinblick auf folgende Elemente des Mi-lieubausteins Weiterbildung:

Prägende Bildungserfahrungen in Kindheit undJugendBildungsvorstellungen und BildungsbegriffTypische WeiterbildungsinteressenTypische WeiterbildungsbarrierenTypische Ansprüche an Methode und Am-bienteWeiterbildungsmarketingEntwicklung von PersönlichkeitskompetenzGesundheitsbildungSchlüsselqualifikationenInformelles LernenNutzung und Image verschiedener Anbieter

Anhand dieser elf Elemente kann jedes sozialeMilieu detailliert im Hinblick auf Einstellungen,Verhaltensweisen und Interessen im Bereich derWeiterbildung untersucht werden. Die jeweili-gen, daraus resultierenden „Milieuprofile“ wer-den im vorliegenden Kapitel als „Milieuhand-buch“ zusammengefasst und stellen eine unab-dingbare Grundlage für eine zielgruppenspezifi-sche Angebots- und Programmplanung dar.

Die nun folgenden ausführlichen „Milieuprofile“im Hinblick auf Weiterbildung werden zum Ab-schluss dieses Bandes (Kap. 6) in didaktischenHinweisen für Veranstaltungsplaner zusammen-gefasst. Diese enthalten die wichtigsten Implika-

tionen für die Gestaltung didaktischer Hand-lungsfelder im Hinblick auf die zielgerichtete An-sprache und Integration in den zehn sozialen Mi-lieus.

An dieser Stelle ist anzumerken, dass diese Mi-lieudeskriptionen und Hinweise zur Veranstal-tungsplanung nicht umstandslos in konkrete,passgenaue Angebots- und Programmsegmenteübersetzt werden können. Hier bedarf es viel-mehr der engen Kooperation mit Institutionen derErwachsenenbildung, die nach einer eingehen-den Zielgruppenanalyse passgenaue Angebots-segmente erarbeiten und schrittweise erproben.Dieser Schritt ist Gegenstand eines anschließen-den Implementierungsprojektes, das derzeit mitausgewählten Weiterbildungseinrichtungen ge-plant wird.

4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

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4.1 Etablierte

4.1 Etablierte

Das selbstbewusste Establishment: Erfolgsethik, Machbar-

keitsdenken und ausgeprägte Exklusivitätsansprüche

Anteil an der Wohnbevölkerung von 18 bis 75 Jahren der BRD

(2002)

Abbildung 8:

Positionierung und Bevölkerungsanteil in der Weiterbildungsstudie für

die BRD (2002)

12% (ca. 7,4 Mio)

N=2920, nur Deutsche

Oberschicht/

Obere Mittelschicht

Mittlere Mittelschicht

Untere Mittelschicht/

Unterschicht

Soziale

Lage Traditionelle Werte Modernisierung I Modernisierung II

Grund- Pflichterfüllung, Konsum-Hedonismus und Patchworking,

orientierung Ordnung Postmaterialismus Virtualisierung

Etablierte 12,3%

Postmaterielle 11,1%

Konservative 5,4%

Moderne Performer 8,5%

Experimentalisten 6,4%

Bürgerliche Mitte

17,3%

Konsum-Materialisten 10,8%

Hedonisten

10,4%

Traditionsverwurzelte 12,1%

DDR-Nostalgische 5,5%

Sinusmodell

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:50 Uhr Seite 29

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Soziale Lage

Die Etablierten gehören zur mittleren und zur älteren Altersgruppe (ver-stärkt der 45- bis 75-Jährigen, sie sind meist verheiratet und leben inDrei- oder auch Mehr-Personen-Haushalten).

Sie haben sowohl höhere als auch einfachere Bildungs- und Berufsab-schlüsse.

Unter ihnen sind viele Selbstständige, Meister und leitende Angestelltesowie höhere Beamte.

Durch höhere und höchste Einkommen, ein sehr wohlhabendes Milieu.

Lebenswelt

Die Etablierten sind die gebildete, gutsituierte und selbstbewusste Elite.Sie repräsentieren sich durch ihren Lebensstil und Lebensstandard.

Die Selbstverwirklichung im Beruf ist ihnen wichtig und sie zeigen einehohe erfolgsorientierte Leistungsbereitschaft.

Hoher Stellenwert von materiellem und beruflichem Erfolg.

Kreativer Führungs- und Gestaltungsanspruch im Beruf.

Individuell-gehobener Freizeitstil.

Die Familie und Partnerschaft haben einen hohen Stellenwert, die Familiedient auch als Rückzugsmöglichkeit.

Der Anspruch an Alltagsästhetik ist hoch, sie genießen den Luxus, densie sich aufgrund ihres Einkommens leisten können.

Realistisches Machbarkeitsdenken und liberaler Neo-Konservatismus.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Etablierte

Lebenswelt und

soziale Lage

4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:50 Uhr Seite 30

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4.1 Etablierte

Hohe und selbstverständliche Bildungsaspirationen im Elternhaus: „Ichhatte nie die Wahl gehabt, irgendwie war das klar: Abitur, Studium – nurwas, das war halt fraglich“.

In der älteren Generation verblassen die Schulerinnerungen vor demHintergrund politischer Ereignisse: „Die sind nebulös, die Gefühle, weilunsere Schulzeit auch oft im Bunker stattfand“.

Teilweise wird die Schule als lästig und unangenehm erinnert: „Mangeht halt so notgedrungen hin“; „Die Schule war für mich eine Last“.

Im Osten: Wertschätzung des „alten“ Schulsystems, welches breite All-gemeinbildung, Solidarität und Mitmenschlichkeit vermittelte („Alleswar sehr auf Gleichstellung ausgerichtet. Wer kein Brot hatte, bekamvon der Lehrerin eines“.).

Hoher Stellenwert von Sozialkontakten in der Peer-Group; Interessens-gemeinschaften: „privater literarischer Zirkel“; „chemische Experimentein Muttis Küche“; „Jazz-Fanclub“.

Selbstverständliches Hineinwachsen in Kunst und Kultur: Theater, Aus-stellungen, Konzerte, Literatur.

Im Osten Bücher als „DAS Medium für uns“ – v. a. in Anbetracht der be-schnittenen Pressefreiheit: „Ich hab unbeschreiblich viel gelesen“; „Ichwar ein richtiger Bücherwurm“.

Freiheit und Unbekümmertheit in der Ausbildung: „Wenn ich zu einerVorlesung gehen will, dann geh ich, wenn nicht, schert sich auch keinerdrum“.

V. a. in der älteren Generation Studium als wertvolles, aber hart zu erar-beitendes Privileg: „Betreten von unglaublichen Weiten“; „das Erlebnis,sich grenzenlos der Neugier hinzugeben“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Etablierte

Bildungserfahrungen

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Bildung als‚ „alles, was man wissen muss“: Ideal einer breiten, humanis-tischen Wissensbasis.

Bildung als „Muss“ eines gehobenen Lebensstils: „Bildung heißt auch,dass man von Dingen Ahnung haben sollte, für die man sich eigentlichgar nicht interessiert“.

Bildung als nicht lebensnotwendiges „Add-on“: „Bildung ist etwas, oh-ne das man sein Leben natürlich auch irgendwie führen kann“.

Sich selbst zählt man selbstverständlich zur gebildeten Elite: „Ich selbsthalte mich ja auch für hinreichend gebildet, das muss ich leider so sagen“.

Bildung als Instrument zur souveränen Bewältigung alltäglicher und be-ruflicher Problemstellungen.

Der gebildete Mensch kann sich aufgrund sozialer Kompetenzen rei-bungslos und zielorientiert in den höheren Etagen der Gesellschaft be-wegen: „Eigentlich sollte man mit einem gebildeten Menschen nie umein Gesprächsthema verlegen sein“.

Verpflichtung auf das humanistische Bildungsgut: Suche nach den eige-nen Wurzeln; Herstellen von Traditionsbezügen.

Individuelle Bildungsziele haben Priorität vor sozial-disziplinierendenBildungszielen.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Etablierte

Bildungsverständnis

4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:50 Uhr Seite 32

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33

4.1 Etablierte

Rege Weiterbildungsaktivitäten: Stärkere Inanspruchnahme beruflichnotwendiger im Vergleich zu allgemeiner Weiterbildung, für die oft dieZeit (nicht das Interesse) fehlt.

Exklusivitätserwartungen auch hinsichtlich in Frage kommender Weiter-bildungsangebote; ein hohes Qualitätsniveau muss gewährleistet sein,für das man auch höhere Preise in Kauf nimmt.

Die Interessensgebiete im Bereich allgemeiner Weiterbildung sind vor-wiegend „schöngeistiger“ Natur (Sprachen, Literatur, Philosophie, Ge-schichte, Politik, Musik und Kunst).

Teilweise hohe Weiterbildungsfrequenz: 7 % (vs. ø 4 %) besuchten zehnund mehr Kurse in den letzten zwölf Monaten.

Berufliche Weiterbildung schließt aufgrund der Führungsaufgaben auchdie – durchaus ambivalent beurteilten – Bereiche Persönlichkeitsent-wicklung und soziale Kompetenzen ein: „Hab’ zweimal diese seltsamen‚Menschenschinderkurse’ besucht“.

Berufliche Weiterbildung als kreative Auszeit: „Sehr angenehmer Fri-scheschock, der den Routinebereich sprengte“.

Hohes Maß an „Eigeninitiative“, „Eigeninteresse“ und Freiwilligkeit bishin zur privaten Kostenübernahme.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Etablierte

Weiterbildungs-

interessen

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:50 Uhr Seite 33

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Starkes berufliches Engagement lässt die Teilnahme an Weiterbildung oft– schon rein zeitlich – nur begrenzt zu.

39 % (vs. ø 27 %) halten Weiterbildung für sich persönlich nicht fürwichtig.

Man zählt sich oft nicht zu den typischen Adressaten von Weiterbil-dungsangeboten.

Erstens, weil man auf eigene selbstgesteuerte und informelle Lernfähig-keiten baut („nie die Riesennotwendigkeit gesehen“).

Zweitens, weil man Weiterbildung eher „verordnet“ als aus eigenem An-trieb besucht.

Man hegt Bedenken in Kursen unterfordert zu werden: „Das ist einfach‘ne Frage des Niveaus“.

49 % (vs. ø 33 %) fühlen sich zu alt für Weiterbildung – was in diesemMilieu durchaus auch in Richtung „mir kann keiner mehr was erzählen“zu übersetzen ist.

Das Image öffentlicher Weiterbildungsträger passt nicht zum Selbstbild:„Das hat für mich immer so ein bisschen das Gschmäckle: Volkshoch-schule, das sind dann so die sechzigjährigen Hausfrauen“.

Private Weiterbildung mit klaren Zielvorgaben wird häufig favorisiert.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Etablierte

Weiterbildungs-

barrieren

4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:50 Uhr Seite 34

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35

4.1 Etablierte

Persönlichkeitsverständnis

Eine Persönlichkeit verfügt über die Bereitschaft und Fähigkeit, sich zuengagieren und sich Herausforderungen zu stellen („dass man zeigt,man ist kein Loser, sondern möchte gerne vorwärts kommen“).Grundlagen sind Bildung („wenn ich an der Spitze von mehreren Leutenstehe, möchte ich doch wenigstens, was die Allgemeinbildung betrifft,so gut sein wie die anderen zusammen“), Umgangsformen und Füh-rungsqualitäten:Verantwortung übernehmen („die Erfolge meiner Mitarbeiter sind die Er-folge meiner Mitarbeiter, die Fehler meiner Mitarbeiter sind meine Fehler“).Leistungs- und Selbstentwicklungsbereitschaft zeigen („aus seiner Anla-ge und seinen Lebensbedingungen mit einigem Aufwand und intellek-tueller Arbeit das Maximum herauszuholen und zu formen“).

Persönlichkeitsentwicklung

Persönlichkeitsentwicklung ist im Erwachsenenalter größtenteils abge-schlossen („wenn ich heute keine Persönlichkeit habe in meinem Alter,dann kriege ich sie auch nicht mehr“), man kann dann nur noch „be-stimmte Elemente lernen“.Unterdurchschnittliches Interesse an Kursen zur Persönlichkeitsentwick-lung, jedoch zahlreiche, vornehmlich positive Erfahrungen, z. B. mitFührungskräftetraining.Wunsch nach Förderung sozialer Persönlichkeitsbildung in Ergänzungzur Selbstpräsentation („sich zu verkaufen ist sehr wichtig, wobei mandann auch Dinge wie soziale Kompetenz gleich mit dazu nehmen müsste,weil jemand, der sich ohne Persönlichkeitsbildung nur verkauft, das isteinfach hohl, das ist widerlich“).Teilnahmebarriere ist in erster Linie das Alter und die erreichte berufli-che Position.Im Osten Ressentiments gegenüber persönlichkeitsbildenden Kursen:man vermutet Unseriosität, „Geldschneiderei, Scharlatanerie“ und feh-lende Ernsthaftigkeit: „Viel Inkompetenz und Schaumschlägerei gradeauf dem Gebiet ... dieses Rumgehample da, dieses ‚think positive‘ denganzen Tag, das ist doch grässlich ... ob ich jetzt über Glasscherben oderglühende Kohlen laufe, deswegen bringe ich keine Mark mehr Umsatz“;„So ein Motivationstraining à la Höller, so im Allgäu rumzurennen undda auf irgendwelche hohen Bäume zu klettern. Ich sag’s ganz ehrlich: sowas ist mir zu blöd“.

Anbieter

Präferenz für private oder betriebliche, auf das Themengebiet speziali-sierte Anbieter und qualifizierte Dozenten.Ablehnung ideologisch geprägter Institutionen („dass hier nicht irgend-wie versteckte weltanschauliche Konzepte vermittelt werden, beispiels-weise Persönlichkeitsschulung durch Scientology“) sowie öffentlicherEinrichtungen („wenn ich so was bei der Volkshochschule sehen würde,würde ich fragen: ‚na ja, ob das was is‘?“).

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Etablierte

Persönlichkeits-

entwicklung

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:50 Uhr Seite 35

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Gesundheitsbewusstsein

Gesundheit als Mittel zum Zweck. Intensive Beschäftigung mit dem ei-genen Gesundheitszustand nur im Krankheitsfall.

Mäßiges Gesundheitsbewusstsein, Genuss statt Askese: „Nicht, dassman denkt, man müsste Kalorien zählen“.

Gesundheitsbemühungen sollten „nicht übertrieben werden“: Um ge-sund zu leben, gilt es als ausreichend, auf „Bewegung“ („ich sage be-wusst nicht: Sport“) zu achten und „nicht jede Kleinigkeit“ zu berück-sichtigen.

Gesundheitsbildung

Das eigene Wissen über Gesundheit wird vergleichsweise hoch einge-schätzt und vornehmlich en passant durch Lektüre allgemein bildenderPrintmedien erworben.

Änderung von Gewohnheiten erst nach kritischer Bewertung und fach-licher Etablierung des Gelesenen („Sonst könnte man seine Essgewohn-heiten ja alle drei Jahre umstellen“; „Wo ja dauernd irgendwas propa-giert und wieder verworfen wird“).

Leicht überdurchschnittliche Teilnahme an Kursen zur Gesundheitsbil-dung im allgemein bildenden Bereich.

Befürwortung betrieblicher Gesundheitsförderung z. B. durch Fitness-pausen, Gymnastikangebote oder Vorträge.

Kritisch-skeptische Bewertung von Kursangeboten aus dem psycholo-gisch-esoterischen Bereich („das halt ich für unseriös“).

Bei der Kursauswahl Bevorzugung von Fun-Sport-Angeboten oder Semi-naren zu Stressabbau und Entspannung.

Anbieter

Bei der Wahl des Dozenten wird Wert auf fachliche Fundiertheit („kei-ne Scharlatane“; „diplomierter Mensch“) und Ideologiefreiheit gelegt(„wenn Gläubige ihre Glaubenssätze verkünden, dann bitte in der Kir-che“).

Wahl öffentlicher, säkularer Anbieter wie VHS, ASB, DRK oder nicht-be-trieblicher Krankenkassen („wenn es die betriebliche wär, hätt ich denVerdacht, dass man auf dem Präsentierteller ist, ich würd‘ was Anony-mes wählen“).

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Etablierte

Gesundheitsbildung

4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:50 Uhr Seite 36

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37

4.1 Etablierte

Kompetenzziele

Soft skills als selbstverständliches Repertoire in der Führungsposition:Organisationstalent, Flexibilität, soziale Kompetenz („ein bisschen Fin-gerspitzengefühl im Umgang mit Menschen“), Team- und Kommunika-tionsfähigkeit, Verantwortungsübernahme („Mitarbeiter motivieren“).

Neben Anforderungen an Management- und Führungskompetenzenüberdurchschnittlich hoher Stellenwert von Fachwissen (75 % vs. ø 61 %).

Hoher (Selbst-)Anspruch an kognitive Kompetenzen: „analytische Fähig-keiten“; „ein gewisses Quantum Hirn“; „ich hab ein sagenhaftes Ge-dächtnis“; „kann sehr gut mit Zahlen umgehen“.

Wertschätzung von Umgangsformen und Charaktereigenschaften: Gast-freundlichkeit, Zuvorkommenheit, Freundlichkeit, Großzügigkeit.

Leistungsbereitschaft und Stärke: „erhebliche Belastbarkeit“; „Durchhal-tevermögen“; „Durchsetzungsfähigkeit“.

Selbstbeherrschung („ich könnt jetzt ausrasten, tu ich aber nicht, weilanderes wichtiger ist“); Geringschätzung von Emotionalität („wenn einMensch sehr emotional ist, heißt das, er schaltet sehr oft seinen Kopfaus“).

Kompetenzerwerb

Hohe Bildungsaspirationen und Leistungsorientierung im Elternhaus:„Ein unglaublicher Leistungsanspruch, der sich durch mein gesamtes Le-ben zog – ich musste überall die Beste sein“.

Kompetenzerwerb durch Lebenserfahrung und kritische Lebensereig-nisse: „Durch das Leben, weil ich es musste“; „als berufstätige Muttervon drei Kindern muss man auch belastbar und flexibel sein“.

Kompetenzerwerb findet hauptsächlich im Beruf statt: „training on thejob“; „man lernt eigentlich in jeder Stunde dazu“.

Kurse und Lehrgänge zur Unterstützung der Kompetenzentwicklung:„Meine soziale Kompetenz habe ich mir durch Lehrgänge bewusst ge-macht und verbessert“.

„Gesunder Egoismus“; Eigeninteressen durchsetzen: „Ich möchte mehrRücksicht auf mich selbst nehmen und weniger Rücksicht auf die ande-ren“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Etablierte

Kompetenz-

entwicklung

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:50 Uhr Seite 37

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38

Hoher Stellenwert, der subjektiv auch gesehen wird. Das Lesen vonFachzeitschriften, Tageszeitungen und Gespräche mit Kollegen werdenals unverzichtbare Ressourcen geschätzt: „Dieses Netz ist das wichtigsteKapital, denn dann wissen wir, wo die Fachdiskussionen und Vorträgestattfinden und dann können wir teilnehmen“.

In der Funktion als Führungskräfte und Vorgesetzte erwartet man infor-melles Lernen auch bei Mitarbeitern und Kollegen: „... dass man sichselber ständig weiterbildet und an dem, was da in der Entwicklung ge-schieht, laufend teilnimmt“.

Informelles Lernen wird als selbstverständlich erlebt: „Das ist der größe-re Teil des Lernens“. Für bestimmte Themengebiete, etwa EDV, gilt die-se Form als Königsweg: „Computerkurse oder so was – das ist alles Un-sinn; das hab’ ich alles Online mit Kollegen im Team gemacht“.

Das stärkere Involvement erhöht die Effizienz des Lernens: „... dass manmehr davon hat, wenn man sich etwas selbst erarbeitet“.

Durch informelles Lernen ist man am Puls der Zeit: „Bis ich mir da wasformell rausgesucht hab’, was richtig ist für mich und so, da ist der nächsteTrend schon wieder im Anmarsch“.

Überdurchschnittliches Interesse an „selbstgesteuertem Lernen mit Hilfevon Medien“: 24 % (vs. ø 17 %).

Die mangelnde Vertiefung schränkt die Vorzüge ein: „Da muss mandann schon selbst sehen, dass man solche Sachen dann wasserfestmacht“.

Informelles Lernen wird in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Auf Grundder „zunehmenden Konkurrenz um den Arbeitsplatz“ wird diese Lern-form im Beruf noch selbstverständlicher.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Etablierte

Informelles Lernen

4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:50 Uhr Seite 38

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4.1 Etablierte

Man möchte in Kursen „gefordert“ werden: „... dass man sich selberüberwinden, dass man ran muss“. 44 % (vs. ø 38 %) ist es „sehr wich-tig“, „... dass alle Teilnehmer/innen etwas lernen wollen und konzent-riert bei der Sache sind“.

Großer Anspruch an ein hohes fachliches Niveau und an soziale Kom-petenz des Dozenten: „Ich bin halt lehrerfixiert“.

Es wird eine überschaubare Anzahl an Teilnehmer/innen/n sowie hohesLernengagement gefordert: „...dann sollten natürlich auch die Leute, mitdenen man sich trifft, keine Dummchen sein, die das einfach so als Hobby nebenbei machen...“.

Der Praxisbezug hat einen hohen Stellenwert: „Das sollte 50 ProzentTheorie und 50 Prozent Praxis sein“.

Ziel eines Kurses ist das „Erreichen fachlichen Wissens“, gekoppelt mit„ein bisschen Inspiration, neuen Ideen“.

Erwartung gepflegter Kursräume: „Ich brauch’ eine harmonische Atmos-phäre“; „nicht gerade ’ne Bruchbude, sondern schöne Konferenzräu-me“. Die Räumlichkeiten sollten „hell, freundlich und modern“ sein. AlsNegativbeispiel gelten „diese Häuser mit Schul-Lunger-Atmosphäre“.

Eine Cafeteria wird als Freizeitmöglichkeit begrüßt, für das „geselligeBeisammensein“. Sauna, Massage oder Schwimmbad gelten als adäqua-tes Freizeitangebot.

Weiterbildungskurse sollten möglichst „nicht weiter als 50 Kilometerentfernt sein“. Für einen Wochenendkurs wäre man bereit, auch weiterzu reisen, „wichtig ist aber, dass der Aufwand im erwarteten Verhältniszum Nutzen steht“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Etablierte

Ansprüche an Methode

und Ambiente

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:50 Uhr Seite 39

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40

Man selbst zieht neben der selbstverständlichen Recherche im Internetexklusive Informationsquellen zu Rate: „Da gibt’s ganze Stäbe dazu, de-nen muss ich nur sagen, was ich will, da kommen dann Batterien vonKursangeboten“.

Effizienzdenken und Zeitmangel; bevorzugt werden nüchterne, klareund präzise Angaben „in einer rationalen Form, ohne irgendwelchenSchnickschnack“; denn „je lauter eine Werbung, desto suspekter das An-gebot“.

Gleichgültigkeit gegenüber Werbematerialien: „Ich weiß nicht, damitkönnte ich mir schon die Wand zukleistern“; „das hat man dann ewigrumliegen und schmeißt’ s nicht weg“.

Teilweise Unverständnis hinsichtlich der Notwendigkeit von Weiterbil-dungsberatung: „Entweder will ich oder nicht, da weiß ich gar nicht ge-nau, warum man da überhaupt hingeht“.

Bereitschaft für ein gehobenen Ansprüchen genügendes Ambiente auchzu bezahlen: „Ein ordentliches Haus hat auch einen ordentlichen Preis“.

Klare Komfortwünsche: „Urlaubsqualität“; „ein Seminarhotel am Starn-berger See würde ich nicht ablehnen“.

Persönliche Empfehlungen als fast ausschließliches Auswahlkriterium:„Es wird schwer sein, mich ohne Empfehlungen auf so was einzulassen“.

Kennerschaft: Reputation und Referenzen des Dozenten („Kennt manden? Ist das jemand, den man sich anhören sollte?“).

Effizienz und ersichtlicher Verwertungsaspekt der Veranstaltung als Kri-terium der Kursauswahl: „Ist der Inhalt effektiv für mich, ist das waswirklich Neues?“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Etablierte

Weiterbildungs-

marketing

4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:50 Uhr Seite 40

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4.1 Etablierte

Verschiedene Anbieter

Im Milieuvergleich gute Kenntnis des Weiterbildungsmarktes vorzugs-weise im beruflichen Bereich. Besucht werden insbesondere Weiterbil-dungen der Wirtschaft und private Institute.

50 % (vs. ø 42 %) der Etablierten nehmen im eigenen Betrieb an Weiter-bildung teil.

Hohe Akzeptanz von Universitäten und Akademien, „die einen wissen-schaftlichen Anspruch erfüllen“.

Bevorzugt werden auch Privatlehrer und private Anbieter. Man ver-spricht sich dabei hohe Effizienz: „Also von Sprachkursen bin ich weg,da geh’ ich eigentlich nicht mehr hin, sondern ich such’ mir Privatlehrermittlerweile“.

Kirchliche Weiterbildungseinrichtungen sind häufig nicht bekannt.

Ablehnung esoterischer Anbieter: „Die sind mir nicht wissenschaftlichgenug“. Man mokiert sich und assoziiert Kuriositäten: „Esoterik für denHausgebrauch ... wir basteln uns ein Stigma“.

VHS

Eher verhaltene Nutzung der VHS mit Vorbehalten. Das Image der VHSist durchwachsen: „In der Volkshochschule nur bedingt, das wär‘ viel-leicht die erste Anlaufstelle. Das ist eine Frage des Niveaus der Volks-hochschule, das kann ein Kindergarten sein, das kann aber auch sehr gutsein“.

Teilweise negatives Image der VHS, vor allem bei Nichtnutzern: „Volks-hochschule, das sind dann so die sechzigjährigen Hausfrauen“; man„sitzt dann in so einer Rentnerklasse“.

Die Dozenten an der VHS gelten teilweise als wenig kompetent, „weilda doch oft Leute sind, die da Wissen vermitteln, die eigentlich nicht sogeeignet sind dafür“.

Nutzer der VHS halten teilweise viel von der VHS: „Also ganz wichtigsind da die Volkshochschulen, das ist eigentlich der wichtigste Anbieterüberhaupt.“ Man schätzt vor allem das große Themenspektrum und dengünstigen Preis.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Etablierte

Nutzen und Image

von Anbietern

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:50 Uhr Seite 41

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studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:50 Uhr Seite 42

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4.2 Postmaterielle

4.2 Postmaterielle

Das aufgeklärte Nach-68er-Milieu: Liberale Grundhaltung,

postmaterielle Werte und intellektuelle Interessen

Anteil an der Wohnbevölkerung von 18 bis 75 Jahren der BRD

(2002)

Abbildung 9:

Positionierung und Bevölkerungsanteil in der Weiterbildungsstudie für

die BRD (2002)

11% (ca. 6,8 Mio)

N=2920, nur Deutsche

Oberschicht/

Obere Mittelschicht

Mittlere Mittelschicht

Untere Mittelschicht/

Unterschicht

Soziale

Lage Traditionelle Werte Modernisierung I Modernisierung II

Grund- Pflichterfüllung, Konsum-Hedonismus und Patchworking,

orientierung Ordnung Postmaterialismus Virtualisierung

Etablierte 12,3%

Postmaterielle 11,1%

Konservative 5,4%

Moderne Performer 8,5%

Experimentalisten 6,4%

Bürgerliche Mitte

17,3%

Konsum-Materialisten 10,8%

Hedonisten

10,4%

Traditionsverwurzelte 12,1%

DDR-Nostalgische 5,5%

Sinusmodell

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Soziale Lage

Altersmäßig in etwa ausgeglichen, insgesamt dominiert allerdings dieAltersgruppe der 35- bis 60-Jährigen.

Höchste Bildungsabschlüsse (Abitur, Studium); insgesamt das bildungs-intensivste Milieu.

Hochqualifizierte und leitende Angestellte, Beamte und Freiberufler.

Sehr hohes persönliches Einkommen und Haushaltseinkommen.

Lebenswelt

Die Postmateriellen zeigen ökologisches, soziales und gesundheitlichesVerantwortungsbewusstsein, das sich auch im Lebens- und Konsumstiläußert.

Sie sehen die Arbeit als Herausforderung und Möglichkeit zur Selbstver-wirklichung.

Ihre Ziele sind Selbstbestimmung und Freiräume in der Arbeitsgestaltung.

Trotz Leistungsbereitschaft hat die Freizeit und die Familie einen hohenStellenwert (Sabbatical-Anhänger).

Sie sind aufgeschlossen gegenüber Ausländern und alternativen Lebens-gemeinschaften.

Es zeigt sich eine kritische Reflexion von wirtschaftlicher und gesell-schaftlicher Entwicklung.

Die Nutzung von Internet/PC vornehmlich im Beruf ist für die Postmate-riellen selbstverständlich.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Postmaterielle

Lebenswelt und

soziale Lage

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:50 Uhr Seite 44

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45

4.2 Postmaterielle

Verblassende und emotional neutrale Erinnerungen an die Schulzeit:„Der Großteil war einfach so neutral, ohne dass ich jetzt hätte sagenkönnen, das ist besonders negativ oder besonders positiv“.

Im Osten (v. a. in der jüngeren Generation) ausgesprochen positive Er-innerungen: „Das war eine tolle Zeit“; „Ich hab das als fröhliche, inten-sive und spannende Zeit in Erinnerung“.

Reflektierte und kritische Auseinandersetzung mit Struktur und Inhaltdes Unterrichts: „Ich hab die Regeln, die mir unsinnig waren, hinter-fragt“; „Ich konnte mich noch nie eigentlich so einem Weltbild anpassen“.

Leistungsdruck durch das Elternhaus („das war scheinbar bei meinen El-tern so eingespeichert, dass man auf das humanistische Gymnasiumgeht“), Lehrer und persönliche Leistungsansprüche: „Den Druck hab ichmir meistens selbst gemacht“.

Erlernen sozialer Kompetenzen und Schärfung politischen Bewusstseinsdurch außerschulische Aktivitäten: „Da saßen wir in der Teestube im Ju-gendclub, mit Lotterklamotten, und haben diskutiert, Nachmittagelang“.

Bereits früh im Lebenslauf soziales Engagement und Verantwortungs-übernahme in Vereinen und Verbänden: Pfarrei, Jugendgruppen, Pfad-finder.

Elternhaus: Vermittlung postmaterieller Wertvorstellungen (Toleranz, Of-fenheit) und Weltanschauungen; Begeisterung für Kunst und Kultur; För-derung von Interessen.

Hohe Affinität zu Büchern („ich war halt eine richtige Leseratte“), aberauch Tageszeitungen („kaum dass ich lesen konnte, hab ich Zeitungengelesen“).

Anders als die Schulzeit ermöglicht die Ausbildung Freiheit und Selbst-entfaltung: „Selber zu entscheiden, was mir im Studium wichtig ist undwas nicht“; „Da kam ich mit interessierten Leuten aus allen Bevölke-rungsschichten in Berührung, das tat richtig gut“.

Wahl des Ausbildungsganges durch Überprüfen der „Harmonie undStimmigkeit“ im sozialen Umfeld, im Fachbereich und im späteren Ar-beitsumfeld („man sollte doch erst mal schauen, wo man sich wohl-fühlt“).

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Postmaterielle

Bildungserfahrungen

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Blick für das Ganze des mehrdimensionalen Bildungsbegriffs: „Wissenallein ist so ein bisschen armselig“.

Breit gefächertes Allgemeinwissen mit deutlicher Distanz zu fachspezi-fischem Wissen und „Fachidioten“.

Die gebildete Person zeichnet sich auch durch Offenheit für Neues und„Anderes“ aus; ist bereit, seine Ansichten immer wieder in Frage zu stel-len (61 % vs. ø 42 %).

Integration individueller und zwischenmenschlicher Dimensionen: Bil-dung beinhaltet das Streben nach reflektierter Selbstverwirklichung undPersönlichkeitsentwicklung; ebenso soziale Verhaltensweisen undGrundeinstellungen, die ein Leben innerhalb der Gesellschaft ermög-lichen.

Vermittlung von Lernstrategien hat Vorrang vor Wissensvermittlung:„Wichtig ist, dass man weiß, wie man lernt, denn Fakten vergisst manziemlich schnell“.

Reflektierte Kritik an der realen Leistungsfähigkeit des Bildungswesens.

Freude am Lernen als wichtige Komponente des Selbstverständnisses:„keine sture Paukerei“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Postmaterielle

Bildungsverständnis

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47

4.2 Postmaterielle

Starke Weiterbildungsaktivität sowohl im beruflichen als auch im priva-ten Bereich, nicht zuletzt im Zusammenhang mit künstlerischen undkreativen Freizeitinteressen (Chor, Musikinstrument, Theatergruppe).

Neben dem großen Interesse an fremden Sprachen (14 % vs. ø 10 % be-suchte Sprachkurse) und Kulturen (auch jenseits der Standardfremdspra-chen z. B. Italienisch, Ungarisch) breit gestreute Themenwahl: Musik,Geschichte, Philosophie, Solartechnik, Bildhauerei, Kräuterheilkunde,Yoga etc..

Berufliche Weiterbildung wird als selbstverständlich, notwendig unddurchaus selbstgesteuert erlebt; innerhalb wie außerhalb der Arbeitszeit;63 % (vs. ø 52 %) nehmen aus Eigeninitiative an beruflicher Weiterbil-dung teil.

Im Milieuvergleich große Offenheit für Angebote aus den Bereichen Per-sönlichkeitsentwicklung und Entspannungstechniken.

Hohe Wertschätzung von Weiterbildung gepaart mit kritisch-ironischemUnderstatement: „Nicht ständig, man braucht ja auch mal Pause“.

Intrinsische Motivation: Die soziale Komponente, eigenes Interesse undFreude an den Themengebieten spielen eine große Rolle: „Weil es mirSpaß macht zu singen, weil man dort auch mit Menschen zusammen-kommt, die ungefähr ähnliche Interessen haben“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Postmaterielle

Weiterbildungs-

interessen

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Weiterbildung konkurriert mit Familie, Beruf und aktiver Freizeitgestal-tung: „Ich hab die Priorität mehr auf Freunde gelegt“.

Autodidaktisches Lernen wird dem Besuch eines Kurses öfters vorgezo-gen, teils aus Kostengründen, teils aus Effizienzgründen.

Trotz generell hoher Wertschätzung von Weiterbildung sieht man fürsich selbst weniger akuten Weiterbildungsbedarf: „Ich hab jetzt nicht sokonkret daran gedacht“.

Der als mangelhaft erlebte Anwendungsbezug verringert die Motivationfür die Teilnahme an Allgemeiner Weiterbildung.

Zeitsouveränität: Weitere verbindliche Termine in der Woche schreckenab („man möchte auch genießen, dass man einfach relativ frei ist, soweitdas menschlich möglich ist“).

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Postmaterielle

Weiterbildungs-

barrieren

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:50 Uhr Seite 48

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4.2 Postmaterielle

Persönlichkeitsverständnis

Als wichtigstes Charakteristikum einer „Persönlichkeit“ gilt „das Echte,Authentische“.Kritik am eingeschränkten Persönlichkeitsverständnis, z. B. in Stellen-ausschreibungen („in Anzeigen meint man ja mehr eine Vetriebspersön-lichkeit“).

Persönlichkeitsentwicklung

Selbstverwirklichung im sozialen Kontext als zentrales Ziel einer umfas-senden und erfüllenden Persönlichkeitsentwicklung – ohne externesVerwertungsmotiv oder den Drang zur Selbstpräsentation.Persönlichkeitsentwicklung findet „ständig“ statt und geschieht in ersterLinie „durch das Leben“: „Das ist ja einfach der wichtige Teil, dass mandas von innen heraus macht, ich weiß nicht, ob da so ein Kurs so vielbringen kann“.Im Milieuvergleich nach den Modernen Performern stärkstes Interesseam Themengebiet Persönlichkeitsentwicklung.Trotzdem kritische Grundhaltung gegenüber Kursen zur Persönlichkeits-bildung, deren Ziel eine bloße Persönlichkeitsfassade ist („das kann haltschnell dazu führen, dass man so ein aufgesetztes Selbstbewusstsein ent-wickelt“).Distanz zu Kursen aus dem esoterischen Umfeld („ein bisschen sekten-mäßig“; „aha, Scientology“) oder modernen Motivationstrainings („soamerikanische Guru-Kurse“).Im Osten besonders wenig Bezug zu Persönlichkeitsseminaren: „Wirsind so erzogen, dass wir schön bescheiden sind ... im Osten ist mannicht geschult worden, wie man sich verkauft“. Man fürchtet „in einSchema gepresst zu werden, eine neue Art von Uniform“.Milieutypische Abgeklärtheit; Distanzierung von perfektionistischen Ide-albildern: „Ich will ja nicht zu hundert Prozent mich durchoptimierenlassen“.Lernziel- und Inhaltsorientierung vor Convenience-Ansprüchen: „Ist haltdie Frage, ob man sich bei einem reinen Wohlfühlseminar nicht einfachwohl fühlt und nachher ist alles wie vorher“.

Anbieter

Hohe Ansprüche an interaktive Didaktik und an die Person des Dozen-ten, „die Leute zu motivieren und mitzureißen“.Bevorzugung von Anbietern ohne Berufszentrierung und finanzielleHintergedanken, z. B. Kirchen „weil ich da noch am ehesten Authenti-zität erwarten würde“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Postmaterielle

Persönlichkeits-

entwicklung

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Gesundheitsbewusstsein

Ganzheitliches Gesundheitsverständnis und ausgeprägtes Gesundheits-bewusstsein („auf den Körper hören“).

Man legt Wert auf eine gesundheitsförderliche und gleichzeitig genuss-orientierte Lebensweise („gut essen“; „kein Stress“; „Ruhe, Ausruhen,Schlaf“; „Sauna, Erholung“); Verzichtsprinzip und Askese werden belä-chelt („nicht als Dogma sehen“).

Gesundheitsbildung

Gesundheitsbildung: Starkes Informationsbedürfnis, hoher Wissens-stand, überdurchschnittlich häufig Kurserfahrung im allgemein bilden-den Bereich.

Bevorzugung informeller Lernformen: Gespräche mit (im Fach versier-ten) Freunden und Bekannten, Lesen von Fachzeitschriften oder -bü-chern.

Magazine, Zeitschriften und Sendungen zur Gesundheitsbildung als Me-dien gegen die Unmündigkeit des Durchschnittsbürgers („dass die Leuteaufgeklärt werden“); Ablehnung von Yellow-Press-Erfolgsrezepten („20Pfund in 20 Tagen“; „Verwirrung der Sinne“).

Skepsis gegenüber (Schul-)Medizinern („ich hasse das, zum Arzt zu ge-hen; angenommen, ich werde krank und bin dem wirklich richtig aus-geliefert“).

Prinzip der Eigenverantwortung: nach Möglichkeit selbstgesteuerte Diag-nose und Therapie von Krankheiten.

