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I. Jahrgang 1919

Musikblätter Des Anbruch 1919

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First year of important Viennese new music journal

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I. Jahrgang

1919

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1.. Jahrgang, Nummer 1 1. November-Heft 1919-

MUSIKBLÄTTER DES ANBRUCH

SCHRIFTLEITUNG: DR. OTTO SCHNEIDER

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C/iigem • r; j.1 e/f{er

z u M G E L E I T E Von Guido Adler, Wien

Die Gründung der "Musikblätter des Anbruch" begrüße ich sympathisch in der Hoffnung und mit dem Wuns;he, daß ihre Absichten zum Besten unseres Musiklebens durchgeführt werden. Fürwahr wir haben allen Grund, die Musikpflege unSerer Stadt und ihre internationalen Beziehungen eifrigst zu betreiben. Ist doch die Ton; kun;t das urständige künstlerische Symbol Österreichs in Vergangenheit und wohl' auch in Zukunft. Wie auf allen Gebieten, so ist auch da Arbeit die Hauptbedingung unserer zukünftigen Existenz. Das lehren uns die großen Meister unserer Vergangenheit. Nicht Worte, sondern Leistungen können einzig unser Dasein sichern. Im Anfang war die Tat - dies gilt für jetzt und immerdar. Die Leistenden müssen gestützt, das Neue, sofern es der adäquate Ausdruck unsereres Kunstwollens ist, muß gefördert, das Alte in bester Auswahl zu Tage geschafft werden. Was wir zu bieten haben, kann eine Welt (die alte und die neue) auf unabsehbare Zeit erfüllen und befriedigen. Die Kämpfe und Leiden der historischen Persönlichkeiten müssen als Mahnung für die Rücksichtnahme auf die schaffenden Zeitgenossen gelten, im Bewußtsein, daß nie Großes geschaffen wurde ohne Widrigkeiten und Widerstände. Im Musikbetriebe bilden die Leidenschaften, die sich für und wider betätigen, einen gewaltigeren Gärungsstoff als in allen anderen Kunstbetrieben. Deshalb ist die Absicht, gesunde Bedingungen auch für das Äußere zu erringen, lebhaft zu begrüßen. Schon regen sich in verschiedenen Kulturländern Stimmen der Versöhnung und Vermittlung. Die zersetzenden Einflüsse und Wirkungen der welterschütternden Ereignisse der letzten Jahre müssen Schritt für Schritt behoben, überwunden und die Verbindung wieder hergestellt werden. Welches geistige Gebiet wäre dazu eher berufen als die Tonkunst, die die Seelen und Gemüter auszusprechen und zu vereinen vermag! Welcher Ort wäre besser geeignet, die internationalen Beziehungen auf dem Gebiete der Musik wiederherzustellen, als der 'klassisch geweihte Boden Wiens mit der historischen und zukünftigen Mission der Ausgleichung aller Entwicklungsmomente von Nord und Süd, von Ost und West! Mit Begeisterung begrüße 'ich die Absicht der ff Veredlung der Musikpflege ff in der Annahme, daß ein Einverständnis über das "Wie~f erzielt werde. Die Art, wie derzeit die breiten Massen für die vornehme

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Musik gewonnen, an ihr herangebildet werden, berechtigt zu dem Glauben, daß dieser Prozeß der Veredlung sich verheißungsvoll vollziehen werde. Der echte Künstler. schafft nicht für sich, sondern in dem Bestreben, sich seinen Mitmenschen mitzuteilen und die Wirksamkeit seiner Mitteilung auf lange zu sichern. Das erstere ermöglichen seine Freunde und Gläubigen, für das letztere haben die Historiker zu sorgen. Den beachtenswerten Bestrebungen, die Moderne in einheitlichen Programlllen zur Auf­führung zu bringen, wie sie bisher in mehrfachen Versuchen zutage traten, gesellen sich die auf wissenschaftlicher Basis stehenden Popularisierungen der historischen Werke. Dem Rechte der Produktion steht die Pflicht der Aufnehmenden gegenüber Aber auch der Produzierende muß wie jeder Arbeiter sich seiner Pflichten bewußt sein und bleiben. Keine Rechte ohne Pflichten. Dies muß die Devise unserer Zeit sein - sonst gehen wir zugrunde. Auch die herrlichsten Werke von Vergangenheit und Gegeawart retten uns nicht vor dem Untergang, wenn wir kein Pflichtgefühl haben, im Großen und Kleinen, im Größten und Klein.ten. Und so schließe ich diese Einbegleitung mit dem Worte:

"Dürfen wir hoffen?1I

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PHILOSOPHIE DER MUS I K

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Metaphysischer Sinn der Musiktheorie Von Egon Lustgarten, Wien

Die durch den vorliegenden Aufsatz eingeleitete Attike1serie wendet sich ;icht etwa bloß an philosophisch geschulte oder am Theoretischen der Musik besonders interessierte Leser; unsere Betrachtungen wollen vielmehr, ohne sich etwa absichtlich auf das Niveau der "Populärphilosophie"' zu begeben, möglichst allgemeinem Verständnis begegnen. Den Fehler, über der wissenschaftlichen Verklausulierung den großen Zusammenhang mit den Rhythmen des allgegenwärtigen Lebens verloren zu haben, teilt ja die landläufige Musiktheorie auch mit derheutigentags gepflogenen europäischen Philosophie. Soll aber letztere den eingebüßten Sinn für die der Kunst und Religion eignende lebendige Erfassung des Wesens der Welt neu erlangen, so muß sie wieder der Kraft unmittelbarer Wirkung im Sinne eines Sokrates, Laotse und Meistter Eckehart f'ähig zu werden trachten.

Die Musiktheorie wird gemeinhin als eine Handwerkslehre angesehen, deren man sich klugerweise bedient, um sich die zum Komponieren notwendigen Kenntnisse und Geschicklichkeiten anzueignen. Sie gilt al$ ein Kompendium von Regeln, die sich nach jahrhundertelangen tastenden Versuchen als die praktischesten erwiesen haben, und die nun von Generation zu Generation überliefert werden. Da gibt es .Fehler" und .Lizenzen" - ein ganzes Dickicht von Regeln, durch das man sich schlecht und recht hindurchzuschlagen bemüht. Doch gar bald bemerkt man, daß die mit so apodiktischer Sicherheit auftretenden Vorschriften den Gepflogenheiten der' Praxis ganz wesentlich widersprechen. Denn eine solche "Theoriel+ ist außerstande, aus der Fülle der musikalischen Möglichkeiten die wesentlichen herauszugreifen, ebensowenig wie sie es vermag, auch nur mit der bloßen technischen Fortentwicklung

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der Kunst gleichen Schritt zu halten. Sie ist das Steckenpferd aller pedantischen Akademiker und Schulmeister; s el b s t flügellahm, hemmt sie oft nur den Schwung der Begeisterung der Kunst jünger ; statt ihnen das Tor der Musik zu erschließen, verriegelt sie es ihnen nUr durch eine Unzahl von Anweisungen und Verboten. So erkennen sie bald, daß es keine Regel gibt, die nicht von den größten Meistern der Tonkunst durchbrochen, keine Vorschrift, die nicht umgangen, kein Gesetz, das nicht ignoriert worden wäre. Ihre Verachtung der zöpfisch'Pädagogischen Richtung macht sie gegen alle Regeln kopfscheu, nicht nur weil diese beengend und dem freien Fluß der Phantasie hinderlich sind,. sondern auch weil sie sie überhaupt. der Willlcür entsprungen erachten, als bloß mechanische Festlegungen von ehemals zw fällig aufgetretenen, dann verallgemeinerten Wendungen, weil sie aus Vorurteilen erwachsen seien, die längst als veraltet und überholt aufgedeckt worden sind. Kurz, es gäbe keine organische Theorie, sondern es sei ihr höchstens zu Übungszwecken eine vorübergehende Daseinsberechtigung zuzugestehen; nach Erfüllung ihres un­mittelbaren Zweckes habe man ~ich der wertlos Gewordenen kurzerhand zu ent­ledigen, da die Praxis allen gelehrten Verboten, als da sind .Querstände", .Parallel-fortschreitungenl' u. s. w., durchaus widerspreche. .

Es ist nun aber eben so falsch und unkünstlerisch, sich dieser Theorie als einer bequemen Sammlung von probaten .Rezepten" zu bedienen, als auch das Kind mit dem Bade auszuschütten und die Gültigkeit einer Theorie überhaupt zu verneinen, um .ein Narr auf eigene Hand" zu sein. Ob man sich nun diesen Vorschriften und Einschränkungen willig fügt oder sie summarisch verwirft - in beiden Fällen' begeht man den gleichen verhängnisvollen Fehler, dieses krause Regelwerk für das eigent­liche Wesen aller Theorie anzusehen.

Wäre die Theorie wirklich lediglich Festhaltung rein usuell gewordener Eigen­tümlichheiten, so bliebe die (übrigens auf allen geistigen Gebieten festzustellende) Parallelität zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Ländern ohne Überlieferung und geistige Beeinflussung auftretender Gesetzmäßigkeiten (wie z. B. das Phänomen der Fünf tonleiter in Japan; Afrika, Polynesien und Schottland) unerklärlich. Diese Ge.etze treten eben mit der elementaren Selbstverständlichkeit von Naturgesetzen auf. Aber ebenso wie diesen jedermann gehorcht, ohne sich ihrer auch nur ahnend bewußt werden zu müssen, so verhält es sich auch mit der Kunstübung, deren waltendes Gesetz durch die alten Meister in unb.wußtem Ingenium befolgt wurde.

Eingedenk dieses Umstandes liegt die Frage' nahe, ob denn nicht ein inner .. Zwang, ein tieferer Sinn, ein geheimer Instinkt der Tatsache zugrundeliege, daß gerade ganz bestimmte Wendungen (z. B. die Kadenz) auffallende Bevorzugung gefunden haben. Und in der Tat ist die Entwicklung der Musik ein Wachsen und Kristallisieren organischer Elemente. Aufgabe der Theorie wäre es gewesen, dieser organischen Entwicklung d .. Kunst parallel zu gehen: was der Künstler aus intui­tivem Er I eb e n neu gestaltete, das hätte sie in intuitivem V e~ s t ehe n bestätigen müssen.

Die Alten waren von feinstem Empfinden für den Sinn d .. musikalischen Ge­setze .. füllt, nur vermochten sie diesen Empfindungen oft keinen auch diskursiv einwandfreien Ausdruck zu verleihen. Die allmähliche Erweiterung des Konsonanz­begriffes und die Entwicklung der modernen Tonarten sind Musterbeispiele für die' Unfehlbarkeit. ihres genialen Instinktes. Infolge der primitiven begrifflichen Formu­lierung ihrer an sich völlig richtigen Erkenntnisse konnten dieselben nur durch kongeniales Verständnis erfaßt werden. Was taten aber die Theoretiker? Statt aus der Fülle d .. musikalischen Werke das Typische herauszuheben, haben sie lebendig

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S;UTeUea zUr Schablone erstarren lassen, indem sie das Organische me-cha-' nisierte ..

Aber es i:eht nicht an, die Theorie überhaupt wegen des reglementarischen Ver­fahre"" schlechter Lehrbücher zu verwerfen. Zwar, es ist klar: wenn etwas sich eingebürltert hat, gerät es in Gefahr, eben bürgerlich, um nicht zu sagen spieß­bürgerlich zU 'Werden, bequemer Schematisierung zu verfaUen. Des ursprünglichen Sinnes verl1<stig geworden, sinkt es zur seelenlos stereotypen Phrase herab. Diesem Banalisierungsprozeß unterliegt aber alles Geistige, sobald es zum Allgemein­besitz der "Gebildeten" geworden. So wird Gemeingut zum ~ Gemeinplatz. Ward' nicht, auch die ursprünglich dem reinen Empfindungsausdruck dienende Sprache zUm bloßen Verständigungsmittel herabgewürdigt? Sind nicht die ehemals so tiefi:Iündigen religiösen Riten und Kultformen blinder Dogmatisierung verfaUen?

Ein durchgreife-ndes Reinigungswerk muß anheben, um hier wie dort den ver­schütteten Sinn wieder ans Tageslicht zu fördern, die verlorengegangene Be d e u­tung, der Dinge wieder aufzufinden. Eine innere Revolution löse die Formeln aus ihrer Erstarrung, mache sie beweglich" gebe sie dem Leben wieder, erfüUe sie mit je-nem Geiste der Wahrheit, der aUem Schöpferischen innewohnt!

Es hat; nicht an Versuchen gefehlt, das Wesen der Musik tiefer zu erfassen ~ Musiker wie Philosophen scheiterten meist bald an den Klippen des ihnen nicht vertrauten, fremden Gebietes. Goethe schwebte einmal eine Musiklehre im naturwissenschaftlichen Sinne vor (S. Farbenlehre 99 749f.), Schopenhauer (n w. a. W. u. V.") und Sc hell i n g (nPhilosophie der Kunst") widmen der Musik eingehende Betrachtungen, Moritz Hauptmann versuchte Hegelsche Terminologie in die Musiktheorie einzuführen, Riemann hatte bedeutsame philosophische Gedankengänge u. s. w.

SOTiel ist klar: Die Theorie der Musik darf nicht bloße Abstraktion sein und einen von der praktischen Musikbetätigung abgesonderten Zweig der Spezialforschung bilden, sie inuß vielmehr in aUe Gebiete des mrlsikalischen Lebens, vor aUem aber in die praktische Ausübung der musikalischen Produktion und Reproduktion wirken. Anderseits hat sie nicht die bleißen Regeln zu lehren, wie man die Beziehungen, die die Kunst ausmachen, am besten anwende, sondern sie muß diese Beziehun­gen selbst aufdecken.

Die Kunst unterliegt Ge set zen, wie aUes Denken Gesetzen unterworfen ist, nämlich den dieses Denken selbst konstituierenden "Denk-Gesetzen", an welche es unbedingt gebunden ist, weil sie ja seinen Be,griff ausmachen. Es sind dies die nFormen unsere' Anschauung" Raum und Zeit, innerhalb deren sich aUe Kausa­lität abspielt. In ~I.icher Weise handelt es sich nicht darum, der Kunst Regeln Torzuschreiben, die sich aus der H ä u fj g k e i t ihrer Anwendung ableiten, sondern· vielmehr, ihre ureigenen Guetze aufzufinden, deren instiuktive Befolgung eben ihrersei" die Häufigkeit jener Bildungen bis zU einem Grad nach sich zog, der die Verdichtung zur Regel begünstigte.

Diese Gesetze sind also der Kunst nichts weniger als aufoktroyiert, sie sind ihr vielmehr durchaus immanent. Wer dann über die Regel hinaus, deren mechani­sc h e Befolgung geradezu kunstfeindlich ist, bis zUm intuitiven Erschauen jener Ur­gesetze selbst' Tordringt, deren Ableitungen und Folgerungen gedankenlos zU Regeln klischiert wurden, der Termai: mit voller Berechtigung die Regel zu stürzen und durch da. ewig lebendige aber den Sinnen verborgene h ö her e metaphysische Gesetz einer erhabe-nere-n Not'We-ndigkeit zu ersetzen. Der wahre Künstler begnügt sich

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keineswe!:" mit dem Ererbten: er schaHt die Gesetze neu, indem er sie, ZUtück­schauend, wiederentdeckt .

• Wie .fang' ich's nach der Regel an?" .Ihr stellt sie selbst und folgt ihr dann."

<.Meistersinger·")

Kunst ist Projektion eines überindividuell-metaphysischen Erlebnisses in die Welt des Bewußtseins vermittels der Denkge.etze, auf denen diese Welt beruht. Der Prozeß des Schaffens ist daher analog dem der Weltschöpfung. Die Aufgabe der wahren Musiktheorie aber ist demzufolge der Nachweis der Weltgesetze im musikalischen Symbol. Da aber die Gesetze der Kunst mit den Gesetzen des Weltgeschehens identisch sind, diese hinwiederum mit den Gesetzen unseres Denkens übereinstimmen, so müssen wir daher die mathematisch .... physikali .. sehen Naturgesetze in der Kunst bloßlegen und sie spekulativ zu d e u t e n ver s u ehe n. Mit einer Handwerkslehre allein ist für die Kunst zu wenig getan. Denn es gilt nicht, bloße Fertigkeiten zu vermitteln, sondern es geht um' Erkenntnis des Wesens und Realisierung des Geistes. Die Musiktheorie soll nicht Regeln aufstellen, sondern Weltgesetze enthüllen, nicht F orme1n sanktionieren, sondern den lebendigen Urgrund alles F 0 r m - G e w 0 r den e n festhalten. Sie hat ihre Aufgabe nicht darin zu sehen, die Stileigentümlichkeiten der einzelnen Epochen und Meister festzuhalten, sie darf nicht ängstlich beflissen sein, den Extrakt des oft Wiederkehrenden in Regeln zu gießen. Auch hat sie nicht aus dem empirisch Ge­gebenen zu schöpfen, sondern muß hinter dieses zurückgehen und dessen letzte Ursachen zu erforschen trachten. Sie hat mit Kant zU fragen: .Wie ist Musik möglich?"

Wenn die Theorie über das bloß Empirische hinausgehen und bis zu den letzten Zielen der Kunst selbst vprdringen will, so ist der einzige Weg, der sie dahinführt, der intuitiv,,!,hilosophische. Dadurch wird sie von aller Vergangenheit und Zukunft unabhängig gemacht, sie erhält, da sie außerzeitlichen Charakter annimmt, ein apriorisches, also in Zeit und Ewigkeit gültiges Gepräge. Sie muß also nicht allein alle jemals aufgestellten, Gesetz< prüfen und begründen können, sie muß s e1 b s t sc h ö p fe ri s c h und daher unverwelklich, unsterblich sein. Denn Metaphysik ist ledig alles Zufälligen, Nur-Individuellen, ist zeit- und raumentrückt und von der Kausalität unabhängig, die sich ja erst von ihr, als der obersten Legislative, ableitet.

So soll die wahre Theorie das Grundwesen, die innerste Natur der Musik dar­legen, das Bleibende im Wechsel der Erscheinungen, das Ewige, mit dessen Dasein die Kunst selbst steht oder fallt.

Aus der Musik kann durch sie das Wesen der Welt begriffen werden. Wal 5cheHing Ton der Kunstphilosophie im allgemeinen fordert, daß si< nämlich .Darstellung de. Universums in der Form der Kunst" sei, gilt vornehmlich auch für die Theorie der Musik. Da nämlich letztere als reine Form die ungegenständ­lichste und unbegrifflichste unter allen Künsten ist, so brauchen die Beziehungen, die sie darlegt, nicht erst der Besonderheiten entkleidet zu werden, um Anwendung zur Erkenntnis kosmischer Dinge finden zu können; sie symbolisieren diese viel­mehr unmittelbar und absolut.

Jede bloß empirische Musiktheorie ist einseitig: jeder 'sieht -die Regeln .anders, je nachdem welche Kunstepochen er seiner Theorie zugrundelegt, und j. n.ach seiner Fähigkeit, die Werke auf künstlerische Gesichtspunkte hin ZU betrachten .,der bloß nach ihrer mechanisch-technischen Faktur analytisch zu verfahren. Darum

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bat 'diese Theorie endlichen Charakter, ist begrenzt, dem Zeitenwechsel unter­worfen und meist veraltet, ehe sie noch recht geboren wurde. Statt einer empirischen wollen wir eine metaphysische Theorie begründen helfen; nicht der logische, sondern der ontologische Gehalt der Kunst ist klarzulegen. Wir wollen die essentiellen Werte hervortreten lassen, deren unveränderliche, weil trans .. zendentalen Ursachen folgende Gültigkeit allen Wandlungen der Mode und des Zeitgeschmacks trotzt.

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MEINE MUSIKDRAMATISCHE Von Franz Schreker, Wien

Mein.musikdramatische Idee?

IDEE

Ich habe eigentlich keine. Ich schreibe planlos. Was mir einfällt, ist da. Nur -ich komme von der Mus i k her. Meine Einfälle haben wenig "Literarisches". Geheimnisvoll-Seelisches ringt nach musikalischem Ausdruck. Um dieses rankt sich eine äußere Handlung, die unwillkürlich schon in ihrer Entstehung musikalische Form und Gliederung in sich trägt. Mit der Vollendung der Dichtung steht in großen Umrissen der musikalische Bau des Werkes vor mir. So kommt es, daß der T <xt in den seltensten Fällen irgendwelchen Änderungen unterworfen ist .

. Was ich erstrebe? Ich weiß es nicht genau, aber es dünkt mich, die Oper oder das Musikdrama in

einer Art Reinkultur. Eine Überbrückung des leidigen Zwiespalts, der das Problematische der Kunstform "Oper" überhaupt ausmacht. Eine Art "Verismus", wenn man will, indem ich versuche, die Dichtung in eine "Sphär~" zu rücken, die die Musik braucht. Wer meine Dichtungen liest, wird zuweilen jene Klarheit ver­missen, die, für mein'Gefühl oft allzusehr, das Wesen oder die Wirkung des "guten" Theaterstückes begründet. Wer sich aber die Mühe nehmen will, die Dichtung in Verbiedung mit den motivischen und thematischen musikalischen Beziehungen auf sich wirken zu lassen, ,wird zumeist des Rätsels Lösung finden. Dies bedingt freilich wiederholtes Hören des Werkes, oder aber ein Sich-vertiefen 'an der Hand 'eines Klavierauszuges, vielleicht aber auch eine Zeit, in der uns die Sprache der Töne verständlich sein wird, wie die des gesprochenen Wortes. Man darf dabei nicht an die Leitmotivtechnik Wagners denken, wenn ich auch zugebe, daß sie grund­legend für alles musikalische Schaffen auf dem Gebiete der Oper nach Wagner war. Gefühle - und nUr für solche erkenne ich die Berechtigung des Leitmotivs - sind wandelbar. Jedes Liebesempfinden beruht (Stendhal) auf Kristallbildung. Welche Kunst aber wäre befähigter, dieses geheimnisvolle Werden, dieses Sich-wandeln unter im Unterbewußtsein schlummernden, triebhaften Einflüssen vollkommener zum Ausdruck zu bringen als eben die Musik? Motive werden zu Themen; Themen weiten sich zum musilcalischen Klangbau. Klänge - welch arg' mißbrauchtes, viel­geschmähtes Wort! NUlr ein Klang - nur Klänge! Wüßten die Nörgler, welche A.usdrucksmöglichkeiten, welch unerhörter Stimmungszauber ein Klang, ein Akkord in sich bergen kann! Schon als Knabe liebte ich es, mir einen jener "Wagnerschen" Akkorde am Klavier anzuschlagen und lauschte versunken seinem Verhallen. Wunder­same Visionen wurden mir da, glühende Bilder aus musikalischen Zauberreichen. Und eiee starke Sehnsucht! Der reine Klang, ohne jede motivische Beigabe ist, mit Vor sich t ge b rau eh t, eines der wesentlichsten musikdramatischen Ausdrucksmittel,

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ein Stimp:J.ungsbeheif ohnegleichen, der mehr und mehr auch,' von Dichtern des Wortes (Gerhard Hauptmann, Paul Claudel u. a.) in entscheidenden Augen­blicken des Dramas verlangt wird. Ihn übertrifft an Wirkung vielleicht nur - die Stille. renes unheimliche Schweigen, in dem laut wird, in dem wir innerlich hören, was weder Wort noch Ton zum Ausdruck bringen kann: das Sich-loslösen von aUem Irdischen - das Grauen. - Der ,Weg zur VoUendung ist weit. Ein Menschen­leben eigentlich zu kurz. Drum knüpfen wir an Vergangenes an und machen uns die Erfahrungen der großen Meister zunutze.

Was ich letzten Endes für mein Schaffen erstrebe? VoUe Deutlichmachung der Bel:iehungen der Musik zum Drama durch Verein­

fachung des Stils, durch Plastik des Ausdrucks in Wort und Ton, also: restlose Verschmelzung der beiden Hauptfaktoren des musikalischen Dramas unter weit­gehender Heranziehung des malerischen Elements. Letzteres keineswegs als bloßes Relief für die Handlung gedacht, sondern in manchen Fällen selbstherrlich in diese eingreifend. Ich verweise auf den Einfluß des nächtlichen Waldzaubers I. Akt .F er n er K I a n g" auf die Entwicklung des Dramas, auf das Erglühen und Verdämmern der Erscheinung des Schlosses im .S pi el wer k", die Enthüllung des Bildes mit der Totenhand am Schlusse des H. Aktes der .Gezeichneten". Tanz und Pantomime möchte ich in natürlich sich ergebenden FäUen nicht missen.

Endlich: Höchste Kunst und Feinheit in Behandlung des Orchesters; Eindämmung seiner Gewaltherrschaft über die Singstimmen zugunsten der Verständlichkeit des Wortes; eine Art Entmaterialisierung des Orchesters zur Beherrschung subtiler S tim m u n gen. Nichts wirkt störender als z. B. eine Celesta, die sich mir als solche aufdrängt, eine Klarinette oder Oboe, in unedlem Wettstreit mit der Sing­stimme vergewaltigt, .deckt" diese unter Umständen mehr als das Wogen des gesamten Klangkörpers. Womit ich aber keineswegs der sogenannten .dicken# Instrumentation das Wort reden will. Ich verneine nur den aUzu deutlichen, differenzierbaren Klang und möchte ,im Dienste der Oper nur ei n Instrument anerkennen: das Orchester selbst.

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REFORlVI DES lVIUSIKUNTERRICHTES Von Dr. Bernhard Paumgartner, Salzburg

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Allgemeines und Elementarunterricht Es besteht für mich kein Zweifel, daß die Kunst des Musizierens und MusikhÖreos

trotz eminenter technischer und, geistiger Leistungen mancher Schaffender und erlesener Reproduzierender gegenwärtig auf einer tieferen Stufe ihrer ewig bewegten' Entwicklungskurve angelangt ist. r JedenfaUs ist die Frage berechtigt, ob jemals ein im großen Ganzen schlechter orientiertes Publikum lebte, bequemer und der niederen Unterhaltung zugetaner als heute und ob jemals der Abstand zwischen dem großen, bleibende Werte schaffenden Künstler und der wenigen Verstehenden um ihn zur breiten, verständnisarmen Masse der Mithörenden und auch Urteilsbeflissenen größer gewesen ist.

, In den musikalisch feiner ,orientierten Perioden der Vergangenheit gab es im allge­meinen zwei Klassen Musiktreibender : die in harter Arbeit gedrillten BerufskÜDstler,

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an ihrer Seite ein kleiner Kreis hochbefähigter und fleißiger Amateure, die jenen technisch und geistig oft die Wage hielten, anderseits das Volk, unkundig der Noten, Gesetze und Regeln, aber seine ganze Melodiefreudigkeit, 'Tiefe und Inbrunst an eine kleine, einfache, naturschöne Kunstgattung, das Volkslied ver­strömend und dieses zu höchster Kraft und Ausdrucksfähigkeit führend. 1 edenfalls blieb die kunstmäßige Übung der Musik auf kleinere Kreise (Fürstenhöfe, Klöster etc.) beschränkt, eine Pflanze subtilster geistiger Kultur, lange Zeit im besten Sinne .1'art pour 1'art", bis die unseHge Entwicklung des Klavieres vom stillen, klang­schüchternen Klavichord zum' dröhnenden Allerw.eltsinstrument der Gegenwart die Musilcpflege - im schlechten Sinne - proletarisierte und nach einseitig instrumentalen, mechanistischen Prinzipien völlig verkehrte. Wie viele Tausende, die wahrlich nicht berufen sind, verlockt die etwas vulgäre Bequemlichkeit des Klavierapparates, seine wohltemperierte Bereitwilligkeit, sich mehrstimmig - "OrchesterersatzU sagt man -in allen Tonlagen mißbrauchen zu lassen, .Musik zu studieren" und die Armee jener ganz Unbeliebten zu vermehren, die sich berufen fühlen, als Verständige in alle musikalischen Fragen dreinzureden, obwohl sie ohne Programmbuch stets hilflos im Konzertsaal sitZen und alles drum gäben, zu wissen, wie ihnen das Stück gerade gefallen hat. Zwischen Volks- und Kunstmusik der älteren Zeit hat sich im Laufe dieser fatalen Entwicklung also ein dritter Stand eingeschoben, eine Art Kunst' bourgoisie, zu der heute fast das ganze Publikum gehört. Wenn auch Mozart und Beethoven am Pflichtrepertoire dieser Pfahlbürger stehen und auch die .modernen" Konzerte und Premieren von ihnen aus Gesellschaftsrücksichten absolviert werden, - eine Musilcgattung ist aus ihren wahren innersten Bedürfnissen in den GrOße städten emporgewachsen, mitten zwischen Kunst und Volk, nach beiden Seiten hin schiebend, ein Bastard schlechtester Blutmischung : Etwas Handfertigkeit von oben, von unten etwas verwässerte Melodik, dazu falsche Sentimentalität und Duselei. So ward die Salonmusi!< aus der Nachblüte herrlicher deutscher Romantik, die Operette aus der Spieloper, der .Lenz" von Hildach und die Schlagermelodien der Grammophone, Drehorgeln und Nachtcafes, jene entsetzliche Entartung musikalischer Kultur und leichtfertigei Technilc, deren willigster Handlanger leider das Klavier, das Instrument Mozarts, Beethovens, Chopins und Liszts, geworden ist.

Es muß gewiß einen Willen und einen Weg' geben, die heilige Musik vor dieser allgemeinen Notzüchtigung zu retten! Mit wahrem Lebensernst und ehrlicher Arbeit läßt 'sich vielleicht wieder eine ihrer würdige Umgebung schaffen, ein weiterer erwählter Kreis herzlich Dürstender; es müßten die Wege gefunden werden, die aus jener Hölle von Unaufrichtigkeit, Flachheit und Unverständnis hinausführen ins Freie eines allgemeinen höheren Kunstwillens. Vor allem muß der Spaten an die Wurzel des Übels gesetzt werden, an den musikalischen Unterricht.

Der Unterricht unserer Zeit stellt den Schüler von Anbeginn auf das instrumentale, mechanistische Prinzip ein und schafft damit neben der allerdings unerläßlichen Technilc leider auch 'jene Oberflächlichkeit, Frechheit und Gedankenlosigkeit den Kunstwerken gegenüber, die eine der Hauptursachen der Entartung unseres Geschmackes geworden ist.

Es wäre Sache einer tiefschürfenden Arbeit, die Auswirkungen der gewaltigen Umwandlungen des vokalen Stils in den instrumentalen, wie er sich etwa zu Beginn des 17. Jahrhunderts vollzog, in all ihren heute erst recht fühlbaren Folgeerscheinungen aufzudecken. Mit der allmählichen Entwicklung der instrumentalen Technik und des inztrumentalen Geschmackes seit dieser Zeit haben wir. völlig die süße, klare Einstellung auf das Vokale, Unmittelbare in der Musik und damit jenen wunderbaren

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Maßstab verloren, der uns sofort in unkörperliche Beziehungen zu den feinsten Schwingungen des Kunstwerkes brachte. Die Ausdrucks mit tel waren zu Paleshinas Zeiten gewiß primitiver, dafür aber Ohr und Kopf der Musiker und Hörer ungleich empfänglicher und differenzierter; einfache, aber mit Geschmack geordnete kontra­punktische Kombinationen oder goldklare Dreiklangsfolgen - man denke an die Doppelchöre von Wi11aert, an Motetten von Lasso, Luca Marenzio oder Ga1lus .:..... erzwangen damals seelische Emotionen, wie sie heute kaum mit der dynamischen und illustrativen Kraft des großen Orchesters erreicht wer}ien können. Ein expressio­nistisches Element, das wir eben wieder mühsam auf anderen Wegen zu suchen beginnen, der, reine, schlackenlose Ausdruck seelischer Überfülle, dieses Lichtzeichen der wahren Kunst aller Zeiten, ward damals keusch und ungetrübt offenbar; mehr noch durch die ausgezeichnete Einstellung des Musikers und des Hörenden als im Kunstwerke an sich. Unsere allzustarke Zuwendung zum instrumental Mechanistischen - auch der Sprechgesang, der Koloraturgesang und die moderne Chorbehandlung gehören dazu - hat uns durch Generationen jenen feinen, in uns allein wirksamen Maßstab verloren gehen lassen. So mußten auch historische Fehlurteile entstehen, die in unserem theoretischen Unterrichte immer wieder zum Ausdrucke kommen. Man lese einmal in den gangbaren, als Lehrbücher verwendeten Musikgeschichten die Urteile über die Wirkungskraft primitiver, mittelalterlicher Musik, etwa über das . Organum Hucbalds, über Melodien der Minnesänger oder Arbeiten aus dem Zeitalter der Mensuralisten, ja selbst der älteren Niederländer (Dufay, Binchois etc.) nach. Das Plumpe, Ungefüge, Maßlose dieser Gebilde - unbegreiflich, daß so etwas über­haupt als lebendige Musik wirken konnte! - wird mit Verwunderung und Breite zum Ausdrucke gebracht, während doch die Schuld allein in der Unfähigkeit unseres Zeitalters liegt, die rechte, abstrakte Einstellung zu finden. Müßte es sonst nicht offenbar werden, daß beispielsweise das Hucbaldsche Organum den übermächtigen, fast urweltlichen Formen romanischer Kunst auf musi1calischem Gebiete durchaus entspricht; freilich von unbegleiteten oder instrumental -nur primitiv gestützten Männerstimmen in jenen düsteren Kirchen gesungen: eine unendlich kraftvolle Manifestation der dunklen, ringenden Gewalten des frühen Mittelalters. In unseren Hörsälen demonstriert; natürlich eine musikalische Lächerlichkeit.

Unsere Zeit, einige Schaffende voran, drängt darnach, jene verlorenen Beziehungen wieder zu finden. Anti1cisierende Stilisierung oder unechter Zug zur Einfacliheit lenken natürlich auf falsche Wege. Auch die heutige, kompliziertere Gefühl.welt, die unerhört gesteigerte Technik 'und der Reichtum an Ausdrucksmitt.ln sind gewiß kein Hindernis, das entschwundene Ideal wiederzufinden; diese starken Hilfs­mittel würden uns im Gegenteil vor Nachahmung des Gewesenen, also Epigonentum oder Kitsch schützen und uns glanzvolle, ungeahnte Pfade zu Neuem, Eigen.m weisen, wie sie in Malerei und Lyrik vielleicht schon unsicher, aber mutvol1 betreten ..... rden.

In bildender Kunst und Dichtung gilt es vor allem, Schaffende und Empfangende zu erziehen. In der Musik bedarf noch .ine dritte Gruppe der schwierigsten Sonderunterweisung: die Reproduzierenden. Sie sind es, die in erster Linie auf die Stufe neuer, innerer, vom Mechanistischen losgelöster Anschauung gehoben w.rden müssen, denn in ihren Händen wird das musikslische Kunstwerk stets wied.r neu geboren und lebt in den Schwingungen ihrer Seele und in der Intensität ihres Durch­dringens und ihres Fleißes ein schöneres oder mißgestaltetes Leben. Die Schaffenden werden diese Bedingungen aus sich selbst heraus erringen müssen, wenn sie wirklich giltige Werte hervorbringen. (Fort.et%u~g folgt)

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9B e SO I1de re r reif

DIE FRAU OHNE SCHATTEN Von Dr. Egon Wellesz, Wien

Die Dichtung Der frühen Barockoper war die Niveauscheidung zwischen Text und Musik fremd.

Die besten Dichter ihrer Zeit vereinigten sich mit den ersten Musikern des Landes, um eine Form des Dramas zu schaffen, in welcher man eine Erneuerung der Antike erreicht zu haben vermeinte. Nicht die Musik, sondern die Dichtung stand im Vorder­grund und jede Reform der Oper ging von einer Reform des Textes aus. So war es bei G1uck, so bei Wagner. Aber nach den Epochen der Reform trat jedesmal ein Vordrängen des Musikalischen ein, Form und Gehalt der Texte beeinträchtigend.

In unserer Zeit vollends, in der eine unüberbrückbare Kluft zwischen Dichtung und Literatur aufgerissen ist, war das Sinken des Niveaus der Operntexte kraß und für den feinfühlenden Musiker unerträglich. Daher suchten die Musiker, die nicht zugleich Dichter ihrer Texte sein konnten, nach neuen Möglichkeiten, die Musik in Relation zu einer Dichtung zu stellen. Sie wandten sich vom herkömmlichen Libretto ab und begannen Texte zu komponieren, die für das gesprochene Wort gedacht waren. Debussy und Dukas komponierten Dramen von Maeterlink, Strauß die Salome von Wilde. Dabei ergab sich aber ein neuer Konflikt : Waren die reinen Opern texte zum großen Teil banal in der Sprache, aber bühnenwirksam, so waren die als gesprochene Dramen konzipierten Texte dichterisch von Qualität, aber ungeeignet für die Vertonung. Nicht einmal Kürzungen und Veränderungen konnten hier voll. Abhilfe schaffen. lYlan nahm aber alle die Mängel um den Preis dessen hin, daß das feinere Gefühl nicht mehr durch sprachliche Banalitäten und Unsinnig­keiten der Handlung beleidigt wurde. Erst im Zusammenwirken von Strauß und Hofmannsthai im "Rosenkavalier" bereitete sich eine Verschmelzung von wirklicher Dichtung mit einer Musik von Rang vor. Eine Vollendung gemeinsamen Schaffens ist in der lIFrau ohne Schatten" erreicht.

Hofmannsthai scheint bei dieser Dichtung eine Erneuerung der Wiener Zauber­oper vorgeschwebt zu haben, die in der "Zauberflate" auf ci;'e Höhe kam, die in ihrer Zeit unerreicht blieb, obwohl Dichter und Musiker zu Hunderten sich an äh.,lich gearteten Stoffen versuchten.

Nicht Äußerlichkeiten, sondern die tiefen mystischen Beziehungen, die in der . Dichtung aus dem Wust des Gewöhnlichen hervorleuchten, hatten schon Goethe zu

einer Fortsetzung der Zauberflöte inspiriert, in noch höherem Maße aber die Konzeption der "Helena" beeinflußt. Als Eckermann mit ihm über die Schwierigkeiten des Stückes sprach, das sehr große Ansprüche an den Leser mache, sagte er: Aber doch ist alles sinnlich, und wird, auf dem Theater gedacht, jedem gut in die Augen fallen. Und mehr habe ich nicht gewollt. Wenn es nur so ist, daß die Menge der Zuschauer Freude an der Er s ch ci nun g hat; dem Eingeweihten wird zugleich nicht der höhere Sinn entgehen, wie es ja auch bei der Zauberflöte und anderen Dingen der Fall ist."

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Eine derart innere Anknüpfung an die Welt der Zauberflöte hat Hofmannsthai in der "Frau ohne SchattenIl vollzogen. Er 1st in seinen Bühnendichtungen nicht psychologisierender Dramatiker, sondern - wenn dieses Wort nicht mißverstanden wird - gestaltender Theatraliker. Als Erbe alter italienisch-wienerischer Tradition geh t er vom Barocktheater mit seiner· reichen Szene aus; er stellt nicht das Einzelne, Zufällige, sondern das Ewig-Wiederkehrende dar; er zeigt das Spiel von der Welt, in dem die Figuren von höherer Gewalt, von den Mächten des Lebens und des Todes geleitet werden. Die Gestalten seiner Dramen: Claudio, Madonna Dianora~ der Kaiser und die Hexe, EHs Fröbom, die Sobeide, Ödipus, Elektra, Jedermann, der Kaiser und die Kaiserin, Barak und die Frau, sie alle führen in eine andere Welt hinein, wie ein Traum hinüberschwebt in einen anderen Traum.

Unmerklich soll der Übergang in jene andere Welt erfolgen:

"' .. Kaum uns selber sei's ges"tanden, Auf welch geheimnisvolle Weise Dem Leben wir den Traum entwanden Und ihn mit Weingewinden leise An unseres Gart'ens Brunnen banden 1).1/

Darum liebt es Hofmannsthai, zwischen Spiel und Zuhörer, zwischen die Welt der Wirklichkeit und des Traumes noch .eine Zwischenwelt zu setzen wie in der 1,Ariadneu

, so daß die eine Handlung in einer zweiten ruht. So führt auch der Schluß ... gesang der Ungeborenen aus der Traumwelt sanftlösend in die Wirklichkeit zurück.

. Die. Herkunft der Märchenmotive, die in die Dichtung kunstvoll verwoben· sind, wurde mehrfach in Besprechungen des Werkes erwähnt: es müssen die Symbole möglichst stark in schon Bekanntem wurzeln, um nicht den Inhalt mit zu viel des Neuen zu belasten. Ist ja diese Dichtung fast überreich gefertigt, wie das Gewebe des Teppichs. den in der ErzäQlung dieses Stoffes ') das Mädchen im Bergsaal vor dem Kaiser entrollt; wichtiger ist es aber, auf die Herkunft der dichterischen Motive hinzuweisen.

Die Gruppe: Kaiser und Kaiserin hat ihre Vorstufe in Hofmannthais kleinem Drama "Der Kaiser und die Hexe" (1897). Auch hier ist der Kaiser an ein Wesen - aber dämonischer Art - aus der anderen Welt gebunden, will sich aber von ihm befreien und kann dies auch, wenn er die Hexe sieben Tage lang nicht berührt. Trotz aller Versuchungen besteht er die Frist und trennt sich so von dem niedrig Anhaftenden an seiner Seele, wie in der Oper die Kaiserin von der Amme. Hier wie dort ist der Kaiser ein Jäger und Verliebtet. In dem Jugenddrama findet er den Weg zu erneutem Leben aus sich selber.

Herr, der unberührten Seelen Schönes Erbe ist ein Leben, Eines auch ist den Verirrfen Denen eines, Herr, gegeben, Die dem Teufel sich entwanden Und den Weg nach Hause fanden.

In der Oper geht die Wiedererweckung zu neuem Leben von der Kaiserin aus; sie ist der wirkende Teil in der mystischen Einheit, welche die Ehe bildet, so wie Barak der wirken de Teil in der anderen Ehe. Man wird dem Verständnis des Textes näher kommen, wenn man nicht von den Einzelpersonen ausgeht, sondern von d~n

1) Vorgesetzt den kleinen Dramen. ~) Die Frau ohne Schatten. Erzählung von Hugo HofmannsthaI.

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beiden Paaren, an deren Ehen das Walten des Geschickes gezeigt wird. Nich t leicht Iiißt sich das für den Dichter Bedeutsame an der Darstellung des Schicksalhaften der Ehe schöner formen, als es Gundolf im tt Goethel~ bei der Besprechung der Wahl ... verwandtschaften in einer sichtlich von Stefan George inspirierten Seite getan hat . • In keinem anderen Prisma können sich die Strahlen des Naturgesetzes, des Schicksals, der persönlichen Leidenschaft, der sittlichen Pflicht und der gesellschaftlichen Zustände gleichzeitig so brechen wie in dieser Institution: denn sie hat teil als Polarität zweier Liebender an der Natur, ~als Begegnung zweier Schicksalsträger am Schicksal, als gesellschaftliche Institution an Kultur und Staat, sie gehört als eine Erfüllung oder Nichterfüllung der Liebe in den Bereich der Naturtriebe, sie ist als die Regelung der Geschlechter ein Gebiet, das die Zivilisation der Natur abgerungen hat, sie ist eine geschlechtliche Funktion, eine soziale Einrichtung, ein sittlicher Auspruch und ein magisches Geschehen; in ihr treffen sich Blut und Geist der einzelnen Personen, Sitten und Forderungen der menschlichen Gesamtheit, Gesetze und Verhängniss e der überpersönlichen Mächte!) ...

Wie die zwei Paare der Handlung aus einer schicksalhaften und triebhaften Vereinigung zu einer höheren Einheit im Mysterium der Ehe gelangen, wie aus dem Animalischen des sich zufällig Findens ein magischer Akt wird, das ist die Handlung der Dichtung. Die Wandlung, das Erhöhen "aus ewigem Tode zu ewigem Leben" geschieht bei allen Gestalten in Augenblicken, in denen sich das ganze Leben zusamm eo .. drängt und plötzliche Erleuchtung sie über sich selbst hinaushebt.

So geschieht es Claudio, da ihm der Tod erscheint:

In einer, Stunde kannst du Leben pressen, Mehr als das ganze Leben konnte halten, Das schattenhafte will ich ganz vergessen Und weih mich deinen Wundern und Gewalten. ,

So sagt Miranda in .Der weiße Fächer": .Es sind die Augenblicke, in denen, man sich und sein Schicksal als etwas

unerbittlich Zusammengehöriges empfindet". So der Kaiser in "Der Kaiser und die Hexe", da er erkennt:

Überall ist Schicksal, alles Fügt sich funkend ineinander Und 'unlöslich wie die Maschen Meines goldnen Panzerhemdes.

Bei der Kaiserin beginnt die Wandlung im zweiten Akt, als sie sich mit den Worten "Ich, mein Gebieter, deine Dienerin !", vor Barak demütigt. Sie reift innerlich in der Traumszene, sie wird zur Tat im dritten Akt durch die Trennung von der Amme.

Barak wächst in der Schlußszene des zweiten Aktes über sich hinaus. Aus dem gütigen aber dumpfen Mann, der wie ein Maulesel am Abgrund hingeht "und es ficht in nicht an die Tiefe und das Geheimnis" wird mit einem Male der erkennende und richtende, dann in der Wandlung der verstehende und verzeihende Gatte.

Mit dem Färber Barak ist die dramatische Dichtung um eine bedeutende Figur bereichert. Mit wenigen Strichen, ohne psychologisierende Mittel, rein gestaltet, wird der Grundzug seines Wesens, die Güte, offenbart. So wächst er von Szene zu Szene zum Heroen; wächst - in dem Sinne wie ihn Romain Rolland im l1BeethovenU

faßt -: Nicht zu einem, der durch Gedanken oder Macht triumphiert, sondern zu einem, der groß ist durch sein Herz.

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Und diese heroische Güte durchleuchtet die ganze Dichtung, wird gleichsam zum Gesetz, durch das Kakobad, richtend wie Salome, die Welt beherrscht; erleuchtet die Kaiserin, da sie sich von der Amme lossagt, tönt aus dem Zwiegesang Baraks und der Frau, des Kaisers und der Kaiserin wieder, hebt die Dichtung in eine erhöhte Sphäre, gestaltet sie zu einem Hymnus auf reines Menschentum.

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Die Musik In einer Zeit, als die dramatische Komposition in schwächlicher Wagnernachfolge

oder in krassem Verismus befangen war, stellte sich Richard Strauß mit seinen sinfonischen Dichtungen zwischen Oper und Sinfonie. Er ließ sich von den vielen Heldenopern nicht verführen, sondern ging den Weg eines kühnen, oft revolutionär anmutenden Musikers, der aus der dramatischen Musik mit rein orchestralen Mitteln das darzustellen vermochte, was ihn reizte, ohne an die Szene gebunden zu sein. Wie immer man ,steh zur Programm .... Musik stellen mag, Strauß hat das große Verdienst, in einer Zeit, in der die deutsche Musik konservativ zu werden drohte, ihr einen Impuls gegeben und der jüngsten Moderne die Wege geebnet zu haben. In der "Feuersnot" hat er ein großes Talent an einen gewöhnlichen Text verschwendet; dann aber gab er in der Musik zur "Salome" ein Bühnenwerk von so erstaunlichem Reichtum, von solcher Kühnheit der Stimmenführung und der Farben, daß alle Jungen sich begeistert zu ihm bekannten. In der "Elektra"

. steigerte er diese Richtung bis zur höchst möglichen Potenz; darüber hinaus konnte nichts mehr geschaffen werden. So kam nun der "Rosenkavalier", ein Werk, in dem zum erstenmal Hofmannsthai einen Text für Strauß dichtete. Vieles darin zeigt noch das Tastende der neuen Arbeitsgemeinschaft; die große Arie der Ochs von Lerchenau ist zu sehr an das einzeine Wort gebunden und lastet, die Einleitung zum dritten Akt ist zu umfangreich geworden. Auch in der "Ariadne" ist das Schwergewicht zu sehr auf die Zerbinetta,Rolle verlegt, während doch Ariadne und Bacchus - wie der schöne, im Inselalmanach veröffentlichte Brief Hofmannsthais über die Gestalten dieser Oper besagt - die Träger der Handlung sind und Zerbinetta mit ihren Gefährten die Zwischenwelt bedeutet, die sich zwischen Publikum und Szene einschiebt.

In der "Frau ohne Schatten" ist die Musik in ungemein harmonische Relation zur Dichtung gesetzt. Die Musik hält sich nicht an das einzelne Wort, sondern an ganze Perioden und Szenen. Die größte Einheitlichkeit dieser Art herrscht in der zweiten Färberhausszene beim Chor, ,,0 Tag des Glücks" und in der Szene, in der das Lebenswasser aufrauseht. Aber lauch die übrigen Szenen zeigen - vergleicht man den Aufbau etwa mit der "Salome« einen viel geschlosseneren Zug. Strauß hat sich in der "Ariadne" einen Stil geschaffen, der in dieser neuen Oper in viel größeren Dimensionen angewandt wurde. Er gestattet eine viel kantablere Führung der Singstimmen, die über dem Orchester unvergleichlich besser hervorklingen, als in anderen neuen Opern. Will man es Orchesterraffinement nennen, wenn Strauß, um diesen Zweck zu erreichen, fortwährend zu Solowirkungen der Streicher greift, so mag man es.

Es ist ein fast tragisches Schicksal der deutschen Künstler, daß die Nation an ihnen das Ringen um den Stoff der Beherrschung der Materie vorzieht; daß der Kunstwille der Kunstvollendung vorgezogen wird. Es ist dies eine Einstellung zur Kunst, die den romanischen Völkern fremd ist. Andre Gide rühmt in den kritischen Aufsätzen "Pretextes ll die tres grande clarte, die Klarheit des Rameau,

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des Moliere, des Poussin, weil diese das Geheimnis des Kunstwerkes am sichersten vor dem Eindringling schützt, weil diese Klarheit eine höchste Kunstform ist, durch die allein das Ringen mit der Kunst fruchtbar gemacht wird~ Darum brauchte es so lange, bis Debussy hier verstanden wurde, so daß man lange Zeit seine Klavierstücke für nette, aber harmlose Musik ansah, weil die 'Glätte der Faktur mehr verbarg als enthüllte, weil sie nicht das Ringen selbst zeigte, sondern die Frucht des Ringens.

Man mag zu Strauß innerlich stehen, wie man will; eines muß man ihm zugestehen, daß er in seinen großen Werken stets eine inspirierte und dabei artistisch vollendete, nie auf den Effekt bedachte Musik schre,ibt. Und vollends die Partitur der .Frau ohne Schatten" ist mit einer solchen Klarheit und Übersichtlichkeit gearbeitet, daß man sofort sieht, nur ein großer Künstler könne sich zu dieser Beherrschung der Materie durchge,rungen haben. Bedenkt man, wie vieles noch in "Don Quixote" - wo oft ähnliche solistische Wirkungen erstrebt werden, - wie vieles im "Heldenleben" auf dem Papier steht, ohne deutlich hörbar zu werden, so ermißt man den Fortschritt seit diesen Werken.

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Es ist eine eigenartige Kunst, wie Strauß es versteht, mit wenigen Takten in die Handlung einzuführen; dies hat man zum erstenmal in der "Salome" bewundert. Hier ist das Problem ungleich schwieriger gestellt, aber ebenso wirksam gelöst. Die Amme sieht das Kommen des Boten, der gleich vor ihr steht und drohend seine Fragen stellt. Und schon nach wenigen Takten geht die Musik aus der exponierenden Bewegung in einen zarten Gesang über, in eine anmutige Kantilene von Sologeigen .. Solocello und Celesta, in welche die Stimmen der Amme und des Boten eingelagert sind, die von der Kaiserin sprechen. Dann wieder einige dramatische Takte und neuerdings eine lyrische Stelle, da die Amme vom Kaiser erzählt: "Die Nacht war nicht in zwölf Monden, daß er ihrer nicht hätte begehrt!" und neuerdings geht die Auseinandersetzung des Boten mit der Amme in dramatischer Weise weiter.

Diese Einlagerung lyrischer Partien in das Dramatische ist ein Merkmal der ganzen Oper und erlangt die höchste Steigerung im zweiten Akt, dessen Architektur die Ausbildung dieses Prinzips geradezu erfordert: Färberhaus - Monolog des Kaisers - Färberhaus - Monolog der Kaiserin - Färberhaus. In den Färberhaus­szenen steigert sich die Handlung vom Anfang bis zum Schluß des Aktes, in den Soloszenen des Kaisers und der Traumszene der Kaiserin wird sie gleichsam episch in Abschnitten weitererzählt. Äuße,res und inneres Geschehen gehen unvermittelt wie im Traum weiter. Es sind faßt keine Grenzen zwischen außen und innen. Ungemein glücklich ist das erste Auftreten der Kaiserin mit ihrem schwebenden, unirdischen Gesang, der nur von einer Harfe begleitet und von Sologeige und Solobratsche umspielt wird. In diesen beschwingten Gesang klingt das Nahen des Falken mit seiner gläsernen Klage. Auch hier ist das Instrumentalbild kühn und einfach, den vogelhaften Ruf schildern kleine Flöte, 2 Oboen, und Es-Klarinette, darunter ziehen, stufenweise abwärtsfallend, Akkorde von 3 Flöten. Schon in diesen einleitenden Szenen fallt die neue Art der Deklamation auf, welche Strauß in der Oper konsequent anwendet. Der Stimmenumfang, besonders der dramatischen Soprane, aber auch der Altstimme, ist in der äußersten Spannunglherangezogen ; es werden aber auch, wie in dem eben erwähnten ersten Auftreten der Kaiserin und in der Szene im Inneren des Geistertempels thematische Koloraturen gefordert. Ferner ist die Rhythmik des Gesanges frei und von den Taktfesseln völlig losgelöst. Beispiele hiefür bietet z. B. der Gesang Baraks "Ich zürne dir nicht, bin freudigen Herzens"; der Gesang

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der Frau "Denn es ist nicht von heute, daß du meine $timme hörst und faßt sie nicht" im zweiten Akt; von großer Wirkung sind auch die Schwankungen zwischen 4/, und '/, Takt im Gesang des Kaisers "Wenn das Herz aus Kristall, zerbricht in einem Schreiu

; rein artistisch genommen, sind sie bewunderungswürdig. Strauß hat es verstanden, die Momente der Dichtung, die für das Verständnis

der Handlung wichtig sind, hervorzuheben und deutlich zu machen. Handelt es sich um einzelne Worte, so unterbricht er das Orchester und läßt sie unbegleitet singen. Gleich der erste Gesang des Kaisers bietet eine Reihe Stellen dieser Art; die unbegleiteten Worte sind gesperrt gedruckt. "Da flog er der weißen Gazelle zwischen die Lichter und schlug mit den Schwingen ihre süßen Au~.en! Da stürzte sie hin und ich auf sie mit gezücktem Speer! da riß sich's inAngsten aus dem Tierleib und in meinen Arm en rankte ein W ei b! 0, daß ich ihn wiederfände ... "

Sollen ganze Sätze hervorgehoben' werden, dann greift Strauß zu zartester Begleitung und gibt der Singstimme eine einfache, deutliche Führung, wie im Gesang der Wächter am Ende des ersten Aktes, oder im Gesang Baraks "Esset, ihr Brüder, und lasset euch wohl sein!lt im zweiten Akt.

An einigen Stellen läßt er überdies die Personen sprechen; so erzählt die Frau dem Färber hastig und hart: "Von morgen ab schlafen zwei Muhmen hier, denen richt' ich das Lager zu meinen Füßen." Dann, als die Frau in der Schlußszene des zweiten Aktes sich begangener Untreue beschuldigt, spricht Barak in höchster Erregung: "Das Weib ist irre, zündet ein Feuer an, damit ich ihr Gesicht sehel lt Dazu erdröhnt ein Tremolo (ausgeführt mit Zungenschlag) der Posaunen, ein Orchestereffekt, der meines Wissens zum erstenmal in den 5 Orchesterstücken op. 16 von Schönberg

. angewandt ist. Am gewaltigsten ist diese melodramatische Führung in der großen Prüfungsszene der Kaiserin im dritten Akt ausgeführt, stellt aber fast unerfüllbare Anforderungen an die Sprech- und Darstellungskunst der Trägerin dieser Rolle.

Die Gelegenheiten, die der Dichter dem Komponisten geboten hat, Ensembles anzubringen, sind überall aufgegriffen. Wie in der alten Arienoper gipfeln die meisten Szenen in Duetten, Terzetten und Quartetten, ferner durchziehen das Finale des dritten Aktes Kinderchöre. Dadurch ist eine gewisse Breite erzeugt, ja vielleicht ein Übermaß an kantabler Musik, das durch die vielen instrumentalen Zwischen­spiele bei den szenischen Verwandlungen noch gesteigert wird. Zu den stärksten Stücken dieser Art gehört die erste Verwandlungsmusik; der Abstieg ins Menschenreich und die Musik der Traumszene im Falknerhaus, deren leidenschaftlich geschwungene Melodik in hohem Maße inspiriert ist. • •

"Die Frau ohne Schatten" ist keine 0 p er im landläufigen Sinne; die szenischen Schwierigkeiten, ihre Länge, die Erfordernisse ganz ungewöhnlicher Sänger, die. zuglei~1i ausgezeichnete Schauspieler sein müssen, die Gehobenheit der Dichtung machen sie zu einem Werk, das nicht von Bühne zu Bühne wandern kann. Sie ist eine Festoper, wie die alten Barockopern, geeignet, den Zuhörer über seinen Menschentag hinauszuheben, für Stunden wenigstens die Verwandlung zu schaffen, welche die Brücke zwischen Traum und Wirklichkeit aufhebt.

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ERINNERUNGEN AN MAHLER Von Oskar Fded, Berlin

Die Umstände, unter denen ich Mahlers Bekanntschaft machte, waren äußerst charakteristisch. Ich lernte ihn in Wien kennen. Es war im Jahre 1904. Schalk, der die Erstaufführung meines "Trunkenen Liedes" in Wien im Rahmen der Konzerte der Gesellschaft der Musikfreunde plante, hatte mich eingeladen, aus Berlin zu den Proben zu kommen. Ich leistete Folge und im Verlaufe des ersten Gespräches bereits erkundigte Schalk sich bei mir, ob ich Direktor Mahler schon meinen Besuch abgestattet hätte. Ich verneinte dies, ja verwahrte mich anfangs dagegen aus einem Gefühl künstlerischer Selbsteinschätzung und menschlichen Feingefühls, das einen Künstler verpflichtet, sich einem andern, noch dazu vom Range Mahlers, irgendwie aufdrängen zu wollen. Ich lehnte also rundweg ab und erachtete die Angelegenheit damit als erledigt. Doch schon am nächsten Tage, es war die Generalprobe zum • Trunkenen Lied", trat Schalk auf mich zu und teilte mir mit, Direktor Mahler hätte den Wunsch geäußert, mich kennen zu lernen. Er interessiere sich sehr für mich. Ich begab mich denn tagsdarauf in die Direktionskanzlei. Als ich nUl1 ihn selber, den mit Unrecht gefürchteten und verschrieenen Gebieter seines Hauses so vor mir sah, erhielt ich zunächst einen Eindruck, den ich nicht anders als wunderschön nennen kann. Vor allem war dieser erste Eindruck ein überaus menschlich starker. Dieser Mann, der da durch seine gestrenge und abstandgebietende Brille dennoch mit kindlicher Neugier und jener unverfälschten Offenherzigkeit sah, die in anderen Menschen in erster Linie nur das Menschliche abzutasten und zu ergründen bemüht ist, diesen Mann mit seinem kindlichen und doch überaus männlichen Kopf fand ich dem Aussehen nach geradezu schön. Sein Blick, der alles durchdrang und das Inner~te bloßlegte, seine schöne tiefe Glockenstimme, sein Mund, der in seinem feinen Schnitt von unerschütterlicher Energie, in seiner fast femininen Linie von Güte und innerer Wärme sprach, und nicht zuletzt die Intensität seiner Gebärden und seines ganzen Habitus, a11 das in seiner Gänze machte ihn unwiderstehlich. Und ich gestehe, ich habe ihn gleich gerne gehabt. Dazu war er auch ganz besonders nett zu mir und von einem Maß an Herzlichkeit, daß ich nicht erwartet hatte. Und als wir erst zu sprechen begannen. Da hatten wir schon einer den andern gewonnen. Wir sprachen wie zwei gute alte Freunde, denen nichts zuwider und abgeschmackter ist als mit lobhudelndem Federspreizen und selbstgefälliger Courtoisie den andern günstig für sich zu stimmen. So verlief denn auch unsere erste Unterhaltung in der Besprechung der Pläne und künstlerischen Absichten, die ein jeder für sich vorhatte. Nun traf es sich ganz merkwürdig, daß ich zur selben Zeit die "Heilige Elisabeth" aufführen woHte wie Mahler. Ich war damals gerade Nachfolger von Professor Gernsheim als Leiter des berühmten Sternsehen Gesangvereins in Berlin geworden und war fest entschlossen, mit der jahrhundertlangen Tradition dieses mehr als konservativen Vereines zu brechen, dessen Programm abwec.hselnd in "Paulus" und .Elias" sich erschöpfte. Ich hatte mich auch zur Übernahme der Leitung nur unter der Bedingung verstanden, daß mir das Recht zustünde, das Programm gründlich zu modernisieren. Mahler plante nun gleichfaHs eine Aufführung der "Heiligen ElisabethH und sein Interesse für meinen Plan war umso· stärker, da er eine szenische Aufführung im Operntheater beabsichtigte. Die Art, wie ich die Elisabeth zu interpretieren gedachte und die ich Mahler mit der mir eigenen Vehemenz im Vortrag und mit der seelischen Durchdringung in das Allerletzte und

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Verklausulierteste in einem Kunstwefk auseinandersetzte, scheint seine Zustimmung in einem solchen Maße gefunden zu haben, daß er mir ~ofort erklärte: Sie werden meine H. Sinfonie in Berlin dirigieren. Ich werde selbst hinkommen. Sie werden das ausgezeichnet machen. - Die Tage, die ich inzwischen mit ihm in Wien ver ... brachte, waren wunderschön. Ich erlebte die Wiedergabe seiner Mozart-Aufführungen, des Tristan, des Fidelio. Künstlerische Eindrücke, die ich nie vergesse und die ich sobald nicht wieder erleben dürfte. Und dann kam er nach Berlin. Zur Uraufführung seiner Zweiten unter meiner Leitung. Der Erfolg war beispiellos. Und Mahler überglücklich.

