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Vol. VI, 1955 391 Multiplikation und Variablentransformation in der Theorie der Distributionen Von HEINZ KSNIG in Wfirzburg 1. Es sei E = {a, fl, ...} ein Vektorraum, der den Vektorraum F -~ {/, g, ...} der stetigen reellen Funktionen einer reellen Ver~nderliehen als Teilraum enth~lt und die folgenden Eigensehaften besitzt: I. Es ist eine lineare Abbildung a -+ a' von E in sich, genannt Ableitung, erkl~irt. a) Fiir stetig diffcrenzierbares / E F stimmt/' mit der gew6hnlichen Ableitung iiberein: II. Es ist eine bilineare 1) Abbildung (a, fl) ~ :r o fl einer Teilmenge 9~ c E • E in E, genannt Multiplikation, erkl~irt. ~) Ftir/, g ~ F gilt (/, g) E 9)~, und / o g stimmt mit dem gewShnlichen Produkt /g iiberein. b) Fiir im gewiihnliehen Sinne unbesehr~inkt differenzierbares ] E Fund be- liebiges :r ~ E gilt (1, a) E 9Jl, insbesondere 1 o ~r = :r e) Ftir im gewShnlichen Sinne unbeschr~nkt differenzierbares ] ~ F folgt aus (a, fl) ~ 93l aueh ([oa, fl), (a,/ofl) E ~. d) Aus jeder der Relationen (a',fl)~9~, (cr folgt die andere und e) Aus der Giiltigkeit aller in d) genannten Relationen folgt die Produktregel (I) (~,o#)' = ~' o # + ~, o #'. 111. Jede eineindeutige, beiderseits unbesehr~inkt differenzierbare Abbildung x--+ r der reellen Aehse auf sieh (kurz eine zul~issige Abbildung genannt) in- duziert eine eineindeutige, lineare Abbildung a ~ a yon E auf sieh. Zwei zueinander inverse zul~issige Abbildungen r erzeugen zueinander inverse Abbildungen ~, ~. a) Fiir / ~ F stimmt ~/mit der gewiihnliehen transformierten Funktion iiber- ein: (2) l) (x) = . 1) Sind A, B, C drei Vektorr~ume, so heil~e eine Abbildung (:r a o/~ einer Teilmenge 9~ CA X B in C bilinear, wenn ffir iedes feste fl ~ B die Teilmenge ~(/~)cA aller ~ ~A rait (a, fl) ~ ~ ein Teilraum yon A und die Abbildung a--> ~ o/? yon ~(fl) in C linear ist, und wean entspreehendes bei Vertauschen von A und B gilt.

Multiplikation und Variablentransformation in der Theorie der Distributionen

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Page 1: Multiplikation und Variablentransformation in der Theorie der Distributionen

Vol. VI, 1955 391

Mult ip l ikat ion u n d Variablentransformat ion in der Theor ie der Dis tr ibut ionen

Von HEINZ KSNIG in Wfirzburg

1. Es sei E = {a, fl, . . . } ein Vektorraum, der den Vektorraum F -~ {/, g, . . . } der stetigen reellen Funktionen einer reellen Ver~nderliehen als Teilraum enth~lt und die folgenden Eigensehaften besitzt:

I. Es ist eine lineare Abbildung a -+ a ' von E in sich, genannt Ableitung, erkl~irt.

a) Fiir stetig diffcrenzierbares / E F s t i m m t / ' mit der gew6hnlichen Ableitung iiberein:

II. Es ist eine bilineare 1) Abbildung (a, fl) ~ :r o fl einer Teilmenge 9~ c E • E in E, genannt Multiplikation, erkl~irt.

~) F t i r / , g ~ F gilt (/, g) E 9)~, und / o g stimmt mit dem gewShnlichen Produkt /g iiberein.

b) Fiir im gewiihnliehen Sinne unbesehr~inkt differenzierbares ] E F u n d be- liebiges :r ~ E gilt (1, a) E 9Jl, insbesondere 1 o ~r = :r

e) Ftir im gewShnlichen Sinne unbeschr~nkt differenzierbares ] ~ F folgt aus (a, fl) ~ 93l aueh ([oa, fl), (a,/ofl) E ~ .

d) Aus jeder der Relationen ( a ' , f l ) ~ 9 ~ , (cr folgt die andere und

e) Aus der Giiltigkeit aller in d) genannten Relationen folgt die Produktregel

( I ) (~,o#)' = ~' o # + ~, o # ' .