Betriebliche Gesundheitsförderung wird als kaum etabliert und nicht alsAufgabe des Arbeitgebers wahrgenommen („als wären wir lauter kleineDummchen; da wird uns schon wieder was abgenommen, was, findeich, in die absolute Eigenverantwortung fällt“).

Bei der Kursauswahl Orientierung an Ganzheitlichkeit und alternativenHeilmethoden: Seminare aus dem asiatischen Raum, Homöopathie.

Anbieter

Bevorzugung authentischer, professioneller und ganzheitlich orientierterDozenten.

Besuch „seriöser“ öffentlicher Einrichtungen wie VHS oder Krankenkas-sen („sollten das wirtschaftlichste Urinteresse haben, dass ihre Mitglie-der gesund bleiben“).

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Postmaterielle

Gesundheitsbildung

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:50 Uhr Seite 50

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4.2 Postmaterielle

Kompetenzziele

Sichere, selbstreflexiv unterfütterte Einschätzung persönlicher Kompe-tenzen und Entwicklungspotenziale; ostentative Bescheidenheit („ichhoffe, dass das noch besser wird“).

Kommunikationsfähigkeit, Einfühlungsvermögen und ganzheitlichesDenken als wichtige soft skills.

Kognitive Basiskompetenzen; erlebte Kompetenzanforderung „struktu-riertes Denken“: (70 % vs. ø 61 %).

Kritik an der Überbetonung ökonomisch verwertbarer Kenntnisse,Distanz zur „wirtschaftslastigen Gesellschaft“.

Missbilligung des arbeitsorganisationsbedingten Bedeutungszuwachsesvon Mobilität und Flexibilität: „Unternehmensberater leben fünf biszehn Jahre im Hotel, das ist pervers ... aber das wird von uns gefordert“.

Kompetenzerwerb

Zentrales Ziel ist die intrinsisch motivierte Entwicklung von Persönlich-keitskompetenzen.

Präferenz für informelle („in allen Lebenssituationen“) und autodidakti-sche („durch Selbstreflexion“) Formen des Kompetenzerwerbs, Aufge-schlossenheit gegenüber Kursen.

Orientierung an Vorbildern aus dem Freundeskreis, die bestimmte Fä-higkeiten sehr weit entwickelt haben.

Großes Interesse und hohe Bereitschaft für Kompetenzerweiterung, ins-besondere im Bereich Persönlichkeitsentwicklung (z. B. „Gelassenheit“;„Zielstrebigkeit“).

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Postmaterielle

Kompetenz-

entwicklung

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:50 Uhr Seite 51

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Informelles Lernen wird als selbstverständliche Lernform gesehen, die„man sich eigentlich ganz automatisch“ aneignet: „Das ganze Leben istBildung“.

Man ist sich des informellen Lernens sowohl beruflich, wie auch im All-tag sehr bewusst: „Also ich denke, durch informelles Lernen lernt manam meisten“.

Wissensdurst und Neugier beflügeln das informelle Lernen. Man tauschtsich interessiert aus über Gesundheitsthemen, Politik, gesellschaftlicheund kulturelle Themen etc. und möchte offene Fragen beantwortet haben.

Ein großes Bedürfnis nach Kommunikation, Diskussionsfreudigkeit undstarker Lesekonsum fördern informelles Lernen.

Äußerst positive Wertschätzung informellen Lernens als „sehr angeneh-me Art und Weise“, in bestimmten Bereichen als „der einzige Weg“ sichfortzubilden.

Große Bedeutung im Beruf durch Austausch im Kollegenkreis, Lesenvon Fachzeitschriften, Lernen durch Probieren, autodidaktisches Lernenund Internet.

Überdurchschnittlich häufiges „Lesen von Fach- und Sachbüchern oderFach- und Spezialzeitschriften“: 47 % (vs. ø 35 %).

Vorteile: Genaues und konkretes Verständnis des Gelernten, zielgerich-tetes Lernen, institutionelle und zeitliche Unabhängigkeit, sehr motivie-rende Lernform.

Auch die Grenzen werden gesehen. Fehlender Gesamtüberblick, man-gelnde Struktur, Lernen per Zufall: „Wenn das ein schlechtes Buch ist,kann einem das alles kaputtmachen“.

Zukünftig noch zentralere Bedeutung durch komplexere Arbeitszu-sammenhänge und Kooperationen im Team.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Postmaterielle

Informelles Lernen

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:50 Uhr Seite 52

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4.2 Postmaterielle

Hohe Qualitätsansprüche an Methode, Didaktik und fachlichen Inhalt.

Dass ein Weiterbildungsveranstalter auf dem neuesten technischenStand ist und Multimedia-Techniken einsetzt, halten nur 37 % (vs. ø 45 %)für „sehr wichtig“.

Bevorzugung von „straff organisierten“, klar strukturierten Kursen, imVordergrund soll handlungsorientierter Unterricht stehen.

Die Kursteilnehmer sollen in das Lerngeschehen aktiv einbezogen wer-den: „Es sollte auf alle Fälle was sein, wo die Leute mit einbezogen sind,wo jetzt nicht einer bloß vorn steht und redet und die anderen bloß zu-hören“.

Ein Kurs sollte Grundlagen vermitteln, auf denen man im „Eigenstu-dium“ aufbauen kann.

Von Dozenten erwartet man fachliche, menschliche und didaktische Fä-higkeiten: geduldig, mit Spaß an seinem Fach, kommunikativ, abwechs-lungsreich.

Aus ökologischen Gesichtspunkten ist die Erreichbarkeit mit öffentlichenVerkehrsmitteln ein Kriterium: „Weiterbildungseinrichtung am Haupt-bahnhof“; Nähe zum Wohnort; „keine Riesen-Anfahrtswege“.

Keine luxuriöse, sondern „gemütliche“, praxistaugliche Ausstattung desLernraumes (hell, Holzboden, Bilder).

Blockseminare werden stark bevorzugt, „weil man dabei am ehestendrin ist, dabei bleibt und es durchzieht“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Postmaterielle

Ansprüche an Methode

und Ambiente

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:50 Uhr Seite 53

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Aktive Suche nach konzentrierter Information: Informationspools inFachzeitschriften oder frei zugängliche Datenbanken im Internet.

Die grundsätzliche Skepsis gegenüber Werbung („ich guck mir wederWerbung im Fernsehen an noch guck ich auf Plakate“) gilt auch gegen-über aufsuchender Bildungswerbung („da will einem immer jemand wasüberstülpen“).

Angebote müssen umfassend und detailliert beschrieben werden: „Alsoein bisschen detailliertere Information muss ich schon empfangen, ummich zu interessieren…“; überdurchschnittliche Nutzung von Pro-grammheften (20 % vs. ø 15 %).

Hoher Stellenwert persönlicher Empfehlungen: „Wenn mich was inte-ressiert, dann liegt das meistens daran, dass mir jemand erzählt hat, wasdas für eine Wirkung hat“.

Weiterbildungsberatung wird im Prinzip zwar begrüßt – für sich selbstglaubt man allerdings, über ausreichende Informationsmöglichkeiten zuverfügen.

Im Osten generell skeptischere und zurückhaltendere Beurteilung vonWeiterbildungsberatung; hier zweifelt man an den Fähigkeiten der bera-tenden Stellen.

Stark ausgeprägtes Bewusstsein für ein stimmiges Preis-Leistungs-Ver-hältnis: „Wenn ich das Gefühl hätte, es geht um Geldmacherei, dannwürde ich da nicht mitmachen“; dagegen ist man gerne bereit, auch hö-here Preise zu zahlen, die „aus der Leistung, und nicht aus dem Markt“gerechtfertigt sind.

Passgenauigkeit des Inhalts, adäquate Gruppengröße sowie Qualifika-tion und Referenzen des Dozenten als Qualitäts- und Auswahlkriterien.

Im Milieuvergleich eher geringer Stellenwert des Anbieter-Images: Indiesem kritischen und selbst-reflexiven Milieu bildet man sich sein Ur-teil selbst.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Postmaterielle

Weiterbildungs-

marketing

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:50 Uhr Seite 54

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4.2 Postmaterielle

Verschiedene Anbieter

Im Milieuvergleich Nutzung einer größeren Palette von Weiterbildungs-einrichtungen: Kirchliche Träger, Stiftungen der Parteien (auch deren An-gebote der Allgemeinen Erwachsenenbildung) sowie Weiterbildungs-unternehmen und berufliche Weiterbildungen für Bedienstete im öffent-lichen Dienst.

Stark überdurchschnittliche Marktkenntnis auch von weiteren Anbie-tern, die keine oder weniger persönliche Relevanz haben: Sprachinstitu-te, Handwerkskammer, Krankenkasse, Arbeitsamt, DAAD, Banken etc..

Rege Nutzung auch privater Anbieter (oft Einzelpersonen) für spezifischeThemenbereiche: Stimmbildung, Sprache, Theater. Hohes Vertrauen inderen fachliche Kompetenz.

Wertschätzung von Universitäten, aber auch von kirchlichen Akade-mien. Das Cusanuswerk wird beispielsweise als „geistiges Feuerwerk,das Spaß macht“ geschätzt.

Da man bewusst und kenntnisreich auswählt, sind die Erfahrungen (z. B.angenehmes Ambiente, gute fachliche Vermittlung) weitgehend positiv.

Einrichtungen wie die Bundeszentrale für politische Bildung sind auchin diesem weiterbildungsaktiven Milieu wenig bekannt. Die seltenen Er-fahrungsberichte bleiben zwiespältig („die machten so einen gewolltenEindruck“).

Häufiger Besuch von privaten Instituten und Weiterbildungseinrichtun-gen (21 % vs. ø 15 %).

VHS

Rege Teilnahme an Kursen der VHS (31 % vs. ø 26 %), vor allem anSprachkursen, aber auch an Yogakursen, Entspannungsseminaren, Lite-raturkursen u. a..

Die VHS wird vor allem zur Einführung in Themenbereiche genutzt. Siegilt als nicht geeignet, um in einem Themengebiet echte Kompetenz zuerwerben und wird teilweise als Einrichtung mit „niedrigem Niveau“konnotiert. Private Institutionen werden hierfür als „effektiver“ wahrge-nommen.

Für berufliche Weiterbildung wird die VHS als inkompetent bewertet:„Projektmanagement an der VHS – das kann ich mir gar nicht vorstellen“.

Selbstbewusst werden auch Unterhaltungs- und soziale Kontaktbedürf-nisse als Motive des VHS-Besuchs genannt.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Postmaterielle

Nutzung und Image

von Anbietern

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4.3 Moderne Performer

4.3 Moderne Performer

Die junge, unkonventionelle Leistungselite: Intensives Leben –

beruflich und privat, Multi-Optionalität, Flexibilität und Multi-

media-Begeisterung

Anteil an der Wohnbevölkerung von 18 bis 75 Jahren der BRD

(2002)

Abbildung 10:

Positionierung und Bevölkerungsanteil in der Weiterbildungsstudie für

die BRD (2002)

9% (ca. 5,6 Mio)

N=2920, nur Deutsche

Oberschicht/

Obere Mittelschicht

Mittlere Mittelschicht

Untere Mittelschicht/

Unterschicht

Soziale

Lage Traditionelle Werte Modernisierung I Modernisierung II

Grund- Pflichterfüllung, Konsum-Hedonismus und Patchworking,

orientierung Ordnung Postmaterialismus Virtualisierung

Etablierte 12,3%

Postmaterielle 11,1%

Konservative 5,4%

Moderne Performer 8,5%

Experimentalisten 6,4%

Bürgerliche Mitte

17,3%

Konsum-Materialisten 10,8%

Hedonisten

10,4%

Traditionsverwurzelte 12,1%

DDR-Nostalgische 5,5%

Sinusmodell

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Soziale Lage

Sehr junges Milieu, Altersschwerpunkt zwischen 19 und 34 Jahren.

Hohes Bildungsniveau, es überwiegen Personen mit Abitur und mitHochschulabschlüssen, auch viele Studierende, zum Teil mit Jobs.

Bei den Berufstätigen qualifizierte und leitende Angestellte und hoherAnteil kleinerer Selbstständiger und Freiberufler.

Hohes persönliches Einkommen, in situierten Elternhäusern hohesHaushaltseinkommen, bei Familiengründung aber auch niedrige Haus-haltseinkommen, teilweise noch dem niedrigen Alter angemessene Ein-kommen.

Lebenswelt

Die Modernen Performer zeigen ein spielerisches Machbarkeitsdenkenmit Offenheit für sich bietende Chancen.

Bereitschaft, für die Verwirklichung eigener Ideen bis an die Leistungs-grenzen zu gehen.

Die Integration der neuen Kommunikationstechnologien in die gesamteLebensführung ist für sie selbstverständlich.

Sie lehnen Reglementierungen und Vorgaben im beruflichen und außer-beruflichen Bereich ab.

Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen.

Ihr Ziel ist es, unabhängig von finanziellen Einschränkungen selbstbe-stimmt arbeiten zu können. Der Idealtypus ist der Start-Up-Unterneh-mer.

Extraordinäre, trendsetzende Freizeitgestaltung.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

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ModernePerformer

Lebenswelt und

soziale Lage

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4.3 Moderne Performer

Mit Lässigkeit und ostentativer Faulheit hebt man sich von der strebsa-men und angepassten Schülermasse ab: „Ich war megafaul und bin auchheute noch megafaul“; „Diese Schleimerei und Streberei, die so viele fabriziert haben, das liegt mir nicht“.

Im Osten größere Ernsthaftigkeit und Leistungsorientierung; Bewusstseinals (Leistungs-)Elite: „Da sind nur Leute mit einem bestimmten Auswahl-verfahren hingekommen, das war schon eine besondere Atmosphäre“.

Massive Lehrerschelte, fachliches Überlegenheitsgefühl: „pädagogischePfeifen“; „Charakterschweine“.

Förderung kreativen Talents im Elternhaus: Basteln; Bauen; „Tüfteln“;„ich war eigentlich immer mit in der Werkstatt“.

In den neuen Bundesländern Vermittlung von Solidarität und Sozialkom-petenz im außerschulischen Bereich: Engagement in AGs und Jugend-gruppen.

Elternhaus: Leistungs- und Erfolgsorientierung; bedingungslose Unter-stützung und Förderung; eher zurückgenommene Bildungsaspirationen(„sie haben nur gesagt: mindestens Realschule“).

Starke Medienorientierung bereits im Jugendalter: Weltaneignung perBuch („lesen können war eine der begeisterndsten Erfahrungen, die ichjemals gemacht hatte“); spielerisches Lernen mit dem PC („den hab ichzu hundert Prozent zum Spielen benutzt, aber ich behaupte, das warLernen“).

Wirkliche Lernprozesse finden allerdings außerhalb von Strukturen undVeranstaltungen statt: „Die wichtigsten Einrichtungen waren eigentlichdie Feste und die Mensa, überall wo Leute zusammengekommen sind“;„Der Nebenjob war eigentlich mehr Studium als das Studium“.

Massive Kritik an starren Strukturen: „Das war immer auf Technik undPerfektionismus gedrillt“; „So, wie es in der Medizin läuft, ist es voll-kommen daneben“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

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Moderne Performer

Bildungserfahrungen

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Symbiose aus Fachwissen und Allgemeinwissen: „Diese beiden Kompo-nenten müssen schon übereinstimmen“.

Zentral ist der Praxis- und Anwendungsbezug von Bildung („Du musstDein Wissen schon anwenden können“) und die aktuelle Gültigkeit desWissens („Wissen und verstehen, was jetzt gerade los ist“).

Starke Ich-Zentrierung und Instrumentalität: Bildung dient dazu, sein„eigenes Ding“ durchzuziehen, sich selbst zu verwirklichen und die ei-genen hoch gesteckten Leistungsziele zu verwirklichen.

Klare Ablehnung eines abschlussbezogenen Begriffsverständnisses: „Bil-dung in Schule und Ausbildung kann’s gar nicht geben“; „Es gibt durch-aus Leute, die halte ich für gebildet, auch wenn sie keine großartigeSchulbildung haben“.

Dynamik: Bildung als lebenslanger Prozess („lernen muss irgendwie derWeg sein“).

Dem aktuellen Bildungssystem wird allerdings jegliche Kompetenz zurVerwirklichung wichtiger Bildungsziele abgesprochen: „Da ist das Sys-tem an sich schon daneben“.

Schule als eine die Kreativität hemmende und die persönliche Entfaltungeinengende Institution.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

ModernePerformer

Bildungsverständnis

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4.3 Moderne Performer

Leistungsorientierung im Beruf: Im Milieuvergleich stark überdurch-schnittliche Teilnahme an beruflicher Weiterbildung (67 % vs. ø 4 %).

Besuch von Weiterbildungsveranstaltungen im Bereich EDV, kaufmänni-sche Weiterbildung und Persönlichkeitsentwicklung mit stark beruf-licher Ausrichtung (Management- und Rhetorikseminare, Mitarbeiterfüh-rung).

Auch die Beteiligung an Allgemeiner Weiterbildung liegt im Milieuver-gleich überdurchschnittlich hoch (48 % vs. ø 40 %): Sprachkurse, sport-liche Aktivitäten, praktische Kenntnisse.

Hohe Aktivität im Kursbereich bei selbstverständlicher Integration infor-mellen Lernens in den Arbeitsalltag („bislang war mein Job meineWeiterbildung“).

Trends setzen und neue Entwicklungen vorantreiben: Von Interesse sindkaufmännische und managementbezogene Fragestellungen (Projekt-und Officemanagement, Unternehmensführung, Marketing) und derUmgang mit neuen Technologien.

Auflösung der Dichotomie „persönliches Wohlbefinden“ vs. „beruflicheLeistungsorientierung“: Selbstverständliche Integration von persönlichenZielen und beruflicher Weiterbildung („Reisen nach Nepal oder Ägypten… das war meine persönliche Weiterbildung“).

Wertschätzung von Weiterbildung und Lernen als Distinktionsmerkmaleiner Szene-Elite: „Lernen, Vorankommen ist absolut Motto bei mir – esgibt aber sicherlich auch Leute, deren persönliche Situation keineWeiterbildung zulässt“.

Weiterbildung als alltägliche Selbstverständlichkeit: „Das gehört einfachdazu, wie einer, der schreibt, sich Papier kauft“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Moderne Performer

Weiterbildungs-

interessen

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Distinktionsansprüche als trendsetzende Leistungselite: Distanz zu „ge-wöhnlichen“ Veranstaltungen und herkömmlicher Teilnehmerschaft:„Ich glaub’, die Designer sind da zu eingebildet, als dass sie da einenKurs machen würden“.

Formal-organisierte Weiterbildung ist in vielen Fällen schlichtweg über-flüssig: „Dazu brauch ich keinen Kurs – das kann man auch erfahren,wenn man nicht mit geschlossenen Augen durch die Gegend läuft“; „To-taler Quatsch, Kurse sind Schnickschnack, wir bringen uns das selberbei“.

Diskrepanz zwischen zeitlichem Aufwand und persönlichen Nutzener-wartungen: „Ich bin nicht bereit, da ein halbes Jahr zu investieren in ei-nen Englisch-Kurs, wo ich nicht weiß, was dabei herauskommt“.

Schwerfälligkeit formal-organisierter Weiterbildung im Hinblick auf sichrasch wandelnde Anforderungen: „Ich musste schlagartig damit zurechtkommen – da hab ich mir dann halt selbst alles zusammengesucht“.

Ausgeprägtes Selbstbewusstsein hinsichtlich der eigenen kognitivenKompetenz: Dem Fachwissen von Kursleitern wird schlichtweg miss-traut.

Finanzieller Aspekt: Die hohen Ansprüche kann man sich in Anbetrachtder oft noch geringen Rücklagen derzeit noch nicht erfüllen: „Ich würd’schon noch gern Kurse besuchen – wenn ich entweder ’ne halbe Millionauf der hohen Kante hab’ oder in Rente bin“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

ModernePerformer

Weiterbildungs-

barrieren

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63

4.3 Moderne Performer

Persönlichkeitsverständnis

Zum Persönlichkeitsideal gehören „Einzigartigkeit“ und Charisma, „dieFähigkeit, andere zu interessieren, in seinen Bann zu ziehen“.

Auch „Ego“ ist ein positiver Leitbegriff: Durchsetzungsvermögen, Stärkeund Zielstrebigkeit.

Persönlichkeitsentwicklung

Optimistische Sicht der Entwicklungsmöglichkeiten von Persönlichkeits-komponenten im Erwachsenenalter („Persönlichkeit kann nie vollendetsein“).

Im Milieuvergleich stärkstes Interesse an Kursen zur Persönlichkeitsent-wicklung („sehr interessiert“: 30 % vs. ø 17 %) und positivste Bewertungder vorgelegten Seminartitel („die finde ich im Prinzip alle gut“).

Aufgeschlossenheit gegenüber dem Training von Persönlichkeitskompo-nenten im Kurskontext („definitiv, das kann man lernen“).

Erwartung, effektive mentale Techniken zu erlernen („du kommst haltirgendwo hin und erreichst binnen Sekunden etwas, was du erreichenwillst“).

Allerdings Bevorzugung informeller Lernformen, von denen man sichZeitersparnis und mehr Erfolg verspricht („würde kein ganzes Seminardrauf verschwenden“; „da brauch’ ich kein Seminar, es gibt tausend Bü-cher“).

Anbieter

Orientierung am Image des Dozenten, die anbietende Institution hinge-gen ist zweitrangig. Hier Bevorzugung privater, spezialisierter und re-nommierter Anbieter der „Top-Klasse“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Moderne Performer

Persönlichkeits-

entwicklung

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64

4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Gesundheitsbewusstsein

Gesundheitsverständnis bezogen auf die eigene ungesunde Lebensweise(„Raubbau“) sowie äußere Bedrohungen („Milzbrand“; „Seuchengefahr“;„bakterieller Angriff“).

Gesundheit wird als Selbstverständlichkeit erlebt. Schonungsloser undunbekümmerter Umgang mit der eigenen Gesundheit.

Keine Bereitschaft zu Einschränkungen; Selbstironie bzgl. der eigenenungesunden Lebensweise („das ist mir wohl nicht wichtig genug, dakrieg ich meinen Arsch nicht hoch“).

Gesundheitsbildung

Hohe Einschätzung des eigenen Wissensstands über Gesundheit, vor-nehmlich im wissenschaftlichen Bereich.

Durchschnittliche Teilnahme an Kursen im allgemein bildenden, leichtüberdurchschnittliche im beruflichen Bereich.

Desinteresse an Fernsehbeiträgen oder Büchern zu Krankheiten („keinzentrales Beschäftigungsfeld von mir“): Man fühlt sich „nicht als dieZielgruppe“ („Herzkranzgefäße sind noch weitgehend frei“) und hältviele Sendungen für „übertrieben“ oder „pure Geldmache“.

Betriebliche Gesundheitsförderung gilt als stark ausbaufähig: Die Firmasollte „zumindest nicht Krankheitsursache sein“ („nicht 14 Stunden amTag arbeiten“; „dass der Chef auch mal auf mich zukommt und sagt:‚hey, es wird langsam Zeit, dass du nach Hause gehst‘“).

Ironische Distanz zu Gesundheitskursen, für die Phantasienamen erfun-den werden: „Wer an Scharlatane glaubt“; „Einbildung ist auch eine Bil-dung“ oder „Schlankheitswahn“.

Bei der Kursauswahl Bevorzugung von Alternativem, Ursprünglichem,Außergewöhnlichem („Homöopathie“; „Tai Chi“) und auf konkrete Be-schwerden Bezogenem („Das Kreuz mit dem Kreuz“).

Anbieter

Vertrauen zu spezialisierten Anbietern („je spezieller, desto lieber“) wieKrankenkassen, Zentrum für Naturheilkunde. Skepsis gegenüber derVHS.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

ModernePerformer

Gesundheitsbildung

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4.3 Moderne Performer

Kompetenzziele

Im Einklang mit dem Hang zu beruflicher Eigeninitiative bilden Selbst-bewusstsein, Flexibilität, Engagement, Ehrgeiz und Belastbarkeit zentra-le Schlüsselqualifikationen.

Führungskompetenzen, die die berufliche Gestaltungsfreiheit fördernwie Menschenkenntnis („gutes Erfassen anderer Persönlichkeiten“) undDurchsetzungsvermögen („eine Idee durchzusetzen, auch wenn sie aufGegenwehr stößt“).

Kreativität und Fachkompetenz sind selbstverständliche Grundlagen derberuflichen Leistungsbereitschaft.

EDV-Kenntnisse (Anforderung im Arbeitsalltag „sehr groß“; (42 % vs. ø31 %); Sprachkenntnisse (23 % vs. ø 8 %), die Fähigkeit, neue Ideen zuentwickeln und verbesserte Lösungen zu finden (46 % vs. ø 31 %), wer-den überdurchschnittlich benötigt.

Vielseitigkeit, Optimismus, Begeisterungsfähigkeit, Kommunikations-freude („ich habe keine Hemmungen auf Menschen zuzugehen“).

Kompetenzerwerb

Vielseitige informelle Förderung im Elternhaus und sozialem Umfeld:„Durch Beziehungen, die ich geführt habe, im Umgang mit Menschen“.

Streben nach kontinuierlicher Weiterentwicklung: „Kompetenzen willich eigentlich dauernd haben, in jeder Beziehung“ ; „immer Stärken ent-wickeln“.

Bevorzugung informeller Lernformen wie „learning on the job“; „Ge-spräche am Arbeitsplatz“; „Selbstreflexion“.

Bei klarer Zieldefinition Wahrnehmung von Kursangeboten, die Spezi-alisierung und Effektivität versprechen („das müsste dann schneller ge-hen“).

Als besonders wichtig gelten entsprechend der Berufsorientierung Fach-wissen, Belastbarkeit, Lern- und Selbstentwicklungsbereitschaft, „dassman offen bleibt, immer was Neues dazuzulernen“.

Betriebswirtschaftliche Kenntnisse, Belastbarkeit und Lernbereitschaftbilden Determinanten des Erfolgskonzepts der Zukunft.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

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Moderne Performer

Kompetenz-

entwicklung

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66

4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Selbstverständliche Integration von informellem Lernen in Alltag undBeruf.

„Kombination aus Spieltrieb und Optimierungsversuch“: Basteln;Hinterfragen; überdurchschnittlich häufig Lernen durch Beobachten undAusprobieren (73 % vs. ø 53 %).

Gegenseitiger Austausch am Arbeitsplatz kann formal-organisierteWeiterbildungsangebote durchaus ersetzen: „von den Leuten, die umDich herum arbeiten, kannste mit großer Sicherheit das lernen, was Dubrauchst“.

Medien des informellen Lernens: Kollegen und Mitarbeiter, regelmäßigeNutzung von Newsgroups und Internetforen.

Vorteilhaft: zeitliche und geografische Ungebundenheit, Individualität(„fantastisch ist, dass ich nur an mich selber gebunden bin, nicht abhän-gig, ich kann das machen, wann ich will“).

Eindeutige Zeitersparnis und inhaltliche Effizienz: „Das ist praktisch, ef-fizient, sinnvoll, Du sparst Dir jede Menge Ecken und Kanten“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

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ModernePerformer

Informelles Lernen

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67

4.3 Moderne Performer

Keine Experimente im beruflichen Bereich: Wertschätzung von Frontal-unterricht und zügiger Wissensvermittlung, denn „sonst fließt wenigervon dem, der’s weiß zu dem, der’s wissen will“.

Aber: Wertschätzung von interaktiven, abwechslungsreichen und spiele-rischen Aneignungsformen in der Allgemeinen Weiterbildung („Werk-stattatmosphäre“; Ausprobieren; überdurchschnittliche Wertschätzungvon gruppendynamischen Übungen: 19 % vs. ø 36 %).

Eine kleine, homogene Teilnehmerschaft und wechselnder Medienein-satz tragen zur Effizienz von Veranstaltungen bei.

Wunsch nach raschem Wissenszuwachs: Präferenz von Intensiv- oderBlockseminaren, in denen „man in relativ kurzer Zeit sehr kompaktesWissen vermittelt bekommt“.

Kritik an mangelnder Individualität und geringer Leistungsorientierung:„Es sollte mehr auf meine speziellen Eigenschaften zugeschnitten sein“;„Workshopcharakter – man müsste einfach eine Woche lang 15 Stundenjeden Tag voll durchpowern“.

Zeitliche Präferenzen sind durchaus vom Inhalt der Veranstaltung ab-hängig: Für das formal-organisierte Erlernen einer Fremdsprache nimmtman gerne eine „gewisse Regelmäßigkeit in Kauf“.

Wertschätzung eines „besonderen“ Ambientes: Bewusstes Understate-ment („man könnte das auch einfach mal auf einem Schuldachbodenmachen“) wird mit deutlichen Komfortwünschen verknüpft: „Ein gewis-ses Level muss schon sein“.

Regeneration der Leistungsfähigkeit durch individuell gestaltbare Frei-zeitangebote und Kommunikationsmöglichkeiten: „Um am nächstenTag wieder frei zu sein und aufnahmefähig – da sollte es verschiedeneAngebote in dieser Richtung geben“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

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Moderne Performer

Ansprüche an Methode

und Ambiente

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Klarheit und Transparenz: Präferenz eines übersichtlichen und leicht zu-gänglichen Pools an Informationen, der nur von „qualifiziertem“ und„fachlich interessiertem“ Publikum genutzt wird.

Privatheit und Abgrenzung: „Ich wünsch mir, nicht auf Angebote derWeiterbildung hingewiesen zu werden, so lange ich es nicht möchte“.

Exklusivität und Distinktionsansprüche: „Werbung in der U-Bahn hat soein Negativ-Image, da fällt dann jede Exklusivität raus“; zudem läuftman Gefahr, „mit jedem Deppen, der das liest,“ in einem Kurs zu sitzen.

Individuelle und exklusive Ansprache: Weiterbildungswerbung in fach-spezifischen Events, Ausstellungen oder in persönlichen Gesprächen(„professionelle Leute, die mit anderen in Kneipen Diskussionen anfan-gen, Gespräche führen“).

Leben und leben lassen aus der Perspektive eines Leitmilieus: Man selbsthat Weiterbildungsberatung schlichtweg nicht nötig, während „manallerdings nicht davon ausgehen kann, dass alle Leute wissen, was ihnenfehlt“.

Trifft eine Veranstaltung die hohen Ansprüche, nimmt man jeden Preisund jede Entfernung in Kauf; im Milieuvergleich überdurchschnittlichefinanzielle Aufwendungen für Weiterbildung (551,19 € vs. ø 487,37 €).

Vertrauen in die eigene Urteilsfähigkeit: Der subjektive Eindruck einesAnbieters als relevantes Auswahlkriterium („das merk ich ziemlichschnell, ob der was taugt“).

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

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ModernePerformer

Weiterbildungs-

marketing

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4.3 Moderne Performer

Verschiedene Anbieter

Bekannt sind vor allem Universitäten, Fachhochschulen und Volkshoch-schulen.

Starke Tendenz zu privaten Anbietern: Herstellerfirmen, Coaches undTrainern; überdurchschnittliche Teilnahme in diesem Bereich (17 % vs.ø 9 %).

Rege und selbstverständliche Nutzung von betrieblichen Angeboten.

Hohe Affinität zu informellen Formen des Lernens: „Ich würde mir einBuch kaufen und im Internet recherchieren“; „Ich bin eigentlich auchohne Weiterbildung noch nie aus dem Lernen herausgekommen“.

VHS

Tatsächlicher Kursbesuch v. a. im Bereich Fremdsprachen.

Geschätzt werden die Regelmäßigkeit und die kurzen Abstände, in de-nen Sprachkurse angeboten werden.

Geringer räumlicher, zeitlicher und finanzieller Aufwand: „Weil die VHSdirekt am Ort ist und ein angenehmes Preis-Leistungsverhältnis hat“.

Allerdings skeptische Einschätzung der persönlichen Verwertbarkeit vonKursen: „Das unterschiedliche Bildungsniveau kann auch sehr proble-matisch für das Vorankommen sein, man muss auf andere warten“.

Wertschätzung der breiten Angebotspalette – für die breite Masse, nichtaber für die eigenen hohen Ansprüche: „Das ist fast die wichtigste Ein-richtung überhaupt – die sollten noch mehr betonen, dass sie aus demVolk kommen und für das Volk da sind“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Moderne Performer

Nutzung und Image

von Anbietern

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4.4 Konservative

4.4 Konservative

Das alte deutsche Bildungsbürgertum: Konservative Kultur-

kritik, humanistisch geprägte Pflichtauffassung und gepflegte

Umgangsformen

Anteil an der Wohnbevölkerung von 18 bis 75 Jahren der BRD

(2002)

Abbildung 11:

Positionierung und Bevölkerungsanteil in der Weiterbildungsstudie für

die BRD (2002)

5% (ca. 3,1 Mio)

N=2920, nur Deutsche

Oberschicht/

Obere Mittelschicht

Mittlere Mittelschicht

Untere Mittelschicht/

Unterschicht

Soziale

Lage Traditionelle Werte Modernisierung I Modernisierung II

Grund- Pflichterfüllung, Konsum-Hedonismus und Patchworking,

orientierung Ordnung Postmaterialismus Virtualisierung

Etablierte 12,3%

Postmaterielle 11,1%

Konservative 5,4%

Moderne Performer 8,5%

Experimentalisten 6,4%

Bürgerliche Mitte

17,3%

Konsum-Materialisten 10,8%

Hedonisten

10,4%

Traditionsverwurzelte 12,1%

DDR-Nostalgische 5,5%

Sinusmodell

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Soziale Lage

Ältestes Milieu, Altersschwerpunkt bei den 50- bis 75-Jährigen.

Sowohl hohe Bildungsabschlüsse als auch Volksschulabschlüsse mitqualifizierter Berufsausbildung (eher Frauen).

Hoher Anteil von Personen im Ruhestand; typische traditionelle Berufe.

Selbstständige, höhere Angestellte und höhere Beamte sowie auch Frei-berufler.

Höheres und gehobenes Einkommen, teilweise größeres Vermögen.

Lebenswelt

Die Konservativen repräsentieren das alte deutsche Bildungsbürgertum.Sie bewahren die Konventionen und traditionell gewachsene Werte.

Sie haben ein Bewusstsein als gesellschaftliche Elite.

Ein intaktes Familienleben hat einen hohen Stellenwert. Das Private istgleichsam heilig und wird nach außen abgeschirmt.

Frauen identifizieren sich mit ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter und siesind das Rückgrat der Familie.

Ihr Lebensprinzip ist Bescheidenheit und Zufriedenheit.

Pflichtbewusstsein und Verantwortungsübernahme im Beruf ist für sie ei-ne Selbstverständlichkeit.

Ressentiments gegen andere soziale Gruppen, Lebensformen und„Trends“ in der Gesellschaft.

Das Freizeitverhalten orientiert sich am humanistischen Bildungsideal.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

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Konservative

Lebenswelt und

soziale Lage

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73

4.4 Konservative

Oftmals starke Beeinträchtigung der Schulzeit durch die Entbehrungender Kriegs- und Nachkriegszeit; gleichwohl betont positive Schulerinne-rungen („ich bin gern zur Schule gegangen“).

Hohe Wertschätzung der erworbenen Bildung und dazugehöriger Tu-genden wie Fleiß und Disziplin; Stolz auf das erworbene Wissen und diehumanistischen Bildungsinhalte.

Im Milieuvergleich stärkste Bejahung des Items „Spaß am Lernen in derSchule“ (84 % vs. ø 71 %).

Schulerinnerungen werden mit Kritik am Bildungsverfall der heutigenSchülergeneration verknüpft („in Anführungsstrichen ‚Gymnasium‘“).

Rückblickende Idealisierung der Schulerfahrungen („die Lehrer warenviel durchsetzungsfähiger, auch mit Gewalt – streng aber gerecht“).

Lehrkräfte als Vorbilder, Förderer und bewunderte Autoritätspersonen(„was die alles aus einem rausgeholt haben“).

Hohe Leistungsorientierung: „Vom Pult aus gesehen rechts hinten in derEcke saß der Beste, der den besten Durchschnitt hatte in allen Klassen-arbeiten, ich saß an dritter Stelle, das will was heißen“.

In der Regel Erfüllung der elterlichen und schulischen Erwartungen an„Betragen und Leistung“.

Breite außerschulische Bildungsförderung und Weitergabe der Bildungs-ressourcen des Elternhauses („wenn man ’ne Frage hatte, konnte man je-derzeit zu den Eltern gehen“): breites Bücherangebot, Vermittlung „deschristlichen Wertesystems“, Musikunterricht und regelmäßige Tischge-spräche in der Familie.

Schon in der Jugend Auseinandersetzung mit Politik („Politik hat michschon immer interessiert“). Zentrale Medien waren Tageszeitungen undRadio: „Ich habe mit Freude und Begeisterung Bundestagsdebatten imRadio angehört. Das war intellektueller Hochgenuss. Da war wirklichdie Elite einer Nation versammelt“.

Engagement in Gemeinde und Pfarrei: „Da war die Kirche auch einLerngebiet“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

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Kompetenzentwicklung

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Bildungserfahrungen

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Ganzheitliches Bildungsverständnis: Selbstverständliche Integration von„Wissensbildung“ und „Charakterbildung“: „Das ist für mich nicht nur,dass jemand wissenschaftlich fit ist, sondern da gehört der ganzeMensch dazu“.

Überdurchschnittlich häufig Zustimmung zum „guten Charakter“ als Be-standteil von Bildung (79 % vs. ø 64 %).

„Wissensbildung“ im Sinne eines mehrdimensionalen Wissensvorrates:Integration von humanistischen Bildungsgütern, Faktenwissen, schuli-schem Fächerkanon sowie der praktischen Anwendbarkeit von Kennt-nissen.

Charakterbildung/Herzensbildung: Ethisch-moralische Gesichtspunkteim Umgang mit Mitmenschen; Formung der Persönlichkeit im Kontexteines humanistischen Selbsterziehungsethos; Abgrenzung zu aktuellenModen und Trends.

Bildung als Indikator gehobener sozialer Herkunft und emotionaler Bil-dungsnähe: „Wenn mir bei Eichendorff nicht die Tränen kommen, wennich das nicht habe …“.

Vermittlung von Sekundärtugenden wie Ordnung und Disziplin als„selbstverständlicher Rahmen für das ganze Tun und Miteinander“.

Wissen um Traditionen, Geschichte und Kultur als Beitrag zu einemfunktionierenden und ethisch vertretbaren Zusammenleben: „Weil sonstalles in eine ganz große Beliebigkeit ausartet, in der nichts mehr heiligist“.

Lebenswelt und soziale Lage

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Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

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Gesundheitsbildung

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Ansprüche an Methode

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4.4 Konservative

Das Selbstverständnis als Statthalter der kulturellen Überlieferung bringtvielfältige Weiterbildungsaktivitäten mit sich: Vorträge, Kurse, Lektüre,eigene Dozententätigkeiten.

Teilnahme an Kursen insbesondere auf kulturellem, religiösem, ökologi-schem Gebiet und zu Gesundheitsfragen. Intensives Interesse für Theo-logie, Philosophie, Geschichte, Kunst und Musik.