Das was ich an ihm so rückhaltslos liebte und schätzte, das waren nicht so sehr seine Vorzüge. Es waren seine Schwächen. Und diese gewannen umsomehr an ergreifender Tragik, da sie im Menschlichen beschlossen und begründet lagen. Er war ein Gottsucher. Mit einem unerhörten Fanatismus, mit einer beispiellosen Hingabe, mit einer unerschütterlichen Liebe war er, stets auf der Suche im Menschen, in einem jeden, nach dem Göttlichen. Sich selbst aber betrachtete er als göttllche, Sendung und war ganz von ihr erfüllt. Eine durch und durch religiöse Natur im mystischen, nicht aber im dogmatischen Sinn. Oft und oft sprach er auf gemeinsamen Spaziergängen in Toblach mit mir davon und sein ganzes Wesen überkam plötzlich eine irdische Entrücktheit, als sei er eben vom Himmel gekommen. Aber von Zeit zu Zeit hatte er Augenblicke, da er diese himmlische Mission anzweifelte, und es würgte ihn dann beständig die Angst, ob er auch tatsächlich die Erfüllung in sich trage, obwohl er in nichts so unerschütterlich verankert war als in dem Glauben an sich selbst. In solchen Momenten des inneren Zwiespaltes bedurfte er, um in einer irdischen Ernüchterung nicht zu erlahmen, stets eines irdischen Stützpunktes, die Beglaubigung, die er in seiner Einstellung auf das Göttliche in sich selber trug, von außen her als Echo zu empfangen. Ein Diener, ein Jünger, an dem er die Wirklichkeit und Echtheit seiner religiösen Mission erprobte. Immer tastete sein Unterbewußtsein . nach einem solchen in seiner Nähe, an dessen innerer Erhebung und Verklärung er Bürgschaft und Tragweite seiner religiösen Kräfte maß. Und erfolgte von meiner Seite keine Antwort, kein Echo, wenn ich außerstande" war, ihm dahin gleichgesinnt und gleichgestimmt zu folgen, dann erstarrte seltsam sein~ Blick, und er verkroch sich undurchdringlich in das Gehäuse seiner überirdischen Unterkunft, ein auf Erden betrogenes Kind, das seine göttliche Herkunft betrauerte. Solche Augenblicke waren erschütternd für mich. Es wurde mir unsagbar weh ums Herz. Wie gern hätte ich etwas gesagt, etwas vorgetäuscht, etwas gelogen. Und all das einzig und allein aus Liebe für diese ungeheure Menschenbrust, aus Anerkennung für dieses kolossale Ringen in einem Menschen. Aber es ging leider nicht. Und stumm gingen wir dann nebeneinander hin; er vielleicht in der Erkenntnis, es war doch nicht seine Mission, im Religiösen der Menschheit voranzuschreiten, vielmehr ihnen in seiner Kunst sich zu offenbaren und zu erfüllen. So war er stets ein Kämpfer und ein Ringer. Einer der größten vielleicht, die sich titanisch das Geringste abringen mußten •. Und er, der verschrieene Despot, er bedurfte deshalb in seiner Kunst eines solchen Übermaßes an Wärme, Anerkennung und Liebe, w"ie nur je ein einsamer, erdverschollener Mensch. So weich im Grunde war er und so liebesbedürftig. Und kannte dennoch nicht das belangloseste Zugeständnis, das entfernteste Einverständnis dort, wo es der saubersten und reinsten Ausübung seines höchsten Amtes galt. Hier war er auch übermenschlich rein. Ein Heiland seines Berufes.

Diese innerste Weltabgeschiedenheit, dazu die ungeheure Überbürdung mit Arbeit und Geschäften der Leitung des Operntheaters ließen in ihm wenig Raum und Zeit,

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sich intensiv mit anderen Menschen zu beschäftigen. Zudem war er auch von seiner eigenen Produktion in einem Maße besessen, daß er sich neuer fremder Produktion immer etwas abseits hielt. Wohl gab es nichts in der Musik, daß nicht sein Interesse erreichte. Aber innerlich ließ er doch so ziemlich alles beiseite, was sich nicht in den Rahmen seiner Weltanschauung fügte. So waren auch seine Äußerungen über lebende Musiker äußerst spärlich. Schönberg war einer der wenigen, dessen lautere Persönlichkeit, dessen enormes Können ihm kolossalen Respekt abzwang. Und mit

. dieser Anerkennung hielt er nie zurück, auch dort nicht, wo er vergebens bemüht war, den eigensinnigen Bahnen dieses Musikers aus einem ganz anderen Holz zu folgen. Schönberg war nichtsdestoweniger di. einzige musikalische Erscheinung, die ihn zeitlebens in intensivstem Maße beschäftigte. Strauß schätzte er vor allem als den faszinierenden .Dirigenten. Eine Aufführung der I,Salome l1 in München unter der Leitung von Strauß selbst, der wir beide beiwohnten, war ein Entzücken für ihn.

Mahlers persönliche Tragik, so paradox es klingt, in einer Zeit des internationalen Wettrüstens zur Aufführung seiner sämtlichen Sinfonien, war Wien. Dieselbe Stadt, in der er eine so enorme Opernkultur zustande brachte. Nach zehnjähriger Herkules­arbeit mußte er, der Nimmermüde, der kein Hindernis sah, wo er es nicht sehen wollte, dennoch sich eingestehen, sein Bemühen war aussichtslos .. Daran ist er auch meiner Meinung nach innerlich gestorben. Mahler ist an Wien zugrundegegangen. Die Krankheit in Amerika tat nur noch ihr Äußerliches hinzu. Dasselbe fremde, kunstbespöttelte Amerika, das nach seinem Abschied vom Wiener Op erntheater ihm, dem Beschäftigungslosen, der alles eher ertrug, als ohne Beschäftigung zu sein, das entsprechende Tätigkeitsfeld sicherte. Wie gerne wäre er in Wien geblieben, in Berlin. Aber er bekam kein Orchester. Weder hier noch dort. In Amerika bekam er es.

Das letzte Mal sah ich ihn ein halbes Jahr vor seinem Tode. Er stand vor der Reise nach Amerika. Und auf dem Wege dahin, zwischen Berlin und Harnburg, war er auf Besuch bei mir in Nikolassee. Do.h fiel kein Wort über die Zukunfts­pläne des einen oder des anderen. Er spielte bloß 1m Garten m,it meinem Kinde.

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MUS I KIN ;E N G L A N D I M KR lEG E Von Frederick Delius, Englan~

, Als der Krieg ausbrach, war ich in Frankreich und ging von dort im November 1914

nach Londo~, wo ich ein Jahr verbrachte. Darauf kehrte ich 1nach Grez'sur-Loing zurück, wo ich blieb, bis ich im September 1918 wieder nach England ging, wo ich bis jetzt war.

Das Musikleben ist in England außerordentlich rege gewesen. Vielleicht das einzige Erfreuliche während des Krieges war, zu konstatieren, wie wenig chauvinistisch die Musiker. und das große Konzert-Publikum waren. Ein Versuch, alle deutsc he Musik, inklusive Wagner, zu boykottieren, schlug gänzlich fehl. Als man an Stelle der gewohnten Wagnerabende jeden Samstag in den Promenade-Konzerten in Queen's Hall ein anderes Programm gesetzt hatte, blieb der Saal ganzieer, so daß die Direktion sich genötigt sah, den nächsten Samstag wieder ein Wagnerprogramm zu geben, mit dem Resultate, daß' der Saal ausverkauft war.

Allerdings sind die lebenden deutschen Komponisten nicht gespielt worden; ich weiß aber, daß nächste Saison ~Strauß' Rosenkavalier in London gegeben werden soll.

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Nur einige unserer mittelmäßigen Komponisten 'haben eine große Prop~ganda für ganz britische Musik und britische Programme gemacht, aber das Publikum' hat absolut nicht folgen wollen.

Serge Diaghileff, der russische Balletmeister, der eine sehr erfolgreiche Saison im Alhambra-Theater, Landon, mit seinem Ballet hatte, hat sich durch einige sehr dumme Zeitungsartikel gegen deutsche Musik ausgezeichnet, worin er den Engländern vorwirft, daß sie in der Musik Igänzlich I1cmboche" seien. Darauf hat jedoch Ernest Newman, der ausgezeichnete englische MusikschriftsteUer, ihn in einigen vorzüg .. lichen und sehr logisch sarkastischen Artikeln zurechtgewiesen. Übrigens war Diaghileffs Vorwurf doppelt ungerechtfertigt, da man ungeheuer viel rein französische und russische Musik gegeben hatte, sogar so viel, daß das Publikum schließlich davon etwas übersättigt war, und es hat sich gezeigt, daß der innere Gehalt dieser Musik nicht groß genug war, um das Publikum dauernd allein zu fesseln.

Eine große Bereicherung des englischen Musiklebens sind die Opernaufführungen in englischer Sprache, die durch die Initiative Sir Thomas Beechams periodisch und mit stets wachsendem Erfolge in London, Manchester, Birmingham etc. statt­gefunden haben. Ich habe selbst einer ,sehr guten Tristan-Aufführung in London vor ausverkauftem Hause beigewohnt.

Als Resümee meiner Beobachtungen möchte ich noch hinzufügen, daß in EngIand weder die Musiker noch das Musikpublikum den Nationalismus und Chauvinismus in der Musik trotz aller Presse-Hetzereien dulden will.

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DIE BERLINER REGER-WOCHE Von Max Chop, Berlin

Gleich im Beginn der diesmal besonders früh und mit besonderer Heftigkeit ein­setzenden Berliner Musiksaison gab es eine "Reger .. Wocheu • Kein "Reger ... Fest", wie ausdrücklich versichert wurde. Die Differenzierung ist mir nicht ganz klar geworden. Denn eine echte, rechte;'künstlerische Veranstaltung größeren Umfanges trägt den Keim zur Festlichkeit eigentlich in ihrem Schoße, Schlägt sie ein, entzündet sie mit dem Geiste ihrer Darbietungen die Herzen der Hörer, so wird sie eben zum Feste, auch wenn die Veranstalter ,gegen dieses Epitheton Einspruch erheben. Sie sollten es natürlich nicht tun. Denn ',eine Musikaufführung, die sich selbst zum Feste krönt, ist immerhin eine bemerkenswerte Sache. Dabei bleibt es ganz gleichgültig, wer etwa der Unternehmer sei, ob irgend eine Konzertdirektion, eine Musikgesellschaft, ein einzelner Künstler oder ein Verleger. Die "Reger-Woche" war ein Verlags-Unter­nehmen. Eine der großen Firmen, die speziell Regersche Werke herausgebracht haben, bekannte sich offen als Veranstalterin. Und das gab nun wieder zum Nach­denken Veranlassung. Die Frage nach dem Grunde drängte sich unwillkürlich auf die Lippen. Und für ihre Beantwortung hat der Wissende, mitten im öffentlichen Musikleben Stehende ein verständnisinniges Nicken bereit. Von einem nüchternen Geschäftsmanne wird man kaum erwarten, daß er für die Hebung der musikalischen Kultur im allgemeinen oder im besonderen Opfer bringt, ohne an sich selbst zu denken. Und seit Regers Tode sind die Aktien des Meisters im Kurse an der Künstlerbörse immer mehr heruntergegangen. Es ist beinahe auffallend! Die Skeptiker, die zu Regers Lebzeiten voraussagten, daS seinem Schaffen die starke

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Lebensfahigkeit abgehe, sollten sie Recht behalten? Man weiß, was Reger selbst für seine Werke tat, welch große Propaganda er ihnen allwinterlich zuteil werden ließ. Aber man weiß auch, daß der Kreis seiner Verehrer ein relativ kleiner war, daß das Gros unserer MusikEreunde sich indifferent verhielt. Nun ist Reger kaum drei Jahre tot und es ist so still um sein Erbe geworden, daß es den Hütern dieses Erbes bang ums Herz wird. Durch eine größere "Aktion" sollte die Popularisierung erzwungen werden. Wie kurzsichtig! Als ob sich auch nur ein Geschmack, eine Hinneigung oder gar eine tiefe Liebe erzwingen ließen! Sie müssen sich von selbst einstellen. Man kann wohl, wie bei zwei Menschenkindern, die Freunde gern gemeinsam durch Leben wandern sähen, die Möglichkeit eingehenderer Bekanntschaft geben; die end, gültige Entscheidung aber wird immer der freien Willensbestimmung der Beteiligten überlassen bleiben müssen. Für die Beurteilung der allgemeinen Empfindung Reger gegenüber fallt z. B. die Tatsache des starken Zuspruches bei den Konzerten der "Reger,Woche" und des lebhaften Beifalls nur sehr bedingt ins Gewicht. Denn Berlin hat seine Reger,Gemeinde, die natürlich bei dieser Gelegenheit kräftig in Aktion trat. Es galt aber nicht, die Begeisterung der Anhängerschaft zu erproben, sondern neue Anhänger anzuwerben. Inwieweit dies geschehen ist, läßt sich nicht sagen. Man muß abwarten. Indessen voraufgegangene, ähnliche Versuche mit ihrem doch stark negativen Verlauf lassen nicht zu optimistisch in die' Zukunft smauen.

Nun gab es noch eine ganze Reihe von Bedenklichkeiten, die bei dieser Verlags' Veranstaltung in Berlin auftauchten. Nur zwei der bedeutsamsten mögen angeführt werden: Es war selbstverständlich, daß der Arrangeur nur Reger,Werke aus eigenem Verlage auf die Programme setzte. So ersteht die Frage: Genügte sein Bestand, um dem anspruchsvollen Titel gemäß ein Gesamtbild vom Schaffen des Meisters zu geben? Für die Orchesterwerke keinesfalls! Denn hier vermißte man die Hiller, und Mozart, Variationen als Höhepunkte Regerschen Schaffens zu empfindlich. Es fehlte überhaupt an Original,Orchesterwerken auf dem Programm; an ihre Stelle

. traten zwei Übertragungen. Weiter auch war es dem Unternehmen nicht von Vorteil, daß man bei der Auswahl von Solisten und Dirigenten nicht streng nach der Qualifikation für den besonderen Fall ging, sondern sich vom Starsystem be, einflussen ließ, also Leute mit untermischte, die zu Reger in keinerlei innerer Füh ... lung stehen, sondern nur als sogenannte "Attraktionen" dem großen Publikum gegenüber figurieren sollten.

Das erste Konzert wies das größte Aufgebot an Mitteln auf. Es kamen zwei Orchesterwerke zur Wiedergabe: die Bearbeitung der Suite, op. 93, im alten Stil für Violine und Klavier" die kurz zuvor Franz von Vecsey zusammen mit Maier ... Radon im Original uns so meisterhaft dargeboten hatte, und die Bearbeitung der Variationen über eine Beethovensche Bagatelle für zwei Klaviere, op. 86. Also beide keine Originale in der orchestralen Fassung. Wir wissen nur, daß Reger das Or, chester nicht sonderlich beherrschte, daß er vor allem nicht aus orchestralem Emp, finden heraus zu gestalten, zu differenzieren und die Farben zu verteilen vermochte. In den letzten Jahren seines Lebens hat er zwar manches hinzuge1ernt, ohne es zu einer wirklichen Freiheit der Aktion zu bringen. Die ,wertvollere Arbeit ist die Suite. Selbstverständlich! Sieht sie sich doch nicht angewiesen auf die Umgestaltung ge, gebenen thematischen Materials, sondern gewährt der bildnerischen Freiheit Be, tätigungsmögIichkeit. Ihr Largo steht aIIerdings 'stark unter "Parsifalll ... Stimmung, aber das bewegliche Allegro ist sehr eingänglich, die Fuge - wie immer bei Reger - als Kopfarbeit bedeutend. Die Variationen geben der technischen Strukturkunst reiche Gelegenheit, sich' zu zeigen, sie sind virtuos gemacht, beschäftigen aber doch

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ausschließlich den Geist des Fachmannes und enthalten kaum Gefühlswerte. Gene­ralmusikdirektor Leo Blech dirigierte mit großer Gewissenhaftigkeit und Routine; innere Beziehungen zu Reger fehlen ihm. Er wird das offen zugeben, ohne damit das geringste an künstlerischer Reputation zu verlieren. Und Claire Dux, der BeIcanto .. Star des Opernhauses, sang eine Gruppe von Liedern: "Schlichte Weisen" als virtuose Proben ihrer Pianissimo .. Register, also ebenfalls ohne dem Geiste der Kompositionen näherzutreten. Der einzige, der hier als überzeugter Regerianer mit tief .. innerlicher Begeisterung sein genides Können einsetzte, war A d 0 1 f Bus eh. Er spielte die Arie und Chaconne für Violine allein einfach vollendet und stilecht aUs der Bach .. Reger ... Stimmung heraus.

Das Kammerkonzert in der Singakademie brachte das Es-dur,Streichquartett, op. 109, für das sich das Klingler-Quartett einsetzte. Der Reger anhaftende grüble­rische Zug, das Pessimistisch'Reflexive, vielleicht auch das Suchen nach positiven, klingenden Werten, tritt bei diesem Werke besonders in die Erscheinung und be­einträchtigt in den drei Vordersätzen nicht unwesentlich den Genuß. Auch der Scherzo,Humor macht seine Echtheit nicht glaubhaft. Aber das Finale, in dem Reger sich wieder dem Fugieren überlassen kann, ist ein Meisterstücklein und von sonniger Klangfrische. Daneben stand das leichter eingängliche Streichtrio op. 77 B. Die Klingler,Leute spielten sachgemäß, aber ohne Impuls und überzeugendes Ein­gehen' auf den Geist der Schöpfung, obendrein öfters unrein in der Intonation, eine Schwäche, die auch bei anderen Darbietungen des Quartetts auffallt. Elena Ger h a r d stand als Mittlerin Regerscher Lieder den Absichten des Meisters wesent' lieh näher als Claire Dux. Die Pianistin Frieda Kwast'Hodapp war natürlich als bekannte Reger,Interpretin ganz am Platze mit vier Stücken aus Opus 82 ("Tagebuch") und dem Kolossalwerke Regerscher Satzkunst: Introduktion, Passa­caglia und Fuge op. 96 für zwei, Klaviere, wobei J am es Kwast als trefflicher Helfer seines Amtes waltete.

In der Kaiser WlIhelm,Gedächtniskirche fand dann die "Reger' Woche" ihr wür­diges Verklingen. Die Karfreitagskantate für gemischten Chor, Soli und Orgel, zwei geistliche Lieder für Männerchor (Bearbeitungen Hugo Wolfscher Originale) und die große E'moll,Passacaglia und Fuge für Orgel in der klug, abgewogenen, wirkungs' vollen Wiedergabe von Fritz Heitmann bildeten die Hauptwerke. Hier, wo es galt, den strengen Stil als Ausgangspunkt Regerscher Kunst zu erhärten, fühlte man deutlich jenen "Einklang, der aus dem Busen dringt und in sein Herz die Welt zurücke schlingt •.• " Und immer wieder, wenn man sich· mit Reger eingehen' der beschäftigt - wenn man seine positiven und negativen ,Eigenschaften gegen' einander abwägt - wenn man gewahrt, wie selbst in der leidenschaftlichen Be' wegtheit schließlich doch immer wieder das Reflektierte Sieger bleibt - wie diese Kontraste auf das Ringen einer nach unmittelbarer, blutwarmer Eingebung lechzen­den, tief musikalischen Natur hindeuten, ziehen die großen Weisheiten der "Faustll

....

Tragödie am Geiste vorüber - vom Vorspiel auf dem Theater bis zu dem Diskurs zwischen Faust und Wagner, zwischen Mephisto und dem Schüler. Es liegt so viel Wahres in dem Resümee: "Doch werdet ihr nie Herz zu Herzen schaffen, wenn es euch nicht von Herzen geht.« Und auch viel Erschütterndes! Die Stellen, in denen es bei Reger "von Herzen gehtU, sind zU zählen. Also' müßte es um's "Schaffen von Herz zu Herzen'l übel bestellt, die Prognose für die Zukunft des Regerschen Erbes eine düstere sein. Wir werden abwarten, ob sich die erhoffte Fühlungnahme weiter Kreise einstellt. Recht glaubhaft erscheint sie kaum.

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HERBSTSPIELE I N DRESDEN Von M. Broesike,Schoen, Dresden

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Wagner - Graener - Schreker In der Dresdner Landesoper finden zur Eröffnung der Saison Herbstspiele statt,

in denen man die Kundgebung eines höheren künstlerischen Willens erblicken kann. Sie umfassen erst wie eine Art Überblick, der Traditionelles und ernste Arbeit reicher Jahre an der Schwelle einer neuen Zeit zusammenfaßt, altklassische Werke, denen man viel des Festspieles wünscht, und Wagner in voI1ständigem Zyklus. Als Abschluß gelten sie dem Drange der Jugend und den neuen Intuitionen, die in der reichsdeutschen Uraufführung der "Fr,au ohne Schatten" gipfeln sollen. Ein Pro­gramm, das in seinen Voraussetzungen gewiß aus einer vorwärtsweisenclen Tendenz geboren ist. Es ist wie eine Art Bilanz, die zurückblickt und klären will und doch schon ein neues Resultat aus dem Geiste der Zeit am Vergangenen gewinnen will. Man hat die frohe Erw~rtung fruchtbarer Offenbarungen, die die synthetische Mög' lichkeit von Wollen und Können weckt. Der Wagnerzyklus ergab die reichsten Be' obachtungen, die sich auf diese Hoffnung stützen. Es gibt in der Kunst etwas, was man den modernen Gedanken nennen könnte, I der kein Prinzip, keine Parteilich ... keit, sondern eine unsichtbare Energie ist, die jedes Kunstwerk immer aufs Neue mit seltenen und frohen Ereignissen durchströmt. Im allgemeinen die ewige Meta' morphose des Geistes, die die Begriffe in immer neuen Spiegelungen faßt und rundet, im Festspiel der ewige, absolute Gedanke der Kunst, zu dessen Ferne wir empordringen wollen. Wie ihn Mahler fühlte und inbrünstig in den Alltag tragen

_wollte. Er ist es allein, der den Fluß der Dinge bedingt und bedeutet, als große Bewußtheit den einzelnen lenkt und im Kunstwerk das Verborgene ruft, das Ge-gebene unerschöpflich beseelt. Keiner ist wie Wagner geeignet, diesen Gedanken näherzubringen und wachzuhalten, weil er Urbegriff ist. In ihm ruht alles, was die Kunst unserer Zeit braucht und gegeben hat, er ist der Zentralkörper, um den die stolze Bahn der Nachgeschaffenen kreist. Er faßt rudimentär zusammen, was die Späteren in der Fülle der Individualitäten verbreitert und zerlegt haben. Wer Wagner dient, dient auch dem Geiste der heutigen Kunst, und wer der Kunst der Zeit ergeben ist, wird gesteigerte Kräfte auf den Ahnen in seltener Wechselwirkung zurückstrahlen können. Wir haben in Dresden eine Reihe Darsteller, die durch Schule der Jahre und ein in zähem Wollen gestähltes Können zu dieser Begrifflichkeit durchgedrungen sind: es sind vor allem Plaschke, Vogelstrom und die Osten, Forti und Metzger'Lattermann. Stimmlich leider oft an der Grenzscheide, entzücken sie durch ihre Einschmelzung in die geistige Kraft des Werkes. Der Wagner, zyklus war ein Gewinn, nicht frei von Ermattung und gleichgültigen Stellen, aber

. im einzelnen nach Klärung strebend, eine Spiegelung moderner musikdramatischer Kultur, deren· Vorbereitung er bedeutete. - An dem Geiste Wagners gemessen, in dem alles ruht, was wahre Kunst in Vertiefung und Zukunft braucht, fragen wir uns, ob Graeners "Theophano ll ein Werk ist, das die Isolierung einer Sonderaufführung erheischt. Wir sind dankbar, auch dieses Werk, das immerhin rein musikalisch eine Zusammenfassung verkörpert, gehört 'zu haben (weil wir nicht genug in die Kostbarkeiten des modernen Geistes eindringen können). Aber es ist im tieferen Sinne nur absolute Musik, die den Stih nicht den (allgemeineren)

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Geisteswert hat. Sie hat alles, was eine Musik, die sich sanft und unaufdringlich über die Dinge schmiegt, braucht, aber nicht die große Kraft, die Beziehung zum Drama, die das Wesentliche ist (zum Teil auch, weil dem Drama die Beziehungen zur Musik fehlen). "Theophano ll ist letzten Endes mehr spekulativ als innerlich empfunden. Der Impressionismus, der ~o voll starker seelischer und unterbewußter Reize ist, zeigt hier, was er ni eh t erfüllen kann. Er findet nur seine Rechtfertigung in der schwülen, von Überreife der Sinne schimmernden Atmosphäre' des Orients. Ob er mehr als ein farbiges historisches Gemälde, als Staatsaktion, ein Drama, das durch die Musik erlöst wurde, in diesem dichterischen Gewande geben könnte,. wäre einer größeren Intuition vorbehalten. - Graener mit Schreker in die nahe Nachbarschaft eines Festspieles zu stellen, ist eine Inkongruenz, die auch nicht durch die lose stilistische Gehörigkeit zur impressionistischen Psychologie begründet ist. Schreker gehört im Geistigen in eine andere Verwandtschaft und ist der Triumph der subjektiven Fülle über die objektive Könnerschaft der Zeit. Derselbe äußere Rahmen, in dem sich Graener in Schrauben fesselt, ist in den HGezeichneten" zum Leben geweitet, nur eine Umkleidung, in der sich Ewiges und Typisches offenbart. Er ist nächst Pfitzner, der nur das Esoterische, nicht das Glühende in Wagner weiterführt, der einzige, in dem Wagner in einer seltenen und vergeistigten Form wahrhaft wieder auflebt. Er läutert Zweck- und artistische Wirkung, die auch stark aus romanischen (wiederum von Wagner gespeisten) Einflüssen stammen, zu einer höheren Einheit, in der sie wieoer wahrhaft dramatisch - Wagner nennt es das Rein-Menschliche - werden. Für diesen Stil, der noch in der Entwicklung ist, hat man hier noch kein inneres Verhältnis gefunden. Dieselben Leute, die sich ~agner selbstlos hingeben, suchen nur eine Anempfindung für einen feineren, aber immer wesensverwandten Stil. Sie sind in die reizbare Steigerung, die hier das Geistige und Musikalische erfährt, noCh nicht hineingewachsen. Man muß ihn in seinen geheimnisvollen Beziehungen fassen, der bald in orgiastischem Taumel an .. schwillt, bald verhalten in schwerer - herbstlicher Pracht blüht. Wie wäre es sonst möglich, daß man im III. Akt, in dessen erstem Akt der Wille nicht voll organisch aufgegangen ist, und der des -rastlosen Stromes darstellerischer Kraft braucht, um die Absicht zu erfüllen, in alte Gewohnheiten der großen Oper zurückfällt? Fühlt man nicht das Erotische, das hier wie bei Wagner - man denke an "Parsifa14t

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als düsteres Symbol über der Tragödie schwebt? Man sieht, wie notwendig die Vorschulung durch Wagner für diese Aufgaben ist. Die beste Stütze, wie er sie braucht, hatte der Gedanke Schrekers in der Kapelle, die, zu herrlicher Quelle der Kraft und des Verstehens geeint, beredsam aus Klang und Musik das Drama gebiert, und in Frau von der Osten, die eine seltene Eignung für die Zwiespältigkeiten und ge­steigerte Menschlichkeit der Schrekerschen Frau besitzt. Aber die Höhe der Erst­aufführung war nicht erreicht, und man sieht, wie rasch der Maßstab für diese in ... dividuelle Kunst schwindet, wenn er anempfunden und vernachlässigt ist. Man hat hier für das Neue oft nur die Kühle des Interesses, nicht die regsame Kraft des Mitempfindens. Wir wünschen Schreker, daß man ihn. der in der Farbe und Fülle seines Wesens. der Dramatiker des modernen Festspieles sein kann, öfter festlich aufführt. Er will gezogen und erfühlt, nielat bestaunt und bloß sensationell emp­funden werden. Wir werden über die Forderungen und Folgerungen, die sich aus der Pflege der modernen Kunst und ihres höheren .Gedankens an unserer Bühne, ergeben, noch mehr zu sagen haben, \yenn sie mit Strauß abgeschlossen sind.

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G loss fl1- ~;I KRITIK DER KRITIK

Nach Zolas bekanntem Ausspruch ist das Kunstwerk Natur, gesehen durch ein Tempera .. ment. Resultat: naturalistisches Kunstwerk. Ich .setze: fort: Kritik ist Kunst, gesehen durch ein Temperament. Resultat: künstlerische Kritik.

Eine Geschichte der Kritik, die noch zu -schreiben wäre, würde für alle Künste einen auffallend späten Beginn ihrer Wirksamkeit konstatieren. Eine gewisse Entwicklung, eine -erreichte Höhe der Kunst ist Vorbedingung für Besinnung und Rückblick. Erst im 18. Jahr .. hundert ist von Anfangen der Musikkritik die Rede, bezeichnenderweise erst nach den kunst .. kritischen Bestrebungen Leasings, Winckel .. manns, Goethes, die den anderen Künsten galten.

Drei Stadien lassen sich bei flüchtigem Uberblick unterscheiden. Die reine, objektive Analyse (Typus Merker). Das Kunstwerk seziert auf Fehler gegen feste Regeln. Objektiv nach .. weisbar Lob wie Tadel. - Die psychologische, -subjektive Analyse (Typus Schumann). Auf .. fassung und Mitteilung von Stimmungen poeti .. 'Scher, darum oft literarischer Natur, ohne feste Grundlage, mit Vernachlässigung technischer, 'objektiver Behelf~.

Endlich das neuzeitliche Ideal: künstlerische Synthese, nach objektiver und psychologischer Analyse,·Subjektivität auf objektiver Basis. Hier wird nichts übersehen. Weder die Technik, noch der Stimmungsgehalt des Kunstwerkes, doch aus diesen Elementen ist ein neues Kunstwerk, 'das kritische, zu schaffen (Typus: vielleicht Bekkers Beethoven oder Spechts Mahler). Die Vorbedingungen für den Kritiker sind demnach: Beherrschung der Technik, des Handwerkes seines Faches, mindestens eines Instrumentes, unbedingt der ganzen Theorie samt Geschichte und Ästhetik, und Fähigkeit zu künstlerisch .. -synthetischer, auch sprachlich eigentümlicher Reproduktion.

Somit wäre der federgewandte Komponist der ideale Musikkritiker? Nein. Der gescheite Brendel, Schumanns Nachfolger in der ,,~euen Zeitschrift für Musiku, sagt darüber schon vor 50 Jahren· das richtige: "Der höher begabte Künstler ist bei fest ausgeprägter Individualität einseitiger, er besitzt schroff hervortretende Sympathien und Antipathien; dem Kritiker -wenn er wirklich seiner Aufgabe entspricht -bleibt die ruhigere, objektiver gehaltene Ab .. wägung, die ZurückfUhrung des Besonderen auf

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das Allgemeine. Der Künstler wird überwiegend seine Subjektivität zur Grundlage der Be .. urteilup.g machen, der Kritiker von mehr wissen .. schaftlichen Voraussetzungen seinen Ausgangs.­punkt nehmen. Dafür aber wird der Künstler tiefer eindringen in die geheimnisvolle Werk .. statt des Schaffens, als es dem Kritiker vergönnt ist: er wird für den Künstler anregender wirken, mehr unmittelbaren Einfluß auf die Produktion äußern können ••• ".

Man vergißt, daß der Fall Hansliek (Ver .. sagen des Berufskritikers aus künstlerischem Defekt) sich mehr als einmal bei komponierenden Kritikern (Versagen infolge Überwiegens der 'produktiven Begabung) "wiederholt hat (siehe bei Schumann, H. Wolf, Wagner), Fiir den produktiven Musiker gilt immer noch Goethes "Bilde Künstler, rede nichtu • Der ideale. Kritiker aber müßte vielleicht ein Künstler sein mit unzureichender, aber doch vorhandener pro .. duktiver Begabung, zugleich mit der Erkenntnis für die Grenzen seines Talents und der Fähig .. keit, das hier Unzulängliche in anderer künst .. lerischer Tätigkeit "abzureagieren". In einer Form, in der das Dionysische des Schaffenden durch das Apollinische des Wissenden sinnvoll gemäßigt erscheine. (Ein herrliches Beispiel: E. T. A. Hoffmann, größer als Musiker in se'inen Beethovenkritiken als in seiner "Undinell

; ein anderes, wenn auch nicht aus unserem Fache: Goethe, der zum Maler bestimmt zu sein meinte, dessen produktive Begabung hier aber nur zum idealen Kunstkritiker langte.) Und derselbe, da er wieder einmal von dieser erst in seinem 40. Lebensjahre schwer errungenen Erkenntnis spricht, fügt hinzu: "Wer mit unzulänglichem Talent sich "in der Musik bemüht, wird freilich nie ein Meister werden, aber er wird dabei lernen, dasjenige zu erkennen und zu schätzen, was der Meister gedacht hat,'l Das ist auch wahr 1

Der ideale Kritiker ist aber nur möglich unter entsprechenden Vorbedingungen für seine Tätigkeit. Zunächst ist die Unterscheidung am Kritisierten zu machen. Kritik über den re .. produzierenden Künstler gilt dem Künstler, Kritik über den Produzierenden gilt - dem Publikum. Der produktive Künstler hat nach Kritik nichts zu fragen, kann auch, ist er echt, gar nicht von ihr beeinflußt werden. Hier erziehe der Kritiker das Publikum, warne es vor ver .. führerischem Schund, leite es zu jederzeit unverstandenen Werken der Zukunft. AUe bleibende Musik war einmal Zukunftsmusik.

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Wohl aber bedarf der reproduzierende Künstler sehr oft kritischer Weisung. Spricht doch schorf Goethe so wahr von "den neuesten Virtuosen, die nicht sowohl solche Stücke zu ihrem Vor .. trag wählen, woran die Zuhörer einen musi .. kaUschen Genuß haben, als vielmehr solche, worin der Spielende seine erlangte Fertigkeit könne bewundern lassen. Überall ist es das Individuum, daß sich herrlich zeigen will und nirgends trifft man auf ein redliches Streben, das dem Ganzen und der Sache zu Liebe sein' eigenes Selbst zurücksetzteIl. Als hätte der Alte von Weimar schon die Institution der "Konzert .. direktorenU geahnt, die als rücksichtslose "KonzertdiktatorenU auch dem Virtuosen, der anders möchte, sein stereotypes Programm auf .. oktroyiren. Auch hier Individuen statt der Sache!

Unmöglich ist die ideale Kritik aber auch im heutigen Pressegetriebe. Der Zwang, nach verkrachten Generalproben und einmaligem Hören zu schreiben, das Nachtreferat, die lächer .. liehe Unsitte, über gesellschaftliche Konzert .. ereignisse, wobei 'IMusik nur störend empfunden" wird, immer wieder zu berichten, verdirbt die kritische Leistung. Wer wäre auch imstande, nach jedem Griinfeldkonzert, nach dem hundert..­sten Anhören der Forellenparaphrase immer wieder einen I,moment musical!< zu empfinden und bei jedem Kurztriller in Obligate Be .. geisterungs .. Trance zu verfallen? Soll die Kritik Kunst sein, so läßt sie sich genau so wenig kommandieren, wie die Poesie. Sie wird bei Werken, welchen kein Eintagsdasein gebührt, auch dann nicht zu spät kommen, wenn sie nicht mit dem nächsten Morgenkaffee serviert wird. Für alles Abgewerkelte und Gesellschaft .. liehe genügt der Gerichtssaalreporter I

Immer ist Wien ein Kapitel für sich. Auch auf unserer Kritik lastet die Tradition einer im letzten Grunde kulturfeindlichen Stadt, die im ewigen Kampfe zwischen Kunst und Bequem .. lichkeit allzeit das Trägheitsprinzip als ihr oberstes Naturgesetz reklamiert hat. Die Wiener Kritik ist iiberdies erblich belastet mit"Hanslick" .. Witz und "Speidelu .. Schärfe, gleichzeitig be .. schwert von der Angst vor einer neuen Beck .. messerblamage und der Furcht, sich durch zu warmes Lob vor der ganzen Welt zu exponieren. Man kann nie wissenl Bescheiden loben, wo man Stärke spürt, ruhig verreißen, wo nichts zu fürchten ist. Dazu die spezifische Wiener Unsitte des x .. spaltigen "Feuilletons"', eines :pro .. krustesbettes, in dem auch kleine Anlässe mit entsprechend magerem Einfall auf Großblatt .. format gedehnt werden müssen. Nicht umsonst leben wir in einer Weltgegend, in der das Leben lediglich einen Komplex von "Beziehungen" und "Gefälligkeiten" darstellt. Auch der Kritiker ist ein Richter, bei dem man sich's richten kann.

Aber im Ernst gesprochen. Der Kritiker ist Richter, soll es sein. Kein Nachrichter, lieber ein Aufrichter, der nicht Recht, sondern richtig spricht und Richtung gibt. '

Auch frei muß er sein und unabhingig, wie ein Hiiter des Gesetzes, der er freilich nicht sein darf, und vor allem - unbedingt un .. befangen. Nicht interessiert-an Verleger, Theater .. oder Akademiedirelctor, Konzertunternehmer, . Klavierfabrikant, Dirigent, Künstler, Schüler. Alle diese Beziehungen gab es, aus allen diesen erwuchsen Mißbräuche, können neue entstehen. Keinem sei verwehrt, für den Freund, für ihn erst recht, öffentlich einzustehen, sofern die Freundschaft auch öffentlich bekannt wird. Jedem verboten, eigene Interessen im Talar des Kunstrichters zu vertreten, auch wenn seine autosuggestive Fähigkeit so groß wäre, daß er Lob und Tadel im "guten Glauben'; verteile. Der Kritiker soll seine Sachkenntnis durch Studienausweis belegen können, n.icht aber ein verantwortungsvolles Amt übernehmen, weil gerade eine "Rubrik" seiner Zeitung freige .. worden ist. (Auch das ist vorgekommen I) Er hafte auch für seine Vertreter! Junge Naseweise, denen Frechheit Ersatz für Fachwissen bot, schossen, von dem breiten Rücken großer Herren gedeckt, ihre giftigen Pfeilehen ab, wohl bedacht auf Karriere und eigenen Vorteil. Viel ä.rger als durch den Fall Hansliek, der mit Ernst und Kenntnis seine vielIeicht nicht einmal ganz ver .. fehlte Meinung vertrat, bleibt die Wiener Kritik durch jenen Operettenmacher kompromitiert, der als Musikreferent eines großen Blattes die schä.bige Kampagne gegen Mahler beginnen und führen durfte, deren Ende seine Flucht aus Wien war.

Daß wir dem skizzierten Idealgegenstand der Musikkritik näher kommen, dafür soll von Fall zu Fall die Kritik der Kritik sorgen. Un .. lautere Bestrebungen werden fürderhin damit zu rechnen haben, daß ihnen der Anbruch ...:... Abbruch tut. Dr. R. St. Hoffmann

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FRA G M E N T E

Welchen Begriff immer man sich vom innersten Wesen der Welt machen mag, ob man in ihm ein Rationales sieht (wie Pythagoras -die Zahl, PlatGn - die Idee) oder ein Irrationales (wie Heraklit - das unaufhörliche Werden, und·. Schopenhauer - den Willen), immer offenbart sich dieses Wesen am unmittelbarsten in der Musik.

Ihren tiefsten und schönsten Ausdruck findet diese Erkenntnis in Schopenhauers Worten:

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"Die l\(usik überhaupt ist die Melodie, zu der die Welt der Text ist.'~

• Was die Musik unter allen Künsten zuhöchst

stellt, das Fehlen alles Stofflichen und Gegen .. ständlichen, birgt zugleich die größte Gefahr: die des leeren Formalismus, der darum auch in keiner anderen Kunst so abstoßend wirkt, ja geradezu als unethisch erscheint.'

,. Die allgemein verbreitete Metnung, daß das

Genie durch gerechtere Würdigung seitens der Nachwelt für den Unverstand und die Unge .. rechtigkeit der Mitwelt entschädigt werde, beruht auf einem Irrtum. Des Künstlers Geltung bei der Nachwelt ist bloß quan tita tiv größer als die bei seinen Zeitgenossen, indem im Laufe der Zeit manches von den äußeren Formen seines Wirkens ins Allgemeinbewußtsein über .. , gegangen ist. Das "Verständnis" der Allgemein .. heit erstreckt sich also gerade nur auf das Äußere, zeitlich Bedingte, Vergängliche im Kunstwerk, während es, so wie zu Lebzeiten des Künstlers, auch nach seinem Tode immer nur wenige einzelne sind, die ihn wahrhaft versteb,en, denen sich durch das Werk des Sch6pfers innerstes Sein und ~Wesen mitteilt.

Und daß es diese einzelnen immer gibt und geben wird, wenn längst die letzten Spuren' seines Erdendaseins verweht sind, das all ein ist Unsterblichkeit.

• Der PhiIi.ster, der in der Kunst nur ein

Genußmittel erblickt, das ihm "erbärmliches Behagen" zu bereiten hat, der auch dem Er .. habensten gegenüber in seiner Stumpfheit und Trägheit verharrt, verdient darob eher Mitleid als Zorn oder Verachtung r ist doch seine Schuld zugleich seine Strafe, indem er ausgeschlossen bleibt von jenem h6chsten Glück, das im wahren Miterleben des Kunstwerkes liegt. Schließlich empfängt ja ein jeder von der Kunst nur das, was er verdient.

• 'Notenschrift: "Zum Raum wird hier die Zeit." ,

• In unserer Notenschrift verhalten sich die

Vertikalabstände der Notenk6pfe gleich den ~ogarithmen der Schwingungszahlen der ent .. sprechenden Töne. Sollte sich daraus nicht viel­leicht eine mathematische Beziehung zwischen Raum und Zeit ableiten lassen?

Es wäre sinnvoll, wenn diese Beziehung sich durch eine "transzendente. Gleichung" ausdrücken ließe.

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Drei Melodien, in denen sich das ganze' Leiden der Welt aufs Tiefste und Eindring .. lichste ausspricht:

Das "Agnus Dei" aus Bachs Hoher Messe, die "Traurige Weisel< im Tristan und das Motiv der Oboe im vierten Satze von Mahlers dritter Sinfonie. H ugo Kauder

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. NEUE DAVIDSBÜNDLER

"Gewiß,t, erwiderte auf F I 0 res t an s letzte Worte zurüc1rkommend der Professor, "Sie haben Recht, ich glaube, wir werden einander kaum je verstehn. - Aber nun das Eine und darin werden Sie doch wohl. meiner Meinung sein. Od'er halten Sie am Ende auch das für einen gesunden oder auf die Dauer" auch nur m6glichen Zustand der Kunst, daß sich nunmehr, wie es heute bereits der Fall ist, so ziemlich jedermann einfach hinsetzen und zu kompo .. nieren beginnen kann? Jede Kenntnis der Ge .. setze der Stimmführung, Form, ja auch nur der simpelsten Harmonik ist so gut wie über .. flüssig geworden, ein bißehen sogenannter Sdmmung genügt, und während sich ,bisher kaum das Genie, ,geschweige denn ein minder begnadeter Sterblicher ohne den Ernst eines auf tiefgründigstem StUdium beruhenden K6nnens an das Schaffen gewagt hätte, will nun jeder Dilettant .•. tt

"Halten Sie ein'\ unterbrach ihn aber FIo .. restan nun entsetzt, "um Gotteswillen , halten Sie ein. Also der idealste Zustand, der denkbar wäre, nämlich daß für das Produzieren absolut keine "Kenntnisse", nicht das geringste, was erst "gelernt" werden müßte, sondern nur die Kraft und Fülle der inneren kUnstlerischen Intuition notwendig und maßgebend wären, ihn bezeichnen Sie als ungesund,-für die Kunst un .. möglich und meinen, daß ich wenigstens hier unbedingt Ihrer Meinung sein müßte? Doch überlegen wir die Sache einmal durch. Ange .. nommen also: ein Dilettant wolle "kompo .. nieren". Gesetzt nun, Sie hätten recht, und es genügte heute wirklich der Entschluß auch schon zur Tat, während früher zur Ausführung eines solchen Verbrechens erst der Umweg eines mehr .. jährigen Kontrapunkt .. Studiums notwendig war. Sollte das denn wirklich ein ernstlich in Betracht kommender Unterschied sein? Und wenn, Hillt dann der Vergleich nicht sehr zu meinen Gunsten aus? Bedenken Sie dO,ch: Me i n Dilettant hat, einmal als solcher erkannt und empfunden, seine Existenzmöglichkeit auch schon ~o gut wie verloren. Im Augenblick, da jene Ihnen so peinliche Stimmung die Kraft ihrer Wirkung

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verliert, ist die -Sache für den Resrer, aber aucl) für ihn selbst ein fUr allemal zu Ende. Ihr Dilettant dagegen will gar nicht ahnen, daß der letzte Sinn aller Kunst einzig und allein jene innere Wirkung von Mensch zu Mensch sein kann. Im Besitze seines "Kesnnens", also der künstlerischen Mittd, über die kaum der Tausend .. ste verfügt, erzwingt er sich Gehesr für die Ver .. kündigung auch einer seifenblasigen Hohlheit, die meinen Dilettanten von vornherein der jämmerlichsten Verachtung preisgeben würde. Ungesunder Zustand? Kann es einen entsetz .. licheren geben, als daß ein ~jemand sich durch Schulsitzerei plötzlich zum Berufszauberer (denn was anderes wäre der echte Künstler), zum amtlich geeichten Schöpfer verwandelt glauben darf? Und gäbe es denn gegen den Dilettantismus auch nur etwas annähernd gleich WirkungSJO volles als die Möglichkeit seines ungestörtesten durch keinerlei äußere Schranken behinderten Sich .. ausleben .. dUrfens? Erst wenn hunderte, tausende, ja alle existierenden unzählbaren Dilettanten ohne das geringste technische Hin .. dernis, das sie heute noch im Zaun hält, frei gegen die gequälte Menschheit losgelassen würden, könnte der Dilettantismus überhaupt, wenn je, sein Ende finden. Leider freilich sind wir gerade heute von diesem Punkt weiter als je entfernt, und das ist so nebenbei ein kleines. sachliches, aber neben der Schwere Ihrer prin .. zipiellen Irrungen allerdings kaum mehr in Betracht kommendes Versehen Ihrer Ausfüh .. rungen. Denn noch ist - und in der neuen Schreibweise erst recht - ein Sich .. verständlich .. machen ohne vollkommene Beherrschung des technischen Apparates. nicht möglich, )noch bildet außer der zur Selbstverständlichkeit ge .. wordenen Kenntnis der alten Ausdrucksformen eine Fülle neuen harmonischen, kontrapunkt .. lichen, formalen und klangUchen Wissens .. materials, ein bisher kaum geahntes minutiö .. sestes Abwägen aller Maße, Farben und Schattie .. rungen die unbedingte Voraussetzung jedes Schaffensversuches und ich würde Ihnen nur der Probe halber raten, einmal eine einzige kleine Seite der Art niederschreiben zu wollen, von der Sie meinen, daß es nun jedem Dilettanten ein Leichtes sein müßte sich ihrer zu bedienen. Wir alle wUrden staunen, was da herauskäme. Diesbezüglich ist also Ihre Sorge leider un .. begründet. Was aber weit schlimmer ist - denn wie sprach doch ein berühmter Mann vo.n Ihnen: ••• "Sie, Herr· Pro~essor;' sagte er, "seien zwar nicht unsterblich, aber Sie stürben nie aus·t - schon schießen sie allenthalben empor, diese gewiegten "Könner ..... diese Meister und Habitues einer neuesten Mode, jene Jugend, die mit einer Sicherheit, die man bewundern müßte, wenn einen nicht das Grauen davor

faßte, auf scheinbar unwegsamsten FeIszacken kaum entdeckter Klangverbindungen, wie auf einem Parkett glattester Sextakkorde dahintanzt, oder mit drei Instrumenten einen raffiniert orchestralen, kunstvoll polyphonen Lärm erster Ordnung erzeugt, dem nur das eine f~hIt, das auch Ihren eigenen vor zwanzig Jahren preis .. gekrönten Werken allesamt abging, nämlich das geringste Maß, auch nur ein einziger, kleiner Blutstropfen wirklicher Musik. Drum sehen Sie sich vor, mein Herr, schon gelangen die alle zu Ansehn, Einfluß und Namen, noch· wenig Jahre und Sie bekommen Ihren Abschied und jene rücken an Ihre Stelle vor, diese Dilettanten, die aber gera.de in Ihrem Sinn keine sind, und die nür Sie dafür halten, weil Ihre Ohren eingetrocknet und Sie selbst noch ein viel größerer ••• "

Hier gewahrte Florestan, plötzlich aufschau .. end, daß sein Begleiter 1ä.ngst von ihm Ver .. scbwunden war, und über die ihm jetzt erst zu Bewußtsein kommende maßloßeHeftigkeitseiner eigenen Worte erschreckend, überdachte er doch wieder lächelnd, wie weit jener sie wohl mitangehört habe.

Rudolf RUi

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DAS WIENER S INFONIE,ORCHESTER

Das Wiener Sinfonie..Orchester (so nennt sich jetzt das vom" Wiener Konzertverein" und dem Verein "Wiener Tonkünstler .. Orchesterl" gemeinsam erhaltene OrChester) befand sich wieder einmal in einer Krisis, die nicht n,ur den Fortbestand des Orchesters gefährdet erscheinen ließ, sondern eine schwere Bedrohung des gesamten WienerMusiklebens bedeutet hätte. Mit dem einzigen Konzertorchester, das Wien besit%:t (denn die Konzerttätigkeit des· Opernorchesters kann naturgemäß nur eine eng begrenzte sein, außerdem sind die philharmonischen Konzerte nur einem verhältnismäßig kleinen Teil des musikIiebenden Publikums zugänglich), steht und fällt seine13edeutung als Musikstadtj nur der Bestand dieses Orchesters ermöglicht es, sin .. fonische Musik allen Schichten der Bevölkerung (einschließlich der Arbeiterschaft -und der stUdierenden Jugend) zugänglich zu machen, ermöglicht es, auswärtige Komponisten, Diri .. genten und Virtuosen kennen zu lernen und so in lebendigem Kontakt mit den künstlerischen Bestrebungen des Auslandes zu bleiben. In dem Augenblicke, da dies einmal aufhörte; wäre Wien nicht nur aus dem deutschen Musikleben gänzlich ausgeschaltet, sondern auch der größte

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und beste Teil seines eigenen Mu~ildebens wäre mit e~nem Schlage lahmge1egt.

Die Tatsache, daß eine der wichtigsten und umrängiichsten künstlerischen Institutionen un .. aerer Stadt infolge lediglich ge.schäftlicher Schwierigkeiten in ihrem Bestande gef'ährdet wart fordert ~u einer kritischen Betrachtung unserer öffentlichen Musikbflege heraus.

Vor allem ist zu fragen: Welche Bedeutung hat die Kunst für das geistige Leben der Gegen .. wart und wie müßte eine öffentliche Kunstpflege beschaffen sein, um dieser Bedeutung gerecht zu werden I

nie Aufgabe der Kunst ist vor allem eine ethische: den Menschen hinauszuheben über die Nichtigkeit, Zufälligkeit und Begrenztheit des individuellen Daseins und ihm ein höheres, ewiges Sein ahnen zu lassen; ihm zugleich die beglückende Erkenntnis zu vermitteln, daß dieses höhere Sein nicht außerhalb dieser Welt liege, sondern vielmehr in der Tiefe seiner eigenen Seele; ihn seiner Gottessohn .. schaft innewerden zu lassen.

Somit hat die Kunst die gleiche Mission wie Rel~gion und Philosophie, wie überhaupt jede Form menschlicher Geistigkeit; aber Religion und Philosophie haben längst aufgehört, Ieben,dig fortwirkende schöpferische Kräfte zu sein: erstere ist zur Kirche erstarrt, -letztere hat die Maske wissenschaftlicher Gelehrsamkeit vorgebunden; und die heutige Wissenschaft hat sich ,fast gänzlich dem Empirismus' und Historizismus verschrieben und solcherart allen Zusammen .. hang mit den ewigen Dingen verloren. So ist denn in unserer Zeit vor allem die Kunst zur Erfiillung jener Aufgabe berufen.

FUr eine lebendige Wirkung der Kunst im Sinne dieser ihrer Mission die Voraussetzungen zu schaffen, ist die erste Aufgabe einer öffent­lichen Kunstpflege. Denn wir müssen uns dar .. über klar sein, daß diese Voraussetzungen heuUgentags noch gar' nicht vorhanden sind. Sie 'fehlen sowohl bei jenen, die die Kunst der Allgemeinheit vermitteln, als auch bei den sie Aufnehmenden. Nur in ganz vereinzelten FäHen kann der schaffende KilnstIer selbst auch der Interpret seines Werkes sein; in der Regel.steht zwischen ihm und der Öffentlichkeit eine ganze Kette von Institutionen und Menschen, als da sind: Konzert- und Theaterdirektionen, KapelI .. meister, Sänger und Instrumentalisten, Agenten und Verleger u. a. m.; alle diese leben von der Ausübung der Kunst, müssen also, sie mögen sonst von den besten und reinsten Absichten beseelt sein, auf ihre eigenen (sowohl künst .. -Ierischen als materiellen) Interessen bedacht sein. Daher kommt nun alles Geschäft.s .. und Betriebsmäßige, das in uns.erem heutigen Kunst.. leben einen so großen Raum einnimmt.

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Dieses Geschäftliche und Betriebsmäßige aus .. zusehalten, wäre nur auf einem Wege möglich: wenn nämlich alle künstlerischen In .. stitutionen-glefch den Gotteshäusern und Schulen - aus Staats .. oder Ge .. meindemitteln erhalten würden.

Nun kann aber der Staat nur dann, ein Interesse an der öffentlichen Kunstpflege haben, wenn tatsächlich die Gewähr gegeben ist für eine wahrhaft erziehliche Wirkung der Kunst. Und dies kann nur dann der Fall sein, wenn

'von seiten der Aufnehmenden die richtige Einstellung aufs Kunstwerk stattfindet. Damit aber ist's beim heutigen Publikum gar schlimm bestellt. Den einen ist die Kunst lediglich eine Quelle flüchtigen Genusses, rein sinnlichen Behagens; auf sie wirkt, nach einem schönen Worte J ohannes Scherrs ffein erhabener Gedanke nur wie Sternenlicht auf eine Eisfläche ; es schmilzt und bewegt sie nicht. .. Andere wieder, vornehmlich die "Gebildeten", können künst .. lerischen Leistungen nicht anders als kritisch gegenübertreten; finden sie am Kunstwerte nichts auszusetzen (sers, weil es bereits vom allgemeinen Autoritätsglauben sanktioniert ist oder weil es ihrem individuellen Geschmack

I entspricht), wird dessen Wiedergabe kritisiert, das Lob dieser Leute ist nicht minder herab .. setzend als ihr Tadel, indem sie sich dem Künstler in jedem Falle überlegen dünken, mögen sie ihm nun eine schlechte oder ei:ne gute Zensur erteilen.

Nur die wenigsten sind der allein richtigen Einstellung :fähig, nämlich des innigen Sich .. versenkens ins Kunstwert bis zum Einswerden mit demselben. Dies ist wahre Andacht und zugleich höchster ,und reinster Genuß; nur wenn es so empfangen wirdt kann das Kunstwerk seinem wahren Sinne gemäß wirken. Man glaube aber nicht, daß diese Art des Kunst.>Aufnehmens besonderes ffKunstverständnisu erfordern; im Gegenteil: alles bloße Verstandesauffassen ist diesem wahren Kunstgenusse nur ein Hindernis; eines allein ist nott um dazu zu gelangen: daß man alles eigene Wollen und Denken gänzlich ausschalte und sich ganz dem Kunstwerke hingebe. (So definiert Schopenhauer den Kunstgenuß als ffwillenlose Betra.ch .. tun~; in der Forderung nach Aufgeben allea Eigenwillens gipfeln die Lehren aller itystiker von Laotse bis auf Jakob Böhme.

Keine Kunst ist nun solch unmittelbarer Wirkung :fähig wie die Musik; frei von allem Stofflichen und Gegenständlichen erscheint sie als re~ne Bewegung; als solche kann sie - leichter denn jede andere Kunstgattung -die Seele mitschwingen machen, sie in jenen Zustand versetzen" in welchem sie die Kunst ihrem wahren Wesen nach vernimmt: nicht

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als angenehmen Sinnenrausch, nicht als fesseln .. du Verstandesspie1~ sondern als ndas unaus .. sprechliche Wort Gottes. tt

Nicht das Interesse am Technischen, Ver .. standesmäßigen der Kunst, sondern vielmehr den i n n eren S i n n, die Au fn ahm efähig k ei t zu wecken und auszubilden, muß also das Ziel einer künstlerischen Erziehung des Publikums sein.

Vielleicht gibt es gerade heute manche neuen Aufgaben für solche Erziehungstätigkeit: indem fnfolge des sozial.en Umschwunges vielen der Weg zu den geistigen und künstlerischen Werten eröffnet wurde, die bisher davon ausgeschlossen waren. So hat unser Sinfonie.-Orchester eine größere Anzahl von Konzerten für die Arbeiter .. schaft in Aussicht genommen. Damit wird unserem Musikleben ein noch unverdorbenes Publikum zugeführt, das vielleicht für die tiefere Wirkung der Kunst empfänglicher ist als die Mehrzahl der Abonnenten unserer Sinfoniekonzerte. Nun würde man diesen -einstweilen noch unverbildeten Menschen einen schlechten Dienst erweisen, wollte man ihnen durch nProgrammbücheru, "Einführungen" und dergleichen das Verständnis der aufgeführten Werke vermitteln. Man wUrde sie, ohne ihnen dadurch den tieferen, eigentlichen Sinn der Kunst zu erschließen, nur anstatt zu reinem Genießen zu prüfendem und vergleichendem Hören und kritischem Urteilen anleiten, anstatt zu dankbarer Empfänglichkeit zu anmaßender .Halbgebildetheit erziehen und damit hätten wir dann wieder das alte fibel.

Die erste und wichtigste Voraussetzung für eine Regeneration unseres Kunstlebens ist die, daß vor allem der Künstler, der schaffende wie der reproduzierende, sich seiner ethischen Mis.­sion bewußt s~i; daß die Schöpfung oder die Wiedergabe· eines Kunstwerkes mehr sei als eine bloß ästhetisch zu bewertende Leistung: eine Stufe auf dem un.endlichen Wege der Höheren twi ckl ung der Menschhe it.

Hugo Kauder

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BESPRECHUNGEN H. STIERLIN VALLON: PRELUDES UND

BTUDES. Foetisch Freres, Lausanne. Eine bemerkenswerte Bereicherung der :zeit­

gen8ssischen Klavierliteratur. Die ganz eigen .. tümlichen Kompositionen, die nicht jedem Musiker ohneweiters zusagen werden, fesseln um 80 mehr, je intensiver sich der um ihren Wert Werbende mit ihnen beschäftigt. - Ein Prelude in F .. Moll, ebenso kühn in der Harmonik

wie einfach in der gewollt primitiTeo Melodik; I

verlangt von dem Klavierspider keine unüber .. windlichen technischen Aufgaben, wohl aber Schulung im modernen Hören und ungewöhn .. lich feine Vortragskunst. Der Barcaroien .. charakter der Komposition gibt ihr trotz der unvermittelten Übergänge von Tonart zu Ton .. art doch anmutige Farben einer schwärmeri .. schen Romantik. - Drei Etüden in A .. Moll, Fis .. Dur und H .. Dur sind Werke, die nur von ausgezeichnet gebildeten Pianisten gemeistert werden können. Sie sind ungemein kompliziert, typisch aus der Schule Ravels hervorgegangen und darum vollgiltige Repräsentanten der augen .. bHcklichen französischen Kompositionsart. Alle

. drei weisen die gleichen Vorzüge und den gleichen Nachteil auf: brillanten "Anfang, geist .. reiche DurchfUhrung und erlahmenden Schluß.

Die besprochenen Kompositionen von Stierlin Vallon sollten in die Programme nicht verzopfter Pianisten aufgenommen und v<?n dort in die Meisterklassen unserer fortschritt .. lichen Musikschulen übernommen werden. Oder auch umgekehrt.