111. Jede eineindeutige, beiderseits unbesehr~inkt differenzierbare Abbildung x--+ r der reellen Aehse auf sieh (kurz eine zul~issige Abbildung genannt) in- duziert eine eineindeutige, lineare Abbildung a ~ �9 a yon E auf sieh. Zwei zueinander inverse zul~issige Abbildungen r erzeugen zueinander inverse Abbildungen ~ , ~ .

a) Fiir / ~ F stimmt ~ / m i t der gewiihnliehen transformierten Funktion iiber- ein:

(2) l ) ( x ) = .

1) Sind A, B, C drei Vektorr~ume, so heil~e eine Abbildung (:r a o/~ einer Teilmenge 9~ CA X B in C bilinear, wenn ffir iedes feste fl ~ B die Teilmenge ~( /~)cA aller ~ ~A rait (a, fl) ~ ~ ein Teilraum yon A und die Abbildung a--> ~ o/? yon ~(fl) in C linear ist, und wean entspreehendes bei Vertauschen von A und B gilt.

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b) Aus (a, fl) E ~ folgt auch (Ca, ~fl) E ~ , und die Abbfldung ~b ist mit der Multiplikation vertausehbar:

(3) = r o r 8 .

e) Fiir beliebiges a ~ E gilt die .Kettenregel

(4) (Ca) ' = ~b'o ~ ~ ' .

In der vorliegenden Note beweise ich als Konsequenz dieser Eigenschaften de~

Satz: Es gibt in E kein yon Null verschiedenes Element 8, /i~r welches gleichzeilig

(5) (1", 6) E ~ /i~r alle / E F ,

(6) x o 0 = 0

gilt.

2. Der Raum D' der Distributionen von L. SCHWARTZ [1] besitzt offenbar die Eigensehaft I. Was II betrifft, so sieht man leicht ein, dab man dureh eine geeignete Interpolation zwischen den Grenzfiillen a) des gewShnliohen Produktes zweier stetiger Funktionen und b) des ,,produit multiplieatif" einer unbesehriinkt differenzierbaren Funktion mit einer beliebigen Distribution zu einer Multiplikation kommen kann, ftir die auch d) gilt und e) und e) gtiltig bleiben. Fiir I II verweise ich auf [3], we das Verhalten der Distributionen bei Variablentransformationen untersucht wird; es ist wiederum leieht zu.sehen, da~.die einzig betroffene Eigenschaft b) aueh bei der soeben vorgenommenen Ausdehnung der Multiplikation bestehen bleibt. Welter gilt (6) fiir die DmAc-Distribution 8. Es folgt also, dal~ man dieses 0 innerhalb von D' durch keine abermalige Ausdehnung des Produktes nfit allen Distributionen multipli- zieren kann, ohne da~ dabei die fundamentalen Eigenschaften II, III zerstSrt werden.

Derselbe Saehverhalt besteht fiir don yon mir in [4] eingefiihrten Raum ~ der verallgemeinerten Distributionen. Das dem ,,produit multiplieatif" hier entsprechende inhere Produkt babe ich in [5], w167 1, 9 schon in eine Form gebraeht, in der es die Eigen- schaften II besitzt; das Verhalten der verallgemeinerten Distributionen bei Variab- lentrgnsformationen gedenke ieh an anderer Stelle zu behandeln.

Andererseits habe ieh in [5] gezeigt, da~ es Erweiterungen yon ~ gibt, auf die sich die distributionstheoretische Ableitung fortsetzen l~iBt, und in denen man eine Aus- dehnung des inneren Produktes erkl~iren kann, die wieder II erfiillt, ftir die aber nun insbesondere das Produkt zweier beliebiger verallgemeinerter Distributionen existiert. Es folgt also, dail ftir solche Erweiterungsr~ume die Eigenschaft I I I nicht gttltig sein kann.

Unabh~ngig yon diesen verschiedenen Realisierungen aber besagt der zu bewei- sende Satz ganz allgemein, dal3 die Eigenschaften I b i s I I I zusammen so starke Bindungen zwisehen den Elementen yon E bewirken, da~ ein &Element allein dann existieren kann, wenn es nur mit ganz speziellen anderen Elementen multipliziert

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werden darf. Man kann ihn als Analogon zu einem kiirzllch von L. SCHWARTZ be- wiesenen Satz [2] ansehen, nach dem eine I erftillende Ableitung und eine II er- fiillende, iiberall definierte Multiplikation, die fiberdies assoziativ ist, die Existenz eines 5-Eiementes ausschlieBen. Es zeigt sich n~imlich, dal] die Eigenschaften II, I II ein gewisses partielles Assoziativ- und Kommutativgesetz der Multiplikation er- zeugen, welches, gemeinsam mit I, II, schon die Nichtexistenz tines (5) gentigenden c~-Elementes impliziert.