Häufiger Besuch von Vorträgen in Akademien, Universitäten und beikirchlichen Trägern.

Teilweise eigene Dozententätigkeit bei kirchlichen oder beruflichen Trä-gern. Bei Frauen häufig mit familienbezogener Thematik: „Ich hab daKurse für Erwachsene, für Frauen, für Familien und für Ehepaare ange-boten“.

Sekundärnutzen von Weiterbildung – vor allem bei älteren Milieuange-hörigen – als Zeitstrukturierung und „Gehirnjogging“ („um geistig regezu bleiben“).

Bei Männern hat berufliche Weiterbildung Priorität. Man möchte beruf-lich „am Ball bleiben“: „Ist für mich eine Überlebensfrage ... dass manden Beruf überhaupt ausüben kann ... anders kann’s gar nicht gehen“.

Bereitschaft sich das Rüstzeug für neue Aufgaben selbst zu erarbeiten:„...der größte Teil war learning by doing“ – wobei Neuen Medien eben-so wie neuen Methoden und Inhalten (Reizwort: „Persönlichkeitstrai-ning“) sehr reserviert begegnet wird.

Auf Grund des vergleichsweise hohen Altersschwerpunkts im Milieuver-gleich Schlusslicht der beruflichen Weiterbildung: (55 % vs. ø 46 %) ha-ben kein entsprechendes Angebot besucht.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

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Konservative

Weiterbildungs-

interessen

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Die Bevorzugung autodidaktischer Lernformen schränkt den Besuch vonKursen ein: „Ich konnte mich auch durch eigenes Umtun in neue Dingeeinarbeiten und war nicht so sehr auf Kurse angewiesen“; „Ich hab mirimmer Wissen selber angeeignet“.

Teilweise hohe Selbstansprüche als Hemmschwelle: „Wenn ich etwasanfange, möchte ich‘s richtig machen“.

Höheres Lebensalter zwingt zu ruhigerer Lebensführung: „Die letztePhase ist die, dass ich es etwas reduziert hab“; „Je älter ich werde, des-to schwieriger ist das natürlich“.

Familiäre Verpflichtungen schränken die zeitliche Ungebundenheit ein:„Weil eben mein Mann noch berufstätig war und dann wäre ich immerauch zeitlich festgelegt gewesen auf bestimmte Tage“.

Beruflich hohe Belastungen lassen zusätzliche Allgemeine Weiterbil-dung häufig nicht zu.

Auf Grund des oft höheren Alters schreckt man vor langen Wegen be-sonders am Abend zurück.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

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Weiterbildungs-

barrieren

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4.4 Konservative

Persönlichkeitsverständnis

Persönlichkeit zeigt sich im Eintreten für die eigene Meinung, morali-schen Prinzipien und der Fähigkeit zur realistischen Selbsteinschätzung.

Bildung, Umgangsformen sowie ein „gepflegtes äußeres Erscheinungs-bild“ sind unabdingbar.

Persönlichkeitsentwicklung

Selbstentwicklung durch Selbstdisziplin, Askese und diszipliniertes Ar-beiten an der Vervollkommnung der eigenen Persönlichkeit.

Entwicklungsmöglichkeiten der Persönlichkeit werden ambivalent ein-geschätzt:

Einerseits ist die Entwicklung im Erwachsenenalter nur noch einge-schränkt möglich („Persönlichkeitsbildung, die muss eigentlich in der Ju-gend stattgefunden haben“).

Andererseits hat eine entwickelte Persönlichkeit einen auf „Lebenser-fahrung“ basierten Zustand der „Reife“ erlangt („mit 23 Jahren kann mannoch nicht eine Persönlichkeit sein“).

Generelle Vorbehalte gegenüber Kursen zur Persönlichkeitsentwicklung(„ich habe eine natürliche Abneigung gegen solche Kurse“) werden z. T.mit dem Lebensalter („mit 60 Jahren ist man einfach über diese Dingehinaus“) oder der Lebenssituation („für Unternehmer ... wenn man Kar-riere machen will“) begründet.

Dementsprechend leicht unterdurchschnittliches Interesse an Kursen zurPersönlichkeitsentwicklung („sehr/eher interessiert“: 47 % vs. ø 48 %).

Distanzierung gegenüber der Selbstthematisierung in Kursen wegen derGefahr der Egozentrik („man muss nicht immer um sich selbst kreisen“).

Sorgen um den Schutz der seelischen Intimsphäre („bloßgestellt zu wer-den oder auch Fragen gestellt zu kriegen, auf die kein Mensch eigentlich‘ne vernünftige Antwort geben könnte“).

Ressentiments gegenüber vermeintlich typischen Teilnehmergruppen(„solche Wirtschaftsleute, da bin ich schon wieder fehl am Platze“).

Anbieter

Ablehnung esoterischer Anbieter und Inhalte („wenn das so als esoteri-sche Richtung kommt, dann würd‘ ich das ablehnen“).

Bevorzugung bekannter und etablierter öffentlicher Einrichtungen wieKirchen, VHS oder politische Stiftungen.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

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Konservative

Persönlichkeits-

entwicklung

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Gesundheitsbewusstsein

Der Gesundheitsbegriff wird mit Krankheit, körperlichen Beschwerdenoder Askese in Zusammenhang gebracht; „Dankbarkeit“ für den eigenenGesundheitszustand.

Gesundheitsverhalten ist mit Selbstdisziplin verbunden: Verzicht aufUngesundes, körperliche Anstrengung.

Kritik am Gesundheitsverhalten der „heutigen Generationen, dieSchindluder mit ihrer Gesundheit treiben“.

Gesundheitsbildung

Vertrauen in „Fachautoritäten“ und Schulmediziner, Delegation von Ver-antwortung.

Bildungsinteresse im wissenschaftlichen Bereich (z. B. Fachzeitschriften)angesiedelt. Ablehnung von fachlich zweifelhaften Sendungen oderZeitschriften („Finger weg von diesen Schmullizeitschriften“).

Leicht überdurchschnittliche Teilnahme an allgemein bildenden und be-ruflichen Kursen zur Gesundheitsbildung.

Bei der Kursauswahl Präferenz für Bodenständiges („Gesundheit und Er-nährung“); teilweise auch vorsichtiges Interesse an „dem Asiatischen:das finde ich toll und faszinierend, aber das ist nicht mein Kulturkreis“.

Kritik an Esoterik und befürchtete Unseriosität führten zu Skepsis gegen-über alternativen und psychologischen Kursen zur Gesundheitsbildung(„umstrittene Sachen“).

Anbieter

Präferenz von öffentlichen, etablierten Einrichtungen wie Krankenkas-sen, Rehakliniken, Universitäten und VHS: „Bei den Privaten gibt es zuviele Scharlatane“.

Auf die Fachkompetenz der Dozenten wird großer Wert gelegt: Pädago-gen erscheinen ungeeignet; Mediziner „optimal“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Konservative

Gesundheitsbildung

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4.4 Konservative

Kompetenzziele

Wertschätzung ethisch-sozialer Prinzipien (wie „füreinander da zusein“; „aufeinander zu achten“; „Hilfsbereitschaft“; „Einfühlungsvermö-gen“; „Geduld“; „Zuverlässigkeit“).

Sekundärtugenden wie „Ordnung“; „Disziplin“; „Ausdauer“; „Verzicht“;bei Frauen zudem hauswirtschaftliche Fähigkeiten („ich bin eine guteHausfrau“).

Im beruflichen Bereich überdurchschnittliche Bedeutung von Leitungs-kompetenzen wie Überzeugungskraft (Anforderung im Arbeitsalltag „an-dere von einem eigenen Vorschlag überzeugen zu können“: „sehr groß“41 % vs. ø 28 %) und Mitarbeiterführung (40 % vs. ø 28 %).

Entsprechend der milieutypischen marktwirtschaftskritischen Grundhal-tung werden betriebswirtschaftliche Kenntnisse und EDV-Wissen alseher unwichtig erachtet.

Kompetenzerwerb

Kompetenzerwerb durch Lebenserfahrung, soziales Umfeld und die Ver-mittlung christlicher Prinzipien in Erziehung und Elternhaus.

Orientierung an Vorbildern wie Eltern, Freund(inn)en und öffentlichenPersönlichkeiten („Albert Schweitzer und Florence Nightingale ... das istso diese Vorbildfunktion, dieses christliche Menschenbild der Nächsten-liebe“).

Grundsätzliches Interesse an der informellen Entwicklung neuer Kompe-tenzen im Lebenszusammenhang.

Präferenz für autodidaktisches Lernen, Kurse spielen eine untergeordne-te Rolle („ich glaube, ich bin ein bisschen aus dem Alter raus“).

Persönliche Zukunftskompetenzen sind vorwiegend im sozialen Bereichangesiedelt: Kommunikationsfähigkeit, Emotionalität und Einfühlungs-vermögen.

Zu den beruflichen Kompetenzen der Zukunft zählen „aufgrund der vie-len Wandlungen“ gesellschaftlicher und beruflicher Art Kreativität, Inno-vationsfähigkeit, Teamfähigkeit, Sprachkenntnisse und – vor dem Hinter-grund zunehmender Technisierung („ob das gut ist, ist ’ne andere Frage“)– das EDV-Wissen.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

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Konservative

Kompetenz-

entwicklung

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Rege Anwendung informeller Lernformen: „Ich denke dieses informelleLernen ist etwas, was einen ständig begleitet“; „So habe ich Zeit meinesLebens gelernt“.

Überdurchschnittlich häufig Lernen durch „Lesen von Fach- und Sach-büchern oder Fach- und Sachzeitschriften“ (42 % vs. ø 35 %): „Dannversuch ich erst mal Literatur dazu aufzutreiben oder ich gucke im Lexi-kon“.

Starke Bedeutung im Beruf; „learning on the job“; „Man bekam den Ge-setzestext und dann musste man sehen, dass man damit umgeht“.

Unterweisung oder Anlernen im privaten Umfeld spielt eine überdurch-schnittliche Rolle (61 % vs. ø 43 %): „Zum Beispiel ist das auch Weiter-bildung, wenn ich meiner Frau abschaue, wie man kocht“.

Individuelle Freiheit beim Lernen: „Das Tempo gibt man sich selbervor“.

Als Probleme werden der mangelnde gründliche Überblick („dass manlauter Häppchen hat“) und fehlendes Feedback gesehen („Fehler, dieman macht, werden nicht sofort korrigiert“).

Skeptische Bewertung der subjektiv zunehmenden Bedeutung compu-terunterstützten Lernens: „Ich hoffe, dass da immer noch gedacht wird“.

Lebenswelt und soziale Lage

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Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

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Nutzung und Image

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Konservative

Informelles Lernen

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4.4 Konservative

Der Kursbesuch hängt auch von der Reputation eines Dozenten ab, demeine Schlüsselrolle zukommt: „Ich will den Initiator, den Dozent, denUrheber dieser neuen Theorie da vorne stehen haben“.

Soziale Kompetenz des Dozenten; „auf die einzelnen Leute eingehen“;Fachwissen, didaktische Kompetenz: „... dass er nicht einen wasserfall-artigen Redefluss hat, dass er zusammenfasst“; „Persönlichkeit“.

Kombination von Theorie und Praxis: „...jemand aus der Praxis“.

Forderung nach geistig und intellektuell hohem Niveau der Teilnehmer-schaft: „... dass man interessante Leute trifft, mit denen man sich unter-halten kann“; „Es ist wichtig, wen ich auf der Veranstaltung treffe“.

Besondere Wertschätzung einer „vertrauten Atmosphäre zwischen denTeilnehmenden und dem Dozenten“ („sehr wichtig“: 45 % vs. ø 21 %).

Erwachsenenbildung ist auch eine Möglichkeit zur eigenen Artikulation:„... dass das Seminar eben auch auf der Diskussions- und Gesprächsebe-ne abläuft“, auch im Rahmen einer Gruppenarbeit.

Der Medieneinsatz sollte „nicht übertrieben“, dem jeweiligen Themen-bereich angemessen sein: „... wenn das nicht überfrachtet wird“;„Zwischendrin mal so ein Bild, eine Zusammenfassung von dem, wasder Dozent gesagt hat“.

Ein schöner, moderner und gepflegter Kursraum ist überdurchschnittlichwichtig („sehr wichtig“: 27 % vs. ø 14 %), eine angemessene Unterkunftselbstverständlich: „Also ich kann sehr bescheiden sein, ... aber es wärenatürlich schon schön, wenn es nicht die allerletzte Schabracke wäre“.

Priorität von Vormittagskursen oder Kursen im Block. „Vormittage, woeben auch viele Leute können, die abends nicht mehr so furchtbar fitsind oder auch nicht im Dunkeln herumfahren können“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

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Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

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Konservative

Ansprüche an Methode

und Ambiente

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Lebenserfahrung und Abgeklärtheit: Beratung über mögliche Weiterbil-dungsangebote ist schlichtweg nicht nötig („ich kann mir ein eigenesBild von den Veranstaltungen und deren Qualität machen“).

Geringe Offenheit: Konzentration auf bereits bekannte und persönlicherprobte Anbieter (VHS, Kammern, Stiftungen).

Gewünscht werden gezielte, übersichtliche und inhaltlich ausführlicheInformationen über Bildungsangebote – diese sollten allerdings auf ei-nen kleinen, ausgewählten Anbieterkreis beschränkt bleiben.

Vor aktiver eigener Recherche schreckt man zurück: „Das Internet ist mirzu unübersichtlich“.

Starke Ressentiments schon hinsichtlich der Begrifflichkeit „Werbung“:„Ich bin allergisch auf Werbung insgesamt. Ich möchte immer seriöseQuellen haben dafür“.

Werbung wird mit lästigen Postwurfsendungen und TV-Spots gleichge-setzt: „Da wird man überhäuft – bei Werbung schaltet man ja schon fastautomatisch weg“.

Überteuerung als Zeichen von Unseriosität und Qualitätsmangel: „Es istklar, dass die Privaten sauteuer sind, weil die ja auf eigene Kosten undVerantwortung arbeiten – das wäre mir zu riskant“.

Die Preisbereitschaft orientiert sich letztendlich an institutionellen An-bietern: „Die Hanns-Seidel-Stiftung – die san ja spottbillig, des is ja derSinn, dass des a jeder wahrnehmen kann“.

Dennoch wäre man im Milieuvergleich relativ häufig bereit, für Qualitätmehr Geld auszugeben (79 % vs. ø 58 %).

Inhalt und „klare Themenformulierung“ als zentrales Auswahlkriterium.

Unerschütterliches Vertrauen in institutionelle und persönlich bekannteAnbieter: „Die beruflichen Angebote in der Stiftung, die sind immer erste Sahne“.

Starke Familienorientierung: Auswahl regelmäßig stattfindender Abend-kurse, die das Familienleben nicht allzu sehr beschneiden („ich würd’den Kurs schon mal nicht aufs Wochenende legen – da ist mir die Fami-lie zu kostbar“).

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

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Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

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Konservative

Weiterbildungs-

marketing

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4.4 Konservative

Verschiedene Anbieter

Überdurchschnittliche Teilnahme an Veranstaltungen der wissenschaft-lichen Weiterbildung (7 % vs. ø 3 %): Der Universität wird hohe Kom-petenz und Weiterbildung auf höchstem wissenschaftlichen Niveau zu-gesprochen: „Eine anerkannte, international renommierte Universitätund nicht irgendein neu gegründetes Etwas“.

Positives Image und rege Nutzung kirchlicher Träger und Akademien;positive Bewertung von Kursqualität, Angebot und Ambiente: „Dieevangelischen Akademien haben immer sehr schöne Häuser in einerwunderschönen Umgebung“.

Stiftungen der Parteien: Bei Nutzern positive Erfahrung, bei Nicht-Nut-zern Ressentiments: „Ich hab’ da gewisse Aversionen gegen parteipoliti-sche Veranstaltungen“.

Wenig Teilnahme an Kursen der Krankenkassen; teilweise Bedenkengegenüber zu speziellen Kursinhalten.

VHS

Distanziertes Verhältnis zur VHS; VHS als Weiterbildungseinrichtung fürandere.

Zweifel hinsichtlich der Kursqualität: „Wenn man sich die Programmeso anguckt, ist das ein ziemlich niedriger Level; aber es gibt sicherlichauch Bereiche, die besser sind“.

Enttäuschende Erfahrungen mit Kursen: „Der Kurs war so aufgebaut,dass man in einem halben Jahr nicht viel lernen konnte“.

Teilnahme an Kursen der VHS hauptsächlich bei Sprachen.

Für ältere Milieuangehörige spielt die gute räumliche Erreichbarkeit ei-ne ausschlaggebende Rolle: „Was in der Nähe ist, wo ich mir eine wei-tere Fahrt spare“.

Das breite Angebot der VHS wird von Teilen des Milieus honoriert: „Wirhaben eine tolle VHS, weil das Angebot wirklich unendlich groß ist“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

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und Ambiente

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Konservative

Nutzung und Image

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85

4.5 Traditionsverwurzelte

4.5 Traditionsverwurzelte

Die Sicherheit und Ordnung liebende Kriegsgeneration:

Verwurzelt in der kleinbürgerlichen Welt bzw. in der traditi-

onellen Arbeiterkultur

Anteil an der Wohnbevölkerung von 18 bis 75 Jahren der BRD

(2002)

Abbildung 12:

Positionierung und Bevölkerungsanteil in der Weiterbildungsstudie für

die BRD (2002)

12% (ca. 7,4 Mio)

N=2920, nur Deutsche

Oberschicht/

Obere Mittelschicht

Mittlere Mittelschicht

Untere Mittelschicht/

Unterschicht

Soziale

Lage Traditionelle Werte Modernisierung I Modernisierung II

Grund- Pflichterfüllung, Konsum-Hedonismus und Patchworking,

orientierung Ordnung Postmaterialismus Virtualisierung

Etablierte 12,3%

Postmaterielle 11,1%

Konservative 5,4%

Moderne Performer 8,5%

Experimentalisten 6,4%

Bürgerliche Mitte

17,3%

Konsum-Materialisten 10,8%

Hedonisten

10,4%

Traditionsverwurzelte 12,1%

DDR-Nostalgische 5,5%

Sinusmodell

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Soziale Lage

Altersschwerpunkt in der Kriegsgeneration (65 Jahre und älter); dadurchauch hoher Frauenanteil.

Es überwiegen Volksschul- und Hauptschulabschlüsse sowie Personenmit abgeschlossener Berufsausbildung.

Sehr hoher Anteil von Rentnern und Pensionären, frühere Arbeiter, Fach-arbeiter und Bauern, kleine Angestellte und auch Beamte.

Überwiegend niedriges persönliches Einkommen und kleine bis mittlereHaushaltseinkommen.

Lebenswelt

Die Traditionsverwurzelten zeigen eine konservative Grundhaltung: Be-wahren des Erreichten, Ablehnung von Fremdem und Neuem.

Sie sind stolz auf ihre Arbeitsleistungen und den erarbeiteten Lebens-standard. Sie arbeiten, um zu leben, sind mit dem Erreichten zufriedenund zeigen ein Sicherheits- statt Karrierestreben.

Sie haben keine Wunschträume, wagen keine Experimente, ihre Grund-haltung ist nüchtern-pragmatisch.

Familien, Kinder, Enkelkinder und Heim sind fragloser Mittelpunkt ihresLebens.

Der Feierabend hat einen hohen Stellenwert, der zumeist aktiv mit derFamilie im Verein, mit Freunden und Nachbarn verbracht wird; aberauch der Rückzug in die private Idylle (Garten/Fernsehen) werden ge-schätzt.

Nur teilweise findet eine Integration der neuen Medien in die Lebens-führung statt.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

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Nutzung und Image

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Traditions-verwurzelte

Lebenswelt und

soziale Lage

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4.5 Traditionsverwurzelte

Schulerfahrungen häufig überlagert vom Krieg und den damit verbunde-nen belasteten Lebensumständen. Dennoch positive Schulerinnerungen(„war eine schöne Zeit“; „hat mir immer Spaß gemacht“).

Aufgrund der hohen Arbeitsbelastung in Familie, Haushalt und Land-wirtschaft oft geringe Kapazitäten für schulische Belange („da mussteman viel mithelfen, mein Vater hat dann schon gewartet, dass wir vonder Schule kamen und da kamen die Schularbeiten ganz zuletzt“); mitt-lere bis schlechte Schulleistungen.

Geringes Interesse der Eltern an schulischen Belangen („um mich hatsich keiner gekümmert“; „mein Vater hat sich da keine Zeit genom-men“); allerdings wurde auf gute „Kopfnoten Betragen, Ordnung, Fleiß“der Kinder Wert gelegt.

Selbstverständlicher Respekt und Gehorsam im Umgang mit Eltern undLehrkräften („da haben wir einfach Respekt gehabt, da hat er das garnicht gebraucht, das Zuschlagen“).

Wenig organisierte Freizeitaktivitäten („da gab‘s nicht Flötenspiel undBallettunterricht so wie heute“; „da sind wir schon mal im Wald rumge-räubert, aber das war dann schon alles“).

Kein Zugang zu Fernsehen und Computer in der Kindheit, oftmals keinRadio. Geringes Leseinteresse (Karl May; „Groschenromane“).

Informeller Erwerb aller Fertigkeiten, die Haus- und Landwirtschaft be-trafen – Vermittlung durch „Mittun“ und Anleitung während der Arbeit(„Handarbeiten hat man gelernt, im Haushalt hat man mitgeholfen, Ko-chen hat man zugeschaut“).

Trotz der oftmals sehr schwierigen, harten Ausbildungsjahre („wir wur-den drangsaliert und schikaniert“) Zufriedenheit mit der Ausbildung. Dienegativen Ausbildungserfahrungen werden im Nachhinein als notwen-dig erachtet („Lehrjahre sind keine Herrenjahre und da muss jederdurch“).

Vermittlung von Allgemeinwissen in der Berufsschule, das bewussteraufgenommen wurde, als dies in der Schulzeit der Fall war („da hab ichbegriffen, dass ich für mich selber lerne“).

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Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

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Kompetenzentwicklung

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und Ambiente

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Traditions- verwurzelte

Bildungserfahrungen

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Bildung und Wissen als Ergebnis eines anstrengenden und aufreibendenWeges: „Diese enorme Anstrengung – da guck ich dann immer mitHochachtung“.

Selbst auferlegte, pragmatische Distanz zur „Welt der Gebildeten“: „Nurwer das Zeug dazu hat, der sollte so viel wie möglich lernen“.

Der gebildete Mensch vereinigt alle für die Traditionsverwurzelten be-deutsamen Wertorientierungen: Sekundärtugenden („wenn man weiß,wie man sich benimmt“), Mitmenschlichkeit und Umgangsformen („ei-ner, der sich in der Gesellschaft gut bewegen kann, ohne anzuecken“).

Distanz zum Bild des praxisfremden Theoretikers: Bildung ist alltagsre-levant („eben auch das Alltägliche, und nicht nur das Wissenschaftli-che“).

Realistisches Bewusstsein der Qualifikations- und Statuszuweisungs-funktion von Bildung: „Da müsste man auf jeden Fall einen guten schu-lischen und beruflichen Abschluss haben“.

Priorität hat die Vermittlung von Sekundärtugenden: „Wo kämen denndie Lehrer da hin, wenn jeder meint, er könnte das machen, was erwill“.

Im Osten teilweise Verbitterung über die Vernachlässigung traditionellerWertevorstellungen: „Das ist in der Bundesrepublik arg am Boden, diemachen doch, was sie wollen“.

Betonung sozial-disziplinierender Bildungsziele mit Blick auf die Integ-ration Benachteiligter und Schwächergestellter: „Da sollte man dochauch Achtung vor denen haben, die da nicht mithalten können“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

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Weiterbildungsmarketing

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Traditions-verwurzelte

Bildungsverständnis

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:50 Uhr Seite 88

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4.5 Traditionsverwurzelte

Insgesamt eher unterdurchschnittliche Weiterbildungsbeteiligung im all-gemeinen und beruflichen Sektor (45 % vs. ø 54 % bzw. 30 % vs. ø 40 %).

Weibliche Gesprächspartner: Teilnahme an pragmatischen, alltagsorien-tierten Kursen (Kochkurse, Nähkurse, Kurse über gesunde Ernährung).

Männer: Pflichterfüllung und Statussicherung im beruflichen Bereich:Weiterbildungsteilnahme, um berufliche Aufgaben erfüllen zu können(gewerbliche Kurse, Maschinenschreiben, teilweise auch EDV-Kurse).

Konzentration der Interessen auf die Weiterentwicklung von Freizeitak-tivitäten und Themen alltagspraktischer Relevanz: Musik, Schneidern,sportliche Aktivitäten, Gesundheit.

Grundsätzliche Offenheit für den PC- und EDV-Bereich; hier baut manallerdings weniger auf Kurse, als vielmehr auf informelle Unterstützungdurch Freunde und Familienangehörige.

Hoher Stellenwert von Spaß, Geselligkeit und Aktivität; angenehmeKursatmosphäre durch gegenseitige Unterstützung in der idealerweiseleistungshomogenen Gruppe.

In Einklang mit dem milieutypischen Verantwortungs- und Pflichtbe-wusstsein wird Weiterbildung pauschal als positiv beurteilt – solangeFreizeit und Erspartes nicht tangiert werden („wenn, dann möchte ichdas gern innerhalb der Arbeitszeit machen – sonst lass ich’s sein“).

Zufriedenheit und Fachkompetenz im beruflichen Bereich: Auch ohneWeiterbildung fühlt man sich hier gewappnet und fähig, die derzeitigenAnforderungen zu meistern.

Ablehnung von Kursen zur Persönlichkeitsentwicklung: Die Inhalte be-fremden; die Distanz zur eigenen Lebenswelt wird als zu groß erlebt.

Lebenswelt und soziale Lage

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Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

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Traditions- verwurzelte

Weiterbildungs-

interessen

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Berufs- und Lebenserfahrung statt formal-organisierte Weiterbildung; mi-lieutypische Zufriedenheit mit dem Erreichten: „Ich habe jetzt 25-jähri-ges Meisterjubiläum, da hab’ ich 25 Jahre meine Weiterbildung absol-viert, die das Leben so schreibt“.

Im Milieuvergleich stark unterdurchschnittliche Nutzenerwartung inpersönlicher und beruflicher Hinsicht.

Im beruflichen Bereich subjektiv fehlende Notwendigkeit von Kursen:„Ich weiß alles, was ich dazu wissen muss, das hatte ich von meinen Vä-tern gelernt, wir bauen diese Fenster so schön wie vor 150 Jahren“.

Insbesondere weibliche Milieuangehörige: Fehlende Ressourcen inForm von Zeit, Geld und familiärer Unterstützung („da war das meinemEhegatten auch nicht recht“; „von meinem kleinen Lohn hätt’ ich dasnicht mehr zahlen können“) sowie starke familiäre Eingebundenheit:„Der Haushalt und die Enkelkinder und das drumherum, das langt mir“.

Schwellenängste, Prüfungs- und Lernangst: Weiterbildung wird häufigmit „Schulbankdrücken“ assoziiert; überdurchschnittlich häufig Angstvor Überforderung (39 % vs. ø 19 %) .

Teilweise höheres Lebensalter und Zufriedenheit mit dem Erreichten alsTeilnahmebarrieren: „In meinem Alter jetzt nicht mehr“.

Geringe Bildungsaffinität im sozialen Umfeld: „Sonst tät’ ich mich schonaufraffen, wenn da mal jemand mitginge“.

Eingeschränkte Mobilität im höheren Lebensalter: „In meinem Altermuss man das anders sehen – das müsste jetzt schon in der Nähe sein“.

Zustimmung zum Item: „Ich glaube nicht, dass ich es schaffen würde,die Anforderungen in einer Weiterbildung zu erfüllen“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

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von Anbietern

Traditions-verwurzelte

Weiterbildungs-

barrieren

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4.5 Traditionsverwurzelte

Persönlichkeitsverständnis

Der Persönlichkeitsbegriff orientiert sich an traditionellen Werten wieOrdnung („dass man sich ordentlich benimmt“); Disziplin; „Anstand“(„dass man vernünftig gekleidet ist“) und Hilfsbereitschaft.

Eine optimistische Grundhaltung bzw. Fassade („dass man immer nurdas Positive sieht und ein freundliches Gesicht macht“).

Persönlichkeitsentwicklung

Persönlichkeitsentwicklung wird gleichgesetzt mit erworbener Lebenser-fahrung und findet im Erwachsenenalter ihren Abschluss.

Im Milieuvergleich besteht das geringste Interesse an Kursen zur Persön-lichkeitsentwicklung („sehr interessiert“: 6 % vs. ø 17 %).

Zweifel an der praktischen Verwertbarkeit von Persönlichkeitstrainings;Kurstitel werden oft als wenig aussagekräftig empfunden („ist nur The-orie“; „zu schwammig“; „nichtssagend“; „’ne Show?“).

Alters- und milieubedingter Lebensstil als Teilnahmebarriere („in demAlter ... dass ich da jetzt noch groß an die Macht gehe, das ist natürlichnicht mehr drin“; „das ist mehr so für Führungskräfte, da gehöre ichnicht zu“).

Kritik an der Vermarktung der zu erlernenden Kompetenzen („das kön-nen sie vielleicht ‘nem Vertreter oder so beibringen, der einem was an-drehen will und das mag ich überhaupt nicht“).

Bevorzugung traditioneller Sinnstiftungs- und Motivationsinstanzen(„um mein Innerstes zu erkennen, kann ich ja auch jeden Sonntag in dieKirche gehen“).

Befremdung angesichts des Bedeutungszuwachses persönlichkeitsbil-dender Seminare („vor 30 Jahren, da war das alles noch nicht so mit denganzen Seminaren und so“).

Anbieter

Außerhalb der VHS sind kaum Institutionen bekannt.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

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Nutzung und Image

von Anbietern

Traditions- verwurzelte

Persönlichkeits-

entwicklung

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:51 Uhr Seite 91

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Gesundheitsbewusstsein

Verbale Beteuerung der zentralen Bedeutung von Gesundheit, um derenErhaltung man sich in Maßen bemüht.

Selbstbeschwichtigung: Gewohnheiten, die der Gesundheit nicht zu-träglich sind, werden gepflegt („man tut auch manches, was ungesundist und was einem dann trotzdem nicht schadet“) und verharmlost („esgibt Leute, die sind neunzig Jahre alt geworden, die haben dicke Zigar-ren geraucht, andere die sind gestorben und haben nie geraucht“).

Gesundheitsbildung

Erwerb gesundheitsbezogenen Wissens in erster Linie aus der Erfahrungmit altersbedingten Krankheiten, aus der Apothekerzeitschrift oder durchInformation über Hausmittel und Heilpflanzen.

Bei der Kursauswahl Präferenz für „Gesundheit durch Tanzen“; aller-dings unter Ausklammerung des „modernen Bum-Bum“.

Ablehnung von alternativen Ernährungskursen; Wahrung des Gewohn-ten („mit dem Zeug hab ich‘s ja auch nicht; das schwarze Brot und dasganze da; weil ich das ess´, was ich kenn´“).

Präferenz für private, informelle Gesundheitsförderung im sozialen Um-feld: „Rad fahren, wandern – in Ruhe mit meiner Frau, mit den Hunden“.

Geschlechtsrollenspezifische Unterschiede: Frauen sind – traditionell – für den Themenbereich Gesundheit und

Ernährung zuständig.Die oftmals im handwerklichen Bereich tätigen Männer zeigen – au-

ßer an sportlichen Aktivitäten – kaum Interesse und ein geringes Ge-sundheitsbewusstsein („´n alten Baum verpflanzt man schlecht“); jedochStolz auf die eigene körperliche Verfassung („ich spring immer nochaus´m Stand auf´d Hobelbank, ich bin fuchzig“).

Betriebliche Gesundheitsvorschriften im handwerklichen Bereich sindvertraute Selbstverständlichkeiten, werden jedoch nicht als „Gesund-heitsbildung“ wahrgenommen.

Tiefgehendes Vertrauen in und Verantwortungsübergabe an Mediziner,hingegen Skepsis gegenüber Apothekern („die wollen nur was verkau-fen“).

Anbieter

Geringer Informationsstand über Angebote und Institutionen.

Lebenswelt und soziale Lage

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Bildungsverständnis

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Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

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Gesundheitsbildung

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4.5 Traditionsverwurzelte

Kompetenzziele

Milieutypische Bescheidenheit bei der Benennung persönlicher Stärken:Betonung von im Alltag benötigten Kompetenzen wie Verantwortung,Verlässlichkeit und Pflichterfüllung („bügeln kann ich, Staub wischenkann ich, nur saugen kann ich nicht mehr“).

Kompetenzentwicklung im Kontext der alltäglichen Anforderungen imLebenszusammenhang, denen Selbstverständlichkeits- und Notwendig-keitscharakter zukommt („man muss es halt machen“).

Sich ins Gegebene fügen, keine hohen Ansprüche stellen, seine Pflich-ten ohne Murren erledigen („net Unlust oder so aufkommen lassen“).

Distanziertes Verhältnis zu persönlichkeitsbildenden Kompetenzen (wieSelbstreflexion) und elaborierteren berufsqualifizierenden Fähigkeiten(„Sprachkenntnisse“; „EDV-Wissen“; „betriebswirtschaftliche Kennt-nisse“).

Kompetenzerwerb

Orientierung an Autoritäten: Eltern und Vorgesetzte fungieren als Vorbil-der.

Zufriedenheit mit dem Status Quo der vorhandenen persönlichen Fähig-keiten („ich bin so zufrieden, wie‘s ist“).

Geringe intrinsische Motivation zum Erlernen neuer Kompetenzen(„jetzt nicht unbedingt was Neues machen“).

Als wichtigste Zukunftskompetenzen gelten Belastbarkeit, Lernbereit-schaft und Fachwissen.

Abgrenzung gegenüber dieser Entwicklung: „Belastbarkeit wird in 10Jahren mal so stark sein, dass man es gar nicht mehr aushalten kann. DieSchraube wird immer fester gedreht“.

Der altersbegründete Rückzug ins Private lässt weiteren Kompetenzer-werb oftmals nutzlos erscheinen.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

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Traditions- verwurzelte

Kompetenz-

entwicklung

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Der Begriff „informelles Lernen“ ist weitgehend unbekannt („Informa-tion, ne, kommt davon, oder?“).

Geringes Bewusstsein informeller Lernprozesse in Alltag und Beruf: „Ichhab eigentlich nichts weiter gemacht, nur eben dann hier im Feldbau ge-arbeitet, na, gelernt hab ich nichts, nur das Aufstehen, des war halt desSchlimme“.

Lernen ist mühselig und anstrengend – und findet deshalb im Urlaubnicht statt: „Ich bin mit meinem Schiff in den Urlaub gefahren. Täglichwird gesegelt, der Kopf ist frei: Lesen und Lernen tue ich nicht“.

Subjektiv wahrgenommene Distanz zur Welt der Weiterbildung und desLernens: „An mich als Hausfrau werden keine Anforderungen gestellt, dieein Nachschlagewerk oder eventuell einen Kursus erforderlich machen“.

Reagieren auf neue Lebenssituationen, z. B. Do-it-yourself bei allein stehenden Frauen: Man versucht sich im technischen und handwerk-lichen Bereich („ich tu meine Schrauben jetzt selber nei oder naus …früher hat’s mein Mann gemacht“).

Lernen in und für Alltag und Freizeit: „Dass man rohe Bratwürste nocham selben Tag essen soll“; „Wie man Erbsen anpflanzt“.

„Medien“ des informellen Lernens: „Ausprobieren“ sowie die Hilfsbe-reitschaft in Nachbarschaft, Verwandten- und Bekanntenkreis: „Ich kann’snur probieren: Gelingt’s, ist’s recht, gelingt’s net, hab ich Pech gehabtund muss es noch mal probieren“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

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Traditions-verwurzelte

Informelles Lernen

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4.5 Traditionsverwurzelte

Der Englisch-Kurs „von der Stange“: In Anbetracht der eher geringenVergleichsmöglichkeiten und fehlenden Erfahrungen hegt man keinerlei„Sonderwünsche“, sondern begnügt sich mit dem bestehenden Angebot.

Hoher Stellenwert einer harmonischen, entspannten Atmosphäre in ei-ner kleinen und idealerweise homogenen Gruppe.

Kontakte knüpfen und Geselligkeit: „... dass man was unternimmt, wäreeigentlich angebracht …, dass das so eine Gemeinschaft ist und das mansich auch privat zusammentut“.

Didaktische Kompetenz und freundschaftliche Nähe des Dozenten: „...dass er auf alle Teilnehmer eingeht, dass halt auch alle so ziemlich mit-kommen“; überdurchschnittlich häufig wird ein verständnisvoller Do-zent gewünscht (53 % vs. ø 44 %).

Zeitfenster: Tageszeit der Wahl ist der Nachmittag – nicht zuletzt, daman am Abend nicht mehr so gerne aus dem Haus geht und am Nach-mittag durchaus noch mehr „in den Kopf bekommt“ als zu später Stunde.

Wertschätzung von Regelmäßigkeit und Wohldosierung: Gerne undüberdurchschnittlich häufig (34 % vs. ø 23 %) besucht man wöchentlichstattfindende Veranstaltungen; Blockseminare werden dagegen als zulange und zu anstrengend empfunden.

Aufgrund der eher geringen Mobilität im höheren Lebensalter ist manauf Fahrgemeinschaften oder die Erreichbarkeit des Veranstaltungsortesmit den öffentlichen Verkehrsmitteln angewiesen; längere Fahrten wer-den kaum in Kauf genommen.

Hinsichtlich Lage und Ausstattung des Veranstaltungsortes hegt mankaum Ansprüche: „Ja mei, ich kenn ja nur die alten Klassenräume, undda geh’ ich ja nach ein oder zwei Stunden wieder raus, das stört michnicht …“; allerdings sollten Mindeststandards gewahrt bleiben: „... esmuss sauber sein“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Traditions- verwurzelte

Ansprüche an Methode

und Ambiente

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:51 Uhr Seite 95

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96

4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Distanzierte bis ablehnende Haltung hinsichtlich Werbung und Marke-ting: „ich steh mit der Werbung ein bisschen auf Kriegsfuß“.

Insbesondere aufsuchende, in die häusliche und private Idylle eindrin-gende (Bildungs-)Werbung wird als lästig und wenig ansprechend emp-funden („man wird überschwemmt mit dem Ganzen“).

Bei Bedarf wird das Angebot gezielt per Telefon oder über Informations-material gesichtet; Wertschätzung von übersichtlich und zielgenau dar-gebotenen Informationen.

Interessant ist, dass man dem Werbemedium „Fernsehen“, das selbstver-ständlich in Alltag und Lebenswelt integriert ist, sehr positiv gegenüber-steht.

Konzentration auf bereits bekannte und bewährte Anbieter („ich kon-zentrier’ mich ja auf das, was ich brauch’ und kenn’. So herumgucken,das ist mir zu anstrengend“).