FERRUCIO BUSONI: ZWEI GOETHE­LIEDER. Verlag Breitkopf und Haertel •.

Busoni als Komponist zweier Gedichte von Goethe - das muß alle musikalischen Kreise interessieren. Das "Lied des Unmuts U

,

deutlich den Unmut eines Cholerikers unter .. streichend und auf die Pointe "wo man nicht zu sondern wußte Mäusedreck von Koriandernu zugespitzt. In der Singstimme eine merkwürdige Mischung von Rezitativ und Me1odi.e, in. der etwas eigensinnigen Klavierbegleitung outrierte Einfachheit, satztechnisch wie auch harmonisch. Das .Ganze ein gesitteter Wutausbruch, das nicht erlebte ndie am wenigsten verwinden, wenn die andern was gegolten:''' - Das "Lied des J4ephistopheles" ein Grenzfall ffi:r die immer noch akademisch gebliebene Frage "Was ist komponierbar?" - gewiß ein hoch;" willkommener Beitrag zur -bezreru:ten musika .. lischen Literatur über die gleiche Dichtung, im Rhythmus aber ein kfum gelungenes Wagnis: die klingenc;1e Illustration der Beweglichkeit _lnes. zu königli.chen Ehren gekommenen Flohes und eines durch die von ihm hervorgerufene.n Juckexzel5Be rgepeinigten Hofstaates. Ein guter Sänger, der auch Dichter und Schauspieler ist, wird das seltsame, Lied seinen Zuhörern zu Dank vortra.gen.

FERRUCIO. BUSONI: NEUE KLAVIER_ MUSIK. Edition Breitkopf.

nSona tina breyia", durch die Widmung "In signo Joannh Sebastiani ·Ilagni" stigmatiBiert, a18 freie Nachdichtung der kleinen Phantasie und Fuge in D .. moll Ton J. S. Bach

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auch stilistisch festgelegt. Dabei reich an schöpferischen. Einfällen; festgefügt im impo .. santen Bau, der zur Bezeichnung Sonatina brevis in einigem Widerspruch steht, und ein Gewinn für die moderne Klavierllteratur. - Sechs Klavierübungen und Präludien (der Klaviel'übung erster Teil) und "drei Klavier .. übungen und Präll1dien (der Klavier .. übung zweiter Teil). Studienwerke für Lernende und Lehrende, für angehende und vollgllltige Virtuosen, Beide Teile der Klavierübung sind nach einem wahrhaft genialen Plan angelegt: nach mehr technischen und nur der Geläufigkeit dienenden Studien folgen regelmäßig Zweck .. kompositionen nach Vorbildern wie Beethoven, Liszt, Web'er, Chopin, Busoni, Hensdt, Offen .. bach, Rubinstein, Schubert-Liszt, Bach, Gounod und Alkan, brillante Arbeiten für das Klavier, die häufig aus dem getreuen Kopieren des Originals allmählich zu überraschend groß .. artigen Weiterunge:n ausgebaut werden. Diese Werke, welche viel zu bucheiden mit dem eigentlich nichtssagenden Wort "KlavierUbun~ - und was nennt sich nicht alles "KlavierübungU

- bezeichnet sind, bringen dem, der sie studiert~ nicht n~r erstrebenswerte Vervollkommnung seiner Fingerfertigkeit, sondern auch eine außer .. ordentlich überzeugende Fortbildung in den aus dem Geist der Moderne entwickelten Ge.­setzen der Harmonie und den willkommenen Anlaß zu anregendem und jeder Mech:misierung feindlichem musikalischem Denken.

Robert Konta

FREDERICK DELIUS: APPALACHIA, Va_ riationen über ein altes Sklavenlied mit Schluß .. chor für großes Orchester. (Universal .. Edition, Wien_Leipzig.)

Frederick D.elius ist wohl kein Heros, aber sicherlich weit mehr, als ein Durchschnitts .. komponist. Seine Melodik hat Eigenart, seine Werke atmen den Ernst und die Echtheit eines, der schreiben muß, und er hat auch die Kraft der Gestaltung. Was ihn von den ganz Großen trennt, dürfte nur die mangelnde höchste Inten .. s itit in an den besagten Dingen sein. Delius hat Jahre seines Lebens im~ wie ich glaube, freiwillig auf sich genommenen Exil der tropischen Steppen und Urwälder.Nordamerikas verbracht. Die exotische Pracht dieser Land .. striche, die Volkslieder der dort einheimischen angesiedelten Naturvölker sind der Born, aus dem seine Musik quillt. Auch das vorliegende Werk. Appalachia ist der alte indianische Name fUr Nordamerika. Die zugrundeliegende Weise ist ein Abschiedsgesang eines Negersklaven an seine Geliebte, der weit fort muß auf dem großen Mississipistrom und die Verlassene bittet, nicht allzu traurig zu sein, "denn kommen wird der

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Tag der frohen Wiederkehr und ich bleibe ewig Dein, du süße Nelly Gray •• ,u Die Melodie, weder nach einer bestimmten Dur .. oder Moll .. tonart klassifizierbar, aber auch nicht atonal zu nennen, sondern eben ursprüngli~h fremd .. ländisch, erhält von Delius auch die richtige fremdUlndische harmonische Auslegung. Die Variationenform ist ziemlich deutlich im alten Sinne gewahrt. Das Orchester, demEs .. Klarinette, Englischhorn, hohe Trompeten .. und dröhnende Posaunenparte das Gepräge geben, ist von einer schwermütig glänzenden Pracht, die das ~ewollte, exotische Kolorit ausgezeichnet zur Geltung bringt. Freilich, hier sind Natur und Kunst in seltsamer Weise gemischt. Und der Zauber der Prärien vermählt sich den Methoden eines Berlioz und Richard Strauß, wodurch man manchmal etwas zu sehr Schule riec~t, und das stört vielleicht ein wenig die Reinheit des Eindrucks.

Da wir aber Aussicht haben, daß uns dieser Eindruck, wie wir hören, durch eine Aufführung noch in der kommenden Saison lebendig ver .. mittelt werde, möchten wir ihn lieber in Ruhe erwarten, und vorläufig nur diese wenigen An .. deutungen als Einführung geboten haben.

Rudolf RHi

PAUL BEKKER: FRANZ SCHREKER, STUDIE ZUR KRITIK DER 1II0DERNEN OPER. Schuater und Loeffler, Berlin.

Bekker, einer der geistigsten und frucht­barsten unter Deutschlands Kritikern, setzt hier Untersuchungen fort, die: in seinem "Musikdrama der GegenwartU vor ze'hn Jahren verheißungs.­voll begonnen ·wurden. Hier wird gezeigt, wie Wagners musikalisches Alexan!ierreich nach lleinem Tode zerfiel, in kleine selbständige Provinzep, die verschiedenes Schicksal fanden: Die:·.spe:zifische Wagner .. Epigonenoper, rettungg.. los verknüpft mit teutonischer Heldensage, der~ wie in Wirklichkeit, die jüngere, liebliche Schwester, das deutsche: Märchen folgt, um noch später unter philosophisch .. mystischem Klima der Moderne zum symbolischen Märchen zu werden, dessen Entwicklungsstufen "Rose vom LiebesgartenU, "Spielwerk und die Prinzessinu

und "Frau ohne !SchattenU heißen. Dann das Festspielmysterium, das zum "Palestrinau wird. Das TheatraIische, das über ]ungitaliens Verismo uns d' Alb er ts bühn,enerfolgreiche "Theater .. opernIl gebracht hat, und das literarisch .. philo.­sophische der Dichtung, das, allein, von ~agners Prinzipien, beibehalten, zur Musizieroper Richard Straußens, mit einem Texte von literarischem Rang, aber, weit entfernt von Wagners, Kunst­werk der Zukunft, vielmehr an die Oper der Vergangenheit anschließt. Schrekers singuläre Erscheinung wird erkannt und gewürdigt ala

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der erste Fall seit Wagner, der die Geburt der Oper ,aus dem Geiste der Musik, die Entstehung der .Tragödie aus musikdramatischer UrqueUe erfolgen läßt. LiebevoU .. grlindliche Analyse des Stoffgebietes, der Charaktere, der Entwicklung, des musikalischen Ausdruckes, der Eingebung wie der Mittel, ist ein nachahmenswertes Muster positiver kritischer Arbeit, wenn ich auch im Detail mit manchem Ergebnis nicht ganz über .. einstimme. So zum Beispiel mit der Behauptung, Schrekers Harmonik sei, ähnlich Mahler, -das Resultat sich verflechtender musikalischer Linien. Phosphoreszierende Klangfarben, wi~

etwa zu Beginn des Vorspiels der "Gezeichneten<t können auf diesem Wege nicht gewonnen werden, sind vielmehr im Hinblick auf Klangwirkung gemischt, ohne daß selbständige, motorische Stimmen sich darin nachweisen ließen. Also eine so und gerade so gewollte, gewiß keine ZUfallsharmonik •. Aber das ist nichts Ent .. scheidendes. Zum Wesentlichen habe ich in ähnlicher Weise vor acht Jahren Schreker richtig

NEU E NOT E N Wilhelm Hansen Musikverlag, Kopenhagen

JOhann Halvorsen : Suite ancienne Langard: Sf"arernes Musik Järnefe1t: Suite. Carl Nie1sen: Violinkonzert für Violine und

Orchester -

Ign. Friedman: op. 77, 1 und 2, Barcarole, Valse tendre

Palmgren: op. 66 1. Vahle finlandaise, 2. Deux impromptus

MeIartin: op. 75 Quatre Morceaux, op. 85 Preludier

Ludomir R6zycki: op. 39, Neun Skizzen Torsten Petre: op. 54 Menuet

op. 59 Pa lediga stunder Rechnitzer .. Möller: op. 15, Klolverstykker

Durchaus Klaviernoten

Adolph Fiirstner Musikverlag, Berlin Richard Strauß: Die Frau ohne Schatten,

Oper in 3 Akten Sechs neue Lieder, op. 68

(Brentano) Fünfkleine Lieder, op. 69

(Arnim, Heine)

eingeschätzt: So schrieb ich damals von seinen zwei charakteristischen Seiten: seiner phanta .. stischen freien Sinnlichkeit, Freude an Farbe und Licht, an Pracht und -festIicheIll Prunk, einer gesteigerten, aber gesunden Erotik, die von Begierde zu Genuß taumeIt<t und von "dem grübelnden Zug zu Rätse1spie1 und dunklen Symbolen, zu geheimen Beziehungen zwischen Mensch und Ding, zwischen Wunsch und Geschehen • •• <t Meinen Glauben an Schreker habe ich auch nach dem mißtönigen Zeitungs .. chor, der das Finale zur mißglückten Wiener Aufführung von "Prinzessin und Spieiwerk<t sang, nicht verloren und gerne unterschreibe ich darum Bekkers Schlußwort, das in ihm "den zukunftsvollen Erneuerer eines musikdrama .. tischen Stils sieht, in dem das alte Kulturgut der Oper mit dem neuen des Wagnerschen Wort .. Tondramas verschmolzen wird.<t

R. S. Hoffmann

[] []

Foetisch freres, Lausanne H. Stierlin VaUon: Prelude pour le piano.

Trois etudes Universal Edition, Wien-Leipzig

Franz Schreker: Die Gez~ichnetent Oper in 3 Akten

Der Schatzgräber, Oper in einem Vorspiel, 4 Akten und einem Nachspiel

Bela. Bart6k: Rumänische Volkstänze aus

NEU E

Ungarn Allegro barbaro Suite op. 14 2. Streichquartett op. 17

[] []

B Ü eHE R Paul Bekker: Franz Schreker (Schuster

und Loeffler Verlag) Guido Bagie r: Eine Alpensinfonie von

R. Strauß Oatho Verlag Berlin) FeIix Glinther: Fellx. von Weingartner

Oatho Verlag BerUn)

[] []

Schluß des t:edaktionellen Teiles.

Dieser Nummer liegt das soeben erschienene Auswahlverzeichnis klassischer und instruktiver Klavier- und Violinmusik der

Universal-Edition A.-G. bei

Verantwortlicher SchriftleIter: Dr.Otto Schneider. Wien, I. Karlsplatz 6. Herausgegeben von der Universal~ Edition A ... G. - Druck von Otto Maa.l1' SOhne Ges. m. b, H' I Wien, I. WaUflachrasse 10. . ... ' ..

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Page 33: Musikblätter Des Anbruch 1919

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KONZERTE DES ANBRUCH·WIEN

11. Orchester-Konzert am Freitag. den 14, November 1919. abends. im gro~en Konzerthaus-Saal in Wien

GUSTAVMAHLER V. SINFONIE

ORCHESTERLlEDER : Reveille / Der Smildwame NadJllied / Um Milternamt / Ade

Dirigent: PAUL PELLA Konzertsänger: PAUL L1BAN

Karten von K 21'- bis K 4'- an der Konzerthauskassa

I. Kammermusikabend am Freitag. den 28, November 1919. abends. im mitlleren Konzerthaus-Saal in Wien

. Das Waldbauer -Quartett PROGRAMM:

Zoftan Kodaly: 2, Streimquarfelt (Erstaufführung in Wien) Igor Strawinsky: Pribaoutki '" (Erstaufführung in Wien) Wilhelra Grosz: Streimquartelt , , , , , '.' (Uraufführung)

Karten von K 21'- bis K 4'- an der Konzerthauskassa

Page 34: Musikblätter Des Anbruch 1919

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und AuskUnfte

werden erteilt

tetephonisch von 8-10 Uhr vormittags unter Nr, 9387.

briefliCh unter Adresse: Regierungsrat Prof. jas. S t u r m, V" Bacherplatz 2.

mündlich im Vereinssekretariat, I., Oiselastraße 12 (Musikvereinsgebäude), Montag Mittwoch und

Donnerstag von 11212-1 Uhr mittags. Lehrkräfte: Professor Eduard Fa v r e und

Fräulein Marie R 0 san e 11 i.

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Page 35: Musikblätter Des Anbruch 1919

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Page 36: Musikblätter Des Anbruch 1919

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I. Dezember am Operntheater

FRA SCHREKER Die Gezeichneten

U. E. Nr. 5690 Klavierauszug mit Text ••

5691 Textbuch • • . • . •

5762 Thematische Analyse

Oper in drei Akten

Mark

. 20'-

1'20 . 1'-

U. E. Ir. 5884 Vorspiel, Klavier 2 händlg . 5389 Dasselbe, Klavier 4 händig . 5364 Dasselbe, Studienpartitur . 5365 Dasselbe, Orohesterpartltur

Mark 3',-6'-

.4'-

.30'-

PAUL BEKKER urteilt in seinem jüngsten Buche über Franz Schreker: "Dle erste Begabung seit Wagner, die ihm der Art nach verwandt

Ist, und das gleiche Phänomen."

. Bisher erzielte Schrekers Oper "Die Gezeichneten" an fünf Bühnen insgesamt

~ 66 Aufführungen und zwar:

20 Aufführungen: Frankfurt (0 per n hau s) 19 Aufführungen: lIlürnberg (Stadtthea t e r) 11 Aufführungen: l'1li ü n.c h e n (Nationaltheater) 9 Aufführungen: D r., s den (Landestheater ) 7 Aufführungen: B res I a 111 (Stadttheater)

Bevorstehende Aufführungen:

Wien, Derlin, . Köln, Kasgel, Mannheim,

Braunschweig, Magdeburg, Wiesbaden, Kiel, Halle

Zu beziehen durch jede Buch- und Muaikalienhandlung

Teuerungszuschlag 50 Prozent

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Page 37: Musikblätter Des Anbruch 1919

ORCHESTER .. , CHOR ... UND BÜHNENWERKE

VIT. NovAK A. SINFONISCHE WERKE

IN DER TATRA, op. 26 Sinfonische Dichtung für gro,ßes Orchester

U. E. Nr. 2876 Partitur ...•.. Mk. 20'- U. E. Nr. 2818 Klayier, vierhändig Mk. 3'-

SERENADE, op. 36 Für kleines Orchester

U. E. Nr. 3997 Partitur ....... Mk. 12'- U. E. Nr. 3994 Klavier, vierhändig Mk. 4'-

TOMAN UND DIE WALD FEE, op. 40 Sinfonische Dichtung für großes Orchester

U. E. Nr. 6363 Partitur .•...• Mk. 40'- U. E. Nr. 5818 Klavier, vierhändig Mk. 5'-

LADY GODIVA, op. 41 Ouvertüre für großes Orchester

U.:E. Nr. 6365 Partitur . . . . , ............... . . ...•. Mk.20·-

PAN, op. 43 Tondichtung in 5 Sätzen für großes Orchester

U. E. Nr. 5888 Partitur .. (nur in Abschrift) U. E. Nr. 3355 Klavier, zweihändig Mk. 5'-

B. CHORWERKE DER STURM, op. 42

Sinfonische Dichtung'nach der Meeresphantasie Ton Svat.'Cech, für gr. Orchester, Soli u. Chor U. E. Nr.J:3632 Partitur. . . . . . . . . . . . . ! . . . . . . . . , , . . . . . . Mk. 50'­U. E. Nr. 3357 Klavierauszug mit Text, deutsch, tschechisch . . . . . . . . . . . Mk. 10'-

DIE TOTENBRAUT, op. 48 Ballade für 2 Soli, gemischten Chor und großes Orchester

U. E. Nr.~5293 Klavierauszug mit Text, tschechisch ............... Mk. 7'SO

C. BÜHNENWERKE DER BURGKOBOLD, op. 49

Komische Oper in 1 Aufzug. Text von Lad. Stroupeznicky. Deutsche Übersetzung von Maz Brod U. E. Nr. 5393 Klavierauszug mit Text, tschechisch ...•....•. , ..... Mk. 8'-u. E. Nr. 5812 Textbuch, deutsch, ............... ' ......... Mk. -'50

KARLSTEIN, op. 50 Oper in 3 Akten nach dem Lustspiel von ]ar. Vrchlicky, zusammengestellt von Ottokar Fischer U. E. Nr. 5816 Klavierauszug mit Text, tschechisch .......... ' ...... Mk. 12'-

TEUERUNGSZUSCHLAG 50 PROZENT

ZU BEZIEHEN DURCH JEDE BUCH, UND MUSIKALIENHANDLUNG

Universal"Edition A .... G., Wien"Leipzig

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Page 38: Musikblätter Des Anbruch 1919

Allegro barbaro. '\uffUllMll~n'("ht votiJehallcu. Oroils J;'.rku/inn m~

Tempo.giuRtO. <J",96-84.)

Piano.

A - - ,

l~;!n. r I~ , ~J'

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Copyright 1919 by Univf"r!.al_F.Aition.

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NfItf'T1bfojla~ .. 1. ... MU!-;;!<h!iitt"!'" do-,.; AnbTll<'h" Kn:!.et<; NoW'm~It t91Y.

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Bel. B.rtok.

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Page 39: Musikblätter Des Anbruch 1919

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Page 42: Musikblätter Des Anbruch 1919

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Page 43: Musikblätter Des Anbruch 1919

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Page 44: Musikblätter Des Anbruch 1919

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Page 46: Musikblätter Des Anbruch 1919

1.. Jahrgang, Nummer 2 J3. November-Heft 1919

·MUSIKBLÄTTER DES ANBRUCH

SCHRIFTLEITUNG: DR. OTTO SCHNEIDER

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CI 11 g f m f ; 11 f r er;; 1

ZUM PROBLEM DER MUSIKALISCHEN FORM Von Hugo Kauder, Wien

I Eine musikalische Komposition ist, so wenig hoch es auch klingt,

weiter nichts als eine "ZusammensetzungU von lauter Gegenwarten, greif .. baren Einheiten, die eine an sich wesenlose Form füllen .•.•

Hans Pfitzner, Zur Grundfrage der Operndichtung

Die Formen der Musik sind Formen der ewigen Dinge, inwiefern sie von der realen Seite betrachtet werden.

Schelling, Philosophie der Kunst

Zwei miteinander im schärfsten Widerspruch stehende Aussagen über die musikalische Form sind der vorliegenden Betrachtung vorangestellt: die erste von dem größten schaffenden Musiker u'nserer Tage herrührend, die zweite von dem genialsten deutschen Denker, dem tiefere Einblicke in das innerste Wesen der Kunst gewährt waren als je einem Philosophen vor oder nach ihm. Pfitzner erklärt die Form für w e se nl 0 S, a k z i den te 11; der "Einfallu ist ihm die "greifbare Einheie', die das eigentliche Wesen des Kunstwerkes ausmacht, die Form ist gleichsam nur dessen sterbliche Hülle, daher in unaufhörlichem Wechsel begriffen ("die Geschichte der Musikformen ist die chronische Verlegenheit, musikalisches Einfallsmaterial unterzubringenU). Schelling dagegen erblickt in den Formen der Kunst die von , allem Vergänglichen, Zufalligen befreiten Ur b i 1 der der wirklichen Dinge, die ewigen Wesenheiten, die Platon Ideen nannte.

Um zur Lösung dieses Widerspruches zu gelangen, ist es vor allem notwendig, den Begriff "Formu klarzustellen (es ist auf den ersten Blick zu erkennen, daß das Wort "Form/l bei Pfitzner etwas ganz anderes bedeutet als bei Schelling). Hiezu diene uns eine Betrachtung jenes Aktes, in welchem sich das Wer den der F 0 r m vollzieht, des künstlerischen Schöpfungsaktes.

Jedes Kunstwerk hat seinen Ursprung in einem Vorgange, innerhalb der Seele seines Schöpfers, einem Vorgange, den wir nicht näher zu erklären imstande sind,

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wir mögen ihn nün l1Er1ebnis~l, "InspuatloniJ, ,,Intuitiort /4 benefinen; von dem wir allenfalls noch aussagen können, daß er sich unserem Bewußtsein als eine Art Bewegungs ... (SchwingungS-') Zustand der Seele kundgibt, als ein Zustand, in welchem die innere Lebenstätigkeit zu h ö eh s te r In te n si t ä t gesteigert ist. Wer je dieses Erlebnis erfahren hat, weiß sich in solchen Augenblicken höchster Gnade teilhaftig: nun erst befindet er sich in seinem wahren, eigentlichen Sein, nun erst ist er ganz bei sich selbst.

Alle übrige Zeit seines Lebens fühlt er sich erniedrigt, verstoßen aus jenem Reiche der Gnade, das seiner Seele wahre Heimat ist; zutiefst leidet er unter der Schwachheit der menschlichen Natur, die es ihm unmöglich macht, dauernd in 'jenen Regionen zu verweilen; er erkennt diese Schwachheit als Sc h u 1 d, als die Erbsünd~ -

Und so ringt und strebt er denn mit aller Kraft darnach, sich von dem - an sich ungreifbaren - Erlebnis ein Bild zu schaffen, das ihm ein dauerndes Unterpfand sei seines Anteils an jenem höheren Sein, ein Wegwe1ser nach seiner geistigen Heimat.

Seelenschwingungen setzen sich um in äußeres Geschehen; Übersinnliches wird sinnlich wahrnehmbar; ein Unendliches erscheint ins Endliche eingebildet. ("Und das Wort ward Fleisch".) Aber darum ist es doch nicht schlechthin ein Ding der Wirklichkeit; der Abglanz der Welt, der es entstammt, bleibt ihm aufgeprägt, es ist zur Form geworden. I .

Solcherart zeigt sich uns der Akt des künstlerischen Schaffens als ein A b b i I d des 'VIel t pro z e s ses: gleich dem Kunstwerke ist ja auch die ganze wahrnehmbare Welt Erscheinung eines Unendlichen in endlicher Gestalt. Aber nur dem schöpferisch Begnadeten wird die endliche Gestalt zur F 0 r m, indem er in den Dingen der

. Wirklichkeit ihr~ ewige Wesenheit wahrnimmt; ihm ist die Sinnenwelt nicht der Schleier der Maya, der seinem Blicke die Wahl'heit verhüllt, vielmehr offenbart sie ihm im Gleichnis ihren tiefsten Sinn; er schaut das Universum "in Gott als absQlutes Kunstwerk und in ewiger Schönheit gebildet." (Schel1ing, Philosophie der Kunst.)

II Unter ' allen Künsten ist es die Musik, die uns am unmittelbarsten das

Wesen der Welt offenbart; denn während in der Raumkunst -di( Einbildung des Unendlichen ins Endliche als vo 11 zog en eTa tsache erscheint, läßt die Musik un's am Schöpfungs akte teilnehmen, indem sie das Geschehen als sol ehe s, d. h. als zeitliche Sukzession, darstellt.

Den beiden . Formen, in denen .die Welt uns zum Bewußtsein kommt, Z e i t und Raum (~ Sukzess io n und Koexistenz), entsprechen die beiden Grund .. f 0 r me n der Mus i k: Rh y t h mus und Ha r mon i e. Rhythmus ist also gesetzmäßige, alles Zuf<illigen entkleidete, f 0 r m ge wo r den e Sukzession, ebenso ist Harmonie die formgewordene Koexistenz,,,demnach die Musik nichts anderes, als der ver .... nommene ~ythmus und die Harmonie des Universums selbst. U

Im folgenden sollen nun die heiden Grundformen der Musik, in ihrer Eigenschaft als Sinnbilder des We1tprozesses, näher untersucht werden; vorher aber eine kurze Betrachtung des WeItprozesses selbst. ,

Im Wesen der Welt liegen zwei gegensätzliche Prinzipien beschlossen: ein e w i g ruhendes U r ... Sein und ein schöp fe ,r isches Prinzip, das wir uns als unend ... liehe absolute Bewegung denIren müssen. ,

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Es ist also dieses Wesen ein D r e i ... Ein i g e s, indem es sowohl jedes der beiden Urprinzipien für sich, als auch deren Einheit oder Identität ist.

Im Weltprozeß erscheint nun diese dem menschlichen Verstaride absolut unfaßbare Dreieinigkeit . z e i tl ich aus ein an der gel e g t: die ursprünglich ineinsgebiIdeten Gegensätze komm en nun als Ge gensä tze zur Ersehe in ungj die beiden Prinzipien haben sich entzweit i von dem ruhenden Urwesen hat sich das schöpferische Prinzip abgesondert und in der sichtbaren Weit ver wir k 1 ich t; aus dem Sei n ist das Wer den hervorgegangen; , und das Gewordene ver geh t wieder, d. h. es kehrt zu seinem Ursprunge zurück.

Diesen urewigen Kreislauf von Entstehen, Werden und Vergehen, dessen Symbol die uralt ... heilige Dreizahl ist, finden wir in allem musikalischen Geschehen abgebildet. Im folgenden soll dies an den musikalischen Grundformen gezeigt werden, und zwar zunächst ,an der Urform des rhy thm ischen Geschehens.

Das ursprüngliche Wesen, in welchem die Gegensätze noch unentzweit beschlossen sind, sei symbolisiert durch den gleichförmig ausgehaltenen Ton: ,

Dieser Ton erscheint uns als noch rh y t h mus los; doch liegt in ihm bereits, der M ö g 1i eh k ei t na eh, aller Rhythmus beschlossen. Damit dieser aber in die Erscheinung trete, Wir k.l ich ke i t werde, muß eine Entzweiung .erfolgen, indem ,sich von dem Ganzen ein Teil loslöst, etwa so:

J -J

Die ursprüngliche Einheit hat sich somit in zwei Teile gespalten, deren erster in Ruhe verbleibt ("schwerer TaktteiI H

), während der zweite als Antrieb zur Weiter ... bewegung wirkt ("AuftaktU

). Damit ist das Gleichgewicht gestört; es kann nur dadurch. wieder hergestellt werden, daß dem Bewegungsimpulse sein Genügen wird j es muß sich auswirken, um wieder zur Ruhe gelangen zu können.

Dies geschieht, indem der Auftakt in eine neUe rhythmische Einheit ausmündet, in welchem die Bewegung zur Ruhe gelangt.

, Somit ist das Gleichgewicht wieder hergestellt, das Entzweite geeint, der Kreis geschlossen. Die wieder erreichte Einheit ist nun aber nicht die gleiche wie die ursprüngliche, sondern, da ein voller Kreislauf zwischen heiden liegt, von h ö her e r o r d nun g als diese; so daß daher der ganze erste Takt als Auftakt zum zweiten

• I

ersche1nt. Wenn wir den einzelnen Taktteil als Einheit ansehen, erhalten wir nun da~'"

selbe Verhältnis in immer fortschreitender Verkleinerung:

r-J___ ............ J ___ r CI n ~ ~ J . ( CI H /'J /"- /-........... /,

~ J J J J J J J I <> ~ /\ /\ ~ /\ /\

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U.B.f 39

Page 49: Musikblätter Des Anbruch 1919

Umgekehrt können wir den ganzen Takt ais bloßes rhythmisches EinzelgHed annehmen und erhalten dann dasselbe " Verhältnis 1n fortschreitender Vergrößerung:

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10 tqt l~~ u .. <?.f.

So setzt sich das rhythmische Geschehen, gleich allem Weltgeschehen, nach zwei Richtungen unbegrenzt fort: in absteigender Richtung als unendliche Teilung und Vervielfältigung und in aufsteigender, als immer weitere Ausbreitung bis zur unend ... lichen Fülle - und wird solcherart zum Sinnbild von Mikrokosmos und Makrokosmos.

Alles musikalische Geschehen ist, als Sukzession, not wen d i g rh y t h m i s ehe s Geschehen; um nun die Harmonie, welche als ihrem Wesen nach Koexistenz ist, in unsere Betrachtung einbeziehen zu können, müssen wir sie der z e i t li c h e n S u k z es s ion un t er 0 r dn en; dies geschieht dadurch, daß wir alle innerhalb eines musikalischen Zusammenhanges möglichen harmonischen Bildungen auf eine bestimm te Grundharmonie (T onika) beziehen j diese Beziehung nennen wir Ton a 1 i t ä t.

Dieser Grundakkord stellt somit die ursprüngliche Einheit dar; folgt ihm ein anderer Akkord, so ist damit die Entzweiung eingetreten: jede Harmonie, die nicht Tonika ist, wil'lkt als Antrieb zu einer Bewegung, deren Ziel wieder die Tonika ist (diese treibende Kraft ist es, weIche in der Musiktheorie den Namen D iss 0 n a nz führt). Die Tonika erscheint somit als "AufIösung ll der Dissonanz, Wiederherstellung des 'Gleichgewichtes, Wiedererreichung des Ruhezustandes.

'J j liD 'f Eine besondere Betrachtung erfordert die K ade n z, indem bei dieser zwei Phasen

der Entzweiung zu unterscheiden sind:

~

Sie gleicht der Pendelbewegung : das aus seiner Ruhelage gebrachte Pendel schwingt über diese hinaus nach der entgegengesetzten Seite, ehe es wieder in sie zurückkehrt. ft:i Damit ist also als Grundprinzip der harmonischen Folge die Dreiheit alles Welt ... geschehens nachgewiesen; und so gewinnt die Kadenz (die gemeinhin al~ bloße Formel betrachtet und gebraucht wird) die Bedeutung eines tiefen Ursymbols. In dieser Bedeutung erscheint sie z. 'B. in den Werken eines ] 0 ha n n S e b ast i a n Bach: der für ihn geradezu typische Beginn mit der Kadenz (meist über einem Orgelpunkte, wie z. B. in den Präludien C ... dur, C ... moll, Es ... moll im 1. Teile des Wohltemperierten Klaviers) hat schlechthin den Sinn einer Anrufung der heiligen Dreifaltigkeit:

I m N am end e s Va t e r s, des S 0 h n e s und cl e s he i 1i gen Gei s te s ! So erhebt sich die Musik, weit hinaus über elen bloßen subjektiven Empfindungs ...

ausdruck, zu überindividueller I zu k 0 S m i s ehe r Bedeutung; sie erscheint als die

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Sprache des Weltgeistes selbst, "die geheimnisvolle, in Tönen ausgesprochene Sanskrita der NaturII; ihre Grundformen, Rhythmus und Harmonie, sind die Formen des Weltgeschehens überhaupt und als solche "Formen der ewigen DingelI.

BI Der in den beiden vorhergehenden Abschnitten abgeleitete Formbegriff unter ...

scheidet sich wesentlich VOll dem, was die gegenwärtig in Geltung stehende Theorie der Musik unter Form versteht; denn was man heute Theorie nennt, ist nicht viel mehr als eine Anleitung zur praktischen Ausübung der Kunst, die auf einer lediglich empirischen Kenntnis von deren äußeren Erscheinungsformen beruht. Dieser empirischen Theorie zufolge ist die 'Porm ein totes Schema, eine leere Hülle und Hülse, die erst mit musikalischer Substanz erfüllt werden muß, um Leben zu gewinnen.

Wir wollen diesen Begriff der Form als die empirische oder technische Form bezeichnen, und ihm den Begriff der reinen Form (der eigentlichen Kunstform) entgegensetzen; lediglich die technische Form ist es, auf welche sich der eingangs angeführte Pfitznersche Satz bezieht, und allein für diese hat er Gültigkeit.

Haben Wlr einmal die reine Form als ewig lebendige, von schöpferischen Kräften erfüllte Wesenheit erkannt, so dürfen wir darum die empirische Form nicht ohne ... weiters als deren Abfall und bloßes Residuum abtun; vielmehr ist es unsere Aufgabe, zu untersuchen, ob nicht auch in ihr noch jene lebendigen Kräfte fortwirken; ob nicht unter der starren Hülle verborgen ein letzter Funke jenes schöpferischen Seins schlummert. Denn wodurch anders konn te ein Form zum Schematismus, zur Formel werden, als vermöge eines ihr innewohnenden a11 g e me in g ü I t i gen Prinz ips?

Dieses allen technischen Formen der Musik gemeinsame Prinzip ist nun nichts anderes als jene Dreiheit, die wir als die Urform alles musikalischen Geschehens erkannt haben: indem jedem Tonstücke als ursprüngliche Einheiten ein bestimmtes Thema und eine bestimmte Tonart zugrundeliegen, die im Verlaufe des Stückes

_aufgegeben werden, um am Schlusse wiederzukehren. Der technischen Formen gibt es eine ganz geringe Anzahl (da sie ja Schemata

sind, d. h. aus der Fülle der Möglichkeiten das Allgemeine herausgreifen); der reinen Kunstformen dagegen so v i e 1 ,a 1 ses Ku n s t wer k e gib t, denn jedes Kunsv werk ist, als Gestaltung eines einmaligen, individuellen Erlebnisses, ein Einzelfall. Daher muß der Künstler, mag er auch die volle Herrschaft über alles Technische besitzen, diese bei jedem einzelnen Werke von neUem erringen, indem jedes schöpferische Erlebnis seine ihm allein eigene, von Anbeginn her be ... s tim m t e F 0 r m hat. Doch wird ihm darum die von außen her gegebene technische Form nicht zur hemmenden Fesse!, sofern er imstande ist, das in ihr verborgen schlummernde schöpferische Urprinzip zu erwecken und damit den toten Schematismus in einen lebendigen Organismus zu wandeln; sofern er es vermag, der äußeren Form seine eigene Seelenform einzubilden.

Diese Ineinsbildung von Persönlichem und Allgemeinem ergibt erst das wahre Kunst ... werk, das gleicherweise. im höchsten Grade individuell und universell ist; höchste Einzigartigkeit besitzt und doch allgemeingültig und unmittelbar verständlich ist; das Ich des Künstlers in höchster Konzentration enthält und gleichzeitig das ganze Universum l,unspannt.

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VOM GEIST DER CHINESISCHEN MUSIK Von Egon Wellesz, Wien

Von den Künsten des Orients ist dem Europäer' nur die Musik unzugänglich. Er ist - irregeführt von den meist unsachlichen Urteilen der Reisenden - gewohnt, in ihr eine tiefere Stufe der Vollendung zu sehen, als in der abendländischen. Es trennt ihn ferner eine Kluft der Ausdrucksgebung von der orientalischen Musik. Der Orientale drückt sich musikalisch in ein e r Dimension aus; er legt alles, Rhythmus wie Melodie, in ein e Stimme, die _ dadurch eine Hochspannung an Intensität erhält, deren unsere Musik nicht mehr Hihig ist, seitdem durch die Mehr ... stimmigkeh die Möglichkeit gegeben wurde; die eigentliche Hauptstimme durch Nebenstimmen harmonisch und kontrapunktisch in ihrem Wesen und ihrer Wirk .. samkeit zu steigern.

Nur im Sinne dieses Kontrastes darf man kurz von einer "orientalischen" Musik im Gegensatz zu der viel einheitlicheren abendländischen sprechen. Denn vor allem müßte man die Musik des vorderen Orients von der des zentralen und fernen trennen; jede in sich wiederum in ~ie verschiedensten Gruppen zerfallend, mit deutlich ausgeprägten Eigenheiten. ' Will man sich musikalisch in diese unbekannte Welt von Tönen eingewöhnen, dann ist der Weg vom geographisch Näheren zum ­Ferneren vorzuziehen; es käme die Musik des fernen Ostens zuletzt. Hier soll aber an einigen Sätzen aus dem "Li .. Ki l

\ dem Buch der Zeremonien~ gezeigt werden, welches innerliche Verhältnis die Chinesen zur Musik haben; wie nur unser, an europäische Begriffe allzusehr gewohntes Sentiment ein Hindernis bildet, ihre Musik richtig einzuschätzen und ihren hohen künstlerischen Wert zu bewundern, der kaum geringer ist, als der der chinesischen Malerei.

1

Alle Töne entstehen-Jm Herzen der Menschen. Das Herz der Menschen wird erregt. Dies wirken die Dinge der Außenwelt.

Es wird d.urch die Dinge berührt und erregt. Die Erregungen werden zu Tönen. Diese verbinden sich untereinander. So entsteht ei~e Tonfolge. Die kunstvolle Verbindung verschiedener Töme nennt man Melodie. Fügt man die Töne zusammen, um sie mit Instrumenten zu spielen, Und nimmt man Schild und Axt für den kriegerischen Tanz, Pfauenfeder und Banner für den feierlichen Tanz, So nennt man dies Musik.

2

Aus den Tönen entsteht Musik. Ihr Ursprung ist im Herzen der Menschen,

das von den Dingen der Außenwelt erregt ist •

... Das "Buch der Zeremonienu gehört zu den heiligen Büchern der Chinesen, deren Schrift .. zeichen gezählt sind. Es wurde im 2. Jahrhundert vor Christi Geburt aus einer Reihe einzelner Schriften, zu denen das J 0 .. K i, das Buch von der Musik, gehört, zusammengestellt. Die hier mitgeteilten Sprüche haben also ein Alter von mehr als 2000 Jahren.

Die Übersetzung der Sprüche habe ich nach den lateinischen und französischen Versionen des Textes angefertigt.

42

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Ist ihr Hetz traurig, dann sind die Töne schwach und verlöschen' bald. Ist ihr Herz freudig, dann sind die Töne leicht und klingend. Fühlt ihr Herz Leidenschaft, dann quellen die Töne hervor,

aber vergehen bald. Fühlt ihr Herz Zorn, dann sind die Töne heftig und rauh. Ist ihr Herz 'von Hochachtung erfüllt, dann sind die Töne

frei und einfach. Ist ihr Herz von Liebe erfüllt, dann sind die Töne zart und weich. Diese sechs Arten des Gefühls sind dem Herzen nicht angeboren. Sie entstehen dort erst durch das Wirken der Dinge der Außenwelt. Deshalb achteten die Herrscher der Vorzeit auf alles,

was die Herzen der Menschen zu erregen vermochte.

3

Sie setzten die Bräuche ein, um ihren Willen zu leiten: Die Musik, um die Stimmen zu verbinden, Die Gesetze, um ihre Taten zu einen, Die , Strafen, um ihre Zuchtlosigkeit zu hemmen. Die Bräuche, die Musik, die Strafen und die Gesetze, Sie alle haben nur einen Sinn: Die Herzen zu einen und Ordnung zu schaffen.

4

Alle Melodien haben ihren Ursprung im Herzen der Menschen. Die Gefühle entstehen im Herzen und, werden durch die Töne offenbar. Eine Reihe kunstvoll verbundener Töne nennt man Melodie. Die Melodien einer friedsamen Zeit atmen Ruhe und Freude, -

da der Staat wohl geordnet ist. In Zeiten der Verwirrung sind die Melodien voll Unzufriedenheit und Zorn,

da die Herrschaft ungerecht ist. Die Melodien eines dem Untergang geweihten Reiches sind voll Angst und Trauer,

da das Volk in höchster Not ist. Musik und Herrschaft finden sich in den tiefsten Wurzeln.

5

Man darf sich keinen Augenblick von den Bräuchen und der Musik trennen • . Wenn ein Mensch so tief in die Musik eingedrungen ist,

daß sie auf sein Herz Einfluß gewinnt, dann wird es ruhig, gerade, liebend und aufrichtig. :

Wenn das Herz ruhig, gerade, liebend und aufrichtig geworden ist, wird er froh.

'Ist er froh, so wird er beständig in der Tugend. Beständig in der Tugend, wird er dem Himmel ähnlich. Dem Himmel ähnlich, wird er den Göttern gleich. Wie ' der Himmel flößt er Glauben ein, ohne reden zu müssen.

43

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Wie die Götter flößt er Furcht ein, ohne zürnen zu müssen. So ist der beschaffen, der so tief in die Musik eingedrungen ist,

daß sie auf sein Herz Einfluß hat.

6

Bei der Geburt ist der Mensch in einem Zustand der Ruhe. Diese Anlage ist ihm vom Himmel verliehen. Wenn er durch die Außenwelt erregt wird, gerät er in Bewegung. Es äußern sich die seiner Natur gemäßen Wünsche. Er lernt die Dinge der Außenwelt kennen,

wie sie auf ihn einwirken, und es formt sich bei ihm Zuneigung und Abneigung.

Kann er diese Gefühle nicht meistern und verliert er sich an die Welt, dann wird er nie mehr zu sich selbst zurückfinden.

Ihm entschwinden die guten Gaben, die ihm der Himmel verliehen hat. Unzählig sind die Dinge, die auf den Menschen einwirken. Kann er ihrer nicht Herr werden, so beherrschen sie ihn. Das bedeutet den Verlust des himmlischen Gutes

und die Hingabe an die Leidenschaften dieser Wert. Sein Herz wird unvernünftig, ungerecht, trügerisch und falsch. Sein Wandel wird zuchtlos und ohne Ordnung. Und dann geschieht es:

Die Starken bedrücken die Schwachen. Die Mehrheit ist grausam gegen die Minderheit, Die Schlauen betrügen die Dummen, Die Kühnen sind hart gegen die Zagen, Die Kranken sind ohne Pflege; Greise und Kinder, Waisen und Verlassene wissen nicht,

wohin sich wenden. Das ist der Zustand der großen Wirrnis. Dahin kommt u. '

7

Darum wirkten die Herrscher der Vorzeit durch ihre Gebote über Bräuche und Musik auf Mäßigung hin.

Die Bräuche regeln die Herzen des Volkes. Die Musik ordnet den Einklang ihrer Stimmen. , Die Gesetz~ regeln die Erfüllung. der Bräuche und die Aufführung der Musik. Die Strafen schützen sie. Wenn Bräuche, Musik, Gesetze und Strafen überall gelten,

ohne bekämpft zu werden, Dann ist die Herrschaft vollkommen.

8

Die Musik verbindet, die Bräuche trennen. Durch die 'Verbindung entsteht Freundschaft, Durch die Trennung entsteht Achtung. I

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Wenn die Musik zu große Bedeutung erlangt, gibt es Nachlässigkeit.

Wenn die Bräuche zu sehr herrschen, entsteht Entfremdung.

Die Gefühle zu einen, 'die Umgangsformen zu veredeln: Das ist der Sinn der Musik und der Bräuche.

9

Nur der Weise ist fihig, die Musik ganz zu verstehen. Er beurteilt die Melodien durch dje Töne. , Durch das Erfassen der Töne versteht er die Melodien. Durch das Erfassen der Melodien versteht er die Musik. Durch das Erfassen der Musik versteht er die Herrschaft.

Und weiß alles, was eine rechte Herrschaft fordert. Von den Melodien kann maI). nicht mit einem Manne reden,

der nicht die Töne versteht. Von der Musik kann man nicht mit einem Manne reden,

der nicht die Melodien versteht. Wer die Musik versteht, erfaßt auch die feinsten Fragen,

welche die Bräuche betreffen. Wenn die Kenntnis der Bräuche und der Musik Vollendung erlangen, . Dann kann man sagen, daß man Tugend besitzt. Denn das Wort Tugend bedeutet: Besitz der vollkommenen Richtigkeit.

10 Die Musik kommt aus dem Innern, die Bräuche sind von außen eingesetzt. Da die Musik aus dem Innern kommt, bringt sie Ruhe. Da die Bräuche von außen eingesetzt sind, erzeugen sie Lebensart. Die wahrhaft große Musik ist stets einfach. Die wahrhaft großen Bräuche sind stets maßvoll.

11 Die Musik wirkt auf das Innere des Menschen. Und die Bräuche auf das Äußere. Die Bräuche zielen darauf hin, sich in den rechten Grenzen zu halten. Die Musik zielt darauf hin, das Herz mit edlen Gefühlen zu erfüllen. Die Bräuche halten ihn in den rechten Grenzen, und treiben ihn gleichzeitig zur Ta.t an. Diese Kraft macht die Schönheit der Bräuche aus. Die Musik erfüllt das Herz mit edlen Gefühlen und mildert gleichzeitig die Leidenschaften. Diese Kraft macht die Schönheit der Musik aus. Wenn die Bräuche mäßigten, ohne anzufeuern, wären sie bald verschwunden. Wenn die Musik entflammte, ohne zu mildern, wären sie ausschweifend. So schenken sich die Bräuche den Schenkenden selbst zurück. So dient die Musik, die Leidenschaften zu mildern. Die Erkenntlichkeit durch die Bräuche erzeugt Freude. Die Milderung durch die Musik erzeugt Ruhe. Nur einen Zweck hat dies zwiefache Wirken der Musik und der Bräuche:

Die Vollendung. c []

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REFORM DES lVIUSIKUNTERRICHT -ES Von Dr. B ernhard P aumgartner, Salzburg

(Fortsetzung)

Wenn also ein Ruf zu einer Neugestaltung des musikalischen Unterrichtes ergehen soll, so zielt er in erster Linie nicht auf eine wesentliche Änderung der mühsam errungenen, Technik schaffenden Mittel unserer Zeit. Im Gegent~il, ein Zuviel an Technik ist nicht möglich und wenn dies heute von manchen Komponisten und Virtuosen behauptet wird, so ist dies ein laienhafter Trugschluß. In dem ganzen Vollgefühl der technischen und geistigen Errungenschaften unserer Zeit als beglückte Erben unserer großen Meister von Palestrina bis auf den heutigen Tag sollen wir jene ursprüngliche abstrakte Einstellung zum Kunstwerke, jenen verloren gegangenen

'Maßs~ab in unserem Inneren wieder finden lernen, der selbst die weniger Berufenen befähigt, die Musik ohne das mechanistisch instrumentale Medium zu erkennen und ZU durchleben.

Gelingt es also, unseren seelischen Apparat und dessen unmittelbares, sehr feines und schwebend differenziertes Ausdrucksorgant unseren Körper gleichsam als Membrane, in Stimme, Fühlen und Bewegung dem Kunstwerke in möglichst vollkommener Weise dienstbar zu machen, ehe wir daran gehen, die Instrumente zu Hilfe zu nehmen, dann haben wir ' sicher einen Weg gefunden, den wir nicht mehr verlieren können, sollten die Ausdrucksmittel noch so kompliziert werden: die richtige, unmit~elbare Einstellung zur Musik ist gegeben.

Der heutige Musikunterricht befolgt genau die gegenteilige Praxis: Er beginnt mit dem Instrumente, läßt also von allem Anfange an das mechanistische Prinzip wirken und verläßt es nicht 'wieder, so daß es nur wenigen Auserlesenen gelingt, sich späterhin wieder zum "vokalen" Erfassen durchzuringen. Der Anfangsunterricht in Klavier, Violine oder anderen Instrumenten ist, von seltenen Ausnahmen abgesehen, kein Unterricht in Tönen, sondern in Noten: Im Anfang war der Fingersatz! Daher kommt es, daß die Kinder überraschend leicht "abspielen" lernen, ohne auch nur eine leise Ahnung von den Beziehungen der Töne untereinander ,und ihren Forderungen, der eigentlichen Musik zu haben; Tonarten kennen sie kaum - das Wort "Art" bedeutet ja immer wirkenden Charakter - wohl aber Ton lei te r n, die wieder nur eine rein mechanische Funktion darstellen. Es

1 ist, als· quälten wir die Kinder mit

dem gedankenlosen Hersagen der längsten Gedichte, ohne auch nur einmal zu fragen, was sie sich dabei vorstellen. Beim Singunterricht in den Volksschulen lernen die Kleinen die Melodien ihrer, leider so brav pädagogischen und daher so unkindliche~ Kinderlieder meist lediglich nach der Violine des Lehrers auswendig und sehen dabei in'4die Noten ihres Liederbuches, die sie ja gar nicht kennen.

So gibt es Inkonsequenzen und Fehler auf allen Gebieten des musikalischen Elementarunterrichtes und viele Hochbegabte werden dadurch schon im frühen Kindes ... alter verdorben und für jene oberflächliche Art des Musikbetriebes erzogen, die unsere Zeit charakterisiert.

Es darf indes nicht geleugnet werden, daß eine Menge ausgezeichne ter und fein durchdachter Reformansätze für den musikalischen Anfangs unterricht schon da sind. Es wäre also Sache der berufenen Lehrer und Anstalten, die guten Ideen und Methoden zu erkennen, zusammenzufassen und in Form von sorgfaltig zusammengestellten Elementar kursen unseren Kindern zugänglich zu machen. Merkwürdigerweise interessiert

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die meisten unserer Konservatorien der Elementarunterricht sehr wenig. Viele nehmen Schüler überhaupt erst auf, wenn sie einen gewissen Grad technischen Könnens erreicht haben, ohne zu bedenken, wie viele Talente von schlechten Privatlehrern an der Wurzel verdorben werden; nur verschwindend wenige Institute interessieren sich für eine Vorbildung der Kinder, bevor diese ein Instrument in die Hand nehmen. Und gerade diese ist ja die allerwichtigste und kann so universell und anregend für das Kind eingerichtet werden, daß es in der Musik schon wahrhaft lebt, bevor es 'zur Befriedigung der ungeduldigen Eltern den "fröhlichen Landmann" von Schumann auf dem Klaviere mißhandeln kann.

Von höchster Bedeutung für unsere Kinder halte ich einen gut geregelten Si n g ... u nt er r ich t in Verbindung mit theoretischer Unterweisung in den Grundbegriffen der allgemeinen Musiklehre, noch ehe der instrumentale Unterricht an die Reihe kommt. Hier wird es sich erweisen, ob das Kind über haupt Fäh igkeiten zur weiteren musikalischen Ausbildung besitzt oder ob es besondere Anlagen zu dieser oder jener Art der Musik ... übung in sich trägt. Kinder, die einfache Melodien nicht ohne jede instrumentale Hilfe vom Blatt singen können oder gar eine vorgespielte Tonreihe nicht nachzu ... singen imstande sind, sollen übethaupt die Musik beiseite lassen. Der neue Zug in unserer obersten Unterrichtsverwaltung läßt uns gewiß auch auf eine gründliche Um ... gestaltung des Singunterrichtes in den Volksschulen hoffen.

Die sogenannte "Battke ... Methodell ist zweifellos ein ganz ausgezeichneter und er ... probt er Weg, jene notwendige vokale, "av~stau ... Einstellung zur Musik dem Kinde mühe ... los zu eigen zu machen. Allerdings muß auch hier die verständige Hand des Lehrers nachhelfen und manches Neue, l?igene schaffen; die Liederbeispiele der Battkeschen Kindersingschule sind musikalisch und textlich schwach. Hier wäre das echte und wundervolle Volks gut , an Kinderliedern heranzuziehen, das noch immer so schwer in die Schulgesangsbücher Eingang findet. Die Volksliedersammlungen von Erk ... Böhme, Ditfurth wie unserer heimischen Lieder enthalten eine Überfülle des herrlichsten Materials, formschöne, aus dem wahrsten Kindergemüt quellende Gebilde, die man noch durch Beigabe einiger kleinerer Kompositionen ' unserer großen Meister krönen könnte. Aber der persönliche Herausgeberehrgeiz trockener Pädagogen, möglichst viel Lieder eigener Mache unterzubringen, muß da ein für allemal bei Seite treten.

Auch die Methode Dalcroze erscheint mir, das Gesangliche ergänzend, von ganz besonderem Werte für die musikalische Elementarkultur der Kinder zu sein. Nicht nur, daß sie - ein zweites notwendiges Erfordernis ' - den Körper der Musik, dem Rhythmus dienstbar macht und so das vorwiegend Melodische des Singunterrichtes aufs Glücklichste fördert, offenbart '. sie, konsequent und gewissenhaft vorgetragen, eine Überfülle feinster musikpädagogischer Züge, die weit über das bloß Musikali ... sche ins allgemein Menschliche und Künstlerische hinausweisen und daher oft eine überraschend günstige Entwicklung der allgemeinen Anlagen des Kindes zur Folge haben. Von ihrem hygienischen Nutzen gar nicht zu reden. Freilich ist es auch hier Sache des Lehrers, dafür zu sorgen, daß ihre Anwendung nicht in bloße Tanzerei und Gefallsucht ausarte. ,

Wenn auch nicht unmittelbar musikalisch. hat der Besuch eines Kindersprech ... kurses, der selbstverständlich nach den neuesten Methoden (Sievers, Hey etc.) gehalten werden muß, die günstigsten Folgen für das Musik studierende Kind. Atmen, Organ ... bildung, Klangsinn, alles dies sind Faktoren, die in der Musik unmittelbar wirksam

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werden, ganz abgesehen davon, daß gutes Sprechen 'dem späteren Sänger Studium und Beruf außerordentlich erleichtert.

Nach zwei Jahren gründlicher Vorbereitung auf diesen Gebieten, die im relativ frühen Alter begonnen werden kann, wird das Kind mit ganz anderer, wunderbar musikalischer Einstellung an das Instrument herantreten, die Übungen und Vortrags .. stücklein, die es nun zu bewältigen hat, wird es- schon lesend erfassen und aUs sich heraus dem Instrumente mitteilen, nicht daß es umgekehrt durch das Instrument erst erfahrt, was da in den Noten steht. Welche Vorteile diese Einstellung schon dem Kinde- bringt, ist kaum abzumessen. Es musiziert wirklich, statt zu handwerken, es merkt Fehler aus eigener Überlegung und gestaltet schon in frühester Jugend, was ja das Prinzipielle aller Kunstübung bedeutet. Hand in Hand mit dem ersten instrumentalen Unterrichte gehe eine durchaus nicht trockene Fortunterweisung im Theoretischen, gerade so viel, um die inneren Forderungen jener einfachen künst .. lerischen Gebilde zu offenbaren, die das Kind gerade zu lernen hat. Vor allem ein wenig, aber mit großer Liebe von den Gesetzen der Melodiebildung, von primitivster Formenlehre, also lange be vor dem Kinde die konstruktive Harmonielehre versetzt wird, die schon viel komplizierteres Denken erfordert. Aber doch immerhin schon einiges aus der Akkordlehre : Dur .. und Mollakkorde, deren Umkehrungen, namentlich das klanglich Reizvolle und Persönliche daran, und die wunderbaren Beziehungen der Stufen zueinander, Vorstudien zur Kadenz, erst gesungen ~nd begriffen, dann erst auf dem Instrumente.

Ich habe, um diese Ideen auch praktisch zur Tat werden zu lassen, mit beson ... derem Verständnisse des Kuratoriums der Anstalt für meine Vorschläge, die teilweise am Konservatorium nMozarteum" in Salzburg schon bestehenden Elementar .. kurse für Kinder nunmehr zu einer "V 0 r s eh u 1 e" zusammengefaßt, die den Anfängern eine möglichst gründliche und universelle praktische und theoretische Ausbildung mit besonderer Rücksicht auf jene unmittelbar musikalische Einstellung gewährleisten soll. Ein oder zwei Jahre kann das Kind je nach seiner Fähigkeit den Unterricht lediglich in Chorgesang (verbunden mit allgemeiner Musiklehre), Rhyth .. mischer Gymnastik nach der Methode Dalcroze und Sprechkurs genießen und sodann in die instrumentale Vorschule eintreten, die in Klavier und Violine zwei Jahre, in Violoncell ein Jahr dauert, wobei die anderen Fächer selbstverständlich weiter .. belegt werden kön~en. Chorgesang und Musiklehre sind dabei obligatorisch, die anderen Fächer stehen im Belieben der Eltern; ihr Besuch ist natürlich dringend zu empfehlen. Erst nach Absolvierung dieser Vorschule kann das Kind nach einer praktischen und theoretischen Übertrittsprüfung, die seine Fähigkeiten klar erweisen muß, den eigentlichen Konservatoriumsunterricht in der Vorbildung beginnen. Der inneren Ausgestaltung der "Vorschule" sollen alle praktischen Erfahrungen allmäh .. lieh zu bleibendem Nutzen werden. (Fortsetzung folgt)

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9Besonderer reif I

F R E DER I C K D E L_ I u s Von J 0 s e p h M a r x.

Fast wäre man versucht, De1ius den Jacobsen der Musik zu nennen j das starke Naturgefühl, der sam~tene Klang der Sprache des großen dänischen Dil;:hters verleiten zu Vergleichen. Und doch stehen beide Künstler entwicklungsgeschichtlich anders. ]acobse!l war ein Anfang (mit den ersten Worten seiner Novelle "MogensU beginnt die neue deutsche Literatur - wie Georg Brandes meinte), der Stil eines Delius indeß erscheint als Ergebnis verschiedener Richtungen, deren eine wohl nach Bayreuth, eine nach Paris, und eine dritte gar nach Neu .... England weist; damit sind im besten Fall örtliche Beziehungen, historiscke Zusammenhänge gegeben. Die Wertung in al1 dem, was wir vom wirklichen Künster verlangen, gibt den Ausschlag: daß er ein Eigener sei, uns eine neue (seine) Welt verkünde, daß seine Sprache fremden, bedeutsamen Klang habe im gewaltigen Reich der Musik ..• Und so können wir sagen: Frederick Delius ist ein Eigener, aus seinen Werken spricht ein echter Künstler in eigenartiger Weise von Erlebnissen ·und Naturstimmungen ; Amerikas Tropenwelt, die Unendlichkeit der Llanos, Norwegens klare Landschaft, Englands verträumte Gärten, Paris, und] über allem liegt der Zauber einer feinen vornehmen Persönlichkeit.

Er ist vor allem nicht straußisch, obwohl gerade seine Orchesterbehandlung geist ... reich und höchst modern zu nennen ist; eher wäre man versucht, ihn neben Debussy zu stellen, als dessen Pendant in England er seinerzeit galt. Immerhin liegt die romanische Leichtigkeit - limpidezza -, im leichten Dahingleiten subtile harmonische Wirkungen zu erzielen, seinem Naturell weniger, als man bei der Gesuchtheit seiner oft etlesenen Harmonik meinen sollte. Etwas wie Erdenschwere haftet seiner Art an, ihm fehlt die Beschwingtheit des Romanen, alles Formal~ in feine harmonische ·Parfüms zu versprühen und an Stelle seelischer Konflikte Klangfarbenphänomene zu _ setzen. Am wenigsten ist Delius Pathetiker, eher liegt ihm noch eine gewisse Tanz ... freudigkeit, wobei ihn übrigens der aparte Reiz exotischer Melodien und Rhythmen mehr fesselt als das Bewegungsmoment des Tanzes ~n sich. Am schönsten und persönlichsten erscheint mir seine Musik in den Andantino .. und Allegretto ... Natur .. stimmungen, wo er als üppiger Genießer im tropischen Garten seiner Harmonik fremdartig schillernde, schwer duftende Blüten sammelt. Nicht zu vergessen seine Vorliebe für seltsam traumhafte StiQ1.mungen, ~nn er z. B. das ferne, geheim'nis ...

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volle Rauschen der Stadt ("Paris l' The song of a great city) oder das weiche Murmeln

des Wassers ("Sommernacht am FlusseIl) schildert. Da berührt er sich in Stil und Vorwurf direkt mit Debussy, wenn dieser etwa die fernen Berge von Anacapri (Preludes I. 5) oder die "Düfte der Nacht" , ("Iberiall II) musikalisch wiederzugeben versucht. Was die Musik von Delius so anziehend für den modern empfindenden Menschen macht: Eine süße Melancholie, die über diesen naturgenießendet;l Schilderungen liegt - unwillkürlich muß ich in diesem Zusammenhang an Godowskys durchgeistigte Bearbeitung von Rameaus A ... moll Menuett denken, wo auch al1 die süße Morbidezza des Rokoko anklingt.