3. Es sei ~ eine zul~issige Abbildung und k~ ihrc Inverse. Dann ist

~s(~(x)) = x, ~ ' (~(x)) ~'(x) = 1,

oder wegen (2) ~ , 1.

Hieraus und aus (3), (4) folgt ftir cr ~ E 1 ~ , . (7) r162 -:- ~(W'oW~') : ~, o

Es seien nun ~, ~ E E zwei beliebige Elemente mit

(s) (~,~), (~';~), (~,~') ~ ~ .

Dieselben Relationen gelten dann, auf Grund yon II, III und (7), auch fiir ~P ~, fl, und Wegen (1), (3) erh~ilt man

~(~o/~) = ~ o ~ t ~ , (~(~o~)) ' = ( ~ ) ' o ~ + ~ o ( ~ ) ' ,

~ (~g(~o~)), = ~ ( ~ ) ' o ~ + ~ o ~ ( ~ ) , ,

durch Einsetzen yon (7) also schlieBlich

Dieses wesentlich durch die Kettenregel bewirkte partiellc Assoziativ- und Kom- mutativgesetz (9)bezieht sich also zun/ichst nur auf .unbeschr~inkt differenzierbare

Funktionen der Form 1 , die sich aus einer zul~ssigen Abbildung.~b herleiten. Wegen

,der Linearit~t des Produktes gilt es aber auch fiir alle Linearkombinationen dieser Funktionen. Im n~ichsten Abschnitt soil gezeigt werden, daft sich alle ganzrationalen Funktionen durch solche Linearkombinationen darstellen lassen ~).

4. Es geniigt offenbar zu zeigen, dal] sich alle Funktionen x ~ mit geradem v > 0 1

ale Linearkombinationen yon Funktionen ~ darstellen lassen. Denn dann gilt dies

aueh fiir die Funktionen (x -k 1) ~, und aus allen diesen Zusammen und der Funktion 1,

~) Daft bei diesem Nachweis ziemlich pathologisehe unbeschr~nkt differenzierbare Funktionen benu~zt werden miissen, hat seinen Grund allein darin, daft ich auf jegliche Lokalisierbarkeits- forderungen an die Elemente yon E verzichtet habe.

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(lO)

oder

1 die nattirlieh aueh yon der Form ~ ist, kann man offensiehtlich aUe ganzrationalen

Funktionen linear kombinieren.

Zuvor eine Bemerkung: I s t / ( x ) in - - c < x < 0 und g(x) in 0 < x < c unbe- schr~nkt differenzierbar und beschr~nkt, so gibt es zu jedem positiven e < c eine in I x I < c unbeschr/inkt differenzierbare und besehr/inkte Funktion h(x), die ftir - - c < x :___ - - e mit {(x) und fiir ~ ~ x < c mit g(x) iibereinstimmt. Bezeichnen 2, A die gemeinsame untere bzw. obere Grenze v o n / ( x ) , g(x) in 0 < I x l < c, so kann man h(x) noch so wiihlen, dail entweder

{ ;t < h(x) <=/(x) f~r - - ~ < x < O,

2t "< h(x) ~ g(x) fiir 0 ~ x < e

f / ( x ) ~ h ( x ) ~ A f t i r - - e < x < : 0 , (11) / g(x) <= h(x) <: A ftir 0 < x <

gilt.

Ist n~nfiich v(x) eine unbeschriinkt differenzierbare Funktion mit 0 __< v(x) "< 1

= ~ und v(x) ~- 0 fiir t x { ~ ea), so leistet im Falle (10) die sowie v(x) ---- i ftir [ x [ < 2

Funktion

/(x) -t- v(x) (), - - / ( x ) ) ftir - - c < x < 0

h(x) = ~ ftir x = 0

g(x) -t- v(x) (4 --g(x)) fiir 0 < x < c

das Verlangte; und im Falle (11) hat man nur ;~ durch A zu ersetzen.