Seriosität als Auswahlprinzip; dabei gilt die VHS als Prototyp des solidenAnbieters: „... dass es nicht eine windige Sache ist, dass es etwas be-kannter ist … zum Beispiel die VHS“.

Persönliche Distanz zur Welt der Weiterbildung: Während die Beratungüber Weiterbildungsmöglichkeiten „für die Jugend“ als unabdingbar an-gesehen wird, sieht man in dieser – im Übrigen weitgehend unbekann-ten – Dienstleistung für sich persönlich keinerlei Relevanz.

Im Osten – nicht zuletzt aufgrund der prekären Arbeitsmarktlage – akti-vere und umfassendere Informationssuche, teilweise auch übers Inter-net.

Der Preis als relevantes Auswahlkriterium zwischen mehreren Angebo-ten: „Der Preis entscheidet“; dennoch gibt man für Qualität auch gernemehr des mühsam Ersparten aus: „Wenn das aber Hand und Fuß hat undes mir was bringt, dann würde ich schon mehr aufbringen“.

Inhaltliche Qualität hat Priorität (vor Ausstattung, Lage und Ambiente):„Ausstattung ist eigentlich Nebensache, man will ja, dass der Kurs einemwas bringt“.

Zeitfenster: Wahrung des persönlichen Wochen- und Tagesrhythmus:kurze Anfahrtswege, regelmäßige, „nach Möglichkeit nicht zu lange“Veranstaltungen.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Traditions-verwurzelte

Weiterbildungs-

marketing

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97

4.5 Traditionsverwurzelte

Verschiedene Anbieter

Der Weiterbildungshorizont wird geprägt von großen, die persönlicheLebenswelt tangierenden Institutionen wie Arbeitgeberverbänden, Ge-werkschaften, Kammern und Volkshochschulen.

Berufliches Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein; Loyalität: der Be-trieb als wichtigster Anbieter und Initiator individueller Weiterbildungs-bemühungen („schon aus dem Zwang heraus, auf dem Laufenden zubleiben“).

Auch Kammern und Gewerkschaften tragen mit ihrem Angebot zurPflichterfüllung im beruflichen Bereich bei.

Berufliche Weiterbildung „von der Stange“: nicht zuletzt aufgrund feh-lender Vergleichsmöglichkeiten kaum Ansprüche an die Qualität desAngebots oder das Image des Veranstalters.

In der Allgemeinen Weiterbildung Suche nach Sicherheit und Solidität:Wertschätzung bekannter und seriöser (öffentlicher) Institutionen („allesandere ist mir zu privat und nicht sicher genug“).

Esoterische Anbieter und Stiftungen der Parteien werden nicht als Anbie-ter von Weiterbildung wahrgenommen.

VHS

Stark überdurchschnittliche Kursteilnahme (36 % vs. ø 25 %).

VHS als bekannter, solider, vertrauenswürdiger und qualitativ hochwer-tiger Anbieter: „... dass da eigentlich nur qualifizierte Leute auftreten,das hat Hand und Fuß“.

Vertrauenswürdigkeit durch regionale Präsenz, ein breit gefächertes An-gebot sowie die „lange Tradition“.

Didaktische Kompetenz und sicherer Lernerfolg: Die VHS überzeugtnicht nur durch fachliche, sondern auch durch didaktische Kompetenz(„da würde ich den nehmen, der mir das besser erklärt – da habe ich im-mer die Volkshochschule im Blick“).

Tatsächlicher Besuch von und Interesse an Kursen zur Gesundheitsbil-dung („gesunde Ernährung“; „so Vorträge über Osteoporose“; „Gymnas-tik“; „Autogenes Training“) oder Haushaltsführung („Nähen oder Sticken“;„was halt so häusliche Sachen sind“).

Unvereinbarkeit von Persönlichkeitsentwicklung und Volkshochschule:Die mit Argwohn betrachteten Kurse zur Persönlichkeitsentwicklungwerden nur in den seltensten Fällen bei der VHS vermutet.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Traditions- verwurzelte

Nutzung und Image

von Anbietern

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studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:51 Uhr Seite 98

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99

4.6 DDR-Nostalgische

4.6 DDR-Nostalgische

Die resignierten Wende-Verlierer: Festhalten an preußischen

Tugenden und altsozialistischen Vorstellungen von Gerechtig-

keit und Solidarität

Anteil an der Wohnbevölkerung von 18 bis 75 Jahren der BRD

(2002)

Abbildung 13:

Positionierung und Bevölkerungsanteil in der Weiterbildungsstudie für

die BRD (2002)

6% (ca. 3,7 Mio)

N=2920, nur Deutsche

Oberschicht/

Obere Mittelschicht

Mittlere Mittelschicht

Untere Mittelschicht/

Unterschicht

Soziale

Lage Traditionelle Werte Modernisierung I Modernisierung II

Grund- Pflichterfüllung, Konsum-Hedonismus und Patchworking,

orientierung Ordnung Postmaterialismus Virtualisierung

Etablierte 12,3%

Postmaterielle 11,1%

Konservative 5,4%

Moderne Performer 8,5%

Experimentalisten 6,4%

Bürgerliche Mitte

17,3%

Konsum-Materialisten 10,8%

Hedonisten

10,4%

Traditionsverwurzelte 12,1%

DDR-Nostalgische 5,5%

Sinusmodell

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:51 Uhr Seite 99

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Soziale Lage

Schwerpunkt bei den über 50-Jährigen.

Meist einfache bis mittlere Bildung; aber auch Hochschulabschlüssesind leicht überrepräsentiert.

Früher häufig Führungskader in Partei, Verwaltung, Wirtschaft; heuteRentner, einfache angestellte Arbeiter oder auch arbeitslos.

Kleine Einkommen (Doppelverdiener); hoher Anteil an Beziehern vonRenten.

Lebenswelt

Die DDR-Nostalgischen (sie stellen fast ein Viertel der ostdeutschen Be-völkerung) sehen sich als Verlierer der Wende. Das führt zu einer gewis-sen Verklärung der Vergangenheit und Verbitterung gegenüber derGegenwart.

Mitmenschliche Solidarität und soziale Verantwortung haben einen hohen Stellenwert.

Alte (Freizeit-)Gewohnheiten aus der Zeit vor der Wende werden weiteraufrecht erhalten. Kleinbürgerliche Aktivitäten in Haus, Garten und Ver-einen.

Der Kreis der Familie wird als Rückzugsgebiet geschätzt.

Im Beruf zeigt sich ein ausgeprägtes Leistungs- und Pflichtbewusstseinund Loyalität dem Arbeitgeber gegenüber.

Teilweise Überwachungsängste.

Verklärte Wertschätzung preußischer Tugenden.

Kultur- und Medienkritik; skeptische Betrachtung von Technologisierungund Globalisierung.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

DDR-Nostalgische

Lebenswelt und

soziale Lage

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:51 Uhr Seite 100

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101

4.6 DDR-Nostalgische

Frühe Schulerinnerungen geprägt von Erlebnissen und Entbehrungen der(Nach-)Kriegsjahre: Armut („mit Holzschuhen in die Schule gegangen“),hohe Arbeitsbelastung der Eltern, große Schulklassen, Mangel an Lern-materialien.

Positive Erinnerungen an die Vermittlung einer breiten Wissensbasisdurch „gute Lehrer“.

Leicht überdurchschnittlicher Spaß am Lernen in der Schule (74 % vs. ø71 %).

Lehrkräfte als unhinterfragte Autoritätspersonen.

Ordnung, Disziplin und Hilfsbereitschaft als selbstverständliche Grund-lage der Schulatmosphäre und des Zusammenlebens im Elternhaus.

Hohe Erwartungen des Elternhauses an schulische Erfolge, teilweise Leistungsdruck.

Auf Grund von Zeitmangel beider Elternteile selbstständiges und eigen-verantwortliches Lernen der Kinder, Mithilfe in Haus und Hof.

In der Freizeit werden Erlebnisse erinnert, in denen ein Solidaritätsgefühlund Hilfsbereitschaft entwickelt wurden („... dass man anderen auchmal helfen kann, dass es so etwas wie solidarische Handlungen gibt“).

Informelle Lernerfahrungen durch Lesen; andere Medien spielten einenebensächliche Rolle.

Stark eingeschränkte Wahl von Ausbildungsgang oder Studienfach („dahat man mir angeboten: ‚überbrück’ diese Zeit und fang mit dem Lehrer-studium an’“).

Hohe Wertschätzung der Ausbildung oder des Studiums, verhaltene Kri-tik an Rahmenbedingungen.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

DDR- Nostalgische

Bildungserfahrungen

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:51 Uhr Seite 101

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Umfangreiches Grundwissen – vermittelt durch „unsere polytechnischeOberschule in der DDR“ – als zentrales Element des Bildungsverständ-nisses.

Distanzierung von der derzeitigen Gesellschaft: Herzens- und Charak-terbildung als innerer Rückzug; die innere Größe, nicht das äußere Ver-halten gegenüber der heutigen Gesellschaft zählt.

Ordnung und Disziplin als unabdingbare Voraussetzung gesellschaft-licher Funktionsfähigkeit: „Das, was wir heute manchmal erleben, istdas Fazit einer viel zu liberal geführten Erziehung – lass die Blumenwachsen, wie sie wollen – daraus wird doch nichts“.

Bildung als „Kultur- und Geschichtserlebnis“: „... dass ihm Hegel, Feu-erbach und Marx Begriffe sind“.

Betonung der engen Verknüpfung von Schule und Beruf: „Schule soll aufalle Berufe vorbereiten“.

Betonung der Qualifikationsfunktion von Bildung: Bildung wird über-durchschnittlich häufig (72 % vs. ø 45 %) mit guter Schulbildung gleich-gesetzt.

V. a. in Anbetracht der prekären Arbeitsmarktlage zunehmendes Be-wusstsein der Bedeutung lebenslangen Lernens: „Wenn man sich heuteirgendwie zurecht finden will, muss man ständig weiterlernen“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

DDR-Nostalgische

Bildungsverständnis

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103

4.6 DDR-Nostalgische

Berufliches Pflichtbewusstsein und betriebliche Loyalität: überdurch-schnittliche Teilnahme an beruflicher Fortbildung wie PC/EDV-Kursen(16 % vs. ø 10 %), Kursen in Steno- und Maschinenschreiben; politischebzw. parteiliche Weiterbildung.

Weiterbildung als integraler Bestandteil beruflicher Pflichterfüllung:„Das war zu DDR-Zeiten obligatorisch, immer“.

Nach der Wende starke, ebenfalls als Verpflichtung erlebte Beteiligungan Umschulungsmaßnahmen: „Da musste man sich ja nun irgendwiebemühen, dass es im Berufsleben weitergeht“.

Übersättigung und Resignation: nur noch geringes Interesse, sich inhalt-lich und fachlich weiterzubilden („Also die wissenschaftlichen Erleb-nisse möchte ich jetzt nicht mehr haben – ich möchte wirklich nur nochNatur. Ohne Menschen“).

Teilweise Nachhilfe im Sektor PC, Internet und EDV-Anwendungen er-wünscht: „Also da wäre schon noch Nachholbedarf für den privaten Be-reich“ – allerdings nicht mehr in Form von Kursen.

Ausnehmend hohe Wertschätzung lebenslangen Lernens im Kontext be-ruflicher Pflichterfüllung und beruflichen Vorankommens.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

DDR- Nostalgische

Weiterbildungs-

interessen

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:51 Uhr Seite 103

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104

4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Kostengründe: Zum einen ist man nicht gewohnt, für Weiterbildung zubezahlen, zum anderen befindet man sich spätestens seit der Wende ineinem engen Finanzkorsett („Wir mussten für Bildung nicht bezahlen –in der DDR hat Geld nicht so die Rolle gespielt“).

Rigide Ablehnung von „Besser-Wissern“ aus den alten Bundesländern:„Wir hatten da einen Dozenten aus Hessen, der war doch irgendwievoreingenommen – diese Arroganz“.

Starre politische und betriebliche Regelungen: „Von einfach Wollenkann da nicht die Rede sein – wenn man nicht dafür vorgesehen war,dann war es einfach nicht möglich“.

Teilweise hält man sich für zu alt: Sachverhalte und neue Wissensgebietewollen „von der Pike auf“ erschlossen werden; das allerdings würdeman heute aufgrund des hohen Lebensalters „nicht mehr leisten können“.

Grundlegende Skepsis hinsichtlich der persönlichen Verwertbarkeit(westlicher) Moden und Trends in der Weiterbildung: „Das ist Westen.So ein Thema hätte es bei uns nie gegeben, und ich bin froh drum“.

Resignation und innerer Rückzug: In dieser Gesellschaft kann und willman nichts mehr erreichen.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

DDR-Nostalgische

Weiterbildungs-

barrieren

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105

4.6 DDR-Nostalgische

Persönlichkeitsverständnis

Zum Persönlichkeitsideal gehören unprätentiöses Charisma („Menschenzu begeistern“), Toleranz und Umgangsformen.

Bescheidenheit und Einsatz für soziale Gleichberechtigung („Überheb-lichkeit und Arroganz sind zwei Eigenschaften, die mag ich nicht“).

Persönlichkeitsentwicklung

Im Milieuvergleich nach den Traditionsverwurzelten das geringste Inte-resse an Seminaren zur Persönlichkeitsentwicklung: „Da ist viel Mist dabei ... ABM auf höherer Ebene“.

Ablehnung von Selbstdarstellung („bin ich nicht gut?“) und Nicht-Au-thentizität („Schauspielunterricht“; „ich bin, wer ich bin und will auchnichts anderes sein“).

Persönlichkeitsseminare muten esoterisch an („irgendwelche Weiber,die dann bei irgendwelchen Seminaren in Tibet zu monotonen Gesän-gen gurgeln“).

Missbilligung von persönlichkeitsbildenden Kursen als Spiegel der ge-sellschaftlichen Verhältnisse und des westlichen Lebensstils („das istWesten; so ein Thema hätte es bei uns nie gegeben und ich bin froh da-rüber“).

Anbieter

Bevorzugung von Institutionen, die – aus Sicht der Milieuangehörigen –seriös und ideologisch unbeschwert erscheinen, z. B. Gewerkschaftenoder Universitäten.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

DDR- Nostalgische

Persönlichkeits-

entwicklung

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:51 Uhr Seite 105

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Gesundheitsbewusstsein

Gesundheit als Verdienst einer disziplinierten und einfachen Lebens-weise: „Meine Maxime heißt immer: Tätigsein hilft über vieles hinweg.Nicht nur Sport, sondern Aktivität und Arbeit“.

Gesundheitsbildung

Interesse an Fernsehsendungen wie „Gesundheitsmagazin Praxis“ und„Visite“.

Hauptverantwortung für Gesundheit im Alltag (Diagnose von Krankhei-ten, Ernährung) tragen die Frauen („da kennt meine Frau sich besseraus“).

Unbehagen bzgl. Umweltproblemen und Dominanz der chemischenHeilpräparate: „Es gibt für jede Krankheit Naturprodukte, warum benut-zen wir nicht zuerst die?“

Ablehnung des bundesdeutschen Gesundheitssystems: „Sie müssenmich nicht mehr zum Gesundheitswesen befragen. Mein Urteil ist ver-nichtend“.

Unterdurchschnittliche Teilnahme an allgemein bildenden und beruf-lichen Kursen zur Gesundheitsbildung.

Missbilligung der Vermarktung von Gesundheitsförderung: „Die Kartewird eingecheckt, die rechnen alle als neue Patienten ab.“; „Was dieverdient, da werde ich blass – nicht vor Neid“.

Offenheit gegenüber alternativen Kursinhalten oder fernöstlichen Me-thoden der Gesundheitsförderung.

Anbieter

Kenntnis und Befürwortung öffentlicher Anbieter wie VHS und Kranken-kassen.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

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DDR-Nostalgische

Gesundheitsbildung

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:51 Uhr Seite 106

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107

4.6 DDR-Nostalgische

Kompetenzziele

Hoher Stellenwert der „Sozialkompetenz“: Einfühlungsvermögen, Of-fenheit anderen Menschen gegenüber, Toleranz, Zuhören können; über-durchschnittlich häufig wird auch das „Zurechtkommen im Kollegen-team“ genannt (75 % vs. ø 48 %).

Gelassenheit, Abgeklärtheit: „Also sozusagen ein Abwiegen der Wich-tigkeit“; „Sich nicht unter Stress setzen lassen“.

Kritische bis distanzierte Haltung zu Alltag und Gesellschaft: Man übtsich in „Rechtskunde“, um ggf. rechtliche Schritte einleiten zu könnenund „Dialektik“, um „mir immer wieder mal Fragen zu stellen und zu sa-gen, das kann so nicht sein“.

Preußische Sekundärtugenden: Pflichtbewusstsein, Selbstdisziplin, (be-triebliche) Loyalität („mir war der Satz sehr wichtig ‚das ist mein Be-trieb’“).

Hoher Stellenwert von Belastbarkeit („ein Mensch, der nicht belastbarist, wird auch immer große Probleme haben im Beruf und im ganzen Le-ben“), organisatorischen Fähigkeiten und ganzheitlichem Denkvermögen.

Kompetenzerwerb

„Das Leben“ als Zentrum des Kompetenzerwerbs: Lebensereignisse („je-der einzelne Lebensabschnitt hat dazu beigetragen, mich ein Stück vor-wärts zu bringen“), Erfolge und Misserfolge („der Umgang mit Misserfolgoder mit Rückschlägen“).

Lernen und Weiterentwickeln in Berufsleben und Arbeitsalltag: „Ichmuss ein bestimmtes Maß an Selbstdisziplin aufbringen, sonst kann ichder Aufgabe nicht gerecht werden“.

Eher widerwillig eingestandener „Nachholbedarf“ im EDV-Bereich;„Selbst mein Schwiegervater, der ist Rentner, der ist mir da überlegen“.

Erwerb oder Wiederauffrischen von Sprachkenntnissen (Latein, Englisch,Spanisch).

Nicht zuletzt aufgrund des relativ hohen durchschnittlichen Lebensaltersgewinnt die „Belastbarkeit“ in psychischer und physischer Hinsichtnoch an Bedeutung; auch die Bedeutung des EDV-Wissens wird zuneh-men.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

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DDR- Nostalgische

Kompetenz-

entwicklung

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Selbstverständliche Integration von formellen und informellen Formendes Lernens, die beide rege Anwendung im Alltag finden: „Beides ist in-einander verschränkt, wenn ich einen Lehrgang mache, ohne das Ver-tiefen, das Verinnerlichen, das persönliche Auseinandersetzen noch ein-mal, also ohne geht das nicht“.

Mit Kursen und organisierten Veranstaltungen bewegt man sich aller-dings auf der sicheren Seite: „... dass man noch mal was gesagt kriegt,von kompetenter Seite, wie es richtig ist, dass man auch Sicherheit er-langt“.

Vorteile informellen Lernens: Zeitsouveränität und Nachhaltigkeit.

Medien informellen Lernens: Austausch mit Kollegen, Fachzeitschriften,Bücher.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

DDR-Nostalgische

Informelles Lernen

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:51 Uhr Seite 108

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109

4.6 DDR-Nostalgische

Gefordert werden Praxisbezug und Anwendungsorientierung, „damitman auch das lernt, was man wirklich braucht“.

Hohe Ansprüche an Reputation, fachliche und persönliche Kompetenzdes Dozenten: „Jemand, der selbst im Leben ständig gelernt hat, über dieentsprechenden Erfahrungen verfügt“.

Ergänzung der (Ideal-) Form des Frontalvortrags durch gezielten Medien-einsatz: „Die Kombination aus Wort und Bild ist besser als trockenes Ge-rede“; überdurchschnittliche Wertschätzung von Multimediatechnikenim Vortrag (57 % vs. ø 45 %).

Präferenz einer homogenen Teilnehmerschaft in sozialer und fachlicherHinsicht: „Ich war der einzige aus dem Osten, die anderen kamen allemit ihren schnittigen Sportwagen und BMWs“.

Sinn für das Praktische, Funktionale, Schlichte: „wenn mich das Interi-eur mehr interessiert als die Weiterbildung, läuft irgendwas falsch“.

Lediglich Minimalstandards wie Rückzugs- und Erholungsmöglichkeitensollten gewahrt bleiben: „ein Zimmer für mich, das ist wichtig“.

Zunehmende Reiselust: Die nicht beruflich orientierte Weiterbildungkönnte mit einer Städtereise oder einem „Naturerlebnis“ – gerne auchim Westen Deutschlands – verbunden werden.

Passivität im Sektor beruflicher Weiterbildung, Erwartung aufsuchenderBildungsangebote: Man ist nicht gewillt, „der Arbeit dermaßen hinter-herzufahren, wie es schon im kommunistischen Manifest steht, dass dasKapital rund um den Erdball aktiv ist und das eben von dem Arbeiten-den entsprechende Beweglichkeit verlangt wird, dass er eben rund umden Erdball muss“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

DDR- Nostalgische

Ansprüche an Methode

und Ambiente

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Starke Arbeitsplatz- und Betriebsfixierung: Information durch Arbeitge-ber; Werbung am Arbeitsplatz; überdurchschnittlich häufig Informationüber das Arbeitsamt (14 % vs. ø 3 %).

Wertschätzung regionaler Angebote und Informationsmöglichkeiten: Lo-kale Radiosender, Anzeigenblätter.

Inzwischen auch Nutzung des Internet; Mundpropaganda durch Ver-trauenspersonen.

Distanz zur Weiterbildungsberatung: Einerseits wird die Neutralität undUnvoreingenommenheit der Beratungsstellen angezweifelt („die brau-chen ja Teilnehmer, denen ist das egal, ob man da hin passt oder nicht“);andererseits sieht man für sich persönlich keinen Verwertungszweck(„das könnte vielleicht für junge Leute interessant sein“).

Ausgeprägtes Preis-Leistungsbewusstsein bei der Kursauswahl: „Danehm’ ich natürlich den Kurs, der für gleiches Geld mehr Stunden hat“.

Auf Inhalt und Informationsgehalt wird Wert gelegt: „Was wird da spe-ziell Neues angeboten? Warum sollte ich da hingehen?“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

DDR-Nostalgische

Weiterbildungs-

marketing

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111

4.6 DDR-Nostalgische

Verschiedene Anbieter

Stark überdurchschnittliche Teilnahme an betrieblich initiierter Weiter-bildung (57 % vs. ø 43 %); v. a. vor der Wende starke Affinität zu denWeiterbildungen des VEBs.

Insbesondere bei Milieuangehörigen mit höherem Bildungsniveau:Wertschätzung der Bandbreite und der Qualität universitärer Bildungs-angebote.

Vornehmlich berufliche Weiterbildungsorientierung: Kenntnis von Kam-mern und Gewerkschaften.

Oft überraschend positive Einstellung zu kirchlichen Weiterbildungsan-geboten: „Ich find’s auch interessant, gerade was im kirchlichen Bereichangeboten wird“.

Eher kritische Beurteilung der Bundes- und Landeszentralen für politi-sche Bildung: „Diese Vermengung von Weltanschauung und Politik, diehab ich schon zu DDR-Zeiten nicht gemocht“.

Skeptische Betrachtung der zunehmenden Präsenz privater Anbieter:„Da gibt’s schon eine Reihe von Privatschulen, aber ich weiß nicht – dassind so unsichere Kandidaten“.

VHS

Rege Inanspruchnahme auch für berufliche Weiterbildung: PC-Kurse,Steno, Maschinenschreiben.

VHS als selbstverständlicher und geschätzter Bestandteil der Weiterbil-dungslandschaft: „Die kennt man halt, die hat’s schon immer gegeben,schon von klein auf“.

Breites Bildungsangebot und „günstiges Preis-Leistungsverhältnis“.

Insbesondere bei älteren Gesprächspartnern uneingeschränktes Vertrau-en in Seriosität und Leistungsfähigkeit: „Da würde ich auch immer hin-gehen – da hat man auch Gewissheit, dass Fachkräfte am Werk sind“.

Kompensation verpasster Bildungschancen: „Wer wirklich im Leben inder Schule was versäumt hat, der konnte in die VHS gehen und alles biszum Abitur dort nachmachen“.

Kritischere Einstellung hinsichtlich des Leistungsniveaus bei Akademikern:„Also im Verhältnis zur Universität ist das sehr niedrig angesiedelt“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

DDR- Nostalgische

Nutzung und Image

von Anbietern

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Online: http://www.die-bonn.de/doks/2004-weiterbildungsverhalten-01.pdf

113

4.7 Bürgerliche Mitte

4.7 Bürgerliche Mitte

Der statusorientierte moderne Mainstream: Streben nach

beruflicher und sozialer Etablierung, nach gesicherten und

harmonischen Verhältnissen

Anteil an der Wohnbevölkerung von 18 bis 75 Jahren der BRD

(2002)

Abbildung 14:

Positionierung und Bevölkerungsanteil in der Weiterbildungsstudie für

die BRD (2002)

17% (ca. 10,5 Mio)

N=2920, nur Deutsche

Oberschicht/

Obere Mittelschicht

Mittlere Mittelschicht

Untere Mittelschicht/

Unterschicht

Soziale

Lage Traditionelle Werte Modernisierung I Modernisierung II

Grund- Pflichterfüllung, Konsum-Hedonismus und Patchworking,

orientierung Ordnung Postmaterialismus Virtualisierung

Etablierte 12,3%

Postmaterielle 11,1%

Konservative 5,4%

Moderne Performer 8,5%

Experimentalisten 6,4%

Bürgerliche Mitte

17,3%

Konsum-Materialisten 10,8%

Hedonisten

10,4%

Traditionsverwurzelte 12,1%

DDR-Nostalgische 5,5%

Sinusmodell

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Soziale Lage

Breite Altersstreuung; kinderfreundliches Milieu in Mehr-Personen-Haus-halten.

Qualifizierte einfache/mittlere Bildungsabschlüsse; häufig mit qualifi-zierten Berufsabschlüssen (Lehre).

Facharbeiter, einfache und mittlere Angestellte und Beamte.

Einfache und mittlere Einkommensklassen.

Lebenswelt

Lebensziel der bürgerlichen Mitte ist es, in gut gesicherten, harmoni-schen Verhältnissen zu leben. Das Ziel ist die Etablierung mit berufli-chem Erfolg und angemessenem Lebensstandard. Statusorientierung und-sicherung stehen im Vordergrund. Ziel ist das Erreichen und Halten ge-sicherter Positionen; Pflichterfüllung.

Sie zeigen ein umfassendes Sicherheitsstreben mit wohldosiertem Kar-rierestreben, ohne größere Abstriche im privaten Bereich einzugestehen.

Sozial- und Ökomoral: Orientierung am Mainstream.

Kaum außergewöhnliche Freizeitinteressen: Mainstream-Angebote wer-den genutzt und die Freizeitgestaltung wird gemeinsam mit der Familiebestritten.

Balance-Suchend: Arbeit/Freizeit; individuelle Interessen/Familien

Frauen zeigen temporär emanzipatorische Haltungen, allerdings ohneSelbstverwirklichungsbestreben.

Häufige TV-Nutzung; breites, aber kein außergewöhnliches Leseinteresse

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

BürgerlicheMitte

Lebenswelt und

soziale Lage

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4.7 Bürgerliche Mitte

Lernen als Mühsal und Anstrengung: „Ich war genervt davon, ich mochtees nie sonderlich“; „Da hab ich bald die Nase voll gehabt von dem ewi-gen Lernen und Lernen“.

Kritik am fehlenden Anwendungsbezug des Gelernten: „Ich mein, vieleSachen sind ein Schmarren, was Du nie brauchst für Dein Leben“; „Ichbrauche keine Religion in der Apotheke“.

Rückblickend verkörpert die Schulzeit aber auch das Bedürfnis nach ei-ner Balance von Arbeit und Freizeit: „Kannst ausschlafen, hast Pause,um eins schon wieder Schluss und den ganzen Nachmittag frei“.

Häufig Bedauern verpasster Bildungschancen: „Des kann man nie wie-der zurückdrehen die Zeit, der Zug ist abgefahren“; „Das war mein größ-ter Fehler, dass ich da nicht durchgehalten habe“.

Um im vorderen Mittelfeld mithalten zu können, wechselt man häufigvom Gymnasium auf die Realschule („da haben sich die Leistungen im-mer mehr gesteigert, und das war so ein positives Gefühl“).

Elternhaus: Vermittlung sozialer Werte und zivilisatorischer Standards(Umgangsformen, Gerechtigkeit, Rechtschaffenheit); Wertschätzung vonSekundärtugenden („eine ordentliche Lebensweise“; „Sauberkeit, Or-dentlichkeit, Pünktlichkeit“).

Häufig enge emotionale Bindung ans Elternhaus („meine Mutter ist mei-ne beste Freundin“; „meine Eltern haben immer irgendwie Recht ge-habt“).

Äußerst aktive Freizeitgestaltung, die auch von den Eltern unterstütztwurde: Sportvereine, Handwerken, Musikunterricht.

Zertifikate und Abschlüsse haben Priorität – individuelle Interessen wer-den zurückgenommen: „Ich hab die Ausbildung durchgezogen, ohnemit meinem Herzen daran zu hängen“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Bürgerliche Mitte

Bildungserfahrungen

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Vielseitiges Wissen als Beitrag zur Statussicherung und gesellschaft-lichen Etablierung: „Es verbessert jegliche Chancen im Leben, wennman viel weiß“.

Instrumentalistische Perspektive: Bildung ermöglicht beruflichen Erfolgund damit eine sichere Positionierung im gesellschaftlichen Gefüge.

Qualifikationsbezogener Bildungsbegriff: starkes Vertrauen in Bildungs-institutionen und deren Repräsentanten („Bildung wird von der Schulevermittelt und von den Lehrern“).

Je mehr Wissen, desto mehr Bildung: „Für mich ist jemand gebildet,wenn er über alles Bescheid weiß“.

Integriert sein und mitreden können: Aktualitätsbezug des Wissens(„wenn jemand nicht nur über Playstation redet, sondern auch was zuaktuellen politischen Fragen sagen kann“).

Distanzierung vom Bild des Fachidioten: Bildung bedeutet auch, Ant-worten auf alltagsbezogene Fragestellungen zu finden („Einfach zu wis-sen, wie Du Deine Wohnung finanzieren kannst“).

Bildung bedeutet Verhaltenssicherheit in einer statusorientierten Gesell-schaft: „Bildung ist eine Plattform, auf der ich mich sicher fühle“.

Nicht selten neidvolles Aufblicken zur Welt der Bildung: „Wenn mancheein ‚Dr. Dr.’ haben – solche Leute bewundere ich schon, weil das auchSachen sind, die ich nicht mehr erreiche“.

Wohldosiertes Streben: man ist nicht gewillt, sich in Schule oder Weiter-bildung zu quälen; Lernen sollte vielmehr Spaß machen und leicht fallen.

V. a. in den neuen Bundesländern zeigt man sich um die Wahrung zivi-lisatorischer Mindeststandards bemüht: „Ordnung und Disziplin muss indieser Gesellschaft einfach sein, sonst geht sie unter“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

BürgerlicheMitte

Bildungsverständnis

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117

4.7 Bürgerliche Mitte

Weiterbildung ist stark vom Bestreben motiviert, beruflich seine Pflichtzu erfüllen: „Ich wollte da nicht hinterherhinken“.

Weiterbildung wird teilweise als berufliche Verpflichtung und äußererDruck wahrgenommen: „Beruflich muss man sich immer weiterbilden,das hat ja kein Ende“; „Du musst es heute machen“.

Das Erlebnis selbstbestimmter Interessensdefinition und eigenverant-wortlicher Kurswahl ist weniger relevant: „Man war automatisch mit da-bei“. Die Teilnahme an beruflicher Weiterbildung erfolgt überdurch-schnittlich aufgrund betrieblicher Anordnung (32 % vs. ø 24 %).

Berufliche Weiterbildung dominiert im Vergleich zur AllgemeinenWeiterbildung. Typische Themen: Sprachkurse, Computerkurse (26 %vs. ø 18 %) und sportliche Aktivitäten.

Der berufsbezogene Nutzen einer Weiterbildung muss klar erkennbarsein, ansonsten gilt sie als Zeitvergeudung. „Das war ’ne völlige Ver-schwendung da hinzufahren – das hat mein Chef auch gesagt“.

Eingeschränkte Bereitschaft zur Weiterbildung auch außerhalb der Ar-beitszeit und zur privaten Kostenübernahme: Wenn es dem beruflichenErfolg dient, „gebe ich dafür auch gerne mal Samstag oder Sonntag her“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Bürgerliche Mitte

Weiterbildungs-

interessen

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Für Allgemeine Weiterbildung wird häufig v. a. von männlichen Milieu-angehörigen keine Notwendigkeit erlebt; in der Freizeit sieht man „kei-nen Grund Weiterbildungen zu suchen“.

Auslastung im Beruf führt zu hohem Bedürfnis nach Entspannung in derFreizeit: „Ich arbeite bis 20 Uhr, wenn ich mir denk, ich müsste dann je-de Woche noch irgendwelche Vokabeln lernen. Ich hab dazu einfachkeinen Bock mehr und es ist mir einfach auch zu viel“.

Anderweitige Interessen und Familie haben Priorität: „In der Freizeit le-se ich das, was mich interessiert“; „Momentan hab ich irgendwie auchganz andere Interessen“.

Wenig Information und daraus resultierende geringe Beschäftigung mitAllgemeiner Weiterbildung: „Informationsmangel sag ich mal“.

Nutzen und Ziel einer Weiterbildung muss klar ersichtlich sein; der Auf-wand muss sich lohnen: „So jetzt ins Blaue hinein würd’ ich das nichtmachen, das muss sich irgendwo dann niederschlagen“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

BürgerlicheMitte

Weiterbildungs-

barrieren

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4.7 Bürgerliche Mitte

Persönlichkeitsverständnis

Betonung von Tatkraft und beruflich verwertbaren Eigenschaften („Auto-rität und Ausstrahlung“, „soft skills“).Auch auf das äußere Erscheinungsbild wird Wert gelegt („dass sie jetztnicht grad daher läuft wie der letzte Penner“).

Persönlichkeitsentwicklung

Prägung der Persönlichkeit durch Lebenserfahrung statt durch theore-tisch vermittelte Seminarinhalte („das bringt halt das Leben und nichtirgendein komischer Kurs“).Dementsprechend im Milieuvergleich unterdurchschnittliches Interesseam Themengebiet der Persönlichkeitsentwicklung.Kursauswahl entweder orientiert

am persönlichen Aufstiegsstreben („Erfolg ist machbar“; „wie motiviere ich meine Mitarbeiter?“).oder an Convenienceaspekten („Wohlfühlseminar“).

Der Lebensschwerpunkt führt zur Polarisierung bei den Erwartungenund Zielen:

Eher aufstiegsorientierte Milieuangehörige lehnen mangelnde Inhalts-orientierung ab („dass es nicht nur so Wischiwaschi bleibt, sondernganz zielgerichtet für meinen Beruf ist“) und erwarten, dass den Kurs-teilnehmern ein anspruchsvolles Anforderungsniveau geboten wird(„das war mir einfach zu dumm, da musste man ganz dumm sein, umda etwas zu lernen“).Eher familienzentrierte Milieuangehörige legen Wert auf Gemein-schaft, interaktive Didaktik und den Spaßfaktor („es hat Spaß ge-macht, es wurden Spiele gemacht, wo man Leute kennen gelernthat“).

Zentrale Bedeutung von Praxisbezug und Verwertbarkeit des Erlernten(„dass ich rausgehen kann aus der Weiterbildung und sagen kann: ‚beimnächsten Mal mach ich das so und so‘“).Kaum Kurserfahrungen, vornehmlich abstraktes Interesse.Skepsis bei ostdeutschen Milieuangehörigen („irgend so ein Guru ... ichweeß nich‘, ob die selber och ‘ne Persönlichkeit haben“).

Anbieter

Aufgrund der hohen Wertschätzung der Lebenserfahrung Wertschätzungälterer Dozenten und Kursteilnehmer („jemand der frisch von der Schul-bank kommt, kann mir nischt erzählen“).Bevorzugung von berufsbezogenen Anbietern wie Berufsverbänden, Ge-werkschaften, IHK und „großen Firmen“ („ich möchte das speziell fürmeinen Beruf haben“); im außerberuflichen Bereich kommt auch dieVHS in Frage.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Bürgerliche Mitte

Persönlichkeits-

entwicklung

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Gesundheitsbewusstsein

Maßvolles Gesundheitsbewusstsein: Die Grundregeln gesunder Lebens-führung sind bekannt und werden weitestgehend eingehalten.

Extremismus sowie wenig etablierte, strikte Gesundheitsvorschriften und-philosophien jedoch werden abgelehnt („ich esse auch gerne gesundeSachen, aber wenn ich Lust auf einen Hamburger habe, dann fahr‘ ichlos und kauf mir einen“).

Bei Müttern oftmals konsequenteres Gesundheitsverhalten: Man befasstsich mit alternativer Medizin, kocht selbst („bei uns gibt’s keine Dosen-sachen, ich steh‘ jeden Tag zwei, drei Stunden in der Küche“).

Gesundheitsbildung

Wissensaneignung in erster Linie durch Gespräche (Familie, Freunde,Fitnessstudio, Arzt). Teilweise sind Milieuangehörige selbst im Gesund-heitswesen tätig und dadurch mit der Thematik vertraut.

Nur vereinzelt gezieltes Leseverhalten oder Nutzung von Sendungenzum Themengebiet („da guck‘ ich nicht bewusst rein“; „das ist mir zu in-tensiv“).

Kritik an Lifestyle-Zeitschriften („Fit For Fun“) oder Frauenzeitschriften(„Brigitte“), in denen „alles bloß oberflächlich behandelt und ange-schnitten wird“.

Die Umsetzung neuer Informationen in das eigene Gesundheitsverhal-ten erfolgt nur selektiv und nach längerem Abwägen.

Befürchtung, aufgrund von zuviel Information über mögliche Krankhei-ten in Hypochondrie zu verfallen: „In manchen Fällen machen sie dieLeute auch unruhig damit: ‚ach, jetzt könnte ich ja vielleicht das auchhaben‘“.

Betriebliche Gesundheitsförderung als Aufgabe des Arbeitgebers. Nebender selbstverständlichen Einhaltung der Grundvorsorge (Arbeitsschutz)Wunsch nach zusätzlichen Maßnahmen wie Stressabbau oder Massagen.

Bevorzugung von Kursen zu alternativer Medizin (Homöopathie, chine-sische Medizin), konkreter Problembewältigung (Rückenschule, autogenesTraining, Ernährung) sowie von Tai Chi oder „Lachen Sie sich gesund“.

Anbieter

Offenheit gegenüber qualifizierten Dozenten; Erwartung einer speziellenKompetenz für das jeweilige Themengebiet.

Bekannte Institutionen sind VHS, Krankenkassen oder Rückenschulen(Kieser Training).