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Schon seine frühen Lieder (teilweise nach Texten von] acobsen) zeigen ausgesprochene Eigenart und lassen die Wurzeln seines Schaffens erkennen. Das harqlonische Stimmungs ... moment wird maßgebend, kurze exotische Melismen deuten auf dem Umweg Mac Dowell ("Amerikanische Idyllen lO

) auf Grieg; man bedauert, daß Delius nicht auch Klavier... und Kammermusik schreibt. Bei seiner Anlage für fülligen Klang und geistreiches Detail wäre er einer der populärsten Autoren geworden. Selbst seine Orcheste~werke klingen vortrefflich am Klavier, so daß man ähnlich wie bei Liszt oder Debussy an pianistische Einflüsse ,auf deri symphonischen Stil glauben möchte (im Gegensatz etwa zu dem absoluten Orchestermenschen Berlioz). Sein in kla vieristischer

, Beziehung etwas problematisch geratenes Klavierkonzert widerspricht dieser Ansicht nur scheinbar, denn gerade das 'Bestreben, ungewöhnliche Kombinationen zu schaffe~, hat hier stellenweise zu unpianistischen Resultaten geführt. Trotz seiner unzweifel ... haften Anlage zum Miniaturisten - ich erinnere nur an die beiden auch in der KlavietÜbertragung reizvollen Skizzen ,,,Erster Kuckucksruf im Frühling" und "Sommer ... nacht am Flusseu - hat er mit Ausnahme der Lieder und einiger Chöre niemals auf das Orchester und sonst selbst ungern auf den Chor verzichtet; bekanntlich zieht er auch in symphonischen Dichtungen wie in "Appalachia" und in seiner Alpensymphonie ." The song of the high hills" schließlich .den Chor heran. In Klavierpoesien ' scheint Cyril Skott die Wege von Delius gehen zu wollen, jedoch besitzt jener nicht dessen Innerlichkeit und natür liehe Ei'genart, sondern schreibt häufig gesucht und erklügelt bizarr.

Delius gehört nicht zu den Autoren, die einen in jedem Werk durch ein neues Gesicht überraschen, es ist jedesmal dieselbe 'Harmonik, dieselbe eng mensurierte Melodik geblieben, ja sogar im Tempo könnte man Konstanten ,nachweisen (auch darin berührt er sich mit Grieg und Mac Dowell); so treu bleibt er sich und seiner Art, daß man manchmal fast den Eindruck einer allerdings fesselnden Manieriertheit bekommt. Drei Hauptprobleme enthält sein Schaffen: Die Darstellung farbiger Naturstimmungen in üppig ... reichen Farben ("In a summer garden"), Tanzszenen v<;>l1 von exotischem Reiz wie der Lebenstanz, "a dance Rhapsodie", endlich traumhafte Stimmungen von einer Unwahrscheinlichkeit, die sich bis zur Unheimlichkeit steigern , kann. Trotz der -tänzerischen Belebtheit mancher Episoden merkt man, wie De1ius am meisten das ruhig dahinfließende Andantino liebt, das er mit den bunten ,Farben seiner Harmonik durchwirkt; die eine Weiterbildung der Tristan ... und Grieg ... Harm.onik ist. Auch in der Melodik bevorzugt er eine Grieg ähnliche, auf Wiederholung kurzer charakteristischer Teilmotive beruhende Art, während er in seiner Tanzrhythmik oft ganz exotischen Prinzipien folgt und Anregungen von Naturvölkern be,zieht. In d~r Art ,der Schilderung sind ihm Wagner (Naturszenen, Siegfried ... ldyll), ferner Grieg und ~ac Dowell in ihren Stimmungsbildern Anreger gewesen.

,Obwohl Delius einige bedeutende Chorwerke geschaffen hat, ich meine z. B. jenes ZUerst bekannt gewordene "Im Meerestreiben", ein in seiner naturalistischen Ver ... träumtheit für ihn so recht bezeichnendes Werk, die "Messe des Lebensi. (Fr. Nietzsche), die ,,:Arabeske" Oacobsen), heide voll entzü~kender Naturstimmungen, ferner die "Sonnenuntergangs ... Liederu (Brnest Dowson) eine ganz i~ zarte Dämmertöne getauchte, höchst stimmungsvolle Schöpfung, - so liegt die Hauptbedeutung dieses Künstlers meines Erachtens in seinen symphonischen Werken. Gleich in einer der ersten, "Appalachia", findet er neue Farben beim Schildern amerikanischer Landschaft und vollendet in ähnlicher Weise Mac Dowells künstlerisches Erbe, wie etwa Debussy

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Moussorgskys impressionistische Bestrebungen orchestral verwirklichte;. Der Chorsat: _ von DeHus, so wohlklingend und eigenartig er ist, scheint doch mehr das Ergebnis orchestraler als rein chorischer Gruppierung. Wenn er in seinen Orchesterstücken, wie z. B. in ttAppalachia~ oder dem "Sang 'auf die hohen BergeJ

' schließlich auch den Chor heranzieht, so tut er dies mehr aus kl~nglichen als etwa aus gegenständ.­lichen Gründen; ganze Episoden hindurch singt der Chor langgezogene Vokale oder Silben, ähnlich wie z. B. Debussy in seiner letzten "N octurne" für Orchester ("Sir'enes") rufende Frauenstimmen koloristisch verwendet.

Wie es Meister gibt, in deren Werken die Vergangenheit, das ganze Werden unserer Musik lebt und webt, wie man z. B. bei manchen Werken von Brahms unwiIIkürlich an die Epoche der Ho~hblüte des vokalen Stils, aber auch an Bach, Beethoven, Schumann denken muß, nicht ; etwa deshalb, weil er in "historischer Perspektive'l komponierte, sondern weil noch die Kultur jener Großen in ihm lebendig war, - so gibt es in der Tonkunst auch sozusagen Spezialisten, die von einem Meister, oft nur von einem Punkt seiner Entwicklung ausgehend schaffen

'und Neues hervorbringen; es braucht manchmal nur ein stilistisches Prinzip zu sein, woran der andere anknüpft. Bei De1ius ist es das "Sich .. in ... die ... Natur--versenken", ,die unerhört geniale Naturschilderung im "Siegfried .. Idylll' oder in den herbstlichen Nornen ... 'und Rheintöchter ... Szenen, aber auch Griegs Nachdichtung norwegischer Landschaft, Mac Dowells musika1ische Urwaldstimmung gewesen, was ihn anregte und seinen eigenen' Ton finden ließ. Die Sicherheit des persönlichen Ausdrucks ist schon in seinen ersten Werken erstaunlich, zu einer Zeit, wo der größte Teil der Musikwelt in einer geistlosen (weil äußerHchen) Nachahmung Wagnerscher Ton ... bilder befangen war. Die großen Bahnbrecher Reger und Strauß, im Ausland Debussy, Scriabine und noch einige haben sich von solchen Einflüssen ferngehalten und am Werden unseres modernen Stils mitgeschaffen, indem sie Wagners Ideen in seinem Geist jweiter entwickelten und symphonisch auswerteten. Einer dieser Mitarbeiter war Delius, der trotz mancher Anregung gleich anfangs in eigenem Ton schuf, unserer Zeit ein höchst nachahmenswertes Beispiel, wo man bei -Erstaufführungen gewöhnlich schon nach drei Takten die "Strauß ... oder Debussy ... Weis'u einwandfrei feststellen kann; uroso böser, als diese Stile, so wertvoll sie an sich sein mögen, fast schon historisch geworden sind. Das Verdienst von DeHus also, liegt darin, daß er in selbständiger Weise am Werden der Moderne mitgeschaffen hat.

Die -zarten Mischfarben und holden Unbestimmtheiten in der Harmonik der zeitgenössischen Musik, wir finden sie schon in den geheimnisvoll wirkenden kirchentonalen Wendungen Palestrinas ebenso vorbereitet wie in Chopms auf ver ... schwimmender Pedalisierung beruhendem Klavierspiel, 'und sie werden immer mehr die Sehnsucht jener romantischen Mystiker, die aus der allzugroßen Deutlichkeit des realen Lebens in das geheimnisvolle Halbdunkel einer sensiblen Nervenkunst flüchten wollen; so ist wohl die Vorliebe für jenes "AhnenlassenH

, für verschwim ... mende Töne der Dämmerung, raunende Unbestimmtheiten zu' erklären. Debussy vor allem, aber auch Delius waren da bahnbrechend; ich brauche' nur an sein Orchesterstück "Paris" zu erinnern, wo das ferne Rauschen symbolisch für das große Geschehen in der Stadt wird, wo alles, das Schöne, Häßliche, Süße, Verworfene zusammen ... und ineinanderklingt zu einem vibrierenden Ton der Sehnsucht, an dem , sich der moderne Nervenmensch berauscht. Ich brauche bloß an die lieblichen Naturstimmungen im nSommergartenl1 (In a summer garden) oder an die Orchester ...

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skizze "Beim ersten Kuckucksruf im Frühling'· zu erinnern; ein altes norwegisch es Volkslied "Im Olatal, im Olasee(4 klingt leise an, es ist also ein nordischer Frühling, der geschildert wird. Aber in welch traumhafte Sphäre ist alles gerückt, der Kuckucks .... ruf, alles klingt verschleiert und wehmütig, wie die Erinnerung an ferne, glücklich schöne Frühlingstage. Solche dair obscur .... Stimmungen hält Delius in feinkultivierter Weise fest, und darin scheint mir eine der wertvollsten Seiten seines Schaffens zu liegen. Die Orchesterbehandlung ist auf der Höhe der Zeit; besonders eigenartige Holzbläsermischungen in zarter Polyphonie unter Verwendung neuer Instrumente (z. B. der Baß ... Oboe in der 11 TanzrhapsodielI) scheinen für seinen Orchesterstil charakteristisch.

Es war naheliegend, daß ein Künstler, dessen Begabung im Schildern und geist ... vollen Untermalen am stärksten ist, bald an die Opernkomposition dachte. Die erste, "Romeo und Julia auf dem Dorfe" (nach der Novelle von Gottfried Keller), verdankt wohl dem Idyllischen des Vorwurfes ihr Entstehen; es wurde übrigens ein echter Delius daraus, wenn auch keine Oper im landläufigen Sinne des Wortes. Denn gerade das, was sich vortrefflich zu 'epischer Darstellung eignet, verliert bei einer Übertragung ins Szenische oft an Zug und Wirkung, und die vornehm zurück .... haltende Art eines Delius scheint nicht geeignet, solche Mängel des Textes durch die gro~e melodische Operngeste und übertriebenes Pathos auszugleichen. Auf jeden Fall ist diese Oper ein ungemein" poetisches We'rk, und Momente wie die Traum .... szene im IV. Bild gehören, was Stimmungskunst betrifft, zum Bedeutenden der modernen Opernliteratur. Seine Musik zum" Volksrat" von Gunnar Heiberg, neben Ibsen wohl dem größten Dramatiker Norwegens, ergab innige Zusammenhänge mit nordischer Kunst und Weise. Mit der kürzlich in Frankfurt a. M. erfolgreich auf .... geführten dramatischen Schöpfung "Fennimore und Gerdau ist Delius zu seinem Lieblingsdichter Jacobsen zurückgekehrt. "Zwei Episoden aus dem Leben Niels Lyhnes" betitelt sich das Werk, das elf kurze Bilder aus der wundervollen Dichtung }acobsens bringt, aneinandergereiht wie etwa die Szenen in Debussys "Pelleas und Melisande44

, ohne indeß so dramatisch verkettet zu sein wie bei Maeterlinck. Wir müssen die Wahl des Textes als besonders glücklich bezeichnen, insofern zwei wesensverwandte Künstler gegenseitig zu erhöhter Wirkung kommen. Der Theater .... besucher bringt 'schon etwas Jacobsen ... Stimmung mit (hat doch, jeder Gebildete den Roman mindestens dreimal, doch jedesmal als Erlebnis gelesen), und endlich gab die WahI des Stoffes dem Komponisten Gelegenheit, sich , als der große Stimmungs ... künstler zu zeigen, der er ist. Eine normale Theatermusik zu schreiben, wäre Delius, dieser feine und vornelune Musiker, kaum imstande gewesen; starkes Pathos sowie die langatmige, manchmal leider auch etwas banale Opernmelodie ist seinem Naturell fremd. Aber zu welch tief poetischer Wirkung steigert sich seine geistvolIe Untermalung der Bilder aus ~ie1s Lyhne! Gleich die Fjordszene mit den feinen Schifferliedern ist ein Meisterstück musikalischer ,Stimmungsmalerei, ebenso bedeutend die Liebesszene im herbstlichen Wald, die Schilderung des verschneiten Fjords (weiße Musik), das Visionär ... Schauerliche des Totenmarsches, unter dessen Klängen Erik gebracht wird, an dessen Bahre Fennimore zusammenstürzt. Da ist entschieden etwas von der Dämonie Jacobsens in der Musik, der bei der Schilderung grausiger Begebenheiten den unwahrscheinlichen, fast traumhaften Eindruck, den solche Er ... lebnisse selbst auf den normalen wachen Menschen machen (man denke nur an die unerhörte Schilderung des Brandes in "Mogens:<), in vollendeter Weise wiedergibt.

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Dann das vorletzte idyllische Bild "Wieder in der Heimat14 mit pastoralen Klängen und Erntechor ; vielleicht wäre es der schönste Schluß gewesen. Endlich das letzte mit dem entzückenden Reigen der jungen Mädchenr deren eine Niels noch , rasch heimführt, ergibt einen guten Opernschluß, läßt aber jene Gerda in Anbetracht der früheren Bilder, die von Fennimore handeln, etwas benachteiligt erscheinen. Im Roman lebt sie noch ihr Leben, im Werk von Delius gewinnt sie fast den Anschein einer allerdings recht liebenswürdigen Dea ex machina, die rasch alles zum Guten wendet. Man fängt an, nachdenklich zu werden, und fragt sich: "Sollten schöne Mädchenaugen wirklich von aller Problematik erlösen? Immerhin, wenn selbst Niets Lyhne ..•. • Il Vielleicht ist dieser Schluß gerade deshalb etwas unmotiviert, weil er ein guter Theaterschluß ist. Dies letzte hat der Erfolg bewiesen.

Wir sind am Ende unserer Ausführungen; in ein Violinkonzert, das während des Krieges in London seine Uraufführung erlebte, konnten wir leider keinen Blick' tun. Wir vermuten trotzdem mit einiger Sicherheit, daß es das Gesamtbild des Künstlers Ddius, wie es vor unserem geistigen Auge steht, nicht wesentlich ver .. ändert 'hätte. Er ist ein reifer Künstler, der den eigenen Ton gefunden hat und in seiner Welt lebt und schafft. Die musikalische Moderne schätzt ihn nicht nur als phantasievollen Könner, sie verehrt in ihm einen Meister des schönen Klanges und tief gefühlsmäßigen Ausdruckes, dessen Schöpfungen bleibende Bedeutung gewonnen haben.

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TSCHECHISCHE I

Novak und Suk

Von EmU Chv.i.1a, Prag

MUSIK

Es soll da nicht die moderne Musik im weiteren Sinne des Wortes in Betracht gezogen werden, nämlich jene musikalische Schaffensperiode, we~che die vorgängige klassische beerbt und im Zeichen der "blauen ,BlumeJ

' der Romantik jene Neurichtung in der Kunst eingeschlagen und ZUr Herrschaft gebracht hat, die, analog den Bestrebungen und Erfolgen Mendelssohns, Schumanns und Wagners in Deutschland, in Böhmen durch die Tätigkeit eines Smetana, Dvorcik und Fibich befruchtet ward und die nationale Bewegung im Kunstschaffen begünstigte. Gemeint ist vielmehr die neueste, den Romantismus, aus dem sie hervorgegangen ist, bekämpfende, gegen Hergebrachtes revoltierende Kunstrichtung, welche impressionistisch geartet, ein neues Sichäußern über Erlebtes und Erträumtes anstrebt ' und bewirkt. Wer ihre ersten Regungen beobachtete, Zeit und Ort ihrer Entstehung wahrnahm und die Einflüsse verfolgte, die sie äußerte, kann sich nicht verhehlen, daß Frankreich ihr Ausgangspunkt war (man vergegenwärtige sich die Linie Cesar Franck - Debussy), und daß Deutschland in Rieh. Strauß und Max Reger davon eine eigene Abart pflegte. Unverkennbar ist der von den bezeichneten Zentren ausstrahlende Einfluß auf die tschechische Modeme; indes darf man sich nicht der Wahrnehmung verschließen, daß der Impressionismus als unabweisliches Zeitbediirfnis auch unbeeinflußt allenthalben in die Halme schoß,

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lokal individuelle Stärkungen erfuhr und in der Fürwahl der Mittel zur Erreich ung du allgemein angestrebten Ausdrucksverschärfung aus unterschiedlichsten Richtung en den Weg einschlug, der zum gemeinschaftlichen Ziele führte +. Dem nationalen Einschlag, der seit Smetana die tschechische T onlrunst beherrscht, wich der tschechische ,Modernismus selbstredend nicht ' aus; doch erfährt derselbe darin natürlich die zweck ... dienliche Ausdrucksumformung. Daraus und aus der Tatsach~, daß sich in Böhmen reifende und ausgereifte künstlerische Individualitäten in den Dienst des Im ... pressionismus gestellt haben, erklärt sich, daß derselbe in der tschechischen Musik eine gewisse Eigenart 'des Sichäußerns behauptet. Die Abneigung der Führer der modernistischen Bewegung gegen Ausartungen des Ausdrucks und grundsätzliche Negation der natürlichen Stim~führung und logischen Entwicklung des Satzes wirkt anregend und bestimmend auch auf die Produktion des Nachwuchses, der der neuen Richtung kräftig anhängt, aber hitzköpfige Extravaganzen vermeidet.

Wenn von der Führung in der tonkünstlerischen tschechischen Moderne die Rede ist, so drängen sich der Erwägung hierüber von selbst die Namen zweier Komponisten auf, welche sich als die ersten zum Glauben des Impressionismus bekannten und in der Betätigung und sieghaften Verteidigung dieses Glaubens die ersten geblieben sind: Vitezslav Novak und Josef Suk.

Beide sind aus dem Prager Musikkonservatorium hervorgegangen und haben in der Komposition den Unterricht Meister Anton Dvofaks genossen, weIcher im Grunde, den wohl nicht ausschließlich bestimmend wirkenden, aber vorherrschenden konservativen Neigungen des Lehrers und seiner Scheu vor revolutionären Neuerungen entsprechend, dem von auswärts herüberkling~nden und junge Gemüter in Aufruhr bringenden impressionistischen Neuton nicht nur nicht gewogen war, sondern direkt feindlich gegenüberstand. Man kann sith leicht vorstellen, daß vor drei Dezennien ,eine in festen und sorgsam gehüteten Traditionen zu Ansehen gelangte Musikschule ' einer ~euerung, welche altbewährte Satzungen über den Haufen warf und 1m Verfolge der angestrebten Freiheit der Tonbewegung und Ausdrucksverschärfung neue Pfade suchte t+D.d wandelte, nicht die Stange hielt. Es ist darum nicht Wunder zu nehmen, daß in der Jugend bei beiden Tonsetzern der Einfluß der fachlichen Erziehung sich dahin geltend machte, daß nicht nur ihre Schularbeiten, sondern auch die in die ÖffentliChkeit gedrungenen Erstlingswerke, ja auch die folgende Übergangsperiode

,des Schaffens den Einfluß Dvo:raks selbst dann noch erkennen lass en, als aus den Kompositionen' die persönliche Note herauszuklingen beginnt und die Neigung zum In:ipressionis~us bereits klar zutage tritt. ,

Da Novak und Suk klar ausgesprochene Individualitäten sind, wovon jede,im Zuge ihrer Verselbständigung ihre Eigenart des Denkens, Empfindens und Sichäußerns gefunden hat und der Werdegang beider Künstler auch sonst - ausgenommen das Ideal - ' wenig Gemeinschaftliches hat, kann eine kumul,ative Behandlung ihrer Wirksamkeit, in der tschechischen Moderne nicht Platz greifen. Wenn ich nun für die weitere Besprechung ihrer Tätigkeit und der erlangten Erfolge Novak den Vorzug gebe, so soll damit die Bedeutung Suks keineswegs an zweite Stelle gerückt werden.

+ Als 'interessa.nter Beleg für diese Behauptung mag hier die Tatsache flrwähnt' werden, daß mich vor einem Dezennium der russische Impressionist Re b i k 0 v versicherte, er habe in seinen Werken die große Tonalität (Ganztonskala mit allen sich daraus ergebenden harmonischen und modulatorischen Konsequenzen) zur Anwendung gebracht, ohne eine Ahnung zu haben, daß DebuBsy in Paris das Gleiche tue.

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Ich bekenne, daß in der Beurteilung ihrer Leistungen, die ich seit Anbeginn verfolge und kritisch zu beleuchten "habe t für mich seit längerem unter dem unmittelbaren Eindrucke der aufgetauchten Neuheiten jeweils die letztaufgeführte die Oberhand gewinnt; auf Grund dieser Erfahrung vermeide ich alles Grübeln darüber, wer von heiden der Bedeutendere sei. Ein Glück für die tschechische Moderne, daß sich heide unverdrossen in ihrer Führung behaupten.

Vi te z sI a v No va k, 'vier Jahre älter als Suk und schon darum vorrangsberechtigt, . ist am 5. Dezember 1870 in Kamenitz a. L. (bei Neubaus in Böhmen) geboren. Sein frühzeitig rege gewordener Hang zur Musik stärkte sich in den ]ünglin,g's;ahren dermaßen, daß Novak die akademischen Studien unterbrach, um sich zur Gänze der Tonkunst zu widmen. Mit den Anfängen seines Schaffens machte ich mich im Jahre 1893 bekannt. Es waren IKlaviervariationen auf ein Thema von Schumann und ein Klav iertrio (G--moll), das nochmals als Op. 1 einen Preis der Böhmischen Akademie errang. Von eruptivem Neuerungsdrange ist in diesen formell geglätteten, guten Mustern nachstrebenden Werken begreiflicher Weise nOG:h keine Spur zu finden. Die Schulaufsicht und Dvofak .. Nähe machen sich darin kenntlich, gleichwohl zucken aber auch Geistesblitze auf, die Aufmerksamkeit erregen, die ein spontanes Talent vorläufig mehr ahnen lassen, als überzeugend nachweisen. 1m Urteil darüber vermochte ich nicht die Bemerkung zu unterdrücken, der junge Novak berechtige zu großen Hoffnungen. Das Publikum schien der gleichen Meinung zu sein und begann sich um die Erscheinung des neuen Künstlers zu interessieren. Zwei Jahre ' später brachte der Böhmische Kammermusikverein in Prag ein Kla vier ... quartett von Novak. (C--mol1, es ist später, teilweise umgearbeitet als Op. 7 bei Simrock in Berlin im Druck erschienen). In seiner vorherrschenden Gesangsseligkeit dokumentiert sich der Dvoraksche :ßinfluß. Es fehlen nicht Anzeichen des Bestrebens nach Verselbständigung des Ausdrucks, aber die Schuldisziplin überwacht und moderiert sie.

n .ie schöpferische Tätigkeit Nov.ak's auf dem Gebiete der Kammermusik weiter verfolgend, treffen wir im Jahre 1898 mit dem ebenfalls prämiierten K 1 a vi er ... · q uin te t t in A .... moll (Op.12) zusammen, in welchem zum ersten Male die für eine mehrjährige Phase im Werdegang des Künstlers auf die Invention bestimmend wirkende Neigung zum slowakischen Volkston offen und mit einer gewissen freudigen Genugtuung einbekannt wird. Die verträumte slowakische Volkslyrik mit ihren melancholischen Molltönen, den getragenen und wild aufwirbelnden Jauchzern, der freudigen Tanzweise hat schon in den Anfangen des musikalischen Aufschw-ungs anziehend gewirkt auf die böhmischen ' Tonsetzer. Die nMährischen Duette" Ant. · Dvora,k's sind ein überzeugender Beweis hiefür. Novak, ein leidenschaftlicher Verehrer des slowakischen Hochlandes, hat diese vielleicht durch Dvofaks Beispiel angefachte Neigung im traulichen Verkehr mit Land und Leuten so vertieft, daß sie an sein Denken und Fühlen durchdrang und demgemäß auch seiner Musik Linie und Farbe gab. Das Quintett, das in seinem mittleren Satze geistvoll ein altböhmisches Lied ... ' thema (aus dem 15. Jahrhundert) variiert, läßt in seinen Ecksätzen der Vorliebe für slowakische Volkstöne frei die Zügel schießen. Noch freimütiger und wärmer wird diese Vorliebe in dem zwei Jahre später in die Öffentlichkeit gedrungenen S t re ich ... quartett in G ... dur. Seine in wohhespektierte und pietätvoll akzeptierte Formen gegossene Stimmungsmusik, die ohne Programm seelische Erlebnisse und gewonnene Eindrücke zu vertonen scheint und ohne Bruch mit alten Satzu~gen neue Ausdrucks ...

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möglichkeiten sucht, verrät dem Empfänglichen die' ersten Erkennungszeichen des aufkeimenden Impressionismus. Auf mich übten dieselben eine große Anziehungs..­kraft aus; Freund Dvorak wittert Neuerungssucht dahinter und stöß~ sich daran.

Wenn wir nun, um ein Lieblingsgebiet der Kunsttätigkeit Novaks vollends zu , absolvieren, die weiteren kammer musikalischen Wahrzeichen derselben in Betracht

ziehen, so gelangen wir zunächst vor ein besonders charakteristisches Klavierwerk, die im Jahre 1905, im Druck (E. M. U.) erschienene "S 0 n at a er 0 i ca" (Op.24). Ihr slowakischer Einschlag trifft uns natürlich nicht unvorbereitet. Er ist hier vielmehr nur eine Konsequenz' des Vorgängigen und ein neuer Beweis dafür, daß der Slowakismus

. Novaks keine flüchtige Neigung, geschweige denn eine Marotte sei, .sondern dem Komponisten wirklich ins Blut übergegangen ist. Auch der kräftige Aufschwung, der die Invention des echt klaviermäßigen, ausnehmend klangfrischen Werkes durchdringt und- sem,e Ausdrucksweise beflügelt, ist mehr Erfüllung gehegter Erwartungen als unverhoffte Überraschung. Der sich seiner Aufgabe und seiner Ziele bewußt gewordene Impressionismus 4es Komponisten wird hier bereits zu einer streitbaren Macht, welche der kühnen Idee zum Siege verhilft. .

Es folgen (1906) zwei weitere Kammerstücke : das K I a vi e r tri 0 in Ball ade n ... f 0 r m (Op. 27) und das zwei t e S tr e ich quarte tt (D ... dur, Op. 35). In beiden Werken widerspiegelt sich das Seelenleben des Künstlers, die inneren Kämpfe, nach dere,n Austoben eine scbmerzlich ... resignierte Stimmung Platz greift. Also, Impressionismus in seinem innersten Wesen, das Neudurchleben empfangener Eindrücke in T öhen, ein Widerhall der Leidenschaften, welche in der Seele toben und das versöhnende Licht des Ideals, dem alle Äußerung zustrebt. Die hergebrachte Form ist verlassen, der ideelle Inhalt bestimmt die Form und den Ausdruck. Das Trio ist einsätzig, wählt einen warmfühligen, erzählenden Ton, de~ die Empfindung aus allen Poren schießt, das Quartett zweisätzig, mit einem breit ausgelagerten, fugierten "Largo misteriosoll, dessen inventioneller Freizügigkeit und spontaner Ausdrucks ... schärfe die fürgewählte, mit großer kontrapunktischer Kunst ausgestattete imitatorische

, Form keinerlei Beschränkung auferlegt. Die Rücksichtnahme auf Gewöhllungen und Gefalligkeitsansprüche des Durchschnittsmenschen in der Zuhörerschaft, die Geneigt ... heit, sich leicht' faßbar zu machen und dem Publikum das Hören und Genießen zu erIeichtern, ist zur Gänze verschwunden. Die Moderne verlangt, wie jede vorgängige Kunst, ein liebevolles Entgegenkommen, Vertrauen in ihre Kunstabsicht und Eingehen auf ihre Ausdruckseigentümlichkeit - alles Ansprüche, die sich von selbst verstehen, zu deren Erfüllung aber die große Menge wenig Geneigtheit zeigt. Daher der lang ... wierige Kampf für den Neuton und gegen denselben, den auch die tschechischen Modernisten durchzumachen haben.

Wenn ich bei dem kammermusikalischen Schaffen Novaks länger verweilt habe, als einem generell orientierenden Situationsartikel zusteht, so geschah es darum, weil in diesem Schaffen der Übergang des Romantikers zur Moderne, der nicht t:msturzartig erfolgte, sondern sich allmählich vollzog, sich besonders an~chau1ich kennzeichnet, und weil darin das zweite wesentliche Charakteristikon im VII erde ... prozesse des Künstlers, die slowakische Durchgangsphase, ihren Höhepunkt erreicht und überschreitet. Auch das Bestreben nach Verselbständigung des Ausdruckes und Erzielung einer eigenen, auf sich selbst gestellten Tonsprache, verdeutlicht sich da am kräftigsten. Nicht minder bezeichnend hiefür ist die parallel damit sich fort ... bewegende Kunsttätigkeit des Komponisten auf den ihm besonders zusagenden

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Gebieten des Li e de s, des ch ara k te r is ti s che n Kla vi ers tü cke s und der programmatischen Or ehe s tr alko mpo si ti on, in deren jüngsten Trieben das Individuelle des Denkens, Empfindens und Sichäußerns noch deutlicher hervorsticht. Gleichwohl wird da - nachdem d,ie Grundzüge für die Charakterzeichnung bereits gegeben worden sind - die Möglichkeit geboten, sich kürzer zu fassen und nur auf die für Kunstrichtung und Ausdruckseigenart besonders bezeichnenden Werke hinzuweisen.

In der Lyrik, der sich die singende Seele des Künstlers mit ganzer Inbrunst hingibt, bekennen sich die Anfänge, die Zyklen I1Pohidka srdceu (Märchen des Herzens) Op. 4 und 8, dann "Ciganske melodieu (Zigeunerweisen) Op. 14, zum Dvofakschen Ein ... flusse, die nächstfolgenden sind der Ausfluß der aufgekeimten und rasch in die Halme schießenden Neigung zum slowakischen Volksliede, der Zyklus "Melancholieu (Op. 25) verrät die Einkehr bei sich selbst, "Udo!i noveho kralovstvi 'l (Das Tal d~s neuen Königreiches) Op. 31, verkündet in seiner Stimmungslyrik den Sieg des Impressionismus und die Zyklen "Notturnau (Op. 35) und "Eroticon44 (Op.46) bezeichnen die Ausreife der Individualität, die Vollherrschaft der Ausdruckseigcnart. Das neueste Opus der Kinderlieder, ,,]aroU (Der Frühling), ist eine halb sonnige, halb kapriziöse, in der Vertonung des Wortes packend charakteristische Ausästung der lyrischen Baumkrone im Schaffen Novaks.

Das Kl a v i er ist dem geborenen Pianisten in der Komposition selbstredend das nächst1~egende, vertrauteste Ausdrucksmittel. Novak widmet ihm seine ersten KOIDpositionsversuche, darunter auch ein K la v i er k 0 nz er t, das erst 20 Jahre nach seiner Entstehung (1915) in die Öffentlichkeit gedrungen ist. Mit dem tonangebend werdenden slowakischen Einschlag wird das Klavier mit zwei walachischen T änz en (Op'. 34) und der in nachträglicher orchestraler Einkleidung besonders populär gewordenen SI 0 W ak i8 ch en Suite (Op. 32) bedacht, welche mit der bereits erwähnten So n a t a er 0 i c a die Neigung ZUlll' Impressionismus nähren, der bald darauf in den Zyklen "Pisne zimnich nod ll (Winternachtslieder) und "P anU (später orchestriert) zur Vorherrschaft gelangt. tjPanu ist gewissermaßen das impressionistische Lebens ... bild des Künstlers, die vertonte Erinnerung an beseligende Träume und verzehrende Seelenkämpfe und neuerliches Durchleben derselben. 'Es überrascht, wie Novak darin die AusdrucksmögHchkeiten des Klaviers verwertet und wie beredt das Instrument den Kunstabsichten des Komponisten dient.

In analoger Weise, wie im Klavierstücke, vollzog sich bei Novak in der 0 reh es tral ... kom pOS i ti 0 n die Wandlung in der Kunstanschauung und die Betätigung derselben. Die viersätzige S er e na d e für kleines Orchester aus deIn Jahre 1896 (Uraufführung in' einem Konzerte der Ethnographischen Ausstellung in Prag) Heß die erforderliche Farbenlebendigkeit vermissen und legte die Vermutung nahe, daß der Klangfarhensinn des Komponisten hinter den Vorzügen seiner Invention und Gestaltung zurückbleibe. Selbst das nachfolgende Erfindungs,Kraftstück mit gefangennehmender Stimmungs ... musik, das symphonische Tonbild h V Tatrach/t (In der Tatra) - es ist 1902 ent ... standen, eine gefiihlsinnige Offenbarung der Neigung des Komponisten zum Slowakismus - entging in seiner ursprünglichen Instrumentation nicht der Ausstellung der Grau ... in ... Grau. ... Malerei, ist aber nach vor gängigen Orchestralretuschen eines der meistbegehrten und meistgespielten Werke des Künstlers geworden. Der das Tatra ... gemälde inventionell beherrschende Slqwakismus ist in den folgenden symphonischen Dichtungen ,,0 v'e ene touze" (Von ewiger Sehnsucht) 1905 und" T oman a I esni pa nnau (Toman und die Waldfee) 1908, welche programmatisch der unstillbaren

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Sehnsucht die wilde Leidenschaft gegenüberstellt, be,reits überwunden. Die wachsende Verselbständigung des Ausdrucks und das Bedürfnis des freimütigen impressionistischen Sichäußerns wirken bestimmend auf den ' ideellen Gehalt und die Tonsprache dieser heiden symphonischen Dichtungen, wovon die zweite eine echt modernistische Kühnheit in der Ausdrucksverschärfung bekundet und alle Rücksicht auf leichte Faßbarkeit außer acht lassend, die Anstrengung des Hörens mit Verständnis wesentlich steigert. Sie debütiert mit genialen Zügen, bringt aber, durchaus in N~uklang getaucht, eine Musik der Zukunft, die sich erst einleben muß.

Was jetzt im Schaffen Novaks folgt, ist nach vorgängigem Läuterungsprozesse und rückhaltlosem Einbekenntnis des modernistischen Glaubens durchaus individuell geartet, zugeständnislos und unbeugsam in der Verteidigung künstlerischer Grundsätze. Kühner werden die Entwürfe, höher die Ziele, ,kräftiger ist das Ausholen und die Betätigung der SchaJfenskraft. Wir stehen vor ' zwei Kantaten breiter Anlage, der Meere spha"n t asie "B 0 ufe ll (Der Sturm) aus dem Jahre 1909 und der B allad e "Svatebni kosi leU (Die Geisterbraut) nach Erben aus dem Jahre 1913. So sehr persönliche Zuneigung ,und unbestreitbare künstlerische Bedeutung dazu drängt, heide Werke auch an dieser Stelle eingehender zu besprechen, muß da7lon im Rahmen des gegenstä"ndlichen Orientierungsartikels Abstand genommen werden. Nur im allgemeinen sei bemerkt. daß in "Boufel4 (Gedici}t von Sv. Cech) die Schilderungen des Meeressturmes und, der leidenschaftlich tiberschäumenden Orgien an Bord des dem Untergange geweihten Schiffes eine keinen Vorbildern angenäherte, originelle

\ und packende Ausdrucksmacht äußern unO. ein wirkungssicheres Pendant bilden zu dem innigen Herzenston der Stoßgebete gläubiger ,Seelen, die Rettung erflehen. Die Ballade von der Geisterbraut, die vor Novak Meister Ant. Dvorak im Stil eines weltlichen Oratoriums komponierte und damit dem langgehegten Wunsche des Schülers, das Gedicht zu vertonen, das gefährliche Präzedens des ' Lehrers vorgesetzt hat, behan4e1t der Modernist aus anderen Gesichtspunkten, zu denen ihn ' die Über ... zeugung von der Notwendigkeit des Textdurchkomponierens in 'einem Zuge und des

" impressionistischen Durchlebens der Schrecknisse des Geisterspuks führen. Nicht deskriptive, sondern reine Empfindungsmusik ist hier das Ziel, dem alle Äußerung zustrebt.

Werden Kunstäußerungen N ovaks von allem Anfange an aufmerksam gefolgt ist, wird unschwer wahrgenommen haben, daß inmitten ihrer lyrischen Befruchtung und poetischen Verträumtheit die Reaktion auf dram'atische Impulse des vertonten Wortes oder dichterischen Programms eine sehr lebendige war, und daß insbesondere in den beiden Kantaten der Komponist gierig danach haschte; 'Um so mehr Il} uBte es verwundern und schier unbegreiflich erscheinen, daß dieser Künstler selbst im gereiften Mannes ... alter die dramatische Musik im eigentlichsten Sinne des Wortes, die Oper, für die die Aufführungs ... bezw. , Pflegegelegenheit im tschechischen Nationaltheater sich so günstig, stellte, nicht in den Kreis seiner Kunstprojekte und Kunsttaten einbezog, sie vielmehr beharrlich mied und jede freundschaftliche Anspielung darauf mit Achselzucken abwies oder mit dem "Hinweise darauf beantwortete, er habe bisnun keinen ihm zusagenden Text gefunden. Nach Ausbruch des Weltkrieges, welcher das Prager Theaterleben nicht nur nicht unterband, sondern im Gegenteil nach vorüber ... gehender anfänglicher Stockung in ungeahnten Schwung brachte, tat wider Erwarten Novak seinen ersten Opernversuch und ließ (im Oktober 1915) das einaktige musikalische Lustspiel"Z vik 0 v sky rar as ek41 (Der Burgkobold) im Nationaltheater

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zur Uraufführung gelangen. Die Überraschung, die sich .mit dieser Neuheit verquickte, lag nicht so sehr in der Tatsache, daß der dramatische Spätversuch Novaks konzeptionell ein Treffer, war, auf den ersten Wurf ausnehmend gelangt sondern darin, daß der Komponist des "Sturms'l und der grausen nächtlichen Wanderung der "Geisterbrauel

, der auch im Vorgängigen nicht zur Heiterkeit neigte, unerwarteterweise in einem archaisierenden Lustspiel mit drastisch komischen Situationen die Befriedigung seines dichterischen Anspruchs fand. Dem Künstler, in dessen Leben und Schaffen bis dahin natürliche Heiterkeit und 'ungeheuchelte Lachlust keinen Eingang fanden und auch kein Bedürfnis schienen, ward mit einem Male Komik ' das treibende und bestimmende Element der Kunstäußerung. Und man kam nicht' aus der Verwunderung darüber heraus, wie kräftig, gelegentlich auch derb und dabei doch mit gewinnender Leichtigkeit in 'der ersten Oper Novaks der Lustspielton ansprach, wie treffsicher der Komponist auf seiner Palette die heiteren Klangfarben mischte, wie zutreffend er jede der handelnden Personen charakterisierte und in der durchkomponierten Szene neben dem Empfindungseinschlag auch die drastische Komik zu för.dern verstand. Den Text zur Oper "Zvikovsky rarasek" gab das gleich .. I.1amige einaktige Lustspiel von Lad. Stroupeznicky, dessen Prosa Novak Wort für Wort vertonte. Wenn auch die moderne Opernkomposition für das Libretto den gereimten Vers, überhaupt die gebundene Sprache ni~ht meqr als unentbehrlich erachtet, so ,is(doch die Vertonung eines Theaterstückes in Prosa, zumal ohne jegliche Worteliminierung ein Wagnis und zumeist unpraktisch darin, daß es mit den der Komposition willkommenen auch solche Dialogstücke mit in den Kauf nimmt, für welche die Musik die passenden Töne schwer oder gar nicht findet. Novak mag dies an sich selbst erfahren haben und komponierte seine zweite Oper "Karlstein", per das populäre Lustspiel nEine Nacht auf Kar1stein" von Jar. Vrchlicky zugrunde, gelegt ist, auf einen . von Ot. Fischer passend zurechtgestellten, die . Vertonung fördernden Text, der die Handlung entsprechend verdichtet und unmusikalische Elemente vom Dialoge fernhält. Der_Umstand, daß diese zweite Oper Novaks, welche im November 1916 ihre Premiere erlebte, in der Skizze fertig vorlag, ehe noch ·die erste aufführungsreif war, beweist,. daß Novak in der Opernkomposition, die er früher beharrlich gemieden· hatte, Befriedigung gefunden r und eine willkommen e Erweiterung seines Schaffensgebietes gewonnen habe. Daß er sich hier abermals der komischen Oper zuwandte, findet darin seine ErkIarung, daß ihm das Milieu des musikalischen Lustspiels schon einmal bestens zugesagt hatte, daher auch jetzt will .. kommen war. Man hört es der Komposition an, daß er sich darin glücklich fühlt, daß 'ihm seine .Invention ' mit vollen Händen reicht, was der Empfindungsausdruck verlangt, daß ihn die Betätigung seiner modernistischen Kunstanschauung und das offene Einbekenntnis der Anhänglichkeit ~m fortschrittlichen dramatischen Kompositions..­stil immer Befriedigung schafft. Dem Hörer macht Novak das' Genießen seiner Oper nicht eben leicht - die Au~drucksvereinfachung ist je weiter, je weniger seine Eigenheit - aber seinem künstlerischen Wollen und Können tut er genüge. "Kar1stein schrieb ich zu meiner eigenen Erbauung" bekannte N ovak in einem fachliche. Aufsatze, in welchem er den Werdegang und die Kunstabsichten der Oper erläuterte.

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Noch nicht 50 Jahre. alt, durchdrungen von Eigenart und auf der Höhe seines . Schaffens, blickt Novak auf eine reiche, ersprießliche Kunsttätigkeit zurück und läßt

auch für die Zukunft noch eine Reihe bemerkenswerter Kunsttaten erhoffen. Als Leiter der Kompos.it,ionsschule am Prager Musikkonservatorium entfaltet er se# '

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Jahren eine reiche Lehrtätigkeit und wirkt durch sein Beispiel anregend auf angehende Tonsetzer, welche der Moderne zuneigen. Solchermaßen ist er das Haupt der Neuschule, in ' welcher das freiheitliche Schaffen die Kenntnis der musikalischen Disziplinen 'Voraussetzt. Er ist der Freund und Förderer jeder ernsten Kunstbestrebung, aber der erklärte Gegner jener PseudoliberaIität im Tonsatze, welche sich die Negation .ller Regeln zum Grundsatze macht und den Eigendünkel des ungebundenen musikalischen Selbstbestimmungsrechtes predigt. (Fortsetzung folgt)

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FE'NNIMORE UND GERDA IN FRANKFURT Zur Uraufführung im Frankfurter Opernhaus am 21. Oktober 1919

Von Paul Bekker, Frankfurt

Des Deutsch ... Engländers F rederick D e 1i u s Name ist in Deutschland vorzugs ... weise bekannt geworden durch eine Reihe Orchesterstücke und das große Chorwerk nMesse del) Lebensu • In a11 diesen Werken zeigt sich Delius als musikalischer Lyriker von besonderem Charakter der Rasse und des Temperaments; eine eigen ... tümliche Mischung von scheu zurückhaltender Zartheit und männlicher Energie der Empfindung, von Raffinement und Primitivität' der Technik, von innerlicher, gefühlsmäßiger Beseeltheit der Tonsprache und äußerer Kargheit und Sprödigkeit des Ausdrucks, Es ist eine jener seltenen Naturen, die ihr Talent nicht in Wechsd ... münze ausgeben, sondern in schlichter Goldprägung, und mehr darauf auszugehen scheinen, Gefühle zu verschließen als zu offenbaren. Das sinnliche Aufreizende, Erotische, Enthüllende der Musik verbirgt sich bei ihm unter der zarten Andeutung, die Gefühlsahnung tritt an die Stelle der leidenschaftlichen Geste. Die starke Bewegung verflüchtigt sich in einen feinen Reflex, Musik ist nicht mehr Sprache des Blutes und der Sinne, sondern ein duftiger, klanglicher Widerschein seelischer Erlebnisse.

Es könnte widersinnig scheinen, daß ein solcher innerlich schauender Künstler sich der musikalischen S zen e , zuwendet, es ist auch widersinnig, sobald man diese musikalische Szene nur auf die Möglichkeiten der Oper hin ansieht. Der äußere Erfolg freilich wird immer wieder der Oper zufallen, und es ist zuzogeben, daß die elementaren Wirkungsbedingungen der musikalischen Szene auf die Oper hindrängen. Aber soll deswegen die Bühne dem ganz verschlossen bleiben, der gar nicht auf den turbulenten Erfo1g und den Effekt hinzielt? Kann die Bühne nicht auch neben der großen Oper das feine musikalische Ka mm e rsp i el, das lyrische Bild gelten lassen? Es gibt Stimmungen, die an Farbe und sinnlichem Ausdruckswert zu stark sind, um sich ganz in das rein gefühlsmäßige Lied, das abstrakte symphonische oder chorische Gebilde auflösen zu lassen, und die doch wiederum nicht Gegenständlichkeit genug haben, um ein opernmäßig plastisches Geschehnis auszugeben. Solche Stimmungen überkommen den Musiker, der eine Erzählung vor sich ablaufen läßt. Da gibt es lange Strecken, Reflexionen, Auseinandersetzungen, die seiner -Phantasie Richts BefIuchtendes bieten. Dann aber hebt sich plötzlich ein Bild heraus und noch ein zweites, ein drittes: irgendein stiller Landschaftszauber, von schweren Schicksals ... 8ti mmungen durchweht, oder die klangumfIossene Erscheinung eines Menschen,

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dessen Seele der Dichter in diesem einen Augenblick stark tönen -läßt, oder das Gegenüber zweier, zwischen denen gerade jetzt geheimnisvolle Klänge schweben. Der Dichter kann sie nUr ahnen lassen, der Musiker aber hört sie, und er will sie ver ... nehmbar ' machen. Soll er sie in sich verschließen, sie ersticken, nur weil sie nicht innerhalb eines schulgerechten Dramas, einer Oper stehen? Er greift die Bilder, die Szenen auf, sie reihen sich aneinander, gewisse äußere Bindungen sind da, sie geben zwar keine Geschlossenheit, aber einen losen Zusammenhang der Begebenheiten und wo dieser fehlt, muß eben c;He Phantasie des Hörers nachhelfen. Denn daß der Hörer weiß, um was es sich handelt, daß er in dem szenischen Ablauf nur eine Art Nach ... erzählung, traumhaftes Wiedererleben von etwas längst Bekanntem, nah Vertrautem sieht - das allerdings ist Voraussetzung. Insofern ist diese Art musikalischer Bühnen ... kunst nicht für die Masse, nur für 'einen kleinen Kreis Verstehender berechnet.

Von Delius sind in Deutschland bis jetzt zwei Werke dieser Art bekannt geworden. "Romeo und Julia auf dem Dorfe" und "Fennimore und Gerda lt

• Das erstgenannte kam vor zwölf Jahren, 1907, an der Berliner Komischen Oper zur Uraufführung, und harrt seitdem noch der musikalischen Rehabiliderung. "Fennimore und Gerda" wurde eben im Frankfurter Opernhaus zum erstenmal aufgeführt. Das künstlerische Prinzip in der Gestaltung heider Werke ist das gleiche. In beiden Fällen werden aus einer Erzählung - dort von Gottfried Keller, hier von Jacobsen - einzelne Bilder herausgeschnitten und ohne äußerlich handlungsmäßige Bindung aneinander ... gereiht. In " Fennimore'l geht Delius in dieser Beziehung noch rigoroser vor als in "Romeo und Julialt. Hier ist wenigstens noch der Verlauf der Novellenhandlung dem Umriß nach angedeutet, es gibt dementsprechend eine gewisse dramatische Steigerung, die in dem mit visionärer Kraft dargestellten Traum Salis und Vrenchens einen Höhepunkt von erschütternder Ausdrucksgewalt erreicht. "Fennimore lf ist dagegen ganz episodisch gehalten. Aus der weitgesponnenen Niels Lyhne ... Erzählung werden zwei schicksalhafte Frauenerlebnisse herausgegriffen und flüchtig skizziert, nicht einmal dem äußerell Geschehen nach vollständig wiedergegeben, denn bei Gerda fehlt der tragische Schluß, die innere Abkehr von Niets. Es ha.ndelt sich lediglich darum, eine Reihe Szenen voll innerlich stark bewegter, äußerlich verhaltener Stimmungen zu schaffen und aus ihrer Folge eine durchaus untheatralische Dramatik des Gefühls zu gewinnen.

Man muß die in sich versponnene, allem Lauten, Grellen, Allzudeutlichen abholde Musikerpersönlichkeit eines Delius recht erkennen, um zu begreifen, daß ein Mensch dieser Art nicht anders gestalten will und nicht anders kann. Die Naturalismen der . musikalischen ' Motivsprache, die Dramatik der psychologischen Analyse sind für ihn gegenstandslos, lediglich das Gefühlerlebnis als solches regt ihn zur Gestaltung an, we~kt in ihm Klänge von zartester l'ransparenz. Wenn man den "Fennimoreu ... Text für sich liest, ist man verblüfft über die primitive Unbekümmertheit, mit der die Episoden ausgewählt und aneinandergesetzt sind, ist man erstaunt über die Naivität der gelegentlich geradezu grotesk nüchternen sprachlichen Diktion. Ganz anders, wenn man das Ganze hört und gleich dem Schaffenden selbst aus dem Mittelpunkt des musikalischen Fühlens auffaßt. Da verschwinden all die Ungereimtheiten des äußeren Geschehens, die Plattheiten der Sprache. Das scheinbar Zusammenhanglose, willkürlich Ungeordnete schließt sich zusammen zu einem neuen, feinen, innerlich belebten Organismus, den ästhetische Gesetze eigener Art regieren. In dieser Einheitlichkeit der Wirkung bedeutet "Fennimore" einen Fortschritt über "Romeo und Julia" hinaus.

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Vielleicht daß diesem Werk bei guter Wiedergabe eine stärkere Theaterwirkung zuteil werden könnte, denn es ist bei aller Selbständigkeit der Haltung doch stark mit V erga~genheits .. Reminiszenzen durchsetzt. "F ennimore" hat die festere Geschlossen .. heit des Stils, und es zeigt dementsprechend den Musiker Deliu.s als geistig und technisch ganz ausgereifte Persönlichkeit.

Delius ist Lyriker~ Ihn reizt nicht die individuelIe Kontur der Erscheinungen, ihm ist a ueh im Grunde das Subjektive der Gefühlsvorgänge in den Einzelerscheinungen ghiichgültig. Ihn fesselt ' die Atmosphäre zwischen den Menschen, dieses Ungreifbare und doch Bestimmende, Entscheidende, das die ' Schicksale formt. Er ist dabei von einer fast asketischen Sparsamkeit der Ausdrucksmitte1, in der Behandlung der Sprache wie des Klanges. Es fehlen alle Um'schreibungen, alle Redensarten, alle mehr oder weniger konventionellen Phrasen. Ein einziges Wort, ein einziger Ton, eine kurze melodische Floskel genügt - und er trifft stets das Wesenhafte der Dinge. Seine musikalische Technik zeigt dabei oft die nämliche Primitivität, wie" die sprachliche. Mit der Unbekümmertheit des traditionslosen, nur durch eine starke innere Führung geleiteten Autodidakten geht er auf kürzestem Wege seinem Ziele zu, setzt sorglos Farben auf .. und nebeneinander, die vielleicht der Vermittlung bedürfen könnten, reiht Themen und Melodien, wie es ihm gerade der Sinn zu gebieten scheint - ohne das Kunstvolle der formenden Arbeit hervorzuheben oder auch nur anzustreben. Es ist eine durchaus absichtslose Art des Musizierens, ohne Hervorkehren irgendwe1cher Prinzipien, ohne spekulativ ästhetisierendes Programm. Das unterscheidet Delius von Debussy, mit dem er äußerlich manches gemein hat: das biIdmäßige Abrollen der Handlung, das Atmosphärische des Musikempfindens, auch manche technisch .. artistische Einzelheit harmonischer und orchestraler Art. Aber diese Übereinstimmungen sind mehr zufälliger 'oder doch sekundärer Art, als grundlegend. Das bewußt Prinzipienhafte, der starke formalistisch gerichtete Kunst­yerstand Debussys fehlt Delius. Er ist eine durchaus naive, ursprüngliche Natur und trägt in sich weit mehr Elemente ' der germanischen als der romanischen Kultur. Seine Art der musikalischen Gestaltung ist erheblich gegenständlicher als die

, Debussys, seine Melodik namentlich überrascht durch die außerordentliche Sensibilität und stille Anmut der Linie, unter der sich verhaltene Inn;gkeit und Wärme gleichsam schamhaft verbirgt, die aber auch plötzlich zu leidenschaftlicher Kraft emporschnellen kann. Als Harmoniker ist Delius völlig Naturbursche, er legt die Klänge rein stimmungsmäßig auf .. und nebeneinander, und obschon das tonale Empfinden in einzelnen Augenblicken, namentlich bei Steigerungen und Abschlüssep unverkennbar durchbricht, bleibt es im allgemeinen doch im Unterbewußtsein, und die harmonische Mischfarbe gibt eine gewisse schwebende, wirklichkeitsferne Stimmung. Am schwächsten ist es bei Delius, wie bei allen Künstlern dieser Art, um die Rhythmik bestellt, hier fehlen di e festen, plastischen Umrisse und die Monotonie sowohl in der deklamatorischen Behandlung der Singstimmen wie in der Gestaltung des orchestralen Parts ' wird zur Tugend aus Not.

Im ganzen: ein Pastell von zartestem Duft der Farben und Klänge, ein Seelen .. Landschaftsbild, geschaut mit den Augen eines Künstlers, der als Artist sicher den heute maßgebenden Männern nicht annähernd gleichkommt, in der Reinheit, Klarheit und von Ehrgeiz jeglicher Art unbeirrten, schmucklosen Wahrhaftigkeit seines Wesens aber zu den erfreuendsten Erscheinungen unserer Tage zählt und Zukunftsbotschaft bringt.

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Die Aufführung . am Frankfurter Opernhaus versuchte der Besonderheit dieses Stils so gut wie möglich gerecht zu werden, ohne doch Ton und Charakter des Werkes ganz treffen ·zu können. Gustav Brecher, dem wohl vor allem die Tatsache der Aufnahme des Stückes zu danken ist, war mit Eifer und feinem Spürsinn namentlich um freie Ausgestaltung des orchestralen Teils bemüht -'vielleicht etwas zu, bewußt, als daß die absichtslos fließende Art des Vortrages sich einstellen konnte, die Voraussetzung ist für ein stimmungsvolles Ausschwingen dieser leise quellenden Musik. Auch bei den Solisten war der gute Wille stärker als die Tat. Robert Vi Scheidt gab der Partie des Niets Lyhne die .kräftigen Töne seines klangvollen Organs; der seelischen Konstitution dieses Charakters steht er ebenso fern wie Emma Holl der Fennimore, namentlich in den ersten Bildern. In den späteren, dramatisch bewegteren Szenen steigerte "sich auch die gesangliche Leistung. Am besten bewährte sich Erik Wirl dank seiner musikalischen Zuverlässigkeit und darstellerischen Gewandtheit als Erik. Auch Elisabeth Kandt gestaltete die kleinere Partie der Gerda anmutig und sicher. Als Vertreter der Nebenrollen sind zu nennen" die Herren Brinkmann~ Schneider, Schramm, Gareis und Meurs, die Damen Schwarz, Uersfeld, Franz und Schadow. Für stimmungshaItige, geschmackvolle Bühnenbilder hatte Walter Brügmann Sorge getragen, dessen Spielleitung dem unkonventionellen Charakter dieses Werkes am ehesten gerecht wurde. Das Publikum war anfangs erstaunt zurückhaltend, schien sich aber im Verlauf des Abends mehr und mehr in die fremdartige Sphäre des Werkes einzufühlen und beda'chte am Schluß sämtliche Mitwirkende und den Komponisten mit lebhaftem Beifall.

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G loss f'f1-- reil

MUSIKFESTE

"Sind Musikfeste zeitgemäß?1I So stellt August Spanuth kürzlich aus Anlaß der Berliner Reger ... Woche die Frage, um sie für Deutschland kräftig zu bejahen, da man sich und anderen beweisen müsse, daß man beim Zusammenbruch des Reiches doch die geistigen Reichtümer gerettet habe, speziell die Suprematie der deut .. sehen Musik. Das ist so einleuchtend, wie nur möglich. Aber weiter führt vielleicht die geänderte Fragestellung: .,W'a n n sind Musikfeste zeit ... gemäß?"

Musikfeste sind englischen Ursprungs, nicht vor dem 18. Jahrhundert entstanden. In der Mitte des Jahrhunderts wandelten sie sich zu ausschließlich Händel geweihten Festlich .. keiten (Händel .. commemoration). Was Händel für England, war Haydn für Wien. Die seit 1772 regelmäßig wiederkehrenden Aufführungen der Tonkünstlersozietät (gewöhnlich zweimal im Jahre), übrigens n ach den seit 1725 bes tehen den Pariser "Concerts spirituels" die erste deutsche Konzertunternehmung von Fachmusikern, dere:n Produktionen jedermann gegen Entgelt ohne ... weiters zugänglich waren, brachten neben "ge ... mischten Konzerten" hauptsächlich Oratorien, und von der Jahrhundertwende an fast aus .. schließlich "die Schöpfung" und die "Jahres .. zeiten". Zu Weihnachten die "SchöpfungU

, zu Ostern die "Jahreszeiten" und die einzige Ab .. wechslung war, wie Hansliek in der "Geschichte des Konzertwesens" bemerkt, wenn einmal die "Schöpfung" zu Ostern und die "Jahreszeiten" zu Weihnachten kamen.

Deutschland folgte, und auch hier waren Händel und Haydn die regierenden Planeten. Im Zusammenhang mit dieser Entwicklung schossen allerorten die Singvereine aus dem Boden: die Berliner Singakademie (1790) wurde das Muster für analoge Gründungen in Leipzig (1800), Dresden (1807), Stettin (1800), Münster (1804), Wien (Gesellschaft der Musikfreunde 1814) und in vielen anderen Städten Deutschlands und auch der Schweiz (Schweizeris-che Musik .. gesellschaft seit 1808), alle ungefahr in den ersten zwei Dezennien __ des 19. Jahrhunderts. Dies die Tatsachen, nun die Deutung. R i e man n lehnt den "bestechenden Gedanken", das Aufblühen

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des Chorgesangs nach lang dauernder Ver .. nachläBsigung direkt auf das erst~rkende Bewußt .. sein der Volksseele zurückzuführen und die Tendenz zu Vereinsbildungen in größerem Maßstabe, welche sich auf musikalischem Gebiete seit den Freiheitskriegen "'undgibt, mit den keimenden deutschen Einheitsbestrebungen in Konnex zu bringen, ausdrücklich ab. Kurz und gut: nicht in den we1terschü~ternden Kou .. vulsionen der Völkerseele seit 1789, sondern nur in den Kunstschöpfungen Händels und in dem erwachenden Interesse für alte Musik seien die Wurzeln für den Aufschwung des deutschen Chorgesangs zu suchen, und die Vereine und Musikfeste seien ndirekt ins Leben getreten, um Aufführungen der großen Chor .. werke Händels und der an ihn anknüpfenden Meister möglich zu machen". Anders urteilt eine moderne materialistische Musikgeschichts .. auffassung, die die soziologischen Bedingungen, die gesellschaftliche Umform ung, das Verdrängen des Adels durch den aufstrebenden "dritten" Stand für das Primäre hält. Die Musik mußte nunmehr z'u Massen sprechen, sagt B e k k er, neue Lebenswerte in sich aufnehmen, in ganz anderem Umfange als bisher bildend und er .. zieherisch wirken. Speziell Beethovens Sin .. fonien sind der Ausdruck dieses künstlerischen Erweiterungsdranges, sie verlangen nach dem größeren Forum, nach einem der Klangkraft der neunten Sinfonie entsprechenden Aus .. führungsrahmen : diese Erkenntnis drängte zur Veranstaltung von Musikfesten, die dann'jauchU

Gelegenheit boten, 'die Form des Händelschen Oratoriums in Deutschland einzubürgern. Man sieht den Unterschied. Aber im Rechte dUrfte ;Riemann sein. Ist der Apparat, den das Oratorium mit seinen hunderten von Mitwirkenden er .. fordert, ist seine Klangkraft und sein Verlangen nach dem erweiterten "Ausführungsrahmen" der Sinfonie unterlegen? Und ergibt nicht, wie gesagt, die reine Historie die Tatsache, daß Musikfeste lange vor dieser sozialen und künst .. lerischen Umwälzung in dem friedlichen eng .. !ischen Klima vortrefflich gediehen waren? DAß das Bedürfnis, sie nachzuahmen, in Deutschland durch die politischen und- gesellschaftlichen Zustände gefördert. ja, die Erfüllung in diesem Umfange· erst ermöglicht wurde, ist die ver .. söhnliche Mitte.

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Waren die zahllosen Dilettantenorganisa.­Honen, Männergesangvereine, Konzertgesdl .. schaften erst einmal da, so vermehrten sie, wie jeder technische Fortschritt, den Bedarf, hier nach Musikaufführungen für viele, nach Musik für die vielen Aufführungen. Es folgt eine Ära der Musikfeste in Deutschland, von dem die "niederrheinischenu seit 1817. , und' die "Ton .. künstlerversammlungen des Allgemeinen d,eut .. sehen Musikvereinsjj seit 1859 noch heute von größter Bedeutung sind.