Fiir ein festes gerades v > 0 sei jetzt

1 f i i r l x l g l u n d 4 k - - 2 _ _ < [ x [ _ _ < 4 k - - 1 ( k = 1 , 2 , . . . ) ,

/(x) = 1 fiir alle anderen x , Xv

1 f i i r l x l ~ l und 4 k _ - < l x [ = < 4 k + l (k-----l,2 . . . . ),

g(x)-= )- flit alle anderen x . X v

Diese Funk t ionen / (x ) , g(x) warden gem/il~ der Vorbemerkung gegl~ttet, etwa mit = �88 in den Punkten 5 : 1 werde diese Gl~ttung fiir beide Funktionen in der-

selben Weise und nach (10) ausgeftihrt, in den anderen ganzzahligen Punkten, wo nur jeweils eine der beiden Funktionen zu gl~itten ist, naeh (11). Man erhiiit so zwei

a) Eine solche Funkt ion gewinnt man etwa durch Fal tung der charakteristischen Funktion 3

des Intervalles I x l --~ ~- ~ und der Funktion q(x) aus [1], S. 22 fiir -4 "

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stets positive, unbesehr~nkt differenzierbare Funkt ionen ~o(x), y)(x), u n d e s ist klar, da/~ deren unbest immte Integrale r ~(x) zul~ssige Abbfldungen erzeugen.

Es sei weiter a(x) = rain (~(x), ~(x)) , ~(x) =- max (~(x), yJ(x)).

Dann gilt x ~ a(x) ---- 1 fiir i x l---~ ~- und x ~ a(x) < 1 ftir I x l < } - Mithin ist auch die Funkt ion

(12) ~7(x ) = ~ (~)~(x) = ~(~)~(~) q~(x) +yJ(x)--x" q~!x)~(x) a(x) +r(x)( l - -xva(x))

stets positiv und unbeschriinkt differenzierbar. Da 7(x) und T(X) ffir I x I ~ ~ tiber- einstimmen, erzeugt aueh jedes unbest immte Integral F(x) yon ~,(x) eine zul~ssige Abbildung. Gleiehung (12) lautet alsdann

1 1 1 - - - - _ _ X v

o' (x) + ~'(x) F'(x) ' womit der gewiinsehte Nachweis erbracht ist.

5. Fiir zwei Elemente a, fl E E mit (8) und eine ganzrationale Funkt ion / ~ F gilt also stets

( ~ 3 ) l o (~ o ~ ) ' = (1 o ~') o fl + ~ o (1 o ~,) .

Hieraus folgt fiir ein beliebiges ~ ~ E zun~ehst x~ o ( x o ~ ) ' - - x~o~+xo(x~o~'), x o (x ~ o ~)' = 2 x ~ o ~ + x~ o (x o ~')

und durch Addition

(14) x o (x o ~) = x~ o ~ .

Ftir die stetige Funkt ion / ---- x(log I x ] - - 1) ergibt sich weiter aus der Produkt- regel

(15) xo/"=(x/ )"- -2 / '=~, x~o/"=x.

Das Element (~E E erfiille nun (5) und (6). Dann ist wegen (14)

(16) x o ~ ' = ( x o ~ ) ' - - ~ = - - ~ , x ~ o ~ ' = o .

Weiter gilt (/',5), ( [ ' ,~ ' )@ ~ , insbesondere fiir die eben eingefiihrte Funkt ion /, u n d fiir das Element :r = [ ' o (~ hat man nach (13), (15), (16)

( x o ~ ) ' = ( x o l " ) o ~ + / ' o ( . x o ~ ' ) + ~ = ~ - - 1 ' o ~ + ~ = a ,

(x2oa) ' = ( x 2 o / " ) o a q- / ' o ( x e o 5 ') q - 2 x o a - - - - 2 x o : r

and folglich naeh (14) 0 =(x~o~--xo(xo~)) ' = 2 x o ~ - x o ~ = x o ~ ,

also schliel~lich = (x o a) ' = 0 .

Damit ist der angekiindigte Satz bewiesen.

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Literaturverzeiehnis

[1] L. SCHWARTZ, Th6orie des distributions 1. Actual. sci. industr. 1091 (1950).

[2] L. SCHWAnTZ, Sur l'impossibilit5 de la multiplication des distributions. C. r. Acad. Sci., Paris 239, 847--848 (1954).

[3] S. ALBEaTONI eM. CUGIANI, Sul problema del cambiamento di variabili nella teoria delle distribuzioni. Nuovo Cimento 8, 874--888 (1951) und 10, 157--173 (1953).

[4] H. K5~ic., Neue Begriindung der Theorie der ,,Distributionen" yon L. Schwartz. Math. Nachr. 9, 129--148 (1953).

[5] H. KiiNIG, Mu!tiplikation yon Distributionen I. Math. Ann. 128, 420--452 (1954).

Eingegangen am 24. 3. 1955