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

BürgerlicheMitte

Gesundheitsbildung

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4.7 Bürgerliche Mitte

Kompetenzziele

Hoher Stellenwert von Harmonie und sozialer Integration; die Fähigkeitzum Umgang mit den Mitmenschen steht im Vordergrund: „Der Um-gang mit den Kollegen ist das Wichtigste“; „kontaktfreudig, verständnis-voll, tolerant“; „Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit“.

Erhalten des Status Quo im beruflichen und privaten Bereich: Durchhal-tevermögen („da muass ma scho konsequent sei“), Selbstdisziplin, Ge-lassenheit, Ruhe und Balance bewahren („ich flipp’ eigentlich nicht soschnell aus“).

Organisationsfähigkeit, Flexibilität und nervliche Belastbarkeit.

Wohldosiertes Karrierestreben: häufig wenig Ambitionen, sich ohnekonkreten Anlass beruflich weiterzubilden („wenn’s eben heißt, dasmusst du, oder das müsstest du jetzt können’“).

Kompetenzen, die über das arbeitsplatzbezogene Fachwissen hinausge-hen, wird grundsätzlich geringere Bedeutung zugeschrieben: Sprach-kenntnisse, betriebswirtschaftliche Kenntnisse; aber auch persönlich-keitsbezogene Qualifikationen.

Kompetenzerwerb

Den Erwerb sozialer Kompetenzen („Höflichkeit“; „Freundlichkeit“;„Umgangsformen“) führt man hauptsächlich auf das Elternhaus zurück(„ich bin extrem, ich möcht’ meiner Mutter nacheifern“).

Berufstätigkeit und konkrete Lebenssituationen als „zweite Lehrzeit“:„Da bin ich öfters auf die Nase gefallen“; „Ich denke, das ist alles mitder Geburt meiner Tochter entstanden“.

Als wichtigste – eher resigniert zur Kenntnis genommene – Zukunfts-kompetenzen gelten Belastbarkeit, Geduld und Ausdauer: „Weil es immeranstrengender wird“, „Die Erwartungshaltungen werden immer größer“.

Konkreter Anwendungsbezug: Kenntnisse würde man keinesfalls global,sondern nur „genau für diesen speziellen Job, den ich machen würde“,weiterentwickeln.

Realistische Einschätzung des starken und unausweichlichen Bedeu-tungszuwachses von EDV-Kompetenzen: „Weil das das Medium der Zeitund wahrscheinlich auch der Zukunft sein wird und darin muss mansich auskennen wie ein Schlafwandler...“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Bürgerliche Mitte

Kompetenz-

entwicklung

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Im Vergleich zu den Leitmilieus geringeres Bewusstsein informellerLernprozesse: „Da kann ich mich nicht so dazu äußern“.

Hohes Bedürfnis nach Anleitung; der Dozent als Motivationsspritze(„den Lehrer kannst halt nicht ersetzen“).

Das Prinzip der Freiwilligkeit beim informellen Lernen wird als Nachteilempfunden: „Wenn Du nicht gezwungen wirst zu was, schiebst es vorDir her“.

Zeitliche Ungebundenheit: „... dass Du Dir das zurechtlegen kannstoder machen kannst, wann Du es willst“; „Das muss ich erst in dem Mo-ment wissen, wenn es soweit ist, das muss ich mir nicht vorher antun“.

Bewusstes Anwenden informellen Lernens ausschließlich im beruflichenBereich: „Das richtige Lernen, das ist während der Arbeit“.

Lernen heißt Arbeit. Mangel an intrinsischem Interesse. Gelernt wird,was wichtig ist, um „am Ball zu bleiben“. Pflichtbewusste Interessenent-wicklung.

Bevorzugte informelle Lernformen: „Zuschauen und probieren“, Aus-tausch mit Kollegen.

Zunehmende Bedeutung informellen Lernens, um Anschluss zu halten:„Wenn man sich da nicht dranhängt und mitdenkt und überlegt, wie dasfunktioniert, dann sitzt man irgendwann auf dem Pferdefuhrwerk undhat vergessen, dass es D-Züge gibt“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

BürgerlicheMitte

Informelles Lernen

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4.7 Bürgerliche Mitte

Praxisnahe Kurse, „dass ich sofort merke, ich kann das umsetzen“ undberufliche Anwendbarkeit der Weiterbildung.

Hohe Qualitätsansprüche an den Dozenten, insbesondere an seine Ver-ständlichkeit. Die Kurserfahrung hängt stark von der Person des Dozen-ten ab, „wie der Dozent das rüberbringt“.

Straffe, zielorientierte Wissensvermittlung gerne auf Kosten sozialer Me-thoden: „Da brauch ich nicht Jux und Dollerei, sondern da will ich auchdafür, dass es dann wirklich schulisch zugeht“; „Wenn, dann schon rich-tig“.

Distanziertes Verhältnis zu innovativen Methoden, v. a. im Osten: Rol-lenspiel: „Das war absoluter Horror für mich“; Videotraining: „Ich habdas nicht so toll gefunden“; „Ein Buch reicht...“.

Präferenz von Multimedia-Techniken und moderner Ausstattung: 52 %(vs. ø 45 %) bewerten dies als „sehr wichtig“.

Pragmatische Erwartungen ans Ambiente: „Ich will da nicht wohnen,sondern was lernen“. Gepflegtes Ambiente mit „ein bisschen Sauber-keit“ wird dennoch geschätzt.

Funktionalität von Raum und technischer Ausstattung: „Wir haben or-dentliche Stühle, die schwingend sind, die Tische haben ein ordentli-ches Maß für Menschen, die 1,90 sind...“; „...es muss das Licht funkti-onieren, die Technik, die verwendet wird, muss funktionieren“.

Bevorzugung von wöchentlichen Kursen, vormittags oder bei Berufstäti-gen abends. Keine zu große Einschränkung der Freizeit.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Bürgerliche Mitte

Ansprüche an Methode

und Ambiente

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Starke berufliche Orientierung: Angeregt wird man hauptsächlich durchInformationen am Arbeitsplatz (schwarzes Brett, E-mail-Verteiler); über-durchschnittlich häufig Anregung durch den Vorgesetzten (38 % vs. ø 32 %).

„Werbung“ und „Weiterbildung“ werden als unvereinbare Gegensätzeerlebt: Die Buntheit und Fröhlichkeit von Werbung steht im Gegensatzzur ernsthaften „Verpflichtung Weiterbildung“.

V. a. in den neuen Bundesländern wird Manipulation befürchtet: „Dasist dann schon wieder so eine Art Werbungsstaat, wo dann alles perWerbung erfolgt“.

Weiterbildungsberatung als trägerunabhängige Dienstleistung wird fürentbehrlich gehalten; im Falle des Falles informiert man sich über Kolle-gen und Vorgesetzte.

In den neuen Bundesländern starke Zweifel an Neutralität und Unvor-eingenommenheit der Berater: „Da wird dem Beratenden doch eher et-was angedreht, was auf dem Markt verlangt wird“.

Preis-Leistungs-Bewusstsein und kontrollierter Konsum: der Preis alszentrales Auswahlkriterium; vornehmlich wird hier der Arbeitgeber inder Pflicht gesehen („da würd’ ich nichts ausgeben, immerhin profitiertja auch der Betrieb davon“).

Zeitfenster: wohldosierte Anstrengung („so einmal die Woche“), die Frei-zeit darf nicht allzu sehr darunter leiden („eigentlich sollte der dannauch nicht am Wochenende sein, das würde mich schon wieder stören“).

Klare berufliche Verwertbarkeit und Anerkennung als relevantes Aus-wahlkriterium: „Wichtig ist, dass dabei was herauskommt, dass ich ebenberuflich weiter komm“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

BürgerlicheMitte

Weiterbildungs-

marketing

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4.7 Bürgerliche Mitte

Verschiedene Anbieter

Skepsis gegenüber ideologisch geprägten Kursen bei kirchlichen Trä-gern, Parteien und Gewerkschaften: „Ich denke, dass ein kirchlicher Trä-ger auch gerne so seine Weltanschauung mit einbringen möchte – eben-so die Gewerkschaften“.

Seniorenimage bei kirchlicher Weiterbildung: „Kirchen machen sowaswie Kaffeetrinken und Tanzen“, „Handarbeit, Beschäftigung für Ältere“.

Dem Arbeitsamt als Weiterbildungsträger werden Kompetenzdefiziteund eine wenig motivierte Klientel zugeschrieben: „Die, die dahin ge-hen, die müssen hin, die haben keine Lust“.

Teilweise Kenntnis und Besuch der gesundheitsfördernden und präven-tiven Angebote der Krankenkassen.

VHS

Generell wenig Interesse an Allgemeiner Weiterbildung; „VHS kenn ich,klar, hab’ mich aber nie damit befasst, weil das fällt unter Freizeit – undda möchte ich was anderes machen“.

Erste Anlaufstelle für Allgemeine Weiterbildung, besonders für Sprachenund EDV-Kurse, „für mich ist es einfacher zur Volkshochschule zu ge-hen“. Hoher Bekanntheitsgrad: „Ich kenn’ die VHS und mehr nicht“(Teilnahme 33 % vs. ø 26 %).

Das breite Angebot der VHS mit seinen vielen Facetten wird geschätzt.

Die vertraute Lernatmosphäre in der VHS hilft Schwellenängste und Ver-sagensängste überwinden: „Da können Sie auch zehnmal fragen und dakommt auch nicht das Gemurmel ‚ach Gott, hat die das schon wiedernicht begriffen’“.

Zum Teil alternativ-künstlerisches Image der VHS, mit dem man sichwenig identifiziert.

Die VHS wird nicht als Träger für berufliche Weiterbildung wahrgenom-men: „Nicht unbedingt verwertbar, eher Töpferkurse und so“; „Die spre-chen mehr Privatleute an“.

Gute Erreichbarkeit und Nähe zum Wohnort: „Ich weiß, das ist hier inder Nähe; dass ich nicht noch rumfahren müsste“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Bürgerliche Mitte

Nutzung und Image

von Anbietern

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127

4.8 Konsum-Materialisten

4.8 Konsum-Materialisten

Die stark materialistisch geprägte Unterschicht:

Anschluss halten an die Konsumstandards der breiten Mitte

als Kompensationsversuch sozialer Benachteiligung

Anteil an der Wohnbevölkerung von 18 bis 75 Jahren der BRD

(2002)

Abbildung 15:

Positionierung und Bevölkerungsanteil in der Weiterbildungsstudie für

die BRD (2002)

11% (ca. 6,8 Mio)

N=2920, nur Deutsche

Oberschicht/

Obere Mittelschicht

Mittlere Mittelschicht

Untere Mittelschicht/

Unterschicht

Soziale

Lage Traditionelle Werte Modernisierung I Modernisierung II

Grund- Pflichterfüllung, Konsum-Hedonismus und Patchworking,

orientierung Ordnung Postmaterialismus Virtualisierung

Etablierte 12,3%

Postmaterielle 11,1%

Konservative 5,4%

Moderne Performer 8,5%

Experimentalisten 6,4%

Bürgerliche Mitte

17,3%

Konsum-Materialisten 10,8%

Hedonisten

10,4%

Traditionsverwurzelte 12,1%

DDR-Nostalgische 5,5%

Sinusmodell

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Soziale Lage

Breite Altersstreuung bis zu 60 Jahren, tendenziell aber eher jüngeresMilieu (viele 19- bis 34-Jährige).

Viele Volks-/Hauptschulabschlüsse, aber auch mittlere Bildungsab-schlüsse und auch ohne Berufsausbildung.

Viele Arbeiter und Angelernte, aber auch Facharbeiter.

Tendenziell untere Einkommensklassen, aber auch mittlere Einkom-mensgruppen.

Häufig auch soziale Benachteiligungen (Arbeitslosigkeit, Krankheit, un-vollständige Familien).

Lebenswelt

Bei den Konsum-Materialisten zeigt sich trotz beschränkter finanziellerMittel, dass ein besonderer Wert auf Prestigeträchtiges und sozial Sicht-bares gelegt wird.

Sie träumen vom besonderen Leben, allerdings ohne erkennbare Bemü-hungen um Veränderung; sie leben im Hier und Jetzt mit einem starkenGegenwartsbezug.

Es besteht eine Anlehnung an traditionelle Werte und eine klare Tren-nung zwischen Arbeit und Freizeit: „Arbeiten um zu Leben“.

Die Freizeit ist action- und erlebnisorientiert mit einem Streben nach un-mittelbarem Genuss; TV, Video und DVD werden intensiv genutzt.

Bei den jüngeren Milieuangehörigen ist der PC teilweise mit aufwändi-gen und teuren Komponenten versehen.

Es besteht ein starker Wunsch nach Bestätigung von außen.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Konsum-Materialisten

Lebenswelt und

soziale Lage

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:51 Uhr Seite 128

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129

4.8 Konsum-Materialisten

Desinteresse; sich entziehen, Regeln unterlaufen: „Auf Schule hatt’ ichsowieso nie viel Bock“; „Eben mal blau machen“.

Daneben verblassen die Inhalte von Schule und Unterricht völlig:„Schule war schon cool – ich hab ja nur’s Lernen gehasst“.

Emotionale Distanz zwischen Lehrern und Schülern: entweder Hass(„die Lehrer haben mich gehasst“) und Fremdheit („da war kein Ran-kommen da von der Lehrerseite an uns“), oder unhinterfragter Respekt(„die haben wir immer bewundert – die waren so geheimnisvoll“).

Häufig Lernschwächen und Überforderung: „Ich hab das Zeug nicht ver-standen“; „In der Schule bin ich nicht mehr mitgekommen, ich konntees nicht mehr bewältigen“.

Diskriminierungserfahrungen im sozialen Umfeld: Ausgrenzen, Verspot-ten, Klassenkeile („die ham mich immer nur angepöbelt und geschla-gen“).

Im Milieuvergleich geringster Spaß am Lernen in der Schule (63 % vs. ø71 %) .

Teils Exkulpationen und externale Attribuierungen („die Lehrer habenmich einfach links liegen gelassen“), teils resigniertes Bedauern verpass-ter Bildungschancen: „Wenn ich die Chance noch mal hätte, dann wür-de ich bestimmt vieles anders machen“.

Eltern – insbesondere Väter – als negative Vorbilder: „Mein Vater war to-tal brutal und ein Alkoholiker – von dem hab ich mehr Schläge als Ge-schenke gekriegt“; Hilflosigkeit und Überforderung im Elternhaus: „Dashaben sie nicht in den Griff gekriegt“; „Die haben’s halt nicht anders ge-wusst“.

Geringes Leseinteresse; bevorzugt wurden Fantasy-Romane und „An-dersartiges, z. B. Kryptozoologie, Yeti und Co“; TV lediglich als Unter-haltungsmedium („denken beim Fernsehschauen möchte ich nicht“).

Geringer Anteil von Personen mit Ausbildungserfahrung; hoher Anteilvon Ausbildungsabbrechern (Opfermentalität); „da hat man sich nichtallzu sehr um meinen Lernerfolg bemüht“; „ich hab mehr geputzt alswie gelernt“; „die waren richtig unfreundlich“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

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Konsum- Materialisten

Bildungserfahrungen

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Resignierte Wahrnehmung der statuszuweisenden Funktion von Bil-dung: Anerkennung, finanzielle Freiheit und Positionierung im gesell-schaftlichen Gefüge („der wird es wohl noch weit bringen in seinem Le-ben“).

Stark qualifikatorisch besetzter Bildungsbegriff: Gebildet sind diejeni-gen, die das Bildungssystem – anders als man selbst – „im Ganzen“durchlaufen haben.

Bedauern verpasster Bildungschancen; Underdogbewusstsein: „Der ge-bildete Mensch, der ist eben gefördert worden – ich hab da ja keineChancen gehabt, meine Eltern konnten mir ja auch nicht weiterhelfen.Es hat wohl nicht sollen sein“.

Bildung als Wissen und Können: „Bildung heißt, dass man was im Kopfhat, dass man g'scheit ist“.

Doppelter Bildungsbegriff: Bildung als die „Welt der anderen“ vs. Weis-heit und Lebenserfahrung: „Weise wird man nicht in der Schule, weisewird man durch’s Leben“.

Soziale Kompetenz, Mitmenschlichkeit und Alltagsnähe: „Mir ist lieber,jemand kann mir konkrete Tipps zu konkreten Lebenssituationen gebenund weiß damit umzugehen, als jemand, der mir irgendwelche Sonatenda von Bach aufzählen kann“.

Starke Unsicherheit bei der Auswahl von Bildungszielen; eher passiveGrundhaltung: An die Institution Schule werden kaum konkrete Anfor-derungen gestellt.

Vermittlung von Selbstbewusstsein als Rüstzeug gegen Diskriminierungund Stigmatisierung.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

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Bildungsverständnis

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4.8 Konsum-Materialisten

Tatsächliche Kurserfahrungen beschränken sich auf „erzwungene“ Maß-nahmen wie bspw. Umschulungen, Fortbildungen innerhalb von ABM-Maßnahmen oder das Nachholen von Schulabschlüssen.

Frauen: Partizipation an Maßnahmen mit praktischem Verwertungsbe-zug wie Maschinenschreiben, Nähen, Kochen; „wie man irgendwie spa-ren könnte im täglichen Leben, das würde mich ja schon irgendwieinteressieren“.

In Anbetracht der gegenwärtigen familiären und beruflichen Problemak-kumulation ausgefallene – und eher unrealistische – Kurswünsche: Ara-bisch, Latein, Japanisch („das hört sich total süß an, wenn die so in derU-Bahn reden“).

Zunehmendes Bewusstsein über die Bedeutung von PC-Kenntnissen(„der Computer regiert die Welt“): Interesse an grundlegenden Anwen-derkenntnissen, Umgang mit dem Internet, Programmiersprachen.

Starke Passivität, mangelnde Verantwortungsübernahme; Weiterbildungals Medizin, die von höherer Stelle verabreicht wird: „Da werd ich mirdann eine Weiterbildung verschreiben lassen“.

Damoklesschwert Weiterbildung: „Irgendwann wird es einmal so weitkommen, dass man sich weiterbilden muss“ – befürchtet wird ein zu-nehmender gesellschaftlicher Druck.

Dementsprechend liegt auch die Finanzierung nicht in der eigenen Ver-antwortung: „Warum sollte ich was zahlen, wenn es das Arbeitsamtauch tut?“.

Durch strukturelle Barrieren gebremste Weiterbildungsmotivation: „Dahäng ich mich echt rein und dann bekomm ich keine Schulung vom Ar-beitsamt – da mach ich dann auch dicht“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

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Konsum- Materialisten

Weiterbildungs-

interessen

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Problemakkumulation im Alltag: Bildungsanstrengungen als zusätzlicheBelastung („da hob i momentan koan Drive dazua“).

Materialistische Grundorientierung: Zur „Medizin“ Weiterbildung greiftman erst dann, wenn Arbeit und Geld zur Neige gehen („wenn ich Ar-beit finde, mach’ ich lieber Arbeit, Kurse kann ich dann ja immer nochmachen – die zahlt dann ja das Arbeitsamt“).

Schwellenängste: „Ich trau mich auch nicht, was zu unternehmen, michzu erkundigen. Ich hab’ den Schneid nicht dazu“; „Da hab ich Angst da-vor, weil ich halt keine Ahnung vom Computer hab“.

Überdurchschnittlich häufig Angst vor Prüfungen (28 % vs. ø 21 %).

Fehlende Kinderbetreuung: „Ich habe zwei Kinder, da hab ich noch nieüber Weiterbildung nachgedacht“.

Der Verwertungsaspekt von Umschulungsmaßnahmen wird – durchauserfahrungsgestützt – angezweifelt: „ob das letzten Endes was bringt – diehaben das neun Monate durchgezogen und sitzen jetzt alle wieder zuHause“.

Hilflosigkeit im Hinblick auf fehlende Ansprechpartner im Weiterbil-dungsmarkt: „Wo sollte ich mich denn da melden?“.

Fehlende Unterstützung durch Ämter und Institutionen: „Jeder Eigenini-tiative werden ständig Knüppel zwischen die Beine geworfen“.

Enge finanzielle Spielräume, Überschuldung: „Bei der Volkshochschuleverlangen die ja über 100 Mark, das ist viel zu viel“.

Zeitaspekt, insbesondere bei Schichtarbeit: „Wenn ich Spätschicht hab’,arbeite ich bis 21 Uhr abends, und da fangen die Kurse ja schon eheran“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

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Konsum-Materialisten

Weiterbildungs-

barrieren

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4.8 Konsum-Materialisten

Persönlichkeitsverständnis

Persönlichkeiten sind selbstbewusst, durchsetzungsfähig, leistungsbereitund gebildet („hat viel gelernt und weiß viel“; „intelligente Leute habenPersönlichkeit“).

Man selbst zählt sich in der Regel nicht dazu, „Persönlichkeiten“ kön-nen jedoch als Vorbilder fungieren.

Persönlichkeitsentwicklung

Persönlichkeit ist kaum veränderbar („man bleibt immer so, wie manisch“); dem Lernen im Kurs wird nur wenig Veränderungspotenzial zu-gestanden („dazu hab ich meine Freunde“).

Im Milieuvergleich jedoch leicht überdurchschnittliches Interesse anKursen zur Persönlichkeitsentwicklung, besonders zur beruflichen Ent-scheidungsfindung und Förderung von Potenzialen, Zielstrebigkeit oderSelbstbewusstsein.

Kurstitel teilweise unbekannt („sagt mir gar nix“) oder auch unverständ-lich („des is ja Fachchinesisch“); man kann sich oftmals nicht vorstellen,dass es diese Kurse „tatsächlich gibt“.

Zentrale Barrieren sind:finanzielle Erwägungen, Skepsis gegenüber der materiellen Orientie-rung der Anbieter („der will doch bestimmt nur seine Kohle“; „Ab-zocke ohne Ende“), die Befürchtung, manipuliert oder stark beeinflusst zu werden („dassman da irgendwo sektenmäßig reingerät“), Unkenntnis und der nicht ersichtliche Berufs- und Verwertungsbezug.

Anbieter

Keine Kenntnis über Institutionen und Angebote („keine Ahnung; ichweiß ja nicht mal, was für Anbieter es gibt“).

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

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Konsum- Materialisten

Persönlichkeits-

entwicklung

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Gesundheitsbewusstsein

Kein Interesse an Gesundheitsbildung, geringes Gesundheitsbewusstseinund ungesunde Lebensweise („ich ess’, was ich halt gerne ess’ und nicht,was die Zeitschriften sagen“; „ich steh’ dazu: ich bin süchtig, ich brauch’Zigaretten“).

Im Milieuvergleich starke Betroffenheit von (oft chronischen) Krankhei-ten.

Gesundheitsbildung

Häufig negative Erfahrungen mit dem Gesundheitswesen: „Die Ärzte imKrankenhaus waren auch alle Arschlöcher ... keine Ahnung, die warentotal unfreundlich“.

Wissenserwerb bei akuten Problemen, aus Gesprächen mit dem eigenenArzt („den kannste Löcher in den Bauch fragen“).

Unterdurchschnittliche Teilnahme an allgemein bildenden und beruf-lichen Kursen zur Gesundheitsbildung.

Gesundheitsmagazine zählen zu den „ganz langweiligen Programmen“,Arztserien jedoch sind beliebt (z. B. Alpha-Team, Stephanie, Berlin Mitte und Dr. Stefan Frank).

Grundwissenserwerb durch niedrigschwellige Informationskampagnenwie die „Ernährungspyramide auf der Cornflakes-Packung“.

Gesundheitsratschläge werden nur ernst genommen, sofern sie dem ei-genen Empfinden entsprechen („Rauchen, nö, hör’ ich nich‘ auf … ichfind sogar, durch das Rauchen werd‘ ich ruhiger“).

Außerhalb des Arbeitsschutzes ist die betriebliche Gesundheitsförde-rung Fremdwort: „Auf dem Bau ist des wurscht. So langste kannst, kann-ste, wenn nimmer, kippst um, dann wird der nächste Antonio geholt“.

Verständnisprobleme mit zahlreichen Kurstiteln („Homöopathie“ etc.).

Zentrale Teilnahmebarrieren sind Desinteresse („würd’ ich gar nichts be-suchen, interessiert mich nicht“), Informationsdefizite („ich weiß garnicht, wo es sowas gibt“) und finanzielle Einschränkungen („des kannich mir net leisten“).

Anbieter

Dozenten sollten lebensweltnah sein und selbst über praktische Erfah-rung verfügen: „Die Sache mit den Drogen ist so, dass ich mir da imPrinzip von niemandem was sagen lassen kann, weil ich hab alleine dieErfahrung damit jemacht ... meine Ärztin hat da im Prinzip nur theoreti-sche Erfahrung.“

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

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Konsum-Materialisten

Gesundheitsbildung

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4.8 Konsum-Materialisten

Kompetenzziele

Betonung sozialer, zwischenmenschlicher Stärken wie „gut zuhören“;„Menschenkenntnis“; „mit Menschen gut umgehen“; „Hilfsbereitschaft“.Hinzu kommen personale Kompetenzen wie „Geduld“; „Zuverlässigkeit“und „Ausdauer“.

Vergleichsweise hohe Anforderungen an körperliche Kraft (25 % vs. ø 18 %).

Auf qualifikatorischer Ebene sind im (Berufs-)Alltag notwendige Fertig-keiten zentral – entsprechend der milieuüblichen Rollenverteilung fürFrauen oftmals hauswirtschaftliche („Kochen“), für Männer „handwerk-liche Begabung“.

Für den oftmals auch psychisch belastenden beruflichen Alltag werdenAbwehrstrategien („gute Nerven“, „dickes Fell“) benötigt: „wenn ich nurZuschauer wär’ in meinem Leben, dann würd’ ich da gar nicht hinwollen“.

In den beruflichen Positionen der Milieuangehörigen kommt Sprach-und EDV-Kenntnissen eine geringe Bedeutung zu; Sekundärtugendenwie Ehrlichkeit und Pünktlichkeit sowie Durchhaltevermögen hingegengelten als wichtig.

Kompetenzerwerb

Kompetenzerwerb findet durch die Konfrontation mit der milieutypi-schen Problemakkumulation im Alltag statt; die Lebens- und Problembe-wältigung bildet eine zentrale Lernmotivation.

In Familie, Freundeskreis und beruflichem Alltag finden sich nur seltengeeignete Vorbilder.

Geringes Interesse an gezielter Kompetenzerweiterung; Abneigunggegenüber Kursbesuchen („ick will in keen’ Kurs jehn“).

Bedürfnis nach informeller Entwicklung von alltagsrelevanten Kompe-tenzen wie Durchhaltevermögen („nicht immer gleich aufgeben, da binich ganz schnell“), Selbstbewusstsein und Strategien zur Alltagsbewälti-gung („ich müsste einmal lernen, ‚nein‘ zu sagen“).

Positive Bewertung des „Einfühlungsvermögens“, das man sich auch vonanderen erhoffen würde („wenn man jetzt zum Beispiel neu ist und mankennt die Kollegen nicht“).

Der Kompetenzbedarf ist geprägt durch den Wunsch nach gesellschaft-licher Etablierung und an beruflichen Erfahrungen orientiert: Lernbereit-schaft und Belastbarkeit gelten als zentrale Zukunftskompetenzen.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

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Kompetenz-

entwicklung

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Vergleichsweise hohe Affinität zu Kursen und vorgegebenen Strukturen;unterdurchschnittliches Interesse an verschiedenen Formen und Medieninformellen Lernens.

Fehlendes Bewusstsein informeller Lernprozesse: „Was soll ich schon imFußballverein gelernt haben? Da hab ich halt Fußball gespielt“.

Geringe Nutzung von Medien informellen Lernens: „Also, in Bücherhab’ ich noch nie geschaut, und Fernsehen guck ich ziemlich wenig“.

Aber: Kreuzworträtsel und Quizshows („Wer wird Millionär“) als selbst-verständlicher Bestandteil des Alltags helfen, „das Gedächtnis inSchwung zu halten“.

Teilweise spielerische Auseinandersetzung mit neuen Medien: „Ich habmir alles am PC selber beigebracht, nie einen Kurs besucht“.

Erwerb sozialer Kompetenz durch (belastende) Erfahrungen im problem-beladenen Alltag eines Unterschichtmilieus: „Am meisten hab’ ich durchkrasse Lebensgeschichten über die Menschen gelernt“.

Nachteile informellen Lernens sind die Bindung an Selbstdisziplin(„dann steht die Lern-CD Japanisch halt schön in der Ecke“) und diemangelnde Effektivität durch selektives Lernen („dann bleiben die Sa-chen, die nicht so viel Spaß machen, auf der Strecke“).

Bspw. „Selbstlernen durch Beobachten und Ausprobieren“ (44 % vs. ø51 %); „Selbstgesteuertes Lernen mit Hilfe von Medien“ (8 % vs. ø 17 %).

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

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Informelles Lernen

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4.8 Konsum-Materialisten

Weiterbildung als Teilhabe an einer eigentlich fremden, höheren Sphäre:Man hegt keine besonderen Ansprüche und fügt sich in das, was ange-boten wird.

Wahrung von Minimal-Standards wie Sauberkeit und Hygiene: „... dassdie Toiletten in Ordnung sind und die Stühle nicht zusammenkrachen“;„Lernen kann ich eigentlich überall, solang man sich nicht mit irgend-was infiziert dabei“.

Allerdings vergleichsweise konkrete Ansprüche an Persönlichkeit undCharakter des Dozenten: Einfühlsamkeit, Kameradschaftlichkeit, Nähe.

Rigide Ablehnung eines aus der Schulzeit bekannten hierarchischenSchüler-Lehrer-Verhältnisses: „Gleichberechtigung“; „nicht so mit Zucker-brot und Peitsche kommen“.

In Anlehnung an traditionelle Rollenmuster gilt der Dozent dennoch alsRespektsperson: „Er muss Disziplin vermitteln“; „Er darf nicht als Ham-pelmann dastehen“.

Begrüßt wird eine Atmosphäre der Akzeptanz und Toleranz: „Die habensogar uns Arbeitslosenpack freundlich begrüßt, die haben wirklich nedschief g’schaut“.

Neben der anstrengenden Weiterbildung wird Erholung groß geschrie-ben: „... dass die Kantine schön ist und schöne Preise hat“; „... eine Ca-feteria zum Entspannen“.

Nicht zuletzt aufgrund mangelnder Vergleichsmöglichkeiten Unbehol-fenheit und Vorbehalte hinsichtlich aller Methoden, die von altbekann-ten Unterrichtsprinzipien abweichen: „Bei Rollenspielen oder so würdeich mir sehr doof vorkommen“.

Wohldosierter Aufwand: kurze Fahrzeiten, gute Erreichbarkeit mit denöffentlichen Verkehrsmitteln: „Ich fahr doch keine zwei Stunden durchdie Gegend, so wichtig ist mir das dann auch wieder nicht“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

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Konsum- Materialisten

Ansprüche an Methode

und Ambiente

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Präferenz direkt in der Lebenswelt platzierter Bildungswerbung: Bro-schüren und Aushänge in Ämtern, Arztpraxen, öffentlichen Verkehrsmit-teln.

Radio und TV als selbstverständliche Bestandteile der Alltagswelt: „Weilich viel Fernsehen gucke und Werbung kommt ja noch viel öfter als Filme“.

Ermutigung durch Vorgesetzte, Mentoren und Freunde: „Da müsste wie-der jemand sein, der sagt, Du hör mal, ich hab da was gehört, das kannnur gut für Dich sein, mach doch da mit“.

Nicht zuletzt aufgrund negativer Kurserfahrungen Skepsis hinsichtlichBildungswerbung an öffentlichen Plätzen: „Weiterbildungswerbung inder U-Bahn – des kann ja nix g’scheits sei“.

Weiterbildungsberatung wird vornehmlich mit dem negativ konnotier-ten Arbeitsamt in Verbindung gebracht: „Die sind so inkompetent,schrecklich, da wird man mehr herumgeschoben als beraten“.

Schwellenängste als Beratungsbarriere: „Ich trau’ mich da nicht hin“.

Materielle Bedürfnisse haben Priorität: „Im Moment könnt’ ich mir garkeine Weiterbildung leisten – ich möchte ja auch noch ein bisschen Lu-xus haben“.

Aufgrund fehlender Vergleichsmöglichkeiten stark schwankende Preis-bereitschaften: von 50 Euro bis – wenn denn der Traum vom besonde-ren Leben in Erfüllung ginge – 2000 Euro.

Zertifizierung und berufliche Verwertbarkeit der Maßnahme als zentra-les Auswahlkriterium: „Was kommt am Ende dabei raus? Ist das aner-kannt?“.

Ebenso stehen individuelle Betreuung und Gruppenklima hoch im Kurs:„Wie das Klima so ist, wie die Lehrer so sind, wie die Teilnehmerzahlist“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

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Konsum-Materialisten

Weiterbildungs-

marketing

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4.8 Konsum-Materialisten

Verschiedene Anbieter

V. a. im Osten geringe Transparenz des Weiterbildungsmarktes; hier istteilweise nicht einmal die VHS ein Begriff.

Bekannt sind ausschließlich Anbieter und Träger „erzwungener“ Maß-nahmen: BfZ, Arbeitsamt, Deutsche Angestellten Akademie, Arbeiter-wohlfahrt.

Grundsätzlich negative Erfahrungen mit Weiterbildungsträgern: man-gelnde Bewilligungen, nicht verwertbare Umschulungen und schlechteKursleitungen („das ist totaler Mist, das haben sie mir auch schon aufsAuge gedrückt“).

Bei Parteien und Stiftungen vermutet man „Gehirnwäsche“; gegen den„kriminellen Verein“ Kirche grenzt man sich nicht nur im Osten rigideab: „Das, was sie bisher angeboten haben, war immer ein Bruchteil vondem, was sie eingesteckt haben“.

Weiterbildung auf „Rezept“ – teilweise wird das Arbeitsamt analog zumArzt aufgesucht: Den richtigen Anbieter lässt man sich beim Arbeitsamtoder von der zuständigen Förderstelle „verschreiben“.

VHS

Der tatsächliche Kursbesuch beschränkt sich auf wenige alltagsbezogeneSeminare wie Nähen oder Kochen.

Im Westen Öko- und Hausfrauenimage: „Töpferkurs an der VHS – dasist der Lacher auf jeder Party“; „Damit verbind’ ich irgendwie latzhosen-tragende Männer beim Strickkurs“.

In den neuen Bundesländern deutlich höhere Wertschätzung des Lehr-angebots: „Da denk’ ich an Universität und Studenten – nichts, womitich zu tun hab’“.

Das breite Angebot wird mit mangelnder Spezialisierung und niedrigerQualität verbunden: „Weil man da halt alles lernen kann“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

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Konsum- Materialisten

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studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:51 Uhr Seite 140

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141

4.9 Experimentalisten

4.9 Experimentalisten

Die individualistische neue Bohème: Ungehinderte

Spontaneität, Leben in Widersprüchen, Selbstverständnis als

Lifestyle-Avantgarde

Anteil an der Wohnbevölkerung von 18 bis 75 Jahren der BRD

(2002)

Abbildung 16:

Positionierung und Bevölkerungsanteil in der Weiterbildungsstudie für

die BRD (2002)

6% (ca. 3,7 Mio)

N=2920, nur Deutsche

Oberschicht/

Obere Mittelschicht

Mittlere Mittelschicht

Untere Mittelschicht/

Unterschicht

Soziale

Lage Traditionelle Werte Modernisierung I Modernisierung II

Grund- Pflichterfüllung, Konsum-Hedonismus und Patchworking,

orientierung Ordnung Postmaterialismus Virtualisierung

Etablierte 12,3%

Postmaterielle 11,1%

Konservative 5,4%

Moderne Performer 8,5%

Experimentalisten 6,4%

Bürgerliche Mitte

17,3%

Konsum-Materialisten 10,8%

Hedonisten

10,4%

Traditionsverwurzelte 12,1%

DDR-Nostalgische 5,5%

Sinusmodell

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Soziale Lage

Sehr junges Milieu, Altersschwerpunkt unter 34 Jahren; viele Singles.

Gehobene und höhere Bildungsabschlüsse; viele Schüler und Studen-ten.

Mittlere Angestellte, kleinere Selbstständige und Freiberufler; auch Ar-beiter und Angelernte.

Mittlere Einkommensgruppen.

Haushaltseinkommen sind dennoch breit verteilt (teilweise gut situierteElternhäuser).

Lebenswelt

Für die Experimentalisten ist das Entfalten und Einbringen des Selbst inallen Lebensbereichen unabdinglich.

Es zeigen sich oft Pachtworkbiografien: Ausprobieren, Sammeln vielfäl-tiger Erfahrungen.

Reglementierung und Konvention lehnen sie überwiegend ab: „Ich hassees, gespielt freundlich zu sein“.

Selbstverwirklichung ist den Milieuangehörigen wichtiger als die Karriere:„Ich muss überzeugt von dem sein, was ich tue“.

Eher gebrochene Karrieren; zeitweise Beschäftigung unter Qualifika-tionsniveau.

Freizeitaktivitäten werden individuell und intensiv ausgeübt.

Sie sind Kenner und Liebhaber unterschiedlicher kultureller Szenen.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

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Kompetenzentwicklung

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Experimentalisten

Lebenswelt und

soziale Lage

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143

4.9 Experimentalisten

Negative Schulerinnerungen („der absolute Horror“).

Unangepasstheit („war schwerst alternativ“: „kleiner Anarchist“), undSystemkritik („ich hab mich im Schulsystem total ausgebremst gefühlt“;„ich hab sowohl mit den Lehrern als auch mit dem System an sich einProblem gehabt“).

Ablehnung von Konventionalität bereits in der Schulzeit, Abgrenzunggegenüber „dem Rest der Klasse“ („Tussen“; „snobistisches Pack“; „Establishment“).

Geringer Fleiß, kein Leistungsstreben („hatte keine Lust“; „ich war nieder Typ, der um Noten gefeilscht hat“), von der eigenen Leistungsfähig-keit ist man allerdings überzeugt: „Ich war immer von klein auf hundert-prozentig überzeugt, dass ich auf die Hochschule gehe“.

Bemängelung des geringen Praxisbezugs und der Lebensfremdheit desVermittelten („es war völlig wirklichkeitsfremd“). Wunsch nach der Ver-mittlung von lebensbezogenem Wissen: „Es könnte auch Lehrinhalte ge-ben, „Wie kann ich glücklich sein, wie geh ich mit Sex um’“.

Kritik an der geringen Motivation und Lebensweltnähe des Lehrperso-nals („Lehrer, die einfach keinen Bock mehr hatten“; „die Lehrer, diekonnten mir nichts erzählen, das waren alles Theoretiker, die hatten nurdie Schule gesehen“).

Hohes Bewusstsein über informelle Lernprozesse: intensives Leseinte-resse („mit Büchern bin ich groß geworden“; „ich hab unheimlich vielgelesen“); Musikbegeisterung; frühe Auseinandersetzung mit Politik undZeitungen; Lernen durch Nebenjobs und Praktika.

Oftmals außerschulisches Engagement in gesellschaftskritischen Grup-pierungen („Antifa“; „Grün-Links“; im Osten kirchliche Gruppen).