Der Wert der zuletzt genannten Kampf .. organisation, deren Zweck die Aufführung von neuen (auch ung.edruckten) Kompositionen neben wenig bekannten älteren auf alljährlich wieder ... holten Festen (Tonkünstlerversammlungen) war, ist allmählich immer geringer geworden. Neue Werke haben heute dank der gewaltigen Aus ... dehnung des Konzertwesens auch in kleineren Orten günstigere Aussicht, gehört zu werden, wozu noch ein gewiß er, Deutschland mit Aus .. nahme 'von Wien eigentümlicher Lokalpatrio .. tismus, wie der'Eifer der großen Verleger nicht wenig beiträgt. Dazu kam, daß seit Jahren ein enge verbundener Kreis auch die Kunstpolitik des deutschen Musikvereins strenge beherrscht, so daß die Programme seiner Feste ein immer abwechslungsärmeres Bild boten, immer weniger zeitgemäß wurden. Soviel über die regelmäßig wiederkehrenden Musikfeste. Ihre Bedeutung ist gesunken, das rein gesellschaftliche Moment Totwiegend geworden. Persönliche Beziehungen I

zu erneuern, frohe Geselligkeit zu pflegen, Stadt und Menschen kennen zu lernen, mit fremden Kunstmitteln und anders geartetem PUblHfum, ist angenehm und nützlich, wertvoller aber bleibt die Aufgabe, die "Musik in allen ihren Zweigen emporzubringen"', wie das Gründungs .. statut unserer Gesellschaft der Musikfreunde versprochen hat. Andere Musikfeste sind an bestimmte Daten gebunden: Gedenktage pietät .. vollen Erinnerns, die großen Menschen oder großen Ereignissen gelten, andere wieder werden notgedrungen zu Festen, wegen ihres durch die Größe der Mittel, die notwendige Dauer der Vorbereitung erzwungenen Seltenheitswertes.

Die Haydn .. Zentenarfeier, der hundertste Gründungstag der Gesellschaft der Musikfreunde waren Wiener Feste der ersten Art. Sie waren gewiß zeitgemäß. Nicht aber ihre Programme, die außermusikalisch konzipiert, darum un ... musikalisch wirken mußten. Eine außermusi .. kalisehe Idee war es zum Beispiel, die erste und letzte der Haydn ... Sinfonien zusammenzubinden, die unmusikalische Folge, daß durch zwei Stunden in D .. dur musiziert wurde, was keinen

der Veranstalter gestört zu haben scheint. Ahn .. lieh zu beurteilen der Gedanke, die drei 8ater .. reichischen "NeuntenU Beethovens, Bruckners und Mahlers zu verzopfen, die überdies boshaft genug sind, alle aus D .. moll zu gehen.

Ein Beispiel der zweiten Art gab jahrdang die ttNeunteU im Nicolai .. Konzert, ein wahres Fest. Heute ist die ttNeunteU ein Kassastück geworden, das jedes ] aht zehn.. bis zwölfmal gegeben wird. Mit der Festlichkeit ist es gründlich vorbei!

Eine ganz neue Nuance von Musikfesten haben wir "rührigen41 Verlegern und Konzert .. unternehmern zu danken. Nun, die Ve1'1eger fördern wenigstens nebenbei auch den Kom .. ponisten, obwohl es ein Mißbrauch wäre, die aus drei (I) Konzerten bestehende Berliner Reger .. " Wocheu , die von Reger nur kennt, was bei Bote und Bock erschienen ist, als ein Fest zu bezeichnen. Wen aber fördern Unternehmer, die den gemieteten Saal im Abonnement gleich für drei oder fünf Abende voraus und - versteht sic.h - zu festlichen Preisen ausverkaufen woUen, ' und darum die in nichts von der alltäglichen unterschiedene Aufführung einiger Beetho~en .. oder Brahms .. Sinfonien kühn genug sind als Musikfest falsch zu melden?

Wann ist ein Musikfest zeitgemäß? Dann, wenn ein Werk durch seine Größe, durch seine schwere Ausführbarkeit, durch seine Ansprüche an die besondere, dem Alltag entfernte Stimmung des Hörers verlangt, aus gleichförmig rinnendem Konzertbetrieb emporgehQben zu werden. Dann, wenn auch Wille und Möglichkeit vorhanden ist, es in ganz ungewöhnlicher Weise aufzuführen. nach sauren Wochen intensiven Studiums, mit erstklassigen, auch nicht jederzeit verfügbaren Kräften, mit der stärksten Besetzung von Chor und Orchester. (Man vergleiche die erste Auf .. führung der "AchtenU Mahlers mit denen, die jetzt Jahr für Jahr und immer weniger festlich folgen I) Dann, wenn es gilt, Festtage zu begehen. die allerdings nur musikalischen, nicht a..musi .. kalischen oder gar unmusikalischen Bedürf .. nissen genügen müssen, vielleicht auch dannt

wenn Propaganda not tut fiir Neucs, Unbe .. kanntes, Unverstandenes (obwohl ich hier weniges ab~r oftU für die bessere Werbearbeit

hielte). Nur unter solchen Voraussetzungen sind Musikfeste zeitgemäß. Zeitgemäß ist ja gewiß auch das Geschäft der allzeit Geschäftigen.

Nur ein Musikfest wird es nie.

Dr. R. St. Hoffmann

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LÄRMENDE MUS I K

"Ruhm ist ' ... der Inbegriff aller Miß .. verständnisse, die sich um einen neuen Namen sammeln." (R. M. Rilke.) Die Richtigkeit dieses Satzes gilt allerorten in Lob wie Tadel, in .. sonderheit auch auf dem Gebiete des musika .. tischen Schaffens. Neben der Anschuldigung harmonischer Überladenheit kehrt hier stets der Vorwurf akustischer Hypertrophie wieder. Zu dissonant - zu lärmend: so tönt der Chorus der Zeitgenossen als Dank für die Gaben der Meister. Mozarts Musik galt seinerzeit (so unglaublich dies heute erscheint) als über .. instrumentiert; Richard W ag n e r wurde b e .. schuldigt, durch sein Orchester die Sänger so sehr zu decken, daß deren Anstrengungen, gehört .zu werden, Stimme und Gesundheit schädige; gegen Mahlers Sinfonien wurde (neben dem Vorwurf der Trivialität) das Argument aus .. gespielt, daß sie an einer Diskrepanz zwischen Inhalt und dem Aufwand an orchestralen Ausdrucksmitteln leiden. In allen diesen Fällen vermochten die Intentionen der Meister sich gegen den anf'anglichen Widerstand des Publi .. kums schließlich durchzusetzen. Welche Um .. stände sind nun für den allmählichen Umschwung der öffentlichen Meinung maßgebend geworden? Keineswegs hat einfach eine Gewöhnung des menschlichen Gehörorgans an die an dasselbe gestellten gesteigerten Anforderungen stattgefun .. den. Die menschlichen Sinne bleiben, was ihre

. rezeptive Kraft anbelangt, durchschnittlich die gleichen und es dürfte - man befrage unsere Psychophysiker - in Jahrhunderten keine merk .. ' liche Verschiebung der Reizschwelle des Bewußt .. seins erfolgen. Die vermeintliche Anpassung scheint mir vielmehr in einer Akkomodation der technisch .. stilistischen Spielweise der In .. strumentalisten an die neuen Anforderungen zu liegen. Nicht eine Veränderung des Gehörs, sondern eine Läuterung des Geschmacks.

In der frühklassischen Zeit setzte sich das Orchester entsprechend dem herrschenden poly .. phonen Stil aus lauter gleichberechtigten In .. strumenten zusammen. Flöten, Oboen und Fagotte waren damals c ho r i s eh besetzt und beteiligten sich in ebenderselben Weise wie die Streicher am Bau des Stimmengewebes, ohne -spezielle Berücksichtigung der Differenzierung ihrer Klangfarben. Als Mozarts feiner Klangsinn sich der Farben der Holzblasinstrumente im klangmalerischen Sinne zu bedienen begann, sahen sich die Instrumentalisten vor eine gä.nzlich neue Aufgabe gestellt. Sie, bis dahin nur im obligaten Concertino in ihrer in ..

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dividuellen Eigenart tätig, sollten nunmehr auch im normalen Orchestersatz ihren persön .. lichen Charakter bewahrheiten. Weil die Bläser, des neuen Stils unkundig, ihr Instrument anfangs in der Art behandelten, wie es der Instru .. mentation Bach .. Händels entsprach, wurde Mozart der ungerechtfertigte Vorwurf der Über ... ladung des Orchesters gemacht.

Konnten Mozart und Haydn viel zur individuellen Befreiung der Holzblasinstrumente beitragen, so waren ihnen anderseits in der Verwendung des Blechs enge Schranken gesetzt, da Hörner und Trompeten auf die bloßen N a t u r tön e angewiesen und somit von eigen t .. lieh melodischer Stimmführung ausgeschlossen waren. So wurden die letzteren mitsamt den Pauken vorwiegend zur rhythmischen Ver .. steifungund besonders als Lärm inst r um e nt e im 0 r ch este r .. Tutti gebraucht. Derartige Stellen sind nun allerdings wirklich lärmend, aber nicht wegen der absoluten Tonstärke sondern in Anbetracht der vernachlässigten klanglichen Abtönung. Hiezu gehört das Hervor .. stechen der Naturtöne von Horn und Trompete aus dem ' übrigen Ensemble und das Decken der Bässe durch die einen anderen Ton der Harmonie angebenden Pauken. In dieser Be .. ziehung sind die mit dem Vorwurf der Orchester .. überladung belegten modernen Sinfoniker weitaus empfindlicher als es die Klassiker waren, denn von den letzteren wurden die Tutti in der Regel bloß als lärmende Intermezzi aufgefaßt. Demgemäß waren daselbst die Stimmen viel weniger differenziert als bei den z>y"ar zart instrumentierten aber kontrapunktisch viel komplizierter gesetzten Solostellen, welche, als hauptsächlich am melodischen Ausdruck beteiligt, das eigentliche Interesse des Hörers: in Anspruch nahmen, während die belangloseren Tuttistellen mit ihren Kadenzen, Figurationen und Läufen den ersteren lediglich als Folie zu dienen hatten.

Die von Beethoven angebahnte Ein .. gliederung des Blechs in den Chor der Melodie .. instrumente wurde von Wagner (nach dem Durchdringen der Ven tilinstrumente) zu Ende gebracht. Doch gerade die Überführung der starren Lärminstrumente zu den dem gesamten Klangkomplex fein angepaßten Harmonie .. und Me10dieträgern hat ihm das Odium lärmenden Musikmachens aufgeladen. Demgegenüber ist zu sagen, daß wirklich lärmend nur eine zu dick instrumentierte Musik ist; deren Partitur im Mißverhältnis zum Klavierauszug steht, wie dies bei Don i z e t t i, Au be rund andern"Opern .. werken vorkommt, wo oft unmotiviert das

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ganze Blech einfallt, ganz zu schweigen vom rohen Getöse der Tschinellen am unangebrachten Orte. Mahler dagegen hat, indem er dem Schlagwerk den vielseitigsten Ausdruck zu entlocken wußte, auch diese Instrumente im eigentlichen Sinne zu Tonwerkzeugen gemacht. Im Gegensatz zum alten Lärmtutti, das sich oft aus bloßen musikalischen Übergangsfloskeln zusammensetzt, entspringen die wilden Or .. chesterausbrUche Mahlers einem hochgesteiger .. ten Ausdruckswillen. In ihr<:r polyphonen Zu ... sammenballung sind sie ein subjektives Be ... kenntnis ekstatischen Jubels oder schmerzlichen A~fbä.umens ob der tragischen Verkettungen des Seins.

Man hat auf die maßvolle Instrumentation eines Johannes Brahms hingewiesen, dessen sinfonische Gedanken sich gleichsam kalorisch zu begrenzen wußten. Doch halte man sich jene seltsame Verschiebung zweier Stilprinzipien bei Brahms vor Augen: seine Sinfonien sind (nach einem Worte Paul Bekkers) "monu ... mentalisi~rte Kammermusi_k u , während seine Klaviersonaten von Schumann treffend als "verschleierte Sinfonienll charakterisiert worden sind. Wollte man etwa den ersten Satz der ' C-Dur-Sonate (0 p.l) instrumen tieren, so b ed ürfte man zum vollwichtigen dynamischen Ausdruck _ des großen Mahlerschen Orchesters mit schwerstem Blech und vielem Schlagwerk. Auch wird gewöhnlich übersehen, daß die Verwendung eines großen Orchesters weniger der Provo ... zierung dynamischer Exzesse als vielmehr der Erzielung far bige r Ko n traste dient.~erade Wagner, Berlioz und Mahler, die Meister großer Tonmassen, verfügen auch über ganz besonders zarte Klangfarben. Ihrem geweiteten seelischen Ausdrucksbedürfnis entspricht eben auch eine große dynamische Amplitude.

Eine Vermehrung der Instrumente trägt nicht durchaus zu bloßer Schallverstärkung sondern auch vornehmlich zur Klangver ... e dei u n g bei. Richard S t r a uß weist (in Berlloz ... Strauß' Instrumentationslehre) darauf hin, daß reichbesetztes Blech eher weich klingt.

Niemals darf also die bloße Tonmasse ausschlaggebend sein für die Qualifikation nlä.r ... mende Musikl4, niemals auch handelt es sich darum, um jeden Preis maß Y 0 11, sondern immer nur darum,stilyoll zu sein. Lä rmend ist nur das Inadäquate 'yon Dynamik und Aus d ru c k. Mozarts neuartige Verwendung der Holzbläser, Wagners Befreiung des BI e c h 8, Mahlers Heranziehen der S chi a g ... ins t rum e nt e zu integrierenden Bestandteilen des Ausdruckskörpers konnten darum, als man

den Sinn dieser Neuerungen verstehen gelernt, dem herabsetzenden eingangs erwähnten Schlagwort siegreich begegnen. Wenn Rh Y t h ... mus und Me i 0 s die leitenden Momente bleiben, wird sich niemals die Dynamik störend bemerk ...

bar machen. Egon Lustgarten

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NEUE DAVIDSBÜNDLER

Er, der sonst so gerne schweigt und so gerne zuhört, wenn ich schweige, Freund Rara, dessen weltferner Grüblersirtn sich sonst ge ... ±1issentlichst von allem, was für aktuell, politisch oder auch nur persönlich gehalten werden könnte, fernhält, diesmal zu meinem Staunen ist gerade er es, der nicht locker läßt, immer wieder zu der einen Frage zurückkehrend: "Was m einst Du zu den neu en Di rek ... toren uns erer 0pern thea ter?ll •.• Mich anfangs erschreckt wehrend, bin ich plötzlich, eh' ich's denke, bereits mitten in der Antwort drin ...

" ••. Also Felix Weingartner, nun 'er hatte ja von jeher eine ganz gewaltige Gemeinde begeistertster Anhänger unter uns und überdies eine nicht minder große Schar solcher, die -es nicht sind. Ich will offen gestehen, ich selbst gehörte immer eher zu diesen letzteren. Ich erinnere mich da einer kleinen Probe aus seiner reichen literarischen Tätigkeit •.• so schreibt er einmal vom nguten, kindlichen Anton Bruck ... ner, der eine »Neunte< Symphonie >auch< in D .. moll schrieb und deren letzten Satz >auch< mit einem Chor versehen wollte, woran ihn aber der »liebe Gott<, dem er das Werk gewidmet hatte, in weiser Vorsicht durch rechtzeitige Abberufung in die himmlischen Regionen ge ... hindert hatu •

Dann wüßt' ich ein zweites - wie sag' ich's schnell- eigenartiges Kapitel aus seinem Leben: es heißt Gustav Mahler. Denn, mag mir Gott helfen, wie sich ein Musiker demgegenüber verhält, kann ich beim besten Willen nicht mehr als persönliche Geschmacksfrage emp .. finden. Davon abgesehen, daß auch noch über die Programme der philharmonischen Konzerte einige Worte zu sagen wärent ferner - aber nein. Nichts mehr davon. Jeut hat Weingartner, der berühmte Dirigent, der gefeierte Star, der Mann der Festspiele und Sensationen · auf einmal die Volksoper, das kleine, stiUe Musiktheater übernommen und, seht, das hat mich plötZlich vollends mit ihm versöhnt.

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Eine Partitur ... Seite aus Delius: "F ennimore und Gerda U

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Freilich höre ich hier schon allerlei böse Stimmen flüstern: Glauben Sie denn im Ernst, daß Herr Weingartner gewillt ist, sich in Wahrheit und von Herzen der Volksoper zu widmen? Jetzt, da wir Mittelmä.chte noch gleich .. sam eingesperrt sind. mag es ihm ja allerdings passen, zusammen mit seiner singenden Frau Gemahlin eine immerhin ganz nette Gage zu beziehen, dabei einige ihm konvenierende fremde, vor allem natUrlich aber manche an andern Bühnen weniger gespielte eigene Werke heraus .. zubringen. Warten Sie aber nur auf den ersten Moment; da die internationalen Beziehungen wieder funktionieren, Paris, Landon, Amerika offen stehen, und Sie werden staunen, wie rasch .•. Genug, ich will von alledem nichts hören. Und solange er selbst mich nicht betrUblich eines andern belehrt, will ich fest und ehrlich an ihn glauben. Glauben an die Aufrichtigkeit der Künstlerschaft, die in diesem prächtigen Diri .. genten stecken muß. Und ich denke. ein Mann von seinem Ruf ' hätte es schließlich noch erreichen können, auch 'an einer ersten Bühne so mancher deutschen Kapitale unterzukommen. Daß er es dennoch gerne auf sich genommen hat, hier gleichsam eine .zweite Rolle .zu spielen und auf kleinere Mittel beschrä.nkt alle künftige Erfolgsmöglichkeit von seiner ~igenen künst .. lerischen, aufreibenden Tätigkeit abhängig zu machen - diese scheinbare Erniedri .. gung hat ihn in meinen Augen ganz ungeheuer erhöht und .. . ll

"Somit weiß ich auch schonu, fuhr der Freund hier da.zwischen, .,wie Du .zu Strauß stehst. Denn bei diesem ist es ja leider sicher, daß er seinen Kopf kaum sehr mit der Sorge über die Wiedereinstudierung verschlampter Meister .. ainger .. Ensembles und ähnlichen Details, die aber erste Vorbedingung . . .u j

"Bm, ja", unterbrach ich ihn .zögernd und erstaunt über die neue Wendung, "immerhin .. /'

NEU E NOT E N ]atho Musikver lag, Berlin

Erich Anders: op. 1 Zwei Liebeslieder op. 4 Neun Frauenchöre op.5 Zwei Lieder(lmperatori) op. 9 Drei ernste Gesänge op. 10 Drei Lieder (Storm) op. 16 Vene:da, Oper in 1 Akt op. 31 Lyrische Suite (großes

Orchester)

"oder damit beschweren würde", fuhr jener aber unbeirrt und eifrig fort, .,daß unsere Herren Philharmoniker bei den Proben auch stets persönlich erscheinen, statt. wie das so gerne , üblich ist, Ersatzmänner zu schicken, ferner bei Sängern und selbst sehr berühmten Sängerin .. nen darauf zu sehen, daß .• ."

"Bitte·l , winkte ich jedoch jetzt ganz ent .. schieden ab, "was Du sagen willst, ist ja alles recht schön, Du argumentierst sogar rein sachlich betrachtet vollkommen richtig. Aber - ich habe eine Kleinigkeit dagegen. Richard Strauß nämlich - ist ein Genie. Und ein solches hat in meinen Augen von vornherein und auf jeden Fall ohne die geringste Widerlegungsmöglichkeit Recht. Dabei will ich bemerken, daß mir, wie vielen jüngeren Musikern - worUber übrigeM auch noch einmal zu reden sein wird - die Welt Strauß' allgemach fremd zu werden beginnt, (nach dieser letzten ,.Frau ohne Schattene erst recht - nicht nur durch den Leib ihrer HeIdin, auch durch diese Musik rinnt das Licht wie durch Glas) ich halte den Weg, den er die Tonkunst gefUhrt hat, keineswegs für den zu ersehnenden - aber immerhin, er hat geführt, er hat geleuchtet. Die Musiker halten keine Disziplin, die Chöre und Sänger keine Proben? Nun zum Kuckuck, dann sollen sie es eben tun, Kapellmeister und Korrepetitoren es ihnen beibringen. und alle zusammen glücklich und geehrt sein, wenn eines Abends Strauß ans Pult tritt, um sie zu führen. Er allein, er ganz allein ist es, der niemals verpflichtet sein kann, seine Pflicht zu tun, und wenn die andern alle sie nur bis .zum Äußersten erfüllen, dann, meine ich, genUgt es, daß er kommt und un ter ihne n atmet, um ihnen, unsrer Oper und uns allen mehr zu bieten, als ein Dutzend vollkommenster Direktoren." Rudol! RUi

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Johannes Clemens: Ständchen (Lieder) Hermann Scherehen : Le Tsigane dans la lune Mal: Schillings: op. 33 Die Perle (fUr eine

Männer .. undeine Frauen .. stimme mit großem. Or .. chester)

op. 34 Vier Zweigesänge Erwin Schulhoft: op.10 Klaviervariationen

op. 13 Neun kleine Reigen op. 21 Fünf Grotesken

C 0

Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Otto Schneider, Wien, I. KarlsplaU 6. - Herausgegeben von der Universal .. Edition A •• G. - Druck von Otto MaafP Söhne Ges. m. b, H., Wien.!. Wallflschgasse 10.

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PREISAUSSCHREIBEN für Klavier-Kompositionen 11111 11 U 111 U 1111 UlIJ 1111111111111111111 11111 1111111111111 11111111 IIJ 111 IIJ 1111 U 1111111 1111111 U 111111111111111 1111 1I11l1l1J JI ru 1111 m lJ 11111 [11 m 1111

Die Musikbläffer des Anbruch eröffnen ein P re isa u s s ehr e i ben für

Klavierstücke (Sonaten u. dgL) für Klavier zu zwei Händen

Dieser ,Wettbewerb ist der jungen Generation vorbehalten, ohne Rück· sicht auf deren nationale Zugehörigkeit.

Der Umfang der Komposition darf 24 DrucK.seilen, die Aufführungs­dauer 15 Minuten nicht übersteigen.

Die Kompositionen dürfen noch nicht veröffentlicht und nicht unleserlidl geschrieben sein. Da die Schriftleitung jede Haftung für das Manuskript ab­lehnt, ist die Verwahrung einer Kopie dem Komponisten dringend empfohlen.

Die Manuskripte sind bis zum 1. März 1920 an die Schriftleitung der Musikblätfer des Anbrum, Wien, I. Karlsplatz 6, einzusenden.

Die Manuskripte dürfen den Namen des Komponisten nimt enthalten, sondern sind blo~ mit einem Motto zu bezeichnen. Namen und Adresse des Komponisten sind in einem verschlossenen Kuvert, das als Aufsmrift das Motto frägt, dem Manuskripte beizusmlie~en.

Das Preisrichferamf haben die Herren Josef Marx, Moriz RosenthaI, Paul Weingarten und Kar! WeigI übernommen.

Als Preise sind ausgesetzt:

1. Preis .................. K 800'-2. Preis .................. K 500'-3. Preis .. .. .. .. .. .. .. .. .. K 200'-

Von den eingereichten Kompositionen. gleidlZeitig höchstens drei, wird im gegebenen Fall nur eine desselben Komponisten prämiiert.

Das Ergebnis der Jury wird mit 1. Juni 1920 bekannlgegeben. , Die Musikbläfter des Anbruch bringen die prämiierten Kompositionen

im Herbst 1920 in einem nur für diesen Zweck bestimmten Abend zur Ur­aufführung. Es steht ihnen das Recht zu, diese Kompositionen als Noten· beilage abzudrucken.

Die UniversaJ~Edilion A.-G. behält sich das Recht vor, sowohl die prämiierten wie auch die übrigen eingereichten Kompositionen gegen eine Verlagsfanlieme von 15 % des Ladenpreises für ihren Ve'rlag zu erwerben.

Page 80: Musikblätter Des Anbruch 1919

,Interessante neue Klaviermusik· ALOIS HABA'

Sonate op .. 3 D-moll für Klavier. zweihändig

U, E, Nr, 5543 Preis Mark 3'-

H6bas Sonate Isl die Arbell eines hodJbegab!en Jung""n Ism(!mt­smen Komponisten, dte anlä~lidJ Ihrer llraulluhrung Im Wiener T onkunsllerverelne eInen geradezu sensationellen Erfolg erZielte

JULIUS BITINER Österreidlisdle Tänze

U. E. Nr. 5909 Klavier. zweihändig Preis Mark 3'­U. E. Nr. 5907 Klavier, vierhändig Preis Mark 4'-

lebenslust und lebensfreude flutet durdl diese Tanutiicke, denen der Komponist einen BI ütenkrllnz der relzvo listen Melodien

verBehen hat

JOSEF ROSENSTOCK Sonate op. 3 E-moll für Klavier, zweihändig

U. E. Nr. 5542 Preis Mark 3'-

Rosens!O<ks Son<111.' Ist ein Werk modemsler Prligung, das von Pro!. lalcwiez und dem Komponisten bereHs wlederholl mit

stärkstem BeilllH gesplell wurde

HANS GAl Serbisdle Weisen

U. E. Nr. 5980 Klavier, vierhändig Preis Mark 4'-

Hans G6! hai hier eine Reihe der sdlömten s:erblsdlen Volks~ melodien, die er während seines Kriegsdienstes In Serbien kennen lernte, durm eine prärnllge Bearbellung dem modernen Mu~lk.

empfInden zugäng!ldl gemamt

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Konzerte des Anbruch· Wien

I. Kammermusikabend am Freitag,! den 28. November 1919, abends, im mittleren Konzerthaus-Saal in Wien

Das Wa Idbauer· Quarteft PROGRAMM:

Zollan Kodllly: 2. Sfreidlquartett (Erstaufführung in Wien) Igor Strawinsky: Pribaoutki ... (Erstaufführung in Wien) Wilhelm Grosz.: Streichquartett ..•.... (Uraufführung)

Karfen von K 21"- bis K 4'- an der Konzerfhauskassa

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Page 81: Musikblätter Des Anbruch 1919

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Die hervorragendsten Werke von

frederick Delius 111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111 milu [IJ 1111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111 111111111111111111111111111111111111

U.E.Nr. Mark U. E. Nr. Mark

Bühnenwerke Fennimore und Oerda

Zwei Episoden aus dem Leben NieJs Lyhne's nach }. P. Jacobsen

6305 Klavierauszug mit Text, ... Mk, 8'-6306, Textbuch . . . . . , • . . ' , Mk, -'60

Romeo und Julia auf dem Dorfe Musikdrama in 6 Bildern (3 Akte) nach

Oottfried Keller 3912 Klavierauszug mit Text, deutsch,

englisch . . . . • . , . . • . Mlc, 16'-

Chöre a cappella Midsummer Song Für gemischten Chor

3909 Partitur . ' . ' . . . . . . • . Mlc. -'40

On Craigh Ddu für gemischten Chor

3910 Partitur . • • . • . . . .•

Wanderer's Song für MännerchoT

3911 Partitur • . . • • . . . .

Fünf Lieder

. Mk. -'30

. Mk. -'30

für eine Singstimme und Klavjer

Chor- und Orchesterwerke Eine ~esse des Lebens

Für Soli, Chor und großes Orchester (Text aus Nietzsches IlZarathustra4l )

3904/05 Partitur I/lI, zusammen .. Mk. 100'-3908 Klavierauszug m. Text, deutsch,

englisch , . . . . • . . . . Mk. 10'-3913 Thematische Analyse (Haym) ,Mk. -'40

Im Meerestreiben Sinfonische Dichtung für Bariton~Solo, ge~

mischten Chor und groBes Orchester (Text von Walt Whitman)

3893 Partitur ...... , •... Mk. 25'-3896 Klavierauszug mit Text, deutsch,

englisch . . , " . . . . . . • Mk. 5'-

Appalachia Variationen über ein altes Sklaven lied mit SchluB-

, chor für großes Orchester

3897 Partitur . • . • . . . . . . . Mk. 40'-3900 Klavierauszug mit Text, deutsch,

englisch . • . . . . . .. . . • Mk, 5'-

Eine Arabeske für Bariton-Solo, gemischten Chor und groBes

Orchester. Text von J. P. ]acobsen 5358 Partitur, , ..... , ... Mk. 10'-5295 Klavierauszug mit Text, deutsch,

englisch • . . . . . . . . . • Mk, 3'-

Klavierkonzert C-moll 3892 deutsch, englisch, hoch • . . . Mk. 3'-

1. Das Veilchen (Holstein), 2. Im Garten des Serails (Jacobsen). 3. Seidenschuhe Uacobsen). 3901 Partitur .' • . . . . , . , • • Mk. 25'-

4. ·HerDst (Jacobsen). 5. IrmeUn (Jacobsen) 3903 Zwei Klaviere zu vier Händen Mk. 5'-

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Die Partituren zu den Orchester- und Chorwerken werden nur gegen Revers abgegeben. - Zu beziehen durch jede Buch- und Musikalienhandlung

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Page 82: Musikblätter Des Anbruch 1919

~ustaD ffiahlers Werke in der Uniuersal=Edition

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Sinfonien und l70kalwerke mit Orchester Sinfonie I O=dur fiir großes Ormesler U. e. nr. mark 2931 Partitur . . • . • 40'-

947 KlaIJlerauszug4 ms(B.Walfer) 7'50 9O\{) tasc:henpartltur (16°) . " 6'-

Sinfonie n e=moll hlr großes Orchester~ B(t~ und Sopransolo und gemischten U. e:. fir. ehor mark 2933 Parlltur . . . . . . . . • 50'-

9lJ.9 Klal)lerauszug~ ms (B.Walter) 7'50 2931 Zwei KIaplcre 0\ ms (H. Beim)

(zur BufHlhrung sind zv;el e:xemplare erforderlich). " 6'-

3638 Zwei KIQ\Jlere 8 ms (Bocklet) 12'-948 tasdtenpartlfur (160) . •• 6'-

2938 afb BItsolo : ~ Urlidlt ... h. f. . a 1'-5782 themotlsdte Bnalyse (Specht) - "30

Sinfonie III D=moll fLir grc~es Or: chester, BUsolo, rrauen: und

U. e:. nr. Knabenchcr mark 2939 Partuur . . . . . • • • • 50'-951 Kloulerauszug lJ. ms (Wöss). 7'50 950 tasmenpartitur (160) , •• 8' ·-

29.\3 Hlfsolo: ~ 0 mensch! Gib adlt! ~ (5, [!leder). . . . . . •• 1'20

3602 Glockenchor 2 ms (Wöss).. 1'50 3703 menuett 2 ms (i=r!edman) . 2'-36~9 alb J' e:s sungen drei e:ngel ~

(rrauenchor) ßes. u. Klau.IU. CI 1'-5783 thematische analyse (Spedtt) -130

Sinfonie IV C5::dur fi\r grOBes Orchester U. e:. nr. . und Sopran solo mark 290\'- Pa.rtitur . . .. . . . • • • 40'-953 Klouierauszug 4 ms (Wöss). 1'50

. 952 taschenpartItur (166) . •• 6'-2946 SopronsolQ: J' Wir ~enle5en

die himmlischen rreuden~ (5. [!leder) . . . . • • .' 1'80

Sinfonie VI Hlifmoll für gro~es Orchester U.e:.nL ma~

2715 Klauierauzug 4 ms (Zemlinsky) 12'-277.\ Kleine Partllur . . . . ., 6'-

Sfnfl,'mfe VII ffir gro8es Orchester U. E. nr. mark 29M· Klavierauszug 4 ms (easella) 12'-2985 Kleine Partitur . . . . .. 0'-

Slnf.onie VIII ifir 8 Soli. Knabonmor. 2 gemischte eh~re und grobes

u. e:. flr. Ormester mark 2772 Partitur . . . . . . ..• 100'-2660 Klaulerauszug m. text (Wöss) 12'-3390 Klauierauszug zu 4 Hdnden, 12'-3000 Kleine Parfllur . • . , . • 10'-3399 t'hem. Bnalyse (R. Specht), -'50

Sinfonie IX ffir grolJes Orchester U. €. fir. mark 3395 Partitur . . . • • . . • . 50'-3391 KlalJierauszug 4 ms (W~ss). U'-3398 Kleine Partitur . • • • •• 6'-

Das l1ied Don der Erde. Sinfonie fnr t t'enor= und 1 alt~ oder Bariton.

stimme und Orchester U. E. nr. . mark 3392 Partitur . . . . . . . . • ~O'-3391 Klaplerauszug m. t'exf (W<iss) 1-50 3631 Studienpartitur . . . . .. 6'-339~ t'hematlsche Rnaltjse (Wöss). -,~o

Das klagende [sied, fiir Sopran~, Hrt., renorsQJo, gemIschten eftor und U. e:. nr. Orchester mark 2969 Partitur . . . , . , n·-169-'" Kloulerouszug m. text (Wöss) 6'-5390 Kleine Parlltur . . . . .• 6'-

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Page 83: Musikblätter Des Anbruch 1919

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= WHLDHEIM=EBERLE ft.=6.- . - -- -- -WIEN, VII. SEIDENGflSSE 3-9 - -- -- -GEGRUNDET . ' . GEGRüNDET -= 1856 · 1856 _ - -- ._.' -== == - -= empfiehlt sich den Herren Musikvedegetn und Komponisten als N t d ck =

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Page 84: Musikblätter Des Anbruch 1919

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Page 85: Musikblätter Des Anbruch 1919

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SERENADE, op. 36 Für kleines Orchester

U. E. Nr. 3997 Partitur .. , ... Mk. 12'- U. E. Nt. 3994 Klavier, vierhändig Mk. 4'-

TOMAN UND DIE WALDFEEt op. 40 Sinfonische Dichtung für großes Orchester

U. E. Nr. 6363 Partitur, ... , , Mk. 40'- U. E. Nr. 5818 Klavier, vierhändig Mk. 5'-

LADY GODIVA, op. 41 Ouvertüre für großes Orchester

U. E. Nt. 6365 Par.titur , . , . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..... , Mk.20·-

PAN, op. 43 Tondichtung in 5 Sätzen für großes Orchester

U. E. Nt. 58,88 Partitur .. (nur in Abschrift) U. E. Nr. 3355 Klavier, zweihändig Mk. 5'-

B. CHORWERKE . " DER STURM, op. 42 Sinfonische Dichtung nach der Meeresphantasie von Svat. Cech, für gr. Orchester, Soli u. Chor U. E. Nr. 3632 Partitur. , .......... , . , . . . . . . . . Mk. 50'-U. E. Nr. 3357 Klavierauszug mit Tezt, deutsch, tschechisch . . . • Mk, 10'-

, DIE TOTENBRAUT, ap. 48 "Ballade für 2 Soli; gemischten Chor und großes Orchester

U. E. Nr. 5293 Klavierauszug mit Text, tschechisch .. , , . , ...... , Mk. 7'50

c. BÜHNENWERKE DER BURGKOBOLD, op. 4~

Komische Oper in 1 AUfzug. Text von Lad. Stroupeznicky. Deutsche Übersetzung 'von Maz Brod U. E. Nr. 5393 Klavierauszug mit Text, tschechisch ..... ", , ...... " .. Mk. 8'-U. E. Nr. 5812 Textbuch, deutsch. . . . . . . . . , . . . . . . . . . . . . . . . Mk. -'50

, KARLSTEIN, ap. 50 Oper in 3 Akten nach dem Lustspiel von Jar. Vrchlicky, zusammengestellt von Ottokar Fischer U. E. Nr. 5816 Klavierauszug mit Text, tschechisch, , , . , ....... , . , . Mk. 12'-

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Page 86: Musikblätter Des Anbruch 1919

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KONZERTE DES ANBRUCH ·WIEN·

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II.Orchester-Ko,nzert FreitagJ den 12. Dezember 1919, abends, im großen K 0 n zer t'h aus .. S aal in Wien

GUSTAV MAHLER i

FONFTE SINFONIE

o rrn e s te r Ii e der: Reveille I Der Srnild­warne Naditlied / Um Mitternacht / Ade

, Dirigent: OS'KAR FRIED Konzerlsänger: PAUL LlBAN

Karfen von Kronen 21'- bis Kronen 4"- an der Konzerthauskassa

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Page 87: Musikblätter Des Anbruch 1919

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MUSIKBLA TTER DESANBRUCH

HALBMONATSSCHRIFT FDR MODERNE MUSIK SCHRIFTLEITUNG: DR. OTTO SCHNEIDER

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INHALT DER BISHER ERSCHIENENEN HEFTE:

NUMMER 1 I

Guido Adler ... ... ... ... ... ... . .. '... ... '" .. ' ... ... ... ... ... Zum Geleile Egon lustgarlen ............................ ,. Philosophie der Musik Franz Sdireker ........................... Meine musikdramalisme Idee Bernl1. Paumgartner .................... , Reform des Musikunlerrimles Egon Wellesz ............... Die Frau ohne Smallen von R. Strau~ Oskar Fried .................................... Erinnerungen an Mahler Frederi<k Delius ........................ ' Musik in Englönd im Kriege Max Chop .................................... Die Berliner Regerwodie Max Broesi<ke-Sdl6en ........................ Herbstspiele in Dresden

Glas sen: Krilik der Kritik von Dr. R. SI. Holfmann; Fragmenle von Hugo Kauder; Neue Davidsbündler von R. Reli; Das Wiener Sinfonie­Orchester von Hugo Kauder J Bespredlungen J Noten und Bümer

Not e n bei lag e: Allegro barbaro von Bel CI Bar 1 6 k

NUMMER 2

Hugo Kauder ... ... ... ... ...... Zum Problem der musikalismen Form Ego" Wellesz ........................ Vom Geist der diinesismen Musik Bernh. Paumgartner ...... Reform des Musikunterrichtes (Fortsetzung) Josepn Marx ............... ... ... ... ... ... ..• ... ...... Frederick DelJus Emil Chvola ....................................... Tschechisdie Musik 1 Paul Bekker ... ... ... ... ... ... ... ... Fennimore und Gerda in Frankfurt

G los sen: Musikfesfe von Dr. R. SI. Hof(mann: lärmende Musik von Egon lustgarten; Neue Dövidsbündler von R. Reli, Faksimile einer Parfifur·Seife aus Delius: "Fennimore und Gerda" I Neue Noten

Nolenbeilage: lied der Fenni more (J us Deli us: .. Fenn imore und Gerda·

Page 88: Musikblätter Des Anbruch 1919

Lied der Fennimore aus "Fennimore und Gerda~'

.' Zwei Episoden <UIS dem Leben Niels LJbnes in elf Bildern nach deJtl Roman vonJ. P. Jacobsen.

AuffÜhrungsrecht yorbebalten . . Dr(JitJi dexirution rrsems.

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Frederick Delius. ~ Sehr ruhig.

Gesang.

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Copyright 1919 by Universal-Edition.

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Notenbeilage zu ,,Mw;ikblätter des Anbruch:' Zweites Novemberheft 1919. M.A.2.

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Page 89: Musikblätter Des Anbruch 1919

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Page 90: Musikblätter Des Anbruch 1919

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Page 91: Musikblätter Des Anbruch 1919

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Page 92: Musikblätter Des Anbruch 1919

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MUSIKBLÄTTER DES ANBRUCH

SCHRIFTLEITUNG: DR. OTTO SCHNEIDER

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DAS TONALl TÄT SPR I N Z I P Von Hermann Scher ehen, Berlin

Unsere Epoche ist die der Überreife des Tonalitätsprinzips : die schöpferischen Faktoren, welche durch dessen Formulierung zur Wirkung gelangten, haben eine Reihe bewundernswerter ~chematischer Möglichkeiten ergeben und derartige Resultate hervorgerufen, daß wir nur schwer diesem Kunstprinzip gegenüber die richtige Distanz innehalten, um gerecht einzuschätzen, was - die Kunst hemmend wie vorwärts .... führend - daraus erwachsen ist. Zunächst müssen wir uns ins Gedächtnis rufen, daß erst nach Annahme der gleichschwebenden Temperatur und der anschließenden Zentralisierung des Tonsystems jener einzigartige Entwicklungsgang begann, den die Musik im- Laufe von kaum 250 Jahren zurückgelegt hat. Allein in der Malkunst finden wir etwas entfernt Ähnliches: wie das Tonalitätsprinzip erst dem Harmoni .... schen die zusammenfassende Kraft verlieh, alle Erscheinungen auf einige Ausgangs .... punkte zu beziehen, kam mit der" Tiefe« jene Kraft in das Bild, welche nach Beherrschen der Perspektive die Malkunst befcihigte, den ganzen Reichtum der geschauten Erscheinungen zu umfassen. So daß Beherrschen der Perspektive ' wie Formulierung des Tonalitätsprinzips zu jenen Wendepunkten wurden, von denen aus die beiden eigentli41 modernen Künste ihre reiche Entwicklung aufnahmen. Anders verhält es sich mit Dichtkunst, Architektur und Plastik: ' für diese drei Künste hat das klassische A1tertu~ selbst die Schemata entwickelt und den Künstlern volles Gestalten ermöglicht: hier ist alles Spätere nur Variieren des von den Griechen Eröffneten, ohne Neuschöpfen aus ungenutzt gebliebenen inneren Kräften des Materials heraus.

Vielleicht hat 'nun gerade diese atemlos schnelle Entwicklung der neueren Musik mit dazu beigetragen, daß uns Erben Beethovens oft das Gefühl eines Stagnierens überfällt gegenüber .den Schemata, die den Werken der klassischen Meister zugrunde liegen. Als wenn wir nUr schwer den Übergang finden von der in ihnen gipfelnden Vorwärtsbewegung zu dem Ausladen in die Breite, das nach Ausprägung des Symphonie ... und Liedsc:hemas u.'s. w. eintrat und dessen vornehmstes Resultat ein immer lebensvolleres Durchbilden der eröffneten Schemata hätte sein müssen.

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Page 93: Musikblätter Des Anbruch 1919

Statt dessen sprechen wir davon, daß das organische Leben der Symphonie mit Beethoven seine Höhe' erreicht habe, daß nach diesem Meister Erstarren auf jede lebensvolle Kraft übergehe, die sich von neuem mit dem Symphonieschema aus ... efnandersetze, so daß Beethovens Tat oft nur als Krönen und zugleich Abschließen erscheint, nicht aber auch als Eröffnen zu wechseIreicher Betätigung schöpferischer Kräfte.

Welchen Ausweg hat nun die Dichtkunst gefunden, in der seit z'Yei Jahdausenden die Grundmöglichkeiten künstlerischer Äußerung~n fixiert sind? Ihre Fixierungen sind immer als ein elementar Gesetzmäßiges erschienen, und ein Problem - analog dem Vorgange in der Musik - ist hier nie gereift. Dies folgt mit -voller Klarheit aus der Natur der Dinge, da in Dichtung, Plastik und Architektur alle Möglichkeiten erschöpft wurden, die das Material dieser Künste in sich birgt. So konnte Sache des DiChters nur -sein" dieselben ÄUßerungsmöglichkeiten neu zu beleben, welcher Prozeß denn auch in den verschiedenen Richtungsnamen seinen Ausdruck fand. Wir kennen ein klassisches, shakespearisches, naturalistisches, symbolisches Drama; niemand aber ist je: 'auf die Idee gekommen, eine völlig neue Form zu fordern, da zu offen ... sichtlich ist, daß das Material der Dichtung a11 seine Grundmöglichkeiten erschlossen hat.

Das trifft aber nicht für die Musik zu: eben derselbe Vorgang, der die Tonalität möglich werden ließ, und der als Voraussetzung des ungeheuren Entwicklungslaufes der Musik nicht wegzudenken ist, bedeutet zu gleicher Zeit ein Umgestalten ihres Materials, ein Gruppieren, das von der Natur gegebene Eigenschaften des Tonreiches ableugnet. Diese Operation, "die wir unter dem Namen Temperierung verstehen, gab uns alIe schematischen Möglichkeiten der tonalen Musik an die Hand, während wir anderseits durch eben diese Beschränkung einen Teil der den Tönen innewohnenden Kräfte ungenützt ließen. Hier liegt der eigentliche Grund zu jener tiefen Spaltung, , die unser Musikleben durchzieht: der Spaltung in Künstler, die fest auf dem Boden der Tonalität" stehen und innerhalb derselben nach reicher Erweiterung streben, und in 'solche, für die jenes Gruppieren des Tonmaterials zu sehr den Forderungen widerspricht, die in ihnen nach Ausdruck verlangen, und denen Aufgeben der Tonalität als einziger Ausweg bleibt. ' " Lenken wir den Blick auf das Tonalitätsprinzip, um seine ganze Bedeutung zu

erfassen: an ihm - dessen Formulierung und entscheidendes 'Auftreten historisch sichtbar sind - können wir die Lösung eines Grundproblems des Menschengeistes verfolgen. Es handelt sich um folgendes: wie ist es möglich, die Überfülle der Erscheinungen, die das Leben in sich birgt,~ zu bewältigen, und Gesetzmäßigkeit und uns zugängliche Ordnung darin zu finden! Nehmen wir zur Veranschaulichung den Vorgang, den noch jede Weltanschauung wiederholt hat. Während die unfaßbare Fülle , der Lebensformen wie unentwirrbar vor uns liegt, und t was wir eben gut nennen wollten, im nächsten Augenblick als schlecht erscheint, verlangt unser Geist feste Grundlagen, die ihm ermöglichen, klar zu werten. Wir folgen einem inneren Triebe, ohne dessen "Befriedigung menschliches Leben undenkbar ist, wenn wir uns in einer Weltanschauung scharf begrenzen und wie in einem Ausschnitt auf das Leben sehen, daß eben nur die Gesetzmäßigkeit unseres Geistes sich an allen Lebens ... erscheinungen bestätigt. Dabei vergessen wir dann ganz, daß "unsere" Wahrheit, die Notwendigkeit "unserer" Begriffsbestimmungen i]:u:en Wert nur inn,erhalb der frei angenomnienen Beschränkung hat, daß daneben in einem anderen Mensche~ völlig entgegengesetzte Wirkungen ihren ebenso notwendigen Ausdruck finden können. Also:

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Um die Überfülle des Lebens zu bewältigen, um leben zu können, ist Vermenschlichung notwendig, Anpassung der Erscheinungen an unseren Geist. Nur so kann, seine Gesetzmäßigkeit sich in ihnen finden, nur so das Leben "verständlich" sein.

Jahrhunderte hindurch blieb die Musik ein hilfloses Stammeln, ein erfolgloses Suchen nach innerer Gesetzmäßigkeit. Die natürlichen Erscheinungen des T onreiches wurden als solche hingenommen, ohne daß man außer der äußerlichen Systematisi~rung in den Kirchentonarten eine Gesetzmäßigkeit des Materials fand. Im Gegenteil: es wurde immer klarer, daß gerade der Reichtum dieses Materials in seinen Erscheinungen fortwährend Widersprüche hervorrief. Man kam zu keinen schematischen Formulie .... rungen und folgte lange Zeit blind den Schemata der Sprache. Die Abhängigkeit ging so weit, daß z. B. in der Neumenmusik der Rhythmus in absoluter Abhängigkeit vom Worte blieb und dieselbe jeder metrischen Zeichen entbehrte. Als nach jahrhundertelanger Praxis und immer schärferem Eindringen in das Wesen der Töne das Hemmende dieses .4ustandes unerträglich wurde (inzwischen war das architektonische Elementarmittel der Musik, die Imitation, in- Kontra .... punkt und Kanon fast bis zum Selbstzweck erhoben worden), gelang endlich jener Prozeß, zu dem die bedeutendsten Köpfe immer hingedrängt-hatten: Werk .... meister steHte seine" Temperierte Stimmung" auf, in dem er zwölf mögliche 'Grundtöne festsetzte, deren Statuierung eben" Temperierun,g'l der natürlichen Klang .... verhältnisse bedeutete, und ' ermöglichte so Rameaus geniale Formulierung, daß aUe Zusammenklänge der Musik auf zwei Grundtypen, den Dur.... und Mollakkord, zurückzuführen seien. Damit waren mit einem Male rein musikalische Schemata möglich geworden, alle gestaltenden Momente in die Musik selbst verlegt und die innerlichen Schwerpunkte gegeben, die die weiteren Gebilde nur als abweichende Formen erscheinen ließen. '

Jetzt hatte die Musik ihre eigentlichen Kräfte entdeckt, jetzt löste sie skh vom Worte; ihr e Schemata lagen vor ihr, und ihren Gesetzen konnte sie folgen. ,Das war aber nur durch das Tonalitätsprinzip möglich geworden, das selbst wiederum auf der Temperierung beruhte; so mußte die Hochblüte des Tonalitätsprinzips zu .... gleich zur Krisis werden. Während die tonale Musik auf dem Harmonischen nißt und ihre große' monophone Entwicklungsepoche - in der sie ihre Schemata aus .... bildete - als horizontale Darlegung der Harmonie .... Intervalle zu verstehen ist (wir können verfolgen, wie der Septimenschritt, die verminderten Intervalle, die None u. s. w. Melodiebestandteile wurden, parallel mit dem Seßhaftwerden der entsprechenden Akkorde im Harmoni-enetz), sehen wir die modernen Künstler mehr und mehr da anknüpfen, wo nach Bach ein Stillstand eintrat, und der Begriff des Harmoni .... sehen als Vertikalresultat gleichzpitig selbständiger Stimmen verstanden -wurde • .. ,

Mit diesem Wieder .... in .... den .... Vordergrund .... treten des Kontrapunktischen wird von Neuem zu Problemen, was durch die Tonalität ausgeschaltet worden war,:

Denn sowie das Harmonische aufhört, Grundlage und Ausgangspunkt zu sein und zum Vertikalresultat horizontaler Stimmbewegung wird, beginnen " eine .. Un ... menge feiner Differenzierungen, die durch keine Enharmonik hinwegzusclunelzen sind. Jetzt fordert die Logik der Einzelstimme Unterscheidungen, die· den .Rahmen derTonalität durchbrechen, und so stehen wir vor der neuen Frage: müssen wir nicht mit der Tonalität alles aufgeben, was nur durch sie möglich ,wurde? Müssen wir nicht in ein Chaos zurückfallen ähnlich dem durch sie überwundenen, und soll quälerisc~ erfolgloses Suchen ein zweites Mal Epochen ' der Musik - kennzeichnen?

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Dazu kommt, daß der aus innerer Notwendigkeit mit den Beschränkungen des Tonalitätsprinzips kontrastierende Künstler bald für alle Zusammenklänge Existenz...· recht fordern muß, deren Logik ihm Erlebnis ist. Daß durch diese Erweiterung die Begriffe der Tonalitätsdissonanz und .. Konsonanz ihren einschränkend ~rdnenden Sinn verlieren, und so die unbegrenzte Fülle der natürlichen Ersdteinungen von neuem vor den Musiker tritt und Bewältigung verlangt.

Wir müssen klar sehen, daß dies die Folge wird, wenn sich die Forderung immer elementarer einstellt, die Ketten der Tonalität abzuwerfen: das hieße dann Aufgeben der Temperierung und aller Schemata, die den Wunderbau der modernen

' Musik ermöglicht.en; denn wenn die zentralisierende Kraft der T on3:lität nicht mehr vorhanden ist, kann selbst das wiederkehrende Analogon als elementarstes Bau ..... mittel nicht mehr funktionieren, und muß sein Leben wiederum nur in den von jeder Einschränkung unabhängigen Imitationsformen fristen.

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KONSONANZ UND DISSONANZ Von Rudolf Reti, Wien

Eine Termi;nologie, die nie richtig war, heute aber fast schädlich wirkt. Indem sie eine scheinbare Klarheit schafft, lullt sie den V erst~nd ein und macht das Ohr des angehenden Musikjüngers gerade dort träge, wo scharf hinzuhorchen er sich just heute alle Mühe geben müßte.

Als "Konsonanzen" galten bisher vor allem die ersten Obertöne, also die Oktave, Quint und (große) Terz und deren Umkehrungen, Quart und (kleine) Sext. Die letzteren wirken freilich nur bedingungsweise, nämlich eben als Umkehrungen, konsonierend, die Quart im Dreiklang oder Sextakkord, die Sext gewöhnlich im Sextakkord, wogegen die Quart im Quartsextakkord meist als eigentliche Quart, das hieße als Dis s 0 na n z und Vorhalt vor der Terz gebraucht wird, ähnlich die Sext zuweilen im Sex~akkord als Vorhalt vor der Quint, in die sie sich dann auch auflösen. (Die Auflösung einer Konsonanz hätte wohl keinen Sinn.) . Außer den eben angeführten Intervallen empfinden wir aber auch noch die kleine oder Mollterz als d.urchaus konsonierend. (Wie diese . scheinbare Anomalie zu erklären ist, bleibe hier unerörtert. Riemann hat sie mit der Theorie der sogenannten Untertöne zu erklären versucht, worin ich ihm aber nicht beipflichten kann.) Die bisherige Klassifizierung also zusarnmengefaßt: Konsonanzen sind · die drei ersten Obertöne, Oktave, Quint und Terz mit ihren Umkehrungen, Quart und Sext, die Terz . (und daher auch die Sext) überdies in ihrer doppelten Gestalt, als Dur .. und Mollterz. Woraus sich, da auch in der . Mehrstimmigkeit alle Intervalle als auf den tiefsten, entweder wirklich vorhandenen oder theoretisch supponierten Ton, den Grundton, bezogen empfunden werden, im Wesen nur ein konsonierender Akkord etgibt, nämlich der Dreiklang (Dur oder Moll), die Zusammenfassung von Quint und Terz, respektive seine Umkehrungen Sext ..... und Quartsextakkord. Die~e letzteren freilich, ganz wie bei der Zweistimmigkeit, nur dann, wenn sie eben als Dreiklangsumkehrungen gebraucht werden; was übrigens speziell beim Quartsextakkord in der Regel nicht und meist nur im Durchgang der Fall ist, während er seiner häufigsten Anwendung nach, in der Schlußkadenz, als Dissonanz, nämlich als Doppe1vorhalt vor der fünften Stufe,

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Page 96: Musikblätter Des Anbruch 1919

I

in die er sich auflöst, erscheint. Alle andern Akkorde, also schon die normalen Sept ... und Nonakkor~e samt allen ihren Umkehrungen, dann die verminderten, übermäßigen, alterierten, schließlich selbstverständlich alle "freienlt Akkorde der modernen Musik werden samt und sonders in den einen Topf der Dissonanzen geworfen.

Was tut also die bisherige Terminologie? Sie stellt einen, wie ich zugebe, nicht gerade willkürlich gewählten, aber völlig unangebrachten, die Tatsachen verwirrenden Grenzschnitt her, der in selbstherrlicher Art die Engeln auf der einen Seite von den gleichmäßig finsteren Teufeln auf der anderen scheidet. Nach ihr gäbe es, und das vor allem empfinde ich heute als nicht ungefihrlichen Mangel, keinen Wertunterschied zwischen den vielen als Dissonanz erklärten Klängen. Ein Dominantseptakkord und ein schwerer Akkord aus der Salome, sie beide gehörten in ein und dasselbe Register. In Wahrheit gibt es an Intervallen, die den Namen der Konsonanz schlechtweg im theoretisch idealsten Sinne verdienen würden, nur ein einziges, nämlich die Prim. Natürlich wirken dann ausnehmend konsonierend noch die Oktave, Quint und. die beiden Terzen. Nun käme als nächster Oberton die Sept an die Reihe, und jetzt allerdings macht sich ein Phänomen geltend, demzufolge jener Grenzschnitt immerhin nicht willkürlich gewählt erscheint. Im Stil der klassischen Musik nämlich waren die bisherigen Intervalle die einzigen, die Schlußfähigkeit hatten, mit denen man ein Stück beenden konnte. (Ursprünglich auch Anfangsfähigkeit, was sich aber bald gab, so beginnt ja bereits Beethovens I. Symphonie mit einem Septakkord.) Es wäre daher vielleicht auchh~utenichtunangebracht, die besonders starke Konsonanzwirkung dieser Intervalle in der Terminologie, etwa durch die Bezeichnung "vollkommen konsonierend lt zum Ausdruck zu bringen, da ja das, was aus alter Zeit in Büchern fortgeschleppt, bisher als vollkommene und unvollkommene Konsonanz noch gesondert zu werden pflegt, vom Ohre ohnehin als Unterschied heute kaum empfunden wird und daher besser wegfallen würde. Jene SchlußfihigkeIt ist aber auch der einzig nachwirkende Rest, der - und zwar nicht bloß heute, sondern bireits in der spät ... klassischen Epoche (Chopin, Wagner, Liszt, Wolf) - die Quint und Terz von den ihr folgenden Intervallen der Sept und None scheidet. AU; anderen für diese letzteren in früherer Zeit noch geltenden Behinderungsvorschriften, wie Vorbereitung und Auflösung - und sie verliehen jenen Intervallen erst den eigentlichen Dissonanz ... charakter - kominen allmählich in Wegfall, der Septakkord samt seinen Umkehrungen, schließlich aber sogar der Nonakkord wurden immer mehr die normale Form der Darstellung der Harmonien, der "StufenlI. Eine Entwicklung, die sich in neuerer Zeit immer kräftiger fortsetzt.

Endfolgerung: konsonierend und dissonierend sind Au.sdrücke, die in richtiger Anwendung nur zur Bezeichnung einer graduelh:n Abstufung gebraucht werden dürften, wie etwa für das gegenständliche Gebiet Worte wie klein, ,groß, viel, wenig, herb, mild. Und ebenso ridikül, es dort zu sagen, wäre eins, zwei, drei is;t wenig, von vier ab aber ist alles viel, ebenso unsinnig ist es, gerade von der Sept ab alle Erscheinungen unter den einen Sammel ...

. begriff der Dissonanz zu subsumieren. Richtig muß es daher nicht heißen: die Sept i8 t Dis so nanz, so nd ern: sie is t dis so niere nder als Quin t un d T er z, ko n ... ~onierender als None. Und die Worte Konsonanz und Dissonanz selbst könnten folgerichtig nur als Gradmesser einer irgendeinem Klange innewohnenden besonderen Substanz angewendet werden, ähnlich wie etwa die Worte Herbheit und Milde.

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F R A , G 1\1 E N T Von Dr. Fritz Stiedry, Berlin

Unsere' Opernbühne krankt an Dürre nicht nur der Produktion, sondern au~ der Reproduktion. Mit dem einen muß man sich abfinden. Das zweite bleibt ver .. wunderlich. Pausen der Schöpferkraft werden sonst ausgefüllt durch Bewußtsein und Freude des Besitzes. Davon merkt man nichts. Festgestellt sei, nicht selten, Talent und guter Wille, zugestanden, hie und da Gelingen einer Improvisation. Allgemeine Steuerlosigkeit und Vergeudung im Experiment sind Tatsachen. Es fehlt an gestaltender Umfassung, sei es durch lebendiges Beispiel, sei es durch systematisch vorgetragene Gedanken, das ist grundlegende Dramaturgie der Opern .. aufführung. Das Buch (nicht von mir zu schreiben) muß fußen auf dem Boden einer bisher noch nicht oder unzureichend geleisteten metaphysisch .. ästhetischen Untersuchung über das Wesen der Musik, der Opernmusik im besonderen.­Hiezu, wahllos zerstreute Bemerkungen.

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Auseinand~rsetzung mit Wagner und Nietzsche. Wagners Grundsätze als An .. regvngen werten: "Gesamt .. KunstwerkU (mit Respekt) ablehnen; zeigen, inwiefern diese Ide~n erstens mißverständlich fundiert, zweitens ~inzig auf das eigene Werk (mit Maß) anwendbar erscheinen. Hinweis auf weniger berühmte Schriften (Goethe.­Stiftung, über Musiksc~ule, Schauspieler und Sänger. • • ete. Schöner Gedanke _ des "Originaltheatersu • Höchst beherzigenswerte Worte in allen pädagogischen Fragen. Nicht einer seiner Ratschläge b.efolgt, die wenigsten seiner Anregungen haben gefruchtet. Jämmerlicher Stand der heutigen Opernbühne ; als hätte der geniale Schriftsteller nie gelebt und gesprochen. - - Auch bei Nie tz s ehe, nach geziemender Verbeugung vor dem revolutionierenden Erstlingswerk, Hervorheben der wenig bekannten Skizzen, Entwürfe, Erweiterungen der drei Nachlaßbände zum selben Stoffe. Hier muß der Autor unmittelbar anschließen. Genialste Intuition. Wagner der-erste Erzieher des musikalischen Darstellers, Nietzsehe Vollender seiner Ausbildung.

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Die drei Arten der Opernmusik ; vom Darsteller sehr bewußt zu trennen, Musik als Nachahmung (oder Dekoration); als Assoziation; als Kosmos. - Zwischen den drei Arten feinste Übergänge, die vor Probleme stellen, am merkwürdigsten von der dritten zur ersten Art: wahrscheinlich die Stellung des Tanzes. - Der erste und zweite Fall an sich klar. Doch muß man sich hüten, den Streit von ehedem, die abgewaschene Ästhetik von anno dazumal über Programm .. Musik aufzuwärmen: unsere Unterscheidung hat nichts damit zu tun. Es handelt sich um Opern .. , das ist um darzustellende Musik, um Wechselbeziehung zwischen Bewegung~ Gebärde etc. einer .. seits, Rhythmus, Melodie,. Dynamik, Harmonie etc. anderseits. Desgleichen die kosmisch genannte Musik, keineswegs identisch mit der sogenannten absoluten Musik. , Die Begriffe, nach verschiedenen Kategorien gebildet, kreuzen sich. ~ Im übrigen über diese Gedankengänge ein ganzes Buch möglich.

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Es erhebt sich die Frage: Ist Musik, die weder nachahmt (rhythmisch, akustisch), noch durch Assoziation verdeutlicht, darstellbar? Man hat es versucht - Hellerau, diese Versuche sind nützlich, löblich, empfehlenswert, doch kirnen über Tanz und

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Reigen nicht hinaus. Der Mimus dagegen ist - dies hat Nietzsche unwiderleglich dargetan - nicht ursprungs.- oder wesensverschieden von Tanz und seiner Dionysik. Daher die zweite Frage ins Zentrum der Untersuchung führend! Sind Gestalten, .Menschen und ihre Schicksale mit den letztgenannten Mitteln darstellbar? Ist der Mimus mit dem Geist der Musik zu :vereinen? Der Mimus, aus dem Tanze gewachsen, ihm entwachsen, scheint er nIcht einzig der Tragödie bestimmt? (Nietzsche.) So da~ Problem. Sehr kluge Männer sehen keinen Weg, . nennen die Oper (logisch) ein ·unmögliches Kunstwerk, in sich widerspruchsvoll (Bie). Haben sie Recht? Oder gibt es zweierlei Formen der Gebärde! den schauspiele~ischen Mimus und •••• ?

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Schopenhauer sieht - bekanntlich - in der Musik die höchste der Platonischen Ideen, zunächstkommend dem: hinterweltlichen Aussieh der Dinge. Dieses Axiom vorausgesetzt, ""\Vas kann rätselhafter sein, als Melodie? Was problematischer, als ihre Darstellung? Melodie, nicht etwa traurig oder heiter, melancholisch oder leidenschaft ... lieh, sondern im Munde eines Grafen oder Gottes, eines Kammermädchens, einer Walküre, handlungbestimmend, schicksalgebend ; die höchste Stufe der Objektivation des Wil1ens erniedrigt in den Pfuhl der Erscheinungen! Dies freilich eine . "Unmög ... lichkeitll , hinkende Schiefheit. Deshalb Schauspielertum, Schauspielregie, Schauspiel ... dekoration auf der Opernbühne, wie jede Art naturalistischen "Lebens", bösartiges Mißverständnis. - Die Lösung heißt: Darstellung des Rät se Is dur c h.da s Rät s e 1-das Rätsel der Unwirklichkeit, wenn man will, Unwahrheit, der Vieldeutigkeit (für den Kundigen: des intellegiblen Charakters).

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Die. Musik: Mittel der Berauschung (das Narkotikon); ihm ist jede;rmann, ohne Ausnahme untertan; sie hat zwiefache FUnktion: erstens Mit tel, zweitens Z i el der wissenden Trunkenheit. Die Konsequenz dieser Formulierung: Mus i ·k al i s ehe Rezeptivität erscheint ausgewählt und bleibt angeboren, doch Fähigkeit der Be ... rauschung durch Musik ist jedem Menschen gegeben, steckt in jedes Menschen Nerv, '·kann demnach Gegenstand der Ste~gerung und psychischen wie physiologi ... sehen Ausbildung sein. Der · Autor fordere dezidiert: Regelrechte Erzieh ung ' zur dionysischen Ekstase. Im hellsichtigen Dasein fallen Schleier von Rätseln und in er ... höhter Atmosphäre vollzieht sich die mystische Einswerdung des Trias Mensch (Welt), Schicksal (Wille), Musik (Kunst, platonische Idee) . ' .' • Der Banause lächelt.

e Musik als Mittel und Ziel - eine wenig beachtete, folgenschwere Unterscheidung;

Nietzsche deutet, nicht sonderlich präzise, auf sie von ferne hin (Nachlaß; Beispiel . Schopenhauer: Norma von Bellini). Als Mittel des Rausches genügt durchaus

primitive, schlechte Nichtmehr ... Musik; sie hat mit Kunst nichts zu tun. Merkwürdig aber, daß sie zu sich selbst hinführen, daß also Unkunst Brücke zur Kunst bilden ka~n - unbeschadet der umgekehrten Möglichkeit, das Z i e I als ~ i t tel zu gebrauchen; bei musikalischen Temperamenten von unfehlbarer Wirkung. Die Folgen dieser Gedanken auf die "Praxisu liegen am Tage. Doch die Konsequenzen der Zweiteilung reichen tiefer. Man gelangt zum Beispiel, zur sonderbaren Antithese: Musik als Sünde, Musik als das Heilige~ Fäden von einem zum anderen. Gefahr der Verwechselung (Tolstoi ist ihr nicht entgangen, aber hat den Unterschied wohl gefühlt; siehe ferner Baudelaire). Selbst hier Synthese möglich und nie ohne Beziehung zur'Ver .. wirklichung auf der Bühne. Auch darüber . ein Buch möglich... Der Banause lächelt.

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Dem Lächler als Lehre: Dionysik muß nicht Tollheit, Ekstase nicht Taumel zeugen. Einziges Ziel: außer sich und der Welt sein. Hinaustritt in das Jenseits kann über und unter die Schwelle der Erkenntnisfähigkeit erfolgen, in stärkste Helle wie in tiefste Finsternis des Bewußtseins. Übrigens hat gewohnheitsmäßige Erzeugung ekstatischer Gegenstände ihr Vor ... und Gegenbild im alten Indien, wo bekannte Rezepte über Weltabkehr und Eingehen ins Nirwana seit Jahrtausenden ver ... ordnet und befolgt werden. - Ekstase heißt demnach Wissen vom Jenseits. Der Weg ist vielfältig und keineswegs- auf Musik (oder andere Narkotika) beschränkt. Wege sind der Eros, der Heilige, das Genie u. s. f .•.. Auch die Erörterung dieser Begriffe führt nicht in Wolkenkuckucksheime, vielmehr zu durchaus realen Möglich ... keiten; gerade hier sind die eigenartigsten Verwandlungen denkbar (durch das Band der Musik): komplizierte Gedankenfolgen.

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Zur Beruhigung (des Lächlers): Mit dem Narkotismus ist nur der physische Grund gelegt. Letzte körperliche und mimische Ausbildung bleibt selbstverständ ... liehe Forderung. Leisten hiezu' auch Dalkrozes Ideen und Methoden als Mittel der Vorbereitung schätzenswerte Dienste, das Zentrum der Erz.iehung liegt wo anders als gebräuchlich: im Felde der objektiven Welt und die Unerschöpflichkeit ihres

' stu mmen Ausdrucks. Man studiere, wie der Berggipfel in den Himmel wächst, . das welke Blatt fallt, die Fahne flattert; Wolken im Sturm, Schweben der Vögel,

Linien der Tier ... Affekte (Bäumen des Pferdes, den gezüchtigten Hund) etc .••. 'Die Mühe dieses Studiums wird schönste Früchte tragen, nicht nur im gewonnenen Reichtum an Symbolen vo innerster Natürlichkeit, sondern auch durch den Besitz einer wurzelliaften Technik, die alles Stilistisehe hinter sich läßt. Überhaupt: Negation jeglichen "Stils": Forderung der Stillosigkeit in höherem Sinne. Auch Vorschläge zur Errichtung und Einrilhtung von Darstellungsschulen.

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Kapitel über Abstumpfung. Wir leben leider in ihrem Zeitalter . . Nichts beweist mehr den physiologischen Narkotismus der Musik als ihre Versklavung diesem Phänomen gegenüber. - Hier die Gefahr, der Einwand. - Man muß alles daran setzen, von vorne anzufangen, gleichsam mit kleinen Dosen. - Die Dosierung das Amt des Kapellmeisters. - Nebenbei: AbstumpfuIjlg unfehlbares Zeichen der Dekadenz, ihr Grad geradezu Maß der Kultur.

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Zur Verdeutlichung: Der Schauspieler Skulptor der eigenen Seele; sein Mit~us des Menschen. Er gibt die Welt als Menschenschicksal, der Sänger das Menschen ... schicksal als Welt. Die beiden Erscheinungen ' haben nichts ge~ein, sondern seine Gegensätze. Sonderbar, daß der Dramatisierung der Oper (Wagner) in den letzten Jahrzehnten nun die Umkehrung folgt, der Expressionismus, die Veroperung des Dramas. Eines so mißverständlich wie das andere - doch symptomatisch für den "gout de l'infini ll (Baudelaire), für Rätselbewußtsein, Religionssucht •.•••

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Ich kannte einen einzigen, der das skizzierte Ideal erfüllte. Es ziemt zu nennen: Kar! Perron, ein Künstler von prophetischer Hellsichtigkeit der Gebärde, war der Mittler unvergeßlicher Erlebnisse. T öiichte We1t, die sich des seltenen Mannes, der einsam im Frankenwalde der Gartenzucht lebt, nicht als verbindlichen Lehrers versichert.

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REFORM DES lVIUSIKUNTERRICHTES Von Dr. Bernhard P aumgartner, Salzburg

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Ausbildungsunterricht (F ortsetzung)

Ist durch einen universellen, auf vokaler Einstellung beruhenden Elementar ... unterricht einmal eine feste Grundlage geschaffen, so wird die höhere technische und geistige Ausbildung Lehrern und Schülern weit weniger Schwierigkeiten be ... reiten. Der Ausbildungsunterricht führe den Schüler nicht nur in dem engen Wirkungskreise seines Instrumentes zur Reife, sondern bringe ihn in eine wahre, vertiefte Bezie4ung zu seiner Kunst und über sie hinweg zu den anderen Künsten, deren innerer 'Kern ja doch derselbe ist; er erziehe freie, weitblickende, universelle Künstler und Menschen. Nur dann kann der bedauerlicherweise noch recht all ... gemeine Bildungstiefstand unter den Berufsmusikern wirksam auf eine höhere Ebene ' gebracht werden, nur so kann jenes entsetzliche Handwerkertum unter so vielen, das die Kunstausübung zu einer rein manuellen Arbeit degradiert, wenigstens auf die aHerniederste Musikantengruppe beschränkt werden. Tausende können wirkliche Erhebung und Befriedigung aus ihrem Berufe schöpfen, auch wenn sie ihm in dienender Stellung angehören; jeder Orchestermusiker würde sich ohne Aufhören von selbst als Teil des großen Kunstvollbringens fühlen, nicht bloß unter der augenblicklichen Suggestion 'rines bedeutenden Dirigenten, die mit dem letzten Schlag des T acktstockes ihr Ende erreicht hat. ,

Unsere Konservatorien sind zur Vermittlung allgemeiner, über das rein musikali ... sche hinausreichender Bildungsmittel leider recht lückenhaft eingerichtet: anspruchs ... vollere Schüler sind gezwungen, nebenbei eine Mittel ... oder Hochschule zu besuchen, um sich jene Werte zu verschaffen, die man einmal" im Lebenskreise der Gesell.. -schaft, noch mehr der geistigen Künstlerschaft braucht. Wie viel Zeit, Mühe und Arbeit geht dabei verloren, wieviel unnötige Dinge muß der zukünftige Berufs ... musiker in den Mittelschulen mit heißem Fleiße und Überwindung verdauen, die wirklich wertlos für sein späteres Leben sind. Anderseits ,weist der Lehrplan dieser Lehranstalten fühlbare Lücken, namentlich für den Bildungsga11-g künstlerisch und menschlich zu orientierender Menschen auf: zu wenig oder parteiliche Literatur ... geschichte," von Kunstgeschichte kau~ eine Spur, ebensowenig Kulturgeschichte oder Bürgerkunde u. s. w. Der Widerstand, den so viele Mittelschullehrer selbständigen geistigen, namentlich künstlerischen Bestrebungen einzelner Schüler entgegensetzen, ist außerdem ein schweres Hemmnis für die Entwicklung der jungen Leute, der für sie in späteren Jahren besonders fühlbar wird. Die Eltern stehen bei diesem Widerstreit "meist auf Seite der "praktischen" Schule und schaffen so schwere Kan ... flikte zum Schaden ihrer Kinder. Daß diese "was Ordentliches lernen sollen" - wie es immer heißt - ist natürlich ganz berechtigt, aper dies sollte eben in den größeren Konservatorien, selbst, namentlich in den musikpädagogischen Staats ... anstalten gelehrt werden, die verpflichtet wären, ihre Berufsschüler mit allen jenen Kennt ... nissen allgemeiner Bildung auszustatten, die auch die Mittelschulen vermitteln. Natürlich mit entsprechender, dem eigentlichen Berufsstudium streng angepaßter Auswahl, mit

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Auslassung jedes unnötigen Ballastes und besonderer Berücksichtigung aller kultur ... ellen, geistigen und künstleri~chen F.ächer. Auf diese Weise wäre eine bedeutende Vereinfachung und Verbesserung der Bildungsarbeit erreicht und viel Zeit gewonnen, die sich künstlerisch und technisch aufs: beste verwerten ließe.

Von leistungsfähiger privater oder besser staadicher Seite, namentlich in unserem armen Lande, das immerhin Unerschöpfliches an künstlerischem Exporte zu leisten imstande ist, sollte auch einer weiteren wichtigen Frage nähergetreten werden: der Errichtung moderner, musikalischer Internate. Die uralte, zunftmäßige Organisation, Zusammenleben von Meistern und Schülern, wie sie in den deutschen Stadt ... pfeifereien, in den venezianischen Ospedalettis, in den alten Konservatorien, bei den Sängerknaben und den alten Musikschulen der Klöster und Stifte bestand,. hat zweifellos ihre eminent praktischen Seiten: außerbrdent~iche Vertiefung in das Technische und Betriebsmäßige des Faches, Hebung des Standesbewußtseins und der Kollegialitätt gegenseitige Hilfe und Unterstützung auch für spätere Zeiten. Solche Internate dürften nur die Aller begabtesten, womöglich ohne. Entgelt, aufnehmen und sollten mit allen neuzeitlichen pädagogischen Hilfsmitteln ausgestattet sein, freie

, Künstler und freie Menschen zu erziehen, wirkliche Meister ihres Faches im guten alten Sinne. Nebenbei: so viel freie Luft als nur möglich, Wanderungen, Spiel und Sport, Sonne, Erziehung zur freudigen Arbeit mit offenem Auge, Lust an Licht und Leben, weitestgehende Individualisierung und vernunftgemäße Pflichtein teilung, Vermeidung jeder geistigen Uniformierung, Freundschaft und wirkliches Zusammen ... leben zwischen Lehrern und Schülern. So könnte vielleicht Außerordentliches er ... reicht werden.

Das rein Technische und spezifisch Musikalische des Ausbildungsunterrichtes bedürfte mindestens einer ebenso gründlichen Reform und Ausgestaltung wie der Elementarunterricht. Auch den schon reiferen Schüler beherrscht heute allzusehr das rein Mechanistische auf Kosten der vokalen, geistigen Einstellung zum Kunst ... werke. Gut neunzig Prozent der Klavierschüler ·spielen etwa Beethovens Sonaten rein nach den äußerlichen Vortragszeichen, einmal schnell, einmal langsam, stark oder schwach, genau nach Anweisung, ohne auch nur eine leise Ahnung von den wunderbaren psychologischen und künstlerischen Bedingungen einer Sonate, dem tiefen Sinn der Themenkontrastierung, Durchführung, Reprisen und Codas etc. zu haben" Mit ein wenig Formenlehre und der Aufzählung von Hauptthema,. Seiten ... thema, Repetitition und anderen Selbstverständlichkeiten ist es natürlich noch lange nicht getan. Wie wenigen .unserer Lehrer ist es jedoch gegönnt, dem Schüler tiefere Einblicke in den Wunderbau der Sonatenschöpfungen eines Mozart, Beet ... hoven oder Brahms zu eröffnen, woran der junge. Adept nicht nur praktische Harmonie ... und Formenlehre studieren, sondern ein wahres Evangelium finden soll, das ihm durch alle Zweifel und Irrwege des künstlerischen Lebens leite . . Aber die meisten Pädagogen reden daran herum oder vorbei, und wo die Begriffe fehlen, da stellt sich in der Musik unfehlbar das "Programm" ein, jene abscheuliche Notbrücke, die, hochstapelnd, statt in die Werkstätte der Genies zu führen, in der kleinbürger ... lichen Rumpelkammer der Geistessphäre dessen ihr Ende hat, der sie sich für den "praktischen Gebrauch" zurecht zimmerte. Nie ist ärgerer Mißbrauch mit den Meisterwerken unserer Klassiker getrieben worden, als in jenem allbekannten und benützten "Führer durch den Konzertsaal44

, pem Vademecum der Rezensenten und derer, die über ,Musik reden wollen; und die flammenden Worte die unser·

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hervorragender österreichischer Theoretiker Dr. Heinrich Schenker immer wieder gegen ' jenes verfängliche "Hermeneutentumll findet, muß ich Punkt. für Punkt unter" schreiben. Wer die außerordentlich tiefschürfenden Werke dieses noch immer zu wenig gewürdigten M<!nnes, seine "Musikalischen Theorien und Phantasien", seine wundervollen, wenn auch stark polemischen Erläuterungen zu' Beethovens "Neunter" und den letzten Klaviersonaten und zu Bachs "Chromatischer PhantasieU wirklich studiert hat, der wird verstehen, wie ich mir ein ideales, ganz spezifisch aufs Musikalische gestellte Eindringen in die Kunstwelt unserer Meister, wie es jeder Lehrer seinen Schülern bieten soHte, ungefähr vorstelle.

Hier komme ich dazu, den Finger auf eine andere Wunde zu legen: die Studien .. ausgaben unserer Klassiker. Wie wenig Liebevolles, Brauchbares, Originaltreues ist da darunter, um wie viel mehr/ der schreiende persönliche Ehrgeiz der einzelnen Herausgeber, die Meister angeblich zu verbessern, neue Nuancen, Tempi, Ritardandi und Fingersätze zu erfinden und den ahnungslose.il Leser zu überzeugen, daß Bach oder Beethoven nur in dieser oder jener Auffassung zu spielen sei, während für Bach und Beethoven doch nur eine einzige Auffassung möglich ist, eben die Bachs und Beethovens. Kommt solch ein tyrannischer Herausgeber an eine prominente Stellung in einer Musikschule, so müssen sich naturgemäß ganze Schülergenerationen seine "Ausgaben und Auffassungen" zu eigen machen und dafür büßen. Gute, .wirklich moderne, der praktischen Er~ahrung entsprungene Arbeiten kommen dann umso weniger zu Worte, je mehr sich Klüngel, Selbstgefalligkeit und Stuben .. gelahrtheit breit machen.

Überhaupt der Weihrauch! Die ängstliche Behütung und Selbstabsperrung der Person des "Meisters" von seinen Schülern, allzuoft nur der Deckmantel f11r allerlei . Unsicherheit, die unsere findige Jugend ja 40ch häufig durchschaut und dann ver .. schlossen, zweifelnd und unsicher wird. Wie nötig ist ~ie Erkenntnis, daß auch der Lehrer von den Schülern lernen und empfangen kanq, und daß nur offene und verschwenderische Mitteilung der Persönlichkeit, falls diese etwas bedeutet, die fruchtbringende Resonanz in den Herzen der Horchenden auslöst.

Der Lehrer lasse den Schüler an seinem Wirken und Schaffen teilhaben, er quäle ihn nur nicht mit rein persönlichen Angelegnhei.ten. An den Konservatorien

. ist reichlich Gelegenheit zu praktischer Berufstätigkeit im Zusammenwirken mit dem Lehrer gegeben. Wie in den Lehrerbildungsanstalten die Übungsschulen, wo die jungen Lehramtskandidaten unterrichten, zu den besten und sorgsamsten Er .. ziehungsstätten für die Kinder zählen, so muß die Ubungsschule in den Konserva .. torien, die einen Ausbildungskurs für Musiklehrer besitzen, die vorbildliche Ein .. richtung des Institutes werden.

Hier kann noch vieles durch verständige Unterweisung und Führung gutgemacht werden, was verderblich für späterhin geworden wäre, wenn der junge Lehrer auf sich selbst angewiesen ist. Teilnahme an allen Chor .. , Kammermusik .. und Orchester .. übungen und an den Proben und Aufführungen der Opernschule - nicht blas auf dem Papiere - ist unerläßlich, schon der Universalität ' und Erfahrung in ·den Grenzgebieten seines Berufes wegen, die ein guter Lehrer unbedingt besitzen muß. Daß der Lehrplän eines Lehrerbildungskurses natürlich mit besonderer Sorgfalt ausgearbeitet sein muß, halte ich wohl für selbstverständlich. Hier muß ein weises Verhältnis zwischen dem notwendigen Maß an Theorie und der so wichtigen praktischen Vorbildung gefunden werden, auch darf das rein Technische im Haupt ..

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fache keinesfalIs zurückgestellt bleiben. Zum Reifezeugnis genüge nicht allein die sogenannte "Probelektion" bei der Schlußprüfung : einjährige erfolgreiche Betätigung in der 'Übungsschule nach längerem Hospitieren, auch auf elementartheoretischen Gebiete mit besonderer Pflege der "vokalen" musikalischen Einstellung ist wohl der mindeste praktische Befähigungsnachweis,

Die so beliebte und mit fast frivoler Leichtigkeit abzulegende "Staatsprüfung in Musik~~ gehört zu den schädlichsten Einrichtungen unserer offiziellen Kunstbeauf ... sichtigung. Die Anforderungen an die Kandidaten, die sich nach dieser Prüfung als "staatlich geprüfte und autorisierte Musiklehrer~~ betrachten dürfen, sind lächerlich gering: Im Hauptfache kaum die Anforderung der ersten Ausbildungsklassen irgend ... eines höheren ~onservatoriums, erstaunlich wenig Harmonielehre, ein bißchen Musik ...

. geschichte, eventuell i"allgemeine Bildung", etwas "theoretische Pädagogik", das ist alles. Welcher der Prüfungskommissäre, die das Zeugnis mit ihrer Unterschrift bekräftigen, konnte sich die Überzeugung verschaffen, daß solch ein ohnehin mangel ... haft vorgebildeter Kandidat irgendeine Befihigung zur praktischen Unterrichts ... erteilung besitzt? Wieviel Unheil kann dagegen der also Graduierte noch anrichten! Der Ruf nach einer durchgreifenden Reform der musikalischen Staatsprüfungen ist daher, namentlich in den berufenen pädagogischen Kreisen, ein sehr dringender geworden; es bliebe nur zu hoffen, daß unsere Unterrichtsverw:aItung sich dieser brennenden Frage möglichst bald annehmen möge. Sollte die Einführung der "Ein ... heitsschule" und der "Begabtenschulen" zur Tat werden, in welcher, wie ich höre, dem Musikunterricht ein breiterer Raum eingeräumt werden soll, dann ist das Problem der Heranziehung erlesener Musiklebrer auch für den Staat selbst ein ganz . aktuelles geworden und in seine persönliche Interessensphäre gerückt. Die Aus ... bildung von Musiklehrern in eigenen Seminaren, wo man den Studiengang und die Eignung der Zöglinge durch Jahre genau beobachten kann, wie sie an der Wiener Staatsakademie und am Salzburger Konservatorium "MozarteumU eingerichtet sind, ist jedenfalls bedeutend wertvoller als das Staatsprüfungssystem, wodurch das StudilJ1ll völlig den privaten Entscheidungen des Schülers überlassen bleibt, sein Lehrgang daher nicht überwacht werden kann, und eine zufällige Prüfung ein unverläßliches Urteil spricht. .

Die Frage des m u si k th e 0 r eti s ch en U n te rr i ch tes erscheint mir gleichfalls ein wichtiges Problem, dessen endgültige Lösung noch mancher gründlicher Vor .... arbeiten bedürfte. Die überall gepflegte Methode des ge tr enn ten Unterrichtes in Harmonielehre und Kontrapunkt, namentlich hei Schülern, welche nicht mit den Anfangsgründen der Harmonielehre allein ihr Auslangen finden müssen, erscheint mir umständlich und zu divergenten Zielen führend, die doch nur ein Ziel sein sollen. Gute (kontrapunktisch richtige) Stimmführung erfordert auch die Harmonielehre und ein kontrapunktischer Satz muß auch akkordisch richtig gedacht sein. Viele Gesetze der Harmonielehre, beispielsweise die Lehre von der Umkehrung der Akkorde, die Behandlung der sogenannten "harmoniefremden Töne", gewisse, vom Melodischen abhängige, auf motivischer Verarbeitung beruhende Modulationen etc. fußen auf kontrapunktischer Grundlage. Nur dann wird das Gefühl für die Auf .... lösung dissonanter Akkorde (Gesetz der B ewe gun g durch die Dissonanz) und für Akkordverbindungen ein richtiges und sicheres werden, wenn die Gesetze und psychologischen Forderungen der Stimmenfortschreitung erkannt und durchdacht sind. Es fehlt uns eben an dem richtigen Lehrbuch, das heide Disziplinen, deren

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Trennung auch historisch kaum zu rechtfertigen ist, methodisch wieder zusammen .. faßt; etwa mit dem einfachen zweistimmigen Satze beginnend, beim dreistimmigen Sa~ze die Lehre vom Dreiklang mitbehandelt, dessen Umkehrungsgesetze zugleich mit der kontrapunktischen Umkehrung gelehrt werden m~ßten. In ähnlicher Weise wäre das ganze System gleichmäßig und sparsam auszubauen. Der praktischen Harmonielehre, Anwendung der gewonnenen Erkenntnisse auf dem Instrument (Klavier, Orgel, Streichquartett) namentlich auch im vokalen Zusammenklange, der ganz andere Voraussetzungen als die willfährige instrumentale Maschine hat. wäre besonderes Augenmerk zu widmen, namentlich in den Konservatorien, wo Instrumentalisten und Schülerchor ständig zur Verfügung stehen. Für Ausbildungs .. schüler empfiehlt sich dringend, eingehendes, methodisches Studium der Formenlehre und praktische Vorträge und Übungen in der Literatur ihres Instrumentes. In den Vorträgen über Musikgeschichte sind mit Vermeidung jedes trockenen Zahlen .. ballastes die großen Beziehungen zu den gleichzeitigen kulturhistorischen Ent .. wicklungsphasen und zur Literatur .. und Kunstgeschichte nicht außer acht zu lassen. Die "musizierenden Engelll von Memling oder die frühlingsschöne Musikergruppe aus de:rp. "Triumph" des Todes'· von Orcagna geben uns hellere Einblicke in die Musikpflege früherer Zeiten als tausend Worte; die Kunst Palestrinas, Mozarts, Beethovens, Wagners, kurz, aller Meister, hat ihre Wurzeln und Erscheinungsformen in kulturellen, sozialen und politischen Tatsachen. Es ist erstaunlich, wie . leicht die Schüler die schwierigsten z·eitlichen und historischen Zusammenhänge in der Musikgeschichte erfassen und mühelos behalten, wenn sie diese mit starken bild .. haften Vorstellungen verbinden lernen. Also Anschauungsunterricht, Kostümbilder, alte Notenschriften und Instrumente, zeitgenössische Bildwerke - nur keine Phantasiegemälde und Al1egorien~ musikalische Skizzenbücher (Notehohm, Beethoveniana! I). Praktische AuffÜhrung der Tonwerke in möglichster Original .. besetzung durch Lehrer und Schüler, Schülerchor und Schülerorchester, Besuch von Instrumentensammlungen, Museen und Archiven etc.

Für Instrumentalisten, Kapellmeisterschüler, Gesangs .. und Opernschüler, die einmal genügend weit vorgeschritten sind, ist die praktische berufsmäßige Tätigkeit ein besonders wichtiges Erfordernis und jede größere Musikschule, die diesem Petit nicht in vollem Maße nachkommen kann oder will, ist apriori als mangelhaft zu bezeichnen. Schon den kleinen Schülern sei Gelegenheit gegeben, in Vorspiel oder Übungsabenden, ganz intern, vor Lehrern und Schülern, Kollegen und Eltern öfters ihr Können zu zeigen. Wenn diese Veranstaltungen klug geleitet werden, kann Eigendünkel und Selbstgefalligkeit nicht aufkommen; wenn die guten Seiten des Ergeizes und der Konkurrenz zur Geltung kommen, ist das nur ein Vorteil, Eltern und Lehrer überzeugen sich von den Leistungen der Schule und die Kinder lernen das Vorspielen vor einem ~ndern Kreise als dem kritiklos bewundernder Verwandten für selbstverständlich empfinden, gewöhnen sich an das Podium leicht und ohne das störende Lampenfieber, das sich erfahrungsgemäß erst im späteren Alter einzustellen pflegt, wenn die Scheu vor dem Publikum eben nicht schon als Kind tberwunden wurde, das an solche Nervositäten gar nicht zu ~denken pflegt. Regelmäßige Vortragsabende und Konzerte für die reiferen Schüler - keine Protektion und Starvorführungeo, sondern gleichmäßige Auswahl der Vortragenden! -mit guten Programmen, die mitunter auch für Ausführende und Hörer von pädagogischem und historischem Nutzen sein können (Komponisten .. und Stilabende),

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hat jede Musikschule unter Verantwortung ihres Leiters zu halten. Die Zusammenstellung der Vortragsordnungen in den Jahresberichten mancher solcher Lehranstalten läßt manchmal allerdings erschauern und einen bedeutsamen Schluß ziehen, was dort alles noch im Laufe des stilleren Unterrichtens geschehen mag. Mit aUer Strenge ist von der Direktion unnachsichtlich auf den regelmäßigen Besuch des Schülerorchesters und des Schülerchors zu sehen. Die Fachlehrer setzen diesen so wichtigen Nebenfachern, die so Außerordentliches zur Stärkung des Musikgefühles und der Routine beitragen, oft Gleichgültigkeit, manchmal sogar Widerstand ent ... gegen. Das Schülerorchester diene nicht ZU Parade ... Aufführungen. Hier mögen die reiferen Instrumentalisten zum erstenmal ihre Konzerte mit Orchesterbegfeitung, die Opernschüler ihre Arien und Ensembles studieren, von den Kapellmeister ... schülern geleitet, die der Lehrerdirigent zwar ununterbrochen überwachen und anleiten, aber niemals aus persönlichem Ehrgeiz verdrängen soll; womöglich auch bei öffentlichen Aufführungen nicht. Der Schülerchor diene im Gegensatz zu den zahllosen Liebhabervereinigungen, die nur "auf Programm4

/ studieren, in erster Linie dazu, met ho dis c he n Chorgesang (Ansatz, Aussprache, Vokalisation, Sol ... feggien etc., wie im Sologesang) zu pflegen und die wertvolle A ... capeUa ... Literatur aller Zelten zu kultivieren. Die schon in der Elementarstufe geübte "vokale Ein ... stellung", -das selbstverständliche Erfassen des schönen Chorgesanges käme in einem solchen Schülerchor zu besonders prägnanter Auswirkung. Franz WülIner hat in diesem Fache schon vor vielen Jahren Vorbildliches geleistet und seine "Münchner Chorschule" bleibt ein unübertroffenes Buch, gleich mustergültig durch die Sorgfalt der stofflichen Behandlung und durch künstlerische Auswahl. Der dritte Band ist ein Kompendium erlesener Literatur.

Wo ein größeres Konservatorium einem Konzertinstitute angegliedert ist, wie die~ in der alten "Gesellschaft der Musikfreunde" in Wien der Fall war und am Salz ... burger "Mozarteum" besteht, kann dies bei entsprechender Einrichtung ein wahrer Segen für alle Schüler werden, die sieh an den Proben und Aufführungen der reifen Künstler, nach Umständen selbst im Chor oder Orchester tätig, weiterbilden können und so schon in jungen Jahren in konkrete Beziehungen zum großen Kunstwerke treten, was ihnen ernste Liebe zur Musik, Ansporn und Verantwortliehkeitsgefühl gibt. Auch könnte eine mögliche Verbindung mit dem Theater, namentlich in kleineren Städten, wo durch Zusammenlegung aller Kräfte bei größter Ökonomie der Mittel die möglichste, künstlerische Höhe erreicht werden muß, von denkbar größtem Nutzen für beide Institute, Theater und Schule werden, vorausgesetzt, daß diese eine gewisse Höhe erreicht hat und über eine größere Opernschule, Opernchorschule, Kapell ... meisterschule oder Schauspielschule verfügt. Reife Schüler, die ohnehin vor dem Enga .. gement stehen, könnten auf der "großen Bühne" in einem Ensemble erfahrener·Künstler die so notwendige Bühnenroutine erwerben, die Kapellmeisterschüler könnten viel ... fältige praktische Verwendung finden und der Schülerchor würde wie die jungen Leute- der Schauspielschule als Verstärkung des Theaterchors oder Komparserie gute Dienste leisten und dabei wenigstens ordentlich Gehen oder Stehen auf den Brettern lernen, was bekanntlich eine recht schwierige Saahe ist. Den Schülern wäre die nütz ... liehe Gelegenheit gegeben, bei Proben anwesend zu sein; durch einheitliches Zusammenwirken der leitenden Faktoren des Theaters und der Schule, die auf alle Fälle sorgfältigeres Studium gewährleistet als die Bühne, ließe sich auch an kleineren Orten eine starke künstlerische Tradition schaffen, die der Provinz empfindlich fehlt.

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Das aber auch in den Hauptstädten ähnliche PI~ne erwogen werden, zeigt das Beispiel Münchens, wo dem Vernehmen nach Bruno Walter die Verbindung einer eigenen Opernklasse der Akademie mit dem Opernhaus durchführen will; Max Reinhardt hat in Berlin Schule und Bühne mustergültig verbunden.

An Orten mit starker kirchlicher Tradition darf auch die Vereinigung von Musikschule und Kirche nicht fehlen, namentlich dort, wo an der Schule ein kirchen ... musikalischer Ausbildungskurs systemisiert ist.

Dem eigentlichen Konservatoriumsbetrieb, ich verstehe darunter die möglichst universelle Ausbildu~g der Schüler mit allen Nebenfächern und Studienbehelfen, werden sich in Musikschulen, die nicht mit ausreichender staatlicher oder privater Geldhilfe rechnen können; erhebliche Schwierigkeiten, namentlich finanzieller Art, entgegenstellen, die wiederum auf das künstlerische Niveau der Schule drückend einwirken. Die Erhaltungskosten für einen wirklich qua1ifizi~rten Lehrkörper sind sehr bedeutende und die Anstalt bleibt angewiesen, in der Auswahl des Schüler .. materials nicht allzu rigoros zu sein, Berufsmusiker und Dilettanten unterschiedslos aufzunehmen. Trotzdem soll in den einzelnen Klassen das Höchstmögliche err~icht werden. Die Einrichtung eigener "Dilettantenklassen u, wie sie in einigen Konservatorien (Zürich) bestehen, halte ich für verfehlt; es liegt kein Grund vor, in der Art des Unterrichtens zwischen Berufsmusikern und Liebhabern zu unterscheiden. Die Aus .. lese der Schüler muß sich lediglich nach ihrer Begabung und der Intensität ihres Fleißes richten, wobei immer die Wahrscheinlichkeit besteht, daß diejenigen, die einmal mit der Musik ihr Brot' erwerben wollen, den größeren Prozentsatz der guten Auswahl darstellen. Doch ändern viele Schüler in spätere,n Jahren ihre Berufs .. wahl. Die Einrichtung der Konservatorien kann auf diesen Umstand in der Weise Rücksicht nehmen, daß für die Absolvierung der einzelnen Stufen (Unterstufe, Ober .. stufe, Vorbildung u. dgl.) eine normale Studienzeit von zwei, drei oder mehr Jahren vorgeschrieben ist, für den Übertritt in die nächst höhere Stufe aber eine genaue, umfassende Prüfung verlangt wird. Nicht vollkommen entsprechende Schüler werden zunächst noch in der unteren Stufe weiterbehalten, so daß in den höheren Stufen schon eine gewisse Auslese besteht. Die höchste Stufe stelle für die mittelmäßigen Schüler eine mehrjährige- Fortbildungsklasse dar, in der der Lehrstoff der Begabung entsprechend zu Ende gebracht werden kann. Diese Schüler erhalten nur ein Abgangs .. zeugnis, kein Reifezeugnis. Dieses dürften nUr ' die Schüler einer besonderen Aus ... bildungsklasse erwerben, in welche der Übertritt etwa aus dem zweiten Jahrgang der Fortbildungsklasse nach ' strengerer Prüfung erfolgen kann, jedoch nur bei ent ... sprechendem Fleiße und besonderer Begabung. In solchen Klassen, in die natürlich auch die Schüler mit spezieller Fachbildung (Lehrerbildungskandidaten, Kap eIl ... meisterschüler, Opernschüler, Chorleiter, Kompositionsschüler etc.) gehören, könnte bei entsprechender Einrichtung des Lehrplanes auch in kleineren Anstalten Vor .. zügliches geleistet werden; ein Reifezeugnis würde dann wirkliche Empfehlung bedeuten, nicht bloß ein allzu optimistisches Blatt Papier sein. Unter allen Umständen muß der Schüler seine praktische Verwendbarkeit öfters erwiesen haben und die Reifeprüfung, über die ein eigenes Kapitel zu kurz würde, muß auf diese Seite der Begabung und Fertigkeit des Kandidaten In erster Linie Rücksicht nehmen.

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T S C H E CHISCHE I

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Von Emil eh vala, Prag

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MUS I K

J osef Suk, der zweite Führer der tschechischen Moderne in der Musik, ist am 4.Jänner 1874 in Krecovic bei Neweklan geboren. Er ist als Geiger (Sekundarius des renommierten Böhmischen Streichquartetts) aus dem Prager Konservatorium hervor ... gegangen und war in der Kompositionsschule daselbst Schüler Ant. Dvora.ks, der frühzeitig sein Talent entdeckte und zur strengen Kunstausübung verhielt. Schon anfangs der neunziger Jahre machte mich sein Lehrer Dvorak auf ihn aufmerksam und verhehlte nicht die Besorgnis, die ihm der ungestüme Neuheitsdrang des Jünglings einflößte. Es lag eine gewisse pädagogische Absichtlichkeit darin, daß er die Kompo ... sitionsversuche Suks ausnehmend streng beurteilte. Vielleicht war dabei der Grundsatz maßgebend, daß das Talent verpflichte, oder der Wahlspruch Schumanns, man solle , gegen Talente nicht höflich sein - sicher ist, daß Dvorak seinem Lieblingsschüler gegenüber mit dem Lobe sehr zurückhaltend war. Um so größer war die Anhänglichkeit des Schülers an den Lehrer. Suk verehrte ihn nicht nur, er liebte ihn auch, pries seine Werke und studierte sie zur Darnachachtung. Das erste, was man von dem jungen Suk zu hören bekam, war das im Mai 1891 auf einem Schülerabend des Konservatoriums zur Aufführung gelangte Kl a v ie r quarte tt in A ... m 0 11, welches ein Jahr später unter Patronanz der Böhmischen Akademie als Op. 1 bei Fr. A. Urbanek im Druck erschien und allgemein durch seine Formfertigkeit und Ausdruckgewandtheit überraschte. Dabei mutete es inventionell so frisch an, daß man seinen Schöpfer rasch liebgewann und geneigt war, ihn für höhere Ziele in der böhmischen Musik in Vormerk zu nehmen. Zwei Jahre später ~olgte das K 1 a v i er ... q uin te tt in G ... m 011 (Op.8), bei dem Ausdrucksglätte, Formsicherheit und Satz'" logik schon als etwas Bekanntes wiederbegrüßt und ein wesentliches Merkzeichen der Begabung, der packende Schwung der Kunstäußerung, empfehlend in Erscheinung trat. Man ward inne, daß in Suk ein ' musikalischer Feuergeist sich zum Worte melde. Natürlich ist der DvoH.ksche Einfluß in beiden Werken augenscheinlich, sozusagen handgreiflich, wenn auch bisweilen darin Funken aufleuchten, welche die Sehnsucht nach dem Einhergehen auf der eigenen Spur künden.

So sehr es den jungen Künstler zur Kammermusik drängte, der er auch als ausübender Musiker anhing. und so stark er sich zur Lyrik hingezogen fühlte, nach welcher die singende Seele des schwärmerischen Gefühlsmenschen verlangte, die N ei gun g zur Or ch e s tr al mus ik, welche in der Folge oberhand gewinnen und die Vertraute des Innenlebens des Künstlers werden sollte, kam frühzeitig zum Durchbruch. Schon in den Schulversuchen, wovon eine dramatische Ouverture aus den Jahren 1891/92 weiter bekannt wurde und später im Klavierauszuge im Druck (Ed. M. U., Prag) erschien, wurde es deutlich, daß das Orchester als künst ... lerisches Ausdrucksmittel Suk besonders zusage, seinen Klanisinn erfinderisch mache

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und die Gabe der anreizenden Farbengebung in hervorstechender Weise herausfordere. Die Streichserenade in Es ... dur (Op. 6, 1896 bei Simrock in Berlin im Druck erschienen), ebenfalls eine ' Schülerarbeit Suks, dokumentiert neben der blühenden Erfindung begreiflicherweise mehr die Gewandtheit im vierstimmigen Satze, als das koloristische Talent, das erst in der Sc hau s pie I mus i k zu Zeyers "Radus a Mahulenau (1898) und "Pod jabloni41 (Unter dem Apfelbaum, 1901) und hauptsächlich in der e'rsten Symphonie (E .. dur, Op.14, aus dem Jahre 1899) sehr entschieden und wirkungskräftig sich äußerte. Während die Symphonie sich rückhaltlos zur absoluten Musik bekannte, die traditionelle Form voll respektierte und mit fühlbarem Vergnügen im Vollbesitze der Kunst der Polyphonie schwelgte, den imitatorischen Satz -bevorzugend, läßt die Schauspielmusik, von der phantastischen Poesie des großen Schwärmers berauscht, impressionistische Anwandlungen fühlen, welche aber in der Ausdrucksweise vorläufig noch keine Einkehr bei der Moderne beinhalten. Das Beispiel des Lehrers, mit dem den Künstler später auch verwandtschaftliche Bande vereinigten (er führte dessen Tochter Ottilie heim), wirkte nachhaltig und schlug freiheitliche Gelüste nieder, denen Meister Dvorak nicht geneigt war. Indeß darf der Einfluß Dvoraks auf das Schaffen Suks nicht überschätzt und hauptsächlich nicht dahin gedeutet werden, daß ihm auch die Invention des Schülers untertan war. Die Spontaneität des Talentes war wohl lenkbar, aber nicht zerstörbar .. Auch war Dvo:f<ik viel zu überzeugt von dieser Spontaneität und entgegen der vorgeschützten Kühle viel zu verliebt in dieselbe, als daß er einen Druck darauf hätte üben wollen.

Der Impressionist in Suk regte sich frühzeitig in dessen K I a vi er s t ü c k e n. Der Träumer und Stimmungsmensch in ihm, wohl auch der Bekenner des überschä,umenden Gefühles, verkehrte intim mit seinem Instrumente, das ohne Herankehrung des virtuosen Klaviersatzes seine Poesien verständnisinnig und unter eigenartiger Akzen .. tuierung des Gefühlstones verdolmetschte. Besonde1"s packend war ihr Gesang in vollem Brustton, wie ihn beispielsweise das L i e b es I i e d aus Op. 7 vernehmen läßt. Dabei wird der Ausdruck von Werk zu Werk kühner in Harmonik und Modulation, persönlicher, die Äußerung treulicher und inniger. Die Sti mmungs .. bi 1 der Op. 10, der Zyklus "Jarou (Der Frühling), der suggestiv wirkende Zyklus ,,0 matince4

' (Vom Mütterchen), Op. 28, und die 1909 bei Breitkopf & Härtel erschienenen Klavierstücke Op.30 "Zivotem asnemu (Durch Leben und Traum) -~ alles bewegt sich in aufsteigender Linie und fortschrittlicher Richtung, die Verschärfung ,des Ausdruckes anstrebend und individuell sich abklärend. Dabei widerspiegelt sich in diesen schlichten Tonpoesien das Bild eines erst Glück ausstrahlenden, dann von Schicksalsschlägen wild umtosten Künsterlebens. Für die Seelenkämpfe, Momente der Verzweiflung und Äußerungen schmerzlicher Resignation gibt' es nur mehr Neutöne, die den Bruch mit alten Satzungen der Romantik verkünden, und mit dem Sicheinspinnen in die ' Erinnerung an Durchlebtes und Durchempfundenes auch die Eigenart des Sichäußerns finden. Die Klaviermusik Suks hat hier nur, obenhin erwähnt werden können; sie ist, wiewohl charakteristisch für sein intimes Musizieren und empfindsame" Sichauslehen in Tönen, nicht der wesentlichste Bestandteil seines Kunstschaffens.

Wenn wir nun von der Klaviermusik Suks zu dessen Kammermusik zurück ... kehren, um ihre Fährte, die wir beim Quintett Op. 8 verlassen haben, weiter zu verfolgen, so begegnen , wir nach langer Wanderung im Jahre 1911 dem zweiten S t r ei c h qua r t e t t (Op. 31) des Komponisten. Nach langjähriger Pflege des poetischen

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Programms in der Komposition kennzeichnet es die neuerliche Einkehr bei der absoluten Musik; freilich nur eine vorübergehende, deI).n die Wandlung, die sich inzwischen im Leben, und dementsprechend auch im Dichten und Trachten des Künstlers vollzogen hatte, bewirkte eine bleibende, schier unlösbare Verbindung mit der Programm ... Musik, die fortan tonangebend blieb, die musikalische Äußerung in den Dienst der poetischen Idee stellte. Das Ringen nach Verselbständigung des Ausdrucks hat auch da kräftige Erfolge aufzuweisen; ein Neuklang eigener Erfindung beherrscht den Satz. Der in dem einsätzigen Werke auffällige Bruch mit der traditionellen Form ist mehr oder weniger nur ein äußerlicher i man findet im zweiten Streichquartett die kontrastierenden Sätze der zyklischen Sonatenform ineinander verwachsen. Eher der aufrichtige Freidenker als der erklärte Revolutionär ist da an .. der Arbeit, welche gedanklich und im Ausdrucke zu dem Eigenartigsten gehört, was die moderne Kammermusik ... Literatur aufzuweisen hat. Ein kammermusikalischer Stoß ... seufzer aus dem geängstigten Herzen ist die im Spätherbst 1914 zur Erstaufführung gelangte "Me di ta tion auf den S ankt Wenzels ... ChoralU (für Streichquartett). Der Kriegsausbruch hat ihn gezeitigt, die Vaterlandsliebe des böhmischen,Künstlers beflügelt. Nach außen hin ist es eine imponierende Manifestation der klanglich durchgeistigten Kunst des originellen und kühn sich aufbauenden vierstimmigenSatzes.

Eigentümlich ist bei Suk, dem Dichter der singenden Seele, dem Liebling der ,großblütigen Lyrik, die seltene Einkehr beim Li e de, dem Sololiede sowohl, wie dem mehrstimmigen. Sein ist das Lied ohne Worte, der vertonte Gedanke, dem seine Instrumentalmusik beredten Ausdruck verleiht. Nur selten und nur in volks ... tümlichem Ton regt ihn das Gedicht zur Liedkomposition an, und zwar zumeist zur mehrstimmigen, instrumentalbegleiteten. Die ge mi sc h te n eh öre (Op. 19), die den virtuosen, böhmischen Gesangsverbindungen gewidmeten M ä n n er c hör e (Op.32. aus dem Jahre 1912), die im Rahmen der Schauspielmusik entstandenen Gesänge und vereinzelt im dominierenden instrumentalen Schaffen verstreute, anspruchslose J.,ieder, zeigen den Sinn für charakteristische Vertonung des Wortes hoch entwickelt, aber weisen auf nur ausnahmsweise Betätigung desselben hin.

_Auf dem Gebiete der 0 reh e s t ra 1 mus i k, dem ureigensten, best... und reichst ... bestellten der Begabung Suks, kulminiert das absolut ... musika1ische Schaffen des Künstlers in der schon erwähnten ersten Symphonie (E. .. dur, Op. 14, aus dem Jahre 1899), in welcher auch der Dvoraksche Einfluß am deutlichsten sich ausspricht, ohne Einschränkung einbekannt wird, wiewohl auch individuelle Züge durchleuchten t

und ein eigenartiger Instrumentalglanz darauf hinweist, daß die eigene Findigkeit den äußeren Abhängigkeiten G~enzen setze. Die absolut ... musikalische Linie in der Komposition· Suks setzen dann weiters noch zwei Werke fort, die mehr. eine kapriziöse Abbiegung von der bisher beobachteten Richtung, als das Festhalten an

- vererbten und anerzogenen Glaubenssatzungen bedeuten: die P h an ta sie in G .. m 011 für Vi 0 line un d 0 rch e ster, Op. 24, und das p h an ta s tische S ch er z 0, Op.25, beide aus dem Jahre 1903. Die Invention darin ist überschäumend mit einer deutlichen Neigung zur Prachtliebe (jedoch beileibe nicht zum billigen Effekt, den Suk meidet,

. ja direkt verabscheut), und die Findigkeit des geborenen Koloristen schwelgt in genialistischen Anwandlungen und schafft bestechenden Klangreiz. Die Phantasie ist dem Busenfreunde des Komponisten, dem Primarius des böhmischen Streichquartetts, K. Hoffmann, zugeeignet, der sie im Jänner 1904 mit Vollerfolg aus der Taufe hob, ohne sofort in der Interpretation Folgschaft zu finden. Erst in neuester Zeit finden

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sich unter den Geigenvirtuosen Forderet des technisch ziemlich schwierigen, leiden ... . schaftlich aufgestachelten, aber für temperierten Vortrag sicher auch dankbaren Stückes.

In unmittelbarer Nähe dieser heiden absolut .. musikalischen Kraftstücke entstand die erste symphonische Dichtung Suks, "Praga~l, (Op. 26, Uraufführung in Prag im März 1905), in welcher der Komponist, fern von der Heimat. (auf einer Kunstreise des Böhmischen Quartetts) seiner Sehnsucht nach der Moldaustadt Ausdruck gab, und gleichzeitig auf die zuvor nur sporadisch auftretende und nicht bestimmend einwirkende Neigung zum Impressionismus offen einbekannte. Seine Liebe zu Prag erfand ein poetisches Programm, welches dem Idealismus seines Erfinders ent ... sprechend, der ruhmreichen Vergangenheit der böhmischen Metropole in Freud' und Leid huldigt, und im Anschlusse an die Verheißung Libuses ihm künftige Größe kündet. Keine realistische Tonmalerei im dekadentistischen Sinne, sondern ein enthusiastischer Gruß des begeisterten Tonpoeten, mächtig aufstrebend, hymnisch austönend. Man fühlt, daß es nach diesem impressionistischen Glaubensbekenntnisse bei Suk im symphonischen Schaffen keine Rückkehr zur absoluten Musik gibt.

Zwar ist das nächste Werk "A s r a e 1/4 (Op- 27, aus dem Jahre 1906) wieder eine Symphonie, aber ihre Stimmungsmusik und ihr unausgesprochenes, aber deutlich fühlbar~s, poetisches Programm läßt über seine Kunstabsichten und Ausdruckszwecke keinen Zweifel übrig. Erschütternde Schicksalsschläge trafen den Künstler: am 1. Mai 1904 verlor er seinen väterlichen Freund Dvofak und am 5. Juli 1905 starb seine treue Lebensgefährtin Ottilie. Der Tod riß grausam zwei teure Wesen von seiner Seite und begrub mit ihnen sein Lebensglück und für lange auch seine Schaffens ... freudigkeit. Eine ungemein sensitive Natur und gewöhnt, sein Innenleben in Tönen auszudenken und ausklingen zu lassen; betet Suk in 'seinem "Asrae141 unter Tränen und Schmerzensrufen in seiner Art ein Requiem für die V erblichenen, ihr Andenken lieblich umschmeichelnd ,und ihren Verlust untröstlich beklagend. Überall fühlt man die Nähe des Todesengels, die Trauerklage ist mit dem Herzblut des Komponisten geschrieben, das man darin rauchen und sich röten sieht! ! ußerungen von erschütternder Ausdrucksintensität lösen einander ab, Herzenstöne, welche den Hörer die Ereignisse miterleben und die Eindrücke mitempfinden lassen, werden hörbar. Das Werk, das ursprünglich als Panichyde für den verstorbenen Meister gedacht war, und mit eine Apotheose seiner Kunst schließen sollte, erfuhr nach dem zweiten Todesfalle eine Dispositionsänderung : der Finalsatz bringt im Adagio (As ... dur) einen Liebesgesang von ergreifender Inbrunst, dann. folgt die erschütternde Katastrophe und ein ver'" söhnender SchI uB: der Tod ist der friedliche Ausgleich mit dem Leben und bringt Erlösung!

Drei volle Jahre währte es, ehe Suk den S!':hmerz verwand und, in der Arbeit Trost suchend, seine Kunst wiederfand, und zwar als ein geschlossenes Ganzes, zur Gänze impressionistisch umgestimmt, durchaus in Eigenart aufgehend. In seinem Modernismus war Suk nie extrem veranlagt, nie mit Absicht revolutionär, umsturz" gierig. Aber von seinem Hörer verlangte er immer, daß er ihn so nehme, wie er sich gebe. Und jetzt, wo er ganz auf eigenen Füßen stand und mit der künstlerischen Ausreife auch die volle Eigenart .des selbständigen Sichäußerns erreicht hatte, mehr denn je, schrieb er doch fortan nur Selbsterlebtes und Selbstempfundenes, mit dem sich nicht rechten ließ, das kein Verzeichnen duldete und keinen ' Abstrich erfuhr, demgemäß auch mit keiner Note konventionellartig in Erscheinung treten konnte· Seine beiden symphonischen Reifewerke, das Tonbild "Pohidka letaU (Sommer ... märchen), Op.29, aus dem Jahre 1909, und Zraniu (Das Reifen), erstaufgeführt in

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Prag am 30. Oktober 1918, verlangen, ähnlich wie die Reifewer,ke Novaks, zuge ... ständnislos volle Hingabe des Hörers an das Gebotene! Freilich müssen sie sich, hier wie dort, unter Umständen damit zufrieden geben, daß der unorientierte, un ... vorbereitet vor eine gänzliche Neuheit gestellte Hörer nur instinktiv: die Größe der Kunstäußerung empfindet, die ihm in ihrer stimmlichen Komplikation, Kühnheit des thematischen Aufbaues und klanglichen Verwegenheit nicht sofort klar sein und einleuchten kann. Die vier Sätze des Sommermärchens beinhalten Programm ... Musik, deren dichterischer Vorwurf (y, Leb ens ... und Trostesstimmen''', nSommermittagU, "Blinde Musikanten" und n Trugbilder der NachtU) Beziehungen unterhält zum seelischen Genesungsprozeß des zum Leben und Schaffen wiederkehrenden Künstlers. Die Stimmungsbilder des Werkes wirken suggestiv, sind von faszinierender/Eigenart des Ausdruckes, bringen neue, vom vorherrschenden Zeitton vielleicht unbewußt, sicher aber unabsichtlich sich abwendende Musik von fast dämonischer Leuchtkraft der Klangfarbe'n. Der künstlerische Läuterungsprozeß ist vollzogen, eine neue Ton ... welt hat sich dem Künstler erschlossen. '

Im Zentrum des neuen Tonreiches, in welchem Suk allein herrscht, sein Subjek .. tivismus die gesetzgebende Gewalt darsteIlt, und seine-Tonsprache die alleinberechtigte ist, ist sein impressionistisches Hauptwerk, das symphonische TonbiId "Das Reifenu

entstanden. Ein richtiges Reifewerk, in weIchem die Lebensrechnung des Künstlers ohne Rest aufgeht, das Vollbild eines bewegten KünstIerlebens, in welchem die Sturzwelle des Empfindungslebens von den übermütigen Jugendstreichen aufgepeitscht, aus glückbeschienener Höhe am Schicksalsriff zerschellend jäh taleinwärts stürzt, um dann in friedlichen Wellen sanft auszukräuse1n. Die unverhohlene Dreiteiligkeit des einsätzigen Werkes, welches dem Problem des harten Leben.skampfes im Hauptteil und dessen versöhnliche Auslichtung bei der Rückkehr im Mittelteil (einer Art

, freizügigen Durchführungssatzes) des Lebens ToIlen, Berauschen, Sehnen und Ver .. zücken entgegensetzt, bedeutet mehr die Emanzipation von der Form, als den Versuch einer Wiederannäherung an dieselbe. Das Ganze segelt unter polyphoner Flagge eigener Linie und Farbe und widmet dem Andenken der eigenen Anhänglichkeit an den imitatorischen Satz eine breit angelegte Fuge auf das Leitthema der freudigen Lebensbejahung. Ein mächtiger Tonstrom, in welchem die QueIlen der Erlebnisse und Erfahrungen des Empfindens und Erfindens, des W oIIens und Könnens zusammen ... fließen, ein Kraftstück, wie es nur ein zum Meister gereifter Künstler zu bieten vermag. Es schließt auf der Höhe des VerInögens die Epoche der Entfaltung ab und moge der Ausgangspunkt zu neuen Kunsttaten im Zeichen des Neuklangs werden!

III

Jüngste tschechische Musik Von Vitezslav N ovak, Prag

Unter alIen tschechischen Komponisten ist Smetana der einzige, weIcher gegen .. wärtig bei uns aIlgemein anerkannt und geschätzt wird. Wenn wir heute seiner klaren, vom Herzen zu Herzen gehenden Musik. zuhören, können wir wahrlich nicht begreifen, wie man ihrem Schöpfer Wagnerianismus und Mangel, an Volkstümlich ... keit vorwerfen konnte. Ja, heutzutage ist der Smetana .. KuItus so hoch gestiegen, daß er die Bedeutung von Smetanas Zeitgenossen und unmittelbaren Nachfolgern

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herabsetzt, und die jüngere Generation wird jetzt oft :von Smetanas Lobrednern mit denselben Vorwürfen traktiert, nur daß der Name Wagner durch Strauß oder Debussy ersetzt wird. Eine den jetzigen Leitern unseres Nationaltheaters nahestehende Per$ön .. lichkeit soll sich über die moderne tschechische Musik geäußert haben, daß sie in Böhmen mehr Schaden angerichtet habe als die Preußen im Jahre 1866. Glücklicher .. weise teilen gar viele Theaterbesucher diese Meinung nicht, und unser Konzertpublikum, dank dem regen und planvollen Musikleben in Prag, nimmt die Werke der zeit .. genössischen Künstler mit Interesse, manchmal sogar mit Begeisterung auf.

Wenn ich über junge und jüngste tschechische Musik schreibe, kann ich nicht anders anfangen als mit dem Werke eines Künstlers, der zwar nicht mehr jung genannt werden kann, dessen künstlerische Laufbahn jedoch immer ohne Wanken vorw ärts drängt. Es handelt sich UJ;n Jas. S u k und dessen letzte Tondichtung "D a s Re i fe n lt

• Dieses Werk entstand zwar schon vor dem Ausbruch des Weltkrieges, aber seine Instrumentation ging langsam vor sich infolge der Depression, welche den Komponisten, wie so viele andere, bedrückte, und es kam erst in der vorigen Saison zur Erstaufführung. Es bedeutet den Abschluß' und Gipfelpunkt der vorangehenden Schöpfungen, der Symphonien "A sr a el U und toS 0 m m -e r m ä r c he n". Das erst .. genannte Werk war inspiriert durch den Tod Ant. Dvora.ks und seiner Tochter Ottilie, Suks Gattin. Das nächstfolgende Werk, voll schmerzlicher Erinnerungen und drückender Träume, sucht und findet Trost in der Natur. Im letzten Werke endlich zeigt sich volle männliche Ruhe und Überlegenheit. Großer Schwung, wunderbare und kühne Technik und bezaubernder Klang zeichnen es aus. Suks Klangsinn ist überhaupt Klasse für sich.

Von den Künstlern, welche ich nun anführen will, dürfte in Wien Otakar Os tr c il ('" 1879) wenigstens dem Namen nach bekannt sein. Nicht so sein Schaffen t

da fast alles noch ungedruckt ist. Es besteht vorzugsweise aus Opern und Orchester .. werken. Als LiebIingsschüler Fibichs folgte er anfangs seinem Meister, namentlich in der Oper "Vlastas Tod", in der A .. dur .. Symphonie und einem Streichquartett. Dann erweiterte sich sein-Gesichtskreis, und er gewinnt nach und nach an Selbständig .. keit, so im humoristischen Melodram ~ "Vom toten Sch uster und der T ä nz er i n U

, in den Opern "K u n al as Au gen", "D i e K nos pe", in den Orchester .. werken "Impromptu" und "Suite". Während mir das Impromptu überladen scheint, halte ich seine Suite für ein reifes und reizendes Werk und möchte sie allen Musikern bestens empfehlen. In dieser Saison sollen von ihm die Oper "Legende von Erin" und ein Chorwerk "Legende von der heiligen Zita" zur Urauf .. führung gelangen. Ostrcil ist auch ein tüchtiger Dirigent als Opernchef des Wein .. berger Theaters und noch mehr als Leiter eines Amateur .. Orchesters. Zu seinen Lieblingsautoren zählen Berlioz und Mahler, und es ist interessant, seiner geistigen Verwandtschaft mit dem letztgenannten nachzugehen.

An Reger erinnert Rud. Karel (* 1881) sowohl durch seine robuste Gestalt, als auch durch seine reiche und rasche Schöpferkraft, namentlich in den Formen der absoluten Instrumentaltechnik. Eigenartige Gedanken strömen ihm zu in Hülle und Füne, und ihre Bearbeitung nimmt ihn so gefangen, daß der Zuhörer mitunter seine Not hat, immer neuen und neuen Kombinationen zu folgen. Vor einigen· Jahren hörte ich seine Orchesterphantasie "Ideale"t welche unter anderem zwei Adagios und zwei scherzoartige Sätze enthielt - alles ohne Unterbrechung! Der Krieg ereilte ihn in Rußland, wo er seine Sommerferien zubrachte, und seit der Zeit kommen nur

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spärliche Nachrichten von ihm; aber er lebt und schafft weiter auf diesem höchst gefährlichen Boden. Bei Simrock erschienen u. a. eine kräftige Violinsohate und vier Tanzstimmungen (Klavier vierhändig), welche zeigen, wie sich dieser Dvorak .... Schüler von -seinem Meister zu befreien wußte.