Sehr aktives Freizeitleben: Unternehmungen im Freundeskreis, sportli-che Aktivitäten, Theatergruppen, Musik, Kunst u. v. m.; Vorbilder imFreundeskreis oder der Jugendgruppe: „Der hat wirklich Charisma ge-habt“; „Inspiration“.

Entweder freiheitliche Erziehung im Elternhaus („ich wurde eher so mitsanften Methoden auf den Weg der Besserung geführt“) oder frühe Dis-tanzierung („weil’s nur Streit und Ärger gab“).

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

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Bildungserfahrungen

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144

4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Ehrliche Abgrenzung von „klassischen“ humanistischen Bildungsgütern:„Das ist eine Art von Bildung, die ich für uninteressant halte“.

Neugierde und Offenheit für Neues als konstitutive Elemente des Bil-dungsverständnisses: „Immer wieder diese kindliche Neugier zu habenund jeden Tag neu zu entdecken“.

Deutlich Ich-bezogenes und selbst-reflexives Bildungsverständnis: „Sichzu reflektieren und niemals zu sagen ,ich bin jetzt fertig’“.

Bildung als persönliche Einstellung und Grundorientierung.

Fähigkeiten der Informationsbeschaffung und des Umgangs mit Wissen:„Das ist nämlich viel wichtiger als zu wissen, wann Goethe gelebt hat“.

Häufig Zustimmung zum kritischen Umgang mit Informationsmedien alsKennzeichen von Bildung (60 % vs. ø 47 %).

Betonung individualisierender Bildungsziele: Selbstfindung und Persön-lichkeitsentwicklung.

Erschließen von Interessen und Fähigkeiten: „... dass man über sein Po-tenzial oder Nicht-Potenzial Bescheid weiß“.

Kategorische Ablehnung von Sekundärtugenden: „Es ist eine Schwäche,immer nur auf die äußere Ordnung und Form zu achten“.

Besonders wichtig ist weniger die Tiefe, als vielmehr die Vielseitigkeitdes Wissens: „Wenn man sich nur mit einer Sache beschäftigt, kriegtman Scheuklappen“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

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Gesundheitsbildung

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Experimentalisten

Bildungsverständnis

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4.9 Experimentalisten

Häufig Besuch von Kursen zu eher exotischen Themen: „von Kerb-schnitzen bis Linux“, Arabisch, dreiwöchige Sprachreise, Gabelstapler-schein, Schreibwerkstatt.

Starke Affinität zu Sprachkursen: 22 % (vs. ø 10 %) haben schon einmaleinen belegt.

Es wird fast ausschließlich aus Interesse an Kursen teilgenommen, „weiles mir das Gefühl gibt, ich nehm’ mein Leben selbst in die Hand“. Zer-tifikate und Karrierestrategien sind unbedeutend.

Vielseitige Interessensgebiete, teilweise eng verknüpft mit entsprechen-den künstlerischen oder sozialen Freizeitinteressen: Sprachen, Lichtde-sign, Schauspiel, Computerkurs, „naturkundliche Sachen“, Malen.

Weiterbildung als Meditationsäquivalent: Hohe Bereitschaft, sich einGebiet zu erarbeiten, sich „wirklich nur auf das Eine“ zu konzentrieren.

Jüngere haben häufig noch keine Erfahrung in beruflicher Weiterbil-dung: „Das ist irgendwo ein Konstrukt zwischen Arbeitsamt und Perso-nalmangel“.

Aufgrund der milieutypischen „Patchworkbiografien“ ist die „Teilnahmean Kursen zur Anpassung an neue Aufgaben“ entsprechend überdurch-schnittlich vertreten: 49 % (vs. ø 36 %).

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Experimentalisten

Weiterbildungs-

interessen

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:51 Uhr Seite 145

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146

4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Enges Budget fordert Prioritätensetzung oft zu Lasten von Weiterbil-dungsbeteiligung: „Ich hab halt einfach das Geld nicht dazu; Bildungkostet Geld“; „Was mich nervt ist, dass alles Geld kostet“.

Vielseitige soziale Aktivitäten und Freizeitinteressen lassen oftmals we-nig zeitlichen Spielraum: „Ich mach’ so viele andere Sachen“.

Rascher Wechsel der Interessensfelder bei fehlender Selbstverpflichtungzum Durchhalten: z. B. wird ein Kurs abgebrochen, „weil ich jetzt gera-de andere Ideen im Kopf habe“.

Ablehnung von Festlegung und starren Strukturen: „Das Problem ist,dass ich oft sehr große Probleme mit sehr festgefahrenen Dingen habe“.

Feste regelmäßige Termine schrecken ab; die eigene Ungebundenheithat hohe Priorität: „Ich bind’ mich immer relativ ungern in irgendwelcheGruppen, also dieses Vereinsleben hat mich immer gestört“.

Leicht kokett wird als Weiterbildungsbarriere auch die eigene Bequem-lichkeit genannt.

26 % (vs. ø 21 %) fühlen sich bei Weiterbildung „viel zu sehr an Schule“erinnert.

Bevorzugen von alternativen Lernformen: „Das Theoretische liegt mirnicht so, ich lerne eher bei dem, was ich mache“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Experimentalisten

Weiterbildungs-

barrieren

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:51 Uhr Seite 146

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147

4.9 Experimentalisten

Persönlichkeitsverständnis

Persönlichkeit zeichnet sich durch Individualität („dass man weiß, wasan einem außergewöhnlich ist“), Konflikt- und Urteilsfähigkeit („keinsklavisches Nachvollziehen von Befehlen, sondern alles Hinterfragen“),das selbstbewusste Vertreten eigener, unkonventioneller Meinungen unddie innere Unabhängigkeit von der Anerkennung anderer aus: „Je weni-ger Persönlichkeit du hast, desto eher bist du darauf angewiesen, dichKollektiven anzuschließen und gemeinsame Meinungen zu singen“.

Persönlichkeitsentwicklung

Im Milieuvergleich nach den Modernen Performern und Postmateriellenstärkstes Interesse an Kursen zur Persönlichkeitsbildung.

Die selbstverständliche Entwicklung im Lebensumfeld wird dem inten-tionalen, zielgerichteten Lernen im Kurs vorgezogen („das sollte irgend-wie so´n unbewusster Faktor sein“).

Kritik an der Verschulung von persönlicher Entwicklung: „Das ist so ei-ne typische Tendenz der heutigen Zeit, dass es notwendig wird, so etwasanzubieten, weil man eben immer weniger Zeit hat, sich mit seinenFreunden an einen Tisch zu setzen und zu sagen, hier, ich hab ein Prob-lem“.

Ablehnung von Kurstiteln, die „Erfolg“ oder das „Marketing“ von Per-sönlichkeitseigenschaften versprechen („Erfolg verbinde ich mit Machtund Geld und deswegen kreuze ich das jetzt nicht an“).

Skepsis gegenüber der Verwertungsorientierung persönlichkeitsbilden-der Seminare: „Es ist halt alles ausgelegt auf schneller, mehr, besser, esgeht gar nicht so sehr um dich selber, sondern es geht um den Einsatz inder Gesellschaft“.

Anbieter

Sehr hohe Anforderungen an den Trainer, weniger an die Institution(„wesentlich wichtiger, wer diese Kurse hält“; „mit dem Dozenten stehtund fällt der Kurs“).

Der Dozent sollte authentisch und immateriell orientiert sein („ichbrauch‘ keinen Guru, ich brauch' jemanden, der ehrlich und unver-krampft und kompetent ist“).

Skepsis gegenüber kirchlichen Anbietern („da hab ich meine Vorurteile“)und VHS („interessante Institution, nicht für mich, aber für Deutsch-land“).

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Experimentalisten

Persönlichkeits-

entwicklung

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:51 Uhr Seite 147

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148

4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Gesundheitsbewusstsein

Ganzheitliches Gesundheitsverständnis („Einklang von Körper undGeist“) und hohes Gesundheitsbewusstsein.

Gesundheitsbildung

Kritik am „deutschen so genannten Gesundheitssystem“ sowie konven-tioneller Medizin und Pharmazie.

Interesse an alternativen Heilmethoden und Seminaren aus dem asiati-schen Raum (Tai Chi, Yoga, Chinesische Medizin).

Streben nach Ursprünglichem und Authentischem: „Das Leben wird im-mer stressiger und unnatürlicher und das ist so in Richtung ‚zurück zuden Wurzeln‘“.

Überdurchschnittliche Weiterbildungserfahrung im gesundheitsbilden-den Bereich in der Allgemeinen und insbesondere in der BeruflichenBildung (14 % vs. ø 7 %).

Häufig selbstständige Anwendung, z. B. von Meditation oder Heilfasten(„das reinigt das Hirn, man kommt zu sich“).

Das eigene Wissen über Gesundheit wird vergleichsweise hoch einge-schätzt. Aneignung oftmals informell, durch das soziale Umfeld.

Kritische Grundhaltung gegenüber Fernsehsendungen und Zeitschriftenzu Gesundheitsthemen, die als „niveaulos“, „medizinisch unausgego-ren“, „wissenschaftlich nicht fundiert“ oder „kommerziell“ gelten.

Kritik an der Kommerzialisierung von Gesundheitsbildung: „Das istirgendwie so ein ‚Markt‘ geworden“.

Anbieter

Sorgfalt bei der Auswahl von qualitativ hochwertigen Kursen und Anbie-tern („die wirklich was davon verstehen“).

Keine einheitliche Einstellung gegenüber der VHS: Teilweise Offenheit,teilweise wird geringe Fachkompetenz und Effektivität vermutet.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Experimentalisten

Gesundheitsbildung

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:51 Uhr Seite 148

Online: http://www.die-bonn.de/doks/2004-weiterbildungsverhalten-01.pdf

149

4.9 Experimentalisten

Kompetenzziele

Im Arbeitsalltag stehen didaktische, anwendungsorientierte und kommu-nikative Kompetenzen im Vordergrund: „Informationen gut und ver-ständlich darstellen zu können“ („sehr wichtig“: 49 % vs. ø 40 %); „Er-lerntes anwenden können“ (65 % vs. ø 56 %); die „Fähigkeit zur elektro-nischen Kommunikation im Internet“ (23 % vs. ø 17 %).

Das persönliche Kompetenzprofil bewegt sich im Bereich der soft skillsund basis skills: „Flexibilität“, „Spontaneität“ „Organisationstalent“,„Einfühlungsvermögen“,„Toleranz“ und „Kreativität“.

Bereitschaft zur Selbstentwicklung als wichtigste Fähigkeit („weil das derAntriebspunkt ist, wenn das nicht da ist, dann findet auch keine Entwick-lung statt“).

Kompetenzerwerb

Kompetenzerwerb durch Lebens- und Selbsterfahrung.

Die persönliche Entwicklung erfuhr oftmals durch die distanzierte Aus-einandersetzung mit Konventionellem eine erhebliche Förderung („inden ein, zwei Jahren, wo ich mich aus dem gesellschaftlichen Zwangbefreit habe“).

In jüngeren Jahren Orientierung an älteren Geschwistern, Freund(inn)enoder Schauspieler(inne)n und Schriftsteller(inne)n („Klaus Kinski, AndyWarhol, Jim Morrison, Oscar Wilde“).

Breit gefächertes persönliches und berufliches Entwicklungsinteresse(„im weiteren Leben alles irgendwo verbessern“; „mehr über mich ken-nen zu lernen und auch das zu vertiefen“).

Mangelnde Spezialisierung und fehlende Durchhaltebereitschaft als Bar-rieren: „Ich interessiere mich schnell für viele Sachen, aber leider nielange genug“.

Trotz der Präferenz für informelle, selbstreflektierende Lernformen findetsich eine grundsätzliche Offenheit für Kursangebote: „Ich wär’ nicht ab-geneigt“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Experimentalisten

Kompetenz-

entwicklung

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:51 Uhr Seite 149

Online: http://www.die-bonn.de/doks/2004-weiterbildungsverhalten-01.pdf

150

4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Hochfrequentes informelles Lernen als Ferment des Alltags („das wend’ich ja tagtäglich an“): durch Diskussionen, Bücher, Internet und Auspro-bieren. Dementsprechend hohe Wertschätzung dieser Lernform.

Informellem Lernen wird ein hoher Grad an Effizienz zugesprochen(„ich weiß ganz klar, dass es für mich die effektivste Form ist“).

Oft kreative Berufe oder Freizeitinteressen, die eine fortwährende Bil-dungsherausforderung darstellen: „Wenn Du Dich mit einem Bühnen-raum beschäftigst, dann schaust Du die Architektur an, dann ist das dau-ernd Bildung“.

Bevorzugte Lernformen: Austausch und Diskussion mit Mitschülern, Ar-beitskollegen, Familie und Freunden.

Hohe Einsatzbereitschaft für die jeweils aktuellen Interessensfelder:„Wenn mich mal was wirklich interessiert, dann mach’ ich das auchnächtelang“.

14 % (vs. ø 11 %) sind an der Lernform „selbstgesteuertes Lernen mitHilfe einer virtuellen Lernumgebung im Internet“ interessiert.

Informellem Lernen, besonders dem Bereich Online-Lernen und Lernendurch das Internet wird zukünftig noch mehr Bedeutung beigemessen.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Experimentalisten

Informelles Lernen

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:51 Uhr Seite 150

Online: http://www.die-bonn.de/doks/2004-weiterbildungsverhalten-01.pdf

151

4.9 Experimentalisten

Problemorientiertes Lernen als bevorzugte Lernform: „Auf jeden Fallprojektmäßig, mehrere Leute tun sich zusammen und erarbeiten sich et-was“.

Weiterbildung sollte motivieren und Spaß machen: „Wenn das richtigSpaß macht, find’ ich das geil“.

Präferenz in Gruppen zu arbeiten, „weil man lernt von einem zum an-deren“. Weiterbildung in Form von „Diskussionsrunden“ oder Podiums-diskussionen wird daher begrüßt. Man lernt am meisten „im Dialog zu-sammen mit den Leuten“. Wichtig sind sozialer Kontakt und Austausch.

Affinität zu E-Learning u. a. wegen der zeitlichen Flexibilität ohne An-wesenheitsverpflichtung.

Überschaubare Gruppengröße: „Es sollten nicht mehr als zwölf Teilneh-mer sein“.

Der Dozent sollte „Begeisterungsfähigkeit“ vermitteln und das Lerntem-po der Teilnehmer berücksichtigen. Ein Dozent sollte „die Kunst beherr-schen, einen Spannungsbogen aufzubauen“.

Nachgeordnete Bedeutung der Räumlichkeiten: Nur 7 % (vs. ø 14 %) legen Wert auf einen schönen, modernen und gepflegten Kursraum. EineCafeteria als Ort sozialen Austausches ist willkommen.

Tendenz der Bevorzugung von Blockseminaren; vorzugsweise in Wohn-ortnähe.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Experimentalisten

Ansprüche an Methode

und Ambiente

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:51 Uhr Seite 151

Online: http://www.die-bonn.de/doks/2004-weiterbildungsverhalten-01.pdf

152

4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Überdurchschnittlich häufig informiert man sich über Programmhefte(24 % vs. ø 15 %).

Anregungen holt man sich v. a. aus dem „wahnsinnig vielseitigen“ Pro-gramm der VHS: „Da würd’ ich mich als erstes erkundigen“.

Zu Buntes und Überladenes wird mit Konventionalität und gelegentlichmit Unseriosität assoziiert: „Das ist ein Zeichen, dass da viele hinren-nen“; „Es dürfte nicht zu bunt sein. Sachlich. Seriös“.

Zugänglichkeit, Greifbarkeit und Strukturiertheit der Information: „...dass man relativ zügig dahin kommt, wo man hin möchte“.

Zusammengefasste und gebündelte Information im Internet: „Internetfo-ren mit Linklisten“; „Plattformen“.

Grundlegende Wertschätzung der Dienstleistung „Weiterbildungsbera-tung“ – allerdings nicht für die eigene Person, geht man doch interessen-geleitet vor: „Ich weiß, was für mich in Frage kommt und was meinemInteresse entspricht“.

Trotz eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten würde man für „den“Kurs auch gerne aus dem Vollen schöpfen: „Wenn mich etwas interes-siert, dann leg’ ich da schon auch Geld hin“.

Deutlich höhere Preisbereitschaft für Kurse im Bereich AllgemeinerWeiterbildung als im Bereich Beruflicher Weiterbildung: „Also für Yogaoder autogenes Training würde ich sicherlich mehr zahlen als für einenEDV-Kurs“.

Hoher Stellenwert persönlicher Empfehlungen von „Personen mit ähn-lichen Empfindungsparametern“.

Persönlichkeit und Ausstrahlung des Dozenten als zentrale Auswahlkri-terien: „Er muss Ruhe ausstrahlen, Gelassenheit, Interesse an den Teil-nehmern“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Experimentalisten

Weiterbildungs-

marketing

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:51 Uhr Seite 152

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153

4.9 Experimentalisten

Verschiedene Anbieter

Nutzung privater Weiterbildungsmöglichkeiten häufig aus dem Bekann-tenkreis: „Es bietet sich halt oft so an, dass sich so was ergibt aus irgend-welchen Bekanntschaften“.

Dadurch weniger Bezug zu den großen etablierten Trägern der Weiter-bildung: „Keine Ahnung, noch nie so richtig mit beschäftigt“.

Starke Skepsis gegenüber kirchlichen Weiterbildungsträgern: „Waslernst’ da? Katholizismus oder Protestantismus?“

Angeboten der Krankenkassen zur Gesundheitsbildung steht man – auchaufgrund des jüngeren Altersdurchschnitts – eher distanziert gegenüber.

Private Einrichtungen werden insbesondere im Bereich Computer- undSprachkurse geschätzt.

Hohe Kenntnis und Akzeptanz von Online-Anbietern, z. B. „Anbieter fürHTML-Programmierung im Internet“.

VHS

Im Milieuvergleich selten VHS-Besuch: Nur 13 % vs. ø 26 % belegtenihren letzten Weiterbildungs-Kurs an einer VHS.

Schwerpunkte des Besuchs im Bereich Sprachkurse – auch seltener ge-wählte Fremdsprachen wie: Kroatisch, Arabisch, Russisch.

Eher für ältere Menschen: „Das ist für Leute ab vierzig“.

Langsames Lerntempo, niederes Anspruchsniveau: „Das hab’ ich in derSchule schneller gelernt“.

Trotzdem Akzeptanz der VHS als vielseitiger Anbieter: „Ich finde, diebietet schon viel an“.

Die VHS gilt als wichtige Bildungsinstitution – für andere: „VHS ist einespannende Einrichtung, aber nicht für mich, sondern für Deutschland“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Experimentalisten

Nutzung und Image

von Anbietern

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:51 Uhr Seite 153

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studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:51 Uhr Seite 154

Online: http://www.die-bonn.de/doks/2004-weiterbildungsverhalten-01.pdf

155

4.10 Hedonisten

4.10 Hedonisten

Die spaßorientierte moderne Unterschicht/untere Mittel-

schicht: Verweigerung von Konventionen und Verhaltens-

erwartungen der Leistungsgesellschaft

Anteil an der Wohnbevölkerung von 18 bis 75 Jahren der BRD

(2002)

Abbildung 17:

Positionierung und Bevölkerungsanteil in der Weiterbildungsstudie für

die BRD (2002)

10% (ca. 10,6 Mio)

N=2920, nur Deutsche

Oberschicht/

Obere Mittelschicht

Mittlere Mittelschicht

Untere Mittelschicht/

Unterschicht

Soziale

Lage Traditionelle Werte Modernisierung I Modernisierung II

Grund- Pflichterfüllung, Konsum-Hedonismus und Patchworking,

orientierung Ordnung Postmaterialismus Virtualisierung

Etablierte 12,3%

Postmaterielle 11,1%

Konservative 5,4%

Moderne Performer 8,5%

Experimentalisten 6,4%

Bürgerliche Mitte

17,3%

Konsum-Materialisten 10,8%

Hedonisten

10,4%

Traditionsverwurzelte 12,1%

DDR-Nostalgische 5,5%

Sinusmodell

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:51 Uhr Seite 155

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156

4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Soziale Lage

Jüngere und mittlere Altersgruppen bis 50 Jahre; Schwerpunkt allerdingsunter 30 Jahren.

Mittlere Formalbildung; aber auch überraschend hoher Anteil mit höhe-ren und hohen Ausbildungsabschlüssen.

Angelernte und einfache Angestellte, viele Schüler und auch Studierende.

Mittlere Einkommensgruppen; aber auch Personen mit relativ hohemEinkommen und auch überraschend hohem Haushaltseinkommen.

Lebenswelt

Bei den Hedonisten haben innere Freiheit, Spontaneität und Individu-alität einen hohen Stellenwert.

Sie bewegen sich zwischen Angepasstheit im Beruf und „Stilprotest“ inder Freizeit.

Sie leben im Hier und Jetzt und sind genussorientiert.

Sie hegen den Wunsch nach geregeltem Leben, lehnen allerdings gleich-zeitig Konventionen und Normen mit einer instrumentalistischen Ar-beitseinstellung ab.

Häufig Patchworkbiografien: Wenn der Job nicht mehr gefällt, wird ge-wechselt.

Die Freizeit stellt sich als fragloser Lebensmittelpunkt dar.

Die Nutzung von Internet/PC beschränkt sich zumeist auf Freizeit undoftmals kostenintensive Ausstattung.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Hedonisten

Lebenswelt und

soziale Lage

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:51 Uhr Seite 156

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157

4.10 Hedonisten

Positive Erinnerungen an die Schulzeit außerhalb der Unterrichtseinhei-ten. Stolz auf die Nicht-Erfüllung von Erwartungen und die Konzentra-tion auf das außerschulische Leben: „Hab nie Hausaufgaben gemacht,gar nix, nie zugehört“.

Geringe Leistungsmotivation bis hin zur Verweigerungshaltung („ichhatte schon aus Prinzip keinen Bock mehr“); oftmals Schulleistungsprob-leme; hohe Fehlzeiten („400 Fehlstunden in einem Jahr, und das hat nur10 Monate gehabt, das Jahr“).

Aufgrund des Lebenswandels oftmals Probleme mit Lehrkräften, die manextern attribuiert: „Der kam mit meinem Lebensstil, meinem Lernstil,meinen Einstellungen oder was auch immer nicht so ganz klar“.

Unangepasstheit: „Ich war immer der kleine Rebell oder auch der Klas-senkasper“.

Betonung der negativen Aspekte des „heimlichen Lehrplans“: „In dersiebten da bist du noch einigermaßen anständig, hast noch nicht dieganzen Schweinereien gesehen, wie es wirklich abgeht“.

Im Nachhinein nur vereinzelt Bedauern über nicht erreichte Bildungsab-schlüsse: „Das war genau der richtige Weg, wie ich’s gemacht hab“. Ver-ständnis für das eigene Verhalten: „So in den Tag hinein leben war ein-fach schöner gewesen“.

Schule als Nebentätigkeit. Im Zentrum standen zahlreiche außerschuli-sche Aktivitäten, vornehmlich im informellen Rahmen: mit Freundenunterwegs sein, Sport (z. B. Karate, Skateboard, Inline), Zeichnen odertechnische Spielereien.

Oftmals finanziell lukrative subkulturelle Aktivitäten (Graffiti-Aufträge,Band-Gründung).

Geringes Leseinteresse („ich bin lieber mit anderen abgehängt. Scheißebauen auf gut deutsch“). Ausnahme sind Cartoons und Comics („man-che Leute können keine Comics lesen, die sehen sich’s zwar an, aberchecken’s halt nicht so“).

Negative Ausbildungserfahrungen, die häufig zum Abbruch führten:„Mein Chef hat jeden Morgen auf die Uhr geguckt, demonstrativ auf sei-ne Armbanduhr, wann ich jetzt reinkomme“; Gegenwehr bei Ungerech-tigkeiten von Seiten der Vorgesetzen: „Ich hab mit meinem schlauen Re-gelbüchlein alle zur Weißglut getrieben“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Hedonisten

Bildungserfahrungen

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:51 Uhr Seite 157

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158

4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Bildung bedeutet wie Lernen Mühsal und Anstrengung: „Bildung, das istin meinen Augen einfach nur Lernen und Stress, jedenfalls bei dem, waseinem das Bildungssystem in Deutschland abverlangt“.

Bildung als breit gefächertes, deutlich über den eigenen Wissensvorrathinausgehendes Allgemeinwissen: „... breitbändig, halt auch so kulturel-les Zeugs, was so dazu gehört“.

Selbstbewusste Distanzierung von der Welt der Bildung: Gebildet istderjenige, der das Schulsystem brav durchlaufen hat und „auf jeden Falldoppelt so viel Stoff drin hat wie ich – es gibt Leute, die hängen sich dawirklich rein“.

Ironisches Belächeln der „alltagsfernen Theoretiker“: „Die können nichtmal ein Ei in die Pfanne hauen“.

Vielseitiges Wissen weit über den Fächerkanon hinaus: Lernen soll sichauf persönlich interessante Themen erstrecken und Spaß machen.

Lebensfreude als zentrales Bildungsziel: „Wer keinen Bock hat zu leben,der hat was versäumt“.

Nur zögernde Integration sozial-disziplinierender Bildungsziele in diepersönliche Lebensplanung nach dem Motto „eigentlich müsste man“:„Meine Mitmenschen sind mir lange Zeit einfach am Arsch vorbeigegan-gen“.

Rigide Abgrenzung von Sekundärtugenden als Inbegriff bürgerlicher Tra-dition und gesellschaftlicher Anpassung: „Ich würd’s meinem Kind auchnicht wünschen, dass da so ein Drill kommt“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

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Nutzung und Image

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Bildungsverständnis

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4.10 Hedonisten

Spontaneität; mangelndes Durchhaltevermögen; Wunsch nach Unver-bindlichkeit: hoher Anteil von Kursabbrechern.

Globales Desinteresse: „Das hat mich eigentlich nie interessiert. Ich warfroh, wie ich wieder aus der Schule draußen war“.

Begeistern könnte man sich allenfalls für die Themengebiete PC undInternet („in der Computerbranche kann man sich immer weiterbilden“),Fremdsprachen oder „Gestaltung“ (Air Brush, Grafik-Design).

Widerstand gegen eine aufgezwungene Bildungsbeflissenheit: „Das sichständig weiterbilden stört, das muss man doch jedem selbst überlassen“;„Nur in die Schule gehen, weil es die Gesellschaft verlangt – das liegtmir nicht“.

(Weiter-)Bildungsstress lohnt nicht – v. a. im Hinblick auf die beruflicheEntwicklung: „Der hat wesentlich mehr Stress, mehr Verantwortung,muss sich jeden Tag vor seinem Chef rechtfertigen und verdient dreihun-dert Mark mehr – und ich sitz ganz entspannt daneben“.

Ablehnung von Anpassungs- und Aufstiegsfortbildung als Symbol einesangepassten und statusorientierten Daseins: „Ich hab kein Statusprob-lem, das ist mir wurscht“.

Wertschätzung lebenslangen Lernens ohne Vorgaben von außen: „Kurseund Seminare eher weniger, aber auf Weiterbildung an sich leg’ ichschon viel Wert“; man lernt viel besser ohne Kurse (34 % vs. ø 23 %) .

Tatsächliche Kurserfahrungen beschränken sich auf „erzwungene“ Maß-nahmen wie bspw. Umschulungen, Fortbildungen innerhalb von ABM-Maßnahmen oder das Nachholen von Schulabschlüssen.

(Betriebliche) Weiterbildung wird mit Arbeit – und damit Mühsal –gleichgesetzt: „Ob ich dann am Samstag am Fließband steh oder lerne,das ist dann auch schon egal“.

V. a. im Osten zunehmend Anerkennung der Qualifizierungs- und Allo-kationsfunktion von (Weiter-)Bildung: „Klar, muss man ja gutheißen,weil man sonst kein Geld vom Arbeitsamt bekommt“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

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Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

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Hedonisten

Weiterbildungs-

interessen

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Milieutypische Spontaneität und Freiheitsliebe als Gegenentwurf zu for-mal-organisierten (Weiter-) Bildungsveranstaltungen: „Ich war froh, dassich draußen war und keine Schulverpflichtungen mehr hab’ – diesesMüssen, dieses vorgeschriebene Leben“.

Überdurchschnittlich häufig beklagt man die Intransparenz des Weiter-bildungsmarktes (Beratungsbedarf artikulieren 25 % vs. ø 17 %) .

Bildungsabstinenz als Auflehnen gegen die wohlgeordnete Gesellschaft:„Ich bin eben nicht auf die Schule gegangen – und nur das machen, nurweil es die Gesellschaft verlangt, das interessiert mich nicht, das bringtmir nichts“.

Der finanzielle Verwertungsaspekt wird angezweifelt: „Was hab’ ichdann mehr? Einen Haufen Verantwortung und einen Riesenstress amHals und zweihundert Mark mehr im Monat, das ist es nicht wert.“

Prekäre finanzielle Verhältnisse in der gegenwärtigen Lebenssituation:„Bei mir ist alles ’ne Geldfrage – ich dreh halt jede Mark dreimal um“.

Freizeit und Hobbies haben Priorität (vor Qualifizierung und Bildung):„Ich würd’ niemals 1000 Mark für einen Kurs ausgeben, das ist ja fastmein Monatsgehalt“ – wobei man für technische Spielereien gerne tie-fer in die Tasche greift.

Statusbezogenes Benachteiligungsempfinden im beruflichen Bereich:„Rein rechtlich dürftest du Weiterbildung schon machen, aber du kriegstes nicht angeboten. Dann heißt es: nein, das brauchst du als Arbeiternicht“.

Mangelnde Anerkennung informell erworbener Fertigkeiten: „Ich kannes, ich weiß es, ich kann jeden Tag damit arbeiten, also wozu brauch icheinen Grundkurs?“.

Kokettieren mit der eigenen Bequemlichkeit und mangelnder Selbstdis-ziplin: „Da müsst ich mich erst einmal auf den Arsch setzen – und dasist bei meinem Lebenswandel schon schwer“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Hedonisten

Weiterbildungs-

barrieren

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:51 Uhr Seite 160

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4.10 Hedonisten

Persönlichkeitsverständnis

Kommunikationsfähigkeit, Ausstrahlung, individuelle Lebensauffassung.

Authentischer Lebensstil („gelebte Lebensauffassung ohne Maske; mansteht dahinter und lässt das auch spüren“).

Persönlichkeitsentwicklung

Persönlichkeitsentwicklung als lebenslanger Prozess, der sich durch Er-fahrung und Lebensumstände vollzieht: „Man kann da mit Weiterbil-dung nicht viel machen“; „Dass Weiterbildung von einer Woche oderzwei mir hilft, meinen Charakter zu ändern, halt‘ ich für schwachsin-nig“.

Stolze Betonung der eigenen Lebenserfahrung und des individuellen,unkonventionellen Entwicklungsweges: „Ich würd‘ mich nicht als ‚nor-malen Menschen‘ bezeichnen, weil ich komplett anders denke. Ich gehhalt nicht mit der Masse“.

Grundsätzliches, im Milieuvergleich durchschnittliches Interesse an Kur-sen zur Persönlichkeitsbildung geht einher mit sehr kritischer Seminar-bewertung („überflüssig“; „Männer-Selbsthilfegruppe“; „dämlichesSchlagwort“).

Eignung der Kurse für andere, für „normale“ Menschen („das sind die,die in der Schule schon immer gut aufgepasst haben, die arbeiten ...Leute, die eine heile Familie, ein heiles Haus haben, jeden Monat denLohn nach Hause schleppen ... feiern, was man feiern muss, richtig spie-ßig halt so“), deren Selbstentwicklung äußerer Unterstützung bedarf(„für irgendwelche Yuppie-Muttersöhnchen, die sich nicht selbst finden.Für mich ist das eigentlich fast alles überflüssig, da steh’ ich drüber“).

Ablehnung von Kurstiteln, die verpflichtenden oder bevormundendenCharakter zu haben scheinen („das ist garantiert ein Titel von meinerMutter ... da würd‘ ich niemals hingehen“; „Zeitmanagement? Wie ichmir meine Zeit einteile? Das ist doch meine Sache.“).

Befürchtung, zu stark gefordert zu werden („dieses in kurzer Zeit mög-lichst viel lernen, Lehrstoff, das muss eingetrichtert werden“).

Anbieter

Bevorzugung von Dozenten („nicht so alt“) und Teilnehmenden („auf je-den Fall keine wildfremden Leute“), die der eigenen Lebenswelt nahestehen.

Geringer Informationsstand über Angebotsspektrum und Anbieter („ichhab gar nicht gewusst, dass es für jedes Dingsda einen Kurs gibt“).

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Hedonisten

Persönlichkeits-

entwicklung

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162

4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Gesundheitsbewusstsein

Geringes Interesse an Gesundheitsthemen („ist nicht so aktuell in mei-nem Leben“), kaum Gesundheitsbewusstsein („da fehlt mir wahrschein-lich das Alter dazu“).

Realistische Einschätzung des persönlichen Gesundheitsverhaltens:„Kopfschmerzen? Das ist immer schon da gewesen, eine Begleiterschei-nung meines Lebenswandels“.

Beschäftigung mit der eigenen Gesundheit erst, sobald Probleme auftre-ten: „Es muss immer erst ein Unglück passieren“. Dann Offenheit für al-ternative Heilmethoden, teilweise Kurserfahrung.

Gesundheitsbildung

Trotz geringen Lese- und Informationsbedarfs („interessiert mich in keins-ter Weise“) wird das eigene Wissen über Gesundheit sehr hoch einge-schätzt („ich kenn’ meinen Körper, meine Gewohnheiten“).

Unterdurchschnittliche Teilnahme an allgemein bildenden und beruf-lichen Kursen zur Gesundheitsbildung.

Ironische Distanz zu Kursen: „,Inline-Skaten für Erwachsene‘? Das sindbestimmt die, die erstmal drei Tage üben, wie sie bremsen.“; „,Was tunbei Kopf- und Nackenschmerzen?‘ Das ist ‘ne Frage, da kann eigentlichjeder drauf antworten: ‚Schlafen‘“.

Gesundheitsbildung wird als Bildung für Ältere wahrgenommen: „,DieSprechstunde‘ ... das ist so ‘ne Rentnerrunde und das interessiert micheigentlich weniger“.

Sport als Teilgebiet der Gesundheitsbildung stößt auf großes Interesse. Esgibt sowohl eigene sportliche Ambitionen als auch Leseinteressen(„beim Krafttraining, wenn man sich keine Schäden zuziehen will, soll-te man schon ein Buch zur Hand nehmen“).

Betriebliche Angebote außerhalb der Arbeitszeit werden aufgrund kon-kurrierender Interessen nicht wahrgenommen: „Die Leute, mit denen ichmeinen Feierabend verbringe, suche ich mir selbst aus“.

Anbieter

Misstrauen gegenüber Kursleitern gesundheitsbildender Seminare („allesLeute, mit denen ich wenig zu tun haben möchte“): Mediziner gelten als„zu geimpft von der Schulmedizin“, Heilpraktiker als „Scharlatane“,Apotheker „wollen nur Geld machen“ oder „dir gleich ein paar Pillenandrehen“ und mit Pädagogen hat man sein „Leben lang nur Stress ge-habt“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Hedonisten

Gesundheitsbildung

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163

4.10 Hedonisten

Kompetenzziele

Stärken, die den teilweise fordernden und stressenden Arbeitsalltagüberstehen helfen: Geduld („ich habe einen sehr, sehr, sehr langen Ge-duldsfaden“), „starkes Nervenkostüm“, Frustrationstoleranz, Ausdauerund Ausgeglichenheit.

Hedonistische Arbeitseinstellung: „Faulheit ist die Motivation schlecht-hin“.

Wirken nach Außen: sicheres Auftreten, Selbstbewusstsein, Redege-wandtheit, „eine gewisse Rhetorik“ und performative Fähigkeiten („ichhab’ keine Probleme, mich auf die Bühne zu stellen und vor 500 Leutenwas zu sagen“).

Kognitive Kompetenzen: „logisches Denken“; „schnelle Auffassungsga-be“; „Kreativität“; Innovationsbereitschaft.

Zeitmanagement und organisatorische Kompetenzen: „... dass manselbst einschätzen kann, was man zuerst macht“.

Allgemeinbildung („dieser Horror bei Bewerbungsgesprächen, meinGott, jetzt frägt der mich, was die Hauptstadt von Uganda ist“) und Emo-tionalität als weniger bedeutende Stärken.

Kompetenzerwerb

Wachsen an den Anforderungen des (problembeladenen) Alltags: Kom-petenzerwerb durch Leben „im Knast“, „auf der Straße“ oder durch einfrühes Auf-sich-gestellt-sein („ich hab’ schon früh viel für mich selbstmachen müssen“).

Starker Einfluss der Peers auf die persönliche Entwicklung: „Ich bin haltmit den richtigen Leuten zur richtigen Zeit abgehangen“; „Ich hatt’ einengroßen Freundeskreis, der hat mich schon sehr beeinflusst“.

Vorbilder durch Lebensweisheit oder herausragende Leistungen: „Vonden Großeltern zieh’ ich mir die ein oder andere Lebensweisheit ab“;„Genauso wie der [Zeichenlehrer] muss ich zeichnen können, hab ichmir gedacht“.

Hedonistisches Denken: Kompetenzentwicklung, um unangenehmeFolgen zu vermeiden („weil’s mir mit Selbstbewusstsein viel bessergeht“).

Teilweise Wunsch nach Konsequenz und Selbstdisziplin („einfach malein bisschen härter zu mir sein“).

Stärkere Integration und Anpassung: „Sich so ein bisschen anzupassenhalt in gewissen Dingen, nicht immer gegenlabern“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Hedonisten

Kompetenz-

entwicklung

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

In Abgrenzung zu „reglementierten“ Veranstaltungen formal-organisier-ter Weiterbildung Wertschätzung der Unverbindlichkeit und Ungezwun-genheit informellen Lernens.

Rege Nutzung informellen Lernens v. a. im EDV-Bereich: Online-Hilfen,Internetforen, Programmiersprachen.

Deutlich nachrangige Bedeutung der Betreuung und Unterstützungdurch einen Dozenten (35 % vs. ø 53 %).

Das Internet als bequeme Informationsquelle par excellence: „Ich geheimmer ins Internet – Suchbegriff eingeben und schon kommen 1000 Sei-ten heraus“.

Effizienz und Nachhaltigkeit informellen Lernens: „Du hast es zweimalgehört und dann musst Du es ausprobieren – und dann weißt Du, wo-von Du redest“.

Zielgerichtetheit und geringer (Zeit-)Aufwand: „Ich krieg da nicht so ei-nen riesigen Wust über ‚wie arbeitet ein Server im Allgemeinen’“.