Eine merkwürdige Erscheinung in unserer Musikwelt ist gewiß Ladislav Vycpalek (* 1882). Welch ein Kontrast zwischen seinem bescheidenen, schüchternen persönlichen Auftreten und dem Mut in seinen künstlerischen Äußerungen! Außer einem Melodram und einem Streichquartett, welche er als mein Privatschüler schrieb, ausschließlich Lieder... und Chorkomponist. Mit Vorliebe greift er nach gehaltvollen Gedichten - solche von Mombert oder Dehme! übersetzt er selbst und vertont sie in einer Weise, als ob er Zyklopenmauern errichten wollte. Seine Stimmführung ist höchst kühn, aber man findet nichts Zufälliges, nichts, was nicht durch eine felsenfeste Logik geregelt wäre. Und dabei wie tief empfunden und innerlich belebt ist alles, wie überzeugend der Ausdruck! Ich glaube, daß diese Kundgebungen manchen fremden Musiker, auch ohne Kenntnis der Texte, welche allerdings erst das richtige Verständnis erschließen, sehr interessieren würden.

Einen wahren Gegensatz zu dem schroffen und philosophischen Vycpalek bildet sein Freund Jaroslav K fiCk a (* 1882). Sein Werk erzählt nichts von heißem Ringen, es will vielmehr anmutig unterhalten. Daher Kfickas Vorliebe für kleinere Formen, wo er z. B. in seinen "F a belnil sehr humorvoll erscheint. Diese Gabe offenbart er auch in seiner Oper "Hippolyta4l

• Zuweilen jedoch wird er ernst und in sich gekehrt. In solchen Augenblicken sind wohl die intimen und stimmungsvollen Lieder .... zyklen "Nordische NächteU

, "Von der Liebe und dem ,Todetl, "Lieder der Tr e n nun g41 entstanden. Einmal, soviel mir bekannt, unternahm er einen Flug nach den symphonischen Regionen und verbrannte sich auch da die Flügel nicht. Das Ergebnis ist die Ouvertüre "D er bl aue Vo g eIl> (nach Maeterlink), welche bei Simrock erschienen 'ist. , Dieser Gruppe der älteren wäre wohl noch Ot. Zieh anzugliedern, der anfangs

von Smetana beeinflußt (Chorballaden, Lieder), in seinen letzten Arbeiten ziemlich gewaltsam zu modernisieren sich anstellt; _ }an K un c, welcher sich besonders durch rassig .... kräftige Männerehöre günstig eingeführt hat, und Ot. 5 i n (eine Symphonie und kleinere Stücke). Von den jüngeren sioCl zweifellos Vac1av Stepan (* 1889) und K. B. J irak (* 1891) am vielseitigsten. Vac1av Stepan, schon von Kindheit , an ernst und sinnend, mit seiner Vorliebe für komplizierte" zuweilen raffinierte Musik steht derzeit Jos. Suk am nächsten, welchen er auch als bemerkenswerter Pianist am besten interpretiert. Bisher bevorzugte er Kammermusik - ein Klaviertrio, ein Klavierquintett und , ein Streichsextett zeugen von seinem großen Können. Außerdem haben wir von ihm farbenreiche Klavier .... und Vokalmusik. }iraks unaufgeführte Oper "Apollonius11 ist mir zwar ebenso unbekannt wie seine Theatermusik zu Shakespeares "Was ihr wolltU

- ich hörte von ihm jedoch eine Symphonie, zwei Kammermusikwerke und Lieder, welche mir sehr gefielen. Seine Erfindung ist üppig, die Beherrschung der Mittel sicher und zielbewußt - alles zeugt von frisch pulsierendem Innenleben.

Von den jungen Mährern scheint der reichbegabte Vilem Pet r z el k aSt e pan geistig verwandt zu sein. Ausgesprochen modern, aber eine andere Richtung verfolgend, ist auch Boleslav Vo m ci c k a, dessen Klavierstücke wohl dem kühnsten angehören, was bei uns geschrieben wurde. Unwillkürlich drängt sich der Name

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Schönhergs auf - und doch trifft der Vergleich nicht ganz zu. Die Ähnlichkeit ist mehr äußerlich: auch in diesem Zyklus erscheint ein schönes Fugato und in anderen Kompositionen Vomackas, z. B. seiner Violinsonate, findet man trotz aller Koloristik ganz deutliche Konturen und wohlgefügte Konstruktion. Auffallend schön ist der Klang seiner Chorkompositionen.

Viel Verwandtschaft mit Vomacka in der Farbengebung und kühner Stimmführung wies Jaroslav N ovotny auf, dessen Entwicklung durch den Krieg gewaltsam unter ... brochen wurde. Von einer bolschewikischen Kugel tödlich getroffen, ruht er im fernen Uralgebirge~ Leider ist es nicht der einzige Verlust, welchen unsere Musik erlitten hat. Auf dem Schlachtfelde blieben noch zwei junge, sehr begabte Mährer: Bohumil Kyselka und Hugo Mrazek, welche neben ihren Universitätsstudien bei mir fleißig Komposition pflegten. Und daheim verließ uns Jaroslav J er e mi as (1889-1919), gleichfalls ein entschiedenes Talent, dem es nicht beschieden war, die Erstaufführung seiner Oper "Der alte König" und des Oratoriums "Jan Hus" zu erleben. Sein jüngerer Bruder Otakar (* 1892), nicht minder begabt und sehr produktiv (zwei Symphonien, mehrere Kammermusikwerke u. a.), scheint in der letzten Zeit den Weg zu - Smetana zu suchen. Und ich denke, daß er im Bestreben nach Vereinfachung der Kompositionstechnik und der damit verbundenen Klarheit und Unmittelbarkeit gerade, unter den Jüngsten Anhänger findet. Wenigstens das, was ich während der verflossenen Konzertsaison von M art i n Ö, KaI i k, Ai m gehört habe, bekräftigt mich in meiner Anschauung.

Zum Schluß nenne ich noch einen Reger .... Schüler, Jar. Kvapil, einen Schreker ... S chüter : Alois Hab a; einige meiner Schüler: Vincenc Mai x ne r, Ota Z it e k, Antonin Pokorny, Felix Zrn 0, Vladimir Polivka und Jaroslav Tom asek (dieser dürfte seinem alten Namensvetter recht gefährlich werden); und zwei jüngste Mitglieder unserer Musikergemeinde: . Jaromir Weinberger und Bohumil N e m e c e k. Von den letztgenannten ist Weinberger sehr geschickt, was eben, wie paradox es auch klingen mag, seiner Entwicklung im Wege steht. Von Nemecek ha~e ich soviel Schönes berichten gehört, daß wir auf die Proben seiner Kunst mit Recht gespannt sein dürfen.

Gewiß eine hübsche Namenreihe und wohl noch unvollständig. Mögen diese Zeilen für' eine im Auslande noch gänzlich unbekannte Musikergeneration Interesse erwecken. Leider stellt sich der näheren Bekanntschaft mit den Werken dieser Künstler kein geringes Hindernis entgegen: die meisten sind noch im Manuskript. In Prag edierte in erster Reihe die "Umelecka Beseda" vorzugsweise Vokalmusik (Ostrcil, Vycpalek, Vomacka, Novotny u. a.), außerdem erschien etwas bei Simrock und in der Universal .... Edition (Haba, Kare1, Kficka, Stepan, Weinberger). Hoffentlich entsteht jetzt infolge gänzlich geänderter politischer Verhältnisse ein regerer Verkehr mit dem Auslande zugunsten unserer Kunst, was diese auch mit vollem Rechte verdient.

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M u s I K F o L K L o R E

Von Bela B art6k, Budapest

Die vergleichende Musikfolklore - einer der jüngsten Zweige der Musikwissen ... schaft einerseits, der FoUdare anderseits - hatte kaum die allerersten Schritte ihres Weges zurückgelegt, als ihrer intensiveren Entwicklung der Ausbruch des Welt ... krieges hemmend in den Weg trat.

Da nun die Hindernisse doch wohl allmählich schwinden werden und der inter ... nationale Verkehr nahe der Wiedereröffnung ist, scheint es zeitgemäß zu sein, sich darüber klar zu werden, auf weIche Art und Weise diese Wissenschaft am besten gedeihen kann.

Bisher war die Leitung der zum Bereiche der Musikfolklore gehörenden Arbeiten in den Händen einzelner öffentlicher Institute, oder sie wurden gar von Fach ... männern ganz auf eigene Faust fortgesetzt. Da die wohl jedem höchst wünschens ... werte Einheitlichkeit des Verfahrens und der Ziele auf diese Weise nicht erreicht werden kann, scheint der erste erforderliche Schritt einerseits das Heranziehen der Privatforscher an die betreffenden Institute zu sein, anderseits aber ein Internationali ... sieren der Arbeiten durch Übereinkommen der einzelnen Institute betreffs Ziel, Art und Weise der forschenden Arbeit. Als Ausgangspunkte der mit der Musikfolklore verbundenen Arbeiten sind die Volkslieder ... Sammlungen des XIX. Jahrhunderts an ... zusehen, deren Zustandekommen meistente~ls patriotisch ... chauvinistischen Gefühlen zuzuschreiben ist. Dieser Umstand erklärt die merkwürdige Tatsache, daß auf diesem Gebiete gerade die der politischen Selbständigkeit beraubten, unterdrückten Völker Osteuropas relativ Höheres leisteten, als die freien Völker Westeuropas. Es genüge der Hinweis auf die ini Druck erschienenen Sammlungen der Polen (Kohlberg), Tschechen (Erben, Susil, Bartos), Slowaken (Slovenske spevy), Jugo ... slawen (Kuha<:), Ukrainer (Filaret Kolessa) und der Finnen (I1mari Krohn). Die letzten zwei ausgenommen bieten diese Arbeiten jedoch in musikaiischer Hinsicht wenig Befriedigendes i die Melodien meistenteils durch Dilettanten aufgezeichnet, das systematische Ordnen des Materials (ebenso wie in den Völkslieder ... Sammlungen Westeuropas) fast ausschließlich nach den Texten bewerkstelligt. Die Sammlung der Finnen bedeutet einen großen Fortschritt i das Material wurde mittels eines ge ... wissen, von Ilmari Krahn zuerst angewandten Systems vom musikalischen Stand ... punkte aus geordnet.

Doch der wichtigste Schritt zu der Musikfolklore war die Einführung des Phono ... graphen als unersetzbares Hilfswerkzeug des Sammlers. Eine jede Transkription sogar europäischer Melodien ist vom Folkloristen ... Standpunkte aus u'nvollkommen, da nicht nur unsere Notenschrift, sondern auch die zur Ergänzung neu erfundenen diakritischen Zeichen die Art des Vortrages (Gleiten des Tones, Übergangsrhythmen, Rubato ... Vortrag) unmöglich getreu veranschaulichen können. Davon zu schweigen daß es Melodiearten gibt, die ~ wie z. B. die Dumy der Ukrainer - in derart im ... provisierender Manier vorgetragen werden, daß bei jeder Wiederholung selbst die Umrisse der Melodie nicht ein und dieselben bleiben. In diesen Fällen wieder gibt eine Transkription ohne Phonograph in jedem Falle nur eine approximative, eigent ... lich niemals existierende Form der Melodie. Diesel' Fortschritt tritt, abgesehen von einzelnen Veröffentlichungen kleineren Umfanges, in denen der Ukrainer zutage,

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die mit Zuhilfenahme des Phonographen durch von Fachmännern systematisch ge .... sammeltes Melodien ... Material wissenschaftlich geordnet herausgegeben haben.

In Ungarn kündigte sich seit anderthalb Jahrzehnten ein ähnliches Bestreben ' an, , mit dem Unterschied, daß es sich von dem exklusiv .... nationalen Standpunkte lossagte und das ver gl ei c he nd e Studium des Melodien .... Materials sämtlicher ungar ... ländischen und angrenzenden Völker zunl Ziele sich setzte. Trotz der ungünstigen Ver .... hältnisse wurden etwa 10.000 ungarische, slowakische und rumänische, weit weniger ukrainische (ruthenische), serbische, bulgarische und Zigeuner .... Melodien teilweise phonographiert, teilweise -- besonder~ die einfacheren - nach dem Gehör notiert, das gewonnene Material jeder einzelnen Nationalität für sich geordnet, miteinander verglichen und somit auf die ver gl e ich end e Musikfolklore übergegangen. Die Resultase ' dieser Arbeiten konnten - abgesehen von einigen kürzeren Aufsätzen -bis jetzt im Drucke nicht erscheinen.

Institute, die zurzeit zur Aufbewahrung und Behandlung einer größeren Zahl Phonogramme oder Grammophonplatten folkloristischen Inhaltes eingerichtet sind, sind unseres Wissens folgende:

1. Das musik .... psychologische Institut der Universität zu Berlin unter Leitung E . v. Hornbostels. Es umfaßt eine größere Zahl Phonogramme namentlich exotischer Länder, die vor allem durch Kupfernegative vervielfält;gt, dann in Notenschrift um .... gesetzt werden. Die Schwingungen der Tonleiterstufen der einzelnen · Melodien werden durch einen entsprechenden Apparat festgestellt. Ob ein weiteres Behandeln des Materials (Ordnen nach verschiedenen Standpunkten etc.) besteht oder nicht, ist uns nicht bekannt.

2. Das Phonogramm .... Archiv zu Wien. 3. Die Ethnographische Abteilung des ungarischen Nationalmuseums zu Buda ...

pest, in welcher sich 2157 Phonogramme (1132 mit ungarischen, 794 mit rumänischen, 161 mit slowakischen, 38 mit ruthenischen, 12 mit jugoslawischen, 3 mit bulgarischen, 11 mit tscheremissisch~n Aufnahmen) befinden. Ein Teil der Phonogramme, 754 an der Zahl, wurde von Nichtmusikern eingeliefert. Die Originalaufnahmen werden leider nicht reproduziert, sind also einer ständigen, sich bis zur Unbrauchbarkeit der Aufnahmen steigernder Abnützung ausgesetzt.

Außerdem sind derzeit in Budapest über 1000 Phonogramme in Privatbesitz. Die Resultate der oben erwähnten vergleichenden musikfolkloristischen Studien sind ebenfalls in Privathänden.

Die ersten erforderlichen Schritte; wären nun: 1. daß die genannten und eventuell noch außerdem existierenden Institute mit ähnlicher Einrichtung miteinander in Fühlung treten, sich zu einem Arbeitsplan einigen sollen und ständig in Kontakt bleiben; 2. es sollte ihrerseits an ethnographische oder ähnliche Museen anderer Länder mit einem gemeinsamen Aufruf herangetreten werden, um letztere zu ·be .... wegen, sich ihrer Arbeit durch Schaffung einer Phonogramm ... Sammlung beizu ... gesellen; 3. die Privatbesitzer, respektive Sammler von Phonogrammen sollten auf .... gefordert werden, die Walzen in das eine oder das andere der betreffenden Institute einzusenden oder dort zu deponieren und ihre Arbeit zur Bereicherung dieser öffent .... lichen Sammlungen fortzusetzen.

Ein idealer Einrichtungs .... und Arbeitsplan wäre unseres Ermessens etwa folgender Das gemeinsame Ziel wäre: die Erforschung der durch mündliche Tradition

fortgepflanzten Musik (einschließlich Volksgebräuche, die mit Musik verbunden

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sind) sämtlicher Völker. ,Hiebei sei bemerkt, daß in Europa wohl nur Volksmusik im engsten Sinne des Wortes (d. h. Bauernmusik), in exotischen Ländern dagegen auch städtische Kunstmusik, die ja dort ebenfalls nur auf diese Weise von Gene ... ration zu Generation vererbt wird, in Betracht kommen kann. Die Arbeit des Sammelns sollte ' ausschließlich durc.h Fa<!hmänner, und zwar an der Heimat ... s tell e der Melodien durch systematisches Erforschen des Materials durchgeführt werden. (Ein "Gelegenheits~~ .... Samme1n bei zufälligem Eintreffen fremder Volkssänger sollte nur ganz ausnahmsweise vorgenommen werden.) Höchst wünschenswert wäre hiebei das ständige Mitarbeiten eines Musikfolkloristen und eines Sprachforschers. Der Musiker muß zwar unbedingt einige Kenntnis der Sprache des zu erforschenden Gebietes mitbringen, sonst könnte er gewisse Beziehungen zwischen Wort und Musik nicht ergründen; doch zu einer tadellosen phonetischen Niederschrift des Textes selbst in der Muttersprache ist eine linguistische Schulung nötig, die bei einem Musiker kaum je anzutreffen sein wird. Falls jedoch auf einen der zwei Mitarbeiter verzichtet werden müßte, soll dies jedenfalls der Sprachforscher sein. Denn das von einem Nichtmusiker mittels Phonographen gesammelte Material ist in jedem Falle höchst mangelhaft. Bei den meisten exotischen Völkern, wie z. B. bei den Arabern, ist die äußerst charakteristische, verschiedene Begleitung der Melodie auf Schlaginstrumenten ein höchst wichtiger Bestandteil ihrer Musik; die Art und Weise des Anschlages, ferner der Wechsel der Schläge zwischen beiden Händen ist aus dem Phonogramm unerkennbar: der manchmal ziemlich komplizierte Rhyth ... mus muß an Ort und Stelle notiert werden. Es kommt häufig vor, daß der Sänger die Melodie aus verschiedenen Gründen fehlerhaft, verstümm'(dt, vom üblichen Tempo abweichend dem Phonographen vorsingt u. s. ~. u. s. w.; all dieses kann nur durch an Ort und Stelle vorgenommene Aufzeichnungen berichtigt werden; abgesehen davon, daß ein systematisches, womöglich gründliches Erforschen des Materials nur auf Grund der Ergebnisse der vorangegangenen Forschung ins Werk gesetzt, respektive fortgesetzt werden kann, wie z. B. das Auffinden von ergänzen ... den Varianten, das genauere Feststellen gewisser Schablonen im Vortrage u. s. w. Diese Leistung kann nur von einem Musiker erhofft werden. Die Fehler der pho ... netischen ' Niederschrift der Texte können dagegen bis zu einer gewissen Grenze mit Hilfe guter Phonogramme durch einen Sprachforscher auch nachträglich berichtigt werden.

Zur Ausrüstung eines Phonogrammarchivs oder ähnlicher Institute wären einst weilen folgende Instrumente vorzuschlagen:

Ein Edison ... Standard ... Apparat und ein Pathefon, beides sowohl zur Aufnahme als auch Reproduktion; eventuell ein Kinematograph zur Aufnahme der Tänze oder wenigstens ein Photograph .... Apparat zur Aufnahme der Sänger, der Instrumente u. s. w.

Es steht wohl außer Zweifel, daß eine Sprechmaschine mit Platten (Grammo ... phon, Pathefon etc.) bedeutend bessere Aufnahmen liefert als eine mit Walzen (Phonograph, Graphophon etc.). Es scheint, daß unter den ersteren der Vorzug dem Pathefon zu geben wäre. Dieses besitzt nämlich - abweichend von den Grammophon .... Apparaten - einen "Reproducer" mit Steinnadel zum sofortigen Abspielen der Wachsplatte. Der unvergleichliche Vorzug dieser Eigenschaft bedarf wohl keiner eingehenderen Erklärung. Die Anwendung auch eines Phonographen wäre nicht aufzugeben, da man oft gezwungen ist, an solchen Orten (z. B. in ent ...

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legenen Bergdörfern, in winzigen Bauernhütten fast ohne jede Möbeleinrichtung) ZU

sammeln, wo man infolge rVIangels an geeigneten Wagen und Raum zur Aufstellung des etwa 100 kg schweren Apparates nur mit einem Phonographen arbeiten kann. Da jedoch die Phonogramme auf mechanischem Wege auf Pathefon .. Platten über .. tragen werden können - ein weiterer Vorzug des Pathefon ' - bildet dieser 'Um'" stand kein besonderes Hindernis für die Einheitlichkeit der Einrichtung.

Es wäre nun folgendes Verfahren zu verfolgen: 1. Die bereits eingelaufenen Phonogramme auf Pathefon .. Metallnegativplatten

zu übertragen. 2. Nach jeder Forschungsreise die Metallnegativplatten nach den Original ...

aufnahmen (sowohl Platten als Walzen) sofort herzustellen. 3. Die Umsetzung in Notenschrift bereits nach den Kopien vorzunehmen. 4. Sämtliche miteinander in Kontakt stehenden Institute sollten ein Tausch ...

system adoptieren: die jährliche Bereicherung ihres Materials sollte in Kopien so ... wohl der Aufnahmen als auch ihrer Transkription gegenseitig .ausgetauscht werden.

5. Die Transkription der auf diese Art - sowohl durch Tausch als auch durch eigene Sammlung erworbenen - jeder einzelnen Melodie soll in jedem der Phono ... gramm ... Archive in vier Exemplaren vorhanden sein. Ein Exemplar soll der Katalogs .. nummer gemäß eingereiht, das zweite der Melodie gemäß nach gewissen wissen ... schaftlichen ,Systemen, das dritte hinsichtlich der Texte, das vierte hinsichtlich des geographischen Ursprunges geordnet werden.

Zur Erlangung eines einheitlichen N otieJ;ungs... und Gruppierungs ... Systems wären wohl längere gemeinsame Erwägungen seitens der Leiter der betreffenden Institute nötig. (Betreffs ersteren vgl.: Otto Abraham und E. v. Hornbostel, Vorschläge für die Transkription exotischer Melodien; Sammelbände der Internationalen MusikgeseU ... schaft, XI, 1.)

Ein weiteres Arbeitsfeld wäre das systematische Ordnen des bereits in Druck erschienenen Materials. Die Art und Weise der Inangriffnahme dieser ungeheuren Arbeit ist selbstverständlich wohl zu erwägen j ihre Ausführung ist jedoch unerläß .. lieh, da ja auch ältere, vom wissenschaftlichen Standpunkte aus zwar auch anfecht ... bares Material enthaltende Sammlungen vieles der vergleichenden Musikfolklore Brauchbare teil weise Unersetzbare enthalten.

Infolge der aI1gemeinen wirtschaftlichen Krise ist kaum zu erwarten, daß den oben vorgelegten idealen Ansprüche:q. in absehbarer Zeit vollkommen Rechnung ge ... tragen werden kann. Im besten Falle ist einstweilen das Akzeptieren bescheidener Vorschläge zu erhoffen: z. B. eine Beschränkung auf die ausschließliche Verwendung des Phonographen.

Im Jahre 1914 war der Ladenpreis einer Edison .. Blankwalze 1'50 Frcs.; die Reise .. kosten betrugen in Osteuropa durchschnittlich 3 Frcs. pro Walze. Die Herstellung einer Kupfernegativwalze bedurfte etwa 4'50 Frcs.; die nach dem Negativ gegossene Kopie zirka 1 Frc. Somit beliefen sich die Rohkosten einer Walze auf 10 Frcs. Da nun eine Arbeitskraft jährlich etwa 600 Walzen samt ihren Transkriptionen liefern kann und man zum Lebensunterhalt einer Person jährlich ' etwa 4200 Frcs. berechnen kann, wären die auf eine Walze entfallenden Gesamtkosten auf 17 Frcs. zu schätzen. Im äußersten Fall könnte sogar die sofortige HerstellunR der Negative und Kopien einstweilen ausgeschaltet werden. Im Falle ein einziges Institut die jährlichen Be ... schaffungskosten der 600 Walzen - 10.200 Frcs., oder ohne NegativhersteUung

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6950 Frcs. - nicht erschwingen kann, wäre bei der obengeechilderten gemeinsamen Aktion ,mehrerer Institute das Problem auch derart , zu lösen, daß die Beschaffung dieses jährlichen Materials durch mehrere Institute, je nach deren Leistungsfähigkeit verteilt, ermöglicht wird. Die Wahl der Sammlungsstätten würde sich einerseits nach der Sprachenbereitschaft der angestellten Fachmusiker richten, anderseits nach der Erwägung dessen, an welchen Stätten die autochthone Musikkultur durch fremden Einfluß am meisten gefährdet ist.

Dieses ist jedenfalls der allerbescheidenste Rahmen zur Ermöglichung eines nur einigermaßen befriedigenden W dterar beitens. Sie gewährt ei gen tlich die Verfolgung nur eines (allerdings des wichtigsten) der oben geschilderten Ziele: das eifrige Sammeln des Materials. Eben dieses dürfte nach der Hemmung der letzten Jahre keinen weiteren Aufschub erleiden. Die selteneren Instrumente sterben aus; es schwinden von Jahr zu Jahr gewisse Eigentümlichkeiten jedes Volksgesanges ; die alten Stilarten werden durch neue, in Entstehung begriffene, verdrängt. Es sei hier namentlich darauf hin ... gewiesen, daß die Völker Osteuropas höchst wertvolles, größtenteils unerforschtes Material bergen, dessen altertümlicher Charakter infolge des Eindringens westeuro'" päischer Kultur einer Alteration besonders ausgesetzt ist. Jedes Jahr Säumnis be ... deutet einen unersetzbaren Verlust an Kulturwerten.

Die erforschten Stilarten einer mehr oder minder exotischen Volksmusik scheinen ein unvergleichlich höheres Interesse bei schaffenden Musikern zu erwecken, als z. B. ethnographische Sammlungen bei bildenden Künstlern oder Volkstexte bei Schrift ... steUern. So daß es sich hier nicht nur um die Erreichung rein w iss e n s eh a f t ... Ii eher Ergebnisse handelt, sondern auch um solche, die auf schaffende Musiker anregend wirken.

Wir wären sehr dankbar, wenn unsere Vorschläge in maßgebenden Kreisen einen Widerhall fänden, und bitten die Fachmusiker um eventuelle Gegenvorschläge.

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DIE WIENER v 0 L K S 0 PER Von Dr. R. St. Hoffmann, Wien

Ein Erinnerungsbild in lebhaften Farben: Eröffnungsvorstellung der neuent .. standenen Volksoper : Freischütz. Zemlinsky gibt das Zeichen. Einsatz der Hörner, dieser Einhörner im deutschen Märchenwald Webers. Das Horn - gickst. Omen, das wahr wurde. Dieses Gicksen blieb, bald kaum, bald peinlich laut hörbar, dem Getriebe der Volksoper treu.

,Tücke des Qbjekts. Mag sein. Aber_ immer nur wirksam am tauglichen Subjekt. Der bessere, will sagen der besser bezahlte Hornist, kommt 30 Minuten früher ins Haus und riskiert die Tücke des Objekts, diesmal Temperaturunterschied für sein Blechinstrumen t, nicht.

Der besser bezahlte Hornist hat der Volksoper bis heute gefehlt. Es war gewiß nicht leicht. Das Haus am Währingergürtel war nicht als Opernhaus gebaut. War überall zu klein. Im Zuschauerraum (es bleibt ein Rätsel, wie man die zahlreiche Claque unterbringt), im Orchesterraum (wo die Streicher von den Tuben des Wagner .. Orchesters ausgelöscht werden) und vollends auf der Miniaturbühne. Ja aber ...

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Warum kassiert man nicht eine Reihe Orchestersitze und macht sie wirklich zu Orchestersitzen und teilt den Entgang von 20 Sitzen auf 1000 auf? Weil man das

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Orchester ehen nicht vergrößern will. (Siehe den obengenannten Hornisten!) Warum prunkt man auf der Szene mit "plastischen" Dekorationen, mit "praktikablen4

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Versatzstücken, deren Umbau die katastrophalen Volksopernpausen bedingt, mit ihren unglaublichen Konsequenzen für die gewiß daran unschuldige Musik nicht eigens nach diesem Zeitaufwand komponierter Zwischenaktstücke. Ein neuer Inszeniel'ungsstil hätte aus der Not eine Tugend gemacht, statt, der törichten Mode zuliebe, englische Naturparks in einem Hausgarten imitieren zu wollen. Miniatur ... Bayreuth furs Volk. Und doch habe ich's schließlich im letzten Winter erlebt, daß auch diese Liliput ... bühne noch viel zu geräumig wurde für König Heinrichs Heerbann, der volle zwölf Mann hoch gegen die Ungarn ausrückte! (Die anderen waren, denke ich, enthoben.)

Herr Rainer Simons hat uns zahllose Male bewiesen, daß trotz zugegeben glänzenden Besuches die Volksoper niemals einen Gewinn abgeworfen habe. Hiezu zwei Bemerkungen: Unbekannt blieb, wie groß die jährliche Gage war, die der Direktor und Regisseur Simons von dem Pächter Simons - übrigens mit vollem Recht - erhalten hat. Und zweitens: Ausgaben für Neuanschaffungen sind Ausgaben, bis sie eines Tages doch zu - Einnahmen werden. Dieser Tag kam, als Herrn Simons der "Fundusu von seinem Nachfolger abgelöst werden mußte. Aber bekanntlich gibt es bei uns nur menschenfreundliche Geschäftsleute, die aus Liebe zur Sache " draufzahlen u.

Die Volksoper baute ihr Repertoire auf, den typischen deutschen Opernspielplan : Weber, Lortzing, Marschner, Mozart. Goethe, d~r, weiß Gott, immer das Rechte findet, sagt zu Eckermann : "Unsere Zeit ist nun an wahrhaft guten Stücken so reich, daß einem Kenner nichts leichter ist, als ein gutes Repertoire zu bilden. Allein es ist nichts schwieriger, als es zu ha1ten.'~ ·Das ist es, es war wohl auch auf die Dauer nicht zu halten, so lange Wagner nicht frei war. Man brauchte Kassastücke, suchte sie in miserabeIn Operetten, die unter der Bezeichnung "komische Oper41 zur Unkenntlichkeit maskiert zu sein vermeinten. Aus meiner Erinnerung beschwöre ich voll Grauen: "Das Tal der Liebeu von Oskar Straus oder "Napoleon und die Frauenu von Reinhart, ihr wißt wohl - dem "Süßen Mädelu ... Reinhart, dem Wieder ... erwecker der Wiener Fünfhundert ... Aufführ ungs ... Serien, dem Musikkritiker, der im Wiener Journal die erbärmliche Preßhetze gegen Mahler so erfolgreich inszenierte. Zur Ehre des Publikums sei gesagt, daß es auf diese Köder nicht anbiß. Nicht, daß ihm schlechte Operetten nicht behagen könnten. Aber wenn es schlechte Operetten sucht, so weiß es sie sehr wohl in den Karezag ... Bühnen oder im Bürger ... Theater zu finden. Unter den Linden - in der Volksoper kennt man die lockere Gesellschaft nicht. Hier will man künstlerische Kost. Was man eben so unter Kunst versteht. Nicht "Ariane und Blaubartl' von Ducas, eine von Simons' dankenswertesten Taten, nicht "Kleider machen LeuteU .von Zemlinsky, nicht "FeuersnotU oder "Salome", wohl aber "Toska'l und "Quo vadis" und "Kuhreigen" und später" Tote Augen" füllten Haus und Kassa. Erfreulicher, daß es dann und daneben auch Richard Wagner zuwege brachte ·!

Simons war ein zweiter Angelo Neumann in seiner guten Witterung für Sänger'" begab1:1ngen. Unnötig, die viden und heute überall bekannten Namen seiner "Ent ... deckungenU aufzuzählen. Nur, daß er sie über ihre Anfänge hinaus nicht zU halten vermochte und daher im steten Wechsel der Kräfte zu keinem festen Ensemble gelangte. Ähnlich, hier ganz ohne seine Schuld, die Verhältnisse des Orchesters, das in jedem Sommer in zahllose Kur ... und Salonkapellen zersplitterte und jeden Herbst

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neu zu schaffen war. Eine unlösbare Aufgabe für die tüchtigen Dirigenten, an denen auch nach ZemIinsky kein Mangel war.

Bedenklich waren andere Methoden. Das Engagement zahlloser junger Anfänger zu schmählichsten Spielhonorareo, die auch umsonst zu haben sind in ihr~r Hoffnung, dem Leidensweg der Provinz zu entgehen und sofort in Wien mit einer großen Rolle ihr Glück zu machen. Daß diese Rolle nie kam, und die Tätigkeit im Chor nicht zum Ruhme führt, war die Enttäuschung dieser allzu Leichtgläubigen. "Beziehungenll

zu einzelnen Kritikern, die bald als bezahlte Verfasser von Operneinführungen, bald als Autoren jederzeit bereitwillig aufgenommener Werke, bald in dramaturgischer Funktion erschienen, haben Verhältnisse geschaffen, die der Unabhängige als inkompatibel bezeichnet. Allerdings nur dieser •..

In den letzten zwei Jahren, da Raou! Mader Direktor war, ist es rapid bergab gegangen. "Der Tell" (bitte: "d er" Tell) von Reiter und Millenkovic, "Der weiße Adler", Musik von Mader nach Motiven von Chopin (!), "Abbe Innozent'l, "Eroica" und ähnliche sind Stationen dieses immer tiefer hinunter führenden Leidensweges. Was war aus dem Idealprogramm einer Volksoper : gute Musik, billige Aufführung, billige Preise geworden? Schlechte Musik, billige Aufführung, gute Preise! Mahler stellte an seine Künstler dieselben Anforderungen wie <\n sich selbst. Auch Mader verlangte von allen nicht mehrJals von sich. Was aber verlangte er von sich? Nichts! Eine gut _ erfundene Bosheit, charakterisiert den Dirigenten, den die Musiker auf .. merks am machen, er solle aufhören zu taktieren, da die Oper zu Ende sei. Ähnlich war es ,mit seiner direktorialen Herrlichkeit. Sie war aus, ehe er es merkte~ Sie ruhe in Frieden, wie er, als sie noch bestand, in Frieden geruht hat! - Was nun? Es ist heute kaum mehr berechtigt, der Fehler zu gedenken, die Weingartner am Opernring begangen hat. Sein erstes Beginnen in Währing zeigt soviel sympathische Frische und :: guten~,Willent daß die Vergangenheit gerne vergessen werden soll, wenn die Zukunft hält, was die Gegenwart verheißt. In zwei Monaten angestrengtester Arbeit hat er mit dem alten Ensemble, das er nicht verändern durfte; dem bloß Frau We i n gar t n er als wertvolle Kraft zuwuchs, ' mit einem Chor und einem Orchester, dieJuoch weitere Verstärkung vertrügen, ganz Ungiaub .. liches geleistet. Eine Reihe von szenisch und musikalisch überaus geglückten Neu .. studierungen, wie "Holländer", "Meistersinger", "Wilhelm Tell", "Faust", "Aida" zeigen das richtige Bestehen, den Spielplan auf breiter Grundlage aufzubauen. Kein Volksopern .. SpieIplan wie man ihn vor zwanzig Jahren im wesentlichen auf die ,deutsche romantische und Spieloper beschränkt wissen wollte. Keine Volksoper, sondern die ganze Oper fürs Volk. Das Publikum, das zu Wagner erzogen wurde, ist weiter zu bilden zur modernen, zur modernsten Produktion. Die Konkurrenz der staatlichen Oper besteht nicht mehr. Das Haus am Opernring ist exklusiver geworden denn je. Plätze sind nur mehr im Schleichhandel zu haben, zu Schleichhändlerpreisen, für Schleichhändler. Die übergroße Mehrheit der Musik .. freunde ist heute auf die Volks oper angewiesen, die bei aller durch die Verhält .. nisse erzwungener "Regulierung" der Preise - (Preise werden bei uns bekanntlich nur nach oben reguliert!) - immer noch erschwinglicher sein wird. Also kein beschränkter, vielmehr ein umfassender Spielplan in musikalisch anständiger Aus .. führung endlich ohne gicksende Hörner, dabei ohne ,unnötigen szenischen "Pflanz"! Dies sclieint auch Weingartners so überaus hoffnungsvoll begonnene Arbeit zu wollen, Nicht leicht wird die Auswahl an Neuheiten zu treffen sein: Dabei brauchte

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Weingartner bessere Berater als ihm für die philharmonischen Konzerte zUr Verfügung stehen. Keinesfalls dürfte die Sorge erwachsen, daß andere als rein künstlerische Gründe dabei mitspielen. Es darf nicht der Anschein erweckt werden, als solle durch ungeeignete Auswahl die moderne Produktion als solche diskreditiert werden, woraus ein Zustand programmatischer Gleichförmigkeit und Gleichgültigkeit resultiert, wie er den philharmonischen Konzerten seit Jahren ein trübseliges Gepräge gibt. Und eine Bitte: Keine Konzessionen für das allzu leichtfüßige Genre, das in eleganter Vermummung gerade die Volksopernhäuser aufzusuchen liebt, deren Leitwort heiße: "Die Oper rette! Nicht: Operette!" Und noch eine Bitte. Regelmäßige Jugendvorstellungen zu ermäßigten Preisen, wie sie Burg ... und Volkstheater bieten, an Samstagen, an Sonntagnachmittagen - (an denen im Opernhaus nur mit Trikots und Flitterröckchen . musiziert wird!) - in denen der Jugend und dem noch unbelehrten Volk in lückenlpser Serie die klassische Oper vorgeführt wird. Wer Kinder hat, der weiß, daß es heute in Wien unmöglich ist, sie mit unseren Meisterwerken, mit denen der Grund zu ihrer musikalischen Bildung zu legen wäre, an Tagen, an denen der Schulbetrieb es gestattet, und zu erreichbaren Preisen bekannt zU machen, auch dafür fanden sich bereits einige dankbar begrüßte Möglich ... keiten im Spielplan der letzten Zeit, wie ich nach einer sehr hübschen Nachmittags ... aufführung von "Czar und Zimmermann" bestätigen kann. Somit läßt Weingartners bisheriges Tun mit Recht erhoffen, daß die Volksoper einer neuen, schönen Zukunft entgegengeht, bereit, die edelste Aufgabe zu erfüllen, die einer wahren Volksoper gestellt ist: dem Volke zu behagen, und denen, die das Volk von morgen sind.

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DER KRITIKER AUF DEM PARKETT SESSEL Von Paul Marsop, München

Wenn ich, sei es an meinem Wohnort, .!tei es anderswo, mit Kollegen von der Schauspiel ... und der Opernkritik über diese und jene Vorstellung Gedanken aus ... tauschte, undeutliche Aussprache, arge Unstimmigkeiten in der Anlage und Aus ... gestaltung des szenischen Bildes, zu starkes Hervortreten des Orchesters den Sängern gegenüber rügte, gab es oft Erstaunen, Verwunderung, wenn nicht gar lebhaften Widerspruch. Ich wäre wohl allzustreng in meinen Forderungen: man hätte die von mir hervorgehobenen Mißstände und Verfehlungen überhaupt nicht oder nur obenhin empfunden. Dementsprechend fand sich in unseren Berichten und schriftlichen Erörterungen nicht wenig Gegensätzliches. Fachgenossen, die ich als ebenso kenntnis ... reiche wie wahrheitsliebende Männer von gereiftem Urteil schätze, lobten nicht selten, wenn ich mich, nach Pflicht und Gewissen, ablehnend verhalten m uBte. Seelenvergnügt stützten sich natürlich die Theaterleiter auf die mit Komplimenten gespickten Referate; wie bequem war es doch, nichts. ändern, nichts verbessern zu brauchen! Unsereiner jedoch wurde mit seinen Einwänden widerwillig angehört und kam jeweils, unter freundlicher Beihilfe in ihrer Eitelkeit gekränkter Mimen, Spiel ... leiter, Dekorationsmaler, die den unbequemen Warner und Tadler am liebsten auf offenem Markte verbrannt hätten, in den Ruf des parteiischen Nörglers.

Weshalb die Verschiedenheiten der Auffassung? Die werten Herren Kollegen hatten und haben die bestverfügbaren Plätze des

Zuschauerraumes inne. Zumeist in der Mitte einer der ersten Parkettreihen. Sie

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saßen und sitzen ungefähr dort, wo Direktor, Regisseur, Maschinenmeister während der Proben Posto fassen, um das Bühnenbild zu stellen, zu überwachen, zu verändern. Somit bietet sich ihnen das Höchste der relativen Harmonie, zu der sich dick und derb überschmierte Leinwandflächen mit plastischen Stücken und sich frei bewegenden Darstellern unter abtönenden Beleuchtungsvorkehrungen vereinigen lassen. Sie sehen, auch bei offenem Orchester, nichts oder so gut wie nichts vom Kapellmeister, von den Instrumentalisten, von ihrer bürgerlichen, mit der der Schauspieler empfindlich kontrastierenden Tracht und ihren illusionsstörenden Bewegungen; der Anblick der Pult1ampen und der grellweiß herausstechenden Notenblätter bleibt ihnen erspart. Sie sind der Bühne so nahe, daß sie auch dem lispelnden, schlecht vokalisierenden, die Silben zerkauenden Sprecher das Wort vom Munde abfangen; sie haben, aus gleichem Grunde, sofern nicht ein besonders grobschlächtiger oder unbeholfener Dirigent den Taktstock schwingt, seltener den Eindruck, daß der yesangsolist von der Wucht der Streichermasse, von Trompeten und Posaunen übertönt werde.

Ab und zu gelang es mir einmal, nachdem ich auf einen Konfrater eine halbe Stunde lang mit aller Energie eingesprochen hatte, ihn zu bewegen, sich doch wenigstens ein paar Szenen von einem Seitenplatz aus anzuschauen oder für die Dauer -eines Aufzuges mit mir zum zweiten, dritten, vierten Rang hinaufzusteigen. Da übersprudelte alsbald sein Mund von heftigen Scheitreden. '1Himme1mohren ... element! Was ist das heute für eine hundsverfluchte Sauwirtschaft! Die L .... haben ja seit drei Monaten nicht geprobt! Nichts, rein gar nichts geht zusammen! Die Kulissen stehen windschief! Immer die Schlamperei mit dem Rampenlicht ~ jedes einzelne Brett des Fußbodens grenzt sich scharf vierkantig ab! Warum geht das semmelblonde Schaf, die EIsa, nicht zwei Schritte vor? Ich sehe nur d,ie Ortrud grimassieren. Was für -eine Disziplinlosigkeit im Orchester! Die Kerls gebärden sich wie die Wilden - nicht zwei haben den gleichen Bogenstrich ! In der Partitur sind für den ganzen Verlauf der Szene nur Piano und Mezzoforte vorgeschrieben: was soll der Höllenspektakel? Das höre der Teufe! mit an! Schnell, schnell - machen wir, daß wir weiter kommen!U "Sie tun den Herrschaften auf und vor der Szene bitter Unrecht, Liebster! Die sind heute nicht besser und nicht schlechter als sonst auch; sie haben so viel, bezüglich so wenig l Zeit an die Vorbereitung gewendet als sie das gemeiniglich tun. Bemühen wir uns drei Meter nach rechts zu: wir werden

· die mondscheinu mflossene Brabanterin gleich wieder auf ihrem Balkon gewahren. Suchen Sie Ihren molligen Stammplatz auf: die nackten, mit dem dahinter aus ... gebreiteten Teppich schlechter~ings unverträglichen Bohlen des Proszeniums werden Ihr 'Auge kaUm mehr beleidigen. Ich wette auch, Sie stellen dann mit Genugtuung fest, daß unsere vortrefflichen Oboisten die Vortragsbezeichnungen diesen Abend mit gleicher Gewissenhaftigkeit beachten wie bei früheren Lohengrin ... Aufführungen. ~ Jäh reißt sich der aufgeregte Mann von mir los. Nach dem letzten Akt begegnen wir uns am Ausgang. "Verehrter Freund, ich glaube, eine leichte Unpäßlichkeit reizte vorhin meine Nerven. Die ungewohnte Hitze auf der Galerie ..• Die Vor ... stellung war wirklich recht , ordentlich/~ "Sie wollen mir also nicht die Liebe tun, übermorgen der Wiedergabe des 11Egm,ont~ im dritten Rang anzuwohnen?" "Ja, wissen Sie, der Mensch ist halt ein Gewohnheitsgeschöpf. Unten hänge ich seit Jahren meinen Mantel an den Garderobepflock zunächst der Tür. Verspäte ich mich, so ,werde ich vom Diener, der mich kennt, auch gegen das Hausgesetz mitten im Akt eingelassen. In der nächsten Pause erzählen mir die umsitzenden Kollegen,

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was sich an irgendwie Bemerkenswertem in meiner Abwesenheit ereignete. Zudem gastiert Amanda Zuckerbrot auf Anstellung als Klärchen. Sie kennen mich ja: ich bin der letzte, der von den Meinungen anderer beeinflußt wird. Aber man will doch mit den Kollegen Fühlung nehmen, ehe man schreibt. Dazu die langweilige Stiegenhupferei - weshalb sich unnütz plagen?" "Alles sehr schön! Doch, erinnere ich mich recht, sind Sie Sozialdemokrat. Um Sie herum, im Parkett, haben sich die Schieber, die Kommerzienräte, die reichgewordenen Wucherer angesiedelt. Die Träger der Bildung, der Kultur sirtd zufolge der schon vor dem Kriege eingetretenen übermäßigen Erhöhung der Kartenpreise in die oberen Regionen abgewandert. Nicht wahr, Sie setzen doch Ihren Stolz darein, für cl.as Volk, für die Allgemeinheit zu wirken! Wie vermögen Sie das, wenn Sie die dramatische Darbietung lediglich von einem der zwei ... bis dreihundert, allein den _ Meistbegüterten und - der -Kritik zu ... gänglichen Vorzugsplätze aus verfolgen, wenn Sie sich nicht darum kümmern, mit welchen Verzerrungen und jämmerlichen Fetzen sich die Inhaber der and~ren tausend, zwölfhundert Sitze oft genug zu begnügen haben ?Jl Pause. Achselzucken. Verlegenes Räuspern. Endlich die mir giftigen Tones zugezischte Entgegnung: "Damit die Vertreter der Bourgeoisblätter sich hohnlächelnd ins Ohr tuscheln, sie hätten den Proletarier aus dem bequemen Gestühl herausgegrault ? Auf den Leim krieche ich nicht!"

o heilige Logik! o

I!=h klage den deutschen Theaterkritiker an. Am sammetüberzogenen Parkettsessel klebend, sorgte ,er sich kaum je um die Zuhörerschaft als Ga n z es. Er fragte sich nicht, was die mehr seitlich Sitzenden, was die Insassen des rückwärtigen Parterres, denen der über ihren Köpfen schwerwuchtende erste Balkon den oberen T eil der Bühnenöffnung abzwackt, wals die im höchsten und zweithöchsten Rang untergebrachten Zuschauer mit den von ihnen erhaschten Bruchstücken der Aufführung anfangen können,_ob sie sich somit nicht, statt an eine einheitlich fortströmende ' Handlung und ihre zusammengefaßte Darstellung, an Einzelheiten halten m ü s s en : an eine heraus geschmetterte Kraftphrase, einen schneidig "hingelegten 14 hohen Ton, einen aufdringlichen Massengruppenschlager im Vordergrunde. Kaum je zerbrach er sich darüber den Kopf, ob der vom "Hause" gespendete Beifall und ebenso eine lärmende Ablehnung als AusdruckeinesKollektivwiIlens zu gelten hatten. Verständnislos steht er also zumeist der Frage gegenüber, ob oder inwieweit die Hauptaufgabe des Theaters, als Volksbildungsanstalt zu dienen, unter Verwendung der Zuschauersäle von hergebrachter Grundform zu lösen ist. Als beatus possidens "beging er den schweren Fehler, sich beinahe ausschließlich auf die szenischen Vorgänge und die ' Leistungen der Ausführenden einzustellen, in Vernachlässigung der wesentlichen beruflichen Pflicht, die Interessen der Ge sam th e i t der Z uh öre r wahrzunehmen, ihre Natur, ihre Wünsche und seelischen Bedürfnisse zu ergründen, das Verhältnis, in das sie zu den verschiedenen' Gattungen des Dramas, den unabänderlichen Begebenheiten und den wechselnden Tagesleistungen des Theaters tritt, ständig mit angespannter Aufmerksamkeit zu beobachten. Alles in allem war er Luxuskritiker - im besseren Falle Dozent der Bühnenästhetik, im schlechteren Registriermaschine, im schlimmsten flotter, witzelnder, dem halbgebildeten Lesephilister eine leicht prickelnde Morgen ... und Nachmittags ... Unterhaltung verschaffender Feuilletonist. Würde er, an statt in gewohnter Bahn lässig weiterzutrotten, sein Amt als Mandatar und

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HeIfer des Volkes verwaltet haben, so sähen wir bereits jetzt die Dem 0 kr a t i sie run g des T he a t e r s bis auf einen ansehnlichen Grad verwirklicht. Das 'heißt: schon heute hätten wir auf deutschem Boden schier allerorten Zuschauersäle, die, auch dem Unbemittelten offenstehend und in der Form des Amphitheater ... Ausschnitts gehalten, es jedem Gast ermöglichten, das Schauspiel in seiner Gänze aufzunehmen, die sich, im Gegensatz zu den auf die welsche Konzertoper zugeschnittenen Rang ... und Logenhäusern, der germanischen Natur der Schöpfungen Schillers und Shakespeares, Webers und Wagners anpaßten, die den Besuchern bei Feuersgefahr und dem Ausbruch einer Panik ungleich größere Sicherheit gewährten als die Opernkästen mit ihren vielfach gebrochenen Treppen. Und erheblich rascher wären wir vorangekommen mit der Lösung schwieriger Sond,erprobleme künstlerischer un zugleich technischer Art: stilisierend vereinfachte, doch nicht nüchterne dekorativ Behandlung des Schauplatzes, sinnvolle Konstruktion des verdeckten Orchesters mit verstellba'ren T dIpodien, hemmnisfreie, beliebig zu regelnde Ausleuchtung der Spielfläche. Schließlich hätte bereits so mancher Dichter und Komponist, der gegenwärtig noch der Versuchung unterliegt, sich mit billigen Operneffekten Beifall und Gunst des gönnerhaft thronenden Logenbesitzers zu erschmeicheln, vor einem in einheitlich geschlossenem Linienzuge gebauten, mit der Bühne restlos zusammen ... gestimmten Zuschauerraum den heilsamen z:wang empfunden, idealwärts zu steuern. Sicherlich zur Freude der Kritik, in Erleichterung ihrer Arbeit,

Der Reformierung der deutschen Schule hat eine beträchtliche Änderung der Erziehung zum Lehrer, der Demokratisierung des Theaters die Demokratisierung des Kritikers voranzugehen. Nicht in dem Sinne, daß er sich auf etwe1ches radikale politische Programm einzuschwören hätte, sondern in dem, daß er sich für den Vollbereich der Bühne zum echten und rechten Anwalt der V 01 k s ge sam t he i t wandelte.

o [J

·M A H L E R ... F E S T I N HOLLAND Von Dr. Ernst Rudolf Mengelberg, Amsterdam

Schon seit langem planen wir hier ein Mahler ... Fest. Die vieljährig, systematische Pflege Mahlerscher Kunst unter der unermüdlichen 'und beseelenden Ägide Willem Mengelbergs hatte in vieler Herzen den Wunsch wachgerufen, dem größten Symphoniker unserer Zeit ein Fest zu weihen, an dem alle seine Werke in zyklischer Folge zu Gehör gebracht würden. Während des Krieges fehlte aber das rechte Animo zu dieser gewaltigen Unternehmung. Wenngleich der Friede uns den Frieden nicht gebracht hat, so ist ein solches Fest unter den heutigen Umständen doch eher möglich, als unter dem Drucke kriegerischer Ereignisse, autokratischen Zwanges, persönlicher 'Unfreiheit und unter der Suggestion chauvinistischer Hetzen.

Abgesehen aber von den re 1 at i v günstigen Zeit... und den se h r gün stigen Lokalverhältnissen bietet sich jetzt aber ein willkommener äußerer Anlaß zu dem Fest, das ist das 25 jährige Jub~läum von Willem Mengelberg als künst lerischer Leiter des Concertgebouw. Bei einem solchen Jubiläum ausschließlich Werke ein e s Meisters in Festaufführungen zu Gehör zu bringen, könnte einseitig erscheinen. Aber wer auch nur einigermaßen mit 4en hiesigen Verhältnissen vertraut ist, muß sich sagen, daß von Einseitigkeit in diesem Falle nicht gesprochen werden kann. Denn es gibt

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wohl kaum ein Konzertinstitut, das vielseitiger in seiner Musikpflege ist als gerade das Amsterdamer Concertgebouw.

Hier kommen allwinterlich Werke aller Epochen, aller Stilarten, aller Nationen zur Aufführung.

In den 50 Abonnementskonzerten der Wintersaison 1918/19 beispielsweise wurden - um nur einige' Namen und Zahlen anzuführen - von Bach 8 Werke, von Mozart 10, von Beethoven 17, von Berlioz 5, von Brahms 7, von Cesar Franck 4, von Strauß 5, von Mahler 7 (4 davon wiederholt), von Debussy 6 Werke aufgeführt; außerdem noch zahlreiche klassische und moderne Werke von deutschen, öster ... reichischen, slawischen, französischen, italienischen, englischen Komponisten.

Diese Saison bringt unter Willem Mengelbergs Leitung einen historischen Zyklus mit Werken aus vier Jahrhunderten, vom Anfang des 17. Jahrhunderts bis zu den Jüngsten (Scriabine, Schönberg, Schreker, Korngold, Ravel etc.). Der Zyklus umfaßt 27 Konzerte und wird beschlossen durch drei moderne holländische Abende. Da..­neben werden wir im Rahmen der Abonnementskonzerte Gastdirigenten aus fast allen Kulturländern hören, die meistens neue Kompositionen introduzieren. Aus England kommt Elgar, aus .Frankreich Pierne, aus Belgien Fran~ois Rasse, aus Italien Toscanini und Casella, aus Deutschland Muck und Nikisch, aus Skandinavien Carl N ieIsen.

Bei dieser Universalität im ganzen kann liebevolle Einseitigkeit im einzelnen nur fördern~ sein. Eine solche haben hier von neueren Meistern die größten erfahren: vor allem Richard Strauß, Claude Debussy und Gustav Mahler. In der Pflege Straußseher l\IIusik war das Concertgebouw unter Mengelberg schon vor 20 Jahren führend, was Strauß .selbst mit der Widmung seines "Heldenleben~~ dankbar aner ... kannte. Nach Strauß ist allmählich auch Debussy hier ganz eingebürgert, auCh seine Werke sind fast aUe Repertoirestücke des Orchesters, und sein Stil dem Publikum durchaus vertraut.

Unaufhörlich wachsend, immer weitere Kreise in seinen Bann zwingend ist}m Laufe der Jahre Gustav lVlahler wahrhaft der Schutzgeist des Concertgebouw geworden. Neben der alljährlich wiederkehrenden Matthäuspassion bilden die Aufführungen der großen Symphonien von Mahler die eigentlichen Festtage im Arn,sterdamer Musikleben.

W urzeIt Mahler durch Geburt und Tradition im österreichischen Wien, Amsterdam und HolIand sind durch Schulung und Erziehung zu seiner "zweiten HeimatU

geworden. Das hat Mahler selbst schon zu Lebzeiten empfunden, wie aus vielen mündlichen und schriftlichen Äußerungen hervorgeht. Aber konnte er ahnen, daß der große Sieg so dicht vor den Toren stand? Daß kaum zehn Jahre nach seinem frühen Tode sein Name - auch von Zweiflern und Reaktionären - neben den

I größten aUer Zehen genannt würde? Daß der Name Gustav Mahler Tausenden ein Bekenntnis, seine Musik "Tausenden innigstes Bedürfnis sein würde.

Diesen Sieg hat Willem Mengelberg ihm erzwungen und errungen. Als Mengelberg jugendlich begeistert auf einem Diner nach der Aufführung der Dritten ,Symph01:iie im Jahre 1903 Mahler als den "Beethoven unserer Zeitu feierte, erweckte sein Aus .. spruch allgemeinen Spott, Hohn, ja Entrüstung. Heute ist man sich der prinzipiellen Richtigkeit dieses Maßstabes bewußt.

Mahler war während der Jahre 1903-1909 im 'ganzen viermal in Amsterdam und introduzierte bei seinem ersten Besuch die erste und dritte Symphonie, bei seinem zweiten Besuch (1904) die Zweite und Vierte - letztere wurde in elnem

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Konzerte zweimal hintereinander gespielt! - 1906 die Fünfte, die Kindertotenlieder und "Das klagende Lied", 1909 endlich die Siebente. Mengelberg leitete die zahl ... reichen Vorproben und Wiederholungen der Aufführungen.

Wie hochbefriedigt und dankbar Mahler schon nach den ersten Konzerten in Amsterdam war, kommt in vielen seiner Briefe zum Ausdruck, vor allem in einem Schreiben an Willem Mengelberg vom H~rbst; 1904 nach der Aufführung der Zweiten und Vierten:

"Mein lieber Freund! Nachdem ich nun in meiner Heimath angekommen, und ein wenig von den

Strapatzen meiner Reise erholt, richten sich meine Gedanken auf die so wundervoll verlebten Tage in Amsterdam. - Was ich nach dieser Richtung Ihnen zu danken habe, Ihrer jugendfrischen und thatkräftigen Initiative, Ihrer congenialen Interpretations ... kunst und durchdringendem Verständnis meiner Werke - dies gehört zu jenen Dingen, von denen wir uns gelegentlich eines freundschaftlichen Symposions gesagt haben, daß man sie tief empfinden, aber für sie nicht danken kann.

Und so drücke ich Ihnen im Geiste Ihre Freundeshand, und bitte Sie, mir auch fernerhin alle diese Gesinnungen zu bewahren, die mir um so viel mehr werth,

c als sie selten, um so bewundernswürdiger sind, als nur aus ihnen jene lebendige Kunst erwächst, als deren begeisterten .Adepten ich Sie erkannt habe.

Der Zweck meines heutigen Briefes ist hauptsächlich, Sie zu bitten, bei Ihrem wundervollen Chor, bei Ihrem prachtvollen Orchester der Dolmetsch meiner dank ... baren Empfindungen zu sein. '

Was diese beiden Corporationen, in jenen Tagen geleistet, kann nur ich beurteilen und - Sie. Dieser einzige Elan, dieser tiefe Ernst waren es allein, denen ich eine geradezu mustergiltige Aufführung des allerschwierigsten Werkes verdanke, und .ich bitte allen Betheiligten zu sagen, das ich ihren mich rührenden Eifer und ihren befeuernden Schwung nie vergessen werde. U

Das sind Mahlers Eindrücke von der Amsterdamer Erstaufführung der Zweiten. Wie ist seitdem nicht gearbeitet worden I In zahllosen Pro ben, in vielen, vielen Aufführungen! Mahlers subtiler Orchesterstil ist die eigen diche Schule des Concert ... geoouw .... Orchesters geworden. Hier ist das erreicht, was für die deutschen Orchester und ihre Leiter gew,altige Zukunftsaufgaben sind: die Individualisierung des Spiels. Das Orchester hat nicht als Masse zu spielen, sondern als eine vielgestaltige Gruppe von Einzelindividuen. Grundlage einer solchen Schule ist äußerste Beherrschung jedes einzelnen bei größter Leidenschaft und Intensität der Empfindung. Nur auf diesem Wege liegt die Möglichkeit eines allgemeinen Verständnisses Mahlerscher Musik und einer gedeihlichen Weiterentwicklung symphonischer Kunst überhaupt. Mahler ist geistig wie technisch ein großer Erzieher. Wie für den Pianisten Bach die Grundlage des Studiums ist, so muß für ein modernes O,rchester Mahler das Alpha und Omega der Schulung werden. Dies in der Praxis deutlich gemacht zu haben, ist das unvergängliche Verdienst Willem Mengelbergs.

Ohne die technischen Vorbedingungen muß die Pflege. Mahlerscher MusikStück ... werk bleiben. Auf ihr als Grundlage ist es Willem Mengelberg gelungen, kraft seiner synthetischen Begabung und seiner unermeßlichen Liebe für den großen Menschen und Meister, in Holland einen wahren Mahlerkult ins Leben zu rufen, und Amsterdam gleichsam zu Mahlers Bayreuth zu machen.

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MUSIK UND WELTIDEE

Mit dem Beginne des 19. Jahrhunderts vollzieht sich im deutschen Geistesleben eine bedeutsame Wendung: der Übergang von der Klassik zur Romantik. Wurzelt alle klassische Kunst und Denkweise in einer p las t i s ehe n Weltanschauung, so ist dagegen die der Romantik entsprechende Weltanschauung als mus i k a .. lische 2;U bezeichnen - Plastik und Musik in ihrem weitesten ' Sinne verstanden: als Gleich .. nisse der heiden Gegenwelten des apollinischen und dionysischen.

Demgemäß wird mit der Heraufkunft der Romantik di~ Musik zur obersten aller Künste; hatte sie sich in den vorangegangenen Jahr .. hunderten zum Range einer selbstherrlichen Kunst entwickelt und als solche in Bach und Mozart zwei höchste Gipfel erreicht, so erscheint sie nunmehr als unmittelbarer Ausdruck der gesamten Geistigkeit des Zeitalters.