Allerdings weiß man um die Risiken der eigenen Bequemlichkeit unddes mangelnden Durchhaltevermögens Bescheid: „... dass man es sichleicht macht und vielleicht beim Lernen Stellen auslässt“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Hedonisten

Informelles Lernen

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:51 Uhr Seite 164

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4.10 Hedonisten

Weiterbildung wird mit Schulunterricht gleichgesetzt – und damit nega-tiv bewertet: „Kurse sind wie in der Schule trocken und langweilig, dalernste von Freunden besser“.

Dementsprechend würde man sich allenfalls mit unverbindlichen, pro-jektbezogenen Weiterbildungen anfreunden „wo man sich was vor-nimmt und es dann durchzieht von Anfang bis Ende“.

Wohlfühlen und Spaß haben Priorität (vor Inhalt und Leistung): lockereentspannte Atmosphäre; Nutzung von Freizeitangeboten („dass man dasGanze nicht als Pflicht, sondern als etwas Angenehmes ansieht“).

Dem klassischen Weiterbildungsangebot und seinen „spießigen“ Teil-nehmern kehrt man demonstrativ den Rücken: Interessant wäre vielmehr„ein kreatives Chaos, Unordnung, ein Haufen kreativ-verrückter Leute“.

Der Dozent als „Kumpel“: Lebensweltnähe, Kameradschaftlichkeit, „derwar supercool, der hat mit uns auch öfter einen gebechert“.

Gerechtigkeit und Unvoreingenommenheit des Dozenten stehen – nichtzuletzt aufgrund negativer Schulerfahrungen – im Vordergrund: „Mansollte keinen Unterschied machen, wer da sitzt, wie er aussieht oder so“.

Ablehnung von Konformismus und Strebertum: „Schon an der Uni gab’sso Prof’s, die hatten immer ihre Jünger, wo alle Bilder gleich aussahen“.

Im Osten eher pragmatischere Grundhaltung – im Vordergrund steht derInhalt sowie die didaktische und fachliche Kompetenz des Dozenten.

Zeitfenster: Die Anstrengung „Weiterbildung“ sollte tunlichst außerhalbder wertvollen Freizeit stattfinden („das Wochenende ist mir heilig“); le-diglich am Vormittag sieht man sich der Herausforderung des Lernensgewachsen: „Da kann ich gerade noch Wissen aufnehmen“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

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von Anbietern

Hedonisten

Ansprüche an Methode

und Ambiente

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4. Milieuhandbuch für die Weiterbildungspraxis

Weiterbildung als ungeliebte, letzte Möglichkeit („Notausgang“): keineaktive, selbst gesteuerte Suche nach Bildungsangeboten, da diese als an-strengend erlebt wird.

Tendenz zur Selbstüberschätzung hinsichtlich des eigenen Wissensvor-rats: Man glaubt, auch ohne Marketing und Werbung über mögliche Angebote Bescheid zu wissen („ich für mich bräucht’s nicht, ich weißgenug“).

Bequemlichkeit und „Berieseln lassen“: aufsuchende (Bildungs-)Wer-bung per TV, Radio oder Plakat statt „stressiger“ Informationssuche(„weil da sitzt Du einfach da und bist aufnahmebereit, Du willst Dich jaberieseln lassen“).

Überdurchschnittlich häufig Motivation durch direkte Vorgesetzte (38 %vs. ø 32 %).

Skepsis aufgrund der Intransparenz des Weiterbildungsmarktes: „GuckDir mal die Waschmittelwerbung an – jedes ist das Beste. Denen bistedoch hilflos ausgeliefert“.

Institutionelle Beratung als „Druck“ von außen: „Wenn mir so etwas auf-gezwungen werden würde, beim Arbeitsamt oder so, nein danke“; alspersönlich bedeutsamer werden Ratschläge von einem Vorbild („jeman-dem, der sein Leben cool hingekriegt hat“) erlebt.

In den neuen Bundesländern tendenziell positivere Beurteilung der Be-ratungsdienstleistung: „Das ist ja die bequemste Art, irgendwie noch mal’n neuen Beruf zu lernen“.

Ausgeben würde man „am liebsten natürlich gar nichts – so groß istmein Interesse dann auch wieder nicht“; Freizeitaktivitäten und techni-schen Spielereien werden hier klar Priorität zugesprochen.

Die Persönlichkeit des Dozenten ist entscheidend (vor fachlicher und di-daktischer Kompetenz): Gefordert sind Lebensweltnähe und eine stim-mige „Chemie“ zwischen Dozent und Teilnehmer.

Möglichkeit der inhaltlichen Vorauswahl: Wünschenswert wären unver-bindliche „Schnupperstunden“.

Empfehlungen aus dem großen Bekanntenkreis als relevantes Auswahl-kriterium: „Das wirkt mehr als solche Balkendiagramme oder Quoten“.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Hedonisten

Weiterbildungs-

marketing

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4.10 Hedonisten

Verschiedene Anbieter

Hilflosigkeit hinsichtlich der Unübersichtlichkeit des Weiterbildungs-marktes: „Denen biste dann hilflos ausgeliefert“.

Weitgehendes Desinteresse an Themen und Strukturen der Weiterbil-dung: „Da hab’ ich mich noch nicht so damit auseinander gesetzt“; „Mirfällt jetzt spontan niemand ein, der etwas Interessantes vermitteln könnte“.

Bekannt sind vornehmlich das Arbeitsamt, die VHS und die IHK, woman Hoffnungen auf finanzielle Unterstützung hegt („weil die da viel-leicht noch mitzahlen würden“).

IHK und Arbeitsamt als Anbieter niedrigschwelliger Maßnahmen: „Dassman es da als Hauptschüler noch verstehen kann – nicht in diesemhochgeschwollenen Deutsch“.

Lebensweltbedingte Distanz zu Parteien, Stiftungen und Kirchen: „Ichbin Heide und will mit der Kirche nichts zu tun haben“.

VHS

Preisgünstige Angebote machen den Mangel an Qualität wett: „Es warrelativ einfach, nicht irgendwie gut – insgesamt aber o.k., weil es hat janicht viel gekostet“.

Breite, aber wenig spezialisierte Angebotspalette: Die VHS gilt als zu-ständig für die Vermittlung von Allgemeinwissen: „Wenn ich im esoteri-schen Bereich etwas machen wollen würde, ginge ich mit Sicherheitnicht an die Volkshochschule“.

Stärkere Betonung des schulischen und qualifizierenden Aspektes in denneuen Bundesländern: Nachholen von Schulabschlüssen, kompensato-rische Weiterbildung; „Ich habe Volkshochschule eigentlich mit etwasverbunden, was in Richtung Studium geht“.

Kopflastigkeit der Angebote: Kurse z. B. der praxisbezogenen Gesund-heitsbildung werden eher bei Krankenkassen vermutet.

Lebenswelt und soziale Lage

Bildungserfahrungen

Bildungsverständnis

Weiterbildungsinteressen

Weiterbildungsbarrieren

Persönlichkeitsentwicklung

Gesundheitsbildung

Kompetenzentwicklung

Informelles Lernen

Ansprüche an Methode

und Ambiente

Weiterbildungsmarketing

Nutzung und Image

von Anbietern

Hedonisten

Nutzung und Image

von Anbietern

studie die_bd_1_milieus 12.10.2004 11:51 Uhr Seite 167

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Bereits Anfang der 1990er Jahre zeichnete sichinnerhalb der Erwachsenenbildung ein regelrech-ter „Marketingboom“ ab, in dem Konzepte undIdeen der kommerziellen Marketinglehre ver-stärkt diskutiert und auf ihre Anwendbarkeit inder Erwachsenenbildung hin überprüft wurden.„Marketing“ bezeichnet dabei einen geplantenund systematischen Entscheidungsprozess. ImMittelpunkt steht die Verbesserung des Leistungs-programms durch eine Ausrichtung auf den Kun-den- bzw. Teilnehmernutzen (vgl. Möller 2002).Im Sinne einer Profilbildung im hart umkämpftenWeiterbildungsmarkt schließt Marketing auchkreative und innovative, auf den Markt gerichteteProblemlösungsprozesse ein. Ausschlaggebendfür das Aufleben einer zu dieser Zeit „wuchtigen“(vgl. Meisel 1994), „expansiven“ (ebd.) und auch„extensiven“ (vgl. Schöll 1996) Diskussion sindfolgende Entwicklungen:

Spätestens Ende der 1980er Jahre gilt der Beitragvon Weiterbildung zur Sicherung des wirtschaftli-chen und technologischen Fortschritts, zur Ga-rantie persönlicher Entfaltung und Orientierungsowie beruflichen Fortkommens als herausragend(vgl. Graff 1996, Buttler 1994). Forderungen nachChancengleichheit, aber auch der „Wettbewerbs-faktor Weiterbildung“ (vgl. Weiß 2000) rückendas Ziel der sozialen Integration breiter Bevölke-rungsschichten in den Vordergrund (vgl. Tippelt2000, S. 69f.).

Des Weiteren ist die Entstehung einer marktähnli-chen Struktur der Weiterbildungslandschaft eben-falls Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre zuverorten. Innerhalb des vielschichtigen Anbieter-marktes stehen einzelne Anbieter zunehmend inKonkurrenz zueinander (vgl. Tippelt u. a. 1996).

Verstärkt wird der Wettbewerb durch die zuneh-mende Verschuldung öffentlicher Haushalte, dieinsbesondere öffentlich subventionierte Anbieterdazu zwingt, kostendeckend zu arbeiten.

Wie der Anbieter- und Aufgabenbereich unterlie-gen auch die Teilnehmerinteressen und -motiveeiner zunehmenden Differenzierung und Plurali-sierung. Einen deutlichen Wettbewerbsvorteilkann dabei der Anbieter verbuchen, der über In-formationen hinsichtlich Interessen, Einstellun-gen und Bedürfnisse der anvisierten Teilnehmer-gruppen verfügt.

Die skizzierten Entwicklungen haben sich bisheute weiter verschärft und verstärken damit die-jenigen marketingrelevanten Faktoren, die demGegenstand der Weiterbildung ohnehin imma-nent sind: das Ordnungsprinzip der Freiwilligkeitsowie die Breite und Pluralität des Angebotes ma-chen es notwendig, Angebote der Erwachsenen-bildung „zu bewerben“ (vgl. Pöggeler 1964).

Strategien des ursprünglich aus der Betriebswirt-schaftslehre stammenden Marketings gewinneninnerhalb der Erwachsenenbildung immer mehran Bedeutung. Dabei gilt es zu beachten, dass„Marketing“ weit mehr bedeutet als nur Werbungund Öffentlichkeitsarbeit, wie oft umgangs-sprachlich impliziert. Eine Marketingstrategieumfasst die strategisch bedeutsame Zielformulie-rung, zu der sowohl „Marktfeldstrategien“ alsauch die Analyse externer (Konkurrenz, Teilneh-mende/r, Teilnahmebarrieren, Abbruch-Ursa-chen) sowie interner (finanzielle, personelle, ma-terielle Ressourcen) Faktoren zählen. Diese Ana-lyse ist nach Bernecker (2001) unter die Markt-oder Marketingforschung zu subsumieren. Hier

5. Konsequenzen für ein milieuspezifisches

Weiterbildungsmarketing

studie die_bd_1 12.10.2004 11:41 Uhr Seite 168

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wird der in dieser Studie fokussierte Ansatz derMilieuforschung wirksam: Mit der Analyse desWeiterbildungsmarktes von der Nachfrageseiteher werden wichtige Informationen über aktuelleund potenzielle Teilnehmer/innen bereitgestellt.Auch die Marktsegmentierung, ein weiterer Be-standteil einer umfassenden Marketingstrategie,kann als Teilstrategie der Analyse externer und in-terner Faktoren verstanden werden. Dabei wirdder gesamte Weiterbildungsmarkt nach sozio-ökonomischen und/oder psychographischen As-pekten in intern homogene, extern heterogeneTeilgruppen aufgeteilt, die getrennt voneinanderbearbeitet werden (vgl. Bernecker 2001).

Die Umsetzung der Marketingziele erfolgt mitHilfe der so genannten „Marketinginstrumente“(vgl. Möller 2002) oder auch „Aktionsparameter“(vgl. Schöll 1996). Neben der „Marktforschung“bzw. „Informationsanalyse“, zu der unser For-schungsvorhaben mit der Untersuchung des Wei-terbildungsmarktes von der Nachfrageseite herentscheidend beiträgt, werden insbesondere inden qualitativen Interviews auch die vier Instru-mente einer umfassenden Marketingstrategie the-matisiert. Zu diesen zählen die Angebots-, diePreis-, die Distributions- sowie die Kommunikati-onspolitik. Besondere Aufmerksamkeit kommt indiesem Kontext Strategien der Werbung und Öf-fentlichkeitsarbeit als zentraler Bestandteil derKommunikationspolitik zu. Das Instrument der„Angebotspolitik“ bezieht sich nach Bernecker(2001) auf das gesamte Leistungsprogramm einesAnbieters, angefangen von den jeweiligen The-menbereichen, der Qualifikation der Dozentenund der Teilnehmerschaft bis hin zum Freizeitan-gebot und eventuellen Kinderbetreuungsmöglich-keiten.

5.1 Einstellungen zu Werbung

Der Begriff „Werbung“ ruft in fast allen sozialenMilieus negative Assoziationen hervor: Man emp-findet diese als aufsuchend, lästig und gelegent-lich gar als bedrohlich: „das nervt mich – manwird überschwemmt mit dem Ganzen“ (TRA);„mir geht die Werbung sowieso schon furchtbarauf die Nerven“ (PMA w 28). Eine besonders star-ke Ablehnung zeigt sich dabei in den traditionel-len Milieus (TRA, KON, DDR) sowie bei Ge-sprächspartnern aus den neuen Bundesländern.Werbung ist hier aufs Engste verbunden mit der

Befürchtung von Unseriosität und Manipulation:„wenn jemand so wirbt, dass er mir was in Brief-kasten reinwirft, dann denk ich mir, der hat’s viel-leicht nötig – da wär ich unheimlich vorsichtig,da hätt’ ich kein Zutrauen“ (KON w 61); „das istdann ja wieder so eine Art Werbungsstaat, wodann alles per Werbung erfolgt“ (BÜM m 29). DieEinschätzung „je lauter, je bunter, desto suspek-ter“ (ETB m 50) zeigt sich über alle Milieus hin-weg. Vor dem Hintergrund dieser grundsätzlichenEinstellungen zu Werbung ist es interessant zu er-fahren, auf welche Art und Weise die Gesprächs-partner gerne auf Weiterbildungsangebote auf-merksam gemacht werden würden – oder (in derTerminologie des Marketings): wie sich die Kom-munikationspolitik in den jeweiligen Adressaten-gruppen idealiter gestalten sollte.

5.2 Art der Informationssuche

Als zentraler Aspekt erweist sich dabei die jewei-lige Art der Informationsbeschaffung zu Weiter-bildungsangeboten. Hierbei lassen sich drei Di-mensionen feststellen: zum ersten die eher aktive,zumeist auf neue Medien konzentrierte Informati-onssuche; zum zweiten das eher passive Aufneh-men von aufsuchender (Bildungs-) Werbung so-wie zum dritten die neue Informationen ableh-nende Konzentration auf Altbewährtes und Be-kanntes. In der Tendenz suchen die Leitmilieuseher aktiv nach für sie in Frage kommenden Wei-terbildungsangeboten. Am anderen Ende der „Ak-tivitätsachse“ bewegen sich die hedonistischenMilieus (HED, EXP) sowie die Gruppierungen desMainstreams (MAT, BÜM). Diese nehmen die ak-tive Suche nach Weiterbildungsmöglichkeiten –teils aus mangelndem Überblick, teils aus Be-quemlichkeit – nur selten auf sich. Aus den Ge-sprächspassagen kristallisiert sich eine große Of-fenheit für die Botschaften aufsuchender Bil-dungswerbung heraus. Während sich bspw. Ge-sprächspartner aus dem hedonistischen Milieunur dann zur Informationssuche über Weiterbil-dungsveranstaltungen aufraffen könnten, „wennich absolut keine andere Möglichkeit mehr hätte“(HED m 26), legen die Vertreter der BürgerlichenMitte, aber auch der Konsum-Materialisten einestarke berufliche Orientierung an den Tag. Hiernimmt man insbesondere den direkten Vorgesetz-ten in die Pflicht: Dieser sollte informieren, anregenund motivieren. Ähnliches spiegelt sich auch in denErgebnissen der Repräsentativerhebung wider:

5.2 Art der Informationssuche

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Befragt nach den jeweiligen Informationsquellenbeim Zugang zu Weiterbildungsveranstaltungengaben insbesondere Konsum-Materialisten über-durchschnittlich häufig an, von Vorgesetzten in-formiert worden zu sein.

Die traditionellen Milieus (TRA, KON, DDR)grenzen sich stark von „neuen“, in die persönli-che Lebenswelt eindringenden Informationen abund konzentrieren sich auf das Angebot bereitsbekannter und altbewährter – zumeist instituti-oneller – Anbieter. Hier scheinen zum einen einbereits relativ festgelegtes Meinungs- und Einstel-lungsbild („weil ich meine Anbieter schon kenn“,KON m 51), zum anderen aber auch gewisseÄngste vor Unseriosität und Manipulation eineRolle zu spielen: „dass es nicht irgendeine windi-ge Sache ist …dass es etwas bekannter ist – zumBeispiel die VHS“ (TRA w 53). Darüber hinausempfindet man die aktive Suche nach (neuen) In-formationen als umständlich und für die persönli-che Lebenswelt als nicht relevant: „ich konzent-rier’ mich ja auf das, was ich kenn’ – so herumgu-cken, das ist mir zu anstrengend“. Im Milieu derDDR-Nostalgischen ist man aufgrund der prekä-ren Arbeitsmarktsituation trotz der Präferenz be-kannter und bewährter Anbieter auf die aktive Su-che nach Erfolg versprechenden Weiterbildungs-angeboten angewiesen – nicht zuletzt, um die ei-gene Position am Arbeitsmarkt zu stärken: „Damusste man sich ja nun irgendwie bemühen, da-mit es im Berufsleben weitergeht“ (DDR m 54).

5.3 Weiterbildungsberatung

Ergebnissen des Berichtssystems Weiterbildungzufolge gaben lediglich 52 % der deutschen Be-völkerung an, einen guten Überblick über für siein Frage kommende Weiterbildungsangebote zuhaben (vgl. BMBF 2002, S. 69f.). Im Hinblick aufeine langfristige Entwicklung scheint sich dabeieine zunehmende Intransparenz des Weiterbil-dungsmarktes abzuzeichnen. In Anbetracht dessich ständig ausdifferenzierenden und zuneh-mend unübersichtlichen Weiterbildungsmarktesgewinnt die Möglichkeit einer individuellen Bera-tung über Weiterbildungsmöglichkeiten und pass-genaue Fortbildungschancen an Bedeutung. Bera-tungsstellen dieser Art finden sich bspw. am Ar-beitsamt, bei Kammern und Gewerkschaften, Kir-chen, Volkshochschulen, aber auch – meist inForm von Einstufungstests – bei privaten Veran-

staltern. Im beruflichen bzw. betrieblichen Be-reich obliegt die Aufgabe der Beratung über Wei-terbildungsmöglichkeiten dem jeweiligen Vorge-setzten im Rahmen der Personalentwicklung. Beiden angesprochenen Beratungsstellen handelt essich zumeist um eine trägerabhängige Beratung.Im Kontext der Debatten um eine Qualitätssiche-rung in der Weiterbildung (vgl. Arnold 2000) ge-winnt allerdings die Forderung nach einer träger-unabhängigen Beratung an Gewicht. Derzeit exis-tiert nur eine begrenzte Anzahl derartiger Bera-tungsstellen, die allerdings – seien sie nun an be-stimmte Träger gebunden oder nicht – nur wenigbekannt sind (vgl. Eckert u. a. 1997). Dies zeigtesich auch in unseren Interviews: „Weiterbildungs-beratung – was ist das?“ (BÜM m 24). In nur zweiFällen (von 160!) wurden individuelle Beratungenals mögliche Informationsquelle spontan ange-sprochen. Interessanterweise bezogen sich diebeiden Gesprächspartner aus den Oberschichtmi-lieus hierbei auf die persönliche Beratung durchdie betriebliche Personalentwicklung bzw. dendirekten Vorgesetzten: „ich würd’ mich bei derAbteilung Human Ressources informieren – dagibt’s ganze Stäbe dazu. Da kommen Batterienvon Kursangeboten“ (ETB m 50). Die geringe In-anspruchnahme von Weiterbildungsberatungzeigt sich auch in den Befunden der Repräsenta-tiverhebung: Befragt nach den Informationsquel-len beim Zugang zu Weiterbildung gaben ledig-lich 1 % der Teilnehmenden an, durch Weiterbil-dungsberatung auf die zuletzt besuchte Weiterbil-dungsveranstaltung aufmerksam geworden zusein.

Durch die Interviewerin über die Existenz vonWeiterbildungsberatungsstellen informiert, wur-den häufig – und dies nicht nur in den Unter-schichtmilieus – Assoziationen mit dem Arbeits-amt geweckt („da kenn ich leider nur das Arbeits-amt“, BÜM w 31). In den traditionellen Milieuswird eine gewisse Distanz zu derartigen Bera-tungsstellen deutlich: Während man in den Leit-milieus, aber auch im hedonistischen Milieu derExperimentalisten die Möglichkeit der Weiterbil-dungsberatung „für andere“ durchaus begrüßt, fürsich persönlich allerdings als nicht relevant an-sieht („man kann ja nicht davon ausgehen, dassalle Leute wissen, was einem fehlt“, PER m 23;„es gibt sicher Leute, die das brauchen“, ETB w23), grenzt man sich in den traditionellen Milieusdeutlich von Beratungsmöglichkeiten ab. Hierverfügt man über genug Lebenserfahrung und Ab-

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5. Konsequenzen für ein milieuspezifisches Weiterbildungsmarketing

studie die_bd_1 12.10.2004 11:41 Uhr Seite 170

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geklärtheit, auch ohne Beratung den richtigen An-bieter zu finden: „ich kann mir ein eigenes Bildvon den Veranstaltungen und deren Qualität ma-chen“ (KON m 57); „ich brauch das nicht. Daskann ich sehr wohl alleine einschätzen“ (TRA m50). Insbesondere in den neuen Bundesländernzeigt man sich – über sämtliche sozialen Milieushinweg – äußerst skeptisch. Hier zweifelt man vorallem an der Kompetenz des Beratenden sowieder Seriosität der Beratungsinstitution: „ich bin daetwas voreingenommen“ (EXP m 38); „dem Men-schen dann das zu geben, was er wirklich will – dawird dem Beratenen doch eher irgendwas ange-dreht, was auf dem Markt verlangt wird“ (BÜM m 25).

Enttäuschung, Resignation und Wut zeigen sichbei den „Beratungserfahrenen“ in den Unter-schichtmilieus: „da wird man mehr herumge-schoben als beraten“ (MAT m 20). Die mit demArbeitsamt verbundenen Erfahrungen werden hierauf alle Stellen der Weiterbildungsberatung ver-allgemeinert: Beratungsmöglichkeiten wird kaumBedeutung für die persönliche Lebenswelt zuge-messen: „ich glaube nicht, dass mir Beratung wasbringt“ (HED m 29).

5.4 Komplexitätsgrad der Informationen

Wie sollten Informationen über Weiterbildungs-angebote beschaffen sein? Ist es eher die knappeund aufrüttelnde „Bildsprache“ (HED m 29a) odervielmehr die ausführliche und detaillierte Infor-mation in Programmheften, die Aufmerksamkeiterregt? Reagiert man eher auf „Schnörkel“, die die„trockene Thematik“ der Weiterbildung aufpep-pen, oder setzt man weiterhin auf nüchterne, kla-re und präzise Informationen? Unseren Analysenzufolge scheint das Zusammenspiel von – zu-meist als „bunt“ und aufsuchend interpretierter –Werbung und Weiterbildung weitgehend als„Mesalliance“ (vgl. Barz u. a. 2003) empfundenzu werden. Dementsprechend setzt man in nahe-zu allen Milieus auf Klarheit, Nüchternheit undPräzision der dargebotenen Informationen. Wer-bung für Weiterbildung sollte insbesondere fürdie Gesprächspartner aus den Leitmilieus „ohneirgendwelchen Schnickschnack, ohne Werbe-gags“ (ETB m 50) erfolgen. Dabei steht die Klar-heit und rasche Zugänglichkeit zu Informationenim Mittelpunkt: „Internetforen, wo man relativ zü-gig dann auch dahin kommt, wo man möchte“

(EXP m 33), denn „es ist wertlos, wenn ich nichtsofort drauf zugreifen kann“ (PER m 30).

In nahezu allen Milieus steht die Detailliertheitder per Werbung dargebotenen Informationen imVordergrund. Hier plädiert man für Auskünfte, dieüber eine bloße „Telefonnummer und Adresse“hinausgehen, denn „ein bisschen detailliertere In-formationen muss ich schon bekommen, ummich zu interessieren“ (PMA m 25). Besondersdeutlich werden diese Anforderungen in denOberschichtmilieus, aber auch im preis-leistungs-bewussten Milieu der Bürgerlichen Mitte.

Eine etwas andere Auffassung hinsichtlich derGestaltung von Bildungswerbung zeigt sich inden bildungsfernen Unterschichtmilieus: Marke-ting sollte – im Sinne einer aufsuchenden Bil-dungswerbung – die manchmal als lebenswelt-fern wahrgenommene Thematik der Weiterbil-dung sozusagen „mundgerecht zubereiten“: „zumBeispiel eine einfache Bildsprache und witzigeHeadlines“ (HED m 29a); „im Radio, so neben-bei, wenn man im Auto fährt – und dann kommtda irgendwie so ’ne Werbung, die halt gut, sag ichmal, rübergebracht wird, die hängen bleibt“ (HEDm 24). Dabei zeigt man sich sogar erfinderisch:„zum Beispiel ein Foto mit alten Sandalen unddem Spruch: ‚komm’ in die Puschen Alter’“ (HEDm 29a).

5.5 Informationsquellen

Welche Informationsquellen bzw. Medien derKommunikationspolitik erfreuen sich bei der In-formation über Weiterbildungsangebote großerBeliebtheit? Zeigen sich hier milieuspezifischePräferenzen?

Das Internet: In der Repräsentativerhebung zeigtsich ein für das heutige „Internetzeitalter“ relativerstaunlicher Befund: Lediglich 3 % der befragtenWeiterbildungsteilnehmenden gaben an, das In-ternet als Informationsquelle über individuelleWeiterbildungsmöglichkeiten zu nutzen. Ge-sprächspassagen zum Themenbereich „Marketingund PR für Weiterbildung“ der qualitativen Inter-views erlauben eine genauere und differenzierteAnalyse dieses Ergebnisses. Erwartungsgemäßsind es die traditionellen Milieus (KON, TRA), diedie größte Distanz zum Medium Internet aufwei-sen. Dieses Medium wird als umständlich, um-

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fangreich und unübersichtlich empfunden: „wenndas mal nicht zu ermüdend ist, da von einem Tor[gemeint ist: Portal; d.Verf.] zum anderen zu drif-ten“ (KON w 61). Für die anstrengende Suche imInternet fühlt man sich nicht selten schlichtwegzu alt: „soweit sind wir nicht, also damit kennenwir uns nicht mehr aus“ (TRA w 53). Auch dieVertreter des hedonistischen Milieus sehen dieSuche nach relevanten Weiterbildungsangebotenals zeitaufwändig und mühsam an: „im Internetschnell zufällig was finden, das ist eher unwahr-scheinlich – da muss man dann schon wissen,was man will“ (HED w 35).

Als deutlich vorteilhaft beurteilen die „aktiven“Informationssucher das Internet: Geschätzt wer-den hier vor allem zusammengefasste Informati-onen wie bspw. Internetforen, Datenbanken, aberauch die Vielseitigkeit und Fülle der Informati-onen („da findste ja heutzutage alles“, ETB m 50).Insbesondere für die modernen Milieus (PMA,PER, EXP) stellt das Internet eine mittlerweileselbstverständlich genutzte Plattform dar; auchdie Angehörigen des etablierten Milieus habendie Notwendigkeit einer Medienkompetenz indiesem Bereich erkannt: „selbstverständlich: washeute nicht im Internet angeboten wird, ist ja fürdie nachwachsende Generation halb nicht-exis-tent“ (ETB m 63).

Persönliche Empfehlungen: Empfehlungen bzw.Anregungen aus dem näheren Umfeld der Befrag-ten spielen Befunden der Repräsentativerhebungzufolge eine zentrale Rolle beim Zugang zu Wei-terbildungsveranstaltungen. Etwa die Hälfte derTeilnehmenden sind demzufolge durch die Emp-fehlungen von Vorgesetzten, Freunden, Verwand-ten oder Bekannten auf bestimmte Weiterbil-dungsangebote aufmerksam geworden. Ähnlicheszeigt sich auch in den Analysen der qualitativenInterviews: persönlichen Empfehlungen wird na-hezu über alle Milieus hinweg große Bedeutungbei der Information über mögliche Weiterbil-dungsangebote zugeschrieben. Während es inden Mainstreammilieus (BÜM, MAT) hauptsäch-lich Vorgesetzte sind, denen man bei der Informa-tion über Weiterbildungsmöglichkeiten vertraut,verweisen die Leitmilieus (ETB, PMA, PER) sowiedie hedonistischen Milieus (EXP, HED) auf Freun-de und Bekannte, die idealerweise über dieselben„Empfindungsparameter“ verfügen und als uner-lässliches Medium der Qualitätssicherung be-trachtet werden: „es wird schwer sein, sich ohne

Empfehlungen auf so etwas einzulassen“ (ETB m63); „das wirkt mehr als solche Balkendiagrammeoder Quoten“ (HED m 29). Anders sehen dies dietraditionellen Milieus der Konservativen, Traditi-onsverwurzelten und DDR-Nostalgischen. In die-sen durchschnittlich älteren Milieus verweist manauf die eigene Lebenserfahrung und Abgeklärt-heit. Das Aufnehmen geschweige denn die aktiveSuche nach Informationen über Weiterbildungs-angebote hat man aufgrund seines aktuellen unddurchaus zufrieden stellenden Kenntnisstandsschlichtweg nicht mehr nötig: „im beruflichen Be-reich braucht man ja keine Beratung, da weißman, wo man hingeht, das ist ja alles bekannt“(KON w 61).

Programmhefte, Kataloge: Neben „persönlichenEmpfehlungen“ werden auch Programmheftebzw. Kataloge zur Information über Weiterbil-dungsveranstaltungen genutzt. Besonders häufigwird hier – quer über alle Milieus – der Volks-hochschulkatalog als das Nachschlagewerk parexcellence genannt. Während man sich in dentraditionellen Milieus zumeist aus Vertrauen aufSolidität und Seriosität dem Angebot der Volks-hochschule zuwendet, steht im postmateriellensowie im experimentalistischen Milieu die Viel-seitigkeit der Angebote sowie die inhaltliche Brei-te der Veranstaltungen im Mittelpunkt der Be-trachtung. Konservative, aber auch Traditionsver-wurzelte aktualisieren ihr Wissen um Angebotevon bereits bekannten und altbewährten Anbie-tern durch den Blick „in solche Hefterl von Orga-nisationen“ (KON m 59), bspw. von Stiftungen,aber auch kirchlichen Veranstaltern. Insbesonde-re die Nutzung von Programmheften in Milieusmit einem durchschnittlich höheren Lebensalterstimmt mit den Befunden der Repräsentativerhe-bung überein: Auch hier scheinen ältere Weiter-bildungsteilnehmende über 65 Jahren vergleichs-weise häufig das Programmheft als zentrale Infor-mationsquelle zu nutzen. Die Vielfalt und Breitedes Angebotes, wie sie insbesondere im umfang-reichen VHS-Katalog deutlich zum Ausdruckkommt, kann allerdings – insbesondere in Mi-lieus, die sich klare und präzise Informationen er-bitten (ETB, PER) – abschreckend wirken: „alsoich hab ’nen Schock gekriegt, als ich die letzteAusgabe gesehen habe – da ist man dann zu faul,sich den ganzen Katalog durchzublättern“ (PER w25).

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5. Konsequenzen für ein milieuspezifisches Weiterbildungsmarketing

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Aufsuchende Bildungswerbung: Plakate, Post-wurfsendungen und Flyer als Prototypen eineraufsuchenden und in die Lebenswelt eindringen-den Kommunikationsstrategie wurden lediglich inden Unterschichtmilieus spontan und ungestütztals adäquate Werbemöglichkeiten genannt. Inden übrigen Milieus jedoch scheinen diese fastschon „klassischen“ Werbemöglichkeiten mit ei-ner gewissen Buntheit, Lautheit und Aufdringlich-keit verbunden („da fühlt man sich dann docheher verfolgt“, PER w 25; „damit kann ich mirschon die Wände zukleistern“, ETB m 50), diekaum mit der Ernsthaftigkeit des Themas Weiter-bildung zu vereinbaren sind („über Plakate ist dasGanze vielleicht zu übertrieben“, BÜM m 29).Darüber hinaus werden auch Distinktionsansprü-che in Form von Exklusivität deutlich. Befürch-tungen der Unseriosität werden vor allem in dentraditionellen Milieus (TRA, DDR, KON), aberauch von Gesprächspartnern aus den neuen Bun-desländern in verschiedenen Milieus geäußert:„wenn jemand so wirbt, dass er mir was in denBriefkasten reinwirft, dann denk’ ich mir, der hat’svielleicht nötig“ (KON w 61). Die eingeschränkteInformationsmöglichkeit über Plakate oder Falt-blätter beklagt man v. a. in den Leitmilieus. Hiererwartet man sich mehr als „nur einen Satz undeine Telefonnummer“ (BÜM w 28), denn „einbisschen detailliertere Information muss ichschon empfangen, um mich zu interessieren“(PMA m 25). In eben diesen Gruppen werdenauch Distinktionsansprüche deutlich: bei aufsu-chender Bildungswerbung, insbesondere an öf-fentlichen Plätzen, „fällt schon jede Exklusivitätraus“ (PER m 29), da ein breites Publikum ange-sprochen wird. Stattdessen plädiert man für ex-klusive Werbung bspw. in speziellen Fachzeit-schriften oder Internetforen, die lediglich von„qualifiziertem“ und „interessiertem“ Publikum(PER m 27) in Anspruch genommen werden.

Lediglich in den Unterschichtmilieus der Hedo-nisten und Konsum-Materialisten schätzt manPlakate, Flyer und Postwurfsendungen als Mög-lichkeit, auf Weiterbildung aufmerksam zu wer-den. Dabei steht die Einfachheit der Informationsowie das Eindringen der ansonsten mit Distanzbetrachteten „Welt der Bildung“ in die persönli-che Lebenswelt im Vordergrund. Besondere Be-achtung finden dabei Plakate, Aushänge und Bro-schüren in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Äm-tern, Supermärkten und Banken: „diese Präsenzmacht mich aufmerksam – die Leute suchen oft

nicht nach so was“ (MAT w 23). Statt detaillierterInformationen plädiert man vielmehr für eine„einfache Bildsprache und witzige Headlines“(HED m 29a), die die Thematik der Weiterbildungetwas lebhafter erscheinen lassen.

Lebensweltnähe beweisen auch die Medien „TV“und „Radio“, die Informationen über Weiterbil-dungsangebote gleichsam „ins Wohnzimmer“ lie-fern könnten. Diese Werbemöglichkeiten wurdenebenfalls lediglich von den Unterschichtmilieusthematisiert und angeregt: Zum einen könne mansich – so das doch eher bequeme und auf persön-liche Freiheiten ausgerichtete Milieu der Hedo-nisten – durch solche Art von Werbung regelrecht„berieseln lassen“ (HED m 29a), zum anderenwürde man damit auch nicht aktiv Suchende er-reichen: „warum ned mal im Fernsehen? Selbstder, der wo jetzt lethargisch da sitzt, sitzt irgend-wann mal am Tag mal fünf Minuten vor demFernseher“ (MAT m 41).

5.6 Preisbereitschaft

Ein weiteres Instrumentarium einer umfassendenMarketingstrategie ist die so genannte „Preispoli-tik“. Insbesondere innerhalb der öffentlich sub-ventionierten Weiterbildung stehen aktuell grund-sätzliche Fragen der Höhe der Preise, aber auchder Preisstaffelung und Preisdifferenzierung (vgl.Bernecker 2001) im Sinne der Bindung finanzstar-ker, aber auch der Integration finanziell schwä-cher gestellter Personen im Vordergrund. Dabeisollte die Preispolitik als Regulativ zur Erhöhungdes Kostendeckungsgrades dienen (vgl. Schöll1996). Neben dem Spannungsfeld zwischen Ei-genfinanzierung und des Beibehalts sozialverträg-licher Entgelte ergibt sich für die öffentlich verant-wortete Weiterbildung eine weitere Schwierig-keit: Die Zahlungs- oder Preisbereitschaft derAdressaten ist nur äußerst schwer zu ermitteln.Dies spiegelt sich nicht nur in den quantitativen,sondern auch in den qualitativen Befunden wi-der: Konkrete Angaben über maximal in Kauf ge-nommene Gebühren werden nur in den seltens-ten Fällen gemacht. Statt klaren Aussagen überdie Preisbereitschaft können so nur generelle Ten-denzen wiedergegeben werden. So zeigt sichbspw. im Milieu der Postmateriellen sowie derKonservativen ein deutliches Preis-Leistungsbe-wusstsein: „unverhältnismäßig hohe“ (PMA m 29)Preise, die zudem weniger aus der Leistung, als

5.6 Preisbereitschaft

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vielmehr aus dem Markt entstehen, ist man nichtgewillt zu bezahlen, während man bei einer klarabsehbaren „Kosten-Nutzen-Analyse“ (KON m66) auch gerne etwas tiefer in die Tasche greift. Inden stark leistungsorientierten Milieus der Moder-nen Performer sowie der Etablierten kennt manim Grunde „keine Schmerzgrenze, wenn mich et-was wirklich interessiert“ (PER m 30), denn „einordentliches Haus hat einen ordentlichen Preis“(ETB m 54). Auch in den hedonistischen Milieusder Experimentalisten und Hedonisten würdeman ohne Zögern aus dem Vollen schöpfen –wenn man denn genug Geld zur Verfügung hätte:„also wenn ich das Geld hätte, würde ich für je-de Information jeden Preis zahlen“ (HED m 25a);„da würd ich alles geben, was ich hab’, wenn ichdiesen Kurs machen wollen würde“ (EXP m 33).Dies zeigt sich auch bei Befunden der Repräsen-tativbefragung: 63 % der Weiterbildungsteilneh-menden aus dem hedonistischen Milieu wärenbereit, mehr Geld für eine weitere Maßnahme zuinvestieren. Interessanterweise würde man hier –anders als in den eher beruflich orientierten Mi-lieus – für „das Persönliche“ (EXP w 27b) wie z. B. Tai Chi oder Yoga mehr Geld aufwenden alsfür berufliche Zwecke. Wie das Unterschichtmi-lieu der Konsum-Materialisten und der Traditions-verwurzelten verfügen auch die Gesprächspartnerdes hedonistischen Milieus derzeit meist nur überein geringes Finanzpolster, dem bei der Entschei-dung für oder gegen eine Kursteilnahme großeBedeutung zukommt: „im Moment könnt’ ichwirklich gar nichts zahlen, weil im Moment binich wirklich ein armer Hund“ (MAT m 22); „ichnehm’ überall teil, wo es nichts kostet“ (TRA w75). Dabei gilt für die Vertreter des konsum-mate-rialistischen, aber auch des traditionsverwurzel-ten Milieus der Preis einer Weiterbildungsveran-staltung als relevantes Auswahlkriterium: „derPreis entscheidet“ (TRA m 67).

5.7 Relevante Auswahlkriterien

Für den Entwurf einer zielgruppenspezifischenMarketingstrategie ist es erforderlich, Informati-onen über die jeweils relevanten Auswahlkriterienzwischen verschiedenen Kursangeboten zu erhal-ten. Welche Kriterien sind bspw. für die stark be-ruflich orientierten Milieus der Etablierten sowieder modernen Performer für die Teilnahme oderNichtteilnahme an einem bestimmten Kursange-bot ausschlaggebend? Nach welchen Gesichts-

punkten urteilen die traditionellen Milieus, wennsie nach adäquaten Weiterbildungsangeboten su-chen? Wann empfinden Angehörige der breitenBürgerlichen Mitte einen Kurs als für sie relevantund passend? Zu den wichtigsten subjektivenAuswahlkriterien für die Kursauswahl gehörennach unseren Interviews folgende Dimensionen:Inhalt, Methode, Preis, Dozent, Image des Anbie-ters, Entfernung des Veranstaltungsortes und Wei-terbildungsdauer.

Wie bereits im Abschnitt zur Preisbereitschaft ver-deutlicht, spielt der Preis einer Veranstaltung trotzder Einstufung als „Fluchtkategorie“ eine bedeu-tende Rolle bei der Entscheidung für oder gegeneine Kursteilnahme. Insbesondere in den Unter-schichtmilieus (TRA, MAT, HED) gilt der Preis inAnbetracht der eigenen finanziellen Möglichkei-ten als wichtigstes Auswahlkriterium. Hier findensich auch die Ergebnisse der Münchner Studie be-stätigt: Die finanziellen Aufwendungen stelleninsbesondere für die Angehörigen von Unter-schichtmilieus mit schlechter dotierten Positioneneine bedeutende Weiterbildungsbarriere dar (vgl.Tippelt u. a. 2003).

Auch der Dozent wird häufig als bedeutendesAuswahlkriterium genannt. Im Vordergrund ste-hen hier Reputation, Qualifikation, Referenzen,aber auch didaktische Fähigkeiten sowie die Per-sönlichkeit des Dozenten. Während Konservati-ve, Etablierte und auch DDR-Nostalgische die Re-putation des Referenten als zentrales Auswahlkri-terium formulieren („ist das jemand, den man sichanhören sollte?“, KON m 64 a), bauen die Ange-hörigen der Bürgerlichen Mitte sowie der Postma-teriellen pragmatischer auf fachliche Qualifikati-onen und Referenzen. Die Persönlichkeit des Do-zenten wird vor allem in den Unterschicht- undden hedonistischen Milieus als ausschlaggeben-des Kriterium thematisiert. Während die Konsum-Materialisten auf Lebensweltnähe, Vertrauen undKameradschaftlichkeit setzen, plädieren Experi-mentalisten und Hedonisten für einen Dozentenmit individueller Ausstrahlung und Persönlich-keit. Ähnlich äußern sich die ausländischenGruppendiskussionsteilnehmenden; von zentralerBedeutung zur Schaffung einer angenehmenLernatmosphäre ist aus ihrer Sicht zum einen dieNähe des Dozenten: dieser sollte die Teilnehmen-den „wie einen Freund behandeln ... dass ich mitein Problem zu meinem Lehrer gehe und derkann mir helfen“. Zum anderen sollte er mit Ge-

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duld auch auf die Langsamsten eingehen: „allewissen’s, nur der eine Schüler verstehts nicht.Dann soll er ihm’s auch erklären, damit er mitzie-hen kann“.

Das Auswahlkriterium „Image des Veranstalters“spielt in den traditionellen Milieus eine besonderszentrale Rolle. Mit ihrem schon festgelegten Mei-nungs- und Einstellungsbild sowie ihrer Lebenser-fahrung haben sich die Vertreter der traditionellenMilieus (KON, TRA, DDR) längst für „ihre“ Anbie-ter entschieden. Seriosität, Solidität und Bekannt-heitsgrad der jeweiligen Institutionen entscheidenüber die Teilnahme oder Nichtteilnahme an Wei-terbildungsangeboten. Besonders häufig kommtman hier auf institutionelle Anbieter wie bspw.die VHS – sozusagen als Prototyp des seriösenund bekannten Anbieters – zu sprechen: „da wür-de ich immer die nehmen, die auch bekannt sindund wo ich Vertrauen dazu habe. Ich habe da im-mer die Volkshochschule im Blick“ (TRA m 67);„ich würde eben bei der VHS bleiben“ (DDR m 79).

Auch inhaltliche bzw. themenspezifische Aspektetragen zur Entscheidung zwischen zwei Kursan-geboten bei. So sind es insbesondere die Angehö-rigen von Oberschichtmilieus, die sich stark amInhalt des Weiterbildungsangebotes orientierenund auch den Ankündigungstext zu interpretierenwissen: „da genügt manchmal schon eine klareThemenformulierung, da weiß ich, was inhaltlichgeboten wird“ (KON m 69).

In den Gruppendiskussionen zeigte sich, dass ge-rade ältere Weiterbildungsinteressierte oftmalsbesonderen Wert auf die Altershomogenität derTeilnehmerschaft legen. Zum einen erhofft mansich, dass in einem altershomogenen Kurs dasLerntempo der Teilnehmenden besser berücksich-tigt wird („gerade wir, die vom Turnen kommen,ich sag immer ‚Gruftiaerobik’, da möchte ichnicht mit 20-, 30-Jährigen zusammen sein“). Zumanderen schätzt man die Zuverlässigkeit Älterer,die die Fortführung eines Seminars gewährleistenkann: „Bei den Senioren weiß man, im Allgemei-nen sind die zuverlässig, die kommen auch undder Kursus bleibt oft über viele Jahre erhalten“.

Ob man sich – trotz ähnlichen Inhalts – für KursA oder Kurs B entscheidet, hängt nicht zuletzt vonder jeweiligen Passung zwischen angebotenenund zur Verfügung stehenden Zeitfenstern ab. Diezeitliche Gestaltung von Kursen stellt dabei einen

zentralen Bestandteil der so genannten Distributi-onspolitik (vgl. Bernecker 2001) dar. So könnenbspw. pragmatische Aspekte wie eine notwendigeKinderbetreuung, aber auch die Vereinbarkeit mitfestgelegten und unflexiblen Arbeitszeiten vonder Teilnahme an bestimmten Kursangeboten ab-halten. Besonders deutlich wird dieses Auswahl-kriterium in den Mainstreammilieus der Bürgerli-chen Mitte sowie der Traditionsverwurzelten: „obich das irgendwie mit meinen Arbeitszeiten inVerbindung kriege“ (BÜM w 28a); „wenn ich weiß,da hab’ ich niemanden für’s Kind“ (BÜM w 27).

Unter „zeitliche Gestaltung“ fällt auch die Dauerder jeweiligen Maßnahme: Insbesondere in denstark familienorientierten Milieus der Konservati-ven, der Bürgerlichen Mitte sowie der Traditions-verwurzelten lehnt man deshalb eine Teilnahmean Kursen, die die der Familie gewidmete Freizeitallzu sehr beschneiden würden, kategorisch ab:„Ich würd’ den Kurs schon mal nicht auf’s Wo-chenende legen, da ist mir einfach die Familie zukostbar“ (KON w 68); „eigentlich sollte das dannnicht am Wochenende sein, das würde michdann schon wieder stören“ (BÜM m 27).

Die Organisationsform einer Weiterbildungsmaß-nahme ist ebenfalls ein wichtiges didaktischesHandlungsfeld. So lehnt man insbesondere in denmodernen Milieus (PER, EXP, PMA) regelmäßigeVerpflichtungen zugunsten von Blockveranstal-tungen eher ab: „ich würd gucken, wie liegt dieZeit, ist das ein Blockkurs oder ist es über mehre-re Wochen gestreckt – ich würde mich für denBlockkurs entscheiden“ (PMA m 29); „Intensiv-und Blockseminare, in denen man in relativ kur-zer Zeit sehr kompaktes Wissen vermittelt be-kommt“ (PER m 28).

In enger Verbindung mit den Zeitfenstern steht einweiterer Aspekt der Distributionspolitik: die Ent-fernung des Veranstaltungsortes. Die Maxime „jenäher, desto besser“ erweist sich verständlicher-weise über alle Milieus hinweg als bedeutsam fürdie Entscheidung zwischen zwei ähnlichen Kurs-angeboten.

Die augenscheinliche (berufliche) Verwertbarkeitsowie der Nutzenaspekt einer Weiterbildungs-maßnahme stellt ein weiteres zentrales Auswahl-kriterium dar. Dieser Befund stimmt mit den Er-gebnissen der Repräsentativerhebung sowie mitweiteren Studien zum Teilnahmeverhalten über-

5.7 Relevante Auswahlkriterien

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ein: Auch hier erwies sich ein mangelnder Ver-wertungsaspekt bzw. eine fehlende Nutzenerwar-tung als zentrale Weiterbildungsbarriere (vgl. Bar-deleben u. a. 1996; Bolder u. a. 1994). Insbeson-dere für die Mainstreammilieus scheint der kon-krete Verweis auf den beruflichen Verwertungs-aspekt unabdinglich: „dass egal, bei wem ich wasmache, dass danach das Zeugnis, das Zertifikatanerkannt wird“ (MAT m 41); „so jetzt auf’s Blauehinaus muss ich das jetzt nicht machen. Das musssich schon konkret irgendwo niederschlagen“(BÜM m 45). Nicht nur die Verwertbarkeit in be-ruflicher Hinsicht, sondern auch der Nutzen-aspekt für das persönliche Vorankommen stellt indiesem Kontext ein bedeutendes Auswahlkriteri-um dar.

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5. Konsequenzen für ein milieuspezifisches Weiterbildungsmarketing

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6. Didaktische Hinweise für eine milieuspezifische

Angebots- und Programmplanung

Zielgruppenorientierte Weiterbildungskonzepte, die durch die bewusstedidaktisch-methodische Gestaltung einen effizienten und kundenorientier-ten Wissens- und Kompetenzerwerb ermöglichen, sind also nicht mehr nureine abstrakte Forderung. Sie lassen sich auf der Basis unserer Befundeauch anhand konkreter milieuspezifischer Erfordernisse formulieren. Ab-schließend werden daher aus unserer Studie ableitbare didaktische Hin-weise für eine milieuspezifische Angebots- und Programmplanung gege-ben, die in die Form von Merklisten gebracht wurden.4 Welche Hinweisekönnen für die Kursplanung gegeben werden? Welche Methoden macheneinen Kurs erst wirklich interessant und mit welcher Didaktik lernen Kurs-teilnehmende am meisten? Wie sollte ein Dozent qualifiziert sein, damit ervon Kursteilnehmenden akzeptiert wird? Was ist zur zeitlichen Gestaltungfestzuhalten? Welche Hinweise zum Tagungsort und zur Preisgestaltunglassen sich geben? Wie sollte Werbung und Information erfolgen?

Die Qualität einer Weiterbildungsveranstaltung ist in den verschiedenensozialen Milieus zwar an ähnliche Dimensionen gebunden, die konkretenAuswahl- und Entscheidungskriterien allerdings sind durchaus unter-schiedlich – manchmal sogar entgegengesetzt.

4 Ergänzend können die Materialien des Webauftritts herangezogen werden (www.zielgruppen-

portfolio-weiterbildung.de). Die Einstellungen der einzelnen Milieus zu Medien, Werbung,

Weiterbildungsberatung, Kosten und relevanten Auswahlkriterien werden dort am Beispiel typi-

scher Aussagen für alle zehn Milieus entfaltet. Sie entstammen den Interviews und werden dort

aus den Transkriptionen zitiert (interne Zitationsangaben des Forschungsprojektes).

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6. Didaktische Hinweise für eine milieuspezifische Angebots- und Programmplanung

Hinweise für die Kursplanung:

Interesse an berufsbezogener und/oder kultureller WeiterbildungPräferenz hoch spezialisierter, renommierter und privater AnbieterAblehnung öffentlicher Träger und EinrichtungenSichtbarmachen der Qualifikation und Reputation des DozentenKlar definierte, homogene und hoch motivierte TeilnehmerschaftEindeutige Lernzieldefinition

Hinweise für die didaktische Gestaltung:

Höchste fachliche Qualifikation des Dozenten Professionalität des Methodeneinsatzes; keine Experimente Stringentes, rasches LerntempoInhaltsorientierung auf hohem fachlichen NiveauRaum für selbstgesteuerte LernprozesseInteresse am Aufbau von Netzwerken und fachlichem Austausch (Erwerb von „Querkompetenz“) Ablehnung weltanschaulich und ideologisch geprägter Anbieter

Hinweise zum zeitlichen Rahmen:

Keine Besonderheiten

Hinweise zum Tagungsort:

Höchste Ansprüche an Ambiente und Komfort („Urlaubsqualität“)Gehobene Ausstattung und modernste Technik sind Selbstverständlich-keiten

Hinweise für die Preisgestaltung:

Preis ist NebensacheHochpreisigkeit als Indikator für Qualität und Komfort

Hinweise für Werbung und Ansprache:

Gezielte und exklusive Ansprache mit klaren, nüchternen InformationenVermeiden aufsuchender, ein breites Publikum ansprechender Bildungs-werbung

6.1.Etablierte

Gesellschaftliches

Leitmilieu

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6.2 Postmaterielle

Hinweise für die Kursplanung:

Tiefes und breites, intrinsisch motiviertes Lerninteresse sowohl im beruf-lichen als auch im gesundheits-, persönlichkeitsbildenden oder kulturellenBereichOffenheit für Alternatives und UnkonventionellesKlare Inhalts- und Zieldefinition in der KursausschreibungWeitgehende Unvoreingenommenheit hinsichtlich öffentlicher, aber auchprivater Anbieter

Hinweise für die didaktische Gestaltung:

Höchste Ansprüche an fachliche und pädagogische Qualifikationen desDozentenOffenheit für innovative, interaktive LehrmethodenFörderung selbstgesteuerter und gruppendynamischer LernprozesseWertschätzung von Anregungen zur autodidaktischen Vertiefung derThematik

Hinweise zum zeitlichen Rahmen:

Präferenz von BlockseminarenAufgrund der zeitlichen Belastung ungern wöchentlich stattfindendeKurse

Hinweise zum Tagungsort:

Gute Erreichbarkeit auch mit dem öffentlichen NahverkehrZentrale Lage oder Tagungsort „im Grünen“ mit entsprechenden FreizeitmöglichkeitenGeringe Bedeutung von Luxus und KomfortWertschätzung eines angenehmen, stilvollen Ambientes

Hinweise für die Preisgestaltung:

Preis spielt bei der Veranstaltungswahl eine untergeordnete RolleAusgeprägtes Preis-Leistungsbewusstsein; fehlendes Verständnis für ausdem Markt generierte Preise

Hinweise für Werbung und Ansprache:

Skepsis gegenüber Werbung und VermarktungInteresse an detaillierten Ausschreibungen und ProgrammheftenRege Nutzung von Informationspools in Form von Datenbanken, Zeitschriften usw.Geringe Orientierung am „Image“ von Anbietern; eigene Erfahrungenbilden die Urteilsbasis

6.2Postmaterielle

Gesellschaftliches

Leitmilieu

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6. Didaktische Hinweise für eine milieuspezifische Angebots- und Programmplanung

Hinweise für die Kursplanung:

Hohe Leistungsbereitschaft und -fähigkeitSelbstverständnis als trendsetzende Avantgarde: entsprechend brandak-tuelle und zukunftsträchtige ThemenpräferenzenKaum Trennung von Beruf und Freizeit Präferenz individualisierter und informeller Formen der WeiterbildungExklusivität und leistungsbezogene Homogenität in Bezug auf die Teil-nehmergruppe

Hinweise für die didaktische Gestaltung:

Berufliche Weiterbildung: zügige und stringente Wissensvermittlung„ohne Schnörkel“Allgemeine Weiterbildung: Wertschätzung von interaktiven, abwechs-lungsreichen und spielerischen Aneignungsformen („Workshopatmos-phäre“)Vielfältiger MedieneinsatzKleine, homogene TeilnehmerschaftHohe LernzielorientierungHöchste Ansprüche an die Fachqualifikation des Dozenten

Hinweise zum zeitlichen Rahmen:

Wunsch nach Zeitsouveränität und FlexibilitätPräferenz von Block- und Intensivseminaren zur effizienten Wissensver-mittlungThemenspezifische Bereitschaft zur Regelmäßigkeit (z. B. bei Sprachkursen)

Hinweise zum Tagungsort:

Präferenz eines ausgefallenen, „besonderen“ Ambientes Bei mehrtägigen Seminaren breites, individuell nutzbares FreizeitangebotRaum für Kommunikation und informellen Austausch in der GruppeBei ansprechendem Angebot spielt die Entfernung keine Rolle

Hinweise für die Preisgestaltung:

Hohe Bereitschaft für die Inanspruchnahme hochpreisiger Angebote

Hinweise für Werbung und Ansprache:

Wunsch nach exklusiver, individueller und professioneller AnspracheHoher Stellenwert von Mundpropaganda im beruflichen und privatenUmfeldPräferenz übersichtlicher und für ausgewähltes Publikum leicht zugäng-licher Informationspools

6.3Moderne Performer

Gesellschaftliches

Leitmilieu

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6.4 Konservative

Hinweise für die Kursplanung:

Starke Affinität zu selbstorganisierten Formen des Lernens: Literatur,„Genuss von Kulturereignissen“Präferenz von Themen Allgemeiner Weiterbildung: Kultur, Philosophie,Ökologie ...Teilweise rigide Abgrenzung von Moden und Trends Distanz zu psychologisch-therapeutisch, esoterisch bzw. gruppendyna-misch anmutenden Kurstiteln und -angebotenDetaillierte VorabinformationWunsch nach Privatheit: Präferenz statushomogener Gruppen

Hinweise für die didaktische Gestaltung:

Starke Dozentenzentrierung: Persönlichkeit, Reputation, Ausstrahlung Suchen nach informellen Kontakten eher außerhalb des KursgeschehensDem Altersdurchschnitt angepasstes Lerntempo, Wiederholungen und Zusammenfassungen Hoher Stellenwert von Inhaltsorientierung und Wissensvermittlung Präferenz klassischer Vortrags- und Seminarmethoden

Hinweise zum zeitlichen Rahmen:

Eher vormittags, weniger AbendveranstaltungenBlockseminare und einmalige Veranstaltungen

Hinweise zum Tagungsort:

Anfahrt unter einer halben StundeErreichbarkeit mit öffentlichen VerkehrsmittelnGepflegtes Ambiente; distinguierter äußerer Rahmen Konzentration auf bekannte, renommierte und damit seriöse Anbieter (z. B. öffentliche Einrichtungen oder Kirchen)Loyalität zu bereits bekannten und bewährten Anbietern

Hinweise für die Preisgestaltung/Gebühren:

Ausgeprägtes Qualitäts-/Leistungs-Bewusstsein Orientierung an Preismodellen institutioneller AnbieterPreis als Indikator der Seriosität: je teurer, desto unseriöser

Hinweise für Werbung und Ansprache:

Ablehnung von aufsuchender BildungswerbungDetaillierte Information durch vertraute, seriöse Anbieter

6.4Konservative

Traditionelles Milieu

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6. Didaktische Hinweise für eine milieuspezifische Angebots- und Programmplanung

Hinweise für die Kursplanung:

Präferenz von Themen mit pragmatischem, alltagsbezogenem Verwer-tungsaspektPraxisbezug, Bodenständigkeit, Umsetzbarkeit und Lebensweltnähe Ausrichtung an milieutypischen Interessen und HobbiesVHS-Kurse als „Prototyp“ gern besuchter WeiterbildungsveranstaltungenWunsch nach einer leistungsbezogen homogenen Teilnehmerschaft (Angstvor Überforderung)

Hinweise für die didaktische Gestaltung:

Dem Alter und Bildungsniveau angepasste Kursinhalte und Lernge-schwindigkeitGeselligkeit, Gruppenzusammenhalt und Kontaktknüpfen haben Vorrangvor LeistungIndividuelle und einfühlsame Betreuung durch den DozentenPräferenz von Gruppenarbeit und Möglichkeit der gegenseitigen Unter-stützung

Hinweise zum zeitlichen Rahmen:

Präferenz der NachmittagsstundenBegrenzter zeitlicher Rahmen einzelner Sitzungen

Hinweise zum Tagungsort:

Wertschätzung von Praktikabilität, Funktionalität und QualitätÜbersichtlicher, privater und gemütlicher Rahmen der KurseWahrung von Minimalstandards: Sauberkeit und OrdnungOft geringe Mobilität (leichte Erreichbarkeit)

Hinweise zu Preisgestaltung/Gebühren:

Dem schmalen Budget angepasste Preise

Hinweise für Werbung und Ansprache:

Ablehnung von aufsuchender Werbung wie Postwurfsendungen Hohe Wertschätzung des übersichtlichen und detaillierten VHS-KatalogesOrientierung an persönlicher Beratung vor Ort (auch per Telefon)Verdeutlichung des Verwertungs- und Alltagsbezugs bereits in der Ankündigung

6.5Traditionsverwurzelte

Traditionelles Milieu

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6.6 DDR-Nostalgische

Hinweise für die Kursplanung:

Ausgeprägtes Interesse an berufsrelevanter WeiterbildungIntrinsische Motivation, tiefes WeiterbildungsinteresseDer eigenen Einstellung entsprechende Angebote politischer BildungAblehnung modischer, konsumintensiver „westlicher“ Trends (z. B. Kursezur Persönlichkeitsentwicklung)

Hinweise für die didaktische Gestaltung:

Praxisbezug und AnwendungsorientierungOrientierung an der Reputation des DozentenAblehnung von Extravaganz und SelbstdarstellungPräferenz mediengestützten FrontalunterrichtsHomogene Lebenswelt der Teilnehmerschaft, bevorzugt aus den neuenBundesländern

Hinweise zum zeitlichen Rahmen:

Keine Besonderheiten

Hinweise zum Tagungsort:

Ablehnung alles Übertriebenen und ExklusivenOrientierung an Praktikabilität und FunktionalitätBereitschaft, auch weitere Entfernungen in Kauf zu nehmenBevorzugung öffentlicher, ideologisch der eigenen Einstellung entspre-chender Anbieter Ausgeprägte Skepsis gegenüber privaten Anbietern

Hinweise für die Preisgestaltung:

Ausgeprägtes Preis-Leistungsbewusstsein, SparsamkeitGeringe Konsumbereitschaft und Investitionsfreude

Hinweise für Werbung und Ansprache:

Orientierung an Mundpropaganda und persönlichem Umfeld (regionaleAngebote, betriebliche Informationen)Eigenständige Recherche im InternetVertrauen in regionale Angebote und Informationen (Radio, Anzeigen-blätter)

6.6DDR-Nostalgische

Traditionelles Milieu

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6. Didaktische Hinweise für eine milieuspezifische Angebots- und Programmplanung

Hinweise für die Kursplanung:

Offensichtlichkeit der beruflichen Relevanz und der späteren Verwertbar-keit von AngebotenAn aktuellen Trends ausgerichtete KurstitelKlare ZielformulierungWunsch nach Zertifizierung und Anerkennung der besuchten Veranstal-tungen

Hinweise für die didaktische Gestaltung:

Präferenz von Vorträgen bei gleichzeitiger Offenheit für Methodenviel-faltIndividuelle Betreuung und Zuwendung durch den DozentenFachwissen und Souveränität des KursleitersIm aufstiegsorientierten Segment: Inhalts- und LernzielorientierungIm familienorientierten Segment: Freiraum für Geselligkeit und „Kontakte-Knüpfen“; Spaß und Entspannung

Hinweise zum zeitlichen Rahmen:

Familiäre und berufliche Verpflichtungen: Kursende bis 21 Uhr, Kursbe-ginn ab 19.30 Uhr (wochentags)„wohldosierte“ Kursdauer (nicht mehr als drei Stunden am Stück)Präferenz von regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen

Hinweise zum Tagungsort:

Geringe Bereitschaft, längere Anfahrtswege in Kauf zu nehmenHelle und gepflegte RäumlichkeitenSolide GrundausstattungAblehnung von SchulklassenzimmernSport- und Wellnessangebote sind verzichtbar

Hinweise für die Preisgestaltung:

Akzeptanz gehobener Preise bei offensichtlicher beruflicher Verwertbar-keitDeutlich niedrigere Gebühren bei Veranstaltungen Allgemeiner Weiter-bildung Preis als relevantes Auswahlkriterium zwischen zwei Angeboten

Hinweise für Werbung und Ansprache:

Hervorheben beruflicher Relevanz und VerwertbarkeitInformation am Arbeitsplatz: Vorgesetzter, schwarzes Brett, Broschüren

6.7Bürgerliche Mitte

Mainstreammilieu

studie die_bd_1 12.10.2004 11:41 Uhr Seite 184

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6.8 Konsum-Materialisten

Hinweise für die Kursplanung:

Erhebliche Schwellen- und PrüfungsängsteHohe Verwertungsorientierung im beruflichen BereichTeilnahme oftmals von außen aufoktroyiert (Arbeitsamt)Negative prägende Bildungserfahrungen; Lernschwierigkeiten, Desinte-resse

Hinweise für die didaktische Gestaltung:

Berücksichtigung der geringen und oft negativen LernerfahrungLangsames Lerntempo Skepsis hinsichtlich wenig vertrauter Methoden (z. B. Rollenspiele)Homogenität und Lebensweltnähe der TeilnehmerschaftFreundlichkeit, Kameradschaftlichkeit und Geduld des DozentenMäßige LernzielorientierungVermeidung von ÜberforderungssituationenGeringe Bereitschaft zu selbstgesteuerten Lernprozessen (z. B. Nachbe-reitung)Bedürfnis nach Kommunikation und persönlichen Kontakten

Hinweise zum zeitlichen Rahmen:

Begrenzte Kurszeiten, Einhaltung von Pausen

Hinweise zum Tagungsort:

Kurze FahrzeitenGute öffentliche Erreichbarkeit, oftmals geringe private MobilitätAngenehmes, zwecktaugliches AmbienteVermeiden von Schulatmosphäre (Klassenzimmer, Sitzanordnung ...)

Hinweise für die Preisgestaltung:

Preis als zentrale TeilnahmebarriereFehlende Finanzierungsmöglichkeiten und -bereitschaft

Hinweise für Werbung und Ansprache:

Aufsuchende Bildungswerbung inmitten der persönlichen LebensweltKeine selbstständige InformationssucheOrientierung an Mundpropaganda; Hinführen an Weiterbildungsveran-staltungen durch VertrauenspersonKeinerlei Übersicht über den Weiterbildungsmarkt

6.8Konsum-Materialisten

Mainstreammilieu

studie die_bd_1 12.10.2004 11:41 Uhr Seite 185

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6. Didaktische Hinweise für eine milieuspezifische Angebots- und Programmplanung

Hinweise für die Kursplanung:

Äußerst breit gestreutes ThemeninteresseGeringes Interesse an beruflicher Verwertbarkeit, kein AufwärtsstrebenIntrinsische Motivation: Entfaltung und Entwicklung der PersönlichkeitBreit gefächertes Interesse; ExperimentierfreudeOftmals Ausweichen auf informelle AneignungsformenEher geringeres Durchhaltevermögen; Bequemlichkeit

Hinweise für die didaktische Gestaltung:

Bevorzugung problemorientierten oder projektbezogenen LernensFörderung informeller LernprozesseZentrale Bedeutung der Lerngruppe: Interaktion und GruppendynamikWertschätzung einer heterogenen und hoch motivierten Teilnehmer-schaftSpaß und Erlebnisorientierung im LernprozessHohe Ansprüche an persönliche Eigenschaften des Dozenten: Motiva-tion, Begeisterungsfähigkeit, Ausstrahlung ...Vermeidung von Schulatmosphäre und Theorielastigkeit

Hinweise zum zeitlichen Rahmen:

Wertschätzung zeitlicher Ungebundenheit und flexibler Zeiteinteilung Präferenz von BlockveranstaltungenIm beruflichen Bereich Präferenz für Kurse während der Arbeitszeit

Hinweise zum Tagungsort:

Hohe Wertschätzung einer bequemen und raschen ErreichbarkeitRaum für Kontaktpflege im informellen Rahmen

Hinweise für die Preisgestaltung:

Investitionsfreude im privaten, allgemein bildenden BereichErwartung der betrieblichen (Mit-)Finanzierung bei Beruflicher Weiter-bildung

Hinweise für Werbung und Ansprache:

Selbstständige Informationssuche über Programmhefte und InternetforenWertschätzung einer sachlichen und inhaltsorientierten Aufbereitung;Ablehnung von Übertriebenem und SchrillemAnregung durch Angebotsvielfalt; z. B. im VHS-Katalog

6.9Experimentalisten

Hedonistisches Milieu

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6.10 Hedonisten

Hinweise für die Kursplanung:

Oftmals von außen aufoktroyierte Teilnahme an Beruflicher Weiterbil-dungStarkes Bedürfnis nach Spaß, Spannung und intensiven Erlebnissen Intrinsische Motivation im Special-Interest-Bereich: EDV, Internet, Kunst Unkonventionalität und Freiheitsliebe; teilweise bewusste Bildungs-abstinenzBequemlichkeit, hohe AbbrecherquotenOffenheit für informelle Formen der Weiterbildung: Lernen im Freundes-kreis

Hinweise für die didaktische Gestaltung:

Lebensweltnähe von Dozent und TeilnehmerschaftToleranz, Unvoreingenommenheit und Akzeptanz durch den DozentenVermeidung von Frontalunterricht, Hierarchisierung, Theorielastigkeitund SchulatmosphäreSpaß- und Erlebnisorientierung des UnterrichtsErmöglichung spannender, praxisnaher und ganzheitlicher Lernerfah-rungenMäßige Lernzielorientierung

Hinweise zum zeitlichen Rahmen:

Bedürfnis nach Zeitsouveränität und FlexibilitätProjektbezogene WeiterbildungsangeboteAufgrund der Freizeitorientierung keine AbendveranstaltungenNach Möglichkeit Angebote während der Arbeitszeit

Hinweise zum Tagungsort:

Bevorzugung eines „Wohlfühlambientes“Abwechslung: körperliche Betätigung oder Entspannung zwischen denKurseinheiten

Hinweise für die Preisgestaltung:

Betriebliche oder öffentliche FinanzierungGeringe Investitionsbereitschaft und -möglichkeitenAlternative Investitionsprioritäten (z. B. Freizeitaktivitäten)

Hinweise für Werbung und Ansprache:

Hoher Stellenwert von Mundpropaganda im Freundes- und Bekannten-kreis Präferenz aufsuchender, direkt in der Lebenswelt platzierter WerbungWitzige und spritzige Information: Weiterbildung muss Spaß machen

6.10Hedonisten

Hedonistisches Milieu

studie die_bd_1 12.10.2004 11:41 Uhr Seite 187

Online: http://www.die-bonn.de/doks/2004-weiterbildungsverhalten-01.pdf

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Literatur

studie die_bd_1 12.10.2004 11:41 Uhr Seite 188

Online: http://www.die-bonn.de/doks/2004-weiterbildungsverhalten-01.pdf

189

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Herausgeber/Autoren

Dr. Heiner Barz, Prof. für Erziehungswissenschaft, Leiter der Abteilung für Bildungsforschung ander Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Dr. Rudolf Tippelt, Prof. und Lehrstuhlinhaber für Allgemeine Pädagogik und Bildungsforschung inder Fakultät für Psychologie und Pädagogik an der Ludwig-Maximilians-Universität München

Autorinnen

Doris Drexl, M.A., Projektmitarbeiterin, jetzt wissenschaftliche Mitarbeiterin am Staatsinstitut fürSchulpädagogik und Bildungsforschung München

Sylva Panyr, M.A., Projektmitarbeiterin, jetzt wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl fürSchulpädagogik in der Fakultät für Psychologie und Pädagogik an der Ludwig-Maximilians- Universität München

Jutta Reich, M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Allgemeine Pädagogik undBildungsforschung in der Fakultät für Psychologie und Pädagogik an der Ludwig-Maximilians-Universität München

Herausgeber und Autor/inn/en

studie die_bd_1 12.10.2004 11:41 Uhr Seite 190

Online: http://www.die-bonn.de/doks/2004-weiterbildungsverhalten-01.pdf

Ihre Bestellmöglichkeiten: W. Bertelsmann Verlag, Postfach 10 06 33, 33506 Bielefeld, Tel.: (05 21) 9 11 01-11Fax: (05 21) 9 11 01-19, E-Mail: [email protected], Internet: http://shop.wbv.de

W. Bertelsmann Verlag Fachverlag für Bildung und Beruf

Kompetenz für Kursleitende

Kursleitung an VolkshochschulenReihe: Perspektive Praxis

Hannelore Bastian, Ekkehard

Nuissl, Klaus Meisel, Antje v. Rein

2. überarb. und aktualisierte AuflageBielefeld 2004, 112 Seiten, 12,90 €isbn 3-7639-1895-7Best.-Nr. 43/0022

Kursleitende in Einrichtungen derErwachsenenbildung kommen ausunterschiedlichen Handlungsbe-reichen und Disziplinen. Nebenihren jeweiligen fachspezifischenKenntnissen erfordert ihre Tätig-keit vor allem auch didaktisch-methodische Kompetenzen undEinblicke in organisationale Kon-texte von Bildungseinrichtungen.Dieser als Einführung konzipierteBand gibt einen Überblick überdas Berufsfeld und die Herausfor-derungen rund um Planung,Durchführung und Auswertungvon Lehr-Lern-Settings für Er-wachsene. Das Standardwerk istvollständig überarbeitet und aktu-alisiert. Eingearbeitet wurden u. a.neuere Entwicklungen im BereichLerntheorie, Selbststeuerung undder Professionalisierungsdebatte.

Theorien für die PraxisReihe: Studientexte für Erwachsenenbildung

Horst Siebert

Bielefeld 2004, 128 Seiten, 17,90 €isbn 3-7639-1897-3Best.-Nr. 42/0013

Das Verhältnis von Theorie undPraxis in der Erwachsenenbildungist oft nicht spannungsfrei. Hierwill dieser Studientext eine Brückebauen. Der Autor zeigt verschie-dene in der Erwachsenenbildunggängige Theorieansätze auf, ver-ortet sie hinsichtlich Herkunft undReichweite und verweist auf ihreBedeutung für eine selbstkritischeReflexion allzu routinierter Praxis.Der Band weckt bei Studierendenals auch erfahrenen Fachkräftendas Interesse an mehr theoretischerAuseinandersetzung, was nichtzuletzt dem eigenen professionel-len Handeln und damit der Qua-lität in der Weiterbildung zugutekommt.

Methoden für die BildungsarbeitLeitfaden für aktivierendesLehrenReihe: Perspektive Praxis

Horst Siebert

Bielefeld 2004, 104 Seiten, 12,90 €isbn 3-7639-1901-5Best-Nr. 43/0024

Der Methodenleitfaden vermit-telt einen umfassenden Überblicküber das vielseitige methodischeHandwerkszeug in der außer-schulischen Bildungsarbeit. Ge-gliedert nach den wichtigstenHandlungsfeldern beschreibtHorst Siebert vorrangig aktivie-rende, subjektorientierte Metho-den, die gezielt die Kompetenzenund Ressourcen der Teilnehmen-den mit in den Blick nehmen.Kursleitende in der Erwachsenen-bildung erhalten nicht nur Orien-tierung, sondern eine Vielzahlvon Anregungen und Impulsenfür die Gestaltung von Lehr-Lern-Prozessen.

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W. Bertelsmann Verlag Fachverlag für Bildung und Beruf

Weiterbildung und soziale Milieus

Wie sind Weiterbildungsinteressen und Weiterbildungs-

verhalten in Deutschland zu Beginn des 21. Jahrhun-

derts ausgeprägt? Wer nimmt an Weiterbildung teil –

und warum? Wer nimmt nicht teil – und warum nicht?

Was wünscht sich die Bevölkerung von den Anbietern?

Diesen Fragen widmet sich der Doppelband „Weiterbil-dung und soziale Milieus in Deutschland“ mit einemInstrumentarium, das regional, soziodemografisch undlebensstilbezogen differenziert unter Rückgriff auf dasSINUS-Modell sozialer Milieus. Die Arbeit basiert aufder vom Bundesministerium für Bildung und Forschunggeförderten Untersuchung über die Nachfrageseite desdeutschen Weiterbildungsmarktes (»Soziale und regio-nale Differenzierung von Weiterbildungsverhalten und -interessen«). Ziel der Studie war es, eine umfassendeTopographie der Weiterbildungslandschaft Deutschlandaus der Sicht der Adressaten und Teilnehmenden zuerstellen.

Band 2

Adressaten- und Milieuforschung zuWeiterbildungsverhalten und -interessenBand 2 vereint die Ergebnisse einer Repräsentativerhe-bung (bundesweit über 3000 ausführliche Telefoninter-views) mit einer qualitativen Exploration von Weiterbil-dungsverhalten und -interessen in milieuspezifischerZuspitzung. Die Studie leistet einen wichtigen Beitragzur Entwicklung der Teilnehmer- bzw. Adressatenfor-schung in der Weiterbildung. Denn mit dem Milieuan-satz gelingt es, die Lücke zwischen Zielgruppenansatzund Adressatenorientierung praxisrelevant und für dieForschung fruchtbar zu schließen. Letztere verfügt nunüber fundierte qualitative und quantitative Daten zu Ein-stellungen, Interessen, Bedürfnissen und Ansprüchensowie zu Teilnahme- und Nichtteilnahmegründen ver-schiedener gesellschaftlicher Segmente.

Weiterbildung undsoziale Milieus in DeutschlandReihe: DIE spezial

Heiner Barz/Rudolf Tippelt (Hrsg.)

Band 1

Praxishandbuch Milieumarketing

Bielefeld 2004, geb., 192 Seiten, 39,90 €Best.-Nr. 85/0001, isbn 3-7639-1902-3

Band 2

Adressaten- und Milieuforschungzu Weiterbildungsverhalten und -interessen

Bielefeld 2004, geb., 144 Seiten, 39,90 €Best.-Nr. 85/0002, isbn 3-7639-1903-1

Bd. 1 + 2 im Paket

Bielefeld 2004, geb., 336 Seiten, 69,90 €Best.-Nr. 85/0003, isbn 3-7639-1904-X

studie die_bd_1 12.10.2004 11:41 Uhr Seite 192

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