Besonderes Kennzeichen der Romantik ist das Streben nach gegenseitiger Durchdringung von Religion, Kunst und Philosophie, aus der Erkenntnis, daß nicht nur alle Kunst, sondern überhaupt alles ' geistige Tun von Einem Ur .. sprunge her stamme und , nach Einem Ziele hin gerichtet sei.

Es scheint, als wäre unsere Generation dazu berufen, das geistige Erbe der Romantik, -das an zwei Menschenalter lang verschüttet war, anzutreten; denn auch im geistigen Leben der Gegenwart herrscht jene Tendenz nach einer Synthese von Kunst und Weltanschauung.

Diesem Streben zu dienen, ist auch Zweck und Absicht der hier folgenden Zusammen .. stellung von Gedanken und Aussprüchen über Musik. Es soll hier also keineswegs eine der beliebten "BlUtenlesen'J gegeben werden, ebenso ... wenig besteht die Absicht, bestimmte Meinungen und Anschauungen durch Berufung auf "Autori .. täten" zu bestätigen und zu erhärten (im Gegenteil sollen wo nurimmermöglich entgegen .. gesetzte Ansichten nebeneinandergestcllt werden. nicht um die eine gegen die andere auszuspielen, sondern um einen und denselben Gegenstand von verschiedenen Seiten zu betrachten - es wird sich hiebei meist herausstellen, daß jede Betrachtungsweise von ihrem Standpunkte aus

richtig ist). Vielmehr soll sich aus den hier angeführten Sätzen zweierlei ergeben: erstens der Zusammenhang der Musik mit der gesamten

,Kultur und Weltanschauung, zweitens ihre Bedeutung für das geistige Leben einzelner großer Menschen. Hugo Kauder

D

Musik! - mit geheimnisvollem Schauder, ja mit Grausen nenne ich dich! - Dich! in Tönen ausgesprochene Sanskrita der Natur!

(E. T. A. Hoffmann, Kreisleriana)

D

Die musikalischen Verhältnisse scheinen mir recht eigentlich die Grundverhältnisse der Natur zu sein.

(Novalis, Fragmente)

D

Wir können jetzt erst die höchste Bedeutung von Rhythmus, Harmonie und Melodie festsetzen. Sie sind die ersten und reinsten Formen der Bewegung im Universum und, real angeschaut; die Art der materiellen Dinge, den Ideen gleich zu sein. Auf den Flügeln der Harmonie und des Rhythmus schweben die Weltkörper; was man ~ntripetal ... und Zentrifugalkraft genannt hat, ist nichts anderes als - dieses Rhythmus, jenes Harmonie. Von denselben Flügeln erhoben, schwebt die Musik im Raum, um aus dem durchsichtigen Leib des Lauts und Tons ein hörbares Universum zu bilden.

(Schelling, Philosophie der I<unst, ~ 83)

D

Die Musik überhaupt ist die Melodie, zu der die Welt der Text ist.

(Schopenhauer, Parerga lI., ~ 219)

(3

Keine Kunst wirkt auf den Menschen so unmittelbar, so tief ein, als die Musik, eben weil keine uns das wahre Wesen der Welt so tief und unmittelbar erkennen läßt, als diese. Das Anhören einer großen, vollstimmigen und schönen Musik ist gleichsam ein Bad des Geistes: es spühlt alles Unreine, alles Kleinliche, alles Schlechte weg, stimmt Jeden hinauf auf die höchste geistige Stufe, die seine Natur zuläßt:

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und während des Anhörens einer großen Musik fühlt Jeder deutlich, .was er im Ganzen werth ist, oder vielmehr, was er werth seyn könnte.

(Schopenhauer, N~ue Paralipomena, S. 398)

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Keine Kunst, glaube ich, geht so ganz und gar aus der inneren Vergeistigung des Menschen hervor, keine Kunst bedarf nur einzig rein geistiger ätherischer Mittel, als die Musik. Die Ahnung des Höchsten und Heiligsten, der geistigen Macht, die den Lebensfunken in der ganzen Natur entzündet, spricht sich hörbar aus im Ton und so wird Musik, Gesang der Ausdruck der höchsten Fülle des Daseins - Schöpfer .. lob! •••

,

••• Eben dieses ihres eigentümlichen Wesens halber konnte die Musik nicht das Eigentum der antiken Welt sein, wo alles auf sinnliche Verleiblichung ausging, sondern mußte dem modernen Zeitalter angehören. Die beiden ein .. ander entgegengesetzten Pole des Heidentums und des Christentums sind in der Kunst die Plastik und die Musik. Das Christentum ver ... nichtete jene und schuf diese sowie die ihr zunächst stehende Malerei. (E. T. A. Hoffmann, Die Serapionsbrüder, Il)

[J

Die Mus i k ist die wahre allgemeineSprache, die man überall versteht ••• Jedoch redet sie

. nicht von Dingen, sondern von lauter Wohl und Wehe, als welche die alleinigen Realitäten für den Willen sind: darum spricht sie so sehr zum Herzen, während sie dem Kopfe unmittelbar nichts zu sagen hat und es ein Mißbrauch ist, wenn man ihr dies zumutet, wie in aller mal end e n Musik ges chieh t, welche daher, ein für allemal, verwerflich ist; wenn gleich Haydn und Beethoven sich zu ihr verirrt haben: Mozart und Rossini haben es, meines Wissens, nie gethan. Denn ein Anderes ist Ausdruck der Leidenschaften, ein Anderes Male ... rei der Dinge.

(Schopenhauel', Parerga 11., ~ 218)

o

Sie (die Musik) ist die romantischeste aller Künste, beinahe möchte man sagen, allein echt romantisch, denn nur das Unendliche ist ihr Vorwurf ••• Die Musik schließt dem Menschen e.in unbekanntes Reich auf, eine Welt, die nichts gemein hat mit der äußeren Sinnenwelt, die ihn umgibt, und in der er alle bestimmten Gefühle zurückläßt, um sich einer unbestimmten Sehnsucht hinzugeben.

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Habt ihr dies eigentümliche Wesen auch wohl nur geahnt, ihr ~rmen Instrumental .... komponisten, die ihr euch mühsam abquältet, bestimmte Empfindungen, ja sogar Begeben .. heiten darzustellen? - Wie konnte es euch denn nur einfallen, die der Plastik geradezu entgegengesetzte Kunst plastisch zu behandeln? Eure Sonnenaufgänge, eure Gewitter, eure BataiUes des trois Empereurs u. s. w. waren wohl gewiß gar lächerliche Verirrungen und sind wohlverdienterweise mit gänzlichem Ver ... gessen bestraft. .

(E. T. A. Hoffmann, Kreisleriana)

[J

Was überhaupt die schwierige Frage, wie weit die Instrumentalmusik in Darstellung von Gedanken und Begebenheiten gehen dürfe, anlangt, so sehen hier viele zu ängstlich. Man irrt sich gewiß, wenn man glaubt, die Kom .. ponisten legten sich Feder und Papier in der elenden Absicht zurecht, dies oder jenes aus .... zudrücken, zu schildern, zu malen. Doch schlage man zufällige Einflüsse und Eindrücke von Außen nicht zu gering an. Unbewußt neben der musikalischen Phantasie 'wirkt oft eine Idee fort, neben dem Ohr das Auge, und dieses, das immer thätige Organ, hält dann mitten unter den Klängen und Tönen gewisse Umrisse fest, die sich mit der vorrückenden Musik zu deutli~hen Gestalten verdichten und ausbilden können. Je mehr nun der Musik verwandte Elemente die mit den Tönen erzeugten Gedanken oder Gebilde in sich tragen, von je poetischerem oder plasti ... scherern Ausdrucke die Komposition sein, -und je phantastischer oder schärfer der Musiker überhaupt auffaßt, um so mehr sein Werk erheben oder ergreifen wird. Warum könnte nich t einen Beethoven inmitten seiner Phantasien der Gedanke an Unsterblichkeit überfallen 7 Warum nicht das Andenken eines großen gefallenen Helden ihn zu einem Werke be ... geistern? Warum nicht einen andern die Er .. innerung an eine selig verlebte Zeit? ••• Italien, die Alpen, das Bild des Meeres, eine Frühlings .... dämmerung, - hätte uns die Musik noch nichts von allem diesem erzählt? Ja selbst kleinere, speziellere Bilder können der Musik einen so reizend festen Charakter verleihen, daß man überrascht wird, wie sie 'solche Züge aus .. zudrücken vermag ••• Die Hauptsache bleibt, ob die Musik ohne Text und Erläuterung an sich etwas ist~ und vorzüglich, ob ihr Geist innewohnt. (Schumann,Gesammelte Schriften,!. [Symphonie

Ton H. Berlioz]) o

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Wir erleben es immer wieder, wie eine Beethovensche Symphonie die einzelnen Zuhörer .zu einer Bilderrede nötigt, sei es auch, daß eine Zusammenstellung der verschiedenen, durch ein Tonstück erzeugten Bilderwelten sich recht phantastisch bunt. ja widersprechend aus ... nimmt ••• Ja selbst wenn der Tondichter in Bildern über eure Komposition geredet hat, etwa wenn er eine Symphonie als pastorale und .einen Satz als "Szene ~m BachlI, einen anderen als "lustiges Zusammensein der Landleute4

'

bezeichnet. so sind das nur gleichnisartige, aus der Musik geborne Vorstellungen - und nicht etwa die nachgeahmten Gegenstände der Musik - Vorstellungen, die über den dionysischen Inhalt der Musik uns nach keiner Seite hin belehren können, ja die keinen ausschließlichen Wert neben andern Bildern haben. (Nietzsche, Die Geburt der Tragödie aus dem

Geiste der Musik, 6.)

o 0

MUSIKINWIEN Den bedeutsamsten Auftakt zum Konzert ...

winter gaben Mahlers "Neunte" und "Sech .. s t eU~ b eide unter F r i e d s Meisterstab in flecken .. 10 ser Reinheit erstr ahlend. Die "N eunte/(, wieder .. holt nach der Aufführung im Frühsommer, die "SechsteU zum erstenmal seit ihrer Urauf .. führungl Ein Verdienst des "Anbruchu , sich gerade dieser Vernachlässigten anzunehmen, ein weiteres, uns immer fester mit dem Dirigier ... genie Frieds zu verbinden. Seitdem folgte noch die "DritteU, von Furtwängler mit all der überlegenen Klarheit und dem vir .. tuosen Brio gestaltet, die ihm eigen sind, an Weingartner erinnern und den ersten Teil 'mit flutendem Leben erfüllten. Freilich auch mit der bei Mahler ganz besonders unberechtigten Scheu vor Überschwang des Gefühles, die das schönste Adagio, das seit Beethoven geschrieben wurde, zu einer etwas kühlen und gar zu ge ... schwitlden Angelegenheit machten. Um so fas .. zinierender mußte er in einem frUheren Konzert mit Strauß' I1Domestica" wirken, deren Geist und Laune den denkbar größten Kontrast zu einem vorher gespielten Klavierkonzert Nr. 2 von Ra c hm a ni n 0 ff bilden. Für uns neu, von' Frau Schapira, die uns lange gemieden. mit ihrem hinreißend federnden Rhythmus gespielt, enthüllt es 'einen mondänen Tschaikowsky. Französisches Parfüm wird aufdringlicher. als vornehm, verwendet. asiatische Steppenwildheit präsentiert sich gesittet im Zirkusrund. Die Form ist mehr Phantasie als Konzert. Das gilt

auch für ein neues Klavierkonzert des sehr be.­gabten Kar! Senn, der aus den Veranstaltungen I1Tiroler Kunst in Wien·4

, als der bedeutendste der jüngeren Alpensöhne hervortrat. Sie nehmen auch T h u i 11 e für sich in Anspruch. der sonst - und das mit Recht - dem Münchener Kreis zugezählt wird. Der Geburtsort kann Brahms und Beethoven nicht von Wien lösen oder Weingartner nach Südslawien und Schreker nach Monaco verweisen. Was man von Thuille hörte, ein sinfonischer Festmarsch, eine roman .. tische Ouvertüre, das bekannte Klavierquintett und Lieder, brachte keinen neuen Zug zu seinem Bild, das im "LobetanzU am reinsten erhalten ist. Man verbeugte sich respektvoll vor dem alten Pern bauer, nicht ohne stillen Neid einer Zeit gedenkend, da der Großvater der Groß .. mutter solche Albumblätter, Serenaden und Lieder widmen konnte, begrüßte in Galler, Sche nni ch und Karl Pem bauer beachtens .. werte neue M"<inner und behielt als stärksten Eindruck die Erinnerung än Senns, schon ein .. mal vom philharmonischen Chor unter Schreker aufgeführte "Ode an das FeuerU für Chor und Orchester. Das Klavierkonzert, ein freies, me .. lodisches Schwelgen, ohne Kraft, wenig dank .. bar für das von Sm e t e r 1i n g klug beherrschte Instrument, steht hinter der charakteristisch ·· freilich etwas pointilistisch gemalten Ode zu .. rück, deren Mahlerisch hoch aufstrebende Schlußsteigerung vom jungen Dirigenten R 0 sen .. s t 0 c k zur glänzenden Apotheose emporgeführt wurde. Eine wahre Feuerprobe für den viel ... seitig begabten Schreker ... Schiiler.

Neue Orchestermusik, noch dazu aus Wien, bringen heuer sogar die Philharmoniker. Ob die Auslese wirklich das Beste von dem ist, was noch in Pulten schlummert und der Er .. weckung zum Leben harrt, kann ich nicht wissen. Die ersten zwei Novitäten sind es nicht ganz. "Lio Hans"', Ballade für Bariton und Orchester, hat man schon bei Nedbal hören können. Die neue glanzvolle Aufführung kam besonders den instrumentalen Vorzügen des Werkes zustatten, das mit bewährten Mitteln einen unbedeutenden Text effektvoll illustriert. Manchmal vielleicht nur effektvoll, wie in der immer wieder durch das volle Werk der Solo .. Orgel verzögerten Schluß kadenz. Über die Be.. deutung der Komponistin wird eine demnächst aufzuführende Oper weiteres zu sagen wissen. Auch die zweite Novität "Phantasie für Orchester und Orgel" von. S t öhr ist in zwei Sätzen schon zu hören gewesen. Das Bedürfnis nach Ab .. wechslung hat wohl den Komponisten bestimmt, die zwei ins Riesige dime,nsionierten, gleichmäßig

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dunkel gefärbten Stücke durch eine Art Scherz 0

in Dur zu scheiden, wodurch freilich das Ganze noch massiger geraten ist. Ein außerordentlich fundiertes Können, kluge Beherrschung aller formalen und thematischen, weit weniger der orchestralen Möglichkeiten hat sich hier im Maße vergriffen. Hier ist Größe mehr gewollt als erreicht, Phantasie mehr gezwungen als gern zu Diensten. Was aber entsteht, wenn sie sich nicht zwingen läßt, bewies ein Kom .. positionsabendJan Kubelik mit nicht weniger als drei neuen eigenen Violinkonzerten. Man kennt seine Geigerart. Ein Zauberkünstler, der mit dämonisch ... starrem Blick versichert, daß es nur Geschwindigkeit und durchaus keine Hexerei sei. FUr seine unheimlich reibungslos laufende Technik schuf er sich neue, unerhörte Aufgaben. Auch diese beherrscht er, Mehr ist über sie nicht zu sagen.

Neue Kammermusik. Das Fe ist qua r t e tt, eine erstrangige Vereinigung, die sich vor moderner Musik nicht fürchtet, brachte ein Streichquartett in fünf Sätzen von Wellesz, Vier Stimmen, die: ein charaktervolles Eigen .. leben, oft freilich gegeneinander, führen. Daß es sich nicht nur um harmonische Durchgangs ..

• härten, die thematisch erzwungen werden, handelt, beweist die Konsequenz. mit der der Komponist in seinen bisherigen Arbeiten diese Art ungewöhnlich und schnell wechselnder Harmonik, deren sanftere und angenehmere Vorstufe wir bei den jüngeren Franzosen kennen gelernt haben,_ bevorzugt, daß sie viel ... leicht nicht völlig Fleisch von seinem Fleische ~ ist, beweisen einige Partien, die beinah "nor .. malu klingen. und einen in diesem Zu::!ammen .. hang merkwürdig unbeschwerten Ton haben. In einem Kompositionsabend neben Karl Weigls meisterlich reifem, form .. und klang ..

/ schönem Streichquartett in A ... Dur, und seinem nicht nur "PhantasusU genannten, sondern auch phantastisch .. reichen, phantasiebeschwingten Liederzyklus, als Uraufführung ein Streich .. quintett mit Kontrabaß von Pro h a.s k a. Dieser sehr ernst zu nehmende, an schwermütigen Stimmungen am besten inspirierte, in der guten Tradition eines gediegenen Könnens ge .. reilte Künstler hat in seinen letzten Werken eine neue Emp-fangl,ichkeit für modernst ... har .. manische Probleme enthüllt. Eine neue Leiden ... schaft wirft vieles über den Haufen, zumal alles, was an eine frühere gemahnt. Er kann sich nicht genugtun in schmerzlich .. wühlenden Harmonien. So wächst das Quintett zur Über .. länge einer vollen Stunde aus, immer wid.cr Abschlüsse versprechend, immer wieder neu

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beginnend, daß dem Hörer einer einzigen Auf .. führung der Zusammenhang entgleitet. Und dann: welcher Kontrast. Desselben Autors Ge .. sänge nach "Pierrot Lunaireu , demselben. mit dem Schönbergs große Wandlung beg<l-nn, den man nach dem Quintett von Prohaska ähnlich gestaltet wähnte. Statt dessen forziertes Sich .. selbst .. bewcisen .. woUen, daß französische Leich .. tigkeit, harmonisch~unbedenk1iche. thematisch leicht geschürzte Kabarettgrupe, auch dem Sänger des Hiob gelingen müsse. Eine Uraufführung im ersten Kammetmusikabend des "Anbruch", der in dankenswerter Weise diesmal das famose "Waldbauerll

... (früher ungarische) Quartett in den Dienst seines eifrigen Vorkampfes für neuere Musik gestellt hat. Streichquartett op.4 von Wilhelm Gr6sz dürfte älteren Datums sein als die hübscheVioHnsonate vom vorigen Jahr. Es ist darin sehr viel, beinahe zu viel Melodieseligkeit, Freude am schönen Quartett .. klang, und die reizende Grazie des Intermezzos scheint mir auf Gr6sz' eigentliche Begabung hinzuweisen: das Anmutige, Witzige, Fein ... Unterhaltende. Mit einem Wort: die komische Oper. - Schließlich noch ein paar Worte über moderne Lieder. Nicht über die als "moderner Abend'" angekündigten des vortrefflichen Pia .. nisten FeHx Rosental, die schon bei der letzten Mode nicht mehr modern waren; wohl aber über die im "Anbruch~" ... Abend von SteIla Ei g ...

ne r entzückend gesungenen, in ihrer Mischung von getreu kopierter Naivität und raffinierter Charakterisierungskunst sehr eigentümlichen Kinderstubenlieder Mussorgskis, über exo .. tische Volkslieder, von Kamilla P al ffy ge .. sammelt und gesungen, von Lisa M. M a y er bearbeitet und begleitet, über deren Provenienz in dieser Melodieform aus Ceylon und Arabien sich nichts sagen läßt, die aber in japanischen Teehäusern nicht unbedingt nur Madame Butter .. fly zeigen müßten, endlich über Manuskripte von Karl Wiener und H. L. Heller, die eine unserer innerlichsten und ernstesten Lieder .. sängerinnen, Frau Weigl .. Pazeller, vor .. geführt hat. Wiener ist ein interessanter, ins Detail verliebter Stimmungsschilderer, der das melodische Element freilich dabei zu kurz kommen läßt. Heller macht den Eindruck eines Theatertemperaments, das frisch und sicher seine ' Grundstimmung erfaßt und der Stimme allch wirklich was zu singen gibt. - Resume: Es findet sich immer wieder Neues, Beachtens .. wertes, Anregendes, auch wo man nicht ganz mitkann. Man muß es nur suchen. Sogar bei uns. Dr. R. St. Hoffmalln

D D

Page 132: Musikblätter Des Anbruch 1919

MEINE HERREN OPERNDIREKTOREN

Einem Hoftheaterintendanten hätte ich diesen Brief gewiß nicht geschrieben. Weil er ohnedies nichts genützt hätte. Sie sehen, ich habe Vertrauen. Aber Vertrauen verpflichtet! - Ich habe ferner Kinder. Sie sind - selbstverständ .. lieh! - musikalisch. Leider! Wären sie es nicht, so gingen sie ruhig in die Schülervorstellungen des Burgtheaters oder Volkstheaters. Aber so wollen sie nicht bloß Grillparzer und Schiller, sie sind töricht genug, auch Mozart, Weber und Lortzing haben zu wollen. Sogar noch einige mehr, die ich gar nicht zu nennen wage. Sie sagen - es sind halt Kinder, halten zu Gnaden - daß sie klassische Stücke auch beim Lesen im Kinderzimmer recht gut verstehen, daß es ihnen aber mit gelesenen oder aus Klavicraus .. ziigen reproduzierten Noten viel weniger gelingt, sich ein Bild von unseren klassischen und romantischen Schätzen zu machen, die sie nur als Namen kennen sollen. Warum führt sie also der Vater nicht in die Oper - das Opernhaus am Ring, das sie auch nur als Namen kennen? Der Vater - hat der es viel besser? Er geht in die Oper zu allen - Gott sei's geklagt - seit 12 Jahren zu allen Novitäten, sogar zu Neu .. studie rungen und besonders exotischen Gästen. Aber er kennt die Afrikanerin nicht und hat Carmen seit 15 Jahren" nicht gehört. Meine Herren Direktoren, ich rede heute nicht von dem Vater, ich rede nur von den Kindern .:.-. für die Kinder. Lasset sie an Sonntag"Nach .. mittagen zu euch kommen mit ermäßigten Karten, die in Schulen verteilt werden, nicht beim Schleichhändler! Wie viele Sonntage ver .. gehen ohne Nachmittagsvorstellung. Kein an .. deresWiener Theater könnte sich diesen Luxus der defizitreichen Oper leisten. Hier ist doch bares Geld zu holen! Und - unter uns - hat die Oper den Kindern an den Matineen wirklich nichts anderes zu bieten als Ballethabituepreise? Es geht um den musikalischen Nachwuchs, meine Herren!

Und dieser Nachwuchs, soweit er älter ist , und die Musikschulen bevölkert, ließe sich für

den nicht auch ein bischen was tun? Der soll doch auch Novitäten hören. Er soll sie wirklich als Neuheit hören, unverdorben durch fremdes Urteil, durch Erfolg und Mißerfolg. Könnten Sie, meine Herren Direktoren, ihnen nicht während der Generalprobe die Galerien öffnen? Wohl kenne ich aUe drakonischen Gesetze, die den Unberufenen vom Besuch dieser eleusinischen Mysterien feierlich ausschließen. Aber ebenso

gut kenne ich alle Unberufenen, die trotzdem in jeder Generalprobe zu finden sind. Und sind sie wirklich weniger berufen, das neue Werk zu hören, als die Gattin eines Sängers oder die Tochter eines'in Ewigkeit liq ui di erenden Hofr a ts? Ich kenne in Wien bedeutende Musiker, die schon die Zeit nicht haben, sich um eine Galeriekarte anzustellen, und das Geld nicht, das öfters zu tun, die seit 20 Jahren so oft in der Oper waren, wie ich beim Derby. Also keinmal. Lehrer an Musikschulen, die das bischen neuer Opern .. produktion, das die Zollschranke Wiener Gemüt .. lichkeit über die Grenze läßt, nie gehört haben. Ist es recht, solchen Musikern, wenn sie darum bitten, den Besuch der Generalproben zu ver .. wehren? Aber es ist geschehen! Justamentl -Nun sagen Sie selbst - kann man zwei neuen Direktoren gegenüber bescheidener sein? Zeigen Sie mit diesem kleinen Entgegenkommen, das ich Ihnen zumute, daß auch Operndirektoren nicht mehr Hofbeamte sein mUssen, zeigen Sie die nötige Einsicht für die einfache Tatsache, daß unser musikalischer Nachwuchs unsere musikalische Zukunft bedeutet. Und für die Zu .. kunft hat mehr denn je eine Gegenwart zu sorgen, die, so wie sie ist, keine Existenzberechtigung hat.

Dr. R. S. Hoffmann

IJ [J

MUSIK IM SPIEGEL DER ZEIT Ohne strenge Bindung sollen in einzelnen

Heften dieser Zeitschrift Abschnitte aus Schriften über Musik, Briefe von Musikern, Berichte von Zeitgenossen über Musiker und Musik veröffent .. licht werden, die geeignet sind, die Erkenntnis· vom Wesen der Musik zu steigern. Nicht um ein Anhäufen historischen Wissens handelt es sich, sondern um ein klares Erfassen dea Weges, den die Musik von heute geht, durch ' Zeugen großer Ver gangenhei ten"

Einzeln betrachtet, werden diese Dokumente, die sich keineswegs auf Unbekanntes beschränken wollen, Gestalten und Ereignisse in eine Beleuch .. tung zu rücken suchen, die möglichst viel von ihnen erhellt. Wenn man sie aber später viel .. leicht zusammenfassen wird, dann muß in ihnen das Individuum und das singuläre Geschehen verblassen und als Inhalt dieser Blätter allein die Musik als wirkende Kraft erkennbar sein.

Mit einem Briefe Mozarts an seinen Vater soll der Anfang gemacht werden, der in einem entscheidenden und schicksalsbestimmenden Augenblicke geschrieben wurde. Mozart war mit dem Erzbischof von S~lzburg, in dessen Diensten

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Page 133: Musikblätter Des Anbruch 1919

er stand, 1781 nach Wien gekommen und hatte hier von ihm die unerträglichste Behandlung erfahren, so daß er seine Entlassung verlangte. Diesen Schritt teilte er seinem Vater mit, der eine vermittelnde Stellung einzunehmen ver .. suchte; darauf schrieb Mozart folgenden Brief, - aus dem nur eine unwichtigere Stelle aus .. gelassen wurde - der bei allen Beteuerungen der Kindesliebe doch die innere Loslösung Mozarts von seinem Vater, das Hinauswachsen eines Genies über irdische Gebundenheit zeigt. Dieser Brief findet sich wohl in allen Mozart .. biographien abgedruckt oder verwendet. Über das Tatsächliche hinausgehend, ist el' aber wohl eines der erschütterndsten Zeugnisse der wahr .. haften Vereinsamung großer Naturen und des Dornenweges, den selbst eine nach außen glänzende Künstlerlaufbahn bedeutet.

Egon Wellesz

Vienne ce 19 de may 1781

Mon tres eher Pere!

Ich weiß auch nicht, was ich zuerst schreibe, mein liebster Vater 1 denn ich kann mich von meinem Erstaunen noch nicht erhohlen, und werde es nie können, wenn Sie so zu denken und so zu schreiben fortfahren. Ich muß Ihnen ge .. stehen, daß ich aus keinem einzigen Zuge Ihres Briefes meinen Vater erkenne! Wohl einen Vater, aber nicht den besten, liebvollsten, den für seine eigene und für die Ehre seiner Kinder besorgten Vater - mit einem. ~ort, nicht meinen Vater; doch, das war alles nur ein Traum. Sie sind nun erwacht und haben gar keine Antwort von mir auf Ihre Punkte nöthig­um mehr als überzeugt zu sein, daß ich nun me h r a 1s ] e m a 1s von meinem Entschluss gar nicht abstehen kann. Doch muß ich, weil meine Ehre und , mein Charakter bei e,inigen Stellen am empfindlichsten angegriffen ist, etwe1che Punkte beantworten. Sie können es niemals gut heißen, daß ich in Wien quittiert habe. Ich glaube, daß, wenn man schon Lust dazu hat (obwohl ich es dermalen nicht hatte, denn sonst würde ich es das erste Mal getan haben), so würde es an dem Orte am vernünf .. tigsten sein, wo man gut steht und die schönsten Aussichten von der Welt hat. Daß Sie es im Gesichte des Erzbischofs nicht gut heißen können, ist möglich, aber mir können Sie es nicht anders als gut heißen; ich kann meine Ehre durch nichts anderes , retten, als daß ich von meinem Entschlusse abstehe? Wie können Sie doch so einen Wicterspruch fassen. Sie dachten nicht, als sie dieses schrieben, daß ich - durch einen solchen Zurückschritt der niedertrllchtigste Kerl

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von der Welt würde. Ganz Wien weißt daß ich vom Erzbischof weg bin - weiß warum! -Weiß, daß es wegen gekränkter Ehre, und zwar zum drittenmal gekränkter Ehre geschah, und ich sollte wieder öffentlich das Gegenteil be .. weisen? Soll mich zum Hundsfott und den Erz .. bischof zu einem braven Fürsten machen? Das erste kann kein Mensch und ich am allerwenigsten, und das andere kann nur Gott, wenn er ihn erleuchten will.

Ich habe Ihnen also noch keine Liebe ge .. zeigt? Muß sie also erst jetzt zeigen? Können Sie das wohl sagen? Ich wollte Ihnen von meinem Vergnügen nichts aufopfern? Was habe ich denn für ein Vergnügen hier? Daß ich mit Muhe und Sorge auf meinen Geldbeutel denke I Mir scheint, Sie glauben, ich schwimme in Vergnugen und Unterhaltungen. 0, wie betrugen Sie sich nicht 1 •••

Ihnen zu Gefallen, mein bester Vater, wollte ich mein Gluck, meine Gesundheit und mein Leben aufopfern, aber meine Ehre, die ist mir und die muß Ihnen über Alles sein. Lassen Sie dieses den Grafen Arco lesen und ganz Salzburg.

Nach dieser Beleidigung, nach dieser drei .. fachen Beleidigung, dürfte mir der Erzbischof in eigener Person 1200 fl. antragen und ich nähme sie ' nicht - ich bin kein Bursche und kein Bub - und wenn Sie nicht wären, so hätte ich nicht das drittemal erwartet, daß er mir hätte sagen können, scher> er sich wei ter, ohne es für bekannt anzunehmen; was sage ich: erwartet. Ich, ich hätte es gesagt, und; nicht er! Mich wundert nur, daß der Erz .. bischof so unbesonnen hat handeln können! Er soll also sehen, wie er sich betrogen hat. Fürst Breiner und Graf Arco brauchen den Erzbischof, aber ich nicht. Und wenn es auf das Äußerste ankommt, daß er alle Pflichten eines Fürsten, eines geistlichen Fürsten ver gißt, so kommen Sie zu mir nach Wien. 400 fl. haben Sie überall, was glauben Sie, was er sich hier beim Kaiser, der ihn. ohnehin haßt, für Schande machen würde, wenn er das tätel •••

Liebster, bester Vater, begehren Sie von mir was Sie wollen, nur das nicht, sonst Alles; , nur der Gedanke macht mich schon vor Wut zittern. Adieu, ich küsse Ihnen 1000 mal die Hände und m 'eine Schwester umarme ich von Herzen und bin ewig dero

gehorsamst Sohn

Wolfgang Amade Mozart

[J C

Page 134: Musikblätter Des Anbruch 1919

NEUE DAVIDSBÜNDLER Es kommt niemals auf die Geste, die Gebärde

an, die eine Kunst zeigt, sondern immer nur auf ihren Blutgehalt.

Je mehr ich zu Jahren komme, umso klarer, sicherer erkenne ich die Wahrheit dieses Wortes. Im schweren Ernst unserer deutschen Kunst (sei es nun die Musik, Literatur oder Malerei) aufgewachsen, konnte ich zum Beispiel ehemals, wie so viele meiner damaligen Altersgenossen kein rechtes Verständnis für den, wie ich heute weiß, zu den ganz Großen gehörenden Ver d i aufbringen. Wenn ich die volle Wahrheit ein .. gestehen soll, ich hielt ihn in manchen seiner Werke eigentlich mehr für einen besseren Operettenkomponisten. Überhaupt, wo nicht von vornherein von Gott, Ewigkeit und tiefstem Weltgeschehen die Rede war, glitt ich vielfach erhaben, als über oberflächlichen Tand, hinweg. Heute suche ich noch immer überall nur Gott und Ewigkeit, wo aber von ihnen offen ge ... sprochen wird, bin ich eher fast mißtrauisch geworden. Und wenn man mich jetzt nach dem größten lebenden Komponisten fragen wollte, so würde ich (vom Schöpfer der "Gurrelieder", als einer für mich noch nicht ganz geklärten Erscheinung vorläufig abgesehen) wohl -P u c c i n i nennen. Und könnte das umsa leichter tun, als ich mich von seinem Wesen selbst völlig frei fühle.

[]

Künstlerische Produktivität oline innere Begeisterung, die einen unwehrbar zum Schaffen zwingt, ist in jedem Fall wertlos. Gar aber Mus i k zu machen - bedenkt doch, was es heißt, daß ein Mensch sich hinstellt und zu singen, zu tanzen beginnt - ohne in Verzückung, in einem wahrhaft hypnotischen Trancezustand zu sein (also Musik als nur "tönend bewegte Form", sei diese Form noch so plausibel und organisch gegliedert): das ist widersinnig, ver .. rückt und übe r die sei n e S ü n d e.

Rudolf Reti [] []

KRITIK DER KRITIK Ich lese über die letzte Aufführung der ersten

Mahler ... Symphonie durch Walter in einem Wiener Montagsblatt folgendes:

... Es ist bewunderungswürdig. wie dieser hervorragende Dirigent in die letzten Tiefen und Untiefen dieses unerlösten musikalischen Genies einzudringen weiß, die komplizierten Seelen ...

vorgänge beinahe bis auf ihre konfessionelle Nacktheit entkleidend!~

Ich frage mich vergeblich, warum Mahler ein unerlöstes Genie sein soll. Es war mir vielmehr angenehm zu denken, daß er von Wiener kriti .. sehen Entkleidungsversuchen für immer erlöst sei. Oder geht er heute noch als Geist um, den Schlaf derer zu stören, die ihn auf dem Gewissen haben und nichts so fürchten, als die Wiederkehr seines Geistes? Ich nehme also zur Kenntnis. daß nunmehr auch Dirigenten See1envorgänge­zum Glück nur "beinahe" - entkleiden. Aber was ist's mit der konfessionellen Nacktheit? Ist Nacktheit an sich etwas Konfessionelles, oder wird hier für nackte Seelen ein konfessio ... ne11er Unterschied angedeutet? Ist speziell der fahrende Gesell nur die täuschend gelungene Maske. hinter der sich der nackte Hande1sjud verbirgt? Oder will dieselbe kritische Feder, die erst kürzlich das grand decollete einer Pianistin so sachgemäß beurteilt hat, mehr auf ein neues Feld kritischer Tätigkeit hinweisen, nämlich das der musikalischen Nackt-Unkultur?

R.S.H. [] Cl

B E S P R E C H U N G " WILHELM GROSZ: FÜNF GEDICHTE AUS

DEM ... ]APANISCHEN FRÜHLING"~ von Hans Bethge für eine Singstimme mit Klavierbe ... gleitung. (U~iversal .. Edition, Wien.)

Ich glaube gerne, daß nur ein subtiles Gemüt in diese überfeinen. ganz auf den seelischen Ausdruck gestellten fünf Lieder richtige Einfühlung finden wird und daß den gröberen Seelen nur die eminente Beherrschung der technischen Mittel. die Kunst des Gesangs ... und Klaviersatzes, die Klangschönheit und starke Melodienfreudigkeit auffallen dürfte, Eigenschaf ... ten des Werkes, die selbst Gehässigkeit nicht hin,,:,"egleugnen kann. Ich freue mich/ über eine wundervolle Synthese von Jugend und Reife, Temperament und Linie, starke Originalität und Neuheit in Form und Inhalt bei sicherem Gefühl für Schönheit und Klang, die ich in Grosz zu erkennen glaube, ich freue mich für Wien, daß es in ihm eine starke und ausgeprägte Begabung mehr zu den vielen anderen jungen Meistern besitzt, deren Wirken schon jetzt der Stadt ein fühlbar eigenes Kolorit gibt. Die Lieder streben nach der Tiefe und Augenblicke darin sind wahrhaftig im Grunde des Herzens verankert, sei es in wehmütiger Melancholie oder in der ungebändigten Kraft frühlings .. trunkenen Aufjube1ns. Ein leiser exotischer Ton,

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Page 135: Musikblätter Des Anbruch 1919

kaum auffaUend, schwebt darüber wie der farbenzarte Hauch japanischer Aquarelle, überall kluge Mäßigung, Klangzauber und Schönheit der Linie, überlegtes, aber see1enwarmes kUnst .. lerisches Genießen, voll von Jugend und Zukunft .

. Die technischen Schwierigkeiten sind für Sä.nger und Klavierspieler bedeutend; umso mehr Liebe und Fleiß sei drum für den schön gerundeten

N E u E

Verlag Tischer & ]agenberg, Cöln a. Rh.

A. von Othegraven: op. 50, Oratorium "Marien .. lehen", Text nach alten deutschen Liedern für Sopran.. und Baritonsolo, gemischten Chor, Orchester und Orgel

Hermann Unger: op. 24, "Hymnus an das Leben", Text von E. Verhaeren, für Bariton .. solo, Chor und Orchester

Rudolf Bergh: op. 38, "Geister der Wind .. stille", Text von Isolde Kurz, für Alt .. und Tenorsolo, Chor und Orchester

Orchestermusik:

Hermann Unger: ,,]ahreszeitenU , viersätzig

Hermann Unger: Levantinisches Rondo für mittleres Orchester

Hermann Unger: Symphonie n .. moll, op. 27

]uIius Weismann: op. 56, Drei Phantaslen für großes Orchester

F. Max Anton: ap. 16, Drei Orchesterstücke: Präludium, Scherzo, Elegie

Kammermusik E. Straesser: op. 32, Violinsanate

E. Straesser: op. 33, Klaviertrio D .. dur

Ad. Henn, Musikverlag, Genf

Igor Strawinsky: Pribaoutki (Chansons plaisantes)

Renard (Histoire burlesque)

leaD Duperier: Trois sonnets

kleinen Zyklus angewendet, den ich nicht gerne zerstückelt in ~,dankbare" Konzertprogramme eingereiht sehen möchte. Der Maler Felix A. Ha r t a hat dem Werke ein ungemein eigen .. artiges, schönes Titelblatt beigegeben.

N o

Dr. B. Pa umgartne r

Cl [J

T E N

Universal Edftion. Wien-Leipzig , Vitezslav Novak: Die Totenbraut, op. 48,

Ballade (2 Soli, gemischter Chor und großes Orchester)

Pan, op. 43, Tondichtung (großes Orchester) Toman und die Waldfee (großes Orchester)

loser Suk: Ein Sommermärchen op. 29 (großes Orchester)

Vac1av Stepan: Böhm. Volkslieder op. 10 (Gesang und Klavier)

Karol Szymanowski: Masken op. 34 Klavier zweihändig

Sonate III op. 36 Klavier zweihändig

Frederick Delius! Appalachia, Variationen über ein altes Sklavenlied für großes Orchester mit Schluß chor

Walter Bra unfels : Phantastische Erschei .. nungen eines Themas von Berlioz (großes Orchester)

Richard Mandl! Drei pittoreske Stücke (großes Orchester)

Josef Marx! Vier Lieder von Wildgans Wilhelm Grosz: _ Fünf Gedichte aus dem

japanischen Frühling (Gesang u. Klavier) Felix Petyrek: Zwei Lieder

1. Spät (für Gesang, Violine und Klavier) 11. Der Wind (Gesang, Klavier, Violine,

Viola und Klarinette)

Egon WeIIesz: Geistliches Lied (für Gesang, Violine, Bratsche und Klavier)

Idyllen op. 21 (Klavier)

C Cl

Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Alfred Kalmus, Wien. I. Karlsplatz 6. - Herausgegeben von der Universal~ Edition A.~G. - Druck Von Qtto MaalF Sohne Ges. m. b. H .. Wien, I. Wallfischgasse 10.

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Page 136: Musikblätter Des Anbruch 1919

PREISAUSSCHREIBEN für Klavier-Kompositionen 1111111111111111111111111111111111111111 UJ 11111 [l11I1I11II1I1I1I11I1I1I1ll1I11J 1I1111111111111111l1ll1l1l11l1l1l1ll1l1llUUI m 11111 m 11 m IIIIJ 111111111

Die Musikbläfler des Anbruch eröffnen ein P re isa u s s ehr ei ben für

Klavierstücke (Sonaten u. dgl.) für Klavier zu zwei Händen

Dieser Wetfbewerb ist der jungen Generation vorbehalten, ohne Rück· sicht auf deren nationale Zugehörigkeit.

Der Umfang der Komposition darf 24 Druckseiten. die Aufführungs­dauer 15 Minuten nicht übersteigen.

Die Kompositionen dürfen nodl nimt veröffentlicht und nicht unleserlich geschrieben sein. Da die Schriflleifung jede Haftung für das Manuskript ab­lehnt, ist die Verwahrung einer Kopie dem Komponisten dringend empfohlen.

Die Manuskripte sind bis zum 1. März 1920 an die Schriftleitung der Musikblätter des Anbrurn, Wien, L Karlsplatz 6, einzusenden.

Die Manuskripte dürfen den Namen des Komponisten ni rnt enthalten, sondern sind blo~ mit einem Motto zu bezeirnnen. Namen und Adresse des Komponisten sind in einem verschlossenen Kuvert, das als Aufsmrift das Motto trägt. dem Manuskripte beizuschlie~en.

Das Preisrimfera mt haben die Herren J osef M ar x, M oriz R 0 se n­thai, Paul Weingarten und Kar! Wergl übernommen.

Als Preise sind ausgesetzt:

1. Preis .................. K 800'-2. Preis .......... -........ K 500"-3. Preis .................. K 200'-

Von den eingereirnfen Kompositionen, gleichzeitig höchstens drei, wird im gegebenen Fall nur eine desselben Komponisten prämiiert.

Das Ergebnis der Jury wird mit 1. Juni 1920 bekanntgegeben. Die Musikblälter des Anbruch bringen die prämiierten Kompositionen

im Herbst 1920 in einem nur für diesen Zweck bestimmten Abend zur Ur­aufführung. Es steht ihnen das Recht zu, diese Kompositionen als Noten· beilage abzudrucken.

Die Universal-Edition A.·G. behält sich das Recht vor, sowohl die prämiierten wie auch die übrigen eingereichten Kompositionen gegen eine Verlagstantieme von 15% des Ladenpreises für ihren Verlag zu erwerben.

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Page 137: Musikblätter Des Anbruch 1919

CONCERTGEBOUW - AMSTERDAM i

MAI 1920

-'-~-I

MAHLER-FEST Sämtliche Werke Gusfav Mahlers in einem Zyklus von 9 Konzerten unter Leitung von W. Mengelberg und unter Mitwirkung berühmter Solisten J des Concertgebouw-Or­chesters und JJToonkunsf"-Chores

1. KONZERT ...... 6. MAI '1920 Das klagende lied, lieder

s. KONZERT ...... 14. MAI 1920 Sechste Sinfonie, Kinder-

eines fahrenden Gesellen, ::: Erste Sinfonie ...

2. KONZERT ..... " 8" MAI 1920 ::: Zweite Sinfonie :::

3. KONZERT ..... 10 .. MAI 1920 ... ... Dritte Sinfonie ... ...

4. KONZERT ...... 12. MAI 1920 Vierte und fünfte Sinfonie

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:::, toten lieder ::: 6. KONZERT ..... 15.' MAI 1920

lieder, Siebente Sinfonie 7. KONZERT ..... 17. MAI 1920

Das lied von der , Erde 8. KONZERT" .... 19 .. MAI 1920

::: Neunte Sinfonie ::: 9. KONZERT " .... ,,22. MAI 1920

::: Achte Sinfonie .-. ...

Page 138: Musikblätter Des Anbruch 1919

Ein hervorragender Wiener Meister

FRANZ SCHMIDT 1111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111 1IIIIIIIIlIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIllIIIIIIIIIIIIIIIIIIIllIIIllIIllIIIIIIIUIIIl

Sinfonie Nr. 1 E-dur U. E. Nr. 3881 Orchesferparfilur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mark 25'­U. E. Nr. 3883 Klavierauszug zu vier Händen . . . . . . . . . . . . . Mark 6'-

Franz Schmidts Sinfonie E·dur gelangte bisher wiederholt mit durmschlagendem Erfolge zur Aufführung, u. a. in Kopenhagen: Königliche Kapelle , (Georg Hoeberg); Magdeburg: Sinfoniekonzerl des Stadttheaters (Dr. Waller Rabl); Wien: Konzert· verein (ferdinand löwe). Wiener Philharmoniker (franz Schalk). Uber die kürz11m stalI­gefundene Magdeburger Aufführung schreibt die Magdeburger Zeitung: "Der anscheinend auf keine Richtung eingeschworene Komponist überschüttet um ganz ungenierf mit den schönsten Melodien, bis zur Baßfuba hiMb mUß sim alles zu singen bequemen. Das klingt so alt und dorn so neu in dieser schönen ParliIur. man merkl, hier redet ein Aufrechter, ein EdlerJ dem das musikalische Deutsm der Klassiker Muttersprache, Herzenssache ist."

Sinfonie Nr. 2 Es-dur U. E. Nr. 5391 Or<hesterparlitur . , . • . . , . U. E. Nr. 5552 Klavierauszug zu vier Händen . ,

. Mark 50'­

. Mark 10'-

Die bedeutendsten Ormestervereinigungen haben diese preisgekrönte Sinfonie berells zur Aufführung gebradlt, darunter: Wien: Philharmoniker (Felix Weingartner), Gesell­schaft der Musikfreunde (Franz Schalk), Konzertverein (Ferd. Löwe), T onkünstlerorches!er (Oskar Nedbal) j Berlin: Philh. Or<hesler (Herrn. Henze); Hamburg: Philharm, Ge­sellschaft (Siegm. Hausegger); Aachen: Städt. Orchester (Frilz Busch): Essen = Ton­künsHerfesf (Hermann Abendrolh); Graz: Opernormester (Oskar Posa); Haag: Residenzorchester (Van Zuylen v. Nijevelt); ferner Budapest, Los Angeles u. a. m. Jede Aufführung erzielte bisher einen jubelnden Erfolg.

Notre Dame Zwischenspiel und Karnevalsmusik U, E. Nr. 5480 Ormesterparlllur ...... .. , . , ........ Mark 20'-U. E. Nr. 5482 Klavierauszug zu zwei Händen, .......... " . Mark 3'-

Zwischenspiel und Karnevc.lsmusik enlhalien das Wirkungsvollste aus der bekannfen Oper Franz Schmidts und beweist jeder Takt derselben eine bis zum Hömslpunkle gesleigerle Künstlerschaft und eine Virtuosität der T emnik. die nur dem Sinloniker von Beruf zu eigen sein kann. Erfolgreiche Aufführungen haben bisher in Wien. Budapesl. Slraßburg. Nürnberg. Pre~burg u. a. m. st<!ltfgefunden.

Verlegerzusdll<':Jg 50 Prozent. - Ordleslersfimmen nam Vereinbarung. - Zu beziehen durch jede Buch· und Musikalienhandlung

Universal- Edition A.-G. J Wien - Leipzig . ", r ' .... ~ r • "'~ .: ~ . : O'i ' .: ,., .... '

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Page 139: Musikblätter Des Anbruch 1919

Anfon Bruckner IW 11 111 11 111 11 IIIIIIß 1111 111 111 111 11 1111 111111 11111111111111111111111 111 ~1II1111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111

A. INSTRUMENTAL-WERKE U" E" Nr" Preis Mark

Klavier zu zwei Händen

426 Sinfonie I C-moll " . . . .' 4'50 787 Sinfonie 11 C-moll . " . . ." 4"50

2986 Sinfonie 111 D-moll " " " . "" 6"-2883 Sinfonie IV Es-dur rom. "" 6"-

427 Sinfonie V B-dur . " " . ". 4"50 428 Sinfonie VI A-dur . " . " ." 4"50

2889 Sinfonie VII E-dur. " " " "" 6"-2493 Sinfonie VIII C-moll" " " ." 6'-

843 Sinfonie IX D-moll " . " "" 4'50 2893 Smerzo aus der IX, Sinfonie 3'-2987 ~infonie IX u" Te Deum zus. 6'-5257 Andante aus der nachge-

lassenen Sinfonie F-moll ." 1"50

U. E. Nr. Preis Mark

Zwei Klaviere zu vier Händen 5144 Sinfonie IV Es-dur. . . . .. 8'-2890 Sinfonie VII E-dur ...... 10"-5347 Sinfonie VIII emoll . " . .. 8'-

Zwei Klaviere zu amt Händen

944 Sinfonie V B-dur" ...... 12'-

Kammermusik Streichquintett F-dur

2924 Partitur (8 °) " " " " " . . . ." 3'-2925 Stimmen " . " " " " " . . . " . 10"-

I n te r mez z o. Ein nachge-3601 Benedictus aus der F-moll­Messe (W öss) . " .. , " " "

2917 Erinnerung, Klaviersfück "" 1"50 lassener StreichquinteHsatz 1"50 2922 Partitur (16°) . " . " " " " "" 1'-

2923 Stimmen" . . . . " " " " " "" 2"-Klavier zu vier Händen

420 Sinfonie I C-moll " . " " ." 6"-421 Sinfonie 11 C-moll ... " ." 6"-422 Sinfonie 111 D-moll """"" 6"-

. 2882 Sinfonie IV Es-dur rom" . . 12"-424 Sinfonie V B-dur " . " " "" 6"-425 Sinfonie VI A-dur " " " " .. 6'-

2888 Sinfonie VII E-dur" " " " " " 12"-2494 Sinfonie VIII C-moll " " " "" 7"50

844 Sinfonie IX D-moll " " " "" 6"-2988 Sinfonie IX u. Te Deum zus. 7"50 277 3 Te Deum allein (vgl. Bruckners

Chorwerke) 5258 Andante aus' der "nachge­

lassenen Sinfonie F-moll" "" 2"-2926 Streimquinteft F-dur. . " . " 10"-

Tasmenpartituren

3593/94 Sinfonie 1/11 " " " " "" a 4"-3595/96 Sinfonie 1I1/IV """" a 5"35 3597/98 Sinfonie V/VI" " " ." a 4"-3599 Sinfonie VII """""".". 5"34 2495 Sinfonie VIII (-moll " " " "' 4"-

931 Sinfonie IX D-moll """ ." 4"-2990 Sinfonie IX und Te Deum zu­

sammen " " " " . " " " . . .. 5'-2989 Te Deum allein (vgl.Bruckners

Chorwerke) 5259 Andante aus der nachge­

lassenen Sinfonie F-moll ". 2"-29251 2923 Sfreimquinfetf, Inter­

mezzo vgl. oben Teuerungszuschlag 50 Prozent

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126

Page 140: Musikblätter Des Anbruch 1919

Anton' Bruckner III1I11UIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111

B. GROI3ERE CHORWERKE U. E. Nr. Preis Mk.

Messe 11 E-moll für aentsfimmigen Chor u. Blasinstrumente

2894 Partitur .. .. .. .. .. .. .. .. .. 12'-2895 Bläserstimmen (naen Verein-

barung) 2896 Chorsfimmen .......... a 1'20 2915 NEU I Bearbeitung für Chor

und Orgel (Goller) .. .. .... 6'-

GrolJe Messe 111 f·moll für gemisenten Chor und Orenester

2898 Parfifur .................. 40'-2899 Orenesterstimmen (naen Ver-

einbarung) 2899 a Orgelstimme .. .. .. .. .... 3'-2900 ajd Chorstimmen .. .. .. .. a 1'80 2901 Klavierauszug mit Text, lat. 12'-3601 Daraus einzeln: Benedictus

für Klavier zweihändig .... I-50

150 .. Psalm für gemisenten Chor, Soli und Orenester

2906 Partitur ........... _ ...... 10'-2907 Ormesfersfimmen (naen Ver-

einbarung) 2908 Chorsfimmen .......... a -'50 2909 Klavierauszug mit Text d... 4'-

U. E. Nr. Preis Mk.

Te Deum für Chor, Soli u. Orchester, Orgel ad lib.

429 Klavierauszug mit Text, lat. 3'-2773 Klavierauszug vierhändig.. 3'-2989 Tasenenparfitur (16°) .. .... 2'-

Sinfonie IX und Te Deum zusam-men (vgl. Insfrumenfalwerke)

JJH elgolandrr

für Männermor und gro~es Orenester

2902 Parfifur .. .. ._ .. .. .. .. .. .. 12'-2903 Orenesfersfimmen (naen Ver-

einbarung) 2904 Chorstimmen ... ....... a -'60 2905 Klavierauszug mit Text d... 3'50

uDas hohe Liedrr

Männerenor mit Tenorsolo u. Orenester­oder Klavierbegleifung

2910 Partitur (mit unterlegtem Text) .... "" "" ". .. .. .. .... 2"50

2911 Orrnesterstimmen (nam Ver­einbarung)

29] 2 Solo· und Chorslimmen .. a -'25

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127

Page 141: Musikblätter Des Anbruch 1919

vtT. NovAK A. SINFONISCHE WERKE

• IN DER TAT RA, op. 26

Sinfonische Dichtung für großes Orchester U. E. Nr. 2876 Partitur . . . . . • Mk. 20'-: U. E. Nt. 2818 Klavier, vierhindig Mit. 3'-

SERENADE, op. 36 Für kleinea Orchester

U. E. Nr.3997 ,Partitur ....... Mk. 12'- U. E. Nr. 3994 Klavier, vierhlndig Mk. "-

TOMAN UND DIE WALDFEE, op. 40 Sinfonische Dichtung für großes Orchester

U. E. Nt. 6363 Partitur. .... Mk. 40'- U. E. Nr. 5818 Klavier, :vierhändil . Jrlk. 5'-

LADY GODIVA, ap. 41 Ouvertüre für großes Orchester

U. E. Nr. 6365 Partitur . ................ . . . . Mk. 20'- . U. E. Nr. 6367 Klavier, vierhändii, in Vorbereitung

. .

. . PAN,op. 43 Tondichtung in 5 Sätzen für großes Orchester

U. E. Nr. 5888 Partitur. . (nur in Abschrift) U. E. Nt. 3355 Klavier, zweihändig Mk. 5'-

B~ CHORWERKE. . . ' , DER STURM, op. 42 '.' . '. . .

Sinfonische Dichtung nach der Meeresphantasie von Svat. Cech, für gr. Orchester, Soli u. Chor U. E. Nt. 3632 Partitur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . Mk. 50'­U. E. Nr. 3357 Klavierauszug mit Text, deutsch, tschechisch ...•......• l.Ik. 10'-

DIE TOTENBRAUT, op. 48 Ballade für 2 Soli, gemischten Cbor und il'oßes Orchester

U. E. Nr. 5293 Klavierauszug mit Text tschechisch .. ~ . . . . . • . . . . . • Mk. 7'SO

c. BÜHNENWERKE , DER BURGKOBOLD, op. 4~ .

Komische Oper in 1 Aufzug. Text von Lad. Stroupeznicky. Deutsche Übersetzung von Maz. Brod U. E. Nr. 5393 Klavierauszug mit Text, tschechisch ..... Mk. 8'-U. B. Nr. 5812 Te:z:tbuch~ deutsch . . . . . . . . . . . l!4k. -'50

. ' KARLSTEIN, op. 50 ' . ' Opu in 3 Akten nach dem Luatspiel von Jar. VrchIicky, zusammengesteIlt von Ottokar Fischer U. E. Nr. 5816 Klavierauszug mit Text, tschechisch. ~ . . . . . . . . . . . . . . . Mk. 12'-

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128 '

Page 142: Musikblätter Des Anbruch 1919

t

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HANSGAL:· -Der Arzt der Sobe"ide

Komische Oper in einem Vorspiel und zwei Akten. - Dirnfung von Frifz ZoreJ U. E. Nr. 6250 Klavierauszug mit Text Mk.15·- U. E. Nr. 6251 Texfbum •.••.. Mk. 1'­Gois .Arzt der Sobe"iden- gelangte am 2. November 1919 am Breslauer Sladlll1eafer mit gro~em ErM fo I ge zur Auffül1runc;l. Der Komponist konnte am Sdtlusse 'für mehr als ein Dutzend Hervorrufe-da nken

HERMANN NOETZEL: MEISTER GUIDO

Kom isrn e 0 pe r i n d r e i A k f e n. - Dirn tun 9 vom Kom p 0 n i s f e n U. E. Nr. 6260 Klavierauszug mit Text Mk. 20'- U. E. Nr. 6261 Textbuch ..••.. Mk. 1'­DurdlSchJ. Erfolg des Karlsruher Hoftheaters I Bevorstehende Aufführungen Münc:hen (Nationaltheater),

Kassel (Staat!. Sc:hauspiele). Bremen (Sladfiheater)

R U D 0 L F . S IE GEL: HERR DANDOLO

Komisme Oper in drei Akten nach einer italienischen Komödie U. E. Nr. 6295 Klavierauszug mft Text Mk. 12'- U. E. Nr. 6296 Textbuc:h ..... Mk. 1.­Bisher glänzen d e Auffü hru n gen j n Esse n (T onkünsllerfesi), S lulfgarl (la nd estheater). München (Natio nal­theater), Mannheim (NafionaltheClter). - Zur Aufführung angenommen für Weimar (landestheater)

FELIX WEINGARTNER: DAME KOBOLD Komisme Oper in drei Akten nam Calderon

U. E. Nr. 5695 Klavierauszug mit Text Mk.- 15'- U. E. Nr. 5696 Textbuch. . Mk.-·SO U. E. Nr. 5824 Ouverfüre, Klav. 2 hdg. Mk. 2'50 U. E. Nr. 5698 Walzer, Klav. 2 hdg .. Mk. 2'­U. E. Nr. 5692 Kavatine, Gesang und Klavier. . . • . . . . . • . • . . . . • • • Mk. 1'-Diese geistvolle, melodisch reizende Schöpfung Weingarfllers ist bisher im zahireimeri Bühnen mit stärkstem Beifalle gegeben worden. Aufführungen derselben haben bisher u.;,. in DarmM stadt, leipzig, München, K;,rlsruhe. Stullgart, Charlotlenburg, Chemllilz, Graz st~lIgefunden

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Page 143: Musikblätter Des Anbruch 1919

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2929 Parlilur. Taschenformat .. .. , . . . )'-2930 Stimmen ...... ... . .. 6'-

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3587 Für achlslimm, gern. Chor a capp. ParI. 1'50 l. Abend. 2. Frühlings Tod, 3. Primula veris

Vier Gedichte, op. 7 3588 Für vierslimm. gern. Chor CI capp. ParI. 1'50

. I. Komm, sü~er Tod. 2. Campo santo dl Staglieno (Nietzschel. 3 . . Glaube (lienhard). 4, Morgen (Keller) .

Lieder und Gesänge u. E. Nr. Sjeben Gesänge. op, 1· MQI'k .

3568 Für eine liefe Männerstimme und Klavier 3' -1. Aus dem Buche Hiob. 2. Der Ein, samste (Nielzsme). 3. Der Tag klin~t ab (Nietzsche). 4. Fragen (HeinE~J.

. 5. Wanderers Naddlied (Goethe). 6. Ein Gleidmis (GoetlleJ. 1. Sdlmled Schmerz

. (Bierbaum) ,

Fünf lieder. op. 3 2976 Für eine hohe Männerstimme und Klavier 2'­

J. Pfingsflied (Denmel). 2. Fraue. du süpe (FinckIlJ. 3. Bauer. I(J~' die Rosen steh" (Wunderhorn). 4. Herbslgefühl (Goethe). Mein Herz (Lenau) .

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2796 Sems Klavierslücke, zweihändig . . . 2'50 1. Es war ein mal. 2. Snewillchen. 3. Siorm. SIOM, Steiner. 4. SmlaJ, Kindlein, sm/af. 5. Dornrösdlens Grab. 6. Im Monden-sdlein • .

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Page 144: Musikblätter Des Anbruch 1919

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; Die· monumentalen I • • • •

! ~horwerke unserer Zeit I • • • • • • • • • • ! Frederick Delius: Eine messe des hebeRs = • • = u. e:. nr. mark

10'-u. e. Or.

• : 3908 KloDferauszug mit text 3913 thematlscl1e ' Bnahlse • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •

Friedrich Klose: Der ' Sonne ~elst U. E. Ur. mark U. e. nr,

6113 Klaulerauszug mit text . , ' ... 10'- 61U teltbuch . , . ,

U. E. nr. 6139 tftemaf1scfler rührer mark ,;-'SO

6UStOD mahl er: VIII. Sinfonie • = U. E. nr. mark U. E. fiT,

I 2660 KlalJierouszug mit text 12'- 3000 Sfudfenpartifur . 3390 Kla\Jlerouszug, uierhdndlg 12'- 3399 thematisdte Hnalyse

~. n. DOn Reznicek: In memorlam

mark

mark -'50

mark 10'­

-'SO

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• • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •

U. E. nr. mark

12'-U. e. ßr. mark •

5640 Klaulerauszug mit text 5639 textbuch -'15 e •

. Brnold ScflönlJerg: eurreiieder u. e:. Ur.

3696 Klaulerouszug mit text . 3697 Studfenpartitur (gr, ",0)

3695 tObrer, gro~e ausgabe 5215 rllilrer, kleine ausgabe

mark

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Page 145: Musikblätter Des Anbruch 1919

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Page 146: Musikblätter Des Anbruch 1919

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Piano.

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Page 147: Musikblätter Des Anbruch 1919

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Page 148: Musikblätter Des Anbruch 1919

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Page 149: Musikblätter Des Anbruch 1919